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Wirtschaftsrecht Roth · Zur unentgeltlichen Ƞberlassung von Unterlagen an den Handelsvertreter 2000 Betriebs-Berater // BB 34.2010 // 16.8.2010 eines UnternehmensangehɆrigen fɒr die juristische Person haben kann (Unternehmensgeldbuße, Verfall, Einziehung), und erkennt man, dass das Prozessrecht dem durch eine gewisse Subjektivierung von Unternehmen insbesondere durch die EinrȨumung von Beteili- gungsrechten Rechnung trȨgt 79 , wird man ein Mitwirkungsverweige- rungsrecht von Unternehmen schwerlich verneinen kɆnnen 80 . III. Fazit Folgendes Ergebnis lȨsst sich zusammenfassen: – Die erzwungene Vorlage von Unterlagen fȨllt ebenso wie die Aus- kunftspflicht unter die Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ip- sum accusare). – Die im Aufsichtsverfahren der BaFin erzwungene Unterlagenvorlage zur Ermittlung von InsidergeschȨften oder marktmanipulativen TȨuschungshandlungen i.S. von § 4 Abs. 3 ist eine repressive Er- mittlungsmaßnahme 81 , die der Informationssammlung fɒr ein spȨ- teres Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren dient. – Da bei Anhaltspunkten fɒr wertpapierhandelsrechtliche MissstȨnde in Form strafbedrohter VerbotsverstɆße das Auskunfts- und Unterla- genvorlageersuchen der BaFin nicht geeignet ist, etwaige Gefahren fɒr den Kapitalmarkt oder das Anlegervertrauen zu beseitigen, son- dern nur noch der Verfolgung des Verbotsverstoßes dient, besteht fɒr denjenigen, der sich durch die Mitwirkung selbst belasten wɒrde, nicht nur ein Auskunfts-, sondern auch ein Vorlageverweigerungs- recht. Dieses Recht ist auch juristischen Personen einzurȨumen. – Der Gesetzgeber ist aufgerufen, neben dem de lege lata existieren- den Auskunftsverweigerungsrecht ein Vorlageverweigerungsrecht im WpHG zu installieren und nach Vorbild des § 4 Abs. 9 S. 2 mit einer entsprechenden Belehrungspflicht zu versehen. // Autor h Dr. AndrȖ-M. Szesny, LL.M., ist Rechtsanwalt im Dɒs- seldorfer Bɒro von Heuking Kɒhn Lɒer Wojtek und Mit- begrɒnder der dortigen Praxisgruppe Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Er berȨt Unternehmen auf dem Gebiet der Criminal Compliance und ist als Strafverteidiger im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts tȨtig. Ein Schwer- punkt seiner TȨtigkeit liegt im Bereich des Kapital- marktstrafrechts. Professor Dr. Markus Roth Zur unentgeltlichen Ƞberlassung von Unterlagen an den Handelsvertreter Fortentwicklung der Pflichten des Unternehmers nach § 86a Abs. 1 HGB Nach § 86a HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die er- forderlichen Unterlagen zur Verfɒgung zu stellen. In aktuellen Entschei- dungen nehmen das OLG KɆln und das OLG Celle an, dass dies unent- geltlich zu erfolgen hat und zudem der Handelsvertreter nach pflicht- gemȨßem Ermessen entscheiden kann, welche Unterlagen erforderlich sind. Von dieser Rechtsfortbildung betroffen sind insbesondere Pro- dukte der private Altersvorsorge vertreibende Mehrfachagenten, die ihrerseits mit Untervertretern HandelsvertretervertrȨge abschließen. Der Beitrag geht der dem BGH vorliegenden Frage nach, inwieweit eine zwingende Pflicht zur unentgeltlichen Ƞberlassung mit der Konzeption des Handelsvertreters als selbstȨndigem Kaufmann vereinbar ist und entwickelt ein alternatives Schutzkonzept. I. Einleitung Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Wer- bedrucksachen, GeschȨftsbedingungen zur Verfɒgung zu stellen. Die Pflicht zur Ƞberlassung dieser Unterlagen ist nach § 86a Abs. 3 HGB unabdingbar. Die (ober)landesgerichtliche Rechtsprechung zur Ƞber- lassung von Musterkollektionen und das Schrifttum folgern daraus eine unabdingbare Pflicht zur unentgeltlichen Ƞberlassung erforderlicher Unterlagen: 1 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser nach neuerer Ansicht das gesamte Handelsvertreterrecht betreffenden Frage fehlt. 2 Der vorliegende Beitrag soll diese Lɒcke schließen. Aktuellen Anlass hierfɒr geben Entscheidungen des OLG KɆln 3 sowie insbesondere des OLG Celle, 4 die eine Pflicht zur unentgeltlichen Ƞberlassung von Wer- bematerial und weiterer Unterlagen nach Ermessen des Handelsvertre- ters annehmen, soweit der Unternehmer diese Unterlagen (gegen oder ohne Entgelt) dem Handelsvertreter ɒberhaupt anbietet. Aufgrund der Konzeption des Handelsvertreters als selbstȨndigem Kaufmann er- scheint eine unabdingbare Pflicht des Unternehmers zur unentgeltli- 79 §§ 444 Abs. 1 S. 1 StPO, 88 OWiG; § 431 Abs. 3 StPO. 80 Zumindest der EuGH hat dies fɒr das Kartellverfahren anerkannt: EuGH, 18.10.1989 – Rs. 374/87 – Or- kem – Slg. 1989, 3283, Rn. 35 sowie Leitsatz 3; EuGH, 29.6.2006 – C 301/04 P, Rn. 42. 81 Vgl. ebenso Habetha, WM 1996, 2133, 2138; Carl/Klos, wistra 1995, 10, 14; vgl. Beck, in: Schwark, Kapital- marktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 4 Rn. 15. 1 Zu Musterkollektionen OLG Mɒnchen, BB 1999, 2320, 2321; zuvor etwa das LG Nɒrnberg-Fɒrth, BB 1997, 493 sowie das LG Stuttgart, HVR Nr. 690. Aus der Kommentarliteratur GroßkommHGB/Emde, 5. Aufl. 2008, Rn. 74; RɆhricht/Graf von Westphalen/Thume, HGB, 3. Aufl. 2008, § 86a Rn. 2. 2 Zu Musterkollektionen Thume, BB 1995, 1913, zu Werbezeitschriften Thelen, VersR 2009, 1025. 3 OLG KɆln, 11.9.2009 – 19 U 64/09, zuvor bereits OLG KɆln, r + s 2009, 87. 4 OLG Celle, 10.12.2009 – 11 U 50/09, BB 2010, 1052 mit Komm. Hesse, und 10.12.2009 – 11 U 51/09, GWR 2010, 11, dazu kritisch Evers, VW 2010, 137, ferner Hesse, a. a. O.

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WirtschaftsrechtRoth · Zur unentgeltlichen �berlassung von Unterlagen an den Handelsvertreter

2000 Betriebs-Berater // BB 34.2010 // 16.8.2010

eines Unternehmensangeh�rigen f�r die juristische Person haben

kann (Unternehmensgeldbuße, Verfall, Einziehung), und erkennt

man, dass das Prozessrecht dem durch eine gewisse Subjektivierung

von Unternehmen insbesondere durch die Einr�umung von Beteili-

gungsrechten Rechnung tr�gt79, wird man ein Mitwirkungsverweige-

rungsrecht von Unternehmen schwerlich verneinen k�nnen80.

III. Fazit

Folgendes Ergebnis l�sst sich zusammenfassen:

– Die erzwungene Vorlage von Unterlagen f�llt ebenso wie die Aus-

kunftspflicht unter die Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ip-

sum accusare).

– Die im Aufsichtsverfahren der BaFin erzwungene Unterlagenvorlage

zur Ermittlung von Insidergesch�ften oder marktmanipulativen

T�uschungshandlungen i.S. von § 4 Abs. 3 ist eine repressive Er-

mittlungsmaßnahme81, die der Informationssammlung f�r ein sp�-

teres Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren dient.

– Da bei Anhaltspunkten f�r wertpapierhandelsrechtliche Missst�nde

in Form strafbedrohter Verbotsverst�ße das Auskunfts- und Unterla-

genvorlageersuchen der BaFin nicht geeignet ist, etwaige Gefahren

f�r den Kapitalmarkt oder das Anlegervertrauen zu beseitigen, son-

dern nur noch der Verfolgung des Verbotsverstoßes dient, besteht f�r

denjenigen, der sich durch die Mitwirkung selbst belasten w�rde,

nicht nur ein Auskunfts-, sondern auch ein Vorlageverweigerungs-

recht. Dieses Recht ist auch juristischen Personen einzur�umen.

– Der Gesetzgeber ist aufgerufen, neben dem de lege lata existieren-

den Auskunftsverweigerungsrecht ein Vorlageverweigerungsrecht

im WpHG zu installieren und nach Vorbild des § 4 Abs. 9 S. 2 mit

einer entsprechenden Belehrungspflicht zu versehen.

// AutorhDr. Andr�-M. Szesny, LL.M., ist Rechtsanwalt im D�s-seldorfer B�ro von Heuking K�hn L�er Wojtek und Mit-begr�nder der dortigen Praxisgruppe Wirtschafts- undSteuerstrafrecht. Er ber�t Unternehmen auf dem Gebietder Criminal Compliance und ist als Strafverteidiger imBereich des Wirtschaftsstrafrechts t�tig. Ein Schwer-punkt seiner T�tigkeit liegt im Bereich des Kapital-marktstrafrechts.

Professor Dr. Markus Roth

Zur unentgeltlichen �berlassung von Unterlagenan den HandelsvertreterFortentwicklung der Pflichten des Unternehmers nach § 86a Abs. 1 HGB

Nach § 86a HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die er-

forderlichen Unterlagen zur Verf�gung zu stellen. In aktuellen Entschei-

dungen nehmen das OLG K�ln und das OLG Celle an, dass dies unent-

geltlich zu erfolgen hat und zudem der Handelsvertreter nach pflicht-

gem�ßem Ermessen entscheiden kann, welche Unterlagen erforderlich

sind. Von dieser Rechtsfortbildung betroffen sind insbesondere Pro-

dukte der private Altersvorsorge vertreibende Mehrfachagenten, die

ihrerseits mit Untervertretern Handelsvertretervertr�ge abschließen.

Der Beitrag geht der dem BGH vorliegenden Frage nach, inwieweit eine

zwingende Pflicht zur unentgeltlichen �berlassung mit der Konzeption

des Handelsvertreters als selbst�ndigem Kaufmann vereinbar ist und

entwickelt ein alternatives Schutzkonzept.

I. Einleitung

Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer demHandelsvertreter die

erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Wer-

bedrucksachen, Gesch�ftsbedingungen zur Verf�gung zu stellen. Die

Pflicht zur �berlassung dieser Unterlagen ist nach § 86a Abs. 3 HGB

unabdingbar. Die (ober)landesgerichtliche Rechtsprechung zur �ber-

lassung vonMusterkollektionen und das Schrifttum folgern daraus eine

unabdingbare Pflicht zur unentgeltlichen �berlassung erforderlicher

Unterlagen:1 Eine vertiefte Auseinandersetzungmit dieser nach neuerer

Ansicht das gesamte Handelsvertreterrecht betreffenden Frage fehlt.2

Der vorliegende Beitrag soll diese L�cke schließen. Aktuellen Anlass

hierf�r geben Entscheidungen des OLG K�ln3 sowie insbesondere des

OLG Celle,4 die eine Pflicht zur unentgeltlichen �berlassung von Wer-

bematerial und weiterer Unterlagen nach Ermessen des Handelsvertre-

ters annehmen, soweit der Unternehmer diese Unterlagen (gegen oder

ohne Entgelt) dem Handelsvertreter �berhaupt anbietet. Aufgrund der

Konzeption des Handelsvertreters als selbst�ndigem Kaufmann er-

scheint eine unabdingbare Pflicht des Unternehmers zur unentgeltli-

79 §§ 444 Abs. 1 S. 1 StPO, 88 OWiG; § 431 Abs. 3 StPO.80 Zumindest der EuGH hat dies f�r das Kartellverfahren anerkannt: EuGH, 18.10.1989 – Rs. 374/87 – Or-

kem – Slg. 1989, 3283, Rn. 35 sowie Leitsatz 3; EuGH, 29.6.2006 – C 301/04 P, Rn. 42.81 Vgl. ebenso Habetha, WM 1996, 2133, 2138; Carl/Klos, wistra 1995, 10, 14; vgl. Beck, in: Schwark, Kapital-

marktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 4 Rn. 15.

1 Zu Musterkollektionen OLG M�nchen, BB 1999, 2320, 2321; zuvor etwa das LG N�rnberg-F�rth, BB 1997,493 sowie das LG Stuttgart, HVR Nr. 690. Aus der Kommentarliteratur GroßkommHGB/Emde, 5. Aufl.2008, Rn. 74; R�hricht/Graf von Westphalen/Thume, HGB, 3. Aufl. 2008, § 86a Rn. 2.

2 Zu Musterkollektionen Thume, BB 1995, 1913, zu Werbezeitschriften Thelen, VersR 2009, 1025.3 OLG K�ln, 11.9.2009 – 19 U 64/09, zuvor bereits OLG K�ln, r + s 2009, 87.4 OLG Celle, 10.12.2009 – 11 U 50/09, BB 2010, 1052 mit Komm. Hesse, und 10.12.2009 – 11 U 51/09,

GWR 2010, 11, dazu kritisch Evers, VW 2010, 137, ferner Hesse, a. a. O.

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WirtschaftsrechtRoth · Zur unentgeltlichen �berlassung von Unterlagen an den Handelsvertreter

chen �berlassung aller dem Handelsvertreter n�tzlichen Unterlagen

nach dessen Ermessen nicht unproblematisch.

II. Das �berlassen von Unterlagen

1. § 86a HGB als Konkretisierung von Treuund Glauben

F�r den zun�chst noch Handelsagenten genannten Handelsvertreter

wurden imdeutschenHGBvon1897dieweltweit erstengesetzlichenRe-

gelungen geschaffen.5 Die 1953 eingef�hrte Norm des § 86a HGB soll

komplement�r zur Vorschrift des § 86 HGB die wesentlichen Pflichten

des Unternehmers hervorheben: Kodifiziert wurden die aus Treu und

Glauben folgendenPflichten.6Die gesetzlicheRegelungder�berlassung

erforderlicher Unterlagen geht zur�ck auf den Entwurf eines Handels-

vertretergesetzes von 1940.7 Nach dem Krieg wurde der Regelungsvor-

schlag in einemEntwurf der CentralvereinigungDeutscherHandelsver-

treter- und Handelsmakler-Verb�nde (CDH) �bernommen und unter

Ber�cksichtigungbestehenderHandelsbr�uche8 geringf�gig erg�nzt.9

Bereits vorder gesetzlichen Fixierung derUnterst�tzungspflicht desUn-

ternehmers enthielten dieHandelsvertretervertr�ge regelm�ßig entspre-

chende Bestimmungen.10 Die Kommentarliteratur der 1950er Jahren

sah die unentgeltliche �berlassung von Unterlagen als Grundsatz an.11

Dogmatisch ist der Handelsvertretervertrag als Dienstvertrag �ber eine

Gesch�ftsbesorgung einzuordnen.12 Auf Gesch�ftsbesorgungen findet

das Auftragsrecht nach der allgemeinen Regel des § 675 BGB entspre-

chende Anwendung. F�r Handelsvertreter gilt dies nach § 87d HGB al-

lerdings nur, wenn dies handels�blich ist.13 Hinsichtlich der grunds�tz-

lich unentgeltlichen �berlassung wurde so auch auf entsprechende Un-

tersuchungender Industrie- undHandelskammernverwiesen.14

2. Die Anf�gung des § 86a Abs. 3 bei Umsetzender Handelsvertreter-Richtlinie

Auch die Handelsvertreterrichtlinie sieht in Art 4 Abs. 1 vor, dass sich

der Unternehmer gegen�ber dem Handelsvertreter nach den Geboten

von Treu und Glauben verh�lt. Er hat insbesondere gem�ß Art. 4 Abs. 2

lit a) HV-RL die erforderlichen Unterlagen zur Verf�gung zu stellen, die

sich auf die betreffenden Waren beziehen. W�rtlich wird von der Han-

delsvertreterrichtlinie damit wie nach § 86a Abs. 1 HGB keine unent-

geltliche �berlassung gefordert. Die Kommission ging in ihrem Ent-

wurf davon aus, dass sie diejenigen Verpflichtungen des Unternehmers

gegen�ber dem Handelsvertreter verankert, die in den Mitgliedstaaten

von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre bereits anerkannt

sind.15 Dies spricht daf�r, aus der Handelsvertreter-Richtlinie keine

zwingend unentgeltliche �berlassung von Unterlagen zu folgern.16 Die

Bestimmungen der Richtlinie orientieren sich an den Regelungen des

Handelsvertreterrechts imHandelsgesetzbuch.17 Neue Pflichten sollten

dem Unternehmer im Rahmen des § 86a HGB nur bei Nichtdurchf�h-

rung eines Gesch�ftes auferlegt werden.18 Die �berlassung von Unter-

lagen kann nicht mehr abbedungen werden,19 was f�r den Kern der aus

Treu undGlauben folgenden Pflicht aber ohnehin galt.20

3. Die Aufnahme der Neuregelung in Rechtsprechungund Literatur

a) Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Ankaufvon Musterkollektionen

Nach Umsetzung der Handelsvertreterrichtlinie entschieden zun�chst

das LG Stuttgart21 und sodann das OLG D�sseldorf,22 dass der Han-

delsvertreter nicht durch Allgemeine Gesch�ftsbedingungen zum Kauf

von Musterkollektionen verpflichtet werden kann. Erst sieben Jahre

nach Umsetzen der Handelsvertreterrichtlinie wurde von der Recht-

sprechung die Unwirksamkeit einer Entgeltzahlung unabh�ngig von

der Verwendung Allgemeiner Gesch�ftsbedingungen angenommen.23

Nach dem OLG M�nchen kann auch durch Individualvereinbarung

keine Pflicht zum Ankauf einer Musterkollektion vereinbart werden.24

Es begr�ndet dies zun�chst mit der herrschenden Lehre, nach der die

�berlassung grunds�tzlich unentgeltlich zu erfolgen hat.25 Die Vor-

schrift des § 86a Abs. 1 HGB solle verhindern, dass der in der Regel

wirtschaftlich schw�chere Handelsvertreter sich auf nachteilige Abre-

den einl�sst, die ihn zum Abnehmer der Ware des Unternehmers ma-

chen und die damit vom Leitbild des Handelsvertreters als Vermittler

von Gesch�ften abweichen. Es liege auf der Hand, dass bei grunds�tz-

licher Zul�ssigkeit derartiger Abreden dem Handelsvertreter in unan-

gemessener Weise das Vertriebsrisiko der unternehmerischen Pro-

dukte aufgeb�rdet werden k�nnte. Wegen dieser Missbrauchsgefahr –

die im konkreten Einzelfall nicht verwirklicht sein m�sse – sei es ge-

boten, § 86a Abs. 1 und 3 HGB streng auszulegen.

b) Das handelsvertreterrechtliche SchrifttumAuch die Kommentarliteratur hielt nach Inkrafttreten der Novelle

von 1989 zun�chst ohne Einschr�nkungen an der M�glichkeit fest,

Betriebs-Berater // BB 34.2010 // 16.8.2010 2001

5 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 84 Rn. 2; Leiss, Der Anspruch des Agenten auf Entsch�di-gung f�r die Kundschaft in rechtsvergleichender Darstellung, Z�rich 1965, S. 12, fr�her �berblick beiSchmidt-Rimpler, in: Ehrenberg, Handbuch des Handelsrechts, V.1.1, 1928, S. 54 ff.

6 Instruktiv die Kommentierung des § 86a von L�wisch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl.2008, auf den Grundsatz von Treu und Glauben abstellend auch Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer,HGB, 2. Aufl. 1995, § 86a Rn. 2.

7 Arbeitsberichte der Akademie f�r Deutsches Recht, Nr. 17, Entwurf eines Handelsvertretergesetzes, vor-gelegt von Nipperdey und Dietz, 1940. § 5 Abs. 2 des Entwurfes lautete: Der vertretene Unternehmerhat dem Handelsvertreter, soweit es an ihm liegt, die Aus�bung einer erfolgreichen T�tigkeit zu erm�gli-chen. Er hat ihm namentlich die erforderlichen Unterlagen wie Muster, Werbedrucksachen, Preislisten,Gesch�ftsbedingungen, zur Verf�gung zu stellen.

8 Der Handelsbrauch im Handelsvertreterrecht, Eine Zusammenfassung von Gutachten der Industrie- undHandelskammern, herausgegeben von der Wirtschaftsvereinigung Handelsvertreter und Handelsmakler(CDH) e. V., Hamburg in Zusammenarbeit mit der Centralvereinigung Deutscher Handelsvertreter undHandelsmakler-Verb�nde (CDH), Hamburg 1952.

9 § 5 Abs. 1 des Entwurfs eines Handelsvertretergesetzes der Centralvereinigung Deutscher Handelsvertre-ter- und Handelsmakler-Verb�nde (CDH) vom Dezember 1949 – April 1950 erw�hnt auch Zeichnungen,abgedruckt bei Schmidt, Die Reform des Handelsvertreterrechts von 1953, 1995, Anhang 2, S. 519 ff.,dazu auch ders., a. a. O., S. 202. Die Verpflichtung zur Erm�glichung einer erfolgreichen T�tigkeit nachden genannten Entw�rfen war im 1. Referentenentwurf noch enthalten, nicht mehr im zweiten, Schmidt,a. a. O., S. 351 f.

10 Fr�hlich/Eberstein, Handelsvertreter-Vertrag, 3. Aufl. 1966, keine Pflicht zur unentgeltlichen �berlassungannehmend auch Eberstein, Handelsvertreter-Vertrag, 9. Aufl. 2008, S. 107.

11 Schlegelberger/Schr�der, HGB, 3. Aufl. 1955, § 86a Rn. 2, keine Er�rterung der Entgeltlichkeit allerdingsbei RGRK/W�rdinger, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 1953, Anm 1 sowie nachfolgend bei Staub/Br�gge-mann, HGB, 3. Aufl. 1967, Anm. 1 sowie in der 4. Aufl. 1995.

12 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 86 Rn. 1; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 27III.2.

13 Zur beschr�nkten Anwendbarkeit des Auftragsrechts auf den Handelsvertretervertrag nach § 87d HGBaber unten II.4.c.

14 Schlegelberger/Schr�der, HGB, 3. Aufl. 1955, § 86a Rn. 2 unter Verweis auf entsprechende Berichte derIHK Berlin, Handelsbrauch im Handelsvertreterrecht, Nr 191, 192.

15 Bulletin der Europ�ischen Gemeinschaft, Beilage 1/77, S. 19.16 Dies wird soweit ersichtlich bislang auch nicht vertreten. Nur die �berlassung, nicht die Unentgeltlich-

keit regelt der contrat „id�ale“ von de Theut, Le statut europ�en de l’agent commercial, 1992, p. 69.17 BT-Drucks. 11/3077, S. 6. Ausnahme war die Neuregelung des Ausgleichsanspruchs f�r Versicherungsver-

treter und Bausparkassenvertreter in § 89b Abs. 5 HGB, BT-Drucks. 11/3077, S. 9: die Regelungen derRichtlinie sind auf den Warenvertreter zugeschnitten.

18 Kindler, RIW 1990, 358, 359 (Information des Handelsvertreters), auch § 86a Abs. 3 als Weiterung zu-gunsten des Handelsvertreters ansehend Ankele, DB 1987, 569, 570.

19 Ankele, DB 1987, 569, 570.20 Vgl. M�nchKommBGB/G�nter H. Roth, 5. Aufl. 2007, § 242 Rn. 76.21 LG Stuttgart, 20.2.1990 – 3 KfH O 163/89, Kurzfassung abgedruckt in HVR Nr 690, danach ohne Bezug

auf die Richtlinie: Getragene und zudem evtl. besch�digte und verschmutzte Kollektionsteile werdenkaum noch die H�lfte des urspr�nglichen Verkaufspreises einbringen.

22 OLG D�sseldorf, OLG-Report 1995, 21.23 Bulletin des Direktvertriebs Juni 2-2003, S. 35 f. mit Verweis auf LG N�rnberg-F�rth vom 12.3.1996 – 2

HK O 6793/94 (abgedruckt BB 1997, 493, im Fall f�hrte das zur Schadensersatzpflicht des Handelsvertre-ters, der die Kollektion verkauft hatte) sowie LG D�sseldorf vom 22.8.1996 – 32 O 68/95 und vom26.6.1998 – 22 S 464/97.

24 OLG M�nchen, BB 1999, 2320.25 OLG M�nchen, BB 1999, 2320, 2321.

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den Handelsvertreter vertraglich zum Erwerb von Musterkollektionen

zu verpflichten,26 hierin liege lediglich eine zus�tzliche Pflicht des

Handelsvertreters.27 Im Anschluss an die Entscheidung des LG Stutt-

gart28 stellte sodann Thume die „These“ der unabdingbaren Pflicht

unentgeltlicher �berlassung auf:29 Nach dem im Rahmen der Novelle

des Handelsvertreterrechts von 1989 angef�gten § 86a Abs. 3 HGB

seien von § 86a Abs. 1 und 2 HGB abweichende Vereinbarungen un-

wirksam, auch bei einer Verpflichtung zum Kauf der Musterkollekti-

on am Ende der Saison liege eine Abweichung von der Pflicht des Un-

ternehmers zur unentgeltlichen �berlassung vor. Aktuell wird

verbreitet von einer Pflicht des Unternehmers zur unentgeltlichen

�berlassung erforderlicher Unterlagen gesprochen, ohne dies auf Mu-

sterkollektionen zu beschr�nken.30

c) Zwingend unentgeltliche �berlassung allerUnterlagen nach dem OLG Celle

Auf der aktuellen Kommentarliteratur aufbauend haben das OLG

K�ln sowie das OLG Celle die Pflicht zur unentgeltlichen �berlassung

von Unterlagen nun in jeweils zwei Entscheidungen fortentwickelt.

Das OLG K�ln nimmt eine Pflicht zur unentgeltlichen �berlassung

f�r Zeitschriften an, die vom vertretenen Unternehmen zum Zwecke

der Werbung herausgegeben werden.31 Dabei soll der Unternehmer

grunds�tzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel bereitstellen m�s-

sen, auf die der Handelsvertreter objektiv gesehen oder nach seinem

pflichtgem�ßen Ermessen zur Aus�bung seiner Vermittlungs- und

Abschlusst�tigkeit und zur Anpreisung seiner Ware angewiesen ist.32

Noch deutlich weiter gehen die beiden Entscheidungen des OLG

Celle:33 Neben Zeitschriften, die auch der Werbung dienen, sollen

Werbegeschenke, Briefpapier und Visitenkarten mit dem Aufdruck

des vertretenen Unternehmens, Datenerfassungsb�gen, Mandanten-

ordner sowie „n�tzliche“ Software unentgeltlich zu �berlassen sein,34

wobei das OLG Celle im Anschluss an das OLG K�ln auf das Ermes-

sen des Handelsvertreters abstellt. Damit wird auch an sich vom Han-

delsvertreter zu beschaffendes B�romaterial35 von der Pflicht zur un-

entgeltlichen �berlassung umfasst, ferner sonstige Unterlagen, die der

Unternehmer dem Handelsvertreter zur F�rderung von dessen Han-

delsbetrieb im gemeinsamen (auch eigenen) Interesse anbietet.

III. Zu �berlassende Unterlagen in (gestuften)Handelsvertreterverh�ltnissen

1. Nach § 86a Abs 1 HGB zu �berlassende Unterlagena) Weite Auslegung m�glicher „Unterlagen“ und

Maßgeblichkeit des EinzelfallsDer Begriff der Unterlage nach § 86a Abs. 1 HGB wird von der Litera-

tur weit gefasst:36 Genannt werden die Gesch�ftskorrespondenz, Kun-

denlisten, Unterlagen �ber existierende Kundenbeziehungen, Muster-

kollektionen, f�r das Produktangebot des Unternehmens entwickelte

Computerprogramme, spezielle Software, die dem Handelsvertreter

erst den Zugang zum Datenbestand des Versicherers und damit zu

den aktuellen Vertragsdaten der Kunden des Versicherungsvertreters

erm�glicht, Probest�cke, Preislisten, Produktbeschreibungen und Ge-

brauchsanleitungen, Schulungen, Unterlagen zur Anpreisung der Wa-

re des Gesch�ftsherrn bei der Kundschaft, insbesondere Werbeunter-

lagen und Brosch�ren, Vertragsformulare und Gesch�ftsbedingungen,

Werbedrucksachen und allgemeine produktunspezifische Werbemittel

wie Aufkleber oder Kleidung mit dem Aufdruck des Logos des Unter-

nehmens.37 Ob die genannten Unterlagen tats�chlich dem Handels-

vertreter zu �bergeben sind, h�ngt allerdings vom Einzelfall, insbe-

sondere von der Branchen�blichkeit ab.38 Zudem ist auf die Unter-

nehmensgr�ße und die konkrete Aufgabenstellung des Handelsvertre-

ters abzustellen.39

b) Abgrenzung zum allgemeinen Gesch�ftsbetriebNicht vom Unternehmer zu stellen sind Hilfsmittel, die nach der Ver-

kehrsauffassung vom Handelsvertreter selbst zu beschaffen sind.40

Hierf�r genannt werden alle Gegenst�nde, die zum allgemeinen Ge-

sch�ftsbetrieb des Handelsvertreters geh�ren.41 Dazu werden gez�hlt

das B�ro, die Gesch�ftseinrichtung, allgemeine B�romaterialien, Kof-

fer, Taschen ohne Inhalt, Kraftfahrzeuge, Autotelefon, g�ngiger PC

nebst Nebenger�ten, Hardware und allgemein �bliche Software, Vor-

ratswaren, die der Unternehmer dem Handelsvertreter zur Lieferung

an die Kunden �berlassen hat, betriebsinterne Gesch�ftsunterlagen

des Unternehmers, ferner Unterlagen, die allein das Vertragsverh�ltnis

zwischen Unternehmer und Handelsvertreter betreffen sowie eine

vom Handelsvertreter selbst angelegte Kundenkartei.

2. Besonderheiten mehrstufigerHandelsvertreterverh�ltnisse

a) Weiterleitung unentgeltlich erhaltener Unterlagendurch den Hauptvertreter

Bei einem echten (selbst�ndigen) Untervertreter besteht auch zwi-

schen dem Hauptvertreter und dem Untervertreter ein Handelsvertre-

tervertrag, § 84 Abs. 3 HGB. Dies wirft die Frage auf, wie § 86a HGB

auf das Verh�ltnis des Hauptvertreters zum Untervertreter anzuwen-

den ist, und vor allem, welche Unterlagen der Hauptvertreter dem

Untervertreter zur Verf�gung zu stellen hat. Nach einem Musterver-

trag der Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverb�nde f�r Han-

delsvermittlung und Vertrieb (CDH) f�r Untervertretervertr�ge wird

der Hauptvertreter den Untervertreter bei seiner T�tigkeit unterst�t-

zen, ihm insbesondere Muster, Drucksachen und Werbematerialien in

ausreichender Menge kostenlos zur Verf�gung stellen, soweit er diese

Verkaufsunterlagen von den von ihm vertretenen Unternehmen kos-

tenlos erh�lt.42 Eine eigenst�ndige Pflicht des Hauptvertreters zur Er-

stellung und unentgeltlichen Weiterleitung eigener Unterlagen sieht

der CDH nicht vor. Dem entspricht, dass auch sonst f�r das Verh�lt-

nis zwischen dem Untervertreter und dem Hauptvertreter maßgeblich

2002 Betriebs-Berater // BB 34.2010 // 16.8.2010

WirtschaftsrechtRoth · Zur unentgeltlichen �berlassung von Unterlagen an den Handelsvertreter

26 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl. 1995, § 86a Rn. 6; M�nchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 1995, § 86a Rn. 8, der weiterhin individualvertragliche Regelungen f�r m�glich h�lt, ders. 2. Aufl.2005, § 86a Rn. 8, 41 f.

27 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl. 1995, § 86a Rn. 6.28 OLG Stuttgart, HVR Nr. 690.29 Thume, BB 1995, 1913, 1914, explizit von einer „These“ sprechend ders., BB 1995, 1913, 1915, Thume, in:

K�stner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1, 3. Aufl. 2000, Rn. 611.30 Etwa GroßkommHGB/Emde, 5. Aufl. 2008, Rn. 74; Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 86a Rn. 6;

R�hricht/Graf von Westphalen/Thume, 3. Aufl. 2008 § 86a Rn. 2; Ungeheuer, in: Pfeiffer (Hrsg.), Handbuchder Handelsgesch�fte, 1999, § 13 Rn. 48; Westphal, in: Graf von Westphalen (Hrsg.), Handbuch des Han-delsvertreterrechts in den EU-Staaten und der Schweiz, 1995, S. 145, 205 (Deutschland, Rn. 221).

31 OLG K�ln, 11.9.2009 – 19 U 64/09 im Anschluss an OLG K�ln r + s 2009, 87.32 OLG K�ln, 11.9.2009 – 19 U 64/09, Rn. 6.33 OLG Celle, 10.12.2009 – 11 U 50/09 und vom 10.12.2009 – 11 U 51/09.34 OLG Celle, 10.12.2009 – 11 U 50/09 und vom 10.12.2009 – 11 U 51/09.35 GroßKommHGB/Emde, 5. Aufl. 2008, § 86a Rn. 71, dazu auch sogleich III.1.a.36 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/L�wisch, HGB, 2. Aufl. 2008, § 86a Rn. 15.37 GroßKommHGB/Emde, 5. Aufl. 2008, § 86a Rn. 70 (�berwiegend mit weiteren Nachweisen).38 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 86a Rn. 5; GroßKommHGB/Emde, 5. Aufl. 2008, § 86a Rn. 70.39 M�nchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl. 2005, § 86a Rn. 3.40 GroßKommHGB/Emde, 5. Aufl. 2008, § 86a Rn. 71.41 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 86a Rn. 5.42 So mit etwas abweichender Terminologie zumindest der CDH-Nord, Handelsvertretervertrag f�r Haupt-

und Untervertretung, § 4 Ziffer 4, Satz 1, abrufbar unter http://www.hamburg.cdh.de/dwn-muster ver-trag-hv.html.

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auf den Handelsvertretervertrag zwischen dem Hauptvertreter und

dem Unternehmer abgestellt wird.43

b) Abstellen auf das Leitbild des Handelsvertreterrechtsals Schutzprinzip

Unter Ber�cksichtigung der Untervertretung hat das OLG Saarbr�-

cken bereits in den 1990er Jahren die Unwirksamkeit einer „Provisi-

onsk�rzungsabrede“ nicht auf einen Verstoß gegen § 86a Abs. 1 und

Abs. 3 HGB,44 sondern auf die Unvereinbarkeit mit dem Leitbild des

Handelsvertreterrechts gest�tzt.45 Im entschiedenen Fall vermittelte

der Unternehmer als Handelsvertreter selbst Versicherungen. Im Un-

tervertretervertrag verpflichtete er sich, dem Untervertreter gegen ein

Entgelt von je DM 100 monatlich bis zu 50 Kundendaten zur Verf�-

gung zu stellen. Aufgrund dieser „Provisionsk�rzungsabrede“ stellte

der Hauptvertreter DM 59000 in Rechnung, dem standen Provisio-

nen des Untervertreters von DM 10433,64 gegen�ber. Das OLG Saar-

br�cken monierte mit Blick auf Selbstkosten von nur DM 76,48 f�r

vermittelte Adressen, dass der Untervertreter zur Erwerbsquelle des

Hauptvertreters werde. Es k�nne nicht hingenommen werden, einem

Handelsvertreter ohne R�cksicht auf seinen Verdienst monatliche

Vorkosten von DM 8000 aufzub�rden; das Risiko eines neuen Ver-

triebsmodells k�nne nicht einseitig auf die Untervermittler abgew�lzt

werden.46 Weiter sei die Klausel mit der § 87d HGB zu entnehmen-

den Interessenabw�gung nicht zu vereinbaren: Wenn nur bei Han-

dels�blichkeit ein Aufwendungsersatz verlangt werden k�nne, k�nne

sich der Unternehmer nicht eine sichere und risikofreie Einnahme-

quelle auch f�r den Fall garantieren lassen, dass keine Gesch�fte ver-

mittelt werden.

IV. Vertragliche Regelungen und ihre Kontrollenach deutschem Recht

1. M�glichkeit vertraglicher Regelungena) Eingeschr�nkter Aufwendungsersatz des

Handelsvertreters (§ 87d HGB)Die von Lehre und Rechtsprechung entwickelte Pflicht zur unentgelt-

lichen �berlassung von Unterlagen geht �ber eine bloße Unterst�t-

zung des Handelsvertreters durch den Unternehmer hinaus, wie sie

von Art. 4 HV-RL vorgesehen wird. Anders als andere Gesch�ftsbe-

sorger und in Abweichung zur Grundregel des § 675 BGB tr�gt der

Handelsvertreter seine im regelm�ßigen Gesch�ftsbetrieb entstande-

nen Aufwendungen selbst.47 Grund hierf�r ist die T�tigkeit des Han-

delsvertreters als selbst�ndiger Kaufmann, das T�tigwerden in einem

Dauerschuldverh�ltnis sowie die Notwendigkeit der Abgrenzung zum

Handlungsgehilfen; die Aufwendungen werden zudem als durch die

Provision abgedeckt angesehen.48 Der Handelsvertreter kann nach

§ 87d HGB den Ersatz seiner im regelm�ßigen Gesch�ftsbetrieb ent-

standenen Aufwendungen nur verlangen, wenn dies handels�blich ist,

also ein entsprechender Handelsbrauch besteht. Anders als die meis-

ten anderen Vorschriften �ber Handelsvertreter ist diese Norm dis-

ponibel: Vom Ersatz der �blicherweise erstatteten Aufwendungen

kann durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden.49 Von

Handels�blichkeit wird ausgegangen, wenn alle oder doch die �ber-

wiegende Mehrzahl der Unternehmer in dem betreffenden Wirt-

schaftszweig die im regelm�ßigen Gesch�ftsbetrieb des Handelsvertre-

ters entstandenen Kosten neben der Provision besonders erstatten.50

Ist der Handelsvertreter ausnahmsweise zur allgemeinen Markt-, Pro-

dukt- und Kundenpflege oder zur Teilnahme an Vertreterkonferenzen

verpflichtet, so werden daf�r anfallende Kosten grunds�tzlich durch

die Provision abgedeckt.51

b) Eingeschr�nktes Dispositionsverbot nach§ 86a Abs. 3 HGB

Nach den allgemeinen Grunds�tzen zum Aufwendungsersatz besteht

grunds�tzlich die M�glichkeit der vertraglichen Regelung der Entgelt-

lichkeit. F�r die Zul�ssigkeit vertraglicher Regelungen bei der �ber-

lassung von Unterlagen sprechen weiter die Usancen in den europ�-

ischen Nachbarl�ndern52 und die Gleichbehandlung verschiedener

Vertriebsformen (level-playing-field). Insbesondere beim Franchising

sind Vereinbarungen �ber die �berlassung von Unterlagen aner-

kannt.53 § 86a Abs. 3 HGB steht zutreffend einer vertraglichen Rege-

lung nicht entgegen, die den Kern des § 86a Abs. 1 HGB unangetastet

l�sst und die die vertraglichen Pflichten im Einzelnen n�her ausgestal-

tet und pr�zisiert.54 Auch k�nnen die tragenden Gr�nde der Ent-

scheidung des OLG M�nchen, nach der die �bernahme des Absatzri-

sikos eine strenge Auslegung des § 86a Abs. 1 HGB erfordert,55 nicht

verallgemeinert werden. Das vom Unternehmer zu tragende Absatzri-

siko ist bei einer entgeltlichen �berlassung anderer Unterlagen nicht

betroffen. Zudem werden Vereinbarungen �ber einen Mindestabsatz

weiter f�r zul�ssig gehalten.56

2. Umfang der Pflicht zur �berlassung vonUnterlagen

a) Objektive Bestimmung des MindestmaßesDas Mindestmaß der nach § 86a Abs. 1 HGB zu �bergebenden Unter-

lagen ist objektiv zu bestimmen. Mit dem OLG Hamburg f�llt nur

das zur spezifischen Anpreisung der Ware Erforderliche unter § 86a

Abs. 1 HGB. Alles andere, was zur Ausstattung und zur Vereinfachung

des Gesch�ftsbetriebs des Handelsvertreters notwendig und sachdien-

lich ist, ist nicht dazuzurechnen.57 Abzustellen ist allein auf die objek-

tive Notwendigkeit der Unterlagen f�r die T�tigkeit als Handelsvertre-

ter.58 Diese Unterlagen sind in ausreichender Menge zur Verf�gung

stellen.59 Die Gegenst�nde bleiben, soweit sie nicht zum Verbrauch

bestimmt sind, Eigentum der vertretenen Firma und werden auf de-

Betriebs-Berater // BB 34.2010 // 16.8.2010 2003

WirtschaftsrechtRoth · Zur unentgeltlichen �berlassung von Unterlagen an den Handelsvertreter

43 So Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/L�wisch, HGB, 2. Aufl. 2008, § 86a Rn. 89 jedenfalls f�r die Dauer desUntervertrages und die Provisionsabrechung.

44 F�r eine solche Einordnungsm�glichkeit Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009,Klausel H 126.

45 OLG Saarbr�cken, NJW-RR 1997, 99, die Untervertretung nicht ber�cksichtigend das OLG Celle und dasOLG K�ln.

46 OLG Saarbr�cken, NJW-RR 1997, 99, 101.47 GroßkommHGB/Emde, 5. Aufl. 2008, Vor §§ 84 Rn. 72, 77; Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009,

§ 87d Rn. 1; Ulmer, Der Vertragsh�ndler, 1969, S. 416.48 Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 27 IV.2.b.49 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 87d Rn. 2.50 M�nchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl. 2005, § 87d Rn. 16.51 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 87d Rn. 4.52 Dazu die L�nderberichte in Graf von Westphalen (Hrsg.), Handbuch des Handelsvertreterrechts in den

EU-Staaten und der Schweiz, 1995, S. 129, 135, 390, 503, 558 f., 704, 1006, 1072, zu �sterreich Feil, Mak-ler- und Handelsvertreterrecht, 1996, § 6 HvertrG Rn. 2, f�r die Schweiz Basler Kommentar/Wettenschwi-ler, Obligationenrecht, 4. Aufl. 2007, Art 418f Rn. 2; Berner Kommentar/Gautschi, Obligationenrecht,1964, Art 418f, Rn. 3d.

53 Martinek, ZIP 1988, 1362, 1376.54 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 86a Rn. 18 i.V. m. § 86 Rn. 50; GroßkommHGB/Emde, 5. Aufl.

2008, § 86a Rn. 124; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/L�wisch HGB, 2. Aufl. 2008, § 86a Rn. 44; Hey-mann/Sonnenschein/Weitemeyer HGB, 2. Aufl. 1995, § 86a Rn. 22; Konkretisierungen zulassend Abra-hamczik, Der Handelsvertretervertrag, 1995, S. 39, a. A. Koller/Wulf-Henning Roth/Morck, HGB, 6. Aufl.2007, § 86a Rn. 5.

55 OLG M�nchen, BB 1999, 2320, 2321.56 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 86 Rn. 14.57 OLG Hamburg, HVR Nr. 101 (Hervorhebungen durch den Verfasser).58 Dazu auch R�hricht/Graf von Westphalen/Thume, 3. Aufl. 2008, § 86a Rn. 2.59 Musterbedingungen der Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverb�nde f�r Handelsvermittlung und

Vertrieb (CDH), abgedruckt bei Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, S. 352 ff., Punkt 4, Abs 1Satz 1.

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ren Wunsch und Kosten vom Handelsvertreter zur�ckgesandt.60 Bei

gestuften Handelsvertreterverh�ltnissen hat der Hauptvertreter dem

Untervertreter die vom Unternehmer unentgeltlich zur Verf�gung ge-

stellten Unterlagen weiterzuleiten.61

b) Unternehmerische Freiheit als GrenzeAllgemein wird die Pflicht zur �berlassung von Unterlagen dadurch

begrenzt, dass der Handelsvertreter keinen Anspruch auf investive

Entscheidungen des Unternehmers hat.62 Die auch von der Handels-

vertreterrichtlinie gesch�tzte unternehmerische Freiheit des Unter-

nehmers63 bez�glich der Investitionen in den Gesch�ftsbetrieb des

Handelsvertreters hat Bedeutung auch f�r die Auslegung des § 86a

HGB.64 Die Dispositionsfreiheit des Unternehmers steht dem vom

OLG K�ln sowie vom OLG Celle angenommenen Ermessen des Han-

delsvertreters entgegen.65 Zutreffend l�sst die in § 86a HGB kodifi-

zierte Treuepflicht die unternehmerische Freiheit des Unternehmers

unber�hrt.66 Auch wenn der Unternehmer grunds�tzlich bereit ist,

dem Handelsvertreter Werbematerial zur Verf�gung zu stellen, so

kann er doch die Anzahl der Werbetr�ger und sonstigen Unterlagen

beschr�nken. Zu �berpr�fen ist nur, ob die unternehmerische Ent-

scheidung vertretbarem kaufm�nnischem Kalk�l entspricht.67

3. Umfang der Pflicht zur unentgeltlichen�berlassung

a) Verbleib der Erstausstattung im Eigentum desUnternehmers

Die f�r die T�tigkeit als Handelsvertreter erforderlichen Unterlagen

sind grunds�tzlich unentgeltlich zu �berlassen.68 Keine M�glichkeit

zu abweichenden Regelungen besteht aufgrund § 86a Abs. 3 HGB, so-

weit es sich um die Erstausstattung des Handelsvertreters handelt und

diese im Eigentum des Unternehmers bleiben soll. Zum Kern der

Norm, der einer abweichenden Regelung nicht zug�nglich ist, geh�rt

der bereits bei Erlass des § 86a HGB in den 1950er Jahren bestehende

entsprechende Handelsbrauch f�r die im Gesetz aufgef�hrten Gegen-

st�nde, die dem Handelsvertreter seine T�tigkeit erm�glichen sollen.

Die Gepflogenheit der unentgeltlichen �berlassung der in § 86a

Abs. 1 HGB genannten Unterlagen, wenn diese im Eigentum des Un-

ternehmers bleiben, wurde durch § 86a Abs. 3 HGB zum zwingenden

Recht. Unentgeltlich zu �berlassen sind Muster, Zeichnungen und

Allgemeine Gesch�ftsbedingungen. Bei Werbematerial reichen Muster

aus, wenn der Handelsvertreter befugt ist, nach diesen Vorlagen selbst

eigene Werbung herstellen zu lassen.

b) Weitere Handelsbr�uche insbesondere beiMusterkollektionen

Nicht zwingend aus demGesetz ergibt sich das vonRechtsprechung und

Rechtslehre gemeinsam erarbeitete Verbot von Kaufverpflichtungen

insbesondere beiMusterkollektionen. F�r denUmfang unentgeltlich zu

�berlassender Unterlagen kann die Regelung des § 87d HGB fruchtbar

gemachtwerden: Voraussetzung ist die�blichkeit bzw. ein entsprechen-

der Handelsbrauch. Im Wesentlichen wurden in den §§ 84 ff. HGB die

bereits bestehenden Handelsbr�uche normiert69 und zum gesetzlichen

Leitbild erhoben. Modern finden sich auf Handelsbr�uche abstellende

Erw�gungen bei der Kontrolle von Allgemeinen Gesch�ftsbedingun-

gen.70 Bereits nach § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB ist bei der Kontrolle von ge-

gen�ber einemUnternehmer verwandten AllgemeinenGesch�ftsbedin-

gungen auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Ge-

br�uche angemessen R�cksicht zu nehmen. F�r Musterkollektionen ist

ein entsprechender Handelsbrauch mit der Annahme einer Pflicht zur

zwingend unentgeltlichen �berlassung von Musterkollektionen durch

Rechtsprechung und Kommentarliteratur sowie die Umsetzung in der

neuenRechtsauffassung inderPraxis anzunehmen.

4. Inhaltskontrollea) Kontrolle von Abnahmepflichten f�r sonstige

UnterlagenBei einer Pflicht zur Abnahme von Unterlagen besteht ein erh�htes

Schutzbed�rfnis des Handelsvertreters. Die Abnahmepflicht erh�ht

die Aufwendungen des Handelsvertreters f�r seinen Gesch�ftsbetrieb

und f�hrt dazu, dass der Handelsvertreter einen Teil des unternehme-

rischen Risikos des Unternehmers zu tragen hat.71 Dies gilt insbeson-

dere bei einem Verkauf ohne Rabatt.72 Bei einer Abnahmepflicht kann

das Interesse des Unternehmers �berwiegen, wenn dieser dem Han-

delsvertreter die Unterlagen nicht zum Selbstkostenpreis, sondern zur

Gewinnerzielung anbietet. Dies f�hrt mit dem OLG Saarbr�cken ins-

besondere beim Ankauf von Kundendaten zu einer Inhaltskontrolle,

bei Allgemeinen Gesch�ftsbedingungen nunmehr nach §§ 305ff.

BGB73. Mangels eines eigenst�ndigen unternehmerischen Ermessens-

spielraums besteht f�r den Handelsvertreter das Risiko, dass er sich

zu hohe Fixkosten aufb�rdet. Nach dem Leitbild des Handelsvertre-

terrechts kann der Handelsvertreter aber selbst �ber die Grundkosten

seines Gesch�ftsbetriebes entscheiden.74 Damit unvereinbar sind er-

heblich ins Gewicht fallende Kostenbelastungen durch abzunehmende

Werbeunterlagen.75

b) Klauselkontrolle von KostenersatzregelungenAuch nach den §§ 305ff. BGB unterfallen gegen�ber einem Unterneh-

mer verwandte Allgemeine Gesch�ftsbedingungen der Klauselkontrol-

le.76 Eine sonderentgeltf�hige Haupt- oder Nebenleistung wird vom

BGH verneint, wenn Gegenstand der Verg�tungsregelung eine T�tig-

keit ist, die nur im eigenen Interesse des Verwenders liegt,77 so bei ei-

nem Entgelt f�r die Stilllegung eines Telefonanschlusses. Bei einem

nicht unerheblichen Eigeninteresse des Vertragspartners an der Leis-

tung hat der BGH die �berpr�fbarkeit bislang offengelassen, soweit

allein ein Aufwendungsersatz in Rede steht.78 Relevant wird die Klau-

selkontrolle damit, wenn der Unternehmer dem Handelsvertreter die

Unterlagen nicht zum Selbstkostenpreis �berl�sst.79 Dabei wird auch

eine Rolle spielen, ob der Handelsvertreter die Kosten f�r von ihm

angeforderte weitere Unterlagen vorab bezahlen muss, oder ob diese

2004 Betriebs-Berater // BB 34.2010 // 16.8.2010

WirtschaftsrechtRoth · Zur unentgeltlichen �berlassung von Unterlagen an den Handelsvertreter

60 Punkt 4 Abs. 1 Satz 2 CDH-Musterbedingungen, �hnlich das Muster bei K�stner/Thume, Handbuch desgesamten Außendienstrechts, Band 1, 3. Aufl. 2000, Rn. 2471, § 3 Abs. 2.

61 CDH-Nord, Handelsvertretervertrag f�r Haupt- und Untervertretung, § 4 Ziffer 4, Satz 1.62 BGH, NJW-RR 1993, 1122; OLG D�sseldorf, OLG-Report 1998, 11.63 Fock, Die europ�ische Handelsvertreter-Richtlinie, 2001, S. 134 ff.64 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/L�wisch HGB, 2. Aufl. 2008, § 86a Rn. 4.65 OLG K�ln, 11.9.2009 – 19 U 64/09; OLG Celle, 10.12.2009 – 11 U 50/09 und vom 10.12.2009 – 11 U 51/

09.66 Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 86a Rn. 1.67 BGH, NJW-RR 1993, 1122, 1123.68 Oben II.2., 3.69 Der Handelsbrauch im Handelsvertreterrecht, oben Fn. 8.70 Berger, NJW 2010, 465, zur aktuellen Diskussion auch Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309.71 OLG M�nchen, BB 1999, 2320, 2321.72 Gutachten der IHK Berlin, Der Handelsbrauch im Handelsvertreterrecht, 1952, oben Fn. 8, Nr. 180.73 OLG Saarbr�cken, NJW-RR 1997, 99.74 OLG Saarbr�cken, NJW-RR 1997, 99, 100 f.75 Einen Verstoß gegen § 86a Abs. 1 HGB annehmend OLG K�ln, 11.9.2009 – 19 U 64/09.76 Kritisch zur strikten Kontrolle durch die Rechtsprechung Berger, ZIP 2006, 2149, im Sinne des BGH aber

Graf von Westphalen, ZIP 2007, 149.77 BGH, NJW 2002, 2386, 2387.78 BGHZ 146, 377, 383 = NJW 2001, 1419, auf die Entscheidung verweisend BGH, NJW 2002, 2386, 2388.79 Unwirksamkeit bei einem Entgelt f�r eine Nebenpflicht annehmend BGHZ 146, 377, 382 ff.

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Betriebs-Berater // BB 34.2010 // 16.8.2010 2005

Entscheidungen // WirtschaftsrechtBGH · Grob fahrl�ssige Unkenntnis des Beratungsfehlers eines Anlageberaters

lediglich von der Provision abzuziehen sind. Eine Verschiebung der

vom Gesetz vorausgesetzten Risikoverteilung tritt ein, wenn die Er-

satzpflicht des Vertreters unabh�ngig von einem Provisionsaufkom-

men eingreift, hingegen geh�rt es zum Risiko des Handelsvertreters,

dass er seine Arbeitskraft vergeblich einsetzt.80

V. Fazit

Der Handelsvertreter kann nach § 86a Abs. 1 HGB verlangen, dass der

Unternehmer ihm die f�r seine T�tigkeit erforderlichen Unterlagen

�berl�sst. Erforderlich sind die f�r die T�tigkeit als Handelsvertreter

objektiv notwendigen Unterlagen. Diese sind zwingend unentgeltlich

zu �berlassen, soweit es sich um die Erstausstattung des Handelsvertre-

ters handelt, die Unterlagen im Eigentum des Unternehmers verbleiben

und nach Beendigung des Handelsvertreterverh�ltnisses wieder zu-

r�ckgegeben werden sollen. Weiter besteht eine unabdingbare Pflicht

unentgeltlicher �berlassung bei entsprechenden Handelsbr�uchen. In-

sofern ist f�r die Frage der Entgeltlichkeit § 87d HGB als Komplemen-

t�rnorm des § 86a Abs. 1 und 3 HGB einzuordnen: nur wenn aufgrund

der Handels�blichkeit ein Aufwendungsersatz in Betracht kommt,

kann der Handelsvertreter das unentgeltliche �berlassen verlangen.

Im �brigen sind Regelungen zur �berlassung von Unterlagen grund-

s�tzlich zuzulassen. Unangemessene Risikoverlagerungen auf den Han-

delsvertreter sind nicht durch eine �ber die Handelsregister-Richtlinie

hinausgehende strikte Auslegung des § 86a HGB, sondern �ber die In-

haltskontrolle von Handelsvertretervertr�gen zu l�sen. Regelungen

�ber dem Handelsvertreter zu �berlassende Unterlagen entsprechen

der deutschen Tradition sowie der Praxis in Europa. Bei gestuften Han-

delsvertreterverh�ltnissen hat der Hauptvertreter dem Untervertreter

die vom Unternehmer erhaltenen Unterlagen kostenlos weiterzuleiten.

Eine Pflicht des Hauptvertreters zum Erstellen und unentgeltlichen

�berlassen weiterer Unterlagen besteht entgegen dem OLG K�ln und

demOLGCelle mangels eines entsprechendenHandelsbrauches nicht.

// AutorhProfessor Dr. Markus Roth ist seit November 2009Professor an der Philipps-Universit�t Marburg. Nachdem Studium der Rechtswissenschaften in Konstanzwissenschaftlicher Assistent und Referent am Max-Planck-Institut f�r ausl�ndisches und internationalesPrivatrecht, Hamburg. Habilitation zur privaten Alters-vorsorge.

BGH: Grob fahrl�ssige Unkenntnis des Beratungsfehlers einesAnlageberaters

BGH, Urteil vom 8.7.2010 – III ZR 249/09

Volltext des Urteils: // BB-ONLINE BBL2010-1929-3

unter www.betriebs-berater.de

LEITSATZ

Eine grob fahrl�ssige Unkenntnis des Beratungsfehlers eines Anlage-

beraters oder der unrichtigen Auskunft eines Anlagevermittlers ergibt

sich nicht schon allein daraus, dass es der Anleger unterlassen hat,

den ihm �berreichten Emissionsprospekt durchzulesen und auf diese

Weise die Ratschl�ge und Ausk�nfte des Anlageberaters oder -vermitt-

lers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren.

BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2, § 675

SACHVERHALT

Der Kl�ger nimmt den Beklagten unter dem Vorwurf fehlerhafter Anlage-

beratung auf Schadensersatz in Anspruch.

Auf Empfehlung des Beklagten zeichnete der Kl�ger am 28.10.1999

�ber eine Summe von 150000 DM zuz�glich 5% Agio (7500 DM) eine

Beteiligung an der CAM Grundst�cksverwaltung GmbH & Co. Vermie-

tungs KG (Turmcenter Frankfurt am Main), einem geschlossenen Immo-

bilienfonds. Die hierf�r ben�tigten Mittel hatte der Kl�ger aus dem

Verkauf eines von seinem Vater ererbten Hausgrundst�cks gewonnen.

Der Fonds wurde zum 31.12.1999 nach Vollplatzierung geschlossen.

Nach anf�nglichen Aussch�ttungen geriet der Fonds aufgrund deutli-

chen R�ckgangs der Mieteinnahmen ab dem Jahre 2002 in zuneh-

mende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Versuch, die im Eigentum

des Fonds stehende B�roturm-Immobilie – als wesentlichen Teil des

Fondsverm�gens – zu ver�ußern, blieb ohne Erfolg. Auf Antrag der fi-

nanzierenden Bank wurde am 4.8.2005 die Zwangsverwaltung des Ob-

jekts angeordnet. Die Hauptmieterin k�ndigte das Mietverh�ltnis außer-

ordentlich zum 31.12.2005. Am 17.2.2006 ordnete das Amtsgericht

M�nchen die vorl�ufige Insolvenzverwaltung �ber das Verm�gen der

Fondsgesellschaft an.

Der Kl�ger hat seine Schadensersatzforderung unter Einberechnung der

Kosten f�r die Beteiligung an dem Fonds und entgangener anderweitiger

Anlagezinsen – nach Abzug ihm verbliebener Aussch�ttungen – mit

102879,46 Euro beziffert und geltend gemacht, der Beklagte habe seine

Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt, da er ihm mit der

Fondsbeteiligung eine Anlage empfohlen habe, die seinem erkl�rten An-

lageziel einer sicheren Altersvorsorge widersprochen habe. Der Beklagte

habe ihn nicht auf die spezifischen Risiken dieser Anlage, insbesondere

nicht auf das Risiko eines Totalverlusts, hingewiesen, die gebotene �ber-

pr�fung der wirtschaftlichen Plausibilit�t, Seriosit�t und Tragf�higkeit des

Beteiligungsangebots unterlassen und negative Pressestimmen nicht be-

r�cksichtigt. Als Fachmann habe der Beklagte erkennen m�ssen, dass das

Beteiligungsangebot auf eine T�uschung der neu eintretenden Anleger

abgezielt und von vornherein keine Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg

gehabt habe. Der Beklagte ist diesen Vorw�rfen entgegengetreten und

hat die Einrede der Verj�hrung erhoben.

Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die Berufung

des Beklagten ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben. Die vom Beru-

fungsgericht zugelassene Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

80 OLG Hamm, OLGZ 1989, 219, 223, dazu auch OLG Frankfurt, NJW-RR 1989, 548, zur Bedeutung dieserRisikoverteilung f�r das Kartellrecht BGH, NJW 1986, 2954, 2955.