wissen&forschung thema - INTERROGARE · 54 planung&analyse 2/2017 wissen&forschung thema Eine Marke...

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planung&analyse 2/2017 54 wissen & forschung thema Eine Marke ist Trumpf: Wir verbinden mit ihr weit mehr als nur die funktionalen Aspekte, die das Produkt liefert. Vielmehr sind es die verknüpften Emotionen und Motivationen, die durch Markenkommu- nikation und eigene Erfahrungen aufge- baut werden und häufig entscheidender sind als physische Produkteigenschaften. Dieser Umstand ist ein Segen für die mo- derne Markenführung, da die Gesamtheit der Markenerfahrungen weit weniger ko- pierbar ist als funktionale Aspekte, die selbst patentrechtlich häufig schwer zu schützen sind. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch für die Markenverantwortlichen, dass die mit einer Marke verknüpften Emotionen und (Verwendungs-)Motive umfassend verstanden werden müssen, um die Marke zielgerichtet entwickeln zu kön- nen und somit ein positives Markenbild aufzubauen. Das Standardvorgehen für die Analyse von Markenmotivationen liegt in den klas- sischen qualitativen Befragungsmethoden. Eine der bekanntesten ist die Means-End- Chain (MEC), auch Laddering genannt. Mit ihrer Hilfe können Kausalketten auf- gedeckt werden, indem sequenziell immer weiter nach dem Warum gefragt wird, um zu identifizieren, welche tieferliegenden Gründe und Motive die Relevanz be- stimmter Markeneigenschaften triggern. Das Laddering-Interview funktioniert so: „Warum möchten Sie einen SUV fahren?“ „Wegen der erhöhten Sitzposition.“ „Warum ist Ihnen eine hohe Sitzposition wichtig?“ „Weil ich mehr sehen möchte.“ „Warum ist Ihnen wichtig, mehr zu se- hen?“ „Weil das für mich mehr Sicherheit bedeutet.“ Durch diese einfache Befragungsme- thode gelingt es, von einer zunächst unper- sönlichen Produkteigenschaft (hohe Sitz- position) sukzessive über die daraus resul- tierende Konsequenz (mehr sehen) hin zum persönlich relevanten Wert (Sicher- heit) vorzudringen. Das Motiv für den Wunsch, einen SUV zu fahren, ist in die- sem Beispiel demnach Sicherheit. Um diese Erkenntnistiefe auch mit einer quantitati- ven Befragung zu erreichen, wurden ver- schiedene Ansätze entwickelt, die das klas- sische qualitative Laddering-Interview Markenmotive als entscheidende Kauftreiber einer neuen MEANS-END-CHAIN-METHODE besser ermitteln rfolgreiche Markenfor- schung entschlüsselt ei- ner Marke zugrunde lie- gende Kauf- und Ver- wendungsmotive. Der Markenverantwortliche erhält wesentliche Insights zur strategi- schen Ausrichtung und erfolgreichen Füh- rung seiner Marke. Stefanie Sonnenschein und Sören Scholz von Interrogare sowie Anja Regnat, Leiterin Market Research Payback, zeigen eine neue Means-End- Chain-Methode, die Visual MEC, die die Motivlage der Konsumenten tiefergehen- der und realistischer abbildet als bisher eingesetzte MEC-Verfahren. E

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Eine Marke ist Trumpf: Wir verbinden mitihr weit mehr als nur die funktionalenAspekte, die das Produkt liefert. Vielmehrsind es die verknüpften Emotionen undMotivationen, die durch Markenkommu-nikation und eigene Erfahrungen aufge-baut werden und häufig entscheidendersind als physische Produkteigenschaften.Dieser Umstand ist ein Segen für die mo-derne Markenführung, da die Gesamtheitder Markenerfahrungen weit weniger ko-pierbar ist als funktionale Aspekte, dieselbst patentrechtlich häufig schwer zuschützen sind. Gleichzeitig bedeutet diesaber auch für die Markenverantwortlichen,dass die mit einer Marke verknüpftenEmotionen und (Verwendungs-)Motiveumfassend verstanden werden müssen, umdie Marke zielgerichtet entwickeln zu kön-

nen und somit ein positives Markenbildaufzubauen.

Das Standardvorgehen für die Analysevon Markenmotivationen liegt in den klas-sischen qualitativen Befragungsmethoden.Eine der bekanntesten ist die Means-End-Chain (MEC), auch Laddering genannt.Mit ihrer Hilfe können Kausalketten auf-gedeckt werden, indem sequenziell immerweiter nach dem Warum gefragt wird, umzu identifizieren, welche tieferliegendenGründe und Motive die Relevanz be-stimmter Markeneigenschaften triggern.

Das Laddering-Interview funktioniert so:„Warum möchten Sie einen SUV fahren?“„Wegen der erhöhten Sitzposition.“„Warum ist Ihnen eine hohe Sitzpositionwichtig?“ „Weil ich mehr sehen möchte.“ „Warum ist Ihnen wichtig, mehr zu se-hen?“ „Weil das für mich mehr Sicherheitbedeutet.“

Durch diese einfache Befragungsme-thode gelingt es, von einer zunächst unper-sönlichen Produkteigenschaft (hohe Sitz-position) sukzessive über die daraus resul-tierende Konsequenz (mehr sehen) hinzum persönlich relevanten Wert (Sicher-heit) vorzudringen. Das Motiv für denWunsch, einen SUV zu fahren, ist in die-sem Beispiel demnach Sicherheit. Um dieseErkenntnistiefe auch mit einer quantitati-ven Befragung zu erreichen, wurden ver-schiedene Ansätze entwickelt, die das klas-sische qualitative Laddering-Interview

Markenmotive als entscheidende Kauftreiber einer neuen MEANS-END-CHAIN-METHODE besser ermitteln

rfolgreiche Markenfor-schung entschlüsselt ei-ner Marke zugrunde lie-gende Kauf- und Ver-wendungsmotive. DerMarkenverantwortliche

erhält wesentliche Insights zur strategi-schen Ausrichtung und erfolgreichen Füh-rung seiner Marke. Stefanie Sonnenscheinund Sören Scholz von Interrogare sowieAnja Regnat, Leiterin Market ResearchPayback, zeigen eine neue Means-End-Chain-Methode, die Visual MEC, die dieMotivlage der Konsumenten tiefergehen-der und realistischer abbildet als bishereingesetzte MEC-Verfahren.

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adaptieren: die klassische MEC und dieMatrix-basierte MEC.

Beide Verfahren birgen allerdings deut-liche Nachteile: Sie sagen zwar etwas da-rüber aus, welche allgemeingültigen Kau-salketten denkbar sind, die persönlich rele-vanten Motive der Probanden bleiben je-doch im Dunkeln. Um diesen Problemenzu begegnen, hat Interrogare die VisualMEC entwickelt. Hier können nicht nurdie Netzwerkverbindungen besser erfasstwerden, sondern es lassen sich auch diehierarchischen Strukturen unmittelbarund interaktiv für den Probanden visuali-sieren. Der Ansatz funktioniert per Drag-and-Drop-Technik. Dem Probanden wer-den Begriffe eingeblendet, die er je nachBefragungsschritt in den zugehörigen Be-reich ziehen muss: Zunächst wählt er dieEigenschaften, die er mit der Marke ver-bindet, zieht sie in die erste Box und sor-tiert diese nach der persönlichen Bedeu-tung. Daraufhin folgt dasselbe Prozederemit den Konsequenzen sowie der Auffor-derung, die Eigenschaften und Konse-quenzen per Pfeil miteinander zu verknüp-fen. Jede Eigenschaft darf dabei mit belie-big vielen Konsequenzen verbunden wer-den.

Untersucht wurdendrei Bonusprogramme

In einer Studie mit 2.400 Fällen wurden diedrei genannten Ansätze umfassend evalu-iert. Als Untersuchungsgegenstand wur-den drei Bonusprogramme, unter ande-rem Payback, untersucht, um die Nut-zungsmotive zu analysieren und wesentli-che Gemeinsamkeiten und Unterschiedezwischen den drei Befragungsansätzen zuidentifizieren. Die Studie bestätigt die Pro-bleme der klassischen MEC und der Ma-trix-basierten MEC und zeigt die Überle-genheit der Visual MEC. Im Vergleich zurklassischen MEC werden deutlich mehrElemente und Verknüpfungen identifi-ziert, ohne – wie bei der Matrix-basiertenMEC – nahezu keine Differenzierungs-möglichkeit zwischen den Eigenschaften,Konsequenzen und Zielen zu erhalten. So-mit bildet die Visual MEC einen guten Mit-telweg zu den bereits bestehenden Erhe-bungsansätzen.

Als weiterer Vorteil werden bei der Visu-al MEC dem Befragten mehr Freiheitsgra-de in der Bearbeitung der Aufgabe ermög-licht, sodass peu à peu das eigene motiva-tionale Netzwerk vor dem Auge des Befrag-ten entsteht, welches dazu anregt, es durchweitere Elemente und Verknüpfung anzu-reichern. Somit steht anders als bei denbeiden anderen MEC-Ansätzen nicht die

Erfüllung einer klar vorgegebenen Aufgabe(in Form bereits vordefinierter Kausalket-ten) im Vordergrund, sondern eher diefreie, eigenständige Gestaltung des motiva-tionalen Netzwerks. Dieser Aspekt ist sehrwichtig, da auf diese Weise die Probanden –analog zum qualitativen Laddering-Inter-view – persönlich relevante und nicht ge-lernte Zusammenhänge angeben.

Natürlich hat der Einsatz der – auch ausProbandensicht – aufwendigen VisualMEC seinen Preis. So bedarf es aufgrundder neuartigen, interaktiven Fragetechnikeiner detaillierten Schulung der Probandenim Fragebogen mittels eigenem Tutorial,damit die Probanden die Aufgabe erfolg-reich durchführen können. Auch für dieeigentliche Aufgabe benötigen die Proban-den mehr Zeit. Diese intensivere Beschäfti-gung mit der Fragestellung führt allerdingsebenso dazu, die gewünschten tiefgehen-den Insights zu generieren.

Doch welche Motive werden nun mitPayback verbunden und wie unterscheidetes sich von anderen getesteten Bonuspro-

grammen? Zunächst fällt auf, dass das zumVergleich herangezogene andere Bonus-programm die Kernfunktionen „Punktesammeln“ und „kostenlose Teilnahme“stärker mit der persönlich relevanten Kon-sequenz „Geld sparen“ verknüpft hatte(siehe Abbildung). Dies dürfte allerdingsauch dem Umstand geschuldet sein, dassPayback deutlich stärker mit weniger basa-len Konsequenzen, wie „clever einkaufen“und „motivierend/anregend“ assoziiertwird. Mit anderen Worten: Payback schaffteine deutlich stärkere motivationale Auf-ladung in Bereichen, die nicht unmittelbarmit den Kernfunktionen eines Bonuspro-gramms zusammenhängen und somit po-sitive Erlebniswerte, die über die Kern-funktionalität des Punkte-Sammelns hi-nausgehen.

Die oberste und damit letztlich wich-tigste Stufe beinhaltet die Ziele und Motive,die mit den Bonusprogrammen verbundenwerden. Dazu gehört neben der „Sparsam-keit“ auch der Faktor „Belohnung“, also dieMöglichkeit, durch Teilnahme am Bonus-

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programm eindeutig positive Erfahrungenzu machen. Ausschließlich bei Paybackwurde der Aspekt „Bindung/Treue“ alsMotiv genannt. Die Kernfunktion einesBonusprogramms, Kunden an sich zu bin-den, wird von den Befragten als persönlichrelevanter Aspekt bestätigt. Dies ist ein we-sentlicher Punkt, da so das Kernziel einesBonusprogramms – die Beeinflussung derLoyalität der Kunden – erreicht und derreine „Mitnahme-Effekt“ von Vergünsti-gungen vermieden werden kann.

Mit Visual MECtiefer gehen

Die Studie und Erfahrungen bei Paybackmit den Ergebnissen zeigen, dass die VisualMEC eine gute Methode ist, qualitative Er-kenntnistiefe in quantitativen Studien zuerzeugen und so Motive und Werte hintereiner Marke zu erforschen, die für eine er-folgreiche Markenführung essenziell sind.Selbst wenn nicht die Erkenntnistiefe vonklassischen Laddering-Interviews erreicht

wird, so bietet die Visual MEC klare Vor-teile gegenüber den bereits bestehendenquantitativen MEC Ansätzen und kann da-zu beitragen, auch in quantitativen Studienspannende und relevante Insights zu erfas-sen, die weit über klassische Abfragetech-niken hinausgehen.

„Die Visual MEC hat für uns sehr inte-ressante Ergebnisse erzielt, da es gelungenist, mit der Marke Payback verbundeneMotivstrukturen und Werte zu identifizie-ren und gleichzeitig mittels Online-Befra-gung hohe Fallzahlen zu realisieren“, soAnja Regnat, Leiterin Market Research Pay-back. „Die Methode fordert eine intensiveBeschäftigung des Befragten mit dem The-ma, somit kommt die persönliche Relevanzder Marke – nach unserer Einschätzung –stärker zum Tragen. Dabei haben sich ei-nige Aspekte bestätigt, die uns aus unsereneigenen Markenstudien bekannt waren,andere Ergebnisse waren in ihrer Deutlich-keit neu und überraschend. Für die Mar-kenführung konnten wir wertvolle Er-kenntnisse generieren.“

Vergleich von Payback mit anderen Bonusprogrammen mit der Visual MEC

Quelle: Interrogare planung&analyse 2/2017

Vergleich der drei vorgestellten MEC-Verfahren

Quelle: Interrogare planung&analyse 2/2017

Netzwerkstrukturen

Klassische MEC

Matrix-basierte

MEC

VisualMEC

Persönliche Relevanz

Einfachheit der Befragung

Erkenntnistiefe

Eine Langfassung dervergleichenden Studiegibt es im Online-Special Marke aufplanung-analyse.de

DieAutoren

Stefanie Sonnenschein ist beiInterrogare verantwortlich fürMarketing und Kommunikation.

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Anja Regnat ist Diplom-Soziologinund leitet die Payback Markt-forschung. Neben Studien zumBonusprogramm sowie zur Markeverantwortet sie das Payback OnlinePanel.

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Sören Scholz ist Geschäftsführervon Interrogare und verantwortlichfür Methodenentwicklung. SeineSchwerpunkte liegen in der Marken-und Kommunikationsforschung,Präferenz- und Preis- sowie Kunden-zufriedenheitsmessung.

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