Wie wollt Ihr arbeiten? - die-generation-z.de · Von AnjA Sokolow Wie wollt Ihr arbeiten? D as...

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Die Vorstellungen der Generation Y zur Arbeitswelt beschäftigen viele Arbeitgeber. Die Daimler AG hat ihre jungen Mitarbeiter dazu befragt. Nun setzt sie erste Ideen um. Von ANJA SOKOLOW Wie wollt Ihr arbeiten? D as Büro von Antje Suhl im Personalbereich der Daim- ler AG in Stuttgart sieht ganz klassisch aus: Sie teilt es sich mit einer Kollegin und hat dort einen Schreibtisch mit Docking Station, Bildschirm und Lampe. „Ein ei- genes Reich ist ganz schön, aber ich muss ja nicht durchgängig an meinem Schreibtisch sitzen“, sagt die 29-Jährige. Aus ihrer Sicht sind individuelle und den Aufgaben angepasste Arbeitsräume ge- eigneter. „Manchmal brauche ich vielleicht einen ruhigen Raum, wo ich mich mal in eine Excel-Tabelle eindenken kann und keiner stört“, sagt Suhl. Andererseits seien aber auch Orte wichtig, an denen man mit Kollegen kommunizieren könne. „Brauchen wir überhaupt noch unseren Schreibtisch, an dem der Name steht? Ich kann mir auch vorstellen, komplett mobil zu arbeiten“, sagt sie. Antje Suhl ist eine von 60 Daimler-Mitarbeitern im Alter von 20 bis 35 Jahren, die sich bei einem Workshop mit dem Titel Gen Y Day Gedanken darüber gemacht haben, wie sie sich ihre Arbeitswelt der Zukunft vorstellen. Zwei Tage lang ging es um neue Formen der Zusammenarbeit, Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort, Ein- satzmöglichkeiten von Informationstechnologie, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie alternative Vergütungsmodelle. Über 200 Vorschläge kamen zusammen, aus denen die Teilneh- mer die aus ihrer Sicht wichtigsten wählten. Personalvorstand Wil- fried Porth und der Betriebsratsvorsitzende des Mercedes-Benz Werks Untertürkheim, Wolfgang Nieke, entschieden schließlich, welche sechs Ideen in einem ersten Schritt umgesetzt werden. Eine davon ist die von Antje Suhl. Sie gehört jetzt als Vertreterin der Generation Y zu einer Arbeitsgruppe, die für die Arbeitsplatz- gestaltung zuständig ist. „Wir schauen jetzt gemeinsam, wie man unsere zum Teil sehr abgehobenen Ideen umsetzen kann“, sagt sie. Laut Projektleiterin des Gen Y Days, Heike Kummer, werden bei der Umsetzung „Synergieeffekte genutzt“. Projekte und Ideen mit ähnlichen Themen würden zusammengeführt. „Dabei ist Arbeits- platzgestaltung sicherlich ein großes Arbeitspaket, in das Ideen aus dem Gen Y Day einfließen“, erläutert Kummer. Die Vorschläge seien insgesamt sehr vielfältig gewesen und reichten von Dachgärten auf Fabrikgebäuden bis zum firmeneigenen Xing, so die Leiterin des Bereichs Aus- und Weiterbildungspolitik. Die Generation Y will verändern Die Generation Y ist in der digitalen Welt aufgewachsen. Ihr wird nachgesagt, dass sie von starken Hierarchien genauso wenig hält wie von festen Arbeitszeiten. Forscher schreiben den Jungen viele Eigenschaften zu, die sie von Älteren unterscheiden. Arbeitgeber treibt daher seit Längerem die Frage um, wie man den Nachwuchs an die Unternehmen binden kann, ohne sie einzuengen. „Niemand weiß besser, wie, wo und wann junge Menschen ar- beiten wollen, als sie selbst.“ Daher sei es wichtig, sie nach ihren Ideen zu fragen, sagt Kummer. Antje Suhl ist davon auch im Nach- hinein noch begeistert: Dass ihre Generation sich so einbringen konnte, hält sie für eine „unglaubliche Wertschätzung“. Zufrieden Beim Gen Y Day hatten junge Mitarbeiter von Daimler die Chance, ihre Bedürfnisse bezüglich der Arbeitswelt von morgen zu äußern. www.humanresourcesmanager.de 42 TITEL

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Die Vorstellungen der Generation Y zur Arbeitswelt beschäftigen viele Arbeitgeber. Die Daimler AG hat ihre jungen Mitarbeiter dazu befragt. Nun setzt sie erste Ideen um.

Von AnjA Sokolow

Wie wollt Ihr arbeiten?

D as Büro von Antje Suhl im Personalbereich der Daim-ler AG in Stuttgart sieht ganz klassisch aus: Sie teilt es sich mit einer Kollegin und hat dort einen Schreibtisch mit Docking Station, Bildschirm und Lampe. „Ein ei-

genes Reich ist ganz schön, aber ich muss ja nicht durchgängig an meinem Schreibtisch sitzen“, sagt die 29-Jährige. Aus ihrer Sicht sind individuelle und den Aufgaben angepasste Arbeitsräume ge-eigneter. „Manchmal brauche ich vielleicht einen ruhigen Raum, wo ich mich mal in eine Excel-Tabelle eindenken kann und keiner stört“, sagt Suhl. Andererseits seien aber auch Orte wichtig, an denen man mit Kollegen kommunizieren könne. „Brauchen wir überhaupt noch unseren Schreibtisch, an dem der Name steht? Ich kann mir auch vorstellen, komplett mobil zu arbeiten“, sagt sie.

Antje Suhl ist eine von 60 Daimler-Mitarbeitern im Alter von 20 bis 35 Jahren, die sich bei einem Workshop mit dem Titel Gen Y Day Gedanken darüber gemacht haben, wie sie sich ihre Arbeitswelt der Zukunft vorstellen. Zwei Tage lang ging es um neue Formen der Zusammenarbeit, Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort, Ein-satzmöglichkeiten von Informationstechnologie, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie alternative Vergütungsmodelle.

Über 200 Vorschläge kamen zusammen, aus denen die Teilneh-mer die aus ihrer Sicht wichtigsten wählten. Personalvorstand Wil-fried Porth und der Betriebsratsvorsitzende des Mercedes-Benz Werks Untertürkheim, Wolfgang Nieke, entschieden schließlich, welche sechs Ideen in einem ersten Schritt umgesetzt werden. Eine davon ist die von Antje Suhl. Sie gehört jetzt als Vertreterin der Generation Y zu einer Arbeitsgruppe, die für die Arbeitsplatz-

gestaltung zuständig ist. „Wir schauen jetzt gemeinsam, wie man unsere zum Teil sehr abgehobenen Ideen umsetzen kann“, sagt sie.

Laut Projektleiterin des Gen Y Days, Heike Kummer, werden bei der Umsetzung „Synergieeffekte genutzt“. Projekte und Ideen mit ähnlichen Themen würden zusammengeführt. „Dabei ist Arbeits-platzgestaltung sicherlich ein großes Arbeitspaket, in das Ideen aus dem Gen Y Day einfließen“, erläutert Kummer. Die Vorschläge seien insgesamt sehr vielfältig gewesen und reichten von Dachgärten auf Fabrikgebäuden bis zum firmeneigenen Xing, so die Leiterin des Bereichs Aus- und Weiterbildungspolitik.

Die Generation Y will verändern

Die Generation Y ist in der digitalen Welt aufgewachsen. Ihr wird nachgesagt, dass sie von starken Hierarchien genauso wenig hält wie von festen Arbeitszeiten. Forscher schreiben den Jungen viele Eigenschaften zu, die sie von Älteren unterscheiden. Arbeitgeber treibt daher seit Längerem die Frage um, wie man den Nachwuchs an die Unternehmen binden kann, ohne sie einzuengen.

„Niemand weiß besser, wie, wo und wann junge Menschen ar-beiten wollen, als sie selbst.“ Daher sei es wichtig, sie nach ihren Ideen zu fragen, sagt Kummer. Antje Suhl ist davon auch im Nach-hinein noch begeistert: Dass ihre Generation sich so einbringen konnte, hält sie für eine „unglaubliche Wertschätzung“. Zufrieden

Beim Gen Y Day hatten junge Mitarbeiter von Daimler die Chance, ihre Bedürfnisse bezüglich der Arbeitswelt von morgen zu äußern.

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mit der Generation Y zeigte sich auch Personalvorstand Porth: „Sie will verändern, sie hat gute Ideen und nicht nur Forderungen. Sie hat wirklich Lösungen, die auf die spezielle Situation passen“, sagte er in einem Pressegespräch.

„Generell ist es gut, junge Leute in Überlegungen zur Zukunft von Unternehmen einzubeziehen“, meint auch der Experte für Personalmanagement und Professor an der Universität des Saar-landes, Christian Scholz. Allerdings sei die Idee nicht neu: „Der-artige Diskussionsrunden gehören seit Jahrzehnten zum Stan-dard-Repertoire bei Auszubildenden und Nachwuchskräften.“ Ganz unbekannt sei auch der Wunsch nach offenen Bürokonzepten und mobilem Arbeiten nicht. Er decke sich zu 100 Prozent mit dem, was sich viele Unternehmen unter einer zukunftsorientierten Arbeitsorganisation vorstellten: „Hier haben Mitarbeiter keine ei-genen Schreibtische mehr, sondern finden sich je nach Aktivität in unterschiedlichsten Strukturen verplant. Alles ist maximal flexibel, hoch-kommunikativ, absolut transparent und jeder Quadratmeter wird optimal genutzt. Typisch hierfür sind der Neubau von Adidas und das geplante Axel-Springer-Gebäude in Berlin“, so Scholz.

In seinen Augen wirkt das Auswahlverfahren „verdächtig mani-pulativ“: „Man wählt also aus einer langen Liste von Vorschlägen das aus, was man sowieso plant und gibt es dann noch als „Wunsch der Jugend“ aus“, sagt Scholz. Solch ein Vorgehen passe in die aktu-

elle Debatte der Scheindemokratie, wo die ältere Generation zwar eine „gemeinsame Augenhöhe“ propagiere, aber Blickrichtung und Blickinhalt vorgegeben werde, kritisiert er.

Den Mut haben, Bedürfnisse zu äußern

Die Kölner Beraterin Steffi Burkhart, die sich als „Sprachrohr der Generation Y“ bezeichnet, findet das Projekt hingegen so positiv, dass sie es gern bei Vorträgen in anderen Unternehmen vorstellt. „Es wird häufig über junge Menschen gesprochen, diskutiert und entschieden, statt sie zu Wort kommen zu lassen“, weiß Burkhart. Positiv sei, dass die Jungen bei Daimler unter sich gewesen sind. In gemischten Diskussionsrunden bremsten ältere Kollegen jüngere Mitarbeiter oft unbewusst mit „Ja, aber“-Argumenten aus. „Jüngere halten dann am Ende den Mund“, sagt Burkhart, die auch beim Gen Y Day von Daimler einen Impulsvortrag hielt.

Aus ihrer Sicht sollte bei all den Diskussionen um die Gen Y aber eines nicht vergessen werden: „Die Bedürfnisse der jungen Generation entsprechen auch denen älterer Generationen. Junge Menschen trauen sich nur etwas mehr, diese Bedürfnisse dem Ar-beitgeber gegenüber zu äußern.“ •

Diese Ideen der Generation Y sollen Realität werden

Das Incentive-System „stars4U“. Alternativ zu Cashboni sollen Mitarbeiter künftig etwa mit VIP-Tickets für Formel-1-Rennen oder exklusiven Fahrveranstaltungen belohnt werden.

„Daimler-People“: Nach Xing-Vorbild sollen sich Mitarbeiter im firmeneigenen Netzwerk präsentieren und austauschen können.

Ein Bausteinmodell statt eines starren Vergütungssystems: Wer auf Teile des Gehalts verzichtet, kann etwa Dienst- oder höhere Renten-leistungen in Anspruch nehmen.

Ein interner Hardware- und App-Store: Hier können sich Mitarbeiter selbst mit der nötigen Technik ausrüsten.

Arbeitsplätze, die den Aufgaben angepasst sind.

Mehr Förder- und Entwicklungsmöglichkeiten für den Nachwuchs: Ein Mentoring-System auch auf horizontaler Ebene, weil Karriere nicht nur vertikal funktioniert.

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43februar / märz 2016

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