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WISSENSCHAFT FLÜSSIGGAS
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Gasmotoren gehört die Zukunft in der internationalenSchifffahrt. Gasmesstechnik macht den Wechsel von Schweröl zu flüssigem Erdgas sicherer – sie kommt auch in Anlagen zum Einsatz, die Schiffe in Häfen mit Strom versorgen. Rußpartikel, Schwefel- und Stickoxide sind dann fast kein Thema mehr.
Text: Peter Thomas
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Netzwerk Ozeane: Die Grafik zeigt den Schiffs-verkehr auf den Weltmeeren
im Jahr 2012. Gelbe Linien stehen für die Routen von Containerschiffen, Tanker
sind rot dargestellt, Schütt-gutfrachter blau
Wenn die AIDAsol in Hamburg vor
Anker geht, schaltet sie ihre Motoren ab.
Denn während der Liegezeit des Kreuz-
fahrtschiffs übernimmt seit 2016 die
LNG-Hybrid-Barge „Hummel“ die Strom-
versorgung. Der Schubleichter des Unter-
nehmens Becker Marine Systems hat zwei
Container mit bis zu je 17 Tonnen flüssi-
gem Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG)
an Bord. Daraus erzeugen Generatoren
Strom.
Die Stromversorgung von Hoch-
seeschiffen in Häfen ist nicht einfach,
teilweise verbrauchen sie am Kai so viel
Energie wie eine Kleinstadt. Starkstrom-
leitungen dauerhaft zu verlegen ist teuer.
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Eine Hybrid-Barge erreicht dagegen flexi-
bel jedes Schiff, egal wo es vor Anker gegan-
gen ist. Nach dem gleichen Prinzip funkti-
onieren die viel größeren schwimmenden
Kraftwerke „Karpowership“ des türkischen
Unternehmens Karadeniz Energy, die mit
LNG oder Schweröl betrieben werden. Sie
leisten zwischen 30 und 470 Megawatt,
die Hummel kommt immerhin auf bis zu
7,5 Megawatt. Das reicht aus, um auch sehr
energiehungrige Kreuzfahrtschiffe zu ver-
sorgen. Bei einer Liegezeit von etwa acht
Stunden verbrauchen sie bis zu 40 Mega-
wattstunden Strom, benötigen somit eine
Versorgungsleistung von fünf Megawatt.
Abschied vom SchwerölBislang laufen meist die eigenen Moto-
ren der Kreuzfahrtschiffe weiter, wenn sie
irgendwo auf der Welt am Kai liegen. Die
Maschinen erzeugen dann über ihre Gene-
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ratoren den benötigten Strom, während
die Passagiere durch die jeweilige Stadt
flanieren. Welche Emissionen dabei ent-
stehen, hängt vom verwendeten Treibstoff
ab. Am schlechtesten schneidet Schwer-
öl ab, der bislang wichtigste Energielie-
ferant für die internationale Schifffahrt.
Deren dicke Abgaswolken mit viel Stick-
oxiden, Schwefeloxiden, Ruß und Fein-
staub sind ein Gesundheits- und Umwelt-
risiko. Besser sieht die Bilanz bei Schiffen
mit Abgasreinigung (Scrubber) aus. Sau-
berer als Schweröl ist der teurere Marine-
dieselkraftstoff, den heute die meisten
Schiffe als Energielieferanten im Hafen
nutzen. LNG schließlich schneidet hin-
sichtlich der Emissionen am besten ab.
Seine ökologischen Vorteile hebt auch Max
Kommorowski hervor, Leiter des Bereichs
Einsatz von LNG als Schiffstreibstoff wird zunehmen
Hafenpanorama mit sauberer Energie:
Macht die AIDAsol (links) in Hamburg fest, liefert
die Hummel (rechts vorn) Strom aus LNG. Die Energie
wird mit Starkstromkabeln übertragen (oben)
LNG Hybrid bei Becker Marine Systems:
„Schwefeloxide und Rußpartikel finden
sich überhaupt nicht mehr im Abgas, Stick-
oxide werden um bis zu 80 Prozent verrin-
gert, der Kohlendioxidausstoß sinkt um bis
zu 20 Prozent.“ Bei Neubauten entschei-
den sich deshalb heute immer mehr Ree-
dereien für einen Gasantrieb. Auch AIDA
setzt bei der nächsten Schiffsgeneration,
die bis 2020 in Dienst gestellt werden
soll, auf einen reinen LNG-Antrieb. „Bis-
her gibt es zwar erst rund 100 Schiffe mit
LNG-Antrieb weltweit, aber viele befinden
sich noch im Bau – insofern dürfte die Ver-
breitung dieser Technik in den kommen-
den Jahren exponentiell zunehmen“, sagt
Maria Dimitrova, die bei Dräger die Fokus-
industrie „Schiffbau“ betreut. Zudem gibt
es Retrofit-Projekte, bei denen bestehende
Schiffe mit Gasmotoren oder Dual-Fuel-
Technik für den Wechsel zwischen Gas
und einem anderen Treibstoff ausgestattet
werden (siehe Interview, Seite 53).
Kluger ÜbergangAber was ist mit der umweltfreundlichen
Energieversorgung im Hafen für die große
Bestandsflotte mit älterer Motorentechnik?
Hier setzt Becker Marine Systems mit der
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Hummel an. „Die Idee für die LNG-Hyb-
rid-Barge entstand 2012“, sagt Max Kom-
morowski. Mit AIDA als Partner hat das
Unternehmen sein schwimmendes Kraft-
werk zur Serienreife entwickelt, gebaut
und 2015 in Betrieb genommen. Bis zum
Saison ende 2016 wird die Barge wohl mehr
als 30 Einsätze absolviert haben.
Das Risiko beherrschenDas Gas wird in Containern an Bord gelie-
fert. Aus der tiefkalten Flüssigphase wird
das LNG dann verdampft und als klassi-
sches Erdgas von den Motoren verbrannt.
Damit steigt auch das Risiko, denn aus-
tretendes Gas birgt eine hohe Explosions-
gefahr. „Deshalb wird der Betrieb an Bord
der Barge mit zahlreichen Sensoren über-
wacht“, sagt Peter Wesselbaum, Experte
für stationäre Gaswarnsysteme bei Dräger.
„Zum Einsatz kommt eine redundante
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Dr.-Ing. Thomas Spindler ist Leiter des Bereichs Upgrades & Retrofits Four-Stroke Engines bei MAN PrimeServ
Dräger PIR 7000:infrarot-optischer Transmitter, der den LNG-Betrieb an Bord der Hybrid-Barge Hummel überwacht
„LNG wird immer wichtiger“MAN PrimeServ, die Servicemarke von MAN Diesel & Turbo, macht mit maßgeschneiderten Retrofits Viertakt-Schiffsdiesel fit für Flüssigerdgas.
Herr Dr. Spindler, welches Potenzial sehen Sie in den kommenden Jahren für Retrofits, bei denen bestehende Schiffe mit herkömmlichen Motoren auf Dual-Fuel-Technologie mit LNG als alternativem Treibstoff umgerüstet werden? Das Potenzial ist erheblich: Retrofits sichern die langfristige Einsatzfähigkeit bestehender Schiffsantriebsanlagen angesichts immer strengerer Schwefel-Grenzwerte im Treibstoff. Dual-Fuel-Technik wird in den nächsten Jahren dazu beitragen, dass sich LNG als Schiffstreibstoff weiter durchsetzt: Mit jedem erfolgreichen Retrofit, bei dem wir Viertakt-Schiffsdiesel LNG-tauglich machen, steigern wir die Nachfrage nach LNG. Wir planen, Dual-Fuel Retrofit-kits für weitere Motorentypen zu entwickeln, die bisher noch nicht umgerüstet werden konnten. Das gilt für verschiedene Anwendungen wie Kreuzfahrtschiffe, Passagierfähren und Frachtschiffe. So wird LNG für viele Kunden zu einer Option. Wie genau läuft das Retrofit für den Dual-Fuel-Betrieb mit LNG ab? Ein gutes Beispiel dafür ist ein Projekt, das wir gerade abschließen: Die weltweit erste Umrüstung eines 1.000-TEU-Containerschiffs der Reederei Wessels, das mit einem MAN-Motor des Typs 8L48/60B angetrieben wird. Dieser Motor wird mit den Komponenten eines Serienmotors 51/60DF zum Dual-Fuel Motor umgebaut. Hinzu kommt die komplette Speicher-, Steuerungs- und Messtechnik für LNG. Jedes Retrofit wird individuell geplant und in mehreren Schritten umgesetzt. Vom ersten Konzeptschritt bis zum erfolg-reichen Projektabschluss dauert ein Retrofit durchschnittlich etwa ein Jahr.Hat MAN mit dem Kauf des Geschäftszweig Marine Fuel Gas Supply System von Cryo AB eine besondere Kompetenz im Sektor LNG erworben? MAN Diesel & Turbo hat mit dieser Übernahme einen strategisch wichtigen Zukauf für die Zukunft getätigt. Denn LNG wird als Kraftstoff für die Schifffahrt immer wichtiger. Unseren Kunden können wir so im Dual-Fuel-Segment und bei reinen LNG-Anlagen Gesamtlösungen aus einer Hand anbieten. Damit setzen wir uns an die Spitze des Marktes.
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EMISSIONEN
CO2-Verbrauch, um eine
Tonne Fracht einen Kilometer
weit zu transportieren:
Streckenüberwachung mit Open-Path-
Geräten. Dazu gibt es Punktmessun-
gen über Infrarotsensoren in definierten
Bereichen – vor allem mit dem Dräger PIR
7000.“ Die Sensoren für punktuelle Mes-
sungen arbeiten vor allem an möglichen
Leckagestellen, überwachen aber auch den
Abluftstrom der Anlagen. Die Gasaufberei-
tungsanlage, Herzstück des Systems, wird
mit beiden Verfahren überwacht.
Nicht nur in Häfen, auch in den küs-
tennahen Bereichen von Nord- und Ostsee,
aber auch an der Ost- und West küste der
USA gelten strenge Grenzwerte für Schwe-
feldioxid-, Stickoxid- und Rußpartikelemis-
sionen von Schiffs motoren. Diese Emissi-
on Control Areas (ECA) wurden von der
Internationalen Seeschifffahrts-Organisa-
tion (International Maritime Organization,
IMO) festgelegt. Zuletzt wurden die Vor-
schriften für diese Zonen 2015 verschärft.
Außerhalb gelten noch deutlich lockerere
Regelungen, weshalb viele Reedereien auf
Dual-Fuel- Technologie setzen. Dabei wird
innerhalb der ECA mit Gas, außerhalb mit
Schweröl gefahren. Ab 2020 sollen welt-
weit viel strengere Emissionsregeln gel-
ten. „Dann dürfte es sehr schwer werden,
überhaupt noch mit Schweröl zu fahren“,
sagt Dräger- Expertin Dimitrova. LNG habe
daher ein großes Zukunftspotenzial.
Gute Aussichten attestiert auch Max
Kommorowski dem verflüssigten Erdgas.
Dabei werde die Hybridtechnik auf abseh-
bare Zeit eine wichtige Rolle spielen, um
vor Anker liegende Schiffe zu versorgen.
Hier denkt der Ingenieur nicht nur an
LNG-Hybrid-Barges wie die Hummel, die
Becker Marine Systems mit bis zu 14-Mega-
watt Leistung bauen könnte. Auch Contai-
nerschiffe hat das Unternehmen im Blick.
Sie liegen meist zwischen 24 und 48 Stun-
den am Terminal, um gelöscht und wieder
beladen zu werden. In dieser Zeit will man
sie mit so genannten LNG PowerPacs ver-
sorgen: 1,5-Megawatt- Kraftwerke im For-
mat von vier 40-Fuß-Containern, die auf-
grund ihrer kompakten Größe komplett auf
das Schiff gesetzt werden. Im kommenden
Jahr soll es so weit sein – als erster Einsatz-
ort käme wieder Hamburg in Frage. Nach-
frage dafür sollte es ausreichend geben.
Schließlich wird hier jährlich Fracht im
Umfang von 3,2 Millionen 20-Fuß-Contai-
nern (TEU) von Schiffen aus aller Welt
umgeschlagen.
PowerPacs sollen auf Container-schiffen Strom liefern
Eiskalte EnergieLiquified Natural Gas (LNG) ist die unter –160 Grad Celsius kalte Flüssigphase von Erdgas. LNG lässt sich außerhalb von Leitungsnetzen effizient transportieren und lagern, weil es ein 600-fach kleineres Volumen als nicht komprimiertes Erdgas hat. Zwar muss beim LNG-Transport Energie für die Kühlung aufgewendet werden, das gilt aber auch für den Transport in Pipelines, wo entlang der Strecke der Druck regelmäßig erhöht werden muss. Transportiert wird LNG traditionell mit Tankschiffen. Der Einsatz als Schiffstreibstoff bedarf dennoch neuer Regelungen. Seit 2015 ist der IGF-Code des IMO in Kraft (Internatio-nal Code for Ships Using Gas or Other Low-Flashpoint Fuels), der unter anderem Art und Anzahl der notwendigen Messköpfe vorschreibt. Im Vordergrund steht dabei der Explosions-schutz. In inertisierten Bereichen muss zudem der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre (beispielsweise durch Geräte der Dräger-Polytron-Familie) gemessen werden. Wegen des kontinuierlichen Ausbaus der Produktions- und Transportkapazitäten von LNG wird der Treibstoff immer günstiger. Auch das macht ihn für die Schifffahrt interessant.
Containerschiff, 18.000 TEU
3
Gramm
Güterzug
21Gramm
Lastwagen, 40 Tonnen
80Gramm
Flugzeug
435Gramm
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DIE BAUSTEINE DER WELTWIRTSCHAFT
Container tragen besonders stark zum Wachstum des Schiffsverkehrs bei.
Die weltweite Kapazität an Container-schiffen, angegeben in Twenty-Foot- Equivalent-
Unit (TEU), beträgt 2016 rund 20 Millionen TEU. Die weltweite (für die Schifffahrt verwendete)
Containerflotte umfasst rund 40 Millionen TEU. Die größten Containerschiffe der Welt tragen heute mehr als 18.000 TEU – im Jahr 1967
waren es noch 700.
Personenkraftwagen43,2 %
Schwere Nutzfahrzeuge
und Busse19,3 %
Eisenbahnen (ohne elektrische Traktion)0,6 %
Binnenschifffahrt1,4 %
Motorräder0,9 %
Inlandsflüge1,4 %
Andere Verkehrsmittel
0,9 %
Internationale Schifffahrt
12 % Internationaler Flugverkehr
11,6 %Leichte Nutz-
fahrzeuge8,7 %
WELCHER VERKEHRSSEKTOR STÖSST WIE VIEL
TREIBHAUSGASE AUS?
Zahlen für die Europäische Union
(Stand 2013):
WIE VIEL SCHWEFEL ENTHALTEN WELCHE TREIBSTOFFE?
LNG
0,0PROZENT
LKW-DIESEL0,001 PROZENT
MARINEDIESEL LS-MGO
(Häfen)
0,1 PROZENT
SCHWERÖL LOW SULPHUR IFO 380(Emissionskontrollzonen, ECA)
1,0 PROZENT
SCHWERÖL IFO 380
(Hochsee)
2,5 PROZENT
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