Wie wird man Filmstar - Alfa Romeo Club · 2016. 3. 11. · sich unser Auto, den Alfa Romeo 6C...

4
24 Es geschah am Dienstag, den 20. Mai 2014: Das Han- dy klingelte, was wahrlich nichts außergewöhnliches war. Auch die Stimme am anderen Ende der Leitung war mir sehr wohl bekannt. „Reinhard“ rief an. Aber dieses Mal nicht, um einen unserer Oldtimerbusse zu vermitteln. Er war ziemlich aufgeregt und sagte nur: „Ist der Castagna ab 13. bis Ende Juli noch frei?“ Nach einem kurzen Blick in den Kalender konnte ich seine Frage mit „ja“ beant- worten. Und dann sprudelte es richtig aus ihm heraus: „In den Dolomiten, in der Ecke von Bozen – Meran – Kastel- ruth – Seiseralm wird ein Film über Luis Trenker gedreht mit dem Titel: Der schmale Grat der Wahrheit!!Hauptrolle Tobias Moretti!!“ Als Reinhard kurz Luft holte fragte ich ihn nur „Und was hab ich oder der Castagna damit zu tun“? Er sagte: „Die Filmleute möchten Deinen Castagna als Fahrzeughaupt- darsteller für diesen Film buchen. Kannst Du das machen – hast Du Lust??“?? Natürlich hatte ich Lust!! Ich hatte schon ein paarmal mit Filmleuten zu tun. Unsere Busse sind da nicht unbekannt. Aber Kinofilm - und gleich 14 Tage zu Dreharbeiten nach Südtirol war schon ein ganz besonderer Reiz. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Einige Tage später kam Herr Egger aus Wien vorbei, um sich unser Auto, den Alfa Romeo 6C Lungo mit Castag- na Karrosserie von 1938 anzuschauen und zu prüfen, ob der Wagen „filmtauglich“ ist und ob er sich in fahrberei- tem Zustand befindet. Er verliebte sich sofort in das Auto. Wie wird man Filmstar ? Die „Aufnahmeprüfung“ war danach nur noch Formsa- che. Er teilte mir die Drehtermine und den Standort des Quartiers für die „Außenrequisite“ mit (so heißt die Ab- teilung die für alles zuständig ist, was für die Dreharbei- ten außerhalb des Studios gebraucht wird). Bei der Ver- abschiedung sagte er nur noch:“ Ich schicke Ihnen das Drehbuch zu. Lesen Sie es aufmerksam durch, damit Sie den Zusammenhang kennenlernen“. Und schon war er weg. Die Zeit bis zum Drehtermin verging rasend schnell. Das Auto sollte perfekt fahren und auch durchhalten. Da hatte ich noch alle Hände voll zu tun. Es folgten ausgie- bige Probefahrten und Tests und der Castagna lief wie ein Uhrwerk – so als ob er sich schon freuen würde. Am Sonntag, den 13. Juli 2014 war der Wagen verladen und die Fahrt ging nach Sterzing in Südtirol. Dort, in einem wunderbaren Landhotel waren die Mit- arbeiter, die für die „Außenrequisite“ arbeiten, unterge- bracht. Man hatte auch eigens für die Drehtage eine Halle angemietet, in der alle Requisiten angefertigt und gelagert wurden. Diese Halle war auch die Garage für den Castagna. Es gibt im Film eine Szene, in der Luis Trenker (Tobias Moretti) während einer Passfahrt am Autoradio drehen sollte, ein solches aber gar nicht im Auto vorhanden war. Also wurde per Eilboten so ein „Vorkriegsautoradio“ be- stellt und während das Auto „geschminkt“ wurde, habe ich das Radio eingebaut. „Schminken“ hieß in diesem Fall, das Auto mußte „ver- gammelt“ aussehen. Ringsum wurde eine Rostfolie an- geklebt und das Auto in den „stark benutzten“ Zustand durch den Gebrauch während des Krieges versetzt. Da- mit es auch ganz echt aussieht, bin ich noch durch eine schmutzige Kiesgrube gefahren. Dabei habe ich auch gelernt, daß das Drehbuch nicht der Reihe nach abgearbeitet wird, sondern die Drehtage wer- den je nach Wetter und Verfügbarkeit der Schauspieler ausgesucht. Anschließend wird der Film ja geschnitten und in der richtigen Reihenfolge zusammengesetzt. In der Außenrequisite gibt es alles – sogar an ein Bo-

Transcript of Wie wird man Filmstar - Alfa Romeo Club · 2016. 3. 11. · sich unser Auto, den Alfa Romeo 6C...

Page 1: Wie wird man Filmstar - Alfa Romeo Club · 2016. 3. 11. · sich unser Auto, den Alfa Romeo 6C Lungo mit Castag- ... Dabei habe ich auch gelernt, daß das Drehbuch nicht der Reihe

24

Es geschah am Dienstag, den 20. Mai 2014: Das Han-dy klingelte, was wahrlich nichts außergewöhnliches war. Auch die Stimme am anderen Ende der Leitung war mir sehr wohl bekannt. „Reinhard“ rief an. Aber dieses Mal nicht, um einen unserer Oldtimerbusse zu vermitteln. Er war ziemlich aufgeregt und sagte nur: „Ist der Castagna ab 13. bis Ende Juli noch frei?“ Nach einem kurzen Blick in den Kalender konnte ich seine Frage mit „ja“ beant-worten. Und dann sprudelte es richtig aus ihm heraus: „In den Dolomiten, in der Ecke von Bozen – Meran – Kastel-ruth – Seiseralm wird ein Film über Luis Trenker gedreht mit dem Titel: Der schmale Grat der Wahrheit!!Hauptrolle Tobias Moretti!!“

Als Reinhard kurz Luft holte fragte ich ihn nur „Und was hab ich oder der Castagna damit zu tun“? Er sagte: „Die Filmleute möchten Deinen Castagna als Fahrzeughaupt-darsteller für diesen Film buchen. Kannst Du das machen – hast Du Lust??“?? Natürlich hatte ich Lust!! Ich hatte schon ein paarmal mit Filmleuten zu tun. Unsere Busse sind da nicht unbekannt. Aber Kinofilm - und gleich 14 Tage zu Dreharbeiten nach Südtirol war schon ein ganz besonderer Reiz. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf.

Einige Tage später kam Herr Egger aus Wien vorbei, um sich unser Auto, den Alfa Romeo 6C Lungo mit Castag-na Karrosserie von 1938 anzuschauen und zu prüfen, ob der Wagen „filmtauglich“ ist und ob er sich in fahrberei-tem Zustand befindet. Er verliebte sich sofort in das Auto.

Wie wird man Filmstar ?

Die „Aufnahmeprüfung“ war danach nur noch Formsa-che. Er teilte mir die Drehtermine und den Standort des Quartiers für die „Außenrequisite“ mit (so heißt die Ab-teilung die für alles zuständig ist, was für die Dreharbei-ten außerhalb des Studios gebraucht wird). Bei der Ver-abschiedung sagte er nur noch:“ Ich schicke Ihnen das Drehbuch zu. Lesen Sie es aufmerksam durch, damit Sie den Zusammenhang kennenlernen“. Und schon war er weg. Die Zeit bis zum Drehtermin verging rasend schnell. Das Auto sollte perfekt fahren und auch durchhalten. Da hatte ich noch alle Hände voll zu tun. Es folgten ausgie-bige Probefahrten und Tests und der Castagna lief wie ein Uhrwerk – so als ob er sich schon freuen würde. Am Sonntag, den 13. Juli 2014 war der Wagen verladen und die Fahrt ging nach Sterzing in Südtirol.

Dort, in einem wunderbaren Landhotel waren die Mit-arbeiter, die für die „Außenrequisite“ arbeiten, unterge-bracht. Man hatte auch eigens für die Drehtage eine Halle angemietet, in der alle Requisiten angefertigt und gelagert wurden. Diese Halle war auch die Garage für den Castagna.

Es gibt im Film eine Szene, in der Luis Trenker (Tobias Moretti) während einer Passfahrt am Autoradio drehen sollte, ein solches aber gar nicht im Auto vorhanden war. Also wurde per Eilboten so ein „Vorkriegsautoradio“ be-stellt und während das Auto „geschminkt“ wurde, habe ich das Radio eingebaut.

„Schminken“ hieß in diesem Fall, das Auto mußte „ver-gammelt“ aussehen. Ringsum wurde eine Rostfolie an-geklebt und das Auto in den „stark benutzten“ Zustand durch den Gebrauch während des Krieges versetzt. Da-mit es auch ganz echt aussieht, bin ich noch durch eine schmutzige Kiesgrube gefahren.

Dabei habe ich auch gelernt, daß das Drehbuch nicht der Reihe nach abgearbeitet wird, sondern die Drehtage wer-den je nach Wetter und Verfügbarkeit der Schauspieler ausgesucht. Anschließend wird der Film ja geschnitten und in der richtigen Reihenfolge zusammengesetzt.

In der Außenrequisite gibt es alles – sogar an ein Bo-

Page 2: Wie wird man Filmstar - Alfa Romeo Club · 2016. 3. 11. · sich unser Auto, den Alfa Romeo 6C Lungo mit Castag- ... Dabei habe ich auch gelernt, daß das Drehbuch nicht der Reihe

25

zener Autokennzeichen hatte man gedacht. Die ersten Szenen wurden auch mitten in Bozen gedreht. Hinter der abgesperrten Drehzone gab es viele Zuschauer, die, wie auch ich, die Dreharbeiten verfolgten. Tobias (Moretti) tat mir manchmal fast ein bisschen leid, wenn es immer wieder hieß: „Zurück zum Anfang - bitte!!!!!“

Dabei habe ich auch gelernt, daß ein ganzer Drehtag etwa 8 Minuten Film ergibt.

Dann kam der Drehtag am Pass Giau bei Cortina D’Am-pezzo. Eigentlich sollte ich für diese Fahrt Tobias Moret-ti doubeln. Warum das nicht zustande kam, erzähle ich später. Am Drehtag für die Passfahrt hieß es morgens um 4.00 Uhr aufstehen um von Meran nach Cortina zu

fahren, damit die Dreharbeiten um 8.00 Uhr am Pass Giau begonnen werden konnten. Es war ein herrlicher Tag. Die Filmleute waren damit beschäftigt, die Leitpfos-ten an der Straße auf das Niveau von 1936 zu bringen. Ich fuhr unterdessen die Passstraße mit dem Castagna ab. Pünktlich ¼ vor Acht landete ein Helikopter auf der Bergwiese und Tobias in der „Tracht““ von Luis Trenker entstieg dem „Fluggerät“ um sich mit dem Castagna ver-traut zu machen. Ich weiß nicht mehr genau, wie oft es hieß:“Zurück zum Anfang“ und „Bitte“.

Ich hatte den Eindruck, Tobias konnte die Szene gar nicht oft genug wiederholen: Pass runter und Pass wieder rauf. Diese Szenen wurden vom „Heli“ heraus gedreht. Beim

Page 3: Wie wird man Filmstar - Alfa Romeo Club · 2016. 3. 11. · sich unser Auto, den Alfa Romeo 6C Lungo mit Castag- ... Dabei habe ich auch gelernt, daß das Drehbuch nicht der Reihe

26

Mittagessen im Gasthaus am Pass hatte ich einen „strah-lenden“ Luis Trenker als Tischnachbarn. Als Vorspeise wählte er „Passfahrt im Alfa Romeo Castagna“ und als Dessert „Rückflug mit Helikopter nach Innsbruck“.

Es folgten die Drehtage in Meran. Man hatte eine alte Villa gefunden, mitten in den Spalierobstanlagen von Meran. (In so einer Villa hatte Trenker vor dem Krieg gelebt. ) Die Villa war innen mit alten Filmplakaten und vielen Utensilien aus Trenkers Filmschaffen ausgestat-tet. Alles was außerhalb der Villa nicht „passte“, wurde von den Filmleuten passend gemacht. Der Castagna war

zwischenzeitlich von der Rostfolie und dem „Kiesgru-benschmutz“ befreit. Und die Szene, in der Luis Trenker von seiner Ehefrau Hilde den wieder auf „Neuzustand“ getrimmten Castagna geschenkt bekommt, wurde dann gedreht.

In so einer, für die damalige Zeit luxuriösen Villa, wohnte Trenker mit seiner Familie. Verschiedene Szenen, unter anderem die Szene, bei denen seine Filmehefrau – ge-spielt von Barbara Romaner – mit dem Auto vorfahren mußte, wurden dort gedreht. Die angenehme Aufgabe, „Frau Trenker“ das Fahren mit dem Castagna beizubrin-gen, wurde mir übertragen.

Es folgten Drehtage auf der Seiseralm bei Kastelruth .

Mittlerweile hatten wir schon einige Drehtage hinter uns. Auch traf man sich in den Pausen immer mal wieder bei den netten jungen Damen am Catering – Wagen und so lernte ich Tobias Moretti etwas näher kennen. Er ist ein total verrückter Alfisti, der in seiner kleinen Alfa-Samm-lung auch einen Giulia Spider hat. Damit fährt er zu na-hegelegenen Drehorten. Er hatte eine Kleinigkeit daran zu reparieren und ich sagte ihm:“bring ihn mit, ich schau mal danach“!

Am nächsten Morgen kam er tatsächlich mit seinem Giu-lia Spider angefahren und ich konnte während des Dreh-tages den Fehler beseitigen. Von da an hatte ich einen neuen Freund. Der „Alfisti“ Moretti wollte natürlich auch die Passfahrt mit dem Castagna selbst fahren. Ich konnte ihm diese Bitte nicht abschlagen und zeigte ihm, wie das

Page 4: Wie wird man Filmstar - Alfa Romeo Club · 2016. 3. 11. · sich unser Auto, den Alfa Romeo 6C Lungo mit Castag- ... Dabei habe ich auch gelernt, daß das Drehbuch nicht der Reihe

27

Auto zu fahren ist. Somit war es mit meiner Filmrolle na-türlich auch vorbei. Also nichts mit doubeln.

Der nächste Drehort stand an: Meran war angesagt! Die Filmleute und auch ich wohnten in dem wunderschönen Hotel „Bellevue“. Wie oft in den Städten – gab es auch in Meran keine Parkplätze beim Hotel. Da man sich der Sache bewußt war, hatte man unweit des Hotels, in der Nähe des Bahnhofs, eine Halle gefunden, in der mein Zugfahrzeug mit Hänger und auch der Castagna unter-gebracht waren. Mit dieser Unterstell-Lösung konnte ich mich gar nicht anfreunden.

Am ersten Morgen beim Frühstück klagte ich dem Hotel-besitzer mein Leid und bedauerte, dass ich morgens zu Fuß zum Bahnhof gehen mußte um dort den Castagna aus der Halle zu holen. Es stellte sich heraus, daß die Hotelbesitzerfamilie alle Alfisti waren . So war es folge-richtig, daß der Chef seine private Garage räumte und für den Castagna zur Verfügung stellte. Die einzige Bedin-gung: Ein Familienfoto vor dem Hoteleingang mit dem Castagna. So entstand das Foto vor dem Hoteleingang des „Bellevue“.

Nach den Drehtagen in Meran war meine Mission be-endet und die Heimfahrt war angesagt. Da wir nicht ei-nen Regentag zu beklagen hatten, wurde der angege-bene Zeitplan eingehalten. Alles in allem war es eine wunderbare Zeit und ein tolles Erlebnis. Der Film wurde

zunächst in den größeren Städten in Österreich als Kino-film gezeigt. Tobias Moretti hatte mich zu der Premiere in Innsbruck eingeladen. Leider habe ich es zu dem Termin nicht geschafft und somit mußte auch ich warten, bis die ARD am 18. November 2015 den Film ausgestrahlt hat. Gerne würde ich es wieder erleben, wenn ein Regisseur zum x-ten Mal sagt: „ ZURÜCK ZUM ANFANG !!!!! ....BITTE“!!!!!

Text und Fotos von Reiner Mörch, Sinsheim