DIE STILLE GEFAHR - Draeger · Mark O’Shane (51), Manager für Off shore-Installationen bei...

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Drägerheft Technik für das Leben 2019 DIE STILLE GEFAHR Wie Rauchgase und Partikel wirken – und wie man sich vor ihnen schützt UNTER WASSER Die leisesten U-Boote der Welt S. 26 UNTER VOLLNARKOSE Was den künstlichen Schlaf so besonders macht S. 32 UNTER ÄPFELN Das ganze Jahr über frisches Obst S. 20

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DrägerheftTechnik für das Leben 2019

DIE STILLEGEFAHR

Wie Rauchgase und Partikel wirken – und wie man sich vor ihnen schützt

UNTER WASSERDie leisesten U-Boote der Welt S. 26

UNTER VOLLNARKOSEWas den künstlichen Schlafso besonders macht S. 32

UNTER ÄPFELNDas ganze Jahr über frisches Obst S. 20

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INHALT#405

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46ROTES GOLD

Die Nervenbahnen der Technik sind oft aus Kupfer. Bei Aurubis entsteht

es in höchster Qualität.

42WEISSE WARE

Waschmaschinen erleichtern frühere Schwerstarbeit. Heute kombinieren sie

Mechanik mit Elektronik.

6SCHWARZE WOLKEN

Sie bestehen aus verschiedenen Rauchgasen und Partikeln – nicht wenige davon sind krebserregend.

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DRUCK:Lehmann Off setdruck GmbH

ISSN 1869-7275

SACHNUMMER: 90 70 459

www.draeger.com

4MENSCHEN, DIE BEWEGEN

Prof. Dr. med. Hinnerk Wulf fordert mehr persönliche Betreuung von Menschen in Krisensituationen. Mark O‘Shane ist

schon seit Kindesbeinen auf hoher See.

6GEFÄHRLICHER RAUCHRauch kann für Brandschützer

gesundheitsgefährdend sein – sogar nach dem Einsatz.

16RAUS AUS DEM BETT!

Bewegung – sie ist das beste Mittel gegen Muskelschwäche,

selbst für Intensivpatienten.

20KNACKIGES KULTURGUT

Das ganze Jahr über frische Äpfel? In Italien beherrscht man die Kunst der

Frischhaltelagerung.

26LAUTLOSE JÄGER

Ein Elektroantrieb und eine geringe akustische wie elektromagnetische

Signatur machen diese U-Boote zu den unauffälligsten der Weltmeere.

32FÜRCHTET EUCH NICHT!

Wie Anästhesisten ihren Patienten die Angst vor der Narkose nehmen.

36SPURENSUCHE IN DER ASCHENach den verheerenden Waldbränden in

Kalifornien Ende vergangenen Jahres sind die Aufräumarbeiten in vollem Gange.

42GEGEN SOCKENFRASS

Was macht eine leistungsstarke Wasch-maschine im privaten wie industriellen

Umfeld aus? Miele kennt die Antworten.

46ROT UND GLÜHEND

Vom Kupfererz zum Metall in Reinqualität: In Hamburg weiß man, wie man’s macht.

52VERFLIXTE PILLEN

Medikamentenrückstände belasten die Umwelt. Eine neue Klärtechnik

könnte das eindämmen.

56SICHERHEIT AUF SEE

Wie Dräger Marine Offshore Service die Arbeit auf See unterstützt.

62VERGRABEN UND VERGESSENIn Finnland entsteht das weltweit erste unterirdische Endlager für Atommüll.

66DER KÖRPER IST DAS LIMIT

Gezieltes Training stärkt die Physis von Piloten der Schweizer Luftwaffe.

71WAS WIR BEITRAGEN

Produkte von Dräger, die im Zusammen-hang mit dieser Ausgabe stehen.

72DREAMGUARD

Bewegungssensor mitBabyphone-Funktion.

Drägerheft Technik für das Leben 2019

DIE STILLEGEFAHR

Wie Rauchgase und Partikel wirken – und wie man sich vor ihnen schützt

UNTER WASSERDie leisesten U-Boote der Welt S. 26

UNTER VOLLNARKOSEWas den künstlichen Schlafso besonders macht S. 32

UNTER ÄPFELNDas ganze Jahr über frisches Obst S. 20

REALBRANDAUSBILDUNGFür das Titelmotiv ist Fotograf Patrick Ohlig schläger in einen Brandübungs-

container geklettert. Im Dräger FTS 8000 können Feuerwehrleute verschiedene

Szenarien für den Innenangriff trainieren. In Deutschland stehen zwei dieser

Anlagen – in Verden und Augsburg.

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AUS ALLER WELTMENSCHEN DIE BEWEGEN

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„Wer in Heilberufen arbeitet, kann sehr belast ende Situationen erleben: schicksal-hafte Komplikationen, tragische Eindrücke oder die Folgen von Behandlungsfehlern. Ein strukturierter Umgang mit diesen Er-fahrungen  – von Ärzten, Pfl egepersonal und Studierenden – ist dabei immens wich-tig! Werden die Betroff enen nicht aufgefan-gen, können die Auswirkungen vom Bedarf an langfristiger psychotherapeutischer Be-treuung bis zu Suchtproblemen reichen. Es ist ja vorhersehbar, dass Menschen gerade in Disziplinen wie der Anästhesie- und In-tensivmedizin häufi ger mit solchen belas-

tenden Situationen konfrontiert werden. Und doch gibt es in Deutschland meist kei-ne strukturellen Angebote, um das Erlebte zu verarbeiten. Deshalb sollte das Thema viel stärker in der Aus- und Weiterbildung sowie in den Strukturen der Kliniken veran-kert werden. Zum Glück wird das Bewusst-sein dafür größer. Mich selbst beschäftigt die Frage nach Angeboten für den Um-gang mit belastenden Situationen schon lange. Hier in Marburg haben wir dafür in den vergangenen zehn Jahren ein niedrig-schwelliges Angebot mit drei Bestandteilen entwickelt: Zunächst sichern regelmäßige

Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen die grundsätzliche Sensibilität. Entschei-dend ist aber die persönliche Betreuung von Menschen in Ausnahmesituationen. Das geschieht durch Gespräche in der Psychosomatik der Klinik, die in einem völ-lig geschützten Rahmen stattfi nden. Zum anderen wurden erfahrene Fachärzte, die gleichzeitig gewählte Vertrauenspersonen der Abteilung sind, als Peers geschult. Die Erfahrung zeigt, dass die fachliche Rückversicherung in Gesprächen für eine Bewältigung belastender Erfahrungen sehr wichtig ist – auch für unsere Patienten.“

STRESS BEGEGNEN!

Prof. Dr. med. Hinnerk Wulf (60), Lehrstuhlinhaber und Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie an der Universität Marburg

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KURS: DEUTSCHE

BUCHT

Mark O’Shane (51), Manager für Off shore-Installationen bei Jack-Up Barge

„Ich war mal Fischer, wie mein Vater. In dem klei-nen schottischen Küstenort, zwischen Inverness und Aberdeen, bin ich praktisch auf dem Boot auf-gewachsen. Das Leben war hart – um die Familie durchzubringen, mussten wir auch ‚black fi sh‘ fangen; verbotene Arten, die nicht im Logbuch auftauchen durften. Die Ölindustrie zahlte gutes Geld, und so wechselte ich Anfang der 2000er-Jahre dorthin. Auf den Plattformen war ich überrascht: Überall dieses Sicherheitsdenken! Auf einem Fischerboot gab es so etwas nicht. Plötzlich brauchte ich Zertifi kate, ein Gesundheitszeugnis und Einweisungen für Geräte. Aber ich mag das freiberufl iche Arbeiten auf hoher See. Bürojobs liegen mir nicht. Vor vier Jahren habe ich dann eine zehnmonatige Auszeit genommen, Tag für Tag die Schulbank gedrückt und das Nautical Col-lege absolviert. Da musste man um Erlaubnis bitten, wenn man mal aufs Klo wollte! Nein, das ist alles nichts für mich. Viel lieber manage ich den unbere-chenbaren Betrieb auf einer Plattform. Einmal kam ein Notruf von einem Boot, dessen Crew mit Arbei-ten an unserer Verankerung beschäftigt war. Im Boot gab es jemanden mit Verdacht auf Herzinfarkt. Wir schickten unseren Sanitäter runter. Nach 30 Minuten ging ein neuer Notruf von unten ein: Sie bräuchten einen zweiten Sanitäter, der erste hätte einen Herzin-farkt erlitten. Glücklicherweise konnten wir auf einer Nachbarplattform noch einen auftreiben und einfl iegen lassen. Seit Mitte vergangenen Jahres arbeite ich für Jack-Up Barge auf einer mobilen Errichterplattform als Off shore Installa tion Manager. In wenigen Tagen verlassen wir Rotterdam. Kurs: Deutsche Bucht, wo ein Windenergiepark entstehen soll. Zu meinen Ein-sätzen fl iege ich aus Spanien ein, wo ich heute lebe. Meine Lebensgefährtin weiß schon, warum sie mit mir in die Berge gezogen ist. Wenn wir zu nah am Wasser lebten, würde ich nur ein Boot kaufen.“

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FEUER IST GEFÄHRLICH Es bedroht die Feuerwehrleute nicht nur durch die Flammen, sondern auch durch frei werden-de Schadstoff e

GEFÄHRLICHER RAUCHFeuerwehrleute sind erheblichen Risiken ausgesetzt.

Darunter auch die Belastung durch Rauchgase und Partikel. Nicht wenige davon sind krebserregend.

TEXT DR. HILDEGARD KAULEN

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FOKUSFEUERWEHR

FOKUSBRANDSCHUTZ

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Der Flammenschein ist in der Dunkelheit immer noch zu sehen. Das Feuer war überraschend ausgebrochen und hatte sich rasant ausgebreitet. Zwei Bewohner des Hauses konnten sich nicht mehr in Sicherheit bringen und mussten von den Feuerwehrleuten evakuiert wer-den. Brandschützer haben in einer sol-chen Situation nur eines im Sinn: das Leben der Menschen zu retten. Wenn der Druck groß ist und jede Sekunde zählt, weil die Flammen bereits haushoch um sich schlagen, richten sie ihre ganze Auf-

merksamkeit auf die Rettung der Einge-schlossenen – und setzen alles daran, die Menschen unverletzt zu befreien. Dabei können die Brandschützer auch selbst zum Opfer werden – nicht nur der Flam-men, sondern auch giftiger Gase und Par-tikel. Denn ein Brand birgt weit mehr Gefahren als nur das eigentliche Feuer.

Wenn Häuser, Fabriken oder Lager-hallen brennen, Hölzer, Kunststoffe oder Reifen in Flammen aufgehen, verteilt sich schnell ein feiner Film gefährlicher Stoffe auf der persönlichen Schutzaus-rüstung, den Helmen und anderen Aus-rüstungsgegenständen der Feuerwehr-leute. Dieser Ruß birgt ein erhebliches

Gefahrenpotenzial. Die damit verbunde-nen Risiken hören auch nicht mit dem Löschen des Brandes auf. Denn Rauch-gase und Partikel können über die Atem-wege und Haut in den Körper gelangen, wo sich ihre Auswirkungen summieren, wenn die Einsatzkräfte immer wieder den gleichen Belastungen ausgesetzt sind. Allein in Deutschland, schätzt der Deut-sche Feuerwehrverband, werden jedes Jahr zwischen 150.000 und 200.000 Brän-de gelöscht – das sind bis zu 550 Gelegen-heiten täglich, Schadstoffe aufzunehmen und Rauchgasanhaftungen zu verschlep-pen. Schlimmstenfalls bis in die eigenen vier Wände.

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KONTAMINIERTE SCHUTZAUSRÜSTUNG

taugt nicht zum Heldenepos, sondern gefährdet die Gesundheit

der Brandschützer

Wie entstehen Brandgase? Viele Materi-alien werden durch die Strahlungswär-me des Feuers erhitzt und verfärben sich, bevor sie in Brand geraten. Dabei gasen sie aus. Beim Verschwelen von Holz ent-stehen mindestens neun Hauptproduk-te, darunter Wasser, Methanol, Methan, Formaldehyd, Kohlenmonoxid, Blausäure und Kohlendioxid. Die Verschwelung des Kunststoffs Polyamid liefert 25 gasförmi-ge Verbrennungsprodukte, die von Autorei-fen sogar mehr als 70. Die Brandgase rei-ßen feine Rußpartikel und Tröpfchen mit sich, alles zusammen wird als Rauchgas bezeichnet. Aussehen und Geruch sagen dabei nichts über die Gefährlichkeit aus. Niemand sollte sich vorschnell in Sicher-heit wiegen. 90 Prozent der Opfer, die bei einem Feuer ums Leben kommen, ster-ben nicht an einer Brandverletzung, son-dern an einer Rauchgasvergiftung. Einige Ausgasungen sind lebensbedrohlich, etwa das farb- und geruchlose Kohlenmonoxid (CO). Es entsteht, wenn organisches Mate-

Gase gleichzeitig messen und Brandschüt-zer rechtzeitig auf dieses gefährliche Duo aufmerksam machen (Dräger X-am 5000 und 8000). Zudem soll in der zweiten Jah-reshälfte 2019 mit dem Dräger PAC 8500 ein weiteres, personenbezogenes Messge-rät mit Dualsensor CO/HCN auf den Markt kommen. Hochgiftig sind auch Chlorwas-serstoff und einige Schwefelverbindungen.

Beim Verschwelen und Verbrennen entstehen auch krebserregende Subs-tanzen: etwa Formaldehyd, Vinylchlorid, Dioxin, Arsen und polyzyklische aromati-sche Kohlenwasserstoffe (PAK). Letztere bleiben mit Vorliebe an Rußpartikeln hän-gen. Zwar wurden schon in den 1950er-Jahren Studien zum Krebsrisiko von Feuerwehrleuten durchgeführt, starker öffentlicher Druck entstand aber erst zu Beginn der 2000er-Jahre. Im Jahre 2006 veröffentlichten Grace LeMasters vom University of Cincinnati College of Medi-cine und ihre Kollegen eine viel beachte-te Metaanalyse. Die Wissenschaftler werte-ten damals 32 publizierte Studien aus und klassifizierten das Krebsrisiko der Brand-schützer nach den Kategorien „wahr-scheinlich“, „möglich“ und „unwahr-scheinlich“. Als wahrscheinlich stuften sie

rial wie Holz, Papier oder Treibstoff bei mangelndem Sauerstoff verbrennt. Eine Kohlenmonoxidvergiftung beginnt mit Kopfschmerzen, Übelkeit und Schläfrig-keit – und kann schnell zum Tod führen.

SCHÄDLICHE RAUCHGASE Hochgefährlich ist auch Blausäure (HCN). Sie entsteht bei der Verbrennung von Mate-rialien mit viel Stickstoff und Kohlenstoff, etwa Teppichen, Kleidung oder Polster- und Isoliermaterial. Blausäure entsteht aber auch bei der Verbrennung von Plas-tik und ist 35-mal giftiger als Kohlenmon-oxid. Hohe Konzentrationen an Blausäure schädigen Herz, Atmung und Kreislauf. Sie führen zu einer inneren Erstickung, weil der Gasaustausch zwischen Blut und Zel-len nicht mehr funktioniert. In der eng-lischsprachigen Literatur werden CO und HCN als „toxic twins“ (als toxische Zwil-linge) bezeichnet, weil sie zusammen gif-tiger sind als die beiden Einzelsubstanzen. Dräger bietet bereits Geräte an, die beide

„WAHRE HELDEN SCHÜTZEN SICH – AUCH DANACH“

Aufklärungskampagne des Berufsverbands Feuerwehr e.V.

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FOKUSBRANDSCHUTZ

SIEBEN SCHRITTE FÜR EINE SICHERE HANDHABUNG KONTAMINIERTER SCHUTZ-AUSRÜSTUNG

Grundsätzlich gilt: Entfernen Sie Ihren Atemschutz erst, wenn

Sie in einem Bereich sind, der nicht mehr kontaminiert ist.

Falls erforderlich: Entfernen Sie verunreinigte Schutzausrüs-

tung noch während Sie einen Atemschutz tragen. Schutzhandschuhe nach Möglichkeit zuletzt ausziehen.

Bitten Sie falls nötig einen Kameraden, Ihnen beim

Aus ziehen zu helfen. Dieser sollte dabei eine persönliche Schutz-ausrüstung tragen.

Schließen Sie die Reißverschlüsse Ihrer persönlichen Schutzaus-

rüstung, nachdem Sie diese ausgezogen haben, sodass die Innenseiten nicht kontaminiert werden.

Wenn etwas Unerwünschtes passiert: Waschen Sie Ihre

Haut sofort nach dem Kontakt mit giftigen Stoff en und suchen Sie gegebenenfalls einen Arzt auf.

Transportieren Sie kontami-nierte Atemschutzgeräte und

Schutzkleidung sicher – beispielsweise in Säcken – zur Atemschutzwerkstatt oder zur Entsorgungsstelle.

Atemschutzmasken sollten nur von speziell ausgebildeten

Personen und in einem eigens dafür vorgesehenen Bereich gesäubert werden.

das Risiko für ein multiples Myelom und für ein Non-Hodgkin-Lymphom ein – zwei Formen von Blutkrebs – sowie das Risiko für Prostatakrebs. „Die Metaanalyse von LeMasters hat eine erhebliche Dynamik erzeugt“, sagt Dr. Dirk Taeger vom Ins-titut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallver-sicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA). „Seitdem ist mindestens ein gutes Dutzend weiterer Studien zum Krebsrisiko von Feuerwehrleuten erschie-nen, die Daten von mehr als 300.000 Ein-sätzen einbeziehen. Sie liefern allerdings nicht immer ein einheitliches Bild“, so Taeger. „Die Studien zeigen, dass Feuer-wehrleute ein höheres Krebsrisiko als die Allgemeinbevölkerung haben. Aber sie zei-gen dies nicht für jede im Verdacht stehen-de Krebserkrankung konsistent über alle Studien hinweg.“

HETEROGENE STUDIEN-ERGEBNISSEDas hat zur Folge, dass die gefundenen Risi-kowerte divergieren und es keine verbindli-che Liste mit Krebserkrankungen gibt, die bei Feuerwehrleuten häufiger auftreten als bei der Allgemeinbevölkerung. Eine däni-

sche Studie von 2018 hat zum Beispiel ein neun Prozent höheres Risiko für Magen-krebs gefunden, bei einer schwedischen Studie aus dem gleichen Jahr war das Risi-ko sogar um 89 Prozent erhöht.

Es gibt viele weitere Beispiele für der-art heterogene Ergebnisse. „Die Gründe sind vielfältig“, erklärt Taeger. „Infrage kommen Unterschiede bei den Einsätzen und den Expositionssituationen, länder-spezifische Unterschiede sowie die ver-schiedenen Jahrzehnte, die diese Stu-dien abdecken – und nicht zuletzt der Healthy-Worker-Effekt: Feuerwehrleute sind oft gesünder als die Allgemeinbevölke-rung. Das alles hat einen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko und muss eigentlich mitberücksichtigt werden“, sagt Taeger. Unter den neueren Studien hat vor allem die des National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) in den USA – mit knapp 30.000 Feuerwehrleuten – für Aufmerksamkeit gesorgt. Bei dieser Grup-pe war das Risiko für Krebs im Mund, im Magen-Darm-Trakt, in den Atemwegen und Nieren erhöht. Es fiel auch auf, dass Feuerwehrleute unter 65 Jahren häufiger als die gleichaltrige Allgemeinbevölkerung an Blasen- und Prostatakrebs erkrankten.

FLIEGENDE RUSSPARTIKEL Ihre feinen Details lassen sich weder im sichtbaren Licht noch unter Röntgenlicht erkennen. Zu sehen sind sie nur mit den ultrakurzen Licht-impulsen eines Freie-Elektronen-Lasers

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WIE FUNKTIONIERT DAS REINIGUNGS-VERFAHREN MIT DER MFC 7000? Die MFC 7000 ist eine Multifunktionskabine, in der die persönliche Schutzausrüstung in nur einem Arbeitsgang materialschonend gereinigt, desinfi ziert und getrocknet wird – und das in weniger als zwei Stunden. Die Reinigung folgt einem standardi sierten Prozess, sodass das gleiche hygienische Ergebnis erzielt wird. Über eine optionale zweite Tür kann die Multifunktionska bine in einem Wanddurchbruch aufgestellt werden und damit als Schleuse für die Schwarz-Weiß-Trennung dienen. Auf der einen Seite der Schleuse wird beladen, auf der anderen entladen.Dafür sind keine starren Deckenschienen nötig. Beladen wird die Multifunktionskabine mithilfe verschiedener rollbarer Gestelle, die frei in der Atemschutzwerkstatt bewegt werden können. Es gibt zum Beispiel ein Gestell für Atemschutzvollmasken, Schutzkleidung und Chemikalienschutzanzüge. Die Kabine arbeitet energieeffi zient.

suchen, um zu prüfen, in welchen Berei-chen des Körpers die PAK-Belastungen am höchsten sind und was wir daraus für die Weiterentwicklung der persönlichen Schutzausrüstung lernen können. Erste Ergebnisse sollten 2020 vorliegen.“

Dr. Taeger und seine Kollegen unter-suchen PAKs, weil diese Verbindungen nachgewiesenermaßen krebserregend sind und sich im Urin leicht messen las-sen. Sie bestimmen zudem eine Substanz, die zeigt, ob die Feuerwehrleute rauchen, denn dieser Einfluss soll bei der Auswer-tung mitberücksichtigt werden. In den Vereinigten Staaten wurde Mitte 2018 der sogenannte „Firefighter Cancer Registry Act“ unterzeichnet, der die Einrichtung eines freiwilligen Melderegisters – einer Expositionsdatenbank – vorsieht. Damit sollen Krebserkrankungen bei Feuerwehr-leuten besser erfasst und die Forschung zu den möglichen Zusammenhängen hin-sichtlich der Belastungen im Einsatz inten-siviert werden. In den Körper gelangen die Schadstoffe meist über die Atemwege. Deshalb ist der Atemschutz so wichtig und sollte nicht vorschnell abgenommen wer-den. Auch beim Nachlöschen und aus kal-ten Brandstellen werden weiterhin giftige

versicherung und das Institut für Präven-tion und Arbeitsmedizin in Bochum eine Biomonitoring-Studie mit 250 Feuerwehr-leuten in Hamburg und Berlin aufgelegt, die Dr. Dirk Taeger begleitet. Obwohl die persönliche Schutzausrüstung viel Sicher-heit bietet, schließt sie den Körper nicht hermetisch ab.

KAUM DATEN ZUR EXPOSITION„Wir wissen, dass es beim Tragen von Atemschutz und persönlicher Schutzaus-rüstung zum Durchschlag von Rauchga-sen durch die Einsatzkleidung kommen kann“, sagt Taeger. „Wir wollen genau wis-sen, wie hoch die Exposition unter Stan-dardbedingungen ist – etwa bei einem Haus-, Tunnel-, Fahrzeug- oder Keller-brand. Deshalb nehmen wir in dieser Stu-die vor und nach jedem Einsatz Urinpro-ben und ermitteln, wie viel PAK durch die Einsatzkleidung in den Körper der Feu-erwehrleute gelangt“, so der Diplom-Sta-tistiker und Epidemiologe. „Wir hoffen, dadurch handfeste Daten zur tatsächli-chen Belastung zu bekommen, in Abhän-gigkeit von dem jeweiligen Brandszenario. Dabei werden wir auch die beim Einsatz getragene Baumwollunterwäsche unter-

Mit steigender Exposition nahm zudem das Risiko für Lungenkrebs zu. Und bei weiter zunehmender Exposition stieg das Risiko, an Lungenkrebs oder Leukämie zu sterben. Alle bisher erschienenen Studien haben allerdings zwei Schwächen. Zum einen ist Krebs eine häufige Erkrankung, für die es viele Ursachen gibt – angefan-gen bei einer genetischen Belastung bis hin zu Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder Alkoholkonsum. Die meisten Studi-en haben nicht untersucht, ob es andere Gründe für die Krebserkrankungen der Feuerwehrleute gibt. Zum anderen lässt sich die tatsächliche Exposition nicht ohne Weiteres messen. Beschäftigungsdauer, Zahl der Einsätze oder Einsatzzeiten sind nur stellvertretende Größen, die letztlich nichts darüber aussagen, wie viele krebs-erregende Substanzen tatsächlich ihren Weg in das Blut und den Urin der Brand-schützer gefunden haben. Wer an einem Innenangriff beteiligt war, hat eine andere Schadstoffbelastung erlebt als jemand, der das Einsatzfahrzeug bedient hat, obwohl beide am gleichen Ort gleich viel Zeit ver-bracht haben. Weil so wenig über die tat-sächliche Exposition bei Bränden bekannt ist, haben die Deutsche Gesetzliche Unfall-

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FOKUSBRANDSCHUTZ

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Rauchgase freigesetzt. Zudem ist die Haut ein wichtiges Eintrittstor. Bei hohen Tem-peraturen weiten sich Poren und Gefäße, sodass Schadstoffe schneller in den Kör-per gelangen. Kritisch ist auch das Able-gen der persönlichen Schutzausrüstung am Ende des Einsatzes. Viele Rettungs-kräfte unterschätzen noch immer die Risi-ken, die von einer mangelnden Hygiene und einer damit verbundenen Kontamina-tionsverschleppung ausgehen.

KREBS ALS BERUFSKRANKHEIT In einigen Staaten Kanadas und der USA werden Feuerwehrleute bei einer Krebs-erkrankung pauschal finanziell entschä-digt. Für Christian Heinz von der Hanseati-schen Feuerwehr-Unfallkasse Nord hat das mit den unterschiedlichen Versicherungs-systemen zu tun. „In Deutschland haftet die gesetzliche Unfallversicherung als Teil der Sozialversicherung für gesundheitliche Schäden der Beschäftigten“, erklärt Heinz. „Die Anerkennung einer Berufskrankheit wird über die Berufskrankheiten-Verord-

nung (BKV) und damit über staatliches Recht geregelt. In den Vereinigten Staa-ten gibt es keine derartige Pflichtversiche-rung mit festgeschriebenen Leistungen für staatlich anerkannte Berufskrankhei-ten. Dort gelten die Bedingungen, die bei der Vertragsgestaltung mit einer Versiche-rung ausgehandelt werden. Was im Vertrag steht, wird im Versicherungsfall entspre-chend reguliert. Man kann die Situation nicht vergleichen“, sagt Heinz. „Der Vor-teil des Systems in Deutschland besteht zudem darin, dass im Falle einer Berufs-krankheit neben Geldleistungen, wie z. B. Renten, auch die medizinische und sozia-le Rehabilitation durch die Unfallversiche-rungsträger übernommen wird.“

Um Leistungen für eine Berufskrank-heit zu erhalten, müssen hierzulande verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Vo raussetzung ist, dass die Krankheit nach BKV als Berufskrankheit anerkannt ist. Dazu gehören auch verschiedene Krebs-erkrankungen. Zudem muss es eine ent-sprechende Exposition gegeben haben, die

AUF DER HAUT Eine Studie der gemein-

nützigen Organisation RTI International zeigt, dass sich mit Fluores-

zenzfarbstoff en mar-kierte Partikel unter der Schutzkleidung nieder-

schlagen und durch UV-Licht sichtbar gemacht

werden können. Eine deutsche Studie prüft

derzeit den Durchschlag bei Brandeinsätzen

WER ANDERE SCHÜTZT, SOLLTE AUCH SICH SELBST SCHÜTZEN

zu dem Krankheitsbild geführt hat. „Beim Feuerwehrdienst lassen sich die Expositi-onszeiten nicht so einfach ermitteln wie in anderen Berufen, bei denen die Beschäf-tigten Tag für Tag den gleichen Belastun-gen ausgesetzt sind“, sagt Christian Heinz. „Brandbekämpfung ist nur eine von vie-len Aufgaben der Feuerwehren. Manche löschen selten Brände, andere dagegen häufig. Wir hoffen, über die Studie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversiche-rung Aufschluss über die Belastungen bei Standardeinsätzen zu bekommen – hier fehlen uns derzeit einfach die Daten.“

Die öffentliche Diskussion über die gesundheitlichen Risiken im Feuerwehr-dienst hat deutlich gemacht, wie wich-tig Aufklärung und Prävention sind. Die Zeiten, in denen die Einsatzkräfte stolz auf ihren schwarzen Helm und ihre ver-schmutzte Schutzausrüstung waren, soll-ten der Vergangenheit angehören. Das Pla-kat „Wahre Helden schützen sich – auch danach“ der Initiative „FeuerKrebs“ hat genau dieses Anliegen im Blick. Die von Marcus Bätge, Dr. Nicola Byok und Olaf Reichelt gegründete gemeinnützige Unter-nehmergesellschaft (gUG) setzt sich für eine bessere Aufklärung über die gesund-

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Feuerwehrleute brauchen bei ihren Einsätzen Schutz vor Flammen, Ruß und anderen Gefahrstoff en. Dafür tragen sie eine persönliche Schutzausrüstung (PSA): eine Schutzhose (1) und -jacke (2), Handschuhe (3) und einen Helm (4). Beim Innen angriff  tragen sie auch eine Atemschutzmaske (5) sowie einen Pressluftatmer (6) mit Druckluftfl asche (7). Bei Gefahrstoff einsätzen nutzen sie zudem einen Chemikalienschutzanzug (8) und ein Gasmessgerät (9).

heitlichen Risiken und deren Prävention im Feuerwehrdienst ein und kämpft für die Anerkennung von Krebs als Berufs-krankheit bei Feuerwehrleuten.

RISIKO VERSCHLEPPUNG„Hygiene kann nicht hoch genug einge-schätzt werden“, sagt auch Leif Brünslow, Segment Manager für den Bereich Feuer-wehr bei Dräger. „Sie dient der eigenen Sicherheit und der Dritter, denn eine Kontaminationsverschleppung schadet auch anderen.“ Dräger bietet verschie-dene Lösungen zur Aufbereitung konta-minierter Schutzausrüstung an, sogar eine Multifunktionskabine für die vollau-tomatische Reinigung, Desinfektion und Trocknung (s.a.: S. 10, oben). „Damit ist eine Schwarz-Weiß-Trennung möglich“, so Brünslow. Das Konzept der Schwarz-Weiß-Trennung steht für das sorgfältige Auseinanderhalten von schmutziger per-sönlicher Schutz ausrüstung und priva-ter Kleidung, um die Verschleppung von Schadstoffen zu vermeiden. „Viele klei-ne Feuerwehren haben oft keinen Platz, auch nicht die finanziellen Mittel für eine konsequente räumliche Schwarz-Weiß-Trennung“, sagt Brünslow, der selbst Mit-glied in einer freiwilligen Feuerwehr ist. „Dabei lässt sich selbst mit einfachen Mit-teln einiges erreichen, auch dann, wenn es keine getrennten Spinde gibt.“ Wichtig seien eine gute Aufklärung, Ausbildung und Ausrüstung sowie standardisierte Prozesse im Umgang mit kontaminierter persönlicher Schutzausrüstung.

Dass eine Kontaminationsverschlep-pung ein ernstes Problem ist, zeigt das Bei-spiel des Pleuramesothelioms, ein durch Asbest verursachter, aggressiver Tumor des Rippen- oder Brustfells. In Deutsch-land wurde Asbest vor allem von 1965 bis 1980 verarbeitet und 1993 endgültig ver-boten. Viele Arbeiter erkrankten an einem solchen Tumor. Aber nicht nur sie, son-dern auch viele Ehefrauen, die die ver-schmutzte Arbeitskleidung gewaschen hatten, oder die im Haushalt lebenden Kinder. Das Beispiel zeigt: Kontaminati-onsverschleppung ist eine stille Gefahr, die rigoros bekämpft werden muss.

WAS GEHÖRT ALLES ZU EINER PERSÖNLICHEN SCHUTZAUSRÜSTUNG?

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Anziehend – Video zur PSA Was schützt bei einem Einsatz? Die Figur auf dieser Doppelseite zeigt das schematisch. Wie sie sich anziehen lässt, zeigt dieses Video:www.draeger.com/405-12

Bastelvorlage für Brandschützer zum Download: www.draeger.com/405-13

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FOKUSBRANDSCHUTZBR

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WIRKSAMER SCHUTZ

MUSS NICHT TEUER SEIN

Eine konsequente Einsatzstellenhygiene schützt Feuerwehrleute vor der Kontamination mit

gesundheitsgefährdenden Stoffen. Die Kosten sind überschaubar.

TEXT UND FOTOS PETER THOMAS

Kehren Einsatzkräfte der Feu-erwehr Ratingen nach einem Löschan-griff mit einer verrußten persönlichen Schutzausrüstung (PSA) zum Fahrzeug zurück, muss jeder Handgriff sitzen. Die Überbekleidung wird abgelegt, wobei Kameraden helfen, die sich durch Einmal-handschuhe, FFP3-Maske und Schutzbril-le vor den gefährlichen Stoffen schützen.

Die kontaminierte Schutzkleidung wird dann in selbstöffnende Baumwollsä-cke gepackt (das vermeidet später, in der hauseigenen Wäscherei, den Kontakt mit den Schadstoffen) und in den Geräteabtei-len verstaut. Für die Brandschützer gibt es auf den Fahrzeugen Trainingsanzüge als Wechselkleidung. Stiefel werden mit Was-ser und Bürste gereinigt, Helme und Gerä-te mit Feuchttüchern, die Hände wieder-um mit Wasser sowie Reinigungsmitteln auf den Hygieneboards der Hilfeleistungs-löschfahrzeuge (HLF). Die verunreinig-ten Atemschutzgeräte rücken über den

Gerätebereich der Löschfahrzeuge wie-der in die Wache ein, während die Halte-rungen in der Kabine mit frischen Gerä-ten aus dem Laderaum bestückt werden. Das ist alles relativ einfach und doch sehr wirksam. Die konsequente Schwarz-Weiß-Trennung am Einsatzort vermeidet die Übertragung von giftigen Stoffen auf die Haut sowie die Verschleppung von Kon-taminationen in die Wache oder das pri-

vate Umfeld. Geregelt sind die Abläufe in Ratingen in einer seit Juli 2018 geltenden Dienstanweisung.

Den Impuls dafür gab Jana Reu-ter mit einer arbeitswissenschaftlichen Abschluss arbeit (Thema: „Einsatzstellen-hygiene“) an der Bergischen Universität Wuppertal. Die junge Sicherheitsinge-nieurin absolviert derzeit ihre Laufbahn-ausbildung für den gehobenen Dienst bei der Berufsfeuerwehr Duisburg. In Ratin-gen ist sie als freiwillige Feuerwehrfrau im Löschzug Ratingen-Breitscheid und dem ABC-Zug sowie als stellvertretende Zugführerin des Kreismesszugs aktiv. „Schon die Literaturrecherche als erster Schritt der Arbeit gestaltete sich schwie-rig. Es gab vergleichsweise wenig Mate-rial zum Thema, geschweige denn Über-blicksstudien mit verlässlichen Daten“, erinnert sie sich. „Dass aber eine geregel-te Einsatzstellenhygiene zur Vermeidung von Kontaminationen der Haut durch Par-tikel sinnvoll ist, stand angesichts der im Brandrauch vorhandenen krebserregen-den Stoffe schnell fest.“

Reuters konkrete Fragestellungen: Wel-che Risiken bestehen durch die Kontami-nation der persönlichen Schutzausrüstung nach Brandeinsätzen? Welche Strategien existieren, um Kontaminationen nicht zu

HAT KLARE VORSTELLUNGEN, wie sich Kontaminationen von Einsatzkräften durch Stoff e aus dem Brandrauch vermeiden lassen: Sicherheitsingenieurin Jana Reuter

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FOKUSBRANDSCHUTZ

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verschleppen? Und wie lassen sich die Stra-tegien im Einsatzalltag von Feuerwehren unterschiedlicher Größe und Organisati-onsform umsetzen? Das Thema Einsatz-stellenhygiene ist brandaktuell, vor allem hinsichtlich kanzerogener Stoffe.

RISIKEN, STRATEGIEN, UMSETZUNGDeshalb hat eine Arbeitsgruppe der Feu-erwehr Ratingen, von der Reuters Arbeit unterstützt wurde, in gerade mal einem Jahr die akademischen Erkenntnisse für die Praxis in die neue Dienstanweisung übertragen. Jana Reuter ist derweil zur gefragten Gesprächspartnerin geworden. „Der fachliche Austausch mit den Kolle-gen aus ganz Deutschland ist toll“, sagt die Feuerwehrfrau. „Es ist erstaunlich, wie viel man mit vergleichsweise güns-tigen und zugleich wirksamen Lösun-gen erreichen kann“, sagt Branddirektor René Schubert. Der Sicherheitsingenieur ist seit 2007 Leiter der Feuerwehr Ratin-gen. Diese besteht aus der Berufsfeuer-wehr mit zwei Wachabteilungen sowie sieben Löschzügen der freiwilligen Feu-erwehr. Insgesamt sind rund 340 Frau-en und Männer als Brandschützer in der nordrhein-westfälischen Stadt mit ihren rund 90.000 Einwohnern aktiv. Zu solchen

„Basics“, wie Schubert die grundlegen-den Lösungen nennt, gehören auch die selbst öffnenden Baumwollwäschesäcke. Sie sind keine Spezialanfertigung, sondern ein Standardartikel. Auch Trainingsanzü-ge, Verpackungs- und Reinigungsmateri-alien verlangen keine großen Investitio-nen. „So lässt sich ein wirksamer Schutz vor Kontaminationen auch bei kleineren Feuerwehren umsetzen“, sagt Schubert. Den Umgang mit den Säcken demons-triert Rolf Schneiders, zuständig für per-sönliche Schutzausrüstung, Funk- und Alarmierungstechnik bei der Feuerwehr Ratingen: „Wenn die kontaminierte Klei-dung erst einmal darin verstaut ist, schüt-zen die Wickelsäcke sehr gut vor Rußpar-tikeln und den darin enthaltenen giftigen Stoffen.“ In der Hauptwache werden die Säcke dann in die Wäschetrommel der Spezialwaschmaschine gesteckt, in der bis zu vier Garnituren gleichzeitig gerei-nigt werden können.

GROSSE NACHFRAGE Natürlich verlangt das neue System auch organisatorische Änderungen. So hat man in Ratingen ein Pool-System für Reserve-kleidung eingerichtet. Dadurch sind Feu-erwehrleute sofort wieder einsatzbereit, selbst wenn sie ihre Kleidung gerade erst

in die Reinigung gegeben haben. „Glück-licherweise sind hier – dank einer eigenen Wäscherei – die Wege kurz“, sagt Schu-bert. Um die Bevorratung der Reserven pla-nen zu können, hat man statistisch erfasst, welche Kleidergrößen wie häufig an wel-chen der acht Standorte genutzt werden.

Wichtiger als die Ausrüstung aber ist das Bewusstsein der Einsatzkräfte für das Risiko durch Brandrauch und Ruß, betont René Schubert. Dieser Frage stellte sich auch Jana Reuter: „Lange Zeit wurde von Feuerwehrleuten eine rußverschmierte PSA eher gut beurteilt – als Zeichen beste-hender Einsatzerfahrung.“ Die Ingenieu-rin zieht ein positives Resümee der Reak-tionen auf ihre Arbeit und die Umsetzung bei der Feuerwehr Ratingen. Insbesonde-re bei jüngeren Kollegen sei das Interes-se für die Zusammenhänge von Anfang an groß gewesen – und akzeptiert wür-den die Ansätze über alle Altersgruppen hinweg. Zudem setzen die Verantwortli-chen auf eine laufende Sensibilisierung durch Multiplikatoren. Das Interesse für die neue Strategie sei groß, sagt Feuer-wehrchef Schubert. „Wir haben sehr viele Nachfragen auf unsere Dienstanordnung erhalten – auch aus dem benachbarten Ausland.“ Von diesem Erfahrungsaus-tausch profitieren alle Seiten.

KLARE STRUKTUREN im Einsatzalltag bei der Feuerwehr Ratingen (von links): Das Hygieneboard des Hilfeleistungslöschfahrzeugs bietetWasser, Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Noch an der Einsatzstelle wird die kontaminierte Schutzkleidung in selbstöff nende Wäschesäcke verpackt und in der hauseigenen Wäscherei gereinigt – bis zu vier Garnituren je Waschgang sind möglich. In einem speziellen Schrank wird die Kleidung 4,5 Stunden bei 65 Grad Celsius getrocknet und anschließend 20 Minuten lang bei 95 Grad Celsius imprägniert

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JEDER MILLIMETER ZÄHLT:Seit Monaten liegt dieser Patient auf

der Intensivstation der Berliner Charité. Schritt für Schritt muss er zunächst

wieder lernen, seine Finger zu bewegen

RAUS AUS DEM BETT!Viele Patienten entwickeln auf der Intensivstation eine Muskelschwäche,

von der sie sich auch Jahre später nicht erholen. Das beste Mittel dagegen setzen Mediziner erst seit wenigen Jahren ein:

Bewegung – auch dann, wenn der Patient noch maschinell beatmet wird.

TEXT DR. MED. FLORIAN SCHUMANN   FOTOS SEBASTIAN PFÜTZE

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KRANKENHAUSINTENSIVPATIENTEN

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J etzt muss jeder Handgriff sitzen: „Auf drei!“ Und schon packen ein Arzt, eine Krankenpflegerin und zwei Physiothera-peuten an den Seiten einer grauen Unterlage an, auf der rück-lings ein junger Mann liegt. „Eins, zwei, drei!“ In einer flüssigen Bewegung hieven sie ihn von seinem Bett auf die Liege. Dabei müssen sie aufpassen, dass sie keinen Infusionsschlauch überse-hen – und dass die Trachealkanüle nicht verrutscht, durch die er beatmet wird. Vor allem aber, dass sich die zwei dicken Schläu-che nicht verdrehen, durch die eine Herz-Lungen- Maschine sauerstoffreiches Blut in Manuels* Körper pumpt.

Manuel ist 25 Jahre alt. Er war vollkommen gesund, bis plötz-lich aufgrund einer schweren Infektion seine Lunge versagte. Das war vor drei Monaten. Seitdem wird er auf der Intensivsta-tion im Virchow-Klinikum der Berliner Charité behandelt. Die Liege, auf der er sich nun befindet, ist ein Mobilisierungsstuhl, der sich elektronisch steuern lässt. Langsam bewegt er Manuel aus der Horizontalen in die Senkrechte. Gleichzeitig verschie-ben sich Teile der Liege so, dass ein Stuhl mit Sitzfläche da raus entsteht. Manuels Füße stehen nun auf einer Bodenplatte, damit sie nicht wegrutschen. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, nähern sie sich dem Boden. Als sie dort ankommen, sind alle Umstehenden erleichtert. Allerdings geht die Arbeit jetzt erst richtig los, denn Manuels Muskeln sind extrem schwach. So schwach, dass er sie kaum von selbst bewegen kann. Auch die Atemmuskulatur ist betroffen, deshalb muss eine Maschine ihre Tätigkeit unterstützen.

Ursache dieser Verfassung ist eine Krankheit, die man lange nicht als solche erkannt hat und die Ärzte mittlerweile immer besser verstehen: die erworbene Muskelschwäche kritisch Kran-ker (Intensive Care Unit Acquired Weakness; ICUAW). Professor Steffen Weber-Carstens ist Experte für diese Krankheit, leitender Oberarzt und Mitglied der erweiterten Klinikleitung der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedi-zin an der Berliner Charité. Er erforscht mit seiner Arbeitsgrup-pe die ICUAW schon seit Ende der 1990er-Jahre und war damit einer der Ersten in Deutschland, die diese Krankheit wissen-schaftlich untersuchten. Und sie ist durchaus relevant. „Etwa jeder vierte Intensivpatient entwickelt während seines Aufent-halts eine ICUAW“, sagt Weber-Carstens. Besonders hoch sei das Risiko, wenn eine Sepsis, also eine lebensbedrohliche Infektion des Körpers, oder ein Multiorganversagen vorliege. Bis zu 80 Pro-zent der Patienten mit solchen Erkrankungen entwickeln Stu-dien zufolge eine ICUAW. „Das Symptom ist die Muskelschwä-che“, sagt der Oberarzt. „Tatsächlich handelt es sich dabei um ein neuromuskuläres Organversagen.“

Die Krankheit selbst ist nicht neu. Schon 1892 beschrieb der kanadische Mediziner William Osler ein Krankheitsbild namens „rapid loss of flesh“, einen rasanten Muskelabbau. Tatsächlich spielt dieser Muskelschwund eine Rolle bei der Muskelschwä-che. „Der Körper nutzt die Muskeleiweiße für die Produktion bestimmter Akut-Phase-Proteine, die er für die Infektabwehr benötigt“, sagt Professor Weber-Carstens. Dieser mengenmä-ßige Verlust an Muskelmasse ist aber nur ein Aspekt, denn eine ICUAW mindert durch zwei Mechanismen auch die Qualität der Muskeln. Einerseits degenerieren Axone genannte Reizleitungen,

MIT SACK UND PACK:Wenn eine Runde über die Station auf dem Trainingsprogramm steht,

ist das ganze Team gefordert – denn auch die Geräte müssen mit

*NAME GEÄNDERT

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KRANKENHAUSINTENSIVPATIENTEN

die elektrische Impulse zum Muskel führen. Die Folge: Der Muskel kann nicht mehr gezielt angesteuert werden, im weite-ren Verlauf gehen Nervenfasern verloren, und der Muskel wird schwächer. Das nennt man Critical-Illness-Polyneuropathie (CIP). Andererseits, und dazu forscht Professor Weber- Carstens’ Arbeitsgruppe intensiv, finden sich auch bestimmte Verände-rungen in den Muskelfasern selbst, was als Critical-Illness-Myopathie (CIM) bezeichnet wird. „Die CIM lässt sich elektrophysiologisch viel früher als die CIP nachweisen – meist schon drei bis fünf Tage nach Aufnahme auf der Intensivstation.“ Welche Mechanismen auf Zellebene zu diesen Veränderungen und somit zur ICUAW führen, ist äußerst komplex und noch nicht abschließend geklärt. Aber sie haben Konsequenzen.

Nicht nur, dass ICUAW-Patienten im Durchschnitt länger beatmet werden müs-sen und erst später das Krankenhaus verlas-sen können. „Selbst wenn sie ihre Grund-erkrankung überleben, bleiben sie oft auf Jahre geschwächt“, sagt Professor Weber-Carstens. In einer viel beachteten Studie im New England Journal of Medicine konn-ten Herridge et al. 2011 zeigen, dass 50 Pro-zent der Patienten mit akutem Lungenver-sagen selbst ein Jahr nach Entlassung von der Intensivstation nicht wieder zur Arbeit gingen, weil sie sich schwach fühlten und ihre Muskeln zu schnell ermüdeten. Und auch fünf Jahre später konnten sie im Sechs-Minuten-Gehtest nur etwa 75 Pro-zent der Strecke gleichaltriger Personen zurücklegen. „Wenn wir unsere Patienten nachuntersuchen, sehen wir den gleichen Befund“, sagt Weber-Carstens. Die Menschen ermüden schnel-ler, fühlen sich schwach. Und: Der Grad der Schwäche bei Ver-lassen der Intensivstation korreliert mit dem Risiko, nach einem Jahr nicht mehr zu leben. Obwohl es derzeit keine ursächliche

Therapie der ICUAW gibt, spielt eines eine entscheidende Rol-le, um die Krankheit abzumildern: Frühmobilisation. Das sind laut aktueller S2e-Leitlinie, die Professor Weber-Carstens mit-verfasst hat, „Maßnahmen am Patienten, die passive oder akti-ve Bewegungsübungen einleiten und/oder unterstützen und das Ziel haben, die Bewegungs fähigkeit zu fördern und/oder

zu erhalten“. Diese Behandlung sollte spä-testens 72  Stunden nach Aufnahme auf der Intensivstation beginnen.

Physiotherapeutin Michelle Bothur steht am Mobilisierungsstuhl und fängt an, Manu-els linken Arm zu bewegen. „Drück mal mei-ne Hand weg, so fest du kannst“, fordert sie ihn auf. Manuels Hand bewegt sich sanft, aber deutlich sichtbar. „Vor ein paar Wochen war das noch nicht möglich“, sagt Bothur. Stück für Stück geht sie zum Ellenbogen über, dann zum Oberarm. Sie bewegt sei-ne Gelenke systematisch in alle Richtungen, zuletzt gen Zimmerdecke. Manuel unter-stützt, soweit er kann. Dann sind die Beine an der Reihe. Nach ein paar Wiederholungen zittern Manuels Muskeln, sie sind noch zu schwach. Demnächst soll er mit dem Mobi-lisierungsstuhl auch in den Stand gebracht werden. „Das bringt Gewicht auf die Füße,

die Rückenmuskulatur kontrahiert dann automatisch“, sagt Pro-fessor Weber-Carstens, während er die Beatmungskurven auf einem Monitor überprüft. Die Mobilisierung erleichtert auch die Atmung. „Wenn man aufrecht sitzt, ist die Kraftübertragung vom Zwerchfell besser“, sagt der Mediziner. Man könne dann sogar versuchen, Manuel für kurze Zeit spontan atmen zu lassen. Für die Entwöhnung vom Beatmungsgerät sei das sehr wichtig, genau wie die Atmungstherapie, die speziell geschultes Personal mit den Patienten durchführt – auch das ist Frühmobilisierung. Bereits eine Stunde zuvor hat Sascha Schülke aus dem Physio-

SELBST WENN SIE ÜBERLEBEN, BLEIBEN VIELE PATIENTEN ÜBER JAHRE GESCHWÄCHT

PIONIER UND KÜMMERER:Professor Dr. Steff en Weber-Carstens erforscht die erworbene Muskelschwäche kritisch kranker Patienten seit 20 Jahren

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FINGERFERTIG:Physiotherapeutin MichelleBothur führt mit Manuel* ein Handtraining durch

HIGHTECH-SITZFLÄCHE: Sascha Schülke aus dem Physiotherapie-Team rollt das Trainingsgerät ins Zimmer – einen hochmodernen Mobilisierungsstuhl

therapie-Team die Streckmuskulatur in Manuels Oberschenkeln elektrisch stimuliert. „In unseren eigenen Daten sehen wir, dass es mit der Elektrostimulation gelingt, Muskelmasse zu erhal-ten“, hat Professor Weber-Carstens beobachtet. „Wir sehen auch histologisch eine geringere Muskelatrophie.“ Als nächstes müs-se man prüfen, ob die Patienten dadurch auch schneller reha-bilitiert werden können.

ZWISCHENDURCH IMMER WIEDER PAUSIERENWährend sich Manuel nach der Mobilisierung ausruht, geht Weber-Carstens ins nächste Zimmer. Dort soll ein 26-Jähriger mit ICUAW infolge einer schweren Lungenerkrankung eine Run-de über die Station laufen – die Königsdisziplin der Frühmobi-lisation. Ein fünfköpfiges Team hat sich bereit gemacht, um ihn dabei zu unterstützen. Alles muss mit: Schläuche, die Sau-erstoffflasche und das ECMO-Gerät, das den Gasaustausch in der Lunge ersetzt. Auf ein Zeichen des Patienten hin setzt sich der Tross in Bewegung. Zwischendurch muss er immer wieder kurz anhalten, aber er beißt sich durch und erreicht nach etwa fünf Minuten wieder sein Bett. „Am Anfang ging das nur bis zur Tür“, sagt er stolz. Frühmobilisation ist personal- und zeitinten-siv, trotzdem versucht man in der Charité, sie möglichst vielen Patienten zu ermöglichen. „Wir machen das seit etwa acht Jah-ren“, sagt Professor Weber-Carstens. Als er damit begann, war es noch unüblich, beatmete Patienten zu mobilisieren, aber immer mehr Studien weisen darauf hin, dass es einen messba-ren Vorteil bringt. „Die Patienten verlassen die Intensivstation in einem besseren körperlichen Zustand, was Mobilisation und Kraft betrifft. Derzeit ist es das beste Instrument, das wir gegen ICUAW haben.“ Künftig müssten noch mehr Daten erhoben werden – dass die Patienten auch Jahre später körperlich akti-ver sind und nicht so schnell ermüden, wenn sie eine Frühmo-bilisation erhalten. In weiteren Studien möchte Weber-Carstens dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schließen.

Zum Konzept der Charité gehört auch, die Intensivpatien-ten so wenig wie möglich zu sedieren. Einerseits, damit sie sich spontan bewegen und bei der Frühmobilisierung möglichst aktiv mitmachen können. Andererseits, um eine Langzeitbeatmung zu verhindern. Derzeit wird noch von Fall zu Fall entschieden, ob bei einem Patienten gerade Mobilisierung, Beatmung oder Weaning – also Beatmungsentwöhnung – Priorität hat. Ein aktu-elles Projekt von der Charité und Dräger hat das Ziel, aus den bestehenden Einzelprotokollen einen neuen Behandlungsalgo-rithmus zu erstellen. Er soll dabei helfen, durch schnellere Mobi-lisation und Beatmungsentwöhnung Immobilität und Langzeit-beatmung zu vermeiden.

Manuel hat in den vergangenen Wochen gute Fortschritte gemacht. Bis er sich allerdings von seinem schweren Lungenver-sagen und der Muskelschwäche erholt hat, werden noch Mona-te vergehen, prognostiziert Weber-Carstens. Der Intensivmedi-ziner wird mit seinem Team weiterhin alles dafür tun, dass der junge Mann schnell wieder mobil wird – und bleibt.

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RUBRIKTHEMA

FRISCH AUS DEM UNTERGRUND

Bei Melinda im italienischen Trentino lagern Äpfel unterirdisch. Das Kernobst aus der Familie

der Rosengewächse gilt als besonders gesundes Nahrungsmittel.

TEXT UND FOTOS BARBARA SCHAEFER

LANDWIRTSCHAFTOBSTANBAU

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RUBRIKTHEMA

Valentino Dalpiaz legt den Metallbügel um und öffnet die Sicherheitstür mit der roten Warnlampe. Hier, rund 300 Meter unter der Erde, fahren Lkw mit der Aufschrift „Melinda“ in 15 Kilometer langen Felsengängen. Melinda ist ein Fruchterzeu-ger-Konsortium, ein Zusammenschluss aus 16 Kooperativen im Val di Non und im Val di Sole. In diesen Tälern werden haupt-sächlich Äpfel angebaut, veredelt und vermarktet. Als eine Baufir-ma vor ein paar Jahren anfing, Dolomitsand aus den Hügeln des Trentino abzutragen, dachte man erstmals darüber nach, Äpfel in den riesigen Höhlen zu lagern. Der Sand ist begehrter Bau-stoff für anspruchsvolle Renovierungen, etwa am Petersdom in

Rom. „Die neuen, kilometerlangen Gänge standen nun zur Ver-fügung – und wir brauchten mehr Platz für unsere Äpfel“, sagt Valentino Dalpiaz, der bei Melinda für die Lagerhaltung zustän-dig ist. In einer Testphase lagerte man 120 Tonnen, mittlerwei-le sind es 30.000 – rund ein Zehntel der gesamten Melinda-Pro-duktion. Der Markenname Melinda ist ein Mädchenname, der zudem „mela linda“ assoziiert: hübscher Apfel.

Äpfel wurden schon immer in kühlen Kellern gelagert. Mit-te des vorigen Jahrhunderts begann man, sie in kontrollierter Atmosphäre aufzubewahren. Auch Äpfel strömen beim Reifen Ethylen aus. Da Ethylen die Alterung nahezu aller Feld- und Gartenfrüchte beschleunigt, versuchen Experten, dessen Wir-kung zu drosseln. Das gelingt durch niedrige Temperatur und eine Lageratmosphäre, die arm an Sauerstoff und reich an

ALTE SORTEN Rund um Schloss Cles im Nonstal werden seit

Jahrhunderten Äpfel angebaut. Schon 1725

belieferte Baron de Cles den Adel in Wien mit der

Sorte Rosmarina

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LANDWIRTSCHAFTOBSTANBAU

Kohlendioxid ist. Diese Form der Lagerung ist weltweit Stan-dard. Melinda kühlt die Luft auf ein Grad Celsius und redu-ziert den Sauerstoff von 21 Prozent auf zwei Prozent. Das ver-setzt die Äpfel in eine Art Winterstarre. „Der Vorteil unter Tage ist, dass die Kühlung energiesparender und umweltfreundlicher verläuft“, sagt Dalpiaz. Die Energieersparnis betrage 53 Prozent im Vergleich zur herkömmlichen Lagerung.

2.000 DYNAMITSTANGEN UND 90.000 KUBIKMETER SANDUnter der Erde sprengte man mit 2.000 Dynamitstangen 34 gleich große Höhlen. Dafür wurden 90.000 Kubikmeter Sand abgetragen. 26 Millionen Euro kostete das Unterfangen. Jede Lagerhalle ist 25 Meter lang, elf Meter hoch und zwölf Meter breit – und fasst rund 2.800 Kisten zu je 300 Kilogramm, also rund 900.000 Kilogramm Äpfel. „30.000 Quadratmeter der Kavernen gehören Melinda“, ergänzt Matteo Gervasi, zustän-dig für das Thema Arbeitsschutz. Auch Kühlmeister Roberto Marini betritt die unterirdischen Gänge nur zu Kontrollzwecken. Doch einfach so die Tür aufziehen, wie Dalpiaz es vormacht, das geht nur, wenn die Obstbauern ihre Äpfel nach der Ernte direkt anliefern. „Sobald die Äpfel heruntergekühlt sind, entziehen wir den Höhlen den Sauerstoff“, sagt Marini. Danach leuchten die roten Warnlampen, und die Türen blockieren. Etwa einmal im Monat steigt ein Mitarbeiter in einer Dräger-Schutzausrüstung durch eine Luke in die Zellen und holt einige Äpfel heraus. Die werden dann ans Trentiner Agrarinstitut MACH geschickt und dort auf ihren Reifegrad kontrolliert. Mit 430.000 Tonnen lie-ferte man 2018 etwa 20 Prozent der italienischen Apfelprodukti-on. Den größten Anteil stellte mit 70 Prozent La Golden, wie der

ÄPFEL, DIE IN KÄLTESTARRE VERHARREN – UND SO KNACKFRISCH BLEIBEN

Golden Delicious genannt wird. Weitere 10 Prozent waren Red Delicious, gefolgt von Kanadarenette, Gala und Fuji.

Der Apfelanbau im Trentino fußt auf einer alten Tradition. Schon als das Nonstal noch zu Österreich gehörte, lieferten die Obstbauern ihre Ware nach Innsbruck. 1725 bestellte der Adel aus Wien beim Baron de Cles den Weißen Rosmarinapfel Mela di Rosmarino. „Das Obst hat schon früher viele Preise gewon-nen“, sagt Dalpiaz. „Das Tal verläuft in Nord-Süd-Richtung und hat bis zu 2.000 Sonnenstunden im Jahr.“ Trotz der guten Erträ-ge sei es den Bauern oft nicht gut gegangen; sie hatten die Kel-ler voll mit Äpfeln, die unerbittlich reiften, und mussten drin-gend verkaufen. Die Händler diktierten die Preise. So kam es, dass sich die Bauern zu Genossenschaften zusammenschlos-sen, und 1989 schließlich zum Konsortium Melinda, in dem nun 4.000 Obsterzeuger zusammenarbeiten. Einer von ihnen ist Brunella Odorizzi aus Sanzenone, einem kleinen Dorf ober-halb des Stausees Santa Giustina. Odorizzi war mit ihrem Mann nach Mailand gezogen. Sie arbeitete in verschiedenen Muse-en, ihr Mann war PR-Berater. Im Jahr 2000 kamen sie zurück. „Meinem Vater ging es nicht gut, er hätte sonst verkaufen müs-sen.“ Mittlerweile führt sie die 1,5 Hektar große Anlage in vier-

GUT GERÜSTET Melinda verwendet verschiedene Geräte von Dräger – manche täglich, andere bei Notfällen. Aktuell sind folgende Produkte im Einsatz: 1. Sauerstoff selbstretter (Typ: Oxy 6000), 2. Gasmessgerät (Pac 5500), 3. Atemschutzgerät (PSS 3000), 4. Druckluftfl uchtgeräte (Saver CF), 5. Atemschutzvollmaske (X-plore 6300)

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2. 3.

FRUCHT DER ERKENNTNISMario Springhettis Lieblingsapfel ist der Boskop. Springhettikann aus verschiedenen Sorten wählen; derhistorische Obstgartenvon Cles, den er fürdie Gemeinde betreut, bietet mehrere Dutzend Varianten

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ALLES IM KASTEN?Valentino Dalpiaz ist bei Melinda für

die Lagerhaltung zuständig. Hier überzeugt er sich in den kühlen

Höhlen bei Cles von der ordnungs-gemäßen Lagerung der Apfelernte

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LANDWIRTSCHAFTOBSTANBAU

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Balance aus Zucker und Säure.“ Gervasi hingegen zieht den Fuji vor, Marini den saftigen Gala. Nördlich der Alpen sind mittler-weile rote Äpfel beliebter. So wird nun verstärkt Evelina ange-pflanzt, oder der pflaumenfarbene Jeromine. Wie ist das über-haupt mit den Apfelsorten, welche sind alt und wie entstehen neue? Um das zu erfahren, fährt man am besten ins benachbar-te Dorf Cles. Hier betreut Mario Springhetti den historischen Obstgarten im Nonstal. Springhetti stammt aus einer Familie von Apfelbauern, arbeitet in der Gemeinde als Assessor für Land-wirtschaft und hat am MACH studiert. Einen neuen Apfel zu kreieren sei keine Kunst, sagt er. „Man bestäubt die Blüte eines Baumes mit den Pollen eines anderen – fertig.“ Was dann dabei herauskomme, wisse man allerdings nicht. Das Erbgut des Gol-den wurde 2010 von Forschern des MACH komplett entschlüs-selt. Das Genom ist demnach etwa 742 Millionen Basenpaare lang. Zum Vergleich: Die DNA des Menschen hat etwa drei Mil-liarden genetische Bausteine.

ALLE 20 JAHRE NEUE BÄUMEDie Bäume im historischen Obstgarten gibt es seit 2008 – damals hatte die Gemeinde beschlossen, einen Garten mit 55 Apfel- und zehn Birnensorten anzulegen. Professionelle Obstbauern pflan-zen alle 20 Jahre neue Bäume. Auf Brunella Odorizzis Grund-stück steht noch eine fast 100 Jahre alte Kanadarenette – große Krone, lange Zweige. Für den profitablen Anbau allerdings völ-lig ungeeignet. In den Obstgärten stehen lange Reihen kleiner Bäume, im Abstand von 80 Zentimetern und im Reihenabstand von gut drei Metern – sie tragen schon ab dem zweiten Jahr und hängen im September so voll, dass man vor lauter Äpfeln kaum die Bäume sieht. Springhetti zückt ein Messer und schneidet einige Äpfel auf. Was für ein Geschmack! Ja, und gesund sollen sie auch sein gemäß dem Lucius Annaeus Seneca zugeschriebe-nen Spruch „Ein Apfel täglich – und keine Krankheit quält dich“.

ter Generation. „Eine durchschnittliche Größe“, wie sie sagt. Das Konsortium schreibe nicht vor, welche Sorten angebaut wer-den müssen, aber man könne sich beraten lassen. So gedeihe hier weder der Granny Smith gut noch der Pink Lady. Auf Odo-rizzis Grundstück kommen manchmal alte Weinstöcke zum Vor-schein. „Früher hat man für den Eigenbedarf allerlei angebaut.“ Im 18. Jahrhundert sogar Maulbeerbäume für die Seidenraupen-zucht. Odorizzi zeigt auf den trutzigen Palazzo, den Familien-stammsitz am Ortsrand von Sanzenone. „Im oberen Stockwerk gibt es keine Fenster, sondern Lüftungsschächte. Da trockneten die Kokons der Seidenraupen.“ Zwischen den Weltkriegen verla-gerte sich der Schwerpunkt auf den Apfelanbau, auch Odorizzis Großvater pflanzte überall La Golden, den süßen gelben Apfel aus der Region. In Italien ist er mit Abstand der beliebteste, und jeder zweite Apfel in den Supermärkten stammt von Melinda. Dalpiaz, Gervasi und Marini sind mittlerweile in ihr Büro zurückgekehrt. Welcher Apfel schmeckt ihnen am besten? „Für mich immer noch La Golden“, sagt Dalpiaz. „Mit der richtigen

„EIN APFEL TÄGLICH – UND KEINE KRANKHEIT QUÄLT DICH“

KEINE PINK LADY

Denn dieser Apfel gedeiht nicht gut in der Höhe, das hat Brunella Odorizzi

schnell festgestellt

FONDAZIONE MACH 1874 wurde in San Michele all’Adige ein Agrarinstitut samt Experimentierstation gegründet. Damit wollte man die Tiroler Landwirtschaft ankurbeln. Es wurde geforscht, experimentiert sowie die Aus- und Weiterbildung vo ran-getrieben. Heute geht es auch um die Themen Unter-nehmensberatung und Umweltschutz. Seit 2008 heißt das Institut Fondazione Edmund Mach, benannt nach dem österrei chischen Agrikulturchemiker und Önologen Edmund Mach (* 1846; † 1901; Bild oben). Er lehrte ebenfalls an diesem Institut und baute es zu einer Versuchs- und Forschungsanstalt aus. 

MACH’ ÄPFEL!Doch nicht nur um die, sondern auch um den Weinbau, Umweltschutz und um das Genos sen-schaftswesen geht es am MACH, der landwirt-schaftlichen Lehranstalt im Trentino

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Die in Äpfeln enthaltenen Polyphenole stärken die Abwehrkräfte. Alte Sorten enthalten deutlich mehr davon, aber für den Markt sei es schwierig. „Die alten Sorten schmecken nur frisch vom Baum so gut, meist lassen sie sich schlecht lagern.“ Was sagt er als Agrarexperte dazu, dass alle Hänge im Nonstal voll mit Äpfeln hängen? „Monokulturen sind zwar problematisch, aber in der Champagne werden auch seit 300 Jahren Trauben für Cuvées angebaut – und meines Wissens funktioniert das recht gut“, sagt Springhetti und grinst. Weil der Markt es verlangt, werden auch im Trentino spezifisch rote Äpfel und Bio-Äpfel angebaut und geerntet. Heute produziert Melinda rund 2.000 Tonnen Bio-Äpfel jährlich, bald sollen es 10.000 sein. Dabei steht man vor einigen Herausforderungen, denn traditionell herrscht hier die

Realteilung. Besitztümer werden unter den Erben aufgeteilt; so wurden manche Grundstücke immer kleiner, doch ein kleiner Obstgarten inmitten lauter konventioneller funktioniert nicht. So haben sich einige Bauern zusammengeschlossen, um auf 30 Hektar Bio-Anbau zu betreiben.

Zur Erntezeit im September sind auf den Straßen ziemlich viele Traktoren unterwegs. Dann fahren auch wieder die Melin-da-Lkw in den unterirdischen Höhlen, wenn die Mitglieder des Konsortiums ihre Ernten abliefern. In der Melinda-Welt, dem Verkaufsraum am Firmensitz, warten die Kunden bereits auf die neue Ware. „Nein, tut mir leid, der Fuji ist noch nicht reif, wir haben zurzeit Gala und Golden“, sagt die Verkäuferin. Gut Ding will Weile haben.

BETÖRENDDer Geruch reifender Äpfel

ist nicht der Grund für den Atemschutz: Matteo

Gervasi, bei Melinda zuständig für den Arbeitsschutz in den

Kavernen, trägt die Ausrüstung dieses Mal nur fürs Foto. Um für Notfälle gerüstet zu sein,

stehen ihm verschiedene Geräte zur Verfügung (siehe

auch S. 22)

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LEINEN LOS!Jederzeit könnte U 31hier vom Kai in Eckern-förde ablegen, und auf Unterwasserfahrt sogar den Atlantik überqueren – weit-gehend unbemerkt

LAUTLOSE JÄGERSelbst die empfindlichen Ohren eines Sonars können sie nicht

hören: Die seit 1998 in Kiel gebaute U-Boot-Klasse 212 A bewegt sichunerkannt unter Wasser. Dort betreibt sie Aufklärung, verschafft

sich ein Lagebild oder setzt Kampfschwimmer im Küstenvorfeld ab.

TEXT NILS SCHIFFHAUER   FOTOS PATRICK OHLIGSCHLÄGER

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MILITÄRU-BOOTE

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W o nur sind die Deutschen?“ Das fragten sich die Teil-nehmer eines Seemanövers in der Karibik, an der auch U 31 teil-nahm: Stolz der Deutschen Marine und eines der modernsten nichtnuklearen Unterseeboote der Welt. „Dabei waren wir nur 300 Meter von ihnen entfernt“, erinnert sich Fregattenkapitän Timo Cordes in der Offiziersmesse seines vor Eckernförde ver-täuten U-Bootes. „Eine Entfernung, die einer Beinahe-Kollisionentspricht!“ Dieses Fahren wie unter einer Tarnkappe ist nur eine der Eigenschaften, mit denen die U-Boot-Klasse 212 A he raussticht und sich über die Jahre zum Exportschlager entwickelt hat. Wobei Technik und Besatzung zusammenspielen müssen. „So sind wir die Einzigen“, erläutert der Kommandeur, „die auf Seerohrtiefe die gerade mal 17 Meter flache und steile Kadetrinne in der Ost-see nördlich von Rostock sicher passieren können.“

Oberbootsmann Hans-Jürgen Zörner, verantwortlich für die umfangreiche Maschinenanlage an U 31, nickt – und erinnert sich daran, dass es auf See nicht immer nur ruhig, sondern auch mal recht ruppig zugeht. „Im Oktober 2013 fuhren wir anläss-lich einer Übung von Eckernförde nach Plymouth, als uns ein Orkan erwischte.“ Bei Windstärke zwölf stampfte das 56 Meter lange und sieben Meter breite Boot auf Überwasserfahrt gegen acht Meter hohe Wellen an. Die auf Dauer maximal zulässige Schräglage („Krängung“) von 45 Grad wurde dabei sogar leicht überschritten – dann besteht die Gefahr, dass der Diesel aussetzt,

der bei Überwasserfahrten die Batterien lädt. Es riss sogar die Tür zur Kühlkammer heraus, obwohl „die aussieht wie die Tre-sortür einer Bank“, so der damalige Kommandant Lars Gössing. „So etwas hatte ich noch nie erlebt, das war sportlich.“ Eben-so sportlich wie die 18 Tage währende Unterwasser-Rekordfahrt von den Azoren nach Jacksonville, Florida.

SO KLEIN WIE EINE COLA-DOSEDas Leben der knapp 30 Personen zählenden Mannschaft ist hart, jeder von ihnen ein Experte auf seinem Gebiet: vom Sonar bis zum Maschinenbau. Darüber hinaus ist eine ausgepräg-te Kameradschaft notwendig. „Toleranz ist eine der obersten Tugenden“, sagt Fregattenkapitän Timo Cordes. „U-Boot-Fah-ren ist bedingungslose Teamarbeit. Die Besatzung merkt schnell, wer trotz formaler Qualifikation nicht zu ihr passt, und sagt es dann auch!“ Zum U-Boot-Fahren kann man nicht einfach ein-gesetzt werden. Man muss es wollen und akzeptiert sein. „Das ist seit der 8. Klasse mein Traum“, begründet Oberbootsmann Zörner seine Wahl, die ihn oft lange wegführt von seiner Fami-lie, die im Harz auf seinen nächsten Landgang wartet. Auf See ist er praktisch abgeschnitten von jeglicher privaten Kommuni-kation, vor allem dem Internet.

„Als U-Boot-Fahrer ist man dann wie aus der Welt.“ Und wird vereinnahmt von einer Welt, die geprägt ist von jeweils sechs Stun-den langen Wachen. Dass die Besatzung diese Entbehrungen auf sich nimmt, ist die eine Sache. Aber warum unterhält ein Land U-Boote, von denen jedes über 400 Millionen Euro kostet,

KOMMANDEUR Timo Cordes im Maschinenraum von U 31. Er steht einem Geschwader vor, auf das er sich verlassen kann – und umgekehrt

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MILITÄRU-BOOTE

Entwicklungskosten von 150 Millionen Euro sowie Betriebskos-ten noch nicht einmal mitgerechnet? Und warum hat Deutsch-land keine atomgetriebenen U-Boote? „Das liegt an der Rolle, die modernen U-Booten in unseren vorrangigen Operationsräumen in Nord- und Ostsee zugewiesen ist“, erläutert der Kommandeur. Obwohl mit sechs Torpedorohren bestückt, liegt ihre Hauptauf-gabe darin, unerkannt ein zuverlässiges Bild der Lage auf der Wasseroberfläche zu gewinnen und dieses als Teil der Gesamtla-ge zeitnah zur Verfügung zu stellen. Dabei bildet das Passiv sonar die Augen und Ohren des U-Bootes. Wasser leitet Schall sehr gut, sodass sich alle bei der Schifffahrt unvermeidlichen Geräusche, vor allem der Propeller, über weite Strecken hören lassen. „Tie-fe Frequenzen im Infraschallbereich, also unter 20 Hertz, sind besonders weittragend“, ergänzt Timo Cordes, „sodass wir mit einem modernen Sonar schon hören können, wenn irgendwo draußen auch nur ein Ventil betätigt wird.“ Zusammengefasst ergibt das die „Signatur“ eines Schiffes. Genauer: sein akustisches Bild. Das ist so individuell, dass es nicht nur einzelnen Schiffs-typen, sondern jedem Schiff selbst zugeordnet werden kann.

Kartografieren lässt sich der Überwasserverkehr, indem das U-Boot seinen Standort gezielt verändert und so Peilungen vor-nimmt, die – nach dem Prinzip der Triangulation – Standort, Kurs und Geschwindigkeit ergeben. Das Lagebild wird dann über die an einer Schleppleine aufgelassenen Funkboje Callisto wei-tergereicht, meist über Satellit. Beiderseitiger Funkverkehr unter Wasser ist nicht möglich. Jedoch können selbst tauchende U-Boo-te durch Längstwellen erreicht werden, wie sie beispielsweise die Deutsche Marine über acht (rund 353 Meter hohe) Antennenmas-ten ausstrahlt. Es liegt auf der Hand, dass das Boot selbst nur eine möglichst minimale Signatur haben darf – akustisch, aber auch elektromagnetisch und thermisch. Genau darauf sind die Schiffe der deutschen U-Boot-Klasse 212 A getrimmt, von denen die Deut-sche Marine derzeit sechs Stück unterhält. Man sagt ihnen nach, dass sie gerade mal die Signatur in Größe einer Cola-Dose haben, was sich ihrer Konstruktion verdankt. „Ein nuklear betriebenes

U-Boot hingegen“, erläutert Timo Cordes, „hat nicht nur ganz andere strategische, operative und taktische Aufgaben, sondern hinterlässt mit seinem Reaktor und der notwendigen Dampftur-bine eine unüberhörbare akustische und thermische Signatur.“

ÄHNLICH WIE EIN TARNKAPPENBOMBER Gebaut wird die Klasse 212 A bei thyssenkrupp Marine Systems in Kiel, die – nach der Verschmelzung mit der Howaldtswerke-Deutsche Werft sowie der Blohm + Voss Naval und der Akquisiti-on von Atlas Elektronik – auf eine insgesamt mehr als 180-jähri-ge Geschichte zurückblickt. Auch U 1, das erste deutsche U-Boot, wurde 1906 von einem Vorgänger dieses Unternehmens produ-ziert. In Kiel entstehen heute etwa drei U-Boote in zwei Jahren: „Eineinhalb pro Jahr klingt ja auch irgendwie komisch“, sagt Pro-duktionsleiter Frank Mallon, als er auf der Werft die Modultech-nik zeigt. „Im U-Boot geht es sehr eng zu. Deshalb fertigen wir die Module meist komplett mit allen Kabeln und Verrohrungen, bevor wir sie in den Druckkörper einsetzen.“ Das muss man sich wie bei einem Buddelschiff vorstellen, eines das am Ende allerdings rund 1.500 Tonnen wiegt. Deutsche Spitzentechnik ist begehrt, von der Bestellung bis zur Lieferung dauerte es etwa fünf Jahre. Fast alles in diesen Hallen ist geheim: vom Sonar und den Rohren für die glasfaser-gelenkten Schwergewichtstorpedos (mit ihren 533 Millimetern Durchmesser) am Bug, bis hin zum Propeller am Heck, dessen Anzahl der Blätter und deren Form hauptsäch-lich die akustische Signatur des U-Bootes bilden. Die hier entwi-ckelten und gebauten Propeller vermeiden fast völlig die Kavitati-on, kleine und laut platzende Dampfbläschen. Und auch die Seiten mit ihrem Flank-Array-Sonar, das hohe Empfindlichkeit selbst bei tiefen Frequenzen bis zu 10 Hertz und eine gute Auflösung umge-bender Geräusche bietet: geheim. Auf „daumendick“ einigen wir uns bei der Stärke des Druckkörpers – der Außenhülle aus amag-netischem Stahl, die dadurch elektromagnetisch kaum zu ortenist. Wie viel Druck hält die aus? Ein Lächeln als offizielle Antwort muss reichen, denn sonst ließe sich auf die maximale Tauchtiefe

DAS SONAR BIETET AKUSTISCHE BILDER DES GESAMTEN SCHIFFSVERKEHRS

TRAUM ERFÜLLTSchon seit der 8. Klassewollte Hans-JürgenZörner U-Boot fahren.Heute ist er Ober-bootsmann auf U 31

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FORT MUSS DIE REISE GEH’NAlles ist funktionell an einem U-Boot. Seine Form folgt der Logik von Aquadynamik und Unauff älligkeit – vor allem akustisch

ENG IST ES HIER, VERDAMMT ENGJeder Platz im U-Boot wird genutzt: mehr von der Technik als von den

Menschen, die auf engstem Raum wochenlang zusammenleben. Für Sicherheit sorgen auch die Not-Atemluftsysteme von Dräger in ihren orange -

farbenen Beuteln, mit denen sogar ein Unterwasserausstieg möglich ist

EIN- UND AUSGANGWas Landratten eine Treppe oderLeiter ist, nennen Seeleute einenNiedergang – auch wenn der ebensonach oben wie nach unten führt.Nichts für Menschen mit Platzangst!

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EIN PULVER SPEICHERT DEN WASSERSTOFF FÜR DIE BRENNSTOFFZELLEN

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MILITÄRU-BOOTE

schließen, die bei mindestens 250 Metern liegt. Somit lastet ein immenser Druck auf der Außenhaut, deren Glasfaserverkleidung die Impulse eines feindlichen Aktivsonars in alle Richtungen streut. Eine Technik ähnlich wie bei einem Tarnkappenbomber. Herz-stück ist der Antrieb. Der muss stark, ausdauernd und absolut leise sein. Alle schallerzeugenden Maschinen sind in einer schallschlu-ckenden Kammer gekapselt, die innerhalb des Bootes mit Gummi und Federn akustisch isoliert aufgehängt ist. Angenehmer Neben-effekt: Im fertigen U-Boot ist es ebenfalls sehr leise. Den Hauptan-trieb leistet ein Permasyn-Elektromotor mit Permanentmagneten von etwa 1.700 Kilowatt Leistung, der das Boot bei Tauchfahrten auf rund 20 Knoten (etwa 37 km/h) beschleunigt. Seine Energie bezieht er aus einer Akkuanlage, die der Dieselgenerator mit sei-

nen gut 1.000 Kilowatt auflädt. Noch längere Tauchfahrten ermög-lichen die zur Stromerzeugung nicht auf Außenluft angewiesenen Brennstoffzellen. Ihr Prinzip ist die umgekehrte Elektrolyse: Wer-den ihrer Polymer-Elektrolyt-Membran sowohl Wasserstoff als auch Sauerstoff zugeführt, entstehen Strom und Wasser.

DIE BRENNSTOFFZELLEN SIND DER CLOUWährend der Flüssigsauerstoff konventionell in Tanks direkt unter Deck gespeichert wird, befindet sich der Wasserstoff unten im Schiff. „Wir sammeln ihn in Speichern, die mit einem Metall-hydrid gefüllt sind“, sagt Elektroingenieur Jan Schade, der die hierfür zuständige Abteilung bei thyssenkrupp Marine Systems leitet. Das Metallhydrid wird in Scheiben angeliefert, die an einen mäßig gelungenen Schoko-Biskuitboden erinnern. Die Scheiben werden sorgfältig in flachen Dosen von etwa 50 Zen-timeter Durchmesser aus Edelstahl verbaut, die sich wiederum zu meterhohen Stacks zusammensetzen lassen. Durch ihre Mit-te führt ein halbdurchlässiges Sinterrohr, das Wasserstoff zum Betanken und für die Entnahme durchlässt, das spätere Metall-hydrid-Pulver jedoch nicht. Letzteres entsteht durch einen „Erst-zyklisierung“ genannten Prozess, der etwa vier Wochen dauert. Keine Speicherform für Wasserstoff ist effizienter. Effizient ist auch der Wirkungsgrad der damit betriebenen Brennstoffzellen von 90 Prozent – gegenüber maximal gut 50 Prozent bei Schiffs-dieseln. Doch die Entwicklung geht weiter. „Hier steht unser Methanol-Reformer“, zeigt Betriebsleiter Jan Schade auf einen Wandler, der aus flüssigem Alkohol Wasserstoff für die Brenn-stoffzelle erzeugt. „Methanol lässt sich leichter verarbeiten und macht das Tanken so effizienter“, sagt Schade. „Wer den Metha-nol-Reformer heute bestellt, bekommt ihn zeitnah geliefert.“

Werden autonome U-Boote, Sensorbojen und Satellitenbeob-achtung die Mannschaft irgendwann überflüssig machen? „Das glaube ich nicht“, ist sich Fregattenkapitän Timo Cordes sicher, „denn nur mit einem von Menschen gesteuerten U-Boot sind wir flexibel genug – schließlich haben wir noch andere Aufgaben.“

DRÄGER UND U-BOOTE Seit Erfi ndung des U-Boot-Retters im Jahre 1907,

ein Jahr nach Bau des ersten deutschen U-Bootes, ist Dräger für die Sicherheit der Besatzung

mitverantwortlich – aber auch für den Gasschutz auf den Werften. Auf dem Boot schützen an

die Atemluftanlage ansteckbare Not-Atemluftsysteme (Dräger-Vollmaske Panorama Nova mit eingebauter Sprechmembran in Ver bindung mit dem Lungenautomat U; oder -Halbmaske mit Lungenautomat U). Sie liefern selbst in einem gefl uteten U-Boot Atemluft und ermöglichen so auch einen Ausstieg unter Wasser. Auf der U-Boot-Werft von thyssenkrupp Marine Systems in Kiel ist unter anderem die Brennstoff zellen-Fertigung mit einer stationären Dräger-Gaswarnanlage ausgerüstet, die beim Auftreten voreingestellter Grenzwerte bestimmter Gase automatisch die Produktion stoppt und Gasventile schließt. Hinzu kommen tragbare Gasmessgeräte von Dräger.

FRANK MALLON ist Produktionsleiter bei thyssenkrupp Marine Systems in Kiel, wo schon 1906 das erste deutsche U-Boot gebaut wurde

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DREI U-BOOTE werden in Kiel innerhalb von zwei Jahren gebaut. Hier erkennt man schon die spätere Form mit dem markanten Turm

MODULARE FERTIGUNG AUCH BEI DER VERKABELUNGEin U-Boot wird aus fertig bestückten, verrohrten und verkabelten Modulen zusammengeschweißt. Nur so lässt sich die hohe Packungsdichte erreichen

NUR DIE FORM DES DRUCKKÖRPERSlässt erahnen, dass auch dieses Modul später Teil

eines U-Bootes werden wird. Von der Bestellung bis zur Auslieferung einschließlich

Testfahrten dauert es rund fünf Jahre

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FÜRCHTET EUCH NICHT!

Anästhesisten begleiten Patienten während der Operation und aus dem künstlichen Schlaf zurück

ins gewohnte Leben. Der Münchner Chefarzt Professor Bernhard Zwißler sagt, worauf es dabei ankommt –

und was sein Fach in der Medizin so besonders macht.

TEXT SILKE UMBACH  

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MEDIZINNARKOSE

Orientierung geben! Darauf kommt es an, wenn der künstliche Schlaf verebbt. Orientiert zu sein ist entschei-dend. Es nimmt die Furcht, die viele mit der fremden Welt eines absichtlich ausge-schalteten Bewusstseins verbinden. Prof. Bernhard Zwißler kann umfassend Ori-entierung geben. Nicht nur seinen Pati-enten, auch Interessierten. Sein Fach

besitzt eine Faszination, die der Direktor der Klinik für Anästhesiologie der Münch-ner Ludwig-Maximilians-Universität sicht-lich teilt – und das, seit ihn vor vielen Jah-ren eine Zufallsbegegnung darauf brachte.

Zwißler traf Prof. Klaus Peter, den damaligen Chef der Klinik, die heute seine ist. „Als Narkosearzt“, habe Peter ihm damals gesagt, „lernt man Dinge, die man immer und überall gebrauchen kann.“ Anders ausgedrückt: Anästhesis-ten sind innerhalb der ärztlichen Zunft

überragend orientierungsfähig. Profes-sor Zwißler sagt es so: „Wir sind in allen operativen Fächern unterwegs und wis-sen daher, was in der Medizin angesagt ist: Wo ist das Neueste, was wird dort gemacht? Das gibt uns Überblick. Und in die konservative Medizin, die nichtopera-tiven Gebiete, haben wir ebenso Einblick. Denn wir haben es oft mit Patienten zu tun, die eben nicht nur ein operatives Pro-blem haben, sondern chronisch erkrankt sind: an Diabetes, Herz- und Kreislauf-

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Erkrankungen oder anderen Leiden unserer Zeit.“ Da müssten sich Anästhe-sisten auch auskennen, im Rahmen von Voruntersuchungen und bei der Risiko- Evaluation. „Ich vertrete die These, dass der Anästhesist der am breitesten ausge-bildete Arzt schlechthin ist.“

OHNE SIE GEHT NICHTS Narkoseärzte wissen allerdings, dass öffentliche Bewunderung für das Spek-takuläre der modernen Medizin meist

anderen zuteil wird, denn sie führen kein Skalpell und nur selten das große Wort. Doch ohne das Fundament, das ihr Fach über Jahrzehnte für die Bühne der opera-tiven Fächer gelegt hat, würde es kaum eines dieser Wunder der modernen Chi-rurgie geben. Erst das Trio aus gewoll-ter Bewusstlosigkeit, präzise eingestellter Schmerzlinderung und medikamentöser Muskelentspannung ermöglicht es, kom-plexe Eingriffe durchzuführen. Ohne sie geht dort nichts. Auch nicht im Notfall,

wenn Anästhesisten den Kreislauf stabili-sieren, die Atmung sicherstellen und das Leben erhalten, damit ihre Kolleginnen und Kollegen die Ursache des bedrohli-chen Zwischenfalls behandeln können.

Neben alledem sind Anästhesiepfle-gekräfte, ebenso wie Ärztinnen und Ärz-te dieses Fachs, tägliche Praktiker der Seelen-Sorge. Denn was sie tun, flößt manchen Patienten Unbehagen ein. „Es gibt immer wieder Patienten, die mehr Angst vor der Narkose haben als vor der

KOPFKINODie Angst des Patienten

vor der Narkose sowie ihren Neben- und Nach-

wirkungen fi ndet vor allem im Kopf statt

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bung.“ Die periphere Blockade schmerz-leitender Nervenfasern, die zum Gehirn aufsteigen, beeinträchtigt das Bewusstsein nicht. „Im Allgemeinen sind solche Pati-enten auch überzeugt davon, dass dieses Verfahren schonender sei als eine Vollnar-kose. Oft ist das auch so, aber keineswegs immer.“ Auch hier geben Narkoseärz-te Orientierung, vor allem durch Aufklä-rung. Denn jede Narkose wird individuell vorbereitet und angepasst – hinsichtlich der Wahl des Verfahrens, geeigneter Medi-kamente sowie möglicher Risikofaktoren.

EINE FRAGE DES RISIKOSDie Wahl der Narkosestrategie fällt auf-grund der Prämedikationsvisite. Eine vollständige Krankengeschichte wird erhoben, der Patient untersucht, sein Medikamentenplan ebenso geprüft wie Laborbefunde, Arztbriefe und vieles mehr. Es ist ein Geben und Nehmen. Von nun an soll sich der Patient in guten Händen wis-sen, bis in den Aufwachraum. „Wenn er eine Vollnarkose vermeiden möchte und die Art des Eingriffs es erlaubt, erläutern wir die Möglichkeiten und Grenzen der Regionalanästhesie“, sagt Zwißler. „Dank ausgefeilter Techniken ist heute vieles möglich. Das gilt praktisch für alle Ope-rationen an Armen und Beinen und auch für viele Eingriffe am Unterleib.“ Wie in allen Bereichen der modernen Anästhe-sie glückte auch auf diesem Feld der Fort-schritt durch enges Zusammenwirken von Medizin und Medizintechnik.

„Früher haben wir nach dem Anato-miebuch gelernt: Hier müsste der Nerv sein! Also stachen wir dort ein, wo wir ihn vermuteten, stimulierten elektrisch und prüften, ob es zuckt. Heute erfolgt die Regionalanästhesie praktisch ausschließ-lich unter Ultraschallkontrolle. Wir sehen den Nerv, können gezielt unsere Punk-tionsnadel steuern und auf diese Weise die örtlichen Betäubungsmittel genau an der richtigen Stelle verabreichen. Durch die Nervenblockade verschwindet das Schmerzempfinden im Operationsfeld, je nach Bedarf für Stunden oder auch Tage, zum Beispiel zur Behandlung der Schmer-zen auch nach der Operation, wozu ein fei-

„FRÖHLICH WIEDER AUFGEWACHT“

Facharzt Dr. med. Andreas Nugent arbeitet in der Hamburger Frauenklinik an der Elbe und ist auf Operationen gynäkologischerErkrankungen spezialisiert.

Dr. Nugent, wie erlebt man selbst eine Narkose, wenn man sie sonst täglich als operierender Arzt durchführt?Man kommt ja nicht als Arzt auf die Welt. Meine erste Vollnarkose hatte ich mit 14 und wirklich Angst davor. Es war eine unbewusste, nicht wirklich erklärliche Angst vor dem Unbekannten. Ich erinnere mich aber auch, dass ich das Aufwachen als sehr angenehm empfunden habe. Ich merkte, dass ich langsam wieder zu mir kam. Ich lag im Bett, umgeben von freundlichen Stimmen; alles war angenehm und gar nicht mehr bedrohlich.

Das schaff t gewiss Verständnis für Ihre Patientinnen?Absolut. Als Mediziner werden wir oft mit paradoxen Ideen konfrontiert, mit denen wir umgehen müssen. Patienten fürchten sich oft mehr vor der Narkose als vor dem eigentlichen Eingriff  – wir Ärzte wissen aber, dass die Operation um ein Vielfaches riskanter ist.

Wie ist das Verhältnis des Operateurs zum Anästhesisten?Bekanntlich macht man sich gern auf ihre Kosten lustig: Ihre typischen Gesten seien die Hände in den Taschen oder die Kaff eetasse in der Hand. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass das nett gemeinter Spott ist. Die Fortschritte in der Anästhesie haben unsere operativen Möglichkeiten überhaupt erst geschaff en. Wichtig ist auch, dass diese Fachrichtung sich ganz besonders auf das permanente Wohlergehen des Patienten konzentriert – durch die Überwachung und Steuerung der Narkose und dank ihrer oft großen notfallmedizinischen Routine. Bei meinen letzten Narkosen, die ich wegen meines Knies hatte, bin ich fröhlich eingeschlafen und ebenso wieder aufgewacht, weil ich großes Vertrauen hatte.

eigentlichen Operation“, sagt Professor Zwißler. Kühl mathematisch betrachtet ist das kaum angemessen, denn der Ein-griff und die sich hieraus möglicherwei-se ergebenden Komplikationen, etwa eine Infektion, sind um ein Vielfaches riskan-ter als die Wirkung des Narkosemittels. Und doch: „Patienten sagen mir: ‚Mein Pro blem ist der Kontrollverlust. Ich war

mein ganzes Leben lang selbstbestimmt, und nun soll ich die Kontrolle komplett abgeben!‘“ Dem heutigen Zeitgeist, selbst-bestimmt zu leben und unabhängig zu ent-scheiden, kommt eine Vollnarkose daher eher nicht entgegen. Doch die Medizin hält Optionen bereit. „Wer so empfindet, fragt uns oft nach einer Regionalanästhe-sie, nach einer örtlich begrenzten Betäu-

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JEDERZEIT INFORMIERT, BEI VOLLER KONTROLLE: DIE TECHNIK IST TEIL DES TEAMS GEWORDEN

ner Katheter in die Nähe des Nervs gelegt wird.“ Allerdings rate man auch entschie-den zur Vollnarkose, falls dies die bessere Entscheidung sei.

Ist eine solche Allgemeinanästhesie der beste Weg, rät Zwißler seinen Patien-ten zur Offenheit im Gespräch: „Nehmen wir an, ein 150-Kilo-Mann, 40 Jahre alt, mit einer längerfristigen Alkoholanam-nese, muss operiert werden.“ Dieser soll-te seine Abhängigkeit nicht verschweigen, „denn er wird deutlich mehr Narkotika brauchen, um das Nichtreagieren auf den Operationsreiz herzustellen, als eine 80-jährige – 50 Kilo schwere – Dame, die ihr ganzes Leben lang keinen Tropfen getrunken hat.“ Gerade ältere Menschen können nach Operationen kognitive Ein-schränkungen aufweisen. Ein Thema, das auf der Agenda der Anästhesiologie und Intensivmedizin ganz weit oben steht.

Intensive Forschungen der letzten Jahre haben hier viele Erkenntnisse erbracht. Professor Zwißler sagt: „Mit zunehmendem Alter und Invasivität des Eingriffs steigt das Risiko, nach der Ope-ration unter (meist vorübergehenden) Wahrnehmungs- oder Konzentrationsstö-rungen zu leiden. Es können auch Aus-prägungen auftreten, die bis zum mani-festen Delir gehen, bei dem man tagelang nicht zurechnungsfähig ist und es auch schwierig ist, mit dem Patienten zu spre-

chen.“ Im Einzelfall sicher vorhersagen lassen sich solche Störungen allerdings nicht. Wie auch bei anderen Erkrankun-gen muss der Anästhesist eine Abschät-zung des Gesamtrisikos vornehmen. Ist dieses Risiko hoch, raten Anästhesis-ten mitunter zur Mäßigung. „Es kommt immer mal wieder vor, dass wir dem Chi-rurgen sagen: ‚Pass bitte auf, dieser Fall könnte unerwartet kompliziert werden; ist die Operation wirklich notwendig und wurden alle Aspekte gut abgewogen mit dem Patienten?‘“

DIE KOMPLEXITÄT WÄCHSTEntscheidend sei die Lebensqualität nach dem Eingriff. Bevor Operateure in Aktion treten, ist die Infusion gelegt, der Patient medikamentös beruhigt, sind alle techni-schen Voraussetzungen für die kontinuier-liche Überwachung der Vitalfunktionen – wie EKG und Blutdruck – geschaffen, steht das Anästhesiegerät bereit. Der Auf-wand für Mensch und Maschine wächst mit der Komplexität der chirurgischen Prozedur. „Oft werden beim bereits schla-fenden Patienten noch weitere technische Maßnahmen getroffen“, erklärt Profes-sor Zwißler, „etwa zusätzliche Katheter gelegt oder weiteres Monitoring einge-richtet. Bei einer großen herzchirurgi-schen Operation werden Ultraschallge-räte platziert, damit wir die Herzfunktion

überprüfen können. Zum Teil fügen wir – quasi als Frühwarnsystem – auch Mess-sonden hinzu, die den Sauerstoffgehalt im Gehirn messen und einen kritischen Abfall rasch anzeigen können.“

An seinem teilautomatisierten Arbeits-platz bietet sich dem Anästhesisten dann ein Blick wie in dem Cockpit eines Flug-zeugs; doch wie ein Pilot behält er die Kontrolle und Entscheidungsgewalt über seine ausgefeilten Geräte. Dräger bietet beispielsweise mit SmartPilot View eine Software an, die Anästhesisten durch die Visualisierung komplexer Anästhesiemit-teleffekte bei der Steuerung der Narkose-tiefe unterstützt; sie visualisiert sowohl das aktuell berechnete Anästhesieniveau als auch den prognostizierten Verlauf.

Als akademischer Lehrer und Vertre-ter seines Fachs, er war bis Ende 2018 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und ist weiterhin ihr Vizepräsident, vermit-telt Prof. Bernhard Zwißler der nächsten Generation die entscheidende Fähigkeit des Urteilsvermögens: „Training ist das A und O – das Einüben der Interpretation aller Parameter eines Narkoseverlaufs, das Ziehen der zu treffenden Schlüsse.“ Das Training sieht er als lebenslange Aufgabe. Zwißler selbst steht auch als Chefarzt so oft wie möglich im OP. Es gilt schließlich, die Orientierung zu behalten.

ÜBERBLICK Anästhesisten sind dank übersichtlicher Darstellungen der Narkose- und Vitalpara-meter stets im Bilde

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FeuerwehrAusland

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FEUERWEHRUMWELTSCHUTZ

SPURENSUCHE IM ASCHEHAUFEN

Nach dem Löschen geht es weiter, auch in den USA: Sobald ein Großfeuer wie das verheerende Camp Fire in Nordkalifornien gelöscht ist,

rücken die Gefahrgut-Experten der amerikanischen Umweltbehörde an.

TEXT STEFFAN HEUER   FOTOS PATRICK STRATTNER

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Für Jeremy Johnstone von der ame-rikanischen Umweltbehörde EPA hat der Tagesablauf einige Wochen nach dem ver-heerendsten Waldbrand in der kaliforni-schen Geschichte eine traurige Routine. Sein zehnköpfiges Team bewegt sich an diesem nasskalten Dezembertag in einem eingespielten Rhythmus durch die Über-reste von Old Magalia, einem Nachbarort von Paradise, der im November 2018 von Flammen verschlungen wurde. Die Feu-

ersbrunst zerstörte rund 19.000 Gebäude, knapp 90 Menschen starben.

Grundstück für Grundstück haken die Experten in weißen Schutzanzügen immer dieselben Punkte auf ihrer Check-liste ab: Gefahrenquellen suchen, Sonder-müll sichern und für den Transport in eine Deponie vorbereiten. „Ich habe schon vie-le Feuer gesehen“, sagt Johnstone, „aber dieses hat die Menschen besonders tief getroffen, weil das Ausmaß der Zerstörung so viel größer war.“ Den verkohlten Bäu-men, die nun menschenleere Straßen säu-men, gilt deshalb ihr erstes Augenmerk.

Ein Baumspezialist inspiziert die Stämme und markiert sie mit weißen Symbolen. Ein „T“ gibt Entwarnung, während zwei waagerechte Linien zur Vorsicht mahnen und ein „X“ eine Gefahrenquelle anzeigt. Viele der Nadelbäume stehen zwar noch, könnten den Umweltexperten aber gefähr-lich werden, wenn sie sich durchs Gelände vorarbeiten. Nach einem ersten Rundgang mit einem Strahlungsmessgerät, das vor möglicher Radioaktivität aus aufgelasse-ner Militärtechnik warnt, schwärmt eine Handvoll Spezialisten aus. Da die Häuser aus Holz und Plastikverkleidungen bestan-

VERHEEREND:So wie diesem Einfamilienhaus

erging es Tausenden von Gebäuden in Paradise. Die Feuersbrunst

fraß sich in Windeseile durch die von Nadelwald umgebenen

Häuser aus Holz und Plastik

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den und nicht unterkellert waren, ist nach dem Feuer meist nur ein rechteckiges Are-al aus Asche und geschmolzenem Schutt übrig geblieben. Anhand des Asche-Grund-risses werden zunächst die Bereiche iden-tifiziert, in denen Sondermüll vermutet wird – vor allem ehemalige Garagen und Küchen. „Wir suchen nach den üblichen Verdächtigen“, erklärt Johnstone, wäh-rend seine Kollegen unter Atemschutz vor-sichtig in der Asche stochern. „Vor allem nach Propangastanks, Sprayflaschen und Farbeimern, Batterien, Behältern mit Säu-re sowie Öl, Munition oder Verkleidun-gen, die Asbest enthalten können.“ Jedes geräumte Grundstück trägt das Team in ein Notizbuch ein, bevor es in „der digi-talen Wolke“ landet und wenig später auf der EPA-Website als grün unterlegte Parzel-le wieder auftaucht. So können ehemalige Bewohner beinahe in Echtzeit mitverfol-gen, ob für ihren Straßenzug bereits Ent-

warnung gegeben wurde. Bis Mitte Janu-ar 2019 hatten die Umweltexperten auf diese Weise fast 50 Prozent des Geländes gesäubert und mit weißen Holzpflöcken markiert, an denen zwei gegen Wind und Wetter laminierte Hinweisschilder befes-tigt sind. Auf einem signalisiert ein grünes Häkchen, dass gefährlicher Haushaltsmüll entfernt wurde, und warnt zugleich davor, dass immer noch Gefahrstoffe in der Asche verborgen sein können. Das andere bietet Ratschläge, wie man mit noch vorhande-nem Gefahrgut am besten umgeht.

WETTLAUF GEGEN DIE ZEITFür die rund 400 EPA-Mitarbeiter, die seit Anfang Dezember in 28 Teams im Kata-strophengebiet arbeiteten, sind die Auf-räumarbeiten ein Wettlauf gegen die Zeit. Regenfälle und Erdrutsche können in der Asche enthaltene gefährliche Substan-zen (wie Asbest, Quecksilber oder Blei) in nahe gelegene Bäche spülen und so ins Grundwasser befördern. Die Bewoh-ner wollen obendrein nach Aufhebung der

Zwangsevakuierung die Überreste ihres Hab und Guts inspizieren und gegebenen-falls in Sicherheit bringen. Auf der ande-ren Seite arbeiten fünf weitere Behörden (auf Bundesebene und aus Kalifornien) mit Hochdruck daran, den Ort Paradise für die zweite Phase der Räumungsarbei-ten vorzubereiten. Nachdem die 13.000 Parzellen ausreichend von Gefahrgütern gesäubert waren, machten sich im Janu-ar 2019 Bagger und Planierraupen ans Werk. Sie haben ein Jahr Zeit, um Asche und Schutt sowie das da runterliegende

AUF JEDEM GRUND-STÜCK KANN HEIKLES GEFAHRGUT SCHLUMMERN

ABGEWRACKT: Hunderte ausgebrannte Autos, die vor dem Feuer fl iehende Einwohner zurückließen, müssen von Umweltschutzexperten entsorgt werden 

SCHNELL VOR ORT: EPA-Einsatzleiter Steve Calanog jagt seit Jahren einer Naturkatastro-phe nach der anderen hinterher

DAS VERHEERENDSTE FEUER Kaliforniens rund um Paradise legte im November 2018 rund 19.000 Gebäude in Schutt und Asche – und forderte knapp 90 Menschenleben 

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Erdreich rund 15 Zentimeter tief abzutra-gen, sodass jeder der ehemaligen Bewoh-ner, der hier wieder siedeln möchte, bis voraussichtlich 2020 wenigstens ein von Gefahrgütern gesäubertes Grundstück vorfindet. Die Kosten hierfür übernimmt zum Großteil der Staat Kalifornien. „Wir machen diese Arbeit schon seit Jahren und sind mittlerweile ein eingespieltes Team“, berichtet Steve Calanog, der als Einsatz-leiter für die Region 9 der EPA im Westen der USA von einer Katastrophe zur nächs-ten eilt. In den vergangenen zwölf Mona-ten hat er versucht, die unmittelbaren ökologischen Folgen von neun großen Feu-ern abzumildern. „Dabei zähle ich ande-re Katastrophen wie den Hurrikan Maria auf Puerto Rico oder den Taifun auf der Pazifik insel Saipan gar nicht dazu.“ Cala-nog vergleicht die Arbeit mit der Spurensu-che am Ort eines Verbrechens. „Wir haben gelernt zu erkennen, wo sich Gefahrgüter

verstecken und wie wir sie am sichersten entsorgen.“ Trotzdem sei jeder Großbrand anders, weil sich Siedlungsstruktur und Topografie unterscheiden.

MIT ALLEN MITTELN„Paradise stellt uns vor neue Herausfor-derungen, weil es ein sehr gebirgiges und dicht bewaldetes Gelände ist, in das nur wenige Straßen führen. Und weil hier viele Leute über 55 Jahre lebten, die ihren Hob-bys nachgingen, und Autos restaurierten, Waffen und Munition sammelten oder alte Gerätschaften zum Goldschürfen nutzten, die Quecksilber enthielten.“

Im Gegensatz zu anderen Katastro-phengebieten ist bei einer komplett zer-störten Stadt wie Paradise auch nicht abzu-sehen, wann hier wieder Menschen leben und arbeiten werden – selbst wenn einzelne Gebäude wie Schulen, Kirchen oder Kran-kenhäuser vor den Flammen gerettet wur-den und schon Anfang 2019 wieder  geöffnet hatten. „All diese Faktoren“, zieht  Calanog Bilanz, „müssen berücksichtigt  werden,

wenn man die Aufräumarbeiten plant.“ Und doch hatten sie nicht viel Zeit zum Pla-nen, denn in jüngster Vergangenheit  jagte in Kalifornien ein verheerendes  Großfeuer das nächste. Das Tubbs Fire verwüstete im Oktober 2017 die für ihre Weingüter bekann-ten Landkreise Napa und Sonoma und leg-te mehr als 2.800 Häuser in der Stadt San-ta Rosa in Schutt und Asche. Im Juli 2018 äscherte das  Feuer im  Mendocino  Complex rund 1.800 Quadratkilometer meist unbe-wohnte Wildnis nördlich von San Francis-co ein. Kurz darauf brannte im August 2018 das Carr Fire im Norden auf 929 Quadrat-kilometern, bevor am 8.  November 2018 nicht nur Paradise in Flammen aufging, sondern auch das Woolsey Fire (nördlich von Los Angeles) ausbrach. Nach jedem dieser Großfeuer sind die  Tatortreiniger der EPA gefragt. „Wenn man aus diesen

AUF NUMMER SICHER: Gut geschützt, und auch mit speziellen Gummistiefeln sowie einem Geigerzähler ausgestattet, gehen EPA-Fachleute jedes einzelne Grundstück ab

ÜBERRESTE: Von den meisten Gebäuden in Paradise blieben nur Metall-teile wie diese Treppe übrig. Drumherum erstreckt sich eine dicke Ascheschicht, unter der sich Gefahrgüter und gefährliche Löcher verstecken können 

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Mess ergebnisse und Notizen der einzelnen Teams in Datenbanken ein und verknüpfen sie mit vorhandenen Karten und weiteren Angaben geografischer Informationssyste-me. Wenn das Mobilfunknetz noch (oder wieder) funktioniert, laufen diese Updates fast in Echtzeit. Calanog selbst jongliert – sieben Tage die Woche, zwölf Stunden am Tag – zwei Smart phones, ein Tablet sowie Laptop, um auf dem neuesten Stand zu blei-ben.

FRUST UND ERNÜCHTERUNGDas ist umso wichtiger, da es in einem Kata-strophengebiet reichlich Input, allerhand Fragen und immer wieder Überraschun-gen gibt – wie etwa die erst im Mai 2019 festgestellte Verseuchung von 280 Kilome-tern Trinkwasserleitung mit Benzol. Die EPA-Teams arbeiten auch mit Fachleuten des kalifornischen Department of Toxic Substances Control sowie dem landes-weiten Katastrophenschutz FEMA zusam-men, tauschen sich mit dem Landkreis aus oder sind mit Mitarbeitern des Stromver-

Kata strophen etwas lernt, dann, dass man schnell und vollständig einsatzbereit sein muss“, sagt Calanog, der diesen Ratschlag in einem Satz zusammenfasst: „Go big, go early!“ Das heißt, einen Krisenstab mit Spe-zialisten zu mobilisieren, sobald ein Feuer ausbricht, und gleich vor Ort zu entschei-den, welche Experten und Subunterneh-mer entsendet werden müssen, sobald Feu-erwehr und andere Notfallteams die Brände gelöscht haben. „Wir wollen alles an Per-sonal und Gerätschaften vor Ort bringen und schnell einsetzen, statt unsere Ressour-cen erst nach und nach zu mobilisieren“, erklärt der EPA-Manager. Er steuert die Auf-räumarbeiten aus einer Kommandozentra-le, die sich in einem leer stehenden Büro neben dem kleinen Flughafen von Chico befindet, rund eine halbe Stunde westlich von Para dise. Hier laufen die Kommunika-tionsfäden der Gefahrgut-Operation zusam-men. Software-Experten und App-Ent-wickler pflegen die im Feld gesammelten

sorgers PG&E, des Telefonanbieters AT&T sowie der örtlichen Kabelbetreiber unter-wegs, die die Infrastruktur in Paradise in Akkordarbeit wiederherstellen. Wer durch das Kata strophengebiet fährt, stößt an fast jeder Kreuzung auf Teams, die beschädig-te Bäume markieren, fällen und zerlegen sowie neue Masten setzen und Kabel zie-hen, die im Feuer vernichtet wurden. Wie fast überall in den USA werden Leitungen aus Zeit- und Kostengründen nicht unter-irdisch verlegt, sodass sie bei Naturkatas-trophen zwar schnell zerstört, aber auch schnell wieder neu verlegt werden können. Anfallendes Gefahrgut landet an einem Sammelpunkt an Chicos Stadtrand. EPA-Laster laden hier Abend für Abend das ab, was sie tagsüber auf mehreren Hundert Grundstücken gesammelt haben: von lee-ren Propantanks und luftdicht verpackten asbesthaltigen Rohren bis zu ausgebrann-ten Munitionskisten oder Autobatterien.

SAUBER: Jedes Grundstück, von dem Gefahrgüter entsorgt wurden, wird mit einem Schild gekennzeichnet, sodass die Besitzer den restlichen Schutt entfernen lassen können

MENSCHENLEER: An dieser Stelle stand bis November 2018 der Ridgewood Mobile Home Park, eine bescheidene Siedlung für Rentner, die ihren Lebensabend in Paradise verbringen wollten  

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Sondermüll und Recycling werden von Fachkräften sortiert und für den Abtrans-port in großen Fässern und Containern vorbereitet. In Sonderfällen können ver-dächtige Behälter und Substanzen einer genaueren Untersuchung mit Messgerä-ten (wie dem Dräger X-am 5000 oder dem Dräger Chip-Mess-System) unterzogen werden. Doch das passiert in Paradise im Vergleich zu anderen Großfeuern eher sel-ten, da hier fast nur Wohnhäuser und keine Industriegebäude brannten und somit alle flüchtigen Materialien längst ausgeströmt

sind. „Wir haben die nötigen Geräte vor Ort, mussten sie aber bis jetzt noch nicht einsetzen“, sagt EPA-Sprecher Rusty Har-ris-Bishop. Für die Überlebenden der Kata-strophe ist die Entsorgung des Gefahrguts nur ein kleiner Schritt bei der Rückkehr in den Alltag. Julie Banwellund floh am Morgen des 8. November 2018 samt ihrer Familie – und mit dem, was in den Koffer-raum ihres Wagens passte. Sie entkamen der Katastrophe nur knapp. Die Familie hatte Glück und fand bereits einen Monat später ein Haus, dessen Miete ihre Versi-cherung übernommen hat. Seit dem Feuer haben sie ihre Ruine zwar schon zweimal inspiziert, dennoch werden sie ihr zerstör-tes Haus wohl nicht wieder aufbauen. „Wir lebten zweieinhalb Jahre in Paradise und fühlten uns auch zu Hause, aber das Risiko ist uns einfach zu groß, hier noch einmal von vorn anzufangen“, sagt die Künstlerin und Yogalehrerin. Noch Monate später ver-sucht sie, ihren Kindern im Alter von drei-einhalb und sieben Jahren die Angst vor Feuer und Sirenen zu nehmen.

Auch die EPA-Experten leiden mit, trotz aller professionellen Distanz, die eine Grundbedingung für ihre Arbeit ist: „Wer jeden Tag stundenlang nur ausgebrann-te Ruinen und die Überreste eines Fami-lienlebens sieht, wird diese Bilder nicht so schnell wieder los“, sagt Tony Honnel-lio. Der zudem für Strahlensicherheit ausgebildete Fachmann arbeitet als einer von mehreren psychologischen Beratern für die Einsatzkräfte vor Ort. Mit weiteren Mitgliedern des Critical Incident Stress Management (CISM) besucht er regelmä-ßig die Helfer in Paradise und Magalia und hört ihnen vor allem gut zu. „Wir sind so etwas wie die Erste Hilfe für Geist und See-le. Da wir alle im selben Boot sitzen, erken-nen wir ganz gut, wer unter seinem Ein-satz leidet und sich einmal aussprechen sollte“, sagt Honnellio. An diesem Nach-mittag sieht er mit einer Kollegin beim Team von Jeremy Johnstone nach dem Rechten, das sich durch die Ascheberge entlang des Cascade Drive vorarbeitet. Je mehr Katastrophen in kurzen Abstän-den einschlagen, desto wichtiger wird die psychologische Betreuung, pflichtet ihm EPA-Mitarbeiter Rusty Harris-Bishop bei. „Wer diese Art von Arbeit macht, sieht sich oft als harten Hund  – jemanden, der aufs Feuer zurennt, sobald es brennt. Aber unter der harten Schale muss man auch mal durchatmen und sich eingeste-hen, dass man zu Hause eine Familie hat und dass es neben Schutt und Asche auch noch schöne Dinge im Leben gibt. Darü-ber zu reden hilft, bevor man am nächs-ten Morgen wieder in den Schutzanzug schlüpft.“

„DAS RISIKO IST UNS ZU GROSS, HIER NOCH

EINMAL VON VORN ANZUFANGEN“

Julie Banwellund, ehemalige Anwohnerin in Paradise

NACHGEFRAGT: Als psycho-logischer Berater sucht Tony Honnellio das Gespräch mit den Kollegen im Einsatz

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Moderne Waschmaschinen entlasten die Menschheit seit mehr als 110 Jahren von der mechanischen

Reinigung. Miele in Gütersloh hat diese Entwicklung von Anfang an mit bestimmt – und arbeitet

schon jetzt an der Zukunft.

TEXT NILS SCHIFFHAUER   FOTOS PATRICK OHLIGSCHLÄGER

DREH- UND ANGELPUNKTeiner Waschmaschine ist dieTrommel zur Reinigung derWäsche. Sie entwickelt ungeahn-te Fliehkräfte und muss dieTextilien schonend reinigen

SPALTMASS GEGEN SOCKENFRASS

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INDUSTRIEREINIGUNG

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A stronauten waschen nicht! „Als Ingenieure der ESA uns letztens besuchten“, erinnert sich Bernhard Roth, „erfuhren wir, dass Raumfahrer ihre Wäsche drei Tage lang tragen und dann einfach wechseln.“ Natürlich skiz-zierte der Diplom-Ingenieur schon die Idee einer Waschmaschine im All, denn das ist sein Job bei Miele, auch im erd-verbundenen Gütersloh. Bis zu 900.000 Waschmaschinen werden hier Jahr für Jahr produziert, etwa 70 Prozent sind für den Export bestimmt. „Unsere Gerä-te werden für eine Laufzeit von 20 Jahren entwickelt“, sagt Roth. „Dabei behalten wir die gesamte Kette der Wäschepflege im Blick – von der Herstellung bis zur Nut-zung“, beschreibt er den Entwicklungs-prozess einer Waschmaschine, der schon mal sechs bis sieben Jahre dauern kann. Zunächst müsse man wissen, was der Kunde überhaupt waschen möchte. Syn-thetik erfordere eine andere Strategie als Kaschmir. Atmungsaktive und doch ver-schwitzte Laufkleidung möchte anders behandelt werden als ölverschmutzte Berufskleidung. „Wir erforschen auch, wie sich die Präferenzen unserer Kunden in den nächsten Jahrzehnten entwickeln könnten“, ergänzt Roth, der in Hannover Elektrotechnik studiert hat.

MACHT SINN BEI DER REINIGUNG: DER „SINNERSCHE KREIS“Im nächsten Schritt entwickelt man das für jeden Wäschetyp optimale Reini-gungsverfahren – und bewegt sich damit im Sinnerschen Kreis, der für Reini-gungsprozesse jeglicher Art gilt: von der Gebäudereinigung über eben Wäsche bis hin zum OP-Besteck. Benannt ist der Sin-nersche Kreis nach dem Chemiker Her-bert Sinner (1900–1988), der Chemie, mechanische Arbeit, Zeit und Tempera-tur als jene Elemente definierte, die eine Reinigung bewirken. All diese Elemente

verweist darauf, dass auch das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Leibwäsche hei-kel ist: „Nicht zuletzt deshalb hat sich das Konzept ‚Ein Haushalt – eine Waschma-schine‘ durchgesetzt. Auch hierzulan-de gibt man bestimmte Wäsche einfach nicht gern aus der Hand.“ Großwäsche-reien oder gar das Waschen als Dienstleis-tung sind trotz mancher Vorteile für viele Privatpersonen keine Alternative. Daher stand 2018 in 95 Prozent aller deutschen Haushalte eine Waschmaschine. 20 Jahre zuvor waren es noch 91,6 Prozent. Solange der Trend nicht zu einer zweiten Wasch-maschine geht, markiert Südkorea mit einer Marktsättigung von 100 Prozent die Obergrenze.

DRUM PRÜFE, wer beinahe ewig waschen will: Diplomingenieur Martin Horsthemke leitet das „Prüfl abor Physik“, einen der Pfeiler der Qualitätssicherung bei Miele

braucht es, aber man kann ihre Antei-le in gewissen Grenzen austauschen. „Die Amerikaner“, hat Roth beobachtet, „bevorzugen kurze Waschzeiten, teilwei-se nur bis 20 Minuten.“

Damit die Wäsche trotzdem sauber wird, sollte man deshalb – gegenüber län-geren Laufzeiten – mehr Waschmittel ein-setzen, wenn man nicht die Temperatur erhöhen oder die mechanischen Kräfte steigern will. In China wäscht traditionell jeder seine Unterwäsche selbst, ob in der Dusche oder in einer eigenen Waschma-schine. Allein die Oberbekleidung lande in der gemeinsamen Waschmaschine. Wie erfährt man so etwas? „Wir fragen die Leute einfach“, lacht Bernhard Roth und

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Was da mit einer Waschmaschine ins Haus kommt, sieht für Laien immer ähn-lich aus: ein weißer Kasten, der in seinen Maßen weltweit und in seinen Anschlüssen in vielen Regionen etwas anders genormt ist. Leistung, Bedienung, Nutzungsdau-er und nicht zuletzt der Preis sind dann aber doch sehr unterschiedlich. Wenn-gleich Miele von ostwestfälischem Under-statement geprägt ist, hat man doch den Anspruch, die weltbesten Geräte zu liefern.

WIE EIN AUTO, DAS HUNDERT- TAUSENDE KILOMETER FÄHRT„Wir sind ein Familienunternehmen wie Dräger, denken langfristig und entschei-den uns immer für die solidere Lösung – auch dann, wenn sie ein wenig teurer ist“, sagt Bernhard Roth, der es als Vorgesetz-ter von rund 300 Entwicklern und Kon-strukteuren wissen muss. „Miele testet seine Geräte auf 20 Jahre Lebensdauer; das sind bei einer Waschmaschine 10.000

Stunden.“ Auf das Auto übertragen ent-spricht dies einer Laufleistung von meh-reren Hunderttausend Kilometern. Dabei leistet der Elektromotor einer Waschma-schine (mit bis zu 1.600 Umdrehungen je Minute) über diese Zeit Erhebliches – und entwickelt enorme Kräfte: „Die ers-ten Waschvollautomaten mussten fest im Betonboden verankert werden, damit sie nicht davonliefen“, sagt Jörg Huckenbeck, Kundenbetreuer bei Miele.

Größte Tortur für eine Waschmaschi-ne: ein Bademantel aus Frottee. Der saugt sich voll, und die Trommel dreht sich dann im Laugenbehälter mit unsymmetrisch ver-teilter Last. „Bei dieser Unwucht wirken auf die Mechanik Kräfte von bis zu 5.000 g, also dem 5.000-Fachen der Erdbeschleu-nigung!“ Damit die Belastung möglichst gering ist, kompensieren dies in moder-nen Maschinen intelligente Steuerun-gen und moderne Waschverfahren, unter-stützt von Stoßdämpfern und Federn als

QUALITÄT, MADE IN GERMANY: Hohe Fertigungstiefe, innovative Lösungen und stetige Tests sichern die sprichwörtliche Langlebigkeit der Waschmaschinen von Miele. Die patentierte Wabenstruktur der Schontrommel (Mitte) trägt ebenso dazu bei wie der Dauertest (rechts)

mechanische Komponenten. Wie beim Menschen hilft zudem ein breites Kreuz: 13 Kilogramm Gusseisen auf der Rücksei-te der Trommel und rund fünf Kilogramm auf der Vorderseite fangen diese Kräfte mit auf. „Beim Umzug mit einer Miele-Wasch-maschine trennen sich schnell Freun-de von Bekannten“, sagt Jörg Hucken-beck augenzwinkernd. Qualität habe halt ihr Gewicht – beim Spitzenmodell sind es rund 98 Kilogramm. Die Gusseisenelemen-te werden in Gütersloh übrigens in Eigen-regie produziert, wie auch die Elektronik.

OWL – KREATIVNETZ IN NORDRHEIN-WESTFALENKonsumgüter mit hoher Fertigungstiefe in Deutschland zu produzieren ist eher die Ausnahme von einer Regel, die viel-mehr global verteilte Produktionsschrit-te vorsieht. Für diese Ausnahme gibt es gute Gründe, die vor allem in einem Wort zusammenfließen: Qualität. Die zeigt sich

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INDUSTRIEREINIGUNG

Zusammen mit Dräger hat Miele spezielle Einsätze für eine profes-sionelle Spülmaschine entwickelt, die Lungenautomaten und Atem-schutzmasken von Feuerwehr-leuten binnen kurzer Zeit reinigt.

Ein Lungenautomat wie der Dräger PSS verleiht seinem Träger zusammen mit einer Atemschutzmaske (z. B. Dräger FPS 7000) Sicherheit in einer lebensfeindlichen Umgebung von Rauch und Gasen. Das ausgeklügelte Pneumatiksystem des Lungenauto-maten wird durch das natürliche Ein- und Ausatmen so gesteuert, dass es sich mühelos aus der Druckluftfl asche atmen lässt. Darauf will kein Brand-schützer verzichten. „Bei jedem Feuer-alarm rücken bei uns immer vier Atemschutzträger aus“, sagt Uwe Theis-mann, Leiter der Werkfeuerwehr bei Miele. „Die Kollegen setzen die Masken während der Anfahrt auf, die anschlie-ßend wieder gereinigt werden müssen.“

Die professionelle Reinigung und Desinfektion erfolgt nach einem penibel einzuhaltenden Prozess bei 60 Grad Celsius, mit dem Einsatz

bestimmter Chemikalien und in einer festgelegten Einwirkzeit. Üblicherweise kann der Lungenautomat nur dann gereinigt werden, wenn sein Pneuma-tiksystem durch die von außen ange-legte Druckluft fi xiert ist. Bislang wur-den Lungenautomaten und Masken, wie in vielen anderen Feuerwachen, per Hand gereinigt. „Mit der Reinigung und Des infektion von vier bis sechs Systemen ist man eine gute Zeit beschäftigt“, weiß Uwe Theismann. „Es reißt sich auch niemand darum!“

Einsatzkörbe mit Farbkodierung

Doch wozu baut man im Hause Wasch- und Spülmaschinen? Also entwickelten die Experten von Miele, in Abstimmung mit denen von Dräger, eine Kombination aus professioneller Frischwasser-Spülmaschine und speziellen Einsatz-körben, in die bis zu sechs Atem-schutzmasken und Lungenautomaten passen. Die Lungenautomaten werden an ein Rohr mit quadratischem Querschnitt angeschlossen, auf das vor der Reinigung und Desinfektion Druckluft gegeben wird. Verschiedene Einzelteile der Lungenautomaten fi nden in einem kleinen Fach Platz. Eine Farbkodierung sorgt dafür, dass nach der Reinigung alles wieder zusammen-fi ndet. „Nun können wir einen Korb mit bis zu sechs Masken auf Arbeits-höhe beschicken und müssen nicht mehr gebeugt am Waschbecken arbeiten“, beschreibt Gerätewart Ralf Austermann einen weiteren Vorteil des Waschautomaten (Typ: PG 8063 Safety). Die Produkte sind – je nach Verschmutzungs-grad – innerhalb von 24 bis 33 Minuten gereinigt und desinfi ziert.

DER WASCHAUTOMAT

auch im Kleinen, wie etwa beim Spalt-maß – dem Abstand, den Waschtrommel und Laugenbehälter voneinander haben. „Ist der zu gering, kann es passieren, dass die Trommel nicht frei läuft“, sagt Ent-wicklungsleiter Roth. „Ist er zu groß, können kleine Wäscheteile hindurchrut-schen – dies wird gern als Sockenfraß bezeichnet.“ Bei der Entwicklung kann Miele auf ein dichtes Netz von Universi-täten, Fachhochschulen und Forschungs-einrichtungen zurückgreifen, den selbst in anderen Regionen Deutschlands wenig bekannten OWL-Cluster, wobei OWL für Ostwestfalen-Lippe steht. Aber auch für die Eule als Vogel der Weisheit.

Wie übermorgen die Technik des Waschens aussehen wird, bleibt vorerst geheim. Da lässt sich Bernhard Roth nichts entlocken. Aber es sollte nicht verwundern, wenn auch die kommen-den Innovationen des automatischen Waschens von Miele kommen könnten.

NACH DEM EINSATZ in die Einsätzeder Spülmaschine: Lungenautomaten

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INDUSTRIEEDELMETALLE

DAS ROTE GOLDKupferdrähte sind die Nervenbahnen der

Industriegesellschaft. Aurubis in Hamburg erzeugt hierfür die Vorprodukte in Reinqualität.

TEXT CONSTANZE SANDERS   FOTOS PATRICK OHLIGSCHLÄGER

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Kupfer ist überall: ob in Kühl-schränken, Handys oder E-Bikes. Nichts läuft ohne Kabel, Litzen und Spulen. Die moderne Technik hängt am Kupferdraht. Ohne das rote Metall blieben die Nächte dunkel, die Straßen leer, würde die Welt schlagartig analog. Kupfer ist begehrt. „Der Kupferpreis ist ein Indikator für den Zustand der Weltwirtschaft“, sagt Casper Burgering, Metallanalyst bei ABM Amro. Die Fieberkurve von Preis und Nachfra-ge gilt als Früherkennung für die wirt-schaftliche Gesundheit der Welt. Schlägt sie aus, geraten viele andere Parameter ins Visier: Öl- und Goldpreis etwa oder der Dow-Jones-Index.

„Doctor Copper“, so heißt es, misst den Puls. Die Fülle der technischen Möglichkeiten macht aus dem Rohstoff ein Konjunkturmetall – nach Eisen und Aluminium wird es weltweit am meis-ten genutzt. „Der rasante Aufstieg Chi-nas zum global wichtigsten Produktions-standort spiegelt sich auch in der Nutzung von Kupfer wider“, stellen Forscher am

Fraunhofer-Institut für System- und Inno-vationsforschung fest. 1990 hatte jeder Chinese einen Pro-Kopf-Verbrauch von sieben Kilogramm, 2015 waren es bereits 60 Kilogramm. Gleichzeitig stieg Chinas Anteil an der Weltwirtschaftsleistung um mehr als das Fünffache.

WERKSTOFF OHNE GRENZENKupfer ist beinahe ein Alleskönner. Es lässt sich formen, schmieden, sägen oder häm-mern. Es verbindet und trennt, kühlt und leitet Wärme. Es reißt und rostet nicht. Kupfer lässt sich mit unzähligen anderen Metallen legieren, beschichten oder ver-edeln. Außerdem ist es ein Keimkiller. „Die antibakterielle Wirkung von Kupfer bleibt über einen langen Zeitraum auf den Ober-flächen bestehen“, sagt Frank Mücklich, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde und Professor an der Uni-versität des Saarlandes. Krankenhäuser profitieren bereits von Kupferlegierun-gen gegen Keime auf Türklinken oder Lichtschaltern. Aktuell entwickelt die

HEISS UND FLÜSSIGBlisterkupfer kommt mit

1.200 Grad Celsius aus demKonverterofen. Das Herz

der Hamburger Kupferhütte von Aurubis schlägt 24 Stunden

am Tag, sieben Tage die Woche

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Forscher gruppe Kontaktwerkstoffe, die aktiv keimtötend wirken. Seit Ende des 19. Jahrhunderts weiß man: Kupfer leitet Strom. Nur Silber kann es besser, ist aber viel teurer. „Ohne Kupfer wäre die Ener-giewende nicht möglich“, sagt Michael Sander vom Deutschen Kupferinstitut in Düsseldorf. Wicklungen in den Generato-ren großer Windräder brauchen kilome-terweise Kupferflach- und -runddraht.

ROHSTOFF MIT ZUKUNFTBis zu 30 Tonnen Kupfer stecken in einer Offshore-Windkraftanlage, die sie auch mit einer rostresistenten Kupfer-Nickel-Legierung vor dem Meeresklima schützt. Knapp 24 Millionen Tonnen wurden 2018 weltweit erzeugt (siehe auch Drägerheft 404, S. 6 ff.). Die Produktion wächst mit über drei Prozent pro Jahr. Kupfer ist nahe-zu unerschöpflich. Rein rechnerisch ist die Versorgung für die kommenden drei Jahrhunderte gesichert, die vorhande-nen Ressourcen werden auf 5,6 Milliar-den Tonnen geschätzt. Deutschland liegt nach den USA auf Platz drei der Verbrau-cher, mit 1,2 Millionen Tonnen jährlich. China konsumiert am meisten. Elektro-mobilität und rasantes Städtewachstum befeuern die Nachfrage. 80 Kilogramm Kupfer braucht ein Vollelektroauto, plus

HELM, ATEMSCHUTZ: Projektleiter Torben Edens während einer Sicherheitsein-weisung am Hamburger Aurubis-Standort

LETZTE STATION in der Rohhütte: Das

Gießkarussell formt Anoden aus fl üssigem

Rohkupfer – jede 400 Kilogramm schwer

KUPFER IST EIN TAUSEND-

SASSA

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INDUSTRIEEDELMETALLE

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20 Kilogramm pro Ladestation. China plant kurzfristig fast fünf Millionen Strom-tankstellen. Je mehr der Rohstoff erforscht wird, desto mehr Einsatzgebiete erschlie-ßen sich. Die Deutsche Rohstoffagentur identifiziert einen Bedarf von fünf Millio-nen Tonnen im Jahr 2035. Schon bald soll Kupfer die Dinge des Alltags selbstständig mit uns kommunizieren lassen. Auf einer Wasserflasche etwa registriert eine hauch-dünne Kupferfolie die aktuelle Füllmen-ge – über Wi-Fi-Signale ruft der Nutzer die Daten ab und kontrolliert seinen täg-lichen Wasserkonsum. Das Etikett kommt aus dem Drucker, braucht keinen Chip, Akku oder Netzanschluss. So sehen es For-scher an der University of California in San Diego. Ein klarer Fall für Doctor Copper.

NUMMER EINS IN EUROPADas Ausgangsprodukt entsteht aus Kupfer-konzentrat in riesigen Schmelzen. Im Auru-bis-Werk in Hamburg öffnet Torben Edens die Tür zur Rohhütte. Vibrierende Luft, Aggregate und Bühnen, bedeckt vom grau-braunen Staub des Kupferkonzentrats. Geruch von Schwefel. „Wir nutzen gro-ße Filter, um die Halle komplett abzusau-gen“, sagt Edens, Projektleiter bei Aurubis.

Das Herz des Kupferwerks im Ham-burger Hafen schlägt 24 Stunden an

sieben Tagen die Woche. Kochendes Gestein, kein Tageslicht. Auf den Ohren das pochende Dröhnen der schweren Anlagen. Kein leichter Job, aber ein außergewöhnlicher. Pro Schicht arbei-ten 30 Verfahrensmechaniker in der Roh-hütte im Werk Ost, nach Kapazität die drittgrößte Schmelze weltweit, die über eine Million Tonnen Kupferkonzentrat pro Jahr verarbeitet. In Europa ist man damit die Nummer eins. Im mächtigen Schwebeschmelzofen rauscht das zuvor getrocknete und geröstete Erzgemisch zusammen mit Sand und Heißluft den meterhohen Reaktionsschacht hi nab und schmilzt bei 1.100 Grad Celsius.

Dabei setzt sich Kupferstein mit einem Kupfergehalt von 64 Prozent ab. Eisen-silikatschlacke schwimmt auf und wird abgestochen, gasförmiges Schwefeldioxid geht in die Kontaktanlage. Beides sind Zwischenprodukte, die zu substanziel-len Grundstoffen für die Bau- und Che-mieindustrie weiterverarbeitet werden. „Das Werk produziert etwa eine Million Tonnen Schwefelsäure und 700.000 Ton-nen Eisensilikat pro Jahr“, sagt Edens. „Erst an dritter Stelle steht Kupfer mit fast 400.000 Tonnen.“ Ein funkensprü-hender Stahlkübel transportiert, an schweren Scharnieren vom Kran gehal-ten, 85 Tonnen schmelzflüssiges Kupfer-

REINER KUPFERSCHROTT geht als Paket gepresst ohne zusätzliche Energie in die Neugewinnung

WERTVOLLE BEGLEITER Kupfererz enthält wertvolle Begleitstoff e: Sechs bis 15 Prozent Edelmetalle, vor allem Silber und Gold, fi nden sich im Anodenschlamm am Ende der Elektrolyse. Aurubis produziert jährlich rund 900 Tonnen Silber und 48 Tonnen Gold. Das Gold wird ausschließlich an gewerbliche Nutzer (Schmuckhersteller, Zahntechniker oder die Elektroindustrie) verkauft. Die Anzahl schwierig zu verarbeitender Beglei t-elemente in komplexen Konzentraten steigt. Aurubis entwickelt Prozesse, die sämt-liche Inhaltsstoff e optimal verwerten. Darunter: Nickel, Selen, Tellur und Metalle der Platingruppe. Neue Technologien für die Bleigewinnung sind geplant. Das wird für Klimaanlagen oder Batterien verwendet, die im Pkw die Start-Stopp-Automatik gewährleisten. Die Kupferhütte wandelt sich zum Multi-Metall-Betrieb.

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INDUSTRIEEDELMETALLE

VOM ERZ ZUM KUPFER Verhüttung und Raffi nation sind Verfahren zur Konzentration von Erzen und Reinigung von Rohmetallen. Aus Kupferkonzentrat entsteht am Ende ein zu 99,99 Prozent reines Kupfer (Cu). Nebenprodukte sind: Schwefelsäure und Eisensilikat. Mit jedem Prozessschritt nimmt die Konzentration des Kupfers zu. Folgeverfahren isolieren Begleitelemente wie Gold, Silber, Blei und andere.

stein zu einem der drei Konverter. Einge-blasene Luft verbindet sich dort mit dem Restschwefel und lässt 98 Prozent Roh-kupfer übrig. Die Oxidation erzeugt so viel Hitze, dass der Konverter mit Schrott gekühlt werden muss. Altkupfermate rial geht hier ohne zusätzliche Energie in die Wiederverwertung. „Recycling gehört zu unseren Stärken“, sagt Aurubis-Spre-cher Malte Blombach. Auf dem Werkhof lagern säuberlich getrennt Berge von Stanzstücken, Leiterplatten und Litzen. Kupfer kann ohne Qualitätsverlust recy-celt werden, unendliche Male – 400.000 Tonnen Altkupfer plus 300.000 Tonnen Elektroschrott sind es jährlich bei Auru-

KupfererzMine: Abbau

KupferkonzentratMine: Flotation,

Ankunft in Hamburg

KupfersteinSchwebeofen:

schmelzen

BlisterkupferKonverter: Oxidation

RohkupferAnodenofen:

Feuerraffi nation

AnodeGießrad

KathodeElektrolyse

max.

2 %Cu

bis

30 %Cu

bis

64 %Cu

bis

98 %Cu

bis

99,5 %Cu

99,99 %Cu

bis an den vier Standorten in Hamburg, Lünen, Olen/Belgien und Pirdop/Bulga-rien. Der Konzern ist der weltweit größ-te Wiederverwerter.

400 KILO SCHWERE PLATTENErze enthalten heute kaum mehr als zwei Prozent Kupfer. Für den Transport ist das zu teuer. Deshalb mahlen die Minen in Chile, Peru oder China das Erz zu feinem Staub und reichern es in Schwimmauf-bereitungen (Flotationsverfahren) zu Konzentrat an, mit einem Kupfergehalt von 30 Prozent. Per Schiff kommt das Gemisch über Brunsbüttel, wo es vorsor-tiert wird, nach Hamburg.

„Die Anode ist das Produkt der Hütte“, sagt Edens. Die dicken, 400 Kilogramm schweren Platten bestehen zu 99,5 Prozent aus Kupfer, wenn sie die Rohhütte verlas-sen. Zuvor entfernt die Feuerraffination im Anodenofen noch Sauerstoff und Rest-schwefel. Heißflüssiges Kupfer ergießt sich aus dem Drehofen in eine schwingende Mulde, die es mit kupfergrüner Flamme in die Formen des Gießrades gibt. Rotie-rend wandern leere Formen zu, Techni-ker mit spiegelndem Hitzeschutz schlagen Krusten an den Rinnen ab, denn die Ano-den müssen makellos sein. Schließlich das kalte Tauchbad. Die wichtigste Aufgabe der Verfahrensmechaniker: Qualitätskontrolle,

EUROPAS GRÖSSTE KUPFERELEKTROLYSE in Hamburg erzeugt fast 400.000 Tonnen Kathoden pro Jahr

LÄUFT ALLES? Verfahrensmechaniker überprüfen die Messwerte am Anodenofen

INFO

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Proben ziehen. Mit einer Stahllanze bricht man dabei Ablagerungen am Abstich, etwa zweimal pro Stunde. Dräger-Atemschutz (speziell: Voll- und Halbmasken mit Fil-tern; gegen Staubpartikel, SO2 und CO2) gehört hier zum Alltag. Zudem überwacht Dräger-Gasmesstechnik am Elektroofen entweichendes Kohlen monoxid. „Das kann bei der Reduk tion der Schlacke ent-stehen“, sagt Edens. „Wir messen auch den Sauerstoffgehalt an der Trockentrommel, denn wir setzen Stickstoff für die Trock-nung der Konzentrate ein.“

SPANNENDES FINALEDie elektrische Leitfähigkeit ist eine der wichtigsten Eigenschaften des Kupfers. Schon eine geringe Verunreinigung könn-te sie mindern. Die Elektrolyse macht den Werkstoff zum Tausendsassa, zum Multi-talent in der industriellen Produktion. Sie entzieht der Anode in einer Kupfersulfat-Lösung von 60 Grad Celsius die restlichen Begleitstoffe. Der dabei fließende elektri-sche Strom regt die Kupferionen an, sich an zwei Kathoden aus Edelstahl zu hef-ten. Emil Wohlwill, einst Chefchemiker des Werks, erfindet dieses Verfahren im Jahre 1876. Die Spannung im Elektrolyt bemisst er so, dass Ionen von Arsen, Nickel und Zink in der Lauge bleiben. Gold, Sil-ber, Selen und Blei lösen sich nicht und sinken als Anodenschlamm auf den Wan-nenboden, ein bräunlicher, sehr wertvol-ler Schlick. Nach einer Woche sind milli-meterdünne, lachsrote Kupferkathoden von zwei Quadratmetern Größe entstan-den, aus 99,99 Prozent reinem Kupfer. Daraus entstehen im Werk tonnenschwe-re Vorprodukte für die Industrie, Strang-gussformate, Spezialdraht, aber auch Legierungen. „Das Hauptvorprodukt sind Coils“, sagt Edens, „fünf Tonnen schwere, fast mannshohe Drahtrollen.“ Bei Aurubis zieht man eben an einem Strang.

VERSAND FERTIG: Mitarbeiter trennen den endlos laufenden Kupferdraht ab. Alle zehn Minuten entsteht eine neue Fünf-Tonnen-Spule

VORLÄUFIGES ENDPRODUKT: Kupferkathoden als Rohstoff für universelle Einsätze im Industrie-, Energie- und IT-Sektor

EIN METALL VON HÖCHSTER

QUALITÄT

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DIE VERFLIXTEN PILLEN

Wenn Medikamente ins Abwasser gelangen, muss die Natur um ihre Gesundheit bangen. Im Ruhrgebiet klären Wirtschaft und

Politik deshalb über eine umweltgerechte Entsorgung auf. Dieses Wissen ist vielfach verloren gegangen.

TEXT FRANK GRÜNBERG

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I n Indien ziehen Bengalen- und Schmalschnabelgeier nur noch selten ihre Kreise. Einst fraßen sie die Kadaver der Kühe und übernahmen so die Rolle einer natürlichen Gesundheitspolizei. Dann ver-endeten die Vögel massenhaft an dem Aas. Die Ursache hierfür heißt Diclofenac. Indi-sche Landwirte begannen in den 1990er-Jahren, ihre Rinder mit dem entzündungs-hemmenden Wirkstoff zu behandeln. Bei kranken oder verletzten Tieren sollte er Schmerzen lindern. Für die Geier war das der Anfang vom Ende: Schon wenige, mit Diclofenac verseuchte Kuhkadaver reich-ten aus, um sie wie Fliegen zu töten.

Das ließ in Europa die Alarmglocken schrillen. Europa gilt als ein Zentrum des Diclofenac-Konsums. Doch wie gelangt der Wirkstoff in die Nahrungskette, und wie gefährlich ist er für Mensch und Tier? Sicher ist: Man wird ihn so schnell nicht

wieder los. Diclofenac zählt zu den Spu-renstoffen – künstliche Substanzen, die in sehr geringen Mengen in Abwässern auftreten und die Natur gefährden kön-nen. Experten schätzen die Zahl der Spu-renstoffe, die allein in Deutschland im Umlauf sind, auf rund 3.000. Doch nur für 150 von ihnen gibt es zuverlässige Nach-weisverfahren. Weiteres Problem: Spuren-stoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, sie lassen Duschgels duf-ten, lindern in Arzneimitteln Schmerzen oder verbessern als Kontrastmittel die Aus-sagekraft von Röntgenaufnahmen.

„Spurenstoffe sind das Ergebnis unse-rer Lebensweise“, sagt Dr.-Ing. Issa Nafo. „Die meisten Menschen haben allerdings noch nie von ihnen gehört – geschweige denn davon, dass sie massive Probleme im Abwasser bereiten.“ Nafo ist Experte für Abwässer. Bei der Emschergenossenschaft in Essen, zusammen mit dem Lippever-band der größte Abwasserwirtschaftsver-band in Deutschland, leitet er die Abteilung

UMWELTABWÄSSER

NICHT GANZ UNGEFÄHRLICH: Experten schätzen die Zahl der Spurenstoff e, die allein in Deutschland die Abwässer belasten, auf rund 3.000

für die Entwicklung und das Management von Förderprojekten. Bei einem dieser Pro-jekte dreht sich aktuell alles darum, wie das Abwasser frei von Spurenstoffen zu hal-ten ist. Die Lösung kann eine technische sein, wirksamer wäre ein Konsumverzicht. Spurenstoffe sind keine Randerscheinung, eher ein Massenphänomen.

Beispiel Diclofenac: In Deutschland werden jährlich rund 90 Tonnen des Wirk-stoffs verbraucht. Als Salbe wird Diclofe-nac auf die Haut massiert, dringt aber auch in die Kleidung ein und gelangt so in die Waschmaschine beziehungsweise ins Abwasser. „Spurenstoffe sind eine der größten Herausforderungen, vor denen die Abwasserwirtschaft aktuell steht“, sagt Nafo. „Mit traditionellen Kläranlagen las-sen sie sich nicht mehr herausfiltern.“ So gelangen sie in die Natur. Wie stark sie dort auf Mensch und Tier wirken, wird noch erforscht. Verweiblichte und eigent-lich männliche Frösche und Fische, die die Antibabypille quasi ein zweites Mal

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rüstung der Kläranlage Bad Sassendorf mit einer Ozonstufe sowie der Kläranla-ge im münsterländischen Dülmen durch den Lippeverband. Alle drei Konzepte soll-ten zeigen, in welchen Fällen die Einfüh-rung einer vierten Reinigungsstufe sinn-voll ist. Man ging mit dem Thema sogar in die Öffentlichkeit. Zunächst im Umfeld des Marienhospitals, 2017 schließlich in der Ruhrmetro pole Essen. Mit „Essen macht’s klar“ wurde eine Initiative gestar-tet, die die rund 580.000 Einwohner für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alt-Medikamenten – einer der Hauptquel-len der Spurenstoffe – sensibilisieren soll-te. Denn ihre umweltgerechte Entsorgung sieht heute anders aus als noch vor 25 Jah-ren. Weite Teile der Bevölkerung haben davon allerdings nicht viel mitbekommen. Da der Hausmüll früher meist auf offenen Deponien landete, wurde 1995 Remedica gegründet. Die Gesellschaft holte alte Arz-neimittel in Apotheken kostenlos ab und entsorgte sie fachgerecht.

In Spitzenzeiten beteiligten sich etwa 19.000 Apotheken in Deutschland an dem System, also rund 90 Prozent aller Apothe-ken insgesamt. Viele Menschen holten neue

schlucken, zählen in Deutschland zu den seltenen, doch bereits bekannten Opfern. Eigentlich sind Kläranlagen zuverlässige Ausputzer. Ab 1900 wurden feste Bestand-teile, wie Hygieneartikel oder Fäkalien, mechanisch aus dem Abwasser gekämmt. In den 1920er-Jahren folgte die biologische Reinigungsstufe, die gelöste, organische Stoffe in Klärschlamm verwandelt, der sich leicht entsorgen lässt. In den 1990er-Jahren wurde das System durch eine che-mische Reinigungsstufe ergänzt. Auch Drä-ger passte seine Sicherheitstechnik stets den aktuellen Entwicklungen an, um die Gesundheit der Arbeiter in den Klärwerken zu schützen. Die Emschergenossenschaft nutzt beispielsweise Dräger-Gasmessgerä-te (Typ: X-am 5600 & 7000) und -Sauerstoff-selbstretter (Typ: Oxy K 30 & 3000), wenn plötzlich gefährliche Gase auftreten.

Viele Spurenstoffe lassen sich heu-te mit einer vierten Reinigungsstufe zu einem hohen Prozentsatz aus dem Abwas-ser filtern. Eine technische Option ist die Oxidation mittels Ozon, bei der sie mithilfe von Sauerstoff oxidiert werden. Eine andere Möglichkeit bietet Aktivkoh-le. In Granulat oder Pulverform lagern

sich Spurenstoffe an die Kohlefilter. Aller-dings wurden bislang nur wenige Kläran-lagen mit einer vierten Reinigungsstufe ausgestattet. Als einziges Land in Euro-pa schreibt die Schweiz sie verbindlich vor. Mit einer flächendeckenden Aufrüs-tung hierzu lande rechnen Experten in naher Zukunft allerdings nicht, aufgrund der hohen Investitionskosten. Diese hät-ten vor allem die Verbraucher zu tragen. Eine vierköpfige Familie müsste so mit zusätzlichen Abwassergebühren von rund 100 Euro pro Jahr rechnen. Die Bundes-regierung sucht daher nach Alternativen und hat im Zuge der 2017 verabschiedeten „Spurenstoffstrategie“ alle Beteiligten an einen Tisch gebracht. Gemeinsam formu-lierten sie das Ziel, den Eintrag von Spu-renstoffen in die Umwelt zu verringern.

AUFKLÄRUNG TUT NOTIm Ruhrgebiet ist man schon einen Schritt weiter. 2011 nahm die Emscher-genossenschaft am Marienhospital in Gelsenkirchen ihre erste Kläranla-ge mit einer vierten Reinigungsstufe in Betrieb. Danach folgte, gefördert durch das Land Nordrhein-Westfalen, die Auf-

EINE UMWELTGERECHTE ENTSORGUNG SIEHT HEUTE ANDERS

AUS ALS NOCH VOR 25 JAHREN

1STOFFEN AUF DER SPUR:Diese sechs Module sind in der

dezen tralen Kläranlage des Marien-hospitals Gelsenkirchen an der

Reinigung von Abwässern wesentlich beteiligt. Der Membranbioreaktor (1)

fi ltert Bio masse heraus und sorgt für einen keimfreien Ablauf. Einen Teil

hiervon hält der Permeatbehälter (2) als Ansatzwasser für die Membran -

reinigung zurück. Die Ozonreakto-ren (3) rei nigen das Abwasser von

einem breiten Spektrum an Spurenstoff en durch Oxidation und/oder Adsorption an der Pulveraktivkohle (4). Verbliebene

Schwebeteilchen verfangen sich in den Stufen der Sandfi ltration (5)

vor Ablauf ins Gewässer. Die Abluftbehandlung (6) fi ltert

u. a. Geruchs stoff e heraus

PLAKATIV: Mit einer Werbeinitiative steigerte man in der Ruhrmetropole Essen das Wissen der Bevölkerung um die Abwasserbelastungen durch Medikamentenrückstände

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UMWELTABWÄSSER

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Medikamente dort nicht nur ab, sondern ließen ihre alten auch gleich da. Schon bald zählte diese Routine in der Bevölke-rung zum ökologischen Basiswissen. Ende 2016 aber stellte Remedica den Betrieb ein, aufgrund fehlender finanzieller Unterstüt-zung. Weil die Apotheken damit flächende-ckend als Anlaufstelle ausfielen, begannen die Menschen, sich neue Entsorgungskanä-le zu suchen. Vielen fehlte dabei allerdings eine entscheidende Information: Heute las-sen sich Medikamente am besten über den Hausmüll entsorgen. Denn der wird bei derart hohen Temperaturen verbrannt, die selbst Spurenstoffen den Garaus machen. Die Botschaft der Initiative „Essen macht’s klar“ lautete daher: „Medikamente gehören nicht ins Klo.“ Quer durch die Stadt wurde sie plakatiert. Die Initiatoren wollten die Menschen zum Umdenken bewegen.

Tatsächlich zeigte die Kampagne Wir-kung und steigerte das Wissen der Bevöl-kerung um die Belastungen durch Medi-kamentenrückstände sowie die Kenntnis des korrekten Entsorgungsweges. Gleich-zeitig senkte sie den unbedachten Medika-mentenkonsum. Und doch wird es noch sehr lange dauern, das Wissen um den bes-ten Entsorgungsweg für Medikamente in den Köpfen der Menschen zu verankern. In Essen will man im Sommer 2019 ent-scheiden, ob und wie es weitergeht. Was im restlichen Deutschland passiert, steht aktuell in den Sternen.

„IN DER KLÄRANLAGE TAUCHT ALLES WIEDER AUF“Seit 2011 befreit eine Kläranlage mit vierter Reinigungsstufe die Abwässer des Marienhospitals in Gelsenkirchen von Spurenstoff en. Frank Netz, Technischer Leiter, kennt die Herausforderungen.

Herr Netz, die Verantwortlichen des Marienhospitals zeigten sich sehr zurückhaltend, als die Emschergenossenschaft 2011 die Anlageauf dem Gelände des Krankenhauses errichten wollte. Warum?Wir sorgten uns damals um unser Image – in der Annahme, die Anwohner könnten diesen Neubau falsch interpretieren: dass das Abwasser des Marienhospitals ganz besonders verunreinigt sei und vielleicht sogar die Um-gebung gefährde. Diese Befürchtung ist aber nicht eingetreten. Unser Abwasser ist heute sauberer denn je. Die Anlage arbeitet völlig geruchsneutral und so leise, dass sie auch nachts betrieben werden kann. Warum wurde sie ausgerechnet auf dem Gelände des Marienhospitals errichtet?Weil wir gute Voraussetzungen dafür bieten. Erstens haben unsere Gebäude begrünte Flachdächer, die es erleichtern, das Regenwasser abzukoppeln und in die Grünfl ächen abzuleiten. Damit erhöhen wir die Konzentration an Medikamenten-rückständen im Abwasser. Zweitens fl ießt hier der Schwarzbach vorbei, der das geklärte Abwasser auf kurzem Wege aufnehmen kann. Drittens leiten wir einen für Krankenhäuser typischen Querschnitt an Spurenstoff en ins Abwasser – Rückstände von Medikamenten, Kontrastmitteln und Dialysefl üssigkeiten. Was sollte das Projekt zeigen?Welchen Aufwand man betreiben muss, um Spurenstoff e aus dem Abwasser zu fi ltern. Da wir sehr genau sagen können, wann wir wie viel davon einleiten, erhielt die Emschergenossenschaft von uns wertvollen Input. Es war aber kein explizites Pilotprojekt für Krankenhäuser, sondern eines für die vierte Reinigungsstufe. Das Projekt ist eine von der EU geförderte und für uns kostenneutrale Maßnahme.Hat sich der Verbrauch an Medikamenten im Marienhospital seitdem verringert?Nein, denn unser oberstes Gebot ist, den Patienten gesund nach Hause zu entlassen. Über die Menge an notwendigen Medikamenten oder Kontrastmitteln entscheidet sein Krankheitsbild. Was sich aber verbessert hat, ist die Entsorgung von Windeln, Mullbinden und Putzlappen auf den Stationen. Früher wurde davon viel über die Toiletten in die Kläranlage gespült: Die Rechen verstopften, und der Betrieb kam zum Erliegen. Heute haben wir die Zahl der Störungen fast gen null gefahren. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?Auf unsere Informationskampagne und die Tatsache, dass Patienten bei uns solche Feststoff e nicht mehr heimlich auf der Toilette wegspülen können. Schließlich taucht alles nach kurzer Zeit in der Kläranlage wieder auf – und kann dort großen Ärger bereiten.

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INDUSTRIEOFFSHORE

A ls Ruud Maasland die Gang-way entlang eilt, um an Bord von JB-115 zu gelangen, ist er gut präpariert. Der 61-jäh-rige Mitarbeiter von Dräger Marine Off-shore Service im Rotterdamer Hafen weiß, was gleich kommt. An Deck wartet bereits Mark O‘Shane, Offshore Installation Mana-ger bei Jack-Up Barge, einem Betreiber von schwimmenden Plattformen.

Stählerne Arbeitsbühnen wie JB-115 fahren wie ein Schiff mit Schraubenan-trieb oder werden im Schlepp gezogen, um etwa zum Bauplatz einer Windener-gieanlage vor der Küste zu gelangen. Am Zielort stellen sie sich selbstständig, mit-tels vier gewaltiger Säulen, auf dem Mee-resboden auf. Ihr drehbarer Kran, so sta-

bilisiert, bringt dann Komponenten wie Schaft und Rotor der Windturbinen in Position. In Kürze soll JB-115 von Rotter-dam aus in See stechen und Kurs auf die Deutsche Bucht nehmen. Die nächste Baustelle wartet bereits. Doch bis dahin muss der Schotte O’Shane als Verantwort-licher für die Sicherheit und Abläufe an Bord noch kräftig klar Schiff machen.

BEWÄHRTE ERFOLGSREZEPTEDa verlangt es ihm schon ein wenig Wohl-wollen ab, dass der Holländer Maasland einen Kollegen und zwei Besucher im Schlepptau hat, um ihnen das von Drä-ger gelieferte und gewartete Sicher-heitsequipment der Plattform zu zeigen.

ZUGEWANDT: Ruud Maasland (r.) von Dräger Marine

Off shore Service besucht seine Kun-

den auch an Bord

SICHERHEIT AUF SEE

Das Büro an der Beurtschipperstraat im Rotterdamer Hafen ähnelt auf den ersten Blick dem Newsroom einer Nachrichtenagentur. Doch die Meldungen,

die hier pausenlos eingehen, betreffen die Seefahrzeuge von Kunden auf allen sieben Weltmeeren. Ein Besuch bei Dräger Marine Offshore Service.

TEXT OLIVER DRIESEN  FOTOS PATRICK OHLIGSCHLÄGER

„Immer schleppst du all diese Leute an“, neckt ihn der gutmütige Schotte, „und nie kriege ich mal eine Tafel Schokola-de. Aber das ist völlig okay!“ In gespielter Resignation verdreht O’Shane die Augen. Nach einer kurzen Sicherheitsunterwei-sung gibt er den mit Schutzkleidung aus-gerüsteten Besuchern den Weg frei: „Ihr könnt euch gern umsehen!“

Die Erfolgsrezepte von Dräger Marine Offshore Service kennt kaum jemand besser als Maasland, der seit mehr als drei Jahrzehnten im sogenannten FRS-Geschäft mit maritimen Kunden arbeitet. FRS steht für Feuerbekämpfung, Rettung und Sicherheit. In diesen drei Bereichen bietet Dräger weltweit für fast alles, was

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KÜHNE KONSTRUKTION:Noch liegt die Arbeitsbühne JB-115 im Rotterdamer Hafen. Bald wird sie indie Deutsche Bucht verlegt, wo ein neuer Off shore-Windpark entstehen soll

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AUFGEREIHT: Sicherheitsausrüstung für Schiff e und Bohrplattformen, wie diese Brandfl uchthauben, wartet auf ihre wiederkehrende Prüfung

URBAN TRIFFT MARITIM:Rotterdam, die zweitgrößte Stadt der Niederlande, ist der bedeutendste Öl- und Gashafen Europas

HAUSGEMACHT: In der hauseigenen Werkstatt amRotterdamer Hafen warten und reparieren Mitarbeiter von Dräger

Marine Off shore Service das Equipment der Kunden

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INDUSTRIEOFFSHORE

die Größe eines ernst zu nehmenden Schif-fes hat, ein umfassendes Portfolio an: vom einfachen Feuerlöscher bis zur Hightech-Schaumkanone, wie sie auf schwimmen-den Hubschrauberlandeplätzen vorge-schrieben ist. Vom Sanitätskoffer bis zum Notfallbeatmungsgerät, von Gasdetekto-ren für Bohrinseln bis zu Survival-Anzügen für die Seenotrettung. Dräger verkauft das alles nicht nur, sondern übernimmt auf Wunsch auch den Service: regelmäßige Wartungen, Funktionstests, Prüfzertifika-te, Ersatzteile, Reparaturen, Schulungen. Vieles davon wird „onboard“ erledigt. An Deck ist da, wo die Kunden sind, auch die potenziellen – da, wo Vertriebsmitarbei-ter wie Maasland ihre Kontakte knüpfen.

„Eine Tafel Schokolade und ein locke-rer Spruch bringen dir noch keinen Ver-trag“, weiß Maasland. „Du musst deinem Gegenüber zeigen, dass du dieselbe Spra-che sprichst – und das auf Augenhöhe. Dann kannst du beweisen, dass du nicht nur Versprechungen machst, sondern sie auch hältst.“ Denn nicht nur der Preis zählt, nicht allein die hohe Qualität der lieferbaren Produkte oder die deswegen oft extrem langen Wartungsintervalle von bis zu zehn Jahren. Hier punktet auch – und vor allem – die Chemie, die einer wie Maasland herstellt. Sie signalisiert unterschwellig: „Du kannst uns vertrau-

en, denn wir ticken wie du! Wir lassen dich nicht hängen, wenn sich auf hoher See dein Kurs oder Zeitplan ändert.“ Es sind alles unausgesprochene Botschaften, die ankommen – oder eben nicht.

An Bord der Plattform JB-115 zeugt eine Vielzahl an Ausrüstungsgegenständen davon, dass Dräger bei Jack-Up Barge den richtigen Ton getroffen hat. „Bei diesem Objekt bedienen wir die gesamte Band-breite unseres FRS-Equipments  – mit Produkten und Dienstleistungen“, sagt Roland Schwegman. Der 32-Jährige ist bei Dräger in Rotterdam für die Geschäfts-entwicklung zuständig. Als Beispiel nennt er die Löschschaumanlage auf dem expo-nierten Helikopterdeck: Ihre „Monitore“, das sind die beweglichen Schaumkanonen für den Fall einer Bruchlandung, werden regelmäßig von Experten der Rotterdamer Zentrale gewartet.

HEUTE NIGERIA, MORGEN RUSSLANDDer Service umfasst aber auch Feuerlö-scher, Löschschläuche, Beatmungsmas-ken, Survival-Anzüge oder CO2-Druck-zylinder zum Ersticken von Bränden im Maschinenraum. Viele dieser Neubefül-lungen, wiederkehrenden Prüfungen oder Reparaturen können weder im siche-ren Hafen noch in der großen Werkstatt

DIE KUNDEN DRÄNGT ES IMMER AUFS MEER, WO SIE IHR GELD VERDIENEN

bei Dräger in der Beurtschipperstraat aus-geführt werden. Schaumkanonen etwa darf man in Häfen aus Umweltschutz-gründen gar nicht einsetzen, sodass ihre Funktions sicherheit nur auf See geprüft werden kann. Die Kunden drängt es ohne-hin raus aufs Meer, wo sie mit ihren Schif-fen Geld verdienen, statt im Hafen nutz-los Zeit und Gebühren zu verplempern. Kaum ein Geschäft ist derart mobil struk-turiert wie das von Dräger Marine Off-shore Service, dessen Kunden Tausende von Schiffen rund um den Globus bewe-gen. Und kaum eines birgt so viele Unwäg-barkeiten, von der Logistik bis zur Politik.

„Letzte Woche kamen einige unserer Mitarbeiter aus Nigeria zurück“, sagt Dick de Vries (56), Chef der fast 80 Rotterdamer Dräger-Mitarbeiter. „Einer unserer Kun-den hat dort ein Pipeline-Verlegeschiff vor der Küste liegen. Im Heli an Bord, Service erledigen, Abflug. Aber um erst einmal zum Hubschrauber zu gelangen, mussten sich unsere Leute im Jeep von bewaffne-ten Fahrzeugen eskortieren lassen, wegen der Spannungen rund um die Präsidenten-wahl. Diese Woche geht es dann nach Russ-land. Ach ja, und dann haben wir gerade ein neues Gastankerprojekt für Mosam-bik reinbekommen, ein internationales Joint Venture.“ Es ist deshalb kein Zufall, dass die Planungsabteilung in den Büro-

MARITIME EXPERTEN: Dick de Vries (l.), Geschäftsführer, und Roland Schwegman, zuständig für die Geschäftsentwicklung bei Dräger Marine Off shore Service in Rotterdam

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INDUSTRIEOFFSHORE

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räumen von Dräger Marine Offshore Ser-vice an einen Newsroom erinnert. Auf zahllosen Bildschirmen, Pult hinter Pult, laufen neben Bestellungen und Preisan-fragen aktuelle Updates aus aller Welt ein, unter anderem: Offshore-Baustellen, die Probleme melden, Gastanker, die von Stür-men ausgebremst wurden, oder Schiffe, die der Kunde umdisponiert hat. Doch die „Show“ muss weitergehen, trotz aller Wid-rigkeiten; ebenso wie das Service geschäft auf den sieben Weltmeeren. Dieses hat sei-ne Besonderheiten. Eine ist, dass Dräger Marine Offshore Service auch Fremdpro-dukte im Portfolio hat, weil die Schiffseig-ner meist diese oder jene Marke bevorzu-gen. Eine andere, dass Vertrieb und Service kaum voneinander zu trennen sind.

„Das hier ist anders als in anderen Geschäftsbereichen von Dräger“, betont de Vries. „Normalerweise gibt es Exper-ten für das eine oder andere. Bei uns aber nicht!“ Im maritimen Geschäft bekommt gern derjenige den Service, der auch das Gerät verkauft hat. Bei der wöchentli-chen Planungssitzung montags um elf sit-zen de Vries und Schwegman daher mit ihren erfahrensten Kollegen zusammen, um ihre Strategie mal wieder an den Lauf der Welt anzupassen. Sie nennen es „Flow Meeting“, obwohl es hier eher um die Din-ge geht, die ins Stocken geraten sind. Auf

einem Großbildschirm an der Stirnwand sieht die neunköpfige Gruppe den aktu-ellen Stand: Jedes belieferte Seefahrzeug zwischen Kap Hoorn und Beringstraße taucht in einer Liste mit Namen, Service-status, etwaigen Verzögerungen oder ande-ren Besonderheiten auf.

UNSICHERHEITSFAKTOR BREXITAn diesem Tag verläuft das Meeting eher gelassen, bis am Ende ein Punkt auf die Tagesordnung rückt, der unter Planern schon seit Wochen zunehmend für Unru-he sorgt – sowohl jenseits als auch diesseits des Ärmelkanals: der Brexit. „Wir haben eine Menge Güter- und Personenaustausch zwischen Rotterdam und unserem wichti-gen Standort Aberdeen“, erklärt Schweg-man. „Deshalb wollen wir zwei unserer Wartungscontainer mit allem, was man für den Onboard-Service braucht, perma-nent dort stationieren.“

Doch niemand kann vor dem geplan-ten Brexit-Termin überblicken, welche zoll- und handelsrechtlichen Folgen das künftig haben wird. „Die größte Sorge ist, dass Tempo und Flexibilität leiden könnten.“ Und das sind nun einmal die Trumpfkarten im weltweiten Spiel von Dräger Marine Offshore Service. Diese Dinge waren noch ferne Zukunftsmu-sik, als in den 1970er-Jahren die Vorläu-

ferfirma des heutigen Dräger-Standorts im Rotterdamer Hafen gegründet wur-de. „Der damalige Eigner konzentrierte sich zunächst auf Binnenschiffe, die den Rhein hinauffuhren“, sagt de Vries, der noch gegen Ende dieser Ära anheuerte. Bis heute machen die Öl-, Gas- oder Che-mikalienfrachter auf Binnenwasserstra-ßen einen Teil der Dräger-Kundschaft im Hafen aus. „Mit der Zeit schrieben die Behörden für diese Schiffe immer mehr Sicherheitsausrüstung vor, sodass wir zum größten Händler nach Dräger selbst wur-den.“ In zwei Schritten übernahm Drä-ger daraufhin das Unternehmen bis zum Jahr 2000. Zeitgleich entwickelte sich das Geschäft mit den Hochseefahrzeugen, das inzwischen längst im Mittelpunkt steht.

Es wird heute weitgehend digitalisiert und über Zeitzonen hinweg abgewickelt. In der Beurtschipperstraat zeigen Radar-kontakte auf PC-Bildschirmen in Echtzeit alle relevanten Schiffsbewegungen, ob im Rotterdamer Hafen oder auf dem Nordat-lantik. Neue Märkte wie die Kreuzschiff-fahrt werden angepeilt. Die Gemütlich-keit der schippernden Familienbetriebe gehört der Vergangenheit an. Doch man-ches ändert sich nie. Ruud Maasland, der Vertriebsveteran, weiß das im Schlaf: „Ent-scheidend bleibt der persönliche Augen-kontakt.“

DIE SHOW MUSS WEITERGEHEN – TROTZ ALLER WIDRIGKEITEN

ÜBERBLICK: Mark O’Shane,

Off shore Installation Manager, auf der

Arbeitsbühne JB-115 von Jack-Up Barge

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AUSTAUSCH: Zwischen Besat-zungen und Dräger-Mitarbeitern

entwickelt sich im Gespräch oft ein langjähriges Vertrauensverhältnis

BLICK FÜR DETAILS: Dräger-Atemschutzvollmaske X-plore 6300 beim Kunden an Deck. Onboard-Besuche

sind wichtiger Bestandteil des Servicegeschäfts

WURZELN: Mit Binnenschiff en im Rotterdamer Hafen begann das Geschäft von Dräger Marine Off shore Service – und läuft bis heute

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In Finnland entsteht das weltweit erste unterirdische Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Es könnte noch in 100.000 Jahren

Spuren jener Epoche hinterlassen, als der Mensch das nukleare Feuer entfachte. Die Betreiber glauben allerdings,

dass man es in ferner Zukunft niemals finden wird.

TEXT OLIVER DRIESEN

VERGRABEN UND VERGESSEN

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WISSENSCHAFTATOMMÜLL

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Dampfend vor Körperwärme stakst ein Elch durch den Birkenwald – vor überraschenden Begegnungen wie die-ser warnt ein Schild am Straßenrand. Nichts hingegen berei-tet Reisende auf den Ort vor, der sich am Ende der Straße befin-det. Auf der finnischen Insel Olkiluoto liegt die Einfahrt in die Ewigkeit. Die Reifen schwerer Fahrzeuge haben die Schnee-decke bereits zermalmt und den dunklen Asphalt freigelegt. Die Zufahrt mündet in eine enge Rechtskurve. Auf diesen letz-ten oberirdischen Metern, im Windschutz der mit grauem Beton eingefassten Granitfelsen, ist die Rampe völlig schneefrei. Ein massives Rolltor kommt zum Vorschein. Wenn das Gatter hoch-fährt, liegt die Unterwelt von Onkalo offen.

Onkalo ist Finnisch und bedeutet „Hohlraum“. Das ist eine milde Untertreibung, denn Onkalo ist ein riesiges, komplexes Untertage-Bauwerk. Eine fünf Kilometer lange Tunnelstraße führt in zahlreichen Kehren bis auf etwa 450 Meter Tiefe. Eines Tages wird sich hier der Haupttunnel in ein Labyrinth von syste-matisch angelegten Sackgassen verzweigen. Die Finnen gelten als Pioniere des innovativen Untertage-Engineerings.

BAUSTELLE FÜR DIE NÄCHSTEN 100 JAHRE So ist Helsinki derzeit die einzige Metropole der Welt, die einen Bebauungsplan für ihren Untergrund entwickelt hat: Parkhäu-ser, Ladenpassagen, ein IT-Datencenter, ein Schwimmbad, eine Kläranlage. Auch Teile eines Krankenhauses wurden seither kon-sequent tiefergelegt. Was allerdings im dreieinhalb Autostunden entfernten Onkalo eingelagert werden soll, ist schon jetzt im Wortsinn heiße Ware: Container mit hochradioaktivem Atom-müll. Das im Jahr 2004 begonnene Bauprojekt wird das weltweit erste Endlager für Uranabfälle. Konzipiert wurde Onkalo für eine Aufbewahrungszeit von 100.000 Jahren, erst dann wird die Strah-lung in den Behältern vollständig abgeklungen sein. Dieser Pla-nungshorizont, den die finnische Atomaufsichtsbehörde STUK vorschreibt, ist damit 20-mal länger als die ältesten erhaltenen Bauwerke der Menschheitsgeschichte: die ägyptischen Pyrami-den. Auch sonst sind die Zeiträume hier rekordverdächtig.

„Onkalo wird für die nächsten 100 Jahre eine Baustelle blei-ben“, sagt Pasi Tuohimaa, Sprecher der Betreiberfirma Posiva. Der Abschluss der letzten Erweiterungen liegt also irgendwann im frühen 22. Jahrhundert. Dem steht nicht entgegen, dass die

ROHRPOST AN DIE ZUKUNFT:

eine Kupferkapsel für Atommüll bei einer Probe-Einlagerung

tief unter fi nnischen Birkenwäldern

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WISSENSCHAFTATOMMÜLL

ersten Atommüllbehälter bereits in wenigen Jahren angeliefert werden. Schwerlastwagen sollen sie aus den beiden bereits auf Olkiluoto laufenden Zwischenlagern bringen. Gemeinsam pro-duzieren diese Kernkraftwerke 32 Prozent des Atomstroms, dem die nuklearfreundlichen Finnen in ihrem Energiekonzept die Hauptrolle einräumen.

KEIN WARTUNGS- UND REPARATURBEDARFDoch selbst die Skandinavier können den Atommüll nicht unbe-grenzt in oberirdischen Abklingbecken und wartungsinten-siven Zwischenlagern sammeln, nachdem er dort schon mehr als 40 Jahre lagert. Onkalo ist somit jene dauerhafte Entsor-gungslösung, über die Industrienationen wie Deutschland – rund 60 Jahre nach Beginn der kommerziellen Atomstromerzeu-gung – noch immer nicht verfügen. Der Innenausbau für den Lagerbetrieb läuft bereits. Dräger lieferte beispielsweise Flucht- und Rettungskammern, Brandfluchthauben, Alcotest-Geräte sowie Gasmesstechnik. Warum aber wird der problematische Müll ausgerechnet im Untergrund einer kleinen Landzunge begraben, die in den Bottnischen Meerbusen ragt? Die Antwort liefert die Geologie: weil der Festlandsockel hier aus 1,9 Milli-arden Jahre altem Granit besteht – hochstabil und rissfest, iso-liert von jeder bekannten seismischen Störquelle. Die Container

mit den ausgedienten Brennelementen sind aus Gusseisen samt korrosionsfestem Kupfermantel. Zusätzlich werden sie in ihren „Gräbern“ mit Bentonit, einer Mischung aus verschiedenen Ton-mineralien, eingekapselt, das eindringendes Wasser aufsaugen und als Dichtmasse aufquellen würde. Als weitere Schutzschicht dient ein Zementblock, der jede Lagerstätte abschließt. So ver-packt soll – nach Ende der Einlagerung – alles sich selbst über-lassen werden. Das ist ja gerade der Sinn eines Endlagers: kein Wartungs- und Reparaturbedarf, kein Zwang zur Energieversor-gung, kein Personal, das bis in alle Ewigkeit unter Tage nach dem Rechten schauen muss. All das ließe sich bestenfalls für wenige Jahrzehnte planen und aufrechterhalten.

Die Geschichte lehrt aber, dass Unruhen, Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen oder Kriege bislang noch jede Planung durch-kreuzt haben, die über solche Zeiträume hinausging. Ein Risiko, auf das sich Endlager nicht einlassen können. Stattdessen stellen

FLUCHTWEG: Ein Lastenaufzug im Abluftschacht kann im Notfall genutzt werden, um Mitarbeiter aus 290 Metern Tiefe in Sicherheit zu bringen

MEDIEN-ANDRANG: Posiva-Sprecher Pasi Tuohimaa (1. v. r.) und ein Geologe führen Journalisten durch die unterirdische Anlage

ONKALO BIETET DIE LÖSUNG, DIE ANDEREN IMMER NOCH FEHLT

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sie ein sich selbst genügendes, rein passives, jedoch mehrfach gestaffeltes Sicherheitssystem bereit. Es behütet die fast völlige Ereignislosigkeit in der Tiefe, abgesehen vom Zerfall der radio-aktiven Isotope. „Onkalo kann ein internationales Modellprojekt werden“, findet Tuohimaa. „Zwar hat jedes Land seine geolo-gischen Eigenarten, daher lässt es sich nicht eins zu eins über-tragen. Das Konzept der multiplen Barrieren dagegen schon.“

BOTSCHAFTEN AN KÜNFTIGE GENERATIONENDie äußerste dieser Barrieren ist noch Zukunftsmusik. Wenn irgendwann nach dem Jahr 2100 die Einlagerung von mindes-tens 6.000 Tonnen strahlenden „Souvenirs“ vollendet sein wird, sollen die Nachfahren der heutigen Ingenieure die Einfahrt zur Unterwelt mit einem undurchdringlichen Betonpfropfen gegen Hausfriedensbrüche jeglicher Art versiegeln. Dann wird der oberirdische Teil der Anlage abgebaut, die ursprüngliche Land-schaft renaturiert – und es soll Gras über Onkalo wachsen. Das wirft fast philosophische Fragen auf: Müsste die Welt noch bis zu 100.000 Jahre lang vor dem gewaltsamen Öffnen der Grab-kammer des gefährlichen Zivilisationsmülls gewarnt werden? Und in welchem Medium könnte diese Botschaft selbst eine neue Eiszeit überdauern, wie sie Wissenschaftler in 60.000 Jah-ren erwarten – mit kilometerdicken Gletschern über Onkalo? Würde die vergessliche, gleichwohl neugierige Spezies Mensch nach dem Abtauen des Eises die uralten Warnungen womöglich als Einladung fehldeuten?

Der dänische Konzeptkünstler und Filmemacher MichaelMadsen geht diesen Fragen in seinem preisgekrönten Doku-mentarfilm über Onkalo („Into Eternity“) nach. Madsen stellt hier einige Entwürfe für intuitiv wirksame „Abschreckungs-landschaften“ oberhalb des Atommüll-Grabes vor. Es sind Skiz-zen von zeitloser Symbolik: ein Dickicht aus steinernen Dornen

etwa oder ein Relief von Edvard Munchs alarmierendem Gemäl-de „Der Schrei“. Als weitere Möglichkeit ist ein Stelenfeld aus Monolithen zu sehen, deren Gravuren Lage und Gefährlichkeit der Artefakte tief im Fels markieren. Doch der Regisseur erwägt auch den Fall, dass die Inschriften verwittern und die Warnbot-schaft nur noch mündlich von Generation zu Generation gelangt: „Haben euch eure Eltern vor der Grabkammer gewarnt, die euch immer daran erinnern soll, dass ihr sie vergessen müsst?“

Die melodramatische Poesie des Film-Essays ist nicht gerade das, was die Betreiber von Onkalo in der Sache für angemessen halten. Posiva-Sprecher Tuohimaa hält zunächst nichts von der These, dass in derart ferner Zukunft weiterhin eine Gefahr von Onkalo ausgehe: „Nach 400 bis 500 Jahren wird der Müll zwar noch aktiv sein, aber man könnte ihn dann theoretisch eine Weile zu sich nach Hause nehmen – ohne dabei einer allzu hohen Strah-lung ausgesetzt zu sein.“ Irgendwelche Langzeit-Warnhinweise an der Oberfläche plane Posiva jedenfalls nicht. „Wir betrachten Madsens Film als reine Spekulation. In 100.000 Jahren wird die-ser ganze Ort hier nicht mehr als gewöhnlicher Fels sein.“ Die „Versteinerung“ der Altlasten von Onkalo und die Tilgung aus dem Gedächtnis der Menschheit wäre sicher ein günstiger Ausgang die-ses Jahrhunderttausend-Projekts, das bis heute knapp eine Milli-arde Euro verschlungen hat. Bis der erste Atommüll eingelagert wird, dürfte noch einmal derselbe Betrag fällig werden – und dann geht der Tunnelbau in Onkalo noch 100 Jahre weiter. Ein Fonds der finnischen Kernkraftbetreiber, gespeist aus den Atomstrom-gewinnen, soll dafür anstelle der Steuerzahler aufkommen. Tuo-himaa bewertet das als einen fairen Deal: „Wenn man bedenkt, wie viel Strom da produziert wurde, ist der Preis für die Endlage-rung gar nicht so hoch.“ Es ist wohl das Geheimnis von Onkalo: Vor einem genügend großen Maßstab wird jede Zahl, und jedes Problem, vergleichsweise klein.

TUNNELSTRASSE

LAGERSTÄTTEN

KUPFERMANTEL

ENDLAGER

AKW

VERSORGUNGSSCHÄCHTE

WELT DER STILLE: Voraussichtlich ab 2020

wird hochradioaktiver Atommüll aus fi nnischen

AKWs oberirdisch zum Endlager Onkalo

transportiert. Die Spezial-Müllbehälter

haben einen rostfreien Kupfermantel.

Über eine gewundene, fünf Kilometer lange

Tunnelstraße bringen Spezialfahrzeuge jeden Behälter zu individuel-

len Lagerstätten in 450 Meter Tiefe. Senk-

rechte Versorgungs-schächte dienen der

Be- und Entlüftung der unterirdischen Anlage

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DER KÖRPER IST DAS LIMIT

Militärpiloten brauchen eine gut trainierte Physis, um unter Extrembedingungen die Kontrolle zu behalten – mitunter sind sie Belastungen bis zum Neunfachen der Erdbeschleunigung

ausgesetzt. Im Fliegerärztlichen Institut der Schweizer Luftwaffe unterstützt Dräger sie dabei mit einem Test- und Trainingszentrum.

TEXT TOBIAS HÜRTER  FOTOS PATRICK OHLIGSCHLÄGER

VOLLE KONZENTRATION: Schweizer Militärpiloten wie Jürg Niemeyer (l.) haben viele Missionen zu erfüllen – sie unterstützen unter anderem die Rettungsfl ugwacht bei Search-and-Rescue-Einsätzen, machen Luftaufnahmen oder fahnden nach fl üchtigen Straftätern

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67DRÄGERHEFT 405 | 1 / 2019

MILITÄRPILOTEN

Der Militärflugplatz in Düben-dorf hat eine große Geschichte. Hier nahm zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Schweizer Luftfahrt ihren Anfang, hier hob 1932 der Physiker und Erfin-der Auguste Piccard zu seinem legen-dären Ballonflug in die Stratosphäre ab, hier landeten während des Zweiten Welt-kriegs angeschossene Flugzeuge der Alli-ierten. Bis heute ist das weitläufige Areal bei Zürich ein bedeutender Stützpunkt der Schweizer Luftwaffe. Regelmäßig starten leichte und schwere Helikopter zu Einsatz- und Übungsflügen. Auch die Kunstflugstaffel PC-7 ist hier stationiert.

Ein wichtiger Teil des Alltags der Schweizer Militärpiloten spielt sich jedoch nicht in den Hangars von Dübendorf ab, sondern fünf Autominuten entfernt: im Fliegerärztlichen Institut. Hierher kom-

men die Piloten, wenn es um ihre Gesund-heit geht; sie werden auf Herz, Nieren und mehr getestet, bevor sie in die Staf-feln aufgenommen werden. Zudem müs-sen sie sich jährlichen Tests unterziehen, um sicherzustellen, dass sie weiterhin für ihren physisch und mental äußerst anspruchsvollen Job geeignet sind. Am Ins-titut werden sie auch in Gesundheitsfra-gen beraten und können trainieren.

ALLES, NUR KEIN BLACKOUTSeit 2004 betreibt Dräger das Test- und Trainingszentrum des Instituts. Gelei-tet wird es von Sven Rochelt, Produktma-nager bei Dräger. Der studierte Sport-wissenschaftler entwickelte damals das ursprüngliche Konzept, als die Schwei-zer Luftwaffe den Auftrag für das Zen-trum öffentlich ausschrieb. Anfangs steu-erte er das Zentrum von Deutschland aus, nach ein paar Jahren zog er nach Zürich. Unterstützt wird er von einem siebenköp-

figen Team, sodass die Piloten stets auf einen Ansprechpartner treffen. Zunächst lag der gesundheitliche Schwerpunkt auf der Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems.

Tatsächlich ist das Herz beim mili-tärischen Fliegen extremen Belastun-gen ausgesetzt. Zieht die Maschine nach oben, sackt das Blut nach unten. Das Herz muss ein Vielfaches des Ruheblutdrucks aufbauen, um das Gehirn weiterhin mit Sauerstoff zu versorgen. Sonst droht der gefürchtete G-LOC, ein Blackout, der Pilo-ten in einer überschallschnellen Maschi-ne leicht das Leben kosten kann. Daher stärken sie in Zentrifugen ihre Resistenz gegen hohe Beschleunigungen und tra-gen Anti-G-Hosen, die mittels Kompressi-on verhindern, dass sich das Blut in den Beinen sammelt.

Flugmediziner erklären das so: Die Blutgefäße in den Armen und  Bei-nen sowie im Bauch erweitern sich bei ex tremer Beschleunigung schlagartig.

STARKER RÜCKEN: Wie

lange kann der Pilot Jürg Niemeyer

diese Position halten? Die Dräger-

Mitarbeiterin Janine Rochelt

stoppt mit

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MILITÄRPILOTEN

Das Herz, obwohl es mit einer Pulsfre-quenz von 190 bis 200 Schlägen kräftig pumpt, schafft es nicht mehr, die Körper-partien oberhalb des Brustkorbs mit Blut zu versorgen. Im Gehirn entsteht eine Blutleere. Der Blackout ist das letzte kur-ze Warnzeichen vor der Bewusstlosigkeit. Der Pilot kann dann zwar noch hören, aber kaum reagieren. Untrainierte Men-schen würden in einem eng manövrie-renden Kampfjet sofort das Bewusstsein verlieren. Allerdings zeigte sich, dass das Herz-Kreislauf-System nicht die kritischs-te Komponente der Pilotenphysis ist. Noch wichtiger sind starke Muskeln, besonders im Rücken und Nacken.

Die Abfangjäger des Typs F/A–18 Hornet des amerikanischen Herstellers Boeing setzen die Piloten Belastungen bis zum Neunfachen der Erdbeschleunigung aus. Derart extreme Werte werden im Training jedoch selten produziert, denn sie strapazieren nicht nur die Besatzung, sondern auch die Maschinen. Dennoch müssen Piloten sie im Ernstfall aushalten können. Dabei muss die Nackenmuskula-tur den fünf Kilogramm schweren Kopf und drei Kilogramm schweren Helm sta-

bil halten, während eine Kraft entspre-chend einem Gewicht von über 70 Kilo-gramm an ihr zerrt. Und so gehört es zum Job der gut 200 Schweizer hauptberufli-chen Militärpiloten, sich mindestens ein-mal im Jahr zum Formcheck in den Räu-men des Test- und Trainingszentrums am Institut einzufinden.

REGELMÄSSIGES TRAININGDie Mitarbeiter des Vital Management Teams von Dräger prüfen die Kräfte der Flieger nicht mit schweren Gewichten, sondern vor allem mit isometrischen und dynamischen Übungen. Zum Beispiel las-sen sie ihre Schützlinge auf einer Matte in den Seitstütz gehen oder bäuchlings auf einem Kasten liegend die Beine waage-recht in die Luft strecken – und stoppen mit der Uhr, wie lange sie diese Position halten können. Anschließend wird aus-gewertet. Wie haben sich die Ergebnisse im Vergleich zum letzten Test verändert? Sollte man das Training anpassen? Die Empfehlungen können die Piloten gleich nebenan umsetzen: im Trainingsraum des Zentrums, der mit freien Gewichten, Zugtürmen, TRX-Bändern, Gymnastikbäl-

len und Ausdauergeräten ausgestattet ist. Neben dem Kraftaufbau empfiehlt Sven Rochelt den Piloten, und allen sportli-chen Menschen, das regelmäßige „Ausrol-len“ der Muskeln mit Faszienrollen und -bällen, um die Muskelfasern geschmei-dig zu halten. Der 40-jährige Helikopter-Pilot Jürg Niemeyer kommt einmal pro Woche zum Training hierher. Dem Sohn eines deutschen Vaters und einer Schwei-zer Mutter fällt es nicht schwer, sich fit zu halten – im Sommer fährt er Rennrad, im Winter läuft er auf Langlauf-Skiern durch das Zürcher Oberland.

Niemeyer flog ursprünglich zahme-re Maschinen, als Linienpilot der Swiss-air. Aber just zum Ende seiner Ausbildung musste die Swissair den Flugbetrieb ein-stellen. Niemeyer bewarb sich bei der Luftwaffe und bestand die Aufnahme-tests. So kommt es, dass Niemeyer statt der blauen Uniform eines Linienpiloten den olivgrünen Pilotenanzug der Schwei-zer Armee trägt, der ihn als „Nimi“ aus-weist. Unter Militärpiloten spricht man sich traditionell mit dem Spitznamen an.Eines Tages lag ein Formular vor Niemey-er, auf dem er eine von zwei Optionen für

GENAU GEPLANT: Aus den Tests leiten Dräger-Mitarbeiter Empfehlungen für das Training der Piloten ab

RECHENKUNST: Die Piloten absolvieren

auch kognitive Tests unter Sauerstoff mangel

FÜR EINEN KLAREN KOPF IN KRITISCHEN SITUATIONEN BRAUCHEN

PILOTEN EINE STARKE PHYSIS

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SCHWERER BRUMMER: Die Aérospatiale AS 332 hat ein maximales Startgewicht von neun Tonnen

seine Pilotenlaufbahn ankreuzen konnte: Jet oder Helikopter? Er entschied sich für den Helikopter.

Die Jetfliegerei mag spektakulärer sein, besteht aber größtenteils aus Trai-ning. Zwar müssen die Helikopterpiloten längst nicht so starke Beschleunigungen wie ihre düsengetriebenen Kollegen aus-halten, doch die Vibrationen und länge-ren Einsätze belasten sie nicht weniger. Die Staffel, zu der Niemeyer gehört, fliegt mit Maschinen des mittelschweren Typs Aérospatiale AS 332, auch Super Puma genannt: maximales Startgewicht neun Tonnen inklusive anderthalb Tonnen

Treibstoff. Mit ihnen erfüllen Niemey-er und Kameraden viele Missionen. Sie unterstützen unter anderem die Schwei-zer Rettungsflugwacht Rega bei Search-and-Rescue-Einsätzen, machen Luftauf-nahmen für Landkarten, fahnden nach flüchtigen Straftätern oder eskortieren ranghohe Politiker.

SUCHAKTION IM STURMEin dramatischer Einsatz ist Niemeyer besonders im Gedächtnis geblieben: die Suche nach einem deutschen Arzt, der im Appenzeller Land in Bergnot geriet. Über eine Stunde lang flogen sie mit

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MILITÄRPILOTEN

einem – mit Infrarotsuchgerät und star-kem Scheinwerfer ausgerüsteten – Hub-schrauber durch Sturm, Regen und dich-te Wolken. Dann musste er entscheiden, die Suche abzubrechen, sonst hätte er die Männer an Bord und sich selbst in Lebensgefahr gebracht.

Diese Geschichte illustriert, was Nie-meyer als die Schlüsselfähigkeiten eines guten Piloten nennt: „Situation aware-ness“ und „Decision making“. Es sind mentale Fähigkeiten. Doch einen starken Geist gibt es nur in einem starken Körper. Der einstündige Sucheinsatz im Sturm brachte auch den gut trainierten Niemey-er an den Rand seiner physischen Kräfte.

TESTEN UND UNTERSTÜTZENIn den Räumen des Test- und Trainings-zentrums stellt Niemeyer unter Beweis, dass er auch für kritische Situationen gewappnet ist. Niemeyer liegt auf einer Liege, Bauch nach unten, den Kopf über den Rand hi naus frei schwebend haltend, während eine acht Kilogramm schwere Kugelhantel an einem Band um seine Stirn hängt. Eine Dräger-Mitarbeiterin drückt die Stoppuhr. Niemeyer hält diese Stellung

zehn Minuten lang. Dass er und seine Kol-legen heute gern ins Fliegerärztliche Insti-tut kommen, hat auch mit dessen medizi-nischem Direktor Oberst Dr. Andres Kunz zu tun. Als Kunz 2010 die Leitung des Ins-tituts übernahm, beobachtete er, dass die Piloten den Gang dorthin eher scheuten. Sie wurden hier fast ausschließlich des-halb untersucht, um ihre Tauglichkeit zu überprüfen. „Ich wollte ihnen zeigen, dass wir sie nicht nur prüfen, sondern vor allem unterstützen wollen.“

Kunz förderte eine offene, integrative Feedback-Kultur, baute die hausärztliche Betreuung aus und führte Flugplatzvisi-ten ein, statt die Piloten ins Haus kommen zu lassen. „Nur wenn man die Piloten an ihrem Arbeitsplatz erlebt, kann man ver-stehen, welchen Belastungen sie ausge-setzt sind“, sagt er. Das Test- und Trai-ningszentrum spielt dabei eine wichtige Rolle. „Wir empfinden Dräger als wesent-lichen Teil unseres Betriebs und schätzen das Know-how, das dahintersteckt.“ Das Fliegerärztliche Institut arbeitet mit Drä-ger nicht nur bei der Betreuung der Pilo-ten zusammen, sondern auch in der For-schung und Entwicklung – so steht im

Keller beispielsweise die inzwischen ein-zige Hypoxie-Kammer der Schweiz, Bau-jahr 1951, getestet für simulierte Höhen bis 20.000 Meter, genutzt bis 9.000 Meter.

KOMPLEXE ANFORDERUNGENHier können die Piloten die für sie lebens-wichtige Erfahrung machen, wie sich die Mangelsymptome extremer Höhen-luft anfühlen. Sprich: wie man ruhig und konzentriert bleibt, wenn der Sauerstoff-mangel das Gehirn benebelt und das im Blut angereicherte Kohlendioxid Panikge-fühle erzeugt. Die medizinischen Anforde-rungen an Militärpiloten sind so komplex wie in nur wenigen Berufen – und damit auch die Anforderungen an das Flieger-ärztliche Institut. Es prüft den Seh- und Hörsinn der Piloten sowie ihren Zahnsta-tus, es betreibt sogar ein eigenes medizi-nisches Labor. Auch psychologisch werden die Piloten dort getestet und betreut. In den zig Millionen Franken teuren, tech-nisch hoch entwickelten Fluggeräten von heute ist der Mensch der limitierende Fak-tor. Das Fliegerärztliche Institut in Düben-dorf zielt darauf, ihn bestmöglich einzu-stellen – und Dräger unterstützt dabei.

IN DEN FLUGGERÄTEN IST DER MENSCH DER LIMITIERENDE FAKTOR

PERFEKTE HALTUNG: Die Piloten trainieren besonders viel mit dem Schlingentrainer

HÖHENLUFT IM KELLER: Das Fliegerärztliche Institut

der Schweizer Luftwaff e beherbergt die einzige Hypoxie-

kammer des Alpenstaates

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Technik für das LebenHier finden sich einige PRODUKTE dieser Aus gabe im Überblick. Die QR-Codes

führen zu den jeweiligen Produkt informationen. Haben Sie Fragen zu einem Gerät oder zum Drägerheft? Dann schreiben Sie uns: [email protected]

Die Dräger Safety AG & Co. KGaA, Lübeck, ist Hersteller folgender Produkte: FTS 8000 (S. 3), X-am 5000 + 8000 (S. 8), MFC 7000 (S. 10), Oxy 3000/6000 MK II + Pac 5500 + PSS 3000 + Saver CF (S. 22), X-plore 6300 (S. 22, 61), Lungenautomat U + Panorama Nova (S. 30), X-am 5000 + Chip-Mess-System (S. 41), FPS 7000 (S. 45),

X-am 5600 + 7000 (S. 54), Oxy K 30 + 3000 (S. 54). Die Drägerwerk AG & Co. KGaA, Lübeck, ist Hersteller der Software SmartPilot View (S. 35).

SMARTPILOT VIEW Die Soft-ware berechnet und visualisiert den prognostizierten Status und Verlauf komplexer Anästhesiemittel-Eff ekte für die nächsten 20 Min. auf Basis applizierter Medikamente. Seite 35

PAC 6500 (Nachfolger des 5500) Personenbezogenes Eingasmess-gerät, das verschiedene Gase misst – etwa: Kohlenstoff monoxid,Schwefelwasserstoff oderSauerstoff . Seite 22

FPS 7000 Atemschutzvollmaske mit großem Sichtfeld (aus verzer-rungsfreiem Polycarbonat), die sich mit verschiedenem Zubehör kombinieren lässt – sie ist in drei Größen erhältlich. Seite 45

X-AM 8000 Dieses Gaswarn-gerät misst bis zu sieben toxische sowie brennbare Gase, Dämpfe und Sauerstoff gleichzeitig – im Pumpen- oder Diff usionsbetrieb. Seite 8

OXY 3000/6000 MK II Ob im Bergbau oder in vielen anderen Industrien rund um den Globus: Die Geräte versorgen ihre Träger bei Sauerstoff mangel für 30 oder 60  Minuten mit Atemluft. Seite 22

PSS 3000 Leichtestes eigenständiges Atemschutzgerät der Dräger PSS-Serie. Es zeichnet sich durch eine einfache Handhabung, robuste Bauweise sowie einen hohen Tragekomfort aus. Seite 22

MFC 7000 Multifunktionskabine für die Aufbereitung von Atemschutz-ausrüstung und Chemikalienschutz-anzügen. In einem Arbeitsgang kann gereinigt, desinfi ziert und getrocknet werden. Seite 10 D

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SERVICEINFOS

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EINBLICKSENSORIK

GELASSENHEITDANK KONTROLLE

Frischgebackene Eltern kennen das: Es gibt nichts Schöneres, wenn der Nachwuchs ruhig schläft. Mit dem Dräger Dreamguard stellt sich dann auch im Nebenzimmer – oder auf der Parkbank – Gelassenheit ein: Denn das Gerät

meldet auf intelligente Weise, ob mit dem Baby alles in Ordnung ist.

LEISE UND LAUT

Die maximale Lautstärke ist durchdringend. Bei einem Alarm ist das die einzige Stufe. Die Lautstärke des Babyphones aber lässt

sich mit diesen Tasten anpassen.

ALLES SCHLÄFT

Leuchtet dieses Symbol, melden Sensor und Algorithmus, dass sich das Baby in einer ruhigen Schlaf position befi ndet. Ist das nicht der Fall, ist der Nachwuchs vermutlich wach. Liegt das Baby auf dem Bauch, wird dies ebenfalls signalisiert.

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Die dreistufi ge Anzeige zeigt aufeinen Blick, in welcher Lautstärke sich das Baby meldet. Übrigens lässt sich das Wearable zusätzlich mit einer App für iOS und Android empfangen – kostenlos.

EIN/AUS

Der Receiver läuft am Netz, kannaber – dank eingebauter und auto-matisch geladener Akkus – auchmobil und selbst außerhalb der eigenen vier Wände für längere Zeit betrieben werden. Er empfängt die Signale vom Wearable über Bluetooth als „Metadaten“.

STUMM-SCHALTER

Ein mit der Universität Lübeck sorg-fältig erarbeiteter Algorithmus analysiert

Bewegungsmuster des Wearable und schlägt Alarm, wenn mit dem Baby etwas nicht

stimmen könnte. Dieser Alarm lässt sich für kurze Zeit stumm schalten.

WEARABLE

Es wird an der Kleidung des Babys befestigt, Magnet und Kontermagnet sorgen

für festen Halt. Zwei Sensoren erkennen Bewegungen als Winkelbeschleunigung in

allen Achsen. Es wird auf dem Receiver über Kontakte auf der Rückseite geladen

und hat auf der Vorderseite ein Mikrofon (Babyphone-Funktion).

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LICHTRING

Er leuchtet grün, wenn alles in Ordnung ist, und wechselt zu Gelb

bei einer technischen Meldung. Und bei Alarm? Den signalisiert er in Rot.