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Wissensmanagement in großen und verteilten Technologie-Unternehmen Problembereiche, Fallstudien, Anforderungen und technische Umsetzungsm ¨ oglichkeiten mit dem Informationssystem Hyperwave Felix M ¨ odritscher

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Wissensmanagement in großen undverteilten Technologie-Unternehmen

Problembereiche, Fallstudien, Anforderungen undtechnische Umsetzungsmoglichkeiten mit dem

Informationssystem Hyperwave

Felix Modritscher

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Wissensmanagement in großen und verteiltenTechnologie-Unternehmen

Problembereiche, Fallstudien, Anforderungen und technische Umsetzungsmoglichkeiten mitdem Informationssystem Hyperwave

Diplomarbeit

an der

Technischen Universitat Graz

vorgelegt von

Felix Modritscher

Institut fur Informationsverarbeitung und Computergestutzte neue Medien (IICM),Technische Universitat Graz

A-8010 Graz

31. August 2002

c© Copyright 2002, Felix Modritscher

Diese Arbeit ist in deutscher Sprache verfasst.

Begutachter: o.Univ.-Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Hermann Maurer

Betreuer: Dipl.-Ing. Christian Gutl

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Knowledge management for large and distributed technologycompanies

Problems, case studies, requirements and possible technical realizations using theinformation system Hyperwave

Master’s Thesis

at

Graz University of Technology

submitted by

Felix Modritscher

Institute for Information Processing and Computer Supported New Media (IICM),Graz University of Technology

A-8010 Graz, Austria

31st August 2002

c© Copyright 2002 by Felix Modritscher

Advisor: o.Univ.-Prof. Dr.Dr.h.c.mult. Hermann Maurer

Supervisor: Dipl.-Ing. Christian Gutl

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Kurzfassung

Lebenslanges Lernen ist nicht nur fur den Einzelnen wichtig, auch Organisationen konnen ohnestandige Veranderungsprozesse nicht am Markt bestehen. Dazu mussen sie in der Lage sein, Wissen zugenerieren und aufzunehmen. Diese Vorgange wiederum bedurfen Zielsetzungen und Maßnahmen zuderen Erreichung, also einem Management von Wissen und Wissensprozessen. Dies gilt insbesondersfur große, multinationale Konzerne, die neben den herkommlichen Problemen des Wissensmanage-ments auch noch die geographische Verteilung der Betriebsstatten sowie sprachliche und kulturelleBarrierenuberwinden mussen. Ziel dieser Arbeit ist es, ein organisatorisch-technisches Rahmenkon-zept fur Wissensmanagement in großen Technologie-Konzernen zu entwickeln und das Informations-system Hyperwave hinsichtlich dieses Konzepts zu evaluieren.

Im Untersuchungsbereich werden zunachst die wesentlichen Begriffe des Wissensmanagementsdefiniert sowie theoretische Modelle und KM-Ansatze vorgestellt. Im Anschluss daran werden allge-meine Problembereiche, die bei der Beschaftigung mit Knowledge Management auftreten, behandelt.Dabei wird auf spezielle Punkte in großen, geographisch verteilten Konzernen hingewiesen. Dannwerden fur die erwahnten Problembereiche Losungsansatze anhand von Fallstudienuber renomierteUnternehmen sowie anhand von theoretischenUberlegungen zu lernenden Organisationen gezeigt.

Im Gestaltungsbereich werden aufbauend auf den Erkenntnissen des Untersuchungsbereichs zuerstdie Bausteine des Wissensmanagement, also die wesentlichen Wissensprozesse, in großen und verteil-ten Unternehmen analysiert und allgemeine Anforderungen an das Knowledge Management sowiean ein IT-System erarbeitet. Des Weiteren wird evaluiert, welche Komponenten eines solchen idealenKM-Systems mit dem Hyperwave Informationssystem realisiert werden konnen. Schließlich werdenzwei Module, die als Erganzung zur Produktpalette von Hyperwave entwickelt wurden, vorgestellt.

Abschließend wird diese Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick fur die Beschaftigung mit Wis-sensmanagement in großen, verteilten Unternehmen gegeben.

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Abstract

Lifelong learning is not only important for individuals. Organisations also have to go throughcontinuous modification processes to survive in the market. Therefore it must be possible to generateand assimilate knowledge. These processes require the specification of objective targets and steps fortheir achievement in terms of management of knowledge and knowledge processes. In particular big,multinational companies have to invest in this area, because they are facing not only the commonproblems of knowledge management, but also geographical distribution and linguistical or culturalbarriers. The intention of this thesis is to present a general concept for knowledge management in afocused technology company and to evaluate the information system Hyperwave with respect to thisconcept.

The theoretical part defines the most important terms of knowledge management and introducestheoretical models and approaches. Then the problematic areas of knowledge management in generaland special problems for big, multinational companies in particular are pointed out. Next solutions tothese problems are shown on the basis of case studies about well-known companies and theories aboutlearning organisations.

In the practical part of the thesis the relevant knowledge processes of multinational companiesare analysed and general requirements for knowledge management and for an informationsystem aredeveloped. Then it will be evaluated, which component of this ideal system can be realized using theHyperwave Informationsystem. At last the implementation of two choosen modules, which completesthe ideal knowledge management system for multinational companies, is pointed out.

Finally this thesis is summarized and an outlook for further engagement with knowledge manage-ment in worldwide operating companies is given.

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Ich versichere hiermit, diese Arbeit selbstandig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfs-mittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfsmittel bedient zu haben.

I hereby certify that the work presented in this thesis is my own and that work performed by others isappropriately cited.

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Danksagung

An dieser Stelle mochte ich mich bei all jenen bedanken, die mir beim Erstellen dieser Arbeit mitTat und Rat zur Seite standen.

Allen voran waren dies die Mitarbeiter des IICM um Professor Hermann Maurer, die immer einoffenes Ohr fur meine Probleme hatten. Dank gilt hierbei besonders meinem Betreuer Dipl.-Ing. Chri-stian Gutl, der mich durch wiederholte Besprechungen und oftmaliges Korrigieren dieser Diplomarbeitlehrte, wie man wissenschaftliche Arbeiten erstellt.

Weiters seien hier folgende Studien- und Arbeitskollegen erwahnt: Dipl.-Ing. Georg Lindsberger,der mich durch seine Vorbildwirkung zum Studienabschluss motivierte, Dipl.-Ing. Helmut Leitner stell-vertretend fur alle Mitarbeiter der Web Application Group sowie Thomas Volcan, Peter Grundner undSusanne Thuringer fur die vielen Ratschlage und aufmunternden Gesprache wahrend der unzahligenKaffeepausen am IICM.

Ganz besonderer Dank gilt meiner Familie, die mich all die Jahre hinweg unterstutzten, insbeson-ders meinem viel zu fruh verstorbenen Vater Wilhelm Modritscher, meiner Mutter Monika Modritscherund meinem Bruder Klaus Modritscher.

Felix ModritscherGraz, Austria, August 2002

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 11.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Strukturierung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

I. Untersuchungsbereich 5

2 Begriffsbestimmung 72.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2 Die hierarchische Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.3 Informations- und Wissensverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.4 Implizites und explizites Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.5 Intellektuelles Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.6 Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.7 Der prozessorientierte Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.8 Die Spirale der Wissensschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3 Problembereiche des Wissensmanagements 213.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.2 Umfrage: Wissensmanagement in Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.3 Abbau von Wissensbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.4 Einsatz von Informationstechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303.5 Bewaltigung der Informationsflut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.6 Informationsqualitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.7 Lernende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453.8 Virtuelle Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513.9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

4 Fallstudien 574.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574.2 Projektabwicklung in der Schindler Aufzuge AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584.3 KM-Spezialist Teltech . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654.4 Das KM-Framework von Siemens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724.5 Das webbasierte KM-System von Rolls-Royce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784.6 Das Management lernender Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834.7 Die Rolle des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

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II. Gestaltungsbereich 97

5 Anforderungen an Wissensmanagement 99

5.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

5.2 Wissen identifizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

5.3 Wissen erwerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

5.4 Wissen entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

5.5 Wissen (ver)teilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

5.6 Wissen nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

5.7 Wissen bewahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

5.8 Wissensziele definieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

5.9 Wissen bewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

5.10 Ideales KM-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

5.11 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

6 Technische Umsetzung mit Hyperwave 125

6.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

6.2 Die Entstehungsgeschichte von Hyperwave . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

6.3 Document Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

6.4 Mitarbeiterverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

6.5 Search-Engine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

6.6 Workgroup Computing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

6.7 eLearning System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

6.8 Newssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

6.9 Web-Services . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

6.10 Weitere Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

6.11 Vorschlage fur weitere Module . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

6.12 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

7 Entwickelte Hyperwave Komponenten 141

7.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

7.2 Bereichsportal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

7.3 Workflow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

7.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

8 Zusammenfassung und Ausblick 155

Literatur 157

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Kapitel 1

Einleitung

1.1 Motivation

“Wissen” gewinnt in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels in eine Wissens- und Informationsgesell-schaft zunehmend an Bedeutung. Dabei ist lebenslanges Lernen nicht nur fur den Einzelnen essenti-ell, auch Organisationen konnen ohne standige Veranderungs- und Verbesserungsprozesse am Marktnicht uberleben. Die herkommlichen Unternehmensbereiche sind inzwischen hinreichend erforscht –es gibt beispielsweise fur Produktion, Personal, Finanzierung, Marketing, usw. eine große Anzahl anManagementmethoden in der Literatur und der Lehre. Wissensmanagement, also die Einflussnahmeauf Wissensbestande der Mitarbeiter und Fahigkeiten von Teams und der Organisationen selbst, findetjedoch erst seit wenigen Jahren Beachtung. [Probst et al. 1999]

Seit Jahrzehnten zeichnet sich der prozentuelle Ruckgang der Produktion im Agrar- und Industrie-sektors ab, wahrend weltweit immer mehr Unternehmen Dienstleistungen anbieten und sogenannteWissensprodukte erstellen. Auch Unternehmen und Konzerne der “Old Economie” erkennen, dass In-novationen rund um ein Produkt notwendig sind und Wissen als Produktionsfaktor von zumindestgleichwertigem Rang wie die klassischen Faktoren Arbeit, Boden und Kapital ist. [Rollett 2000]

Gerade bei Dienstleistungsunternehmen ist der Wert von Wissen noch offensichtlicher: Software-Ersteller sowie auch innovative Internet- und Biotechnologie-Unternehmen werden mit Marktkapita-lisierungen bedacht, die an Konzerne der “Old Economie” heranreichen, obwohl die Bilanzsummenund die Mitarbeiterzahlen nur einen Bruchteil dieser betragen. Wissen in einer solchen Unterneh-mung wird mit einem Vielfachen der bilanzierten Aktiva bewertet, denn Wissen stellt gerade hier einezentrale Grosse fur den kunftigen Unternehmenserfolg dar. Nur auf einer bestehenden Wissensbasiskonnen neue Innovationen erbracht werden, die oft erst in Zukunft fur neue Umsatzzuwachse sorgen.[Borghoff et al. 1997]

Eine Onlineumfrage des Instituts fur e-Management e.V. (IFeM) vom Mai 2001 bestatigt, dassdas Thema Wissensmanagement medial bereits seinen Zenit erreicht hat, es aber in den Unternehmendurchaus nicht vollstandig umgesetzt ist. So erkennt zwar ein Großteil der Befragten, dass Know-ledge Management in den Kompetenzbereich des Managements gehort und von diesem unterstutztwerden muss, als die großte Hurde fur ein erfolgreiches Wissensmanagement wird jedoch die fehlendeAkzeptanz durch die Mitarbeiter gesehen, was als Zeichen fur eine unzureichende Unternehmenskul-tur zu werten ist. Auch das vorschnelle Einfuhren eines IT-Systems ist haufig als negative Erfahrungangefuhrt, allerdings zeigt die Auswertung der Umfrage auch, dass bei einem Drittel der BefragtenKnowledge Management primar in der IT-Abteilung vorangetrieben wird. Von Wissensmanagementselbst erwartet man, dass es das interne Wissen zusammenfuhrt und hieraus neue Erkenntnisse gewon-nen werden konnen. Zugleich wird auch in den Unternehmen gesehen, dass die direkte Kommunikation

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2 KAPITEL 1. EINLEITUNG

unter den Menschen ein wichtiger Punkt im Wissensaustausch ist. [IFeM 2001]

Alles in allem bescheinigt die oben genannte Studie der Beschaftigung mit Knowledge Manage-ment in den Unternehmen eine ansteigende Tendenz, dennoch gibt es weiterhin viele Grunde dafur,dass das Engagement in Wissensmanagement vorangetrieben werden muss. So werden die Wissen-sprozesse in den Unternehmen immer dynamischer, Innovationszyklen fur neue Produkte – geradeim IT-Bereich – immer kurzer. Dadurch erhohte sich in den letzten 30 Jahren der prozentuelle Anteilan Forschungs- und Entwicklungsmitarbeitern in den Unternehmen stark. Dies bedeutet wiederrum,dass es immer mehr Wissensprozesse innerhalb der Unternehmen gibt und diese eines Managementsbedurfen. [Probst et al. 1999]

Ein weiteres Problem in der Wissensumgebung eines Unternehmens ist das wachsende Aufkom-men von neu entwickelten, externen Wissen, welches im Bezug auf die eigenen Kernkompetenzennaturlich evaluiert und gegebenenfalls erworben werden muss. Die Zahl an Publikationen und somitdie Informationsflut stieg in den letzten Jahrzehnten stark an. So wurden zwischen 1950 und 1975gleich viel Bucher wie seit der Erfindung der Druckerpresse im 15. Jahrhundert herausgegeben, alle 10bis 15 Jahre verdoppelt sich die Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten. [Krottmaier 1998]

Schließlich ist auch die zunehmende Globalisierung ein Problem des Wissensmanagements. Inweltweit tatigen Unternehmen ist die Zahl an Produktvarianten und Produktionstechnologien kaumnochuberschaubar, dazu kommen meist noch sprachliche und kulturelle Barrieren. All dies wirkt sichletztendlich auf die Wissensbasis einer Organisation aus und zwingt das Management zu einer Aus-einandersetzung mit Knowledge Management sowohl aus organisatorischer als auch aus technischerSicht. [Probst et al. 1999]

1.2 Strukturierung der Arbeit

Diese Diplomarbeit behandelt das Thema Wissensmanagement in großen und geographisch verteil-ten Technologie-Konzernen und ist in zwei Bereiche unterteilt: Der Untersuchungsbereich beschaftigtsich mit den Problembereichen des Wissensmanagements und Fallstudien von namhaften Unterneh-men. Aufbauend auf den Ausarbeitungen dieses Bereichs wird dann im Gestaltungsbereich ein allge-meines Framework sowie ein ideales KM-System fur große und verteilte Unternehmen erarbeitet. DesWeiteren werden konkrete Umsetzungen von Knowledge Management Modulen mit dem Informati-onssystem Hyperwave gezeigt sowie eigens entwickelte Komponenten vorgestellt.

Untersuchungsbereich

In Kapitel 2 werden zunachst alle wichtigen Begriffe fur eine Beschaftigung mit Wissensmanagementdefiniert und anhand anschaulicher Beispiele genauer erklart. Insbesonders wird auf die Bedeutung derBegriffe Wissen, intellektuelles Kapital und Wissensmanagement fur das zu untersuchende Umfeldhingewiesen und auf den Prozess der Wissensschaffung naher eingegangen.

Wie in der Einleitung schon kurz erlautert wurde, treten in der Praxis viele Probleme rund umdie Wissensprozesse einer Organisation auf. Kapitel 3 behandelt anhand von theoretischen Arbeitenund Berichten aus der Praxis die allgemeinen Problembereiche von Wissensmanagement detaillierter.Speziell wird bei jedem Bereich auf Probleme, die in großen und geographisch verteilten Unternehmenauftreten konnen, hingewiesen.

Kapitel 4 beschreibt Losungsansatze fur die im Kontext von großen und verteilten Konzernenerwahnten Problembereiche anhand von Fallstudienuber bekannte Unternehmen. Es werden dabeiKnowledge Management Projekte der Unternehmen Schindler Aufzuge AG, Teltech, Siemens undRolls-Royce vorgestellt und praxisnaheUberlegungen zu lernenden Unternehmen getatigt.

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1.2. STRUKTURIERUNG DER ARBEIT 3

Gestaltungsbereich

Mit welchen Maßnahmen und IT-Komponenten die Bausteine des Wissensmanagements, also die we-sentlichen Wissensprozesse, in einem multinationalen Unternehmen verbessert werden konnen, wird inKapitel 5 erortert. Hier werden basierend auf den Erkenntnissen des Untersuchungsbereichs Anforde-rungen an das Knowledge Management in großen und verteilten Technologie-Konzernen sowie Kom-ponenten fur ein ideales KM-System erarbeitet. Es ergibt sich daraus ein organisatorisch-technischesRahmenkonzept fur Wissensmanagement in einem großen, geographisch verteilten Unternehmen.

In Kapitel 6 wird nach einer kurzen Vorstellung des Informationssystems Hyperwave evaluiert,welche der Komponenten eines idealen KM-Systems man mit der Produktpalette von Hyperwave um-setzten kann. Kapitel 7 beschreibt sodann zwei Module, die erganzend zu der vorhandenen Funktiona-lit at fur das Informationssystem Hyperwave entwickelt wurden.

Schließlich wird in Kapitel 8 diese Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick auf die weitereBeschaftigung mit Wissensmanagement in großen Konzernen gegeben.

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4 KAPITEL 1. EINLEITUNG

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I. Untersuchungsbereich

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Kapitel 2

Begriffsbestimmung

2.1 Motivation

Vom Begriff “Wissen” gibt es in der Literatur eine große Anzahl an Definitionen. Ein Grund dafurist, dass sich sehr viele Diszipline mit dem Wissensbegriff auseinandersetzen. So findet man philoso-phische Ansatze in der Erkenntnistheorie oder in fernostlichen Kulturen. In unserer Gesellschaft wirdvor allem der wirtschaftliche Aspekt von Wissen hervorgehoben und Wissen als Produktionsfaktorgesehen.

Je nach Standpunkt der Betrachtungen gilt Wissen als an Personen gebunden oder in Dokumenten,Produkten und Systemen manifestierbar, als Ergebnis des Lernens, als praxisbezogen und handlungs-orientiert oder als intuitive Komponente. Auch die starke Kontextabhangigkeit ist ein Grund fur dieVielzahl an Definitionen von Wissen. [Rollett 2000]

Es werden in diesem Kapitel die fur die vorliegende Arbeit relevanten Begriffe bestimmt undtheoretische Modelle sowie KM-Ansatze, die auf große und verteilte Unternehmen Bezug nehmen,vorgestellt. Die hier erarbeiteten theoretischen Betrachtungen dienen als Grundlage fur die in dennachfolgenden Kapiteln angestellten Betrachtungen von Wissensmanagement in großen Technologie-Konzernen.

2.2 Die hierarchische Sichtweise

Eine Moglichkeit, “Wissen” zu beschreiben, ist das Aufzeigen der Beziehungen zwischen den Ebenen“Information”, “Daten” und “Zeichen”, wie Abbildung 2.1 in Form einer Pyramide zeigt. Hier wirdsogleich auch die Wertigkeit der Begriffe – Wissen ist hoherwertig als Information, Information isthoherwertig als Daten, usw. – vermittelt. [Probst et al. 1999]

Grundlage der Betrachtungen sind Zeichen aus einem bestimmten Zeichenvorrat, die, wenn sieeiner bestimmten Syntax folgen, als Daten zu verstehen sind. Ein Empfanger gewinnt nun aus DatenInformationen, wenn er diesen eine Bedeutung zuordnen kann. Erst die Vernetzung von Informationenermoglicht deren Nutzung in einem bestimmten Handlungsfeld, welches als Wissen bezeichnet werdenkann. [Probst et al. 1999]

Haufig werden als wichtige Eigenschaft von Wissen Praxisbezug und Handlungsorientierung ge-nannt. Wissen ist also die Fahigkeit, anhand von Informationen qualitativ hochwertige Entscheidungenzu treffen. Als wesentlich ist dabei auch der individuelle Aspekt zu sehen. So wird in der LiteraturWissen unter anderem als Fahigkeit bezeichnet, durch die ein Individuum eine bestimmte – physischeoder auch kognitive – Aufgabe ausfuhren kann. [Rollett 2000]

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8 KAPITEL 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

Abbildung 2.1: Die Ebenen der Begriffshierachie [Probst et al. 1999]

Die wohl wichtigste Eigenschaft von Wissen, die in Abschnitt 2.4 und 2.8 detaillierter beschrie-ben wird, ist jene der Artikulier- undUbertragbarkeit. Diese Definition erlaubt es, dass Wissen inirgendeiner Weise – zum Beispiel durch Niederschrift – festgehalten, dann getrennt vom Wissen-strager als Information weitergegeben und schließlich von anderen Personen internalisiert werdenkann. [Rollett 2000]

Der Vollstandigkeit halber sei hier noch der Begriff der Weisheit erwahnt, der fur den BereichKnowledge Management jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Man spricht von Weisheit, wennein Individuum in der Lage ist, basierend auf seinem Wissen das Muster und dessen Implikationenzu erkennen und zu verstehen. Weisheit entsteht, wenn jemand die grundlegenden Prinzipien, auf diesein Wissen aufsetzt, so erfassen kann, wie sie wirklich sind. Das Entwickeln von Weisheit geschiehtimmeruber einen langeren Zeitraum. [Bellinger et al. 2001]

Folgendes Beispiel soll die Zusammenhange zwischen den Begriffshierachien erlautern: Aus denZeichen “0”, “1”, “5”, “$” und “%” werden gemaß der Syntax fur Dollarbetrage und Prozentzahlendie Daten “$100” und “5%” gebildet. Ohne einen weiteren Kontext kann der Betrachter mit diesenDaten jedoch nichts anfangen. Weiss man jetzt, dass man auf einem Bankkonto mit einer Einlage vonmindestens $100 eine jahrliche Verzinsung von 5% erhalt, so wird aus diesen vorerst bedeutungslosenDaten eine Information. [Bellinger et al. 2001]

Versteht man nun auch das Prinzip der Kapitalisierung im Bankenwesen, so kann man diese Infor-mation nutzen und das Wissen entwickeln, dass man fur eine Kapitaleinlage von $100 nach einem Jahr$5 erhalt und dann $105 besitzt. Weiters kann man aus diesem neuen Wissen auch noch schlussfolgern,dass man bei der Einlage eines hoheren Betrages mehr Zinsen erhalt – dies entspricht jedoch noch nichtdem Begriff der Weisheit, sondern kann als Weiterentwicklung von Wissen gesehen werden. Weisheitschließlich kennzeichnet jenen, der durch Beobachten versteht, dass jeder Vorgang, der dem Verhaltender Kapitalisierung entspricht, charakteristisch fur Wachstum ist. [Bellinger et al. 2001]

2.3 Informations- und Wissensverarbeitung

Basierend auf den in Abschnitt 2.2 vorgestellten Begriffen kann nun ein weiterer Versuch einer Er-klarung der Zusammenhange zwischen diesen Begriffen gegeben werden. Abbildung 2.2 zeigt dasWechselspiel zwischen Wissen und Information nach dem Modell von Rainer Kuhlen. [Reif 2000]

Ausgangspunkt fur diese Betrachtungen ist das Handeln, welches fur Prozesse wie dem Den-ken, dem Bilden von logischen Schlußfolgerungen oder der Kommunikation – also allen Vorgangen,

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2.3. INFORMATIONS- UND WISSENSVERARBEITUNG 9

Abbildung 2.2: Kreislauf von Wissen und Information [Reif 2000]

durch welche ein Individuum Informationen aus der Umgebung aufnimmt – steht. Handeln meint aberauch das Verhalten in problematischen oder unbekannten Situationen, in denen Informationen benotigtwerden – dies entspricht quasi einer Problemlosungskomponente, die jedem Individuum eigen ist.[Reif 2000]

Uber eine Handlung kann eine Person also Informationen aufnehmen, welche sodann den Kreislaufder Transformation von Information in Wissen und umgekehrt durchlaufen. Im Prozess der Informa-tionsverwaltung werden die gewonnen Informationen nun fur die dauerhafte Speicherung aufberei-tet. Der Speicher kann dabei jeder beliebige Wissensspeicher wie zum Beispiel eine Bibliothek, dasmenschliche Gehirn oder ein elektronisches System sein. [Reif 2000]

Der Prozess der Informationserarbeitung dagegen gewinnt aus dauerhaft gespeichertem Wissen diefur eine Situation notwendige, handlungsrelevante Information. Damit verbunden ist das Wiederauf-finden, das Verstehen und das Interpretieren des gespeicherten Wissens. [Reif 2000]

Der Begriff der Wissensverarbeitung laßt sich folgendermaßen definieren: [Reif 2000]

“Bei der Wissensverarbeitung handelt es sich um jene Wissenschaft, die sich mit der Be-schleunigung, der Rationalisierung und Automatisierung der Transformation von Wissenin Information und umgekehrt befasst. Dabei werden einerseits Informationen aus der Um-gebung exzerpiert und als Wissen gespeichert, andererseits werden aus gespeicherten Wis-sen Informationen gewonnen, um sinnvolles Handeln und Entscheiden zu ermoglichen.“

Die vier Ebenen der Informations- und Wissensverarbeitung

Ein sehr ungewohnlicher Zugang zum Thema Wissensmanagement ist der Vergleich eines Unterneh-mens mit einem biologischen System, also einem komplexen Organismus. [Radermacher 2001]

Dieser Gedankengang aus der Systemtheorie erlaubt es, vier Ebenen der Informations- und Wis-sensverarbeitung zu definieren, wie in Tabelle 2.1) zu sehen ist.

Ebene BeschreibungSignal direkte Interaktion einer Zelle mit Umgebung, atomare OperationFeatures an Signale gekoppelt, Information zur Aktivierung eines ProzessesKonzepte Klassifizierung von Features, stark komprimierte InformationModelle theoretische Grundlage der Informations- und Wissensverarbeitung

Tabelle 2.1: Ebenen der Informations- und Wissensverarbeitung

Auf der untersten Ebene kann der Begriff “Signal” angesiedelt werden. Dieses Signal steht fur eine

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10 KAPITEL 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

direkte Interaktion einer Zelle mit ihrer Umgebung und kann als atomare, abgeschlossene Operationgesehen werden. In einem Unternehmen meint man damit beispielsweise den Kommunikationsprozesszwischen Mitarbeitern. [Radermacher 2001]

Gemeinsam mit den Signalen werden auch sogenannte “Features”ubertragen. Diese sind die Ein-gangsinformation fur die zweite Ebene der Informations- und Wissensverarbeitung und werden dortmittels funktionaler Transformation verarbeitet. Auf ein Feature wird in angemessener Weise – even-tuell durch ein trainiertes neuronales Netz – reagiert und, wenn notwendig, ein Prozess in Bewegunggesetzt. In der Praxis kann dies so aussehen, dass zum Beispiel ein Mitarbeiter von einer beliebigenAbteilung etwas anfordert und dadurch in dem betroffenen Unternehmensbereich einen bestimmtenProzess auslost. [Radermacher 2001]

Wie auf ein Feature nun reagiert wird, ist in der nachsten Ebenen definiert. Hier werden Objekteoder “Konzepte”, die auf Features basieren, anhand von Klassifikationsmerkmalen identifiziert. DieInformation selbst wird auf diesem Level sehr stark komprimiert. Gleichzeitig ist hier eine enormeBeschleunigung der Wissensentwicklung moglich, da es auf dieser Ebene sehr machtige Mechanismenfur die Wissensverarbeitung – hier sei vor allem die wissenschaftliche Disziplin der kunstlichen Intel-ligenz erwahnt – gibt. Betrachtet man diese Ebene, das “symbolic level”, in einem Unternehmen, someint man damit Konzepte innerhalb der Organisation. So wird beispielsweise beim Anfordern einerbestimmten Leistung von einer Abteilung ein bestimmter Ablauf, welcher bereits entwickelt wurdeoder im Entstehen ist (siehe Abschnitt 2.8), in der Suborganisation ausgelost. [Radermacher 2001]

Schließlich gibt es daruber liegend eine vierte Ebene, die sich mit “theoretischen Modellen” derInformations- und Wissensverarbeitung auseinandersetzt. Hier kommen mathematische oder natur-wissenschaftliche Modelle wie auch Instrumente fur Optimierung, Statistik, logische und numerischeAnalysis, usw. zum Einsatz, damit reale Probleme beschrieben, analysiert und gelost werden konnen.Wie bereits erwahnt zahlt hierzu die Artifical Intelligence (AI). Im Falle eines Unternehmes seien hierdie Betriebswirtschaftslehre, Managementtechniken, usw. zu nennen. [Radermacher 2001]

Die Idee des Unternehmens als biologischer Organismus wirft in weitere Folge noch einige inter-essante Aspekte auf, die in Abschnitt 3.7 durch die Beschaftigung mit der Idee der lernenden Organisa-tion behandelt werden. Es sei in diesem Zusammenhang auch auf das Modell von Wersig [Reif 2000]hingewiesen.

2.4 Implizites und explizites Wissen

Eine wichtige Klassifikation von Wissen ist die Einteilung in explizites und implizites Wissen. Expli-zites Wissen ist leicht formalisierbar oder bereits kodifiziert, es eignet sich dadurch besonders gut zurErhaltung und Weitergabe. Beispiele dafur sind grammatikalische Aussagen, mathematische Formeln,Spezifikationen oder Handbucher. [Rollett 2000]

Implizites Wissen hingegen ist schwerer zuubermitteln. Es wird haufig als verborgenes oderstillschweigendes Wissen, in der Literatur auch als “tacit knowledge” bezeichnet, man meint damitpersonliches, an ein Individuum gebundenens Wissen. Darunter fallen unter anderem ein subjektiverEinblick oder ein subjektives Verstandnis eines Themas, eine Intuition oder ein inneres Gefuhl. Grund-lage fur diese Art des Wissens sind individuelle Erfahrungen, personliche Vorstellungen, Glauben,Perspektiven, die eigene Weltanschauung, Ideale oder Emotionen. [Rollett 2000]

“tacit knowledge” ist nicht oder zumindest nur schwer systematisch zu verarbeiten und zuuber-mitteln. Man kann zwischen einer technischen und einer kognitiven Dimension des impliziten Wissensunterscheiden. Als technisch kann dabei Know-how, informelle Fahigkeiten und Fertigkeiten – sowohlim handwerklichen als auch im intellektuellen Sinne – gesehen werden, die kognitiven Dimension

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2.5. INTELLEKTUELLES KAPITAL 11

umfasst stillschweigenden Annahmen wie Intuitionen, Emotionen, die eigene Weltanschauung, usw.[Rollett 2000]

Als konkretes Beispiel fur implizites Wissen sei hier die Handwerkskunst eines erfahrenen Tisch-lermeisters zu nennen, die nuruber Jahre hinweg an einen Lehrling weitergegeben werden kann.[Rollett 2000]

2.5 Intellektuelles Kapital

“Das Unternehmen ist der Ort, an dem sich individuelles Wissen und Intelligenz zu kol-lektiver, kreativer Intelligenz zusammenfindet, fahig unternehmerisch tatig zu werden.”(Jaques Morin)

Betrachtet man nun nicht das Wissen eines Individuums, sondern jenes einer Organisation, so wirdhaufig der Begriff “Intellektuelles Kapital” verwendet. Darunter versteht man nicht nur die Summe derWissensbestande der Individuen, man muss auch das Wissen der Organisation, welches zum Beispielin Patenten, in Unternehmensprozessen und Routinen enthalten ist, berucksichtigen. Neben Expertenin Form von Individuen gibt es auch Teams, dieuber spezielle Fahigkeiten verfugen. Weiters mussauch die Organisationskultur sowie die Beziehung zu Kunden, Lieferanten, Konkurrenten in Betrachtgezogen werden. [Probst et al. 1999]

Abbildung 2.3: Aufbau der organisationalen Wissensbasis [Probst et al. 1999]

Wie Abbildung 2.3 zeigt, gibt es auch in einer Organisation die Hierachie zwischen Daten, Infor-mationen und Wissen, allerdings sind neben dem Wissensbestanden der Individuen auch die Wissens-basen der Teams und die organisationalen Fahigkeiten miteinbezogen. Undahnlich wie ein Individuumlernfahig ist, kann dies auch auf Ebene der Organisation festgestellt werden, wobei dieses organisatio-nale Lernen zyklisch durch die beteiligten Teams und Personen geschieht. Das intellektuelle Kapitalbefindet sich also in einem standigen Veranderungsprozess. [Probst et al. 1999]

Abschnitt 2.8 geht genauer drauf ein, wie Wissen auf organisationaler Ebene entwickelt werdenkann. Hier werden nochmals kurz die verschiedenen Typen von organisationalem Wissen erlautert:

Wie auch bei einer Person wird beim intellektuellem Kapital zwischen impliziten und explizitenWissen differenziert. So kann auch das “tacit knowledge” eines Unternehmens nur schwer mit Worten

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12 KAPITEL 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

umschrieben werden. Implizites Wissen fur eine Organisation ist mit einer aktionsbasierten Fahigkeit,fur die es keine Regeln oder Rezepte gibt, zu vergleichen. Hierzu zahlen zum Beispiel Fertigkeiten vonTeams, die zwar existieren, die aber nirgendwo manifestiert sind, da sie entweder nicht erkennbar sind,eine Formalisierung zu aufwendig ware oder einfach nicht notwendig ist. Diese speziellen Fahigkeitenkonnen nur schwer an andere Teams weitergegeben werden, wie Abschnitt 3.7 zeigen wird. [ISS 1998]

Explizites Wissen kann leicht formalisiert und deshalb auch kommuniziert oder verteilt werden.Auf Ebene der Organisation ware das eine Fahigkeit, die auf Regeln oder Objekten basiert. Beispiels-weise sei hier das SQE1 nach ISO 9000 zu erwahnen – halt sich ein Programmierteam daran, so kannman diese Fahigkeit auf Ebene des Teams weiter unterteilen und leicht in Form eines Rezeptes nieder-schreiben. In dem Fall ist dieses Wissen sogar schon kodifiziert (DIN EN ISO 9001). [ISS 1998]

Schließlich gibt es auf organisationaler Ebene noch den Begriff des kulturellen Wissens (“culturalknowledge”). Damit ist eine kognitive und affektive Struktur gemeint, die benutzt wird, um die Realitatwahrzunehmen, zu erklaren, zu evaluieren und zu gestalten. Hier herrscht eine starke Abhangigkeit vonFaktoren wie Nationalitat, Religion und der Sprache der Mitarbeiter eines Unternehmens. Eine verbaleAußerung, ein Symbol oder sogar eine Farbe kann beispielsweise in unterschiedlichen Landern sehrunterschiedlich aufgefasst werden. Gerade in weltweit tatigen Unternehmen kann kulturelles Unwissenzu einem Problem werden, wie Abschnitt 3.3 zeigen wird. [ISS 1998]

Diese drei Typen von organisationalem Wissen – implizites, explizites und kulturelles Wissen –sind unabhangig voneinander zu sehen und treten dennoch gemeinsam auf. Je mehr ein Unternehmendies beachtet und die drei Arten des organisationalen Wissens in den Geschaftsprozessen integriert,desto mehr Vorteile kann es daraus gewinnen, wie in Kapitel 4 nachzulesen ist. [ISS 1998]

2.6 Wissensmanagement

Der Begriff “Wissensmanagement” selbst wird sehr oft mißbraucht – beispielsweise als Label furein Produkt zum Zwecke der besseren Vermarktung – und wird von den meisten Menschen im-mer in Verbindung mit diversen Software-Losungen wie Groupware oder Dokumenten-Management-Systemen gebracht. In Wirklichkeit sind diese Produkte jedoch nur Ergebnisse von Knowledge Ma-nagement Ansatzen. Wissensmanagement beschaftigt sich mit der Moglichkeit der Einflussnahme aufdie Ressource “Wissen” in einem Unternehmen. Es dient zur Steigerung der Leistung und der Kon-kurrenzfahigkeit einer Organisation und wird dabei durch bestimmte Technologien wie Groupware,Document Management, Anntotationen, usw. unterstutzt. Primares Ziel ist dabei, vorhandenes Wissenbestmoglich nutzbar zu machen. [Rollett 2000]

Weiters soll das Wissen von Mitarbeitern und der Organisation durch interne und externe Lernpro-zesse erganzt werden. Ein nicht ganz unkritisches Ziel ist die Umwandlung von individuellem Wissenin intellektuelles Kapital der Unternehmung – hier muss den Mitarbeitern die Bereitschaft, Wissenzu teilen, als Notwendigkeit vermittelt und auch vom Management vorgelebt werden. Letztendlichsoll Wissensmanagement naturlich auch die Unternehmensstrategie auf existierende Kernkompeten-zen und Fahigkeiten transformieren. Alles in allem wird durch den Aufbau und die effektive Nutzungvon intellektuellem Kapital, speziell von Mitarbeiterkompetenzen, Beziehungen zu Kunden und Lie-feranten, geistigem Eigentum und Infrastrukturelementen wie Organisation, Prozessen, Systemen undMethoden, die Konkurrenzfahigkeit wesentlich verbessert. [Rollett 2000]

Wissensmanagement beschaftigt sich zumindest mit dem Generieren, der Verteilung und der Nut-zung von Wissen. In weiterer Folge sind jedoch noch Maßnahmen der nachfolgenden Dimensionen zuberucksichtigen: [Rollett 2000]

1Software Qualitat Engeneering

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2.7. DER PROZESSORIENTIERTE ANSATZ 13

• strategische und operative,

• planende, steuernde und kontrollierende,

• organisatorische und technologische,

• kulturelle und mitarbeiterbezogene.

Es ist leicht einzusehen, dass die Beschaftigung mit Knowledge Management in einem großenKonzern ein sehr umfangreiches und komplexes Gebiet mit vielen Problembereichen ist. Um einenganzheitlichen Ansatz fur Wissensmanagement in einem solchen Unternehmenuberhaupt sinnvolldurchfuhren zu konnen, muss dieser in kleinere Teilbereiche gegliedert werden. Wie eine solche Un-terteilung vorgenommen werden kann, wird im nun folgenden Abschnitt behandelt.

2.7 Der prozessorientierte Ansatz

Probst et al. habenuber mehrere Jahre hinweg reale Problemstellungen in großen Unternehmen, die ausverschiedensten Branchen stammen und wissensorientiert arbeiten, beobachtet, diese dann gruppiertund zu großeren Kategorien zusammengefasst. Nachdem die Beschaftigung mit Knowledge Manage-ment in weltweit ansassigen Konzernen sehr umfangreich ist, erweist sich eine solche Unterteilung desgesamtheitlichen Ansatzes als eine geradezu essentielle Notwendigkeit.

Als Resultat dieser Kategorisierung ergaben sich dabei eine Reihe von Aktivitaten (siehe Abbil-dung 2.4), die als die Kernprozesse des Wissensmanagement bezeichnet wurden. Es sind dies dieWissensidentifikation, der Wissenserwerb, die Wissensentwicklung, die Wissens(ver)teilung, die Wis-sensnutzung und die Wissensbewahrung. Daneben gibt es noch zwei pragmatische Bausteine,uberdie das Management Feedback erhalt (Wissensbewertung) und intervenieren (Wissensziele) kann.[Probst et al. 1999]

Abbildung 2.4: Bausteine des Wissensmanagement [Probst et al. 1999]

Wissensidentifikation bezeichnet die Schaffung von interner und externer Transparenzuber vor-handenes Wissen. Externe Wissensidentifikation bezieht sich hierbei auf die Analyse und Beschrei-bung des Wissensumfeldes eines Unternehmens, also zum Beispiel von speziellem Branchenwissen,Wissen von externen Beratern oder anderen auswartigen Quellen. Die interne Identifikation dient dem

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14 KAPITEL 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

Uberblickuber Daten, Informationen und Fahigkeiten innerhalb der Organisation, um die Mitarbeiterbei der Suche entsprechend zu unterstutzen. [Probst et al. 1999]

Wissenserwerb beschaftigt sich mit der Frage, welche Fahigkeiten extern erworben werden konnen.Vor allem in den Beziehungen zu Kunden oder Lieferanten, zu Konkurrenten oder Partnern besteht sehroft ein unausgeschopftes Potential des Wissenserwerbs. Aber auch durch Rekrutierung neuer Mitarbei-ter oder durch Akquisition von einem besonders innovativen Unternehmen kann Know-how eingekauftwerden. [Probst et al. 1999]

Wissensentwicklung meint nun die Schaffung neuer Fahigkeiten, neuer Produkte, besserer Ideenund leistungsfahigerer Prozesse. Hier muss geklart werden, ob neues Wissen nun nach einer “klassi-schen” Vorgehensweise – beispielsweise in einer Forschungs- oder Entwicklungseinrichtung – oder inallen Bereichen der Organisation quasi als Nebenprodukt entstehen soll. In diesem Baustein geht esunter anderem um den Umgang des Unternehmens mit neuen Ideen und die Nutzung der Kreativitatder Mitarbeiter. [Probst et al. 1999]

Wissens(ver)teilung geht auf die Frage ein, wie benotigtes Wissen an den richtigen Ort gebrachtwerden kann. Da vorhandene Informationen und Erfahrungen oftmals nur isoliert vorhanden sind, mussgeklart werden, welcher Mitarbeiter innerhalb der Organisation was in welchen Umfang wissen sollteund wie der Prozess der Wissensverteilung durch ein entsprechendes Tool, personliche Treffen, usw.unterstutzt werden kann. [Probst et al. 1999]

Wissensnutzung zielt auf den produktiven Einsatz organisationalen Wissens zum Nutzen des Un-ternehmens ab. Hierzu mussen zuerst bestimmte Barrieren abgebaut werden. Insbesonders muss Wis-sen brauchbar aufbereitet sein und den Mitarbeitern die Angst vor Blossstellung eigener Schwachengenommen werden. Dieser Prozess kann als die Implementierungsphase des Wissensmanagement ge-sehen werden. [Probst et al. 1999]

Wissensbewahrung behandelt die gezielte Bewahrung von Erfahrungen und Informationen, da-mit Teile des organisationalen Gedachtnisses nicht verloren gehen. Zu den Aufgaben dieses Modu-les zahlen unter anderem die Sicherung der Informationen, die regelmaßige Aktualisierung derselbenund die effiziente Nutzung verschiedener organsiationaler Speichermedien fur Wissen. Dieser Bau-stein behandelt auch das Entlernen, also das bewußte Ausscheiden, von nicht mehr benotigtem Wissen.[Probst et al. 1999]

Wissensziele benotigt man nun, um die strategische Ausrichtung des Wissensmanagement sowiebestimmte Zielsetzungen fur Interventionsbereiche festzulegen, sie geben den Lernanstrengungen eineRichtung. Normative Wissensziele richten sich dabei auf die Schaffung einer wissensbewußten Unter-nehmenskultur. Strategische Zielvorgaben definieren das Kernwissen der Organisation und beschreibensomit das kunftige Kompetenzfeld. Operative Wissensziele schließlich sorgen fur die Umsetzung desWissensmanagement. [Probst et al. 1999]

Wissensbewertung stellt Methoden zur Bewertung des Erfolgs der Lernprozesse zur Verfugung.Es wird dabei “gemessen”, ob die formulierten Wissensziele erfolgreich umgesetzt wurden. Weitersbehandelt dieser Prozess Indikatoren fur Wissensmanagement und Moglichkeiten der Bilanzierungdes intellektuellen Kapitals. [Probst et al. 1999]

Der prozessorientierte Ansatz ermoglicht eine Analyse des IST-Zustands und das Optimieren derWissensprozesse in großen Konzernen besonders gut, da auf diese Weise ein ganzheitlicher Ansatzfur Knowledge Management durchgefuhrt, die Komplexitat desselben aber dennoch durch die Unter-teilung in mehrere Bereiche, namlich in die einzelnen Wissensprozesse, reduziert wird. Aus diesemGrund wird im Gestaltungsbereich (siehe Kapitel 5) bei der Erarbeitung von Anforderungen an Wis-sensmanagement in großen und verteilten Unternehmen auch der prozessorientierte Ansatz verwendet.

Der nachste Abschnitt befasst sich nun mit einem sehr wichtigen Wissensprozess, namlich jenemder Wissensentwicklung. Es werden nun theoretische Grundlagen zum individuellen, aber auch bereits

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2.8. DIE SPIRALE DER WISSENSSCHAFFUNG 15

zum organisationalem Lernen erlautert. Abschnitt 3.7 geht dann genauer auf das Thema “LernendeUnternehmen” ein.

2.8 Die Spirale der Wissensschaffung

Der sehr bekannte Knowledge Management Ansatz von Nonaka und Takeuchi, der sich in erster Li-nie mit der Wissensentwicklung beschaftigt, baut auf der Unterscheidung zwischen explizitem undimplizitem Wissen (siehe Abschnitt 2.4) auf. Demnach wird Wissen nur von einer Person und nichtvon einer Organisation geschaffen. Wissensschaffung in einer Organisation muss daher als ein Prozessder Verankerung individuellen Wissens im Wissensnetzwerk der Unternehmung verstanden werden.[Laskowski 2001]

Abbildung 2.5: Formen der Wissensumwandlung [Laskowski 2001]

Neues Wissen entsteht nach Nonaka und Takeuchi durch Umwandlung bzw. Interaktion zwischenimplizitem und explizitem Wissen. Die vier moglichen Prozesse (siehe Abbildung 2.5) heißen Soziali-sation, Externalisation, Kombination und Internalisation. [Laskowski 2001]

Im Sozialisationsprozess wird implizites Wissen ohne den Umweguber explizites Wissen ver-mittelt, es werden quasi Erfahrungen ausgetauscht. Dabei kommt es zu einem Transfer gemeinsamermentaler Modelle und Techniken, die nur schwer beschrieben werden konnen. Nur durch gemeinsamesErfahren, Erklaren,Uben und Nachahmen konnen diese impliziten Fahigkeiten aufgebaut werden. Soeignet sich zum Beispiel ein Handwerker wahrend seiner Lehrjahre durch Beobachtung, Imitation undUbung viele Fertigkeiten an. Auf diese Art erworbendes Wissen wird als “sympathized knowledge”bezeichnet. [Laskowski 2001]

Bei der Externalisierung wird versucht, implizites Wissen mit Hilfe von Metaphern, Analogien,Konzepten, Hypothesen oder Modellen in Sprache zu fassen und damit in explizites Wissen zu wan-deln. Man spricht dann von begrifflichem Wissen (“conceptual knowledge”). Hilfsmittel wie Meta-phern, Analogien, usw. sind jedoch in den meisten Fallen nicht eindeutig und logisch, sodass sie imGrunde nur fur den Wissenstrager selbst Sinn machen. Dennoch konnen diese Methoden als eine ersteMoglichkeit der Externalisierung von implizitem Wissen gesehen werden. [Laskowski 2001]

Durch Internalisierung wird explizites Wissen in den Erfahrungsschatz des Individuums aufge-nommen, das spater ohne Notwendigkeit der formalisierten Darstellung verwendet werden kann. Dies

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16 KAPITEL 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

kann durch gemeinsameUbung und Erfahrung passieren, indem neu erarbeitet Konzepte sofort in derPraxis probiert werden (“learning by doing”) oder aber indem man sie in Dokumenten, Handbuchernoder mundlichuberlieferten Rezepten festhalt. [Laskowski 2001]

Mit Kombination ist die Gewinnung von neuem expliziten Wissen aus bereits vorhandenem ge-meint. Das neue Wissen kann beispielsweise aus Dokumenten, Aufzeichnungen, Datenbanken oderaus anderen Informationssystemen gewonnen werden, indem die gegebene Daten neu sortiert oder ka-tegorisiert werden. Dieser Prozess ist wohl das meistpraktizierteste Verfahren zur Wissensumwandlungund entspricht dem klassischen Informationsmanagement. Die anderen drei Formen bleiben in vielenUnternehmen oft ungenutzt. [Laskowski 2001]

Abbildung 2.6: Spirale der Wissensschaffung [Laskowski 2001]

Diese vier Wissensumwandlungsprozesse sind zunachst vor allem soziale Prozesse zwischen Indi-viduen. Die Entwicklung des Wissens auf organisationaler Ebene kommt dadurch zustande, dass sicheine Wissensspirale bildet, die sich von der Ebene des Individuums immer weiter Richtung organisa-tionale Ebene verstarkt (siehe Abbildung 2.6). [Laskowski 2001]

In einem großen und verteilten Konzern kann diese Spirale der Wissensschaffung allerdings umfolgende Aspekte erganzt werden: So wird das Wissen zwar ebenfalls von Individuenuber Teamsinnerhalb einer Abteilung bzw. einer Betriebsstatte durch Kombinations- und Sozialisierungsprozesseverteilt und weiterentwickelt. Allerdings muss das Wissen nun auchortliche Barrierenuberwinden,damit es sich innerhalb des Konzerns etablieren bzw. auch mit Stakeholdern (Kunden, Lieferanten,usw.) weiterentwickelt werden kann.

Es ist hierbei auch wichtig zu erwahnen, dass das auf individueller Ebene kommunizierte Wissennicht mehr mit dem Wissen, welches in denubergeordneten Bereichen zur Anwendung kommt, gleich-gesetzt werden kann. Hier wird das Wissen namlich auf einem anderen Abstraktionslevel behandelt,dh. es werden nur noch Features oder gar Konzepte (siehe Abschnitt 2.3) verarbeitet.

Vorraussetzungen fur die Wissensschaffung

Die Spirale der Wissensschaffung muss jedoch einer bestimmten Intention folgen. In den meistenFallen wird – wie bereits im Prozess “Wissensziele” in Abschnitt 2.7 erlautert wurde – eine Unter-nehmensstrategie unterstutzt. Autonome Mitarbeiter agieren als Teile eines Systems, haben dabei den

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2.8. DIE SPIRALE DER WISSENSSCHAFFUNG 17

Uberblick uber die vom Unternehmen verfolgten Intentionen und verfugenuber den gleichen Infor-mationsstand. Neues Wissen wird zuerst in der Gruppe diskutiert und findet dort seine Verbreitung.Ausgehend von diesem Team wird das neue Wissen in das Wissensnetz des Unternehmens verankert.Das Unternehmen erlangt dadurch große Flexibilitat und die Weitergabe von Wissen wird erleichtert.[Laskowski 2001]

Unternehmensintern gibt es nun vier Vorraussetzungen, die zwar teilweise den betriebswirtschaft-lichen Grundsatzen widersprechen, aber aus Sicht der Wissensschaffung ideal sind. [Laskowski 2001]

Eine Voraussetzung zur Wissensschaffung im Unternehmen ist das Aufbrechen gewohnter Hand-lungsablaufe und Routinen. Durch die Schaffung kunstlicher Krisensituationen und durch standigeVeranderungen und Fluktuationen konnen sich Gewohnheiten nicht ausbilden. Die Mitarbeiter im Un-ternehmen mussen auf dieses Chaos mit kreativen Neuschopfungen von Handlungsmustern reagierenund erzeugen somit neues Wissen. [Laskowski 2001]

Es ist naturlich nochmals anzumerken, dass solch ungewohnliche Maßnahmen im Widerspruch zuManagement-Grundsatzen stehen. Unternehmensinterne Ablaufe sollten in der Regel optimal funktio-nieren und durch Technologien wie Workflow-Systemen unterstutzt werden. Das Aufbrechen von ge-wohnten Prozessen ist dennoch ein interessanter Ansatz, um die Kreativitat der Mitarbeiter zu fordern.

Unterstutzend wirkt auch eine Mehrdeutigkeit der Unternehmensstrategien und Visionen, was einemehrdeutige Auslegung dieser Strategien und eine Verstarkung der Effekte des kreativen Chaos er-reicht. Gerade dieser Aspekt ergibt aus der Sicht der Betriebswirtschaftslehre wenig Sinn und sollte alsGrundsatz fur eine unternehmensinterne Regel in einer forschungsintensiven Abteilung gesehen wer-den. Nach außen hin muss die Strategie einer Organisation naturlich klar definiert und verfolgt werden.[Laskowski 2001]

Als dritte Voraussetzung werden von Nonaka und Takeuchi Redundanzen genannt. Dabei verste-hen sie unter Redundanzen nicht eine Verdopplung oder Verschwendung von Wissen, was zu einerUberlastung der Mitarbeiter fuhren wurde, sondern sie sehen in Redundanzen eineUberlappung derGeschaftsbereiche, was wiederum aus betriebswirtschaftlicher Sicht wenig Sinn ergibt. Dennoch sol-len Mitarbeiteruber den Tellerrand ihrer eigenen Abteilung hinaussehen konnen. Dies kann nur danngeschehen, wenn die Aufgabenbereiche sichuberschneiden. Eine Moglichkeit zur Bildung redundan-ter Informationen ist eine unklare Aufgabenverteilung zwischen den Abteilungen, genauso konnte mandieses Problem durch konkurrierende Gruppen losen, die an ein und derselben Aufgabenstellung arbei-ten. Oder aber man setzt auf gezielte Personalrotation, die Einsichtnahme in andere Abteilungen undVerstandnis fur Aufgaben von anderen Mitarbeitern mit sich bringt. In diesem Zusammenhang kommtder Schaffung und dem Besitz von Informationen eine sehr große Bedeutung zu. [Laskowski 2001]

Schließlich muss klar ersichtlich sein, wo im Unternehmen Informationen zuganglich sind und woman sie speichern kann. Um sich mit der Komplexitat eines oder mehrerer Fachgebiete auseinander-setzen zu konnen, mussen in einer Organisation Abteilungen fur Teilbereiche geschaffen werden. Esbilden sich auf diese Weise lokale Spezialisten aus, dieuber ein gemeinsames Informationsnetzwerkvernetzt sind und dort gleichberechtigt Informationen beziehen und abstellen, wie auch die Idee deslernenden Unternehmens in Abschnitt 3.7 noch zeigen wird. [Laskowski 2001]

Sind diese vier Voraussetzungen erfullt, so wird der Prozess der Wissensschaffung optimal un-terstutzt. Wie dieser in dem hier betrachteten Modell aussieht, ist nachfolgend erklart.

Phasen der Wissensschaffung

Nach Nonaka und Takeuchi gibt es fur die Wissensschaffung in einem Unternehmen funf Phasen:[Laskowski 2001]

1. Teilen von impliziten Wissen

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18 KAPITEL 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

2. Erarbeiten von Konzepten

3. Evaluieren dieser Konzepte

4. Erstellen eines Archetypen

5. Verteilen des neuen Wissens

Um zunachst den Austausch impliziten Wissens zu gewahrleisten, mussen Unternehmen Bedin-gungen schaffen, unter denen sich Mitarbeiter unter vier Augen treffen konnen. Dadurch werden Er-fahrungen und mentale Modelle ausgetauscht und andere Sichtweisen bekannt. [Laskowski 2001]

Kommen die Mitarbeiter dann in die Projektteams zuruck, konnen sie die neuen Sichtweisen dorteinfließen lassen. Das Projektteam muss nun versuchen, dieses implizite Wissen in Formen zu gießen.Dabei bedient man sich Metaphern, Analogien oder bildlicher Sprache. Eine offene Diskussion mussdabei immer moglich sein. [Laskowski 2001]

Die von den Projektteams geschaffenen Konzepte und Formen sind jedoch nicht fur jedermannverstandlich. Daher mussen diese Konzepte erklart werden. Diese Erklarungen finden in einem Pro-zess der Abklarung statt. Das bedeutet, die Konzepte der Projektteams werden mit explizitem Wissenverglichen (z.B. Kostenrechnung, Gewinnspanne, Unternehmenswachstum usw.) und ihre Realisie-rungsmoglichkeiten abgeschatzt. In einem Unternehmen gehen diese Erklarungen und Abklarungen inerster Linie von der Unternehmensfuhrung aus. Dabei wird untersucht, wie sehr diese Konzepte in diebestehende Unternehmensstrategie passen. [Laskowski 2001]

Als nachste Phase mussen die auf dem Reisbrett bestehenden Konzepte in sogenannte Archetypenumgesetzt werden. Damit ist nichts anderes gemeint, als die Erzeugung eines Prototypen oder dasAusprobieren eines Operationsmodells. [Laskowski 2001]

In einer letzten Phase werden Informationenuber den bestehenden Archetypen gesammelt undausgetauscht. Hierarchiefreie Kommunikation und unbeschrankter Zugang zu allen Informationen sindhier die Voraussetzungen. [Laskowski 2001]

2.9 Zusammenfassung

Mit der zunehmenden Globalisierung ist es fur ein großes und geographisch verteiltes Unternehmenessentiell, dass der Produktionsfaktor Wissen besser genutzt werden muss, um in Zukunft wettbe-werbsfahig bleiben zu konnen.

Dabei muss Wissen fur ein derartiges Unternehmen stets im Zusammenhang mit Praxisbezug undHandlungsorientiertheit gesehen werden, dh. es mussen neben den hier vorgestellten grundlegendenAspekten wie Daten, Informationen und Wissen auch ein bestimmter Anwendungsbezug, ein gewissesMaß an Willen und das richtige Handeln berucksichtigt werden. Im Sinne des Modells von RainerKuhlen muss es in einem großen Unternehmen zum steten Wechselspiel zwischen Informationsver-waltung und Informationsverarbeitung kommen, wobei das so erhaltene Wissen konserviert und diegewonnenen Informationen fur das Unternehmen vorteilhaft eingesetzt werden sollten.

Aus Sicht eines weltweit tatigen Unternehmens sind neben dem Wissen der Mitarbeiter auch dieFahigkeiten der Teams und jene der Organisation wichtig. Die Aufgabe von Knowledge Managementin einem solchen Unternehmen besteht zum einen im Erfassen und Erweitern der individuellen Wis-sensbestande, damit Mitarbeiter ihre Arbeit effizient ausuben konnen. Zum anderen behandelt Wis-sensmanagement die Kompetenzen der Teams und naturlich die organisationalen Fahigkeiten. Ent-scheidend ist hierbei, dass die Teams sowie die Abteilungen bestimmte Aufgaben im Sinne der vorge-gebenen Ziele bewaltigen konnen.

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2.9. ZUSAMMENFASSUNG 19

Eine nicht ganz unwesentliche Aufgabe von Knowledge Management ist das Sensibilisieren derMitarbeiter fur die Wissensteilung und das Beseitigen von individuellen und organisationalen Wis-sensbarrieren, die in einem großen, verteilten Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Sprachen, Na-tionalitaten oder Kulturen starker ausgepragt sein konnen (siehe Abschnitt 3.3). Zudem muss in einemweltweit ansassigen Konzern auch die geographische Verteilung der Betriebsstatten (siehe Abschnitt3.8) aus KM-Sicht entsprechend berucksichtigt werden.

Der Autor der vorliegenden Arbeit ist der Meinung, dass eine Beschaftigung mit Knowled-ge Management in einem großen und geographisch verteilten Unternehmen idealerweise mit demprozessorientierten Ansatz moglich ist. Mit den sogenannten Bausteinen des Wissensmanagement[Probst et al. 1999] ist eine Analyse des status quo einfacher als mit einem ganzheitlichen Ansatzdurchzufuhren und es konnen Verbesserungen in einzelnen Wissensprozessen anhand von Fallstudi-en oder theoretischenUberlegungen erarbeitet werden, wie Kapitel 5 des Gestaltungsbereichs nochaufzeigen wird.

Schließlich ist gerade fur große Konzerne der Prozess der Wissensschaffung essentiell, damit Inno-vationen rund um Produkte bzw. die kunftige Kernkompetenzen entwickelt werden konnen. Wie neuesWissen durch ein Individuum, ein Team oder ein Unternehmen generiert, evaluiert und verteilt werdenkann, wurde in Abschnitt 2.8 dieses Kapitels gezeigt. Auf den Aspekt der Lernfahigkeit eines Unter-nehmens wird im nachsten Kapitel in Abschnitt 3.7 sowie bei den Fallstudien genauer eingegangen.

Im nachsten Kapitel werden nun die Problembereiche des Wissensmanagements allgemein undspeziell unter dem Aspekt eines großen, geographisch verteilten Unternehmens beleuchtet.

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20 KAPITEL 2. BEGRIFFSBESTIMMUNG

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Kapitel 3

Problembereiche desWissensmanagements

3.1 Motivation

Die Beschaftigung mit Knowledge Management in einem Unternehmen wirft in der Regel zahlreicheProbleme auf, die es zu bewaltigen gilt. Insbesonders in einem großen und verteilten Technologie-Konzern ergeben sich zusatzlich zu den gangigen Hurden des Wissensmanagements noch spezielleProbleme, die beispielsweise aufgrund der geographischen Verteilung oder der Prasenz in mehrerenLandern auftreten konnen.

Dieses Kapitel geht auf bekannte Problembereiche von Knowledge Management ein und erwei-tert diese Betrachtungen um Aspekte fur große, verteilte Unternehmen. Hierzu wird in Abschnitt 3.2eine Umfrage der Dr. Reinhold Hagen Stiftung zum Thema “Wissensmanagement in Unternehmen”betrachtet und negative Aspekte in den Organisationen analysiert.

Als erster Bereich werden Wissensbarrieren (siehe Abschnitt 3.3) und die erfolgreiche Bewaltigungderselben behandelt. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Knowledge Management ist der Einsatz vonInformationstechnologie, welcher in Abschnitt 3.4 beleuchtet wird.

Daran anschließend wird in Abschnitt 3.5 auf den Problembereich der Informationsflut, welchedurch die immer großer werdende Bedeutung von unternehmensinternen Intranetsystemen und durchdie vermehrte Nutzung des Internets stetig zunimmt, eingegangen. Abschnitt 3.6 erlautert sodann denBegriff der Informationsqualitat und beschreibt die Probleme rund um diese Thematik.

Schließlich folgen in Abschnitt 3.7 theoretische Betrachtungen zur Lernfahigkeit von Unternehmenund in Abschnitt 3.8Uberlegungen zur geographischen Verteilung von Teams und Organisationen.

3.2 Umfrage: Wissensmanagement in Unternehmen

Im Rahmen des Projektes SENEKA1 wurde im Fruhjahr 2000 unter international agierenden Unter-nehmen eine Umfrage zum Thema “Wissensmanagement im Unternehmen” gestartet, die folgendeResultate lieferte: [Hagen 2000]

• etwa 50% der befragten Unternehmen haben sich bereits mit Wissensmanagement auseinander-gesetzt

1Service-Netzwerke fur Aus- und Weiterbildung und Innovationsprozesse

21

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22 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

• die Bereiche Forschung und Entwicklung (94%), Qualitatsmanagement (82%) und Benchmar-king (80%) sind fur eine Beschaftigung mit Knowledge Management interessanter als zumBeispiel Fertigung (61%), Einkauf (53%) oder betriebsinterne Berichterstattung und bilanzielleGeschaftswertedarstellung (51%)

• Forderung durch das Top-Management, Schaffung einer wissensfreundlichen Unternehmenskul-tur sowie Mitarbeitermotivation und -qualifikation werden als wesentliche Maßnahmen fur dieEinfuhrung und Umsetzung von Wissensmanagement gesehen

• bei 76% der befragten Unternehmen sind keine Maßnahmen zur Optimierung von KnowledgeManagement Prozessen geplant

• fur 59% fehlt die Zeit zum Erarbeiten verbesserter Prozesse

• nur 16% der Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern Anreize zur Wissensteilung wie etwa Prami-en oder eine gunstige Organisationsstruktur

• als wichtigste interne Wissensquellen sind Protokolle und Teamsitzungen (86%), Reklamationenund Beschwerden, die interne Datenbank (je 76%) und das Intranet (69%) genannt

• der Nutzungsgrad dieser Quellen wird jedoch durchgehend als sehr niedrig eingeschatzt

• relevante externe Wissensquellen sind demnach Fachliteratur (88%), Erfahrungsaustausch aufKongressen (84%) und virtuelle Communities im Internet (82%)

• bezuglich der Organisationsstrukturen gibt es bei der Halfte der befragten Unternehmen be-reichsubergreifende Arbeitsgruppen, flache Hierachien und somit schneller vertikaler Informati-onsfluß und regelmaßige Teamsitzungen

• nur 14% gaben an, dass ein kommunikationsforderndes Arbeitsfeld geschaffen wurde

• als Hindernisse fur die Transparentmachung von internen Wissen werden starre Hierachien undAbteilungsdenken, zu geringe Kommunikation, fehlende Zeit, zu geringe Große der Organisati-on sowie Nutzung von Informationen zum eigenen Interessen gesehen

• als wichtigste Medien zur Wissensverteilung wurden Papier, informelle Kommunikation, for-melle Kommunikationsstruktur, Groupware-Systeme, Customer-Management-Systeme, Doku-mentenverwaltungssysteme, E-Mail, Teambesprechungen und das Intranet genannt

• die Bereitschaft zur Wissensteilung im eigenen Unternehmen wird von 15% als hoch, von 33%als eher hoch, von 27% als mittel, von 21% als eher niedrig und nur von einem vernachlassigba-ren Teil als niedrig eingeschatzt

• Organisation und Standardisierung von Wissensbeschaffung und -integration werden hingegenmit 18% niedrig, 48% eher niedrig und 24% extrem negativ beurteilt

• fur 92% der befragten Unternehmen gibt es keine Messgroßen fur die Bewertung von Maßnah-men des Wissensmanagements

• laut Umfrage sind die grossten Hemmnisse fur die erfolgreiche Umsetzung von KnowledgeManagement Wissensegoismus (73%), abgegrenztes Fuhrungsverhalten (53%) und Informati-onsuberangebot (51%)

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3.3. ABBAU VON WISSENSBARRIEREN 23

Erganzend sei zu erwahnen, dass 73% der Teilnehmer an dieser Umfrage aus dem Managementstammt. Die befragten Unternehmen stammen zu je 41% aus der Industrie und dem Dienstleistungsbe-reich. Schließlich wurde auch nach der Mitarbeiterzahl im Jahr 1999 gefragt, die von 10% mit mehr als5000, von 14% mit 501 bis 1000, von 18% mit 251 bis 500 und von 8% mit weniger als 250 beziffertwurde. [Hagen 2000]

Diese Umfrage zeigt, dass sich die Unternehmen mit Wissensmanagement durchaus auseinan-derzusetzen scheinen und dieses Thema eindeutig als Chefsache identifiziert ist. Allerdings falltdie Beschaftigung mit Knowledge Management oft zu gering aus oder aber Wissensmanagement-Initiativen werden nicht erfolgreich umgesetzt, was mit begrenzten Ressourcen wie Zeit oder finan-ziellen Mittel erklart wird. Wichtige interne oder externe Wissensquellen werden aus verschiedenstenGrunden nicht ausreichend oder gar nicht genutzt, Wissensteilung wird innerhalb des Unternehmensnicht ausreichend gefordert oder geschieht aufgrund von fehlenden Standards zu ineffizient.

Fur große und verteilte Unternehmen sind laut dieser Umfrage vor allem dieUberlegungen zur Or-ganisationsstruktur interessant. So gibt es zumindest bei der Halfte der befragten Unternehmen zumin-dest bereichsubergreifende Arbeitsgruppen, flache Hierachien und somit einen schnelleren vertikalenInformationsfluß. Welche Organisationsstrukturen fur große Konzerne besonders geeignet sein, wirdin Abschnitt 3.7 gezeigt. Der nun folgende Abschnitt geht auf den Bereich der Wissensbarrieren ein,welche in dieser Umfrage ebenfalls als Hindernisse bei der Wissensteilung erkannt wurden.

3.3 Abbau von Wissensbarrieren

Industrie- wie auch Dienstleistungsunternehmen mussen sich mit der Ressource Wissen, dem soge-nannten stillen Produktionsfaktor, verstarkt auseinandersetzen, wollen sie Innovationen hervorbringenund in Zukunft erfolgreich am Markt bestehen. Die moderne und komplexe Umgebung, in der wirheutzutage leben, lasst auch die Produkte und Prozesse immer komplizierter und umfangreicher wer-den. Darum wird es fur alle Organisationen und naturlich auch fur Individuen immer wichtiger, dasssie Neuerungen schnell aufnehmen und diese anwenden konnen. Diese Art der Anpassungsfahigkeitentscheidet namlich oft uber Erfolg und Misserfolg und muss auf jeden Fall gelenkt, also gemanagt,werden. [Lugger et al. 2001]

Es ist allerdings eine nahezu unmogliche Aufgabe – wie bereits in Kapitel 2 erwahnt wurde –,den Begriff Wissenmanagement so zu formulieren, dass allgemeiner Konsens daruber herrscht. Dieunterschiedlichen Definitionen begrunden sich auf verschiedenen akademischen Disziplinen wie Be-triebswirtschaftslehre, Psychologie, Informationswissenschaft, usw., von denen man sich der Thema-tik nahert. Im allgemeinen kann man jedoch zwischen technisch orientiertem und auf dem Menschbezogenes Wissensmanagement unterscheiden. Sehr oft wird diese letzte Komponente, die eigent-lich im Mittelpunkt stehen sollte,ubersehen und man eifert einer technischen Losung entgegen.[Lugger et al. 2001]

Wesentlich fur ein erfolgreiches Wissensmanagement ist jedoch gerade diese “human orien-ted” Perspektive, die zum einen die Mitarbeiter zur Wissensteilung motivieren, zum anderen Wei-terbildung und Lernen fordern soll. Und naturlich soll die Informationstechnologie Wissensmana-gement unterstutzen und optimale Bedingungen zum Sammeln, Speichern, Aufbereiten, Verteilen,Nutzen und Aktualisieren von Informationen schaffen, wie in Abschnitt 3.4 genauer erlautert wird.Vorerst wird jedoch auf den “human oriented” Ansatz von Knowledge Management eingegangen.[Lugger et al. 2001]

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24 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Wissensverteilung

Das implizite Wissen (tacit knowledge) gilt ja als an Personen gebundenes Wissen (siehe Abschnitt2.4). Geht es nun um das Aufbereiten, Speichern und Abrufen von Daten, so hat dies noch nichts mitWissensmanagement zu tun, sondern fallt mehr in die Kategorie Daten- und Informationsmanagement.Wie kann man nun aber Wissen und hier vor allem implizites Wissen transferieren? Die Antwort aufdiese Frage ist ernuchternd: Im Grunde kann implizites Wissen nichtubertragen werden, denn derSender und der Empfanger mussten die gleiche Weltanschauung und eine identische Wissensbasishaben. Allerdings kann der Austausch von Informationen zwischen Individuen als erster Schritt inRichtung Wissensverteilung gesehen werden. [Lugger et al. 2001]

Der Transfer von Wissen ist durch zwei Fakten charakterisiert: Erstens ist immer der unbere-chenbare Faktor Mensch daran beteiligt. Und zweitens wird der Transfer von Wissen immer durchein Frage-und-Antwort-Spiel durchgefuhrt. Man konnte dies auch als Beobachten und Imitieren be-zeichnen. Der Beginn von Wissenstransfer ist gewohnlich eine Frage, also eine Beobachtung. Zeitwei-se ist der Transfer von Wissen sogar das Resultat eines zufalligen, nicht beabsichtigten Ereignisses.[Lugger et al. 2001]

Basierend auf den oben genannten zwei Fakten gibt es viele Grunde, warum WissensmanagementProjekte scheitern und wichtige Fragen unbeantwortet bleiben oder gar nicht gestellt werden. Es folgtnun eine erste Unterteilung und eine kurze Auflistung von Wissensbarrieren.

Barrieren der Wissensverteilung

Viele der Barrieren basieren auf der Begebenheit, dass am Austausch von Wissen Menschen beteiligtsind. Mißtrauen, Verstandnisprobleme, Zuruckhaltung oder der Widerwille zu Veranderungen sind nureinige Beispiele dafur, dass der Wissenstransfer schwierig ist. Aufgrund der großen Zahl an bekanntenBarrieren macht es Sinn, diese zu gruppieren und strukturieren. Im Wesentlichen kann man zwischenBarrieren, die von Individuen erzeugt werden, und solchen, die die Arbeitsumgebung verursacht, un-terscheiden. [Lugger et al. 2001]

Individuelle Barrien im Wissensmanagement gibt es viele. Eine Barriere, dieuber einen lange-ren Zeitpunkt aufgebaut wird, sind beispielsweise Interessensanderungen von einzelnen Mitarbeiternuber die Jahre hinweg. Denn Mitarbeiter werden meist dort eingesetzt, wo ihre Qualifikationen ambesten zum Einsatz kommen. Dies impliziert zumeist auch, dass das Interesse eines Mitarbeiters furein Fachgebiet gegeben ist.Andert sich dieses Interesse nun, wird das zum einen nirgendwo in derOrganisation erfasst und zum anderen steigt der Frust und die Demotivation beim entsprechenden Mit-arbeiter. Als weitere Barrieren der Wissensverteilung sind bekannt: Vorurteile, Angst vor Meinung deranderen, Angst vor Kritik, schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit, zuwenig Selbstvertrauen, of-fensichtliches Fehlen von kommunikativer Fahigkeiten, das Fehlen von Feingefuhl im Umgang mitanderen, Angst vor Wissensschmarozern, Angst vor Vorgesetzten, Zeitmangel, generelle Zuruckhal-tung bei der Investition von Zeit in Knowledge Management, Humorlosigkeit unter den Kollegen, usw.[Lugger et al. 2001]

Dazu kommt noch, dass diese Hindernisse individueller Natur durch organisatorische Wissens-barrieren verstarkt werden. Darunter versteht man beispielsweise eine abgeschlossene Unternehmens-kultur, strenge Hierachien,ubertriebene Burokratie, langwierige Routinen der Informationssuche oh-ne ausreichende Unterstutzung, keine oder ungenugende Verbreitung von wesentlichen Informatio-nen, nicht verfugbare Kontakte, konstanten Zeitdruck, das Durchsetzen von kurzfristigen Losun-gen,uberholte Ablaufe, die nicht abgeandert werden oder fehlendes Verstandnis vom Management.[Lugger et al. 2001]

In großen und verteilten Unternehmen stehen naturlich organisatorische Wissensbarrieren im Vor-

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3.3. ABBAU VON WISSENSBARRIEREN 25

dergrund. So kann innerhalb eines Konzerns ein Konkurrenzdenken unter den einzelnen Betriebsstattenentstehen, wenn sich diese zum Beispiel in verchiedenen Landern befinden. Hierfur verantwortlich sindunter anderem eine unterschiedliche Mentalitat der Mitarbeiter oder einubertriebenes nationales Be-wußtsein. Solche kulturellen Differenzen in einem Unternehmen wirken sich naturlich negativ auf dieZusammenarbeit der Bereiche und Abteilungen aus.

Bei Ablaufen und Projekten, dieuber mehrere Betriebsstatten verteilt sind, spielt naturlich immerder Aspekt derortlichen Barrieren eine Rolle. Es ist leicht ersichtlich, dass bei der Kommunikationubereine raumliche Distanz trotz Unterstutzung von moderner Kommunikationstechnologie das Vertraueninnerhalb von Teams sinkt. Chatten, Telefonieren oder Besprechungen in Videokonferenzen konnenniemals ein Ersatz dafur sein, dass sich verteilte Teams in regelmassigen Abstanden personlich treffen,damit das Vertrauen untereinander wieder aufgefrischt wird.

Auch ein strenger, hierachischer Aufbau der Organisation wirkt sich in Kombination mit burokra-tischen Prozeduren nachteilig auf wissensbasierte Prozesse aus. Zudem gibt es in großen Unternehmenauch gewisse Machtaspekte unter leitenden Mitarbeitern. Man achtet vermehrt auf die Fehler der an-deren, um daraus eventuell Profit fur die eigene Karriere zu schlagen. Wichtige Entscheidungen oderProjekte verzogern sich dadurch sehr oft, da durch internes Mobbing Mitarbeiter einfach ausgetauschtwerden oder keiner die Verantwortungubernehmen will.

Bedingt durch die eben genannten Barrieren ergeben sich allerdings auch individuelle Wissens-barrieren. Wie erwahnt spielt sehr oft die Angst vor Fehlern im eigenen Handeln eine Rolle. Zudemkann auch das Selbstbewußtsein durch die Große eines Konzerns negativ beeintrachtigt werden. Diestritt vor allem dann ein, wenn ein Mitarbeiter Tatigkeiten außerhalb seines gewohnten Umfeldes – zumBeispiel in einer anderen Abteilung oder gar in einer Betriebsstatte in einem anderen Land – verrichtenmuss.

Diese und viele andere individuelle und organisatorische Barrieren haben seit jeher eine große An-zahl an Knowledge Management Projekten vereitelt und werden diese wohl auch in Zukunft scheiternlassen. Aus diesem Grund versucht man diese Barrieren zusammenzufassen und zu kategorisieren.Nachfolgend wird nun eine mogliche Kategorisierung der Barrieren beschrieben.

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26 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Barrierenwurfel

Das grundlegende Prinzip der Barrierenmatrix ist die Unterscheidung zwischen individuellen und or-ganisationalen Barrieren des Wissenstransfer. Wie Abbildung 3.1 zeigt, gibt es vier mogliche Konstel-lationen, um Transferbarrieren zu beschreiben. [Lugger et al. 2001]

Abbildung 3.1: Barrierenmatrix [Lugger et al. 2001]

Erweitert man diese Matrix um die Dimension Wissensanbieter und Wissenskonsument, so erhaltman einen Barrienwurfel, der aus acht Zustanden besteht (siehe Abbildung 3.2). [Lugger et al. 2001]

Abbildung 3.2: Barrierenwurfel [Lugger et al. 2001]

Aus Sicht der Wissensanbieter sieht die ideale Situation (Wurfel 1/1) so aus, dass die Mitarbeiterinnerhalb des Unternehmensnetzwerkes in ihrem eigenen Zustandigkeitsbereich arbeiten und das Tei-len von Erfahrungen und Wissen als zu ihrer alltaglichen Tatigkeit gehorend verstehen. Diese Gruppeder Wissensanbieter akzeptiert auch potentielle Schwachen der Wissenskonsumenten und kann damitumgehen, indem sie Methoden und Techniken fur Situationen, in welchen auf Schwachen von anderenMitarbeitern reagiert werden muss, erarbeitet. [Lugger et al. 2001]

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3.3. ABBAU VON WISSENSBARRIEREN 27

Es ist leicht zu sehen, dass dieser Zustand in einem großen und verteilten Unternehmen nicht ohneentsprechende Maßnahmen erreicht werden kann, wie die Analyse der anderen drei Perspektiven fureinen Wissensanbieter nun zeigen wird.

Wurfel 1/2 meint die Situation,dass Mitarbeiter eines Unternehmens zwar prinzipell gewillt sind,ihr Wissen zu teilen und weiterzugeben, aber das System – also die Organisation – Barrieren erzeugt.Oft fehlt es an der notwendigen organisationalen Architektur zur Begunstigung von Wissenstransferund der entsprechenden Kommunikation. So erweist es sich fur den Wissenstransfer innerhalb einerAbteilung als gunstig, Lokalitaten vorzusehen, wo Mitarbeiter ungezwungen zusammentreffen konnen.[Lugger et al. 2001]

In einem großen Konzern reichen diese organisationalen Barrieren von vonubertriebener Burokra-tie bis hin zur komplizierten Bedienbarkeit des EDV-Systems. ZurUberwindung solcher Hinternissekann das Einrichten eines Sozialraumes in einer Abteilung dienen. Hier konnen Experten und Wissens-konsumenten aufeinandertreffen und informell kommunizieren. Aus technologischer Sicht ware gera-de bei der Verteilung der Betriebsstatten ein Chat-System ideal, um die Wissensverteilung zu fordern.Ganz allgemein konnen organisationale Barrieren in einem großen, verteilten Konzern durch Kommu-nikationstechnologie und Groupware Computing Systeme abgebaut werden.

In Wurfel 1/4 wiederrumuberwiegen die individuellen Barrieren. Trotz organisationaler Maßnah-men zur Forderung von Wissenstransfer strauben sich die Mitarbeiter oder sind unfahig, Wissen anandere weiterzugeben. Entscheidendend in diesem Fall ist, dass die Mitarbeiter aufmerksam daraufwerden, dass der Wissenstransfer auch zum eigenen Vorteil beitragen kann. Dies ist namlich der Zeit-punkt, wenn die Wissensverteilung akzeptiert und angewendet wird. Hat ein Mitarbeiter beispielsweiseVorteile durch Weitergabe eigener Erfahrungen erzielt, wird er zum abermaligen Wissenstransfer ehergewillt sein. Ein anderes Problem, welches typisch fur diese Situation (hohe individuelle, geringe or-ganisationale Barrieren) ist die Einfuhrung von neuen IT-Systemen im Unternehmen. Typischerweiseversucht das Management mit einem neuen Intranetsystem den Wissenstransfer zu fordern. Auf dereinen Seite konnte eine solche Initiative nun aber daran scheiter, dass die Wissensanbieter kein Inter-esse daran haben, das neue System zu nutzen, um die Machtverhaltnisse zu bewahren. Auf der anderenSeiten kann durch ein solches Unterfangen naturlich auch die Neugierde bei den Mitarbeitern gewecktwerden und bei geschickter Einfuhrung des Systems die unternehmensinterne Wissensteilung ange-kurbelt werden. Sicher ist auf jeden Fall, dass der Einsatz von innovativen Technologien nicht immervorteilhaft ist. [Lugger et al. 2001]

In einem Konzern, wo individuelle Barrieren durch die große Anzahl an Mitarbeiter und das Auf-einandertreffen unterschiedlicher Nationalitaten, Kulturen oder Religionen stark ausgepragt sind, hel-fen unter anderem einheitliche Unternehmenswerte oder aber informelle Treffen, wo Vorurteile abge-baut werden konnen. Ein weiteres Problem in einem großen Unternehmen ist naturlich der Machta-spekt. So werden interessante KM-Initiativen oft behindert, indem ein Mobbing gegen die Verantwort-lichen betrieben oder die Projektleitung ausgetauscht wird, damit die bestehenden Machtverhaltnisseaufrecht erhalten. Schließlich ist auch die Einfuhrung eines neuen IT-Systems nicht immer vorteilhaft,wie im letzten Absatz bereits erwahnt wurde. Ein erfolgsversprechender Losungsweg zu Wurfel 1/4lautet: Das Unternehmen muss den Mitarbeitern zeigen, wo die Vorteile der Wissensverteilung liegen,bevor eine entsprechende Initiative gestartet werden kann. Die kann beispielsweise durch den Einsatzvon Wissensmaklern geschehen, die zwischen Wissensanbietern und -konsumenten vermitteln oderselber Wissen einbringen. Naturlich ist es auch notwendig, dass das Management mit gutem Beispielvorangeht, wenn es um die Umsetzung eines Knowledge Management Projekts geht.

Der schlechteste Fall von Wissensbarrieren aus Sicht der Wissensanbieter ist mit dem Wurfel 1/3in Abbildung 3.2 beschrieben. Diese Konstellation ist gekennzeichnet durch frustrierte Individuen wieauch eine unflexible Organisation. Die organisationellen Barrieren, die im letzten Absatz beschriebensind, werden hier durch die individuellen Barrieren der Informationsanbieter verstarkt. Wissensan-

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28 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

bieter fragen sich zum Beispiel, warum jemand im Unternehmen von deren Wissen profitieren sollte(organisationale Barriere) und sehen nicht ein, warum sie die Fruchte ihrere Arbeit weitergeben sollen(individuelle Barriere). Es kann auch sein, dass sie keine Moglichkeit oder keine Zeit finden, ihr Wissenan andere Mitarbeiter weiterzugeben (organisationelle und individuelle Barriere). [Lugger et al. 2001]

Anhand dieser Beispiele sieht man auch, dass sich individuelle und organisationelle Barrieren ge-genseitig verstarken konnen. In dieser Sackgasse angelangt versuchen Unternehmen immer wiederdurch Hinzuziehen von Beratern, die Barrieren zu brechen. Naturlich sei hier erwahnt, dass diesesUnterfangen bereits oft gescheitert ist, da der Berater als Außenstehender meist keinen ausreichendenZugang zu Unternehmensinterna und damit auch keine Chance auf Verbesserungen an der eben be-schriebenen Situation hat. Allerdings kann dieser Ansatz durchaus Erfolg bringen, sofern der Beraterim Unternehmen akzeptiert wird und die Organisation als solches Veranderungsbereitschaft zeigt, al-so selbst eine Verbesserung um den Wissensaustausch unter den Mitarbeitern herbeifuhren mochte.[Lugger et al. 2001]

Fur einen großen, verteilten Konzern beschreibt der Wurfel 1/3 die kombinierte Situation der zu-letzt behandelten Problembereiche. Entsprechend wird es hier auch organisationale Barrieren wie einestarre Organisationshierachie,ubertrieben Burokratie, usw. sowie individuelle Hindernisse wie Macht-denken, kulturelle Vorurteile, usw. geben. Losungsansatze fur diese Wissensbarrieren sind anhand derUberlegungen fur die Wurfel 1/2 und 1/4 zu finden.

Ahnlich wie bei den Wissensanbietern kann man auch die vier Wurfel bei den Wissenskonsumen-ten beschreiben. Wurfel 2/1 zeigt wiederrum das Ideal in punkto Barrieren – niedrige organisationalewie auch individuelle Barrieren bezuglich Wissenstransfer. Die Maßnahmen der Organisation ermuti-gen die ohnedies wissbegierigen Mitarbeiter zum Austausch von Erfahrungen und Wissen. Die kannunter anderem durch einfach bedienbare und zuverlassige Tools zur Informationssuche oder durch eineubersichtliche Struktur der Wissenszentren im Unternehmen geschehen. Neben diesen organisationalenVorraussetzungen zur Wissensteilung herrscht unter den Mitarbeitern Vertrauen, sodass Fragen gestelltund auch beantwortet werden. Nachforschen, Verstehen und das Stellen von Fragen ist ohnedies daswesentliche Charakteristikum von Wissenskonsumenten. Das Motiv der Wissensnutzung ist zumeistpersonliches Interesse, was das Management erkennen und fordern muss, denn aus erfolgreichen Wis-senskonsumenten gehen mit der Zeit Wissensanbieter hervor. [Lugger et al. 2001]

Damit eine solch ideale Situation fur das Konsumieren von Wissen in einem großen, verteiltenKonzern moglich ist, mussen entsprechende Maßnahmen getroffen werden, wie dieUberlegungen zuden anderen drei Wurfel (2/2, 2/4 und 2/3) nun zeigen wird.

In Wurfel 2/2 fallt zum Beispiel die durchaus bekannte Situation der vergeblichen Informationssu-che in einer Organisation. Ob es sich nun um veralterte Datenbankeintrage, um nutzlose Suchresultatedes Intranetsystems oder aber um gekundigte Experten handelt – Erfolglosigkeit bei der Recherche undunbeantwortet Fragen sind eindeutige Anzeichen von organisationalen Barrieren. Auswege aus die-sem Dilemma fuhren zumeistuber Technologien wie beispielsweise Expertenvermittlungs-Systeme,Document-Management-Syteme, usw. [Lugger et al. 2001]

In einem großen, verteilten Unternehmen kann auch ein gewisses Machtdenken an dieser SituationSchuld sein. Ein Vorgesetzter, der die Kommunikation zwischen einem Experten und seinen Mitarbei-ternubernimmt und einen direkten Kontakt nicht zulasst, wird dem Wissensfluß nicht gerade anregen.Auch hier konnen wiederum die Verteilung der Betriebsstatten problematisch fur Wissenskonsumen-ten sein. So muss das interne KM-System die Auffindung von Informationen aus allen Bereichen undAbteilungen unterstutzen. Gerade einzelne Abteilungen haben aber oftmals abgekapselte Informati-onssysteme. Um organisationale Barrieren aus Sicht von Wissenskonsumenten bewaltigen zu konnen,ist sich der Einsatz von Wissensmaklern ideal. Diese konnen organisationale Hierachienuberbruckenund den Mitarbeitern bei der Suche im Intranet behilflich sein. Auch mit Technologien wie Chat oderVideokonferenz-Systeme lassen sich die hier erwahnten Wissensbarrieren teilweiseuberwinden.

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3.3. ABBAU VON WISSENSBARRIEREN 29

Mit Wurfel 2/4 ist jene Situation gemeint, in der ein Unternehmen versucht, die Mitarbeiter durchentsprechende Unterstutzung und der notwendigen Infrastruktur zur Wissensteilung anzuhalten unddas Konsumieren von Wissen zu fordern, jedoch an den individuellen Barrieren scheitert. Viele Know-ledge Management Projekte sind durch diese Situation charakterisiert: Es werden enorme finanzielleMittel in teure Datenbanksysteme investiert, im Endeffekt werden diese Systeme jedoch von den Wis-senskonsumenten nicht akzeptiert. Grunde dafur gibt es viele: So kann es sein, dass die Mitarbeiter zuwenig Zeit haben, um das neue, meist komplexe System ausreichend kennenzulernen. Oder die Mitar-beiter werden nicht ausreichend in die Entstehung eines solchen Systems involviert und es wird quasiam Benutzer vorbeientwickelt. [Lugger et al. 2001]

Mit diesem Punkt ist auch bereits ein Losungsansatz zu sehen: die Kommunikation innerhalb einerOrganisation muss analysiert und je nach Bedarf unterstutzt werden. Wesentlich dabei ist, dass mansich bei Verbesserungsmaßnahmen hinsichtlich Knowledge Management nicht nur auf die Einfuhrungeines Intranetsystems beschrankt, sondern auch die anderen Kommunikationsmedien, die sich vondirekter Kommunikation bis hin zu Mobiltelefonen erstreckt, betrachtet und die vielversprechenstenLosungsansatze realisiert. [Lugger et al. 2001]

Individuelle Wissensbarrieren in einem großen Konzern konnen naturlich von unterschiedlicherHerkunft sein. So kann ein Mitarbeiter aufgrund von Vorurteilenuber eine andere Kultur den Wissens-konsum verweigern. Auch ein zu kompliziertes oder schlecht bedienbares IT-System kann sich negativauf die Wissensnutzung auswirken. Kulturellen Barrieren ist am besten durch informelle Treffen ent-gegenzuwirken, denn so konnen Vorurteile abgebaut werden. Fur die Nutzung eines Systems sind inerster Linie Usability-Grundsatze bei der Entwicklung zu beachten.

Schließlich beschreibt Wurfel 2/3 wiederum den schlechtesten Fall fur Wissenskonsumenten ineinem Unternehmen. Zu den eben genannten organisationalen Barrieren gesellen sich nun auch in-dividuelle Barrieren. So kann die unzureichende Management-Unterstutzung bei der Wissensnutzungdurch zu monotone Arbeitsablaufe die Wissensverteilung weiter herabsetzen. Um aus dieser Konstel-lation ausbrechen zu konnen, mussen auf jeden Fall die – bewussten oder unbewussten – Hemmnissefur die Wissensteilung der Mitarbeiter analysiert und beseitigt werden. Und naturlich muss auch hierdas Management die notwendigen Vorraussetzungen schaffen, damit die Mitarbeiter miteinander kom-munizieren und deren Erfahrungen an andere weitergeben. [Lugger et al. 2001]

Fur einen großen, verteilten Konzern bedeutet diese Situation eine Kombination der zuletzt be-handelten Problembereiche von hohen organisationalen und hohen individuellen Wissensbarrieren.Losungsansatze fur diese Barrieren sind dementsprechend in Wurfel 2/2 und 2/4 zu finden.

Wissenstransfer ist im wesentlichen durch ein Frage-und-Antwort-Prinzip charakterisiert. Deshalbmuss der unberechenbare, menschliche Faktor unbedingt beachtet werden, damit die hier diskutiertenBarrieren der Wissensverteilung vermieden werden konnen. Wichtig ist auch, wie bereits beschrieben,das Thema Kommunikation, insbesondere die interne Kommunikation. Des Weiteren kann die Wahldes falschen Kommunikationsmediums zu Problemen fuhren und Wissensbarrieren erzeugen, wie imnachsten Abschnittuber der Nutzung von Informationstechnologie genauer erlautert wird.

Fazit

In einem großen und multinationalem Unternehmen kommt es zusatzlich zu individuellen Barrie-ren vermehrt zu organisationalen Wissensbarrieren. Gegen individuelle Barrieren wie beispielswei-se fehlende kommunikative Fahigkeiten, Angst vor Kritik, zuwenig Selbstvertrauen, usw. kann mangrundsatzlich folgende Maßnahmen ergreifen: Eine Verbesserung der Unternehmenskultur kann durchinformelle Treffen erreicht werden, wie die Studieuber die Schindler Aufzuge AG in Abschnitt 4.2zeigen wird. Mitarbeiter mit einem sozialen Manko konnen mittels Workshops entsprechend geschultwerden, wie in Abschnitt 3.7uber individuelles Lernen nachzulesen ist. Zudem ist es wichtig, Anreiz-

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30 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

systeme fur das Anbieten, aber auch fur das (erfolgreiche) Konsumieren von Wissen zu schaffen, wieeinige Fallstudien in Kapitel 4 belegen.

Gerade in großen Konzernen konnen insbesonders Machtaspekte zum Problem fur die Wissenstei-lung werden. Vorgesetzte, die Experten nicht direkt vermitteln, sind genauso wie KM-Initiativen, diedurch internes Mobbing und Austausch von Projektleitern behindert werden, schlecht fur den internenWissensfluß. Um diese speziellen Problembereiche in den Griff zu bekommen, kann man zum einenWissensmakler einsetzen, wie die Studieuber Teltech in Abschnitt 4.3 zeigen wird.

Organisationale Wissensbarrieren sind hingegen schwerer zu bewaltigen. Es muss auf jeden Falleine Analyse der Problembereiche durchgefuhrt werden. Auch hier kann eine Verbesserung der Un-ternehmenskultur zum Erfolg fuhren. Zum Beispiel konnen starre Hierachien undubertriebene buro-kratische Vorgange im Unternehmen, wie sie unter anderem in Abschnitt 3.7) beschrieben sind, aufge-brochen und die interne Kommunikation durch Einsatz entsprechender Informationstechnologien wieChat- oder Videokonferenz-Systeme verbessert werden. Naturlich zahlt auch der Bereich der Informa-tionsauffindung innerhalb des Unternehmens zu den organisationalen Barrien, wie im Abschnitt 3.5dieses Kapitels noch gezeigt wird.

Speziell problematisch in einem großen Konzern sind kulturelle Differenzen in Bereichen und Be-triebsstatten, die sich in unterschiedlichen Landern befinden. Hier sind unternehmensweit gultige Ver-haltensregeln zu definieren, die in Einklang mit den einzelnen Kulturen stehen und dennoch Mitarbeiterunterschiedlicher Nationalitaten als Teil einer Einheit erscheinen lassen. “Corporate identity” heißt derubergeorgnete Fachbereich, mit welchem sich unter anderem die Studieuber die Schindler AufzugeAG in Abschnitt 4.2 beschaftigt. Auch durch informelle Veranstaltungen und Informationskanale wieChat- oder Videokonferenz-Systeme konnen Vorurteile abgebaut werden, indem sich Mitarbeiter un-terschiedlicher Kulturen austauschen.

Der nun folgende Abschnitt behandelt nun den Aspekt “Informationstechnologie in einem Unter-nehmen”, welcher oftmals als ein Problembereich identifiziert werden kann.

3.4 Einsatz von Informationstechnologie

Manager, Investoren, Consultants, IT-Spezialisten und Kunden erkennen immer mehr das intellektuelleKapital als die wichtigste Anlage eines Unternehmens. Dieses unsichtbare Gut umfasst die Kompeten-zen der Mitarbeiter, die internen Strukturen der Organisation, welche durch deren Patente, Modelle,Konzepte und Prozesse, ihr administratives System sowie ihre IT-Infrastruktur gegeben sind, und dieexternen Strukturen, die durch das Verhaltnis zu Kunden und Zulieferern, die Marke, den Marken-name, unternehmensbezogene Vorstellungen und dem guten Ruf gekennzeichnet sind. Diese immate-riellen Vermogenswerte entscheidenuber die kunftige Entwicklung eines Unternehmens und solltendaher durch Methoden des Wissensmanagement und durch Informationstechnologie unterstutzt wer-den. [Borghoff et al. 1997]

Wie bereits in Abschnitt 2.5 beschrieben wurde, besteht das intellektuelle Kapital der Organisationaus einer kulturellen Komponente, die bereits in Abschnitt 3.3 behandelt wurde, aber auch aus im-plizitem und explizitem Wissen. Diese zwei Typen von Wissen konnen wie zwei Seiten einer Munzebetrachtet werden und sind fur das gesamte Wissen einer Organisation relevant. [Borghoff et al. 1997]

Implizites Wissen (tacit knowledge) ist der Schlussel zur Umsetzung von Aufgaben, hat also einenstarken Praxisbezug. Dieses eher handlungsorientierte Wissen ist stets an Individuen gebunden. Daherschadet es einem Unternehmen auch, wenn aufgrund von Einsparungsmaßnahmen Mitarbeiter auf-grund eines internen Benchmarking entlassen werden, ohne vorher zu prufen, welche Wissensquellendadurch verloren gehen. [Probst et al. 1999]

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3.4. EINSATZ VON INFORMATIONSTECHNOLOGIE 31

Explizites Wissen hingegen definiert die Identitat, die Kompetenzen und intellektuelle Vermogens-werte der Organisation losgelost von den Mitarbeitern. Es ist wichtig zu erwahnen, dass dieser Typ desWissens nur wachsen und sich erhalten kann, wenn es einen reichhaltigen Hintergrund an “tacit know-ledge” gibt. Man kann auch beobachten, dass brachliegendes Wissen nicht nur nicht weiter anwachst,sondern mit der Zeit veraltert, ja sogar nutzlos unduberflussig wird. Wissen muss deshalb wie jedermaterielle Vermogensgegenstand produktiv genutzt werden, damit auch in Zukunft eine Rendite inForm von Innovationen und neuen Erkenntnissen erwirtschaftet wird. [Borghoff et al. 1997]

Wissensmanagement und Informationstechnologie

Es gibt seit jeher eine Diskussion daruber, welche Rolle Informationstechnologie fur Knowledge Ma-nagement spielen kann. Auf der einen Seite wird Informationstechnologie durchgehend in allen Unter-nehmen genutzt, was die IT als naturliches Medium fur den Fluß von Wissen qualifiziert. Wie bereitsdie Umfrage in Abschnitt 3.2 gezeigt hat, zielen die primaren Bestrebungen von Wissensmanagementin einem Unternehmen auf die Einfuhrung eines IT-Systems ab. Andererseits warnen Knowledge Ma-nagement Theoretiker vor dieser Haltung, welche das Management zu starken Investitionen in Infor-mationtechnologie – eventuell noch auf Kosten des Bildungskapitals – verleitet. [Borghoff et al. 1997]

Die große Gefahr dieser technologielastigen Strategie ist namlich, dass Wissen in eine statische,trage Information objektiviert und die Bedeutung des “tacit knowledge” vernachlassigt, ja sogar igno-riert wird. Diese Art des Wissensmanagement, die durch das Motto “Weniger Mensch, mehr IT!”gekennzeichnet werden kann, fuhrt auf kurz oder lang in eine Sackgasse, da ein solches Unterneh-men zwar alles in seinem organisatorischem Gedachtnis aufnehmen kann, jedoch nicht mehr genugendIntelligenz besitzt, um irgendetwas damit anfangen zu konnen. Nicht nur bei Individuen (siehe Ab-schnitt 2.4), auch bei Organisationen ist Handlungsorientiertheit unmittelbar an das implizite Wissengeknupft, wie in Abschnitt 2.5 gezeigt wurde. [Borghoff et al. 1997]

Informationstechnologie kann eingesetzt werden, um die Kommunikation unter den Mitarbeiternzu fordern. Der Einsatz von IT zur Unterstutzung von Ablaufen im Unternehmen oder zum Zwecke desSammelns und Speicherns von Informationen in Datenbanken oder anderen Repositories sind weitereEinsatzbereiche. Informationssysteme sollten daher im Hinblick auf Knowledge Management Perspek-tiven neuuberdacht und als Ressource fur das Teilen von “Best Practices” und das Aufbewahren desintellektuellen Kapitals eines Unternehmens entwickelt werden. [Borghoff et al. 1997]

Der beste Weg des Einsatzes von Informationstechnologie ist eine Kombination folgender zweiFaktoren: Auf der einen Seite mussen die Grenzen von Informationstechnologie bewusst gemacht.Denn jedes entwickelte IT-System wird nicht viel bewirken, wenn es nicht von einer globalen, kultu-rellenAnderung bezuglich der Wertigkeit von Wissen begleitet wird. Auf der anderen Seite muss dieVerfugbarkeit und Bedienbarkeit des IT-Systems gewahrleistet werden, was naturlich positive Auswir-kungen auf den Nutzungsgrad desselben mit sich bringt. [Borghoff et al. 1997]

Fur große, verteilte Unternehmen ist insbesonders der Aspekt der kommunikationsunterstutzen-den Technologie interessant. Durch Technologien wie Email, Chat- oder Videokonferenz-Systeme undanderen Groupware-Komponenten kann auf diese Weise die Kommunikation unter Mitarbeitern vonverschiedenen Betriebsstatten ermoglicht werden. Des Weiteren kann man mit einem IT-System unter-nehmensinterne Prozesse, die sichuber mehrere Abteilungen und Bereiche erstrecken, automatisierenund optimieren. Schließlich ist auch ein verteiltes organisationales Gedachtnis, welches das gespei-cherte Wissen aller Suborganisationen berucksichtigt und zuganglich macht, nur durch den Einsatzvon IT sinnvoll realisierbar.

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32 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Prozessmanagement

Ein wesentlicher Aspekt von Wissensmanagement ist jener von der Unterstutzung wissensintensiverProzesse. Dieser Ansatz behandelt explizites, formalisierbares Wissenuber die Ausfuhrung von Ab-laufsequenzen. Konkrete Umsetzungen davon sind Workflow-Systeme, die wissensbasierte Arbeits-ablaufe unterstutzen. [Borghoff et al. 1997]

Existierende Wissensprozesse konnen bereichert werden, indem Mitarbeiter ihr Verstandnis fureinen Arbeitsablauf durch neue Typen von Aufgaben einbringen und so den Arbeitsablauf (Work-flow) dynamisch erweitern. Dadurch konnen die Wissensarbeiter eines Teams zeigen, wie man vomVerknupfen formalisierter Ablaufe mit nicht-formalen Praktiken, die durch direkte Interaktion in derGruppe erzielt werden, profitieren kann. [Borghoff et al. 1997]

Startet man von der anderen Seite und betrachtet den Aspekt des Internalisierens eines Wissen-sprozess, so kann man argumentieren, dass ein Workflow-System wissensfordernd sein kann, indemman sich in der Wertigkeit auf einen hoheren Wissenslevel bewegt: von einem System, das Pro-zesse ausfuhrt, zu einem System, welchesuber die Prozesse lernt, wahrend sie ausgefuhrt werden.[Borghoff et al. 1997]

Das bedeutet aber auch, dass ein Workflow-System verschiedene Stufen der Erfahrenheit fur dieDefinition eines Arbeitsprozesses zulassen muss. Beispielsweise muss eine Suchkomponente grund-legende Funktionalitat fur beliebige Benutzer und eine detailierte Suche fur erfahrene Anwender be-reitstellen. Wahrend Benutzer immer mehr mit dem System vertraut werden, experimentieren sie mitneuen Funktionen und lernen dadurch. Ein solches Workflow-System unterstutzt sodann ein freiesWechselspiel zwischen dem Lernen und dem Erzeugen von Wissensprozessen. [Borghoff et al. 1997]

Durch den Einsatz von einem Workflow-System kann gerade in einem großen und verteiltenTechnologie-Konzern viel Zeit und Geld gespart werden. Durch das automatisierte Ausfuhren vonentsprechenden unternehmensinternen Prozessen wird sichergestellt, dass keine wesentlichen Aktio-nen vergessen oder doppelt ausgefuhrt werden. Zudem kann man durch die Visualisierung, die einWorkflow-System in der Regel bietet, die Arbeitsablaufe analysieren und optimieren.

Das organisatorische Gedachtnis

Soll ein organisatorisches Gedachtniss (corporate memory) eingesetzt werden, so sind drei Aspekte zubeachten: Erstens ist zu klaren, wie das organisatorische Gedachtnis entwickelt werden soll. Zweitensist wesentlich, wie ein “Corporate Memory” in der Praxis genutzt werden soll. Und drittens mussder Entwicklungsprozess von der naturlichen Sprache bis hin zu (ver)teilbaren Wissensdokumentenbetrachtet werden. [Borghoff et al. 1997]

Fur den Aufbau eines organisatorischen Gedachtnisses gibt es grob die folgenden vier Moglichkei-ten: [Borghoff et al. 1997]

• Man kann komplett unstrukturiert vorgehen, indem man alle Dokumente sammelt und alle Prak-tiken, die innerhalb des Unternehmens zur Anwendung kommen, aufzeichnet. Dieser Ansatzbenotigt fur die Phase der Konstruktion des Unternehmensgedachtnisses scheinbar nur we-nig Ressourcen, es werden aber eine Menge irrelevanter Information angehauft, die spater mitgroßem Aufwand gefiltert werden mussen.

• Auf der anderen Seite kann man naturlich auch zu Beginn des Aufbaus enorme Aufwendungenin die Entwicklung und hier vor allem in die Struktur des Unternehmensgedachtnisses stecken.Es entstehen dadurch zwar hohere Kosten, dafur bedarf es spater einer geringeren Wartung. Dieideale Losung beim Aufbau eines Corporate Memory liegt vermutlich in der Mitte.

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3.4. EINSATZ VON INFORMATIONSTECHNOLOGIE 33

• Fur Unternehmen mit Wissensarbeitern ist folgende Variante fur die Entwicklung des Unterneh-mensgedachtnisses interessant: Im laufenden Betrieb konnen folgende Tatigkeiten durchgefuhrtwerden: das Aufzeichnen von relevanten Gruppenaktivitaten durch die Nutzung von Hypertext-Reprasentationen, welche die verschiedenen Schritt der Aktivitaten verlinken; das Hervorhebender einzelnen Auswahlmoglichkeiten, die bei jedem Schritt berucksichtigt werden; das Assozi-ieren von Aktionen und Entscheidungen mit Rollen und Kompetenzen der involvierten Mitar-beiter. Diese Tatigkeiten konnen namlich bereits von den Wissensarbeitern als Nebenproduktihrer Aufgaben erstellt werden, indem wissensintensive Aktivitaten zur Problemlosung oderEntscheidungsfindung aufgezeichnet werden. Schlußendlich mussen diese Aufzeichnungen nurnoch strukturiert werden und man erhalt einenUberblickuber alle Tatigkeiten im Unternehmen,ohne enorme Ressourcen in das Design eines Unternehmensgedachtnisses stecken zu mussen.

• Neben dem Entwickeln eines Corporate Memory kann man naturlich auch von einem bestehen-den, vollstandigen Knowledge Management Produkt ausgehen, welches bereits in einem anderengroßen Unternehmen zum Einsatz kommt. Man beginnt aber vorerst mit einer Sammlung vonvorhandenen Dokumenten eines Unternehmens – hier gibt es beispielsweise Produktspezifika-tionen, Benutzerhandbucher, Dokumente mit Problemlosungen, usw. Man muss nun evaluieren,wie aus den gesammelten Dokumenten explizites Wissen abgeleitet werden kann und wie “ta-cit knowledge” so externalisiert werden kann, dass ein Zusammenhang zur Nutzung der beste-henden Dokumente besteht. Das so gewonnenen Wissen kann in Form eines konzepzionellenGraphen reprasentiert werden, welcher die verschiedenen Teile eines Produkts verbindet, dieseTeile mit Eigenschaften verknupft und die komplexen Bedienungsanleitung eines Produkts inkleinere, leichter verstandliche Aktionen unterteilt.

Der dritte und letzte Aspekt bezuglich Corporate Memories meint die Einfuhrung eines Systemszum Speichern des intellektuellen Kapitals. Wesentlich dabei ist die Definition der Anforderungen anein entsprechendes IT-System. Auf jeden Fall muss ein geplantes Unternehmensgedachtnis auf derexistierenden IT-Infrastruktur aufbauen und die vorhandenen Ressourcen fur die Datenbankadmini-stration, das Dokumentenmanagement und die Geschaftsprozesse unterstutzen. Eine Architektur furein Corporate Memory muss die eben genannten Requirements erfullen. [Borghoff et al. 1997]

Fur ein großes und verteiltes Unternehmen hangt es nun davon ab, wie das Unternehmensgedacht-nis aufgebaut werden soll. Alle vier hier vorgestellten Moglichkeiten kommen dafur in Frage. In derRegel wird man aus Kostengrunden einen Kompromiss zwischen dem Sammeln von Informationenund dem Entwurf des Corporate Memory eingehen. Speziell die Ausarbeitung der wissensintensivenTatigkeiten durch die Mitarbeiter selbst erweist sich als idealer Ansatz, wenn Wissen im laufendenBetrieb entwickelt werden soll, wie die Studieuber Rolls-Royce in Abschnitt 4.5 noch zeigen wird.Ein Blick auf erfolgsversprechende KM-Produkte ist naturlich ebenfalls in Betracht zu ziehen, soferndie Anforderungen an ein IT-System klar ferstgelegt wurden und eine kommerzielle Losung diesengenugt.

Im laufenden Betrieb zeigt sich dann, wie sich die anfanglich hohen Investitionen in eine solcheKnowledge Base bezuglich mehrerer Aspekte fur ein großes und verteiltes Unternehmen auszahlenkonnen: So kann eine automatische Generation von mehrsprachigen Dokumenten ermoglicht werden,wenn dies fur das vorliegende explizite Wissen notwendig ist. Durch die Schaffung eines Wissens-raums fur ein existierendes Produkt wird der Designprozess von neuen Produkten und Innovationenwesentlich beschleunigt. Zudem kann die Einfuhrung einer sprachunabhangigen, semantischen Re-prasentation von Produktwissen den Unternehmenszusammenhalt verstarken. Letzteres ist gerade furOrganisationen, deren Betriebsstattenuber viele Lander und sogar Kontinente verteilt sind, in Hinblickdie Vermeidung von Wissensbarrieren (siehe Abschnitt 3.3) von außerordentlicher Bedeutung.

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34 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Fazit

Wie hier gezeigt wurde, ist der Einsatz von Informationstechnologie nicht immer vorteilhaft. Dies giltnaturlich insbesonders fur große und verteilte Unternehmen, wo eine technologielastige Strategie dasWissen, welches jauber viele Betriebsstatten verteilt ist, zu trager Information objektiviert und derPraxisbezug von impliziten Wissen vernachlassigt wird. Hier ist wesentlich, dass nicht das gesamteimplizite Wissen von einem System erfasst und verteilt wird, sondern nur Teile der Wissensbestandeund vor allem die wichtigstens Konzepte. Es mussen immer entsprechende Experten im Unternehmensein, die das vorliegende Wissen – auch wenn es in expliziter Form in einem System gespeichert ist –anwenden konnen, wie in der Fallstudieuber Teltech in Abschnitt 4.3 geschildert wird.

Informationstechnologie soll zum einen die direkte Kommunikation unter den Mitarbeitern fordern,was gerade bei einem Unternehmen mit einer Verteilung der Betriebsstattenuber viele Lander essen-tiell ist. Des Weiteren ist es naturlich wichtig, dass Wissen in Form von Konzepten mit Verknupfungzu entsprechenden internen oder externen Experten in Datenbanken und Repositories gesammelt undgespeichert wird, wie die Studieuber Teltech (siehe Abschnitt 4.3) zeigen wird.

Dennoch muss man sich der Grenzen von Informationstechnologie und der Aufwande fur entspre-chende Systeme bewusst sein. Es wird nie gelingen, das gesamte Expertenwissen in einem Reposi-tory abzubilden. Genauso muss ein System einen bestimmten Grad an Bedienbarkeit und Verfugbar-keit besitzen, damit esuberhaupt verwendet wird. Ein KM-System sollte zudemUberlegungen zurStrukturierung der Wissensbestande sowie zu einer Zugriffskontrolle, welche sensible Daten schutzt,berucksichtigen.

Ein hochinteressantes Thema fur ein großes und verteiltes Unternehmen ist der Aspekt der Un-terstutzung von Informationstechnologie in den immer wiederkehrenden Geschafts- und Wissenspro-zessen. Gerade hier konnen mit einem Workflow-System alltagliche Ablaufe im Unternehmen wie auchin Projektteams unterstutzt und sogar optimiert werden, was unter anderem auch im Gestaltungsbereichbei der Analyse der Wissensprozesse in Kapitel 5 gezeigt wird.

Schließlich ist noch zu erwahnen, dass der Aufbau eines organisatorischen Gedachtnis fur Kon-zerne, die wissensbasierte Tatigkeiten durchfuhren, vorteilhaft ist. Auch hier spielt wieder der Aspektder Nutzbarkeit von Wissen in verteilten Betriebsstatten eine große Rolle, wie die Idee der virtuel-len Organisation in Abschnitt 3.8 noch erlautern wird. Der Aufbau eines solchen “corporate memory”kann nun nach den in diesem Abschnitt gezeigten Ansatzen erfolgen – also entweder durch unstruk-turiertes Sammeln aller Dokumente und Praktiken, durch Aufzeichnung der Informationen und einementsprechenden Designprozess des organisatorischen Gedachtnisses (siehe hierzu auch die Fallstudieuber Rolls-Royce in Abschnitt 4.5) oder durch die Verwendung eines bestehenden Softwareprodukts.Die letzten beiden Ansatze werden im Gestaltungsbereich in Kapitel 6 und 7 ausfuhrlich behandelt.Dort werden KM-Komponenten, die mit dem Hyperwave Informationssystem realisiert wurden, sowieeigenentwickelte Module vorgestellt.

Nun folgend wird ein Problembereich behandelt, der erst seit einigen Jahren besteht, namlich jenerdesUberangebots an Informationen, also der Informationsflut.

3.5 Bewaltigung der Informationsflut

Die zunehmende Spezialisierung der wissenschaftlichen Gebiete lasst die Anzahl an Publikatio-nen stetig steigen. So verdoppelt sich in etwa die Zahl der Publikationen alle 10 bis 15 Jahre.[Krottmaier 1998] Auch in Unternehmen entstehen immer mehr Dokumente mit externalisiertem Wis-sen aus Projekten oder Geschaftsprozessen. Allein die Innovationen rund um ein Produkt bringen oftviele neue Wissensdokumente aus den unterschiedlichsten Fachgebieten hervor, wie die Fallstudieuber

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3.5. BEWALTIGUNG DER INFORMATIONSFLUT 35

Rolls-Royce in Abschnitt 4.5 nocht zeigen wird.

Als Beispiel fur das starke Informationsaufkommen kann auch eine sehr alte wissenschaftlicheDisziplin, namlich die Mathematik, dienen. Im Jahre 1870 wurden ca. 840 wissenschaftliche mathe-matische Arbeiten publiziert. 1994 waren es etwa 50.000 Arbeiten. In diesen 124 Jahren verdoppeltesich also die Anzahl der Publikationen ca. alle 20 Jahre. Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt aber,dass sich die Anzahl nach dem 2. Weltkrieg etwa alle 10 Jahre verdoppelte, die Zahl der Publikationenpro Jahr steigt also nicht linear, sondern exponentiell an. Wenn man daher die Summe der bis jetztpublizierten mathematischen Arbeiten bildet, kommt man auf mehr als 1.000.000 Arbeiten. Durch dasexponentielle Verhalten ist ableitbar, dass die Halfte davon in den letzten 10 Jahren erschienen ist.[Krottmaier 1998]

Der steigenden Zahl an Publikationen wirkt allerdings die Nutzung von Informationstechnologieentgegen. Mit IT-Systemen lassen sich diese Publikationen, die im Grunde nichts anderes als externali-sertes Wissen darstellen, verwalten und dadurch gezielt nach bestimmten Informationen durchsuchen.In den letzten 10 Jahren immer großerer Beliebtheit erfreute sich dabei das WWW2. Im World WideWeb gilt – wie auch in der IT-Infrastruktur eines großen Unternehmens –, dass eine effiziente Nutzungwegen der enormen Anzahl an Dokumenten und deren kontinuierlicher Veranderung und Erweiterungohne die Hilfe von Suchdiensten nicht mehr moglich ware. [Knogler 1999]

In einem großen Konzern bringt bereits die Verteilung von Informationenuber mehrere IT-Systemedas Problem mit sich, dass Redundanzen wie beispielsweise das mehrfache Verwalten der gleichenDokumente entstehen. Genauso erhoht die Bereitstellung von mehrsprachigen Dokumenten das Daten-aufkommen im Intranet. Hierzu kommt, dass Unternehmen im allgemeinen Wissen aus dem Internetbeziehen und somit auch mit dieser externen Informationsflut konfrontiert sind.

Heute verfugbare Suchverfahren und die Aufbereitung der Informationen durchsuchter Dokumentestellen in Teilbereichen hilfreiche Werkzeuge zur Verfugung. Doch mit den gegenwartigen Methodenund der Zunahme von Dokumenten und Suchmaschinen wird allerdings die dadurch verursachte Netz-und Serverbelastung kunftig andere Anwendungen weitgehend beeintrachtigen. Ein weiteres Problemergibt sich durch das Wachstum und die enorme Dynamik des Web, sodass auch großere Suchdiensteimmer nur einen Bruchteil aller Dokumente erfassen konnen. Die Dynamikaußert sich durch einenkontinuierlichen Wandel der Dokumente und ihrer Inhalte, durchschnittlichandert sich ein Dokumentalle 75 Tage. [Knogler 1999]

Informationsauffindung und Aufbereitung

Bevor ein Mitarbeiter die Moglichkeit der Suche im Intra- oder Internet hat, mussen Informationenuber die unternehmensrelevante Dokumente erst gesammelt werden. Es gibt verschiedene Moglich-keiten, wie Dokumente in einem IT-System lokalisiert werden, wobei die Grenzen durchaus fließendineinanderubergehen und Kombinationen moglich sind.

Bei der vollautomatischen Auffindung verfolgt ein Programmahnlich wie ein Benutzer Hyperlinksauf Web-Seiten bzw. Verzeichnisstrukturen auf diversen Servern. Diese sogenannten Robots oder Spi-der verarbeiten vollautomatisch alle gefundenen Dokumente und versuchen, relevante Informationenwie etwa Namen von Autoren, Titel und Schlusselworter zu ermitteln. [Knogler 1999]

Relevante Informationen konnen aus Dokumenten extrahiert werden, indem man beispielsweiseSchlusselworter durch einen Algorithmus, der Worter mit geringer relativer Haufigkeit bevorzugt, er-mittelt. Gewissen Formatierungen (beispielsweiseUberschriften oder Fettdruck) bieten ebenfalls An-satzpunkte, relevante Beschreibungen zu extrahieren. Auch die Verarbeitung von sogenannten Meta-Tags im Dokument kann zusatzliche Informationen bringen. Eine weitere Moglichkeit besteht darin,

2World Wide Web oder auch W3

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36 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

die gesamte Volltext-Information zu verarbeiten. [Knogler 1999]

Meta-Informationenuber Dokumente wie Beschreibung, Kategorien, usw. konnen naturlich auchvom Benutzer selbst festgelegt werden – beispielsweise indem man gewissen Attribute zwingend ein-geben muss – oder aber redaktionell nachbearbeitet werden. Eine Sonderstellung nehmen Informa-tionssysteme ein, die ein integriertes Indizier- und Suchsystem besitzen. Ein Beispiel dafur ist dasHyperwave-Informationssystem (siehe auch Kapitel 6 und Kapitel 7). Hierbei werden die Dokumentebereits beim Einfugen indiziert, so dass die Suchinformationen immer auf dem aktuellsten Stand sind.[Knogler 1999]

Fur Unternehmen gibt es grundsatzlich die Unterscheidung beim Umgang mit internen und exter-nen Informationen. Im Intranet wird im Normalfall ein IT-System angestrebt, dass Meta-Informationenund auchAnderungen eines Dokuments sofort berucksichtigt. Externe Informationen konnen nur be-dingt aktuell gehalten werden. Vor allem bei der Nutzung des World Wide Web ist man bezuglich derAktualitat der Daten zur Ganze auf den Mechanismus der jeweiligen Suchmaschine angewiesen oderaber man verwaltet Verweise auf externe Quellen selber. Letzteres wiederum bedeutet einen zusatzli-chen administrativen Aufwand fur ein Unternehmen.

Schwachpunkte bei der Informationsauffindung

Fur den Benutzer eines Wissensspeichers ist wichtig, dass der Suchdienst die Dokumente vollstandigund aktuell – zumindest in einem geographischen oder thematischen Teilbereich – zur Verfugung stellt.Im Intranet kann diese Aufgabe durch ein entsprechendes IT-System wahrgenommen werden, wie imGestaltungsbereich in Kapitel 6 anhand des Hyperwave-Informationssystems gezeigt wird. Die Such-dienste im World Wide Web streben dagegen nur eine teilweise Vollstandigkeit an, da selbst die großtenSuchdienst-Betreiber mit enormen technischen Aufwanden nicht alle neuen Dokumente standig erfas-sen konnen. Des Weiteren spielen die Einstiegspunkte fur die weitere Linkverfolgung eine zusatzlicheRolle, woraus sich folgern laßt, dass die Vollstandigkeit an zentraler Stelle niemals erreicht werdenkann. [Knogler 1999]

DieselbenUberlegungen betreffen die Aktualitat von bereits indizierten Dokumenten, deren Inhaltesich verandert haben. Ohne ein entsprechendes Document-Management-System werden dieAnderun-gen von bereits indizierten Dokumenten im World Wide Web oder im Intranet eines Unternehmens garnicht oder erst nach einer bestimmten Zeitspanne berucksichtigt. Wenn das Sammeln der Meta-Datenuber Tage bis Wochen hinweggeht, besteht kaum eine Chance, einen eben erschienenen Artikel zufinden. Ein Losungsansatz hier ware das Starten von mehreren Spidern ohne feste Intervalle und dashaufigere Aktualisieren von Dokumenten, die in der Vergangenheitofters geandert wurden. So kanndie Geschwindigkeit der Informationsaktualisierung dynamisch angepaßt werden. [Knogler 1999]

Ein weiteres Problem sind nicht mehr existierende Dokumente, wobei dann die Verweise der Such-ergebnisse oftmals keine gultige Referenz mehr angeben und die Linkkonsistenz nicht mehr garantiertist. Auch gegen diesen Schwachpunkt gibt es bereits gute Losungen. Einer davon ist bei oben genann-ten Hyperwave-Informationssystem bereits inkludiert: Es handelt sich dabei um das Management, undsomit auch dieUberprufung der Links durch das System selbst. [Knogler 1999]

Informationssysteme, die oben genannte Probleme berucksichtigen, benotigen naturlich eine ent-sprechend starkere Hardware. Ein Nachteil heutiger Suchdienste im Internet ist das vielfache Durch-forsten des World Wide Web von vielen Suchrobotern und die dadurch zustandekommende Netzlast.Durch das dauerndeUberprufen der Web-Server werden Unmengen an Daten – eine genaue Ausla-stung der Netzkapazitat ist nicht bekannt –uber das Internet geschickt. [Knogler 1999] Genau diesesProblem ergibt sich naturlich auch im Intranet eines großen, geographisch verteilten Unternehmens.Viele Organisationen nutzen dabei ohnedies das Internet, um alle Betriebsstatten an das Intranet anzu-binden.

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3.5. BEWALTIGUNG DER INFORMATIONSFLUT 37

Schließlich sei noch das Problem der Qualitat und Zuverlassigkeit der Informationen im Intra-oder Internet zu nennen. Im Intranet eines Konzern kann eine Evaluierung des Dokumenteninhaltsunter Umstanden noch handisch vorgenommen werden, wie die Fallstudieuber die Siemens AG inAbschnitt 4.4 zeigt. Im World Wide Web bieten hingegen nur Suchkataloge mit recherchierten Ein-tragen rudimentare Ansatze fur Bewertungen, da man davon ausgehen kann, dass die aufgenommenenWebseiten zumindest einmal von den Redakteurenuberpruft worden sind. [Knogler 1999]

Die Angabenuber Qualitat (siehe Abschnitt 3.6) und Zuverlassigkeit werden mit der raschen Zu-nahme an Dokumenten im Intra- und Internet immer wichtiger. Die Bewertung des Inhalts kann dabeiunter Mitwirkung der Content-Anbieter oder der Konsumenten durchgefuhrt werden. Es ist offensicht-lich, dass gerade die vollautomatische Informationsauffindung Qualitatsmangel aufweist, da die erhal-tenen Informationen im Grunde nicht oder nur rudimentar kontrolliert werden. Ein falsches Schlussel-wort kann hier so gut wie nicht entdeckt werden. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen,bedarf es eines intelligenten Bewertungsalgorithmus, was einige Suchdienstbetreiber bereits erkanntund umgesetzt haben. [Knogler 1999]

Es ist ersichtlich, dass große Konzerne von den hier erwahnten Problemen besonders stark betrof-fen sind. Das Intranetsystem eines solchen Unternehmens muss sich zum einen um die Verwaltung derunternehmenseigenen Dokumente kummern, aber auch noch die Konsistenz von Verweise auf externeQuellen gewahrleisten. Ohne die Bereitstellung von sogenannten Meta-Daten ware eine gezielte Suchein den sehr umfangreichen Wissensbestanden eines großen, verteilten Unternehmens kaum realisierbar.Ebenso mussen Hyperlinks auf nicht mehr vorhandene Informationsquellen sowie andere Qualitatsei-genschaften von Dokumenten standiguberpruft werden.

Filtern von Informationen

Die Verwendung von Filtermechanismen bietet eine weitere Moglichkeit, um die Anzahl der Sucher-gebnisse durch Nutzung von zusatzlicher Information zu verringern und somit die Suche effizienterzu gestalten. Es werden nun verschiedene Systeme fur das Filtern von Informationen betrachtet. DasFiltern selbst ist durch die immer großer werdenden Menge an Informationen eine kritische Notwen-digkeit geworden. Dies gilt vor allem fur Wissensarbeiter, die taglich mit dieser Informationsflut kon-frontiert werden, wenn sie auf unternehmensinterne oder externe Quellen wie das World Wide Webzugreifen mussen.

Ein intelligenter, fur das Intranet geeigneter Filtermechanismus ware ein System, in welchem in-dividuelle Profile erstellt werden, die die langfristigen Interessen des Benutzers festhalten. Mit diesenProfilen kann dann die Bedeutung von Informationen, die aus einer Suche gewonnen werden, gemes-sen und die Anzahl der gefundenen Dokumente auf die Wesentlichsten beschrankt werden. Ein solchesProfil kann beispielsweise eine sprachlich formulierte Frage in einen gewichteten Graph, der den se-mantischen Inhalt der Abfrage in Bezug auf das Profil festhalt, sein. [Borghoff et al. 1997]

Wenn die Abfrage sehr spezifisch ist und eine Menge relevanter Worter beinhalt, kann derInformations-Overhead sehr leicht vermieden werden. Naturlich ist es wichtig, dass diese Profileveranderbar sind, also als dynamische Profile angesehen werden konnen, da sich ja zum einen dieInteressen, aber auch die Aufgabenbereiche eines Mitarbeitersandern konnen. Auf dieser Weise wareein entsprechendes IT-System flexibel und kann auf den Kontext und die Bedurfnisse der spezifischenKategorien der Wissensarbeiter reagieren. [Borghoff et al. 1997]

Das Erstellen von Benutzerprofilen kann zusatzlich noch mit konventionelleren Techniken der In-formationsauffindung kombiniert werden. So kann man weitere Komponenten zur Informationsfilte-rung einsetzen, die einfache Queries absetzen, dafur aber mit großerer Geschwindigkeit ausgefuhrtwerden. Ein optimales System bietet naturlich eine Suchmoglichkeit fur Standardbenutzer und Filter-mechanismen fur fortgeschrittene, erfahrene User. Ebenfalls interessant bei der Informationsfilterung

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38 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

ist das automatische Aktualisieren des Benutzerprofils bei der Durchfuhrung von Tatigkeiten. Eine sol-che Komponente wird Intelligent Agent System genannt und kann beispielsweise in einem Workflow-System zum Einsatz kommen. Diese Agenten lernen und optimieren ihr eigenes Verhalten, indem siedas Verhalten des Benutzers beobachten. [Borghoff et al. 1997]

In einem großen und verteilten Konzern gibt es zusatzlich zu diesenUberlegungen noch den Aspektder Ortsabhangigkeit von Informationen. Man kann zum Beispiel mittels Meta-Informationen festhal-ten, in welcher Betriebsstatte oder in welchem Land ein bestimmtes Dokumentuberhaupt verwendetwerden darf. Auch das Festlegen der Empfangergruppe kann helfen, dass die Informationsauffindungeffizienter wird.

Fazit

Die Problematik des Informationsuberangebots betrifft große und geographisch verteilte Unternehmengleich in mehrfacher Weise. Zum einen kann das Informationsaufkommen im Intranet eines großenKonzerns sehr rasch stark ansteigen. Zum einen kommt es dadurch, dass Informationen im Normalfalluber mehrere Betriebsstatten verteilt sein konnen und dort lokal gespeichert werden, oft zu unnotigenRedundanzen. Auch das Verwenden von unterschiedlichen Metadatensatzen fur einzelne Unterneh-mensbereiche und das Bereitstellen von mehrsprachigen Dokumenten erhoht das Datenaufkommenerheblich.

Somit bestehen die in diesem Abschnitt geschilderten Probleme wie Aktualitat von Dokumentenund Meta-Informationen, Linkinkonsistenzen, steigende Netz- und Serverlast, usw. bereits im unter-nehmensinternen Netz. Die interne Dokumentenverwaltung kann nun aber ganz gut durch Einsatz vonentsprechender Informationstechnologie abgedeckt werden, wie im Gestaltungsbereich im Kapitel 5noch gezeigt wird.

Anders verhalt es sich bei der Nutzung von externen Informationen, beispielsweiseuber das WorldWide Web. Hier ist man bei der Suche nach Informationen auf die Anbieter von Suchmaschinen oderandere Dienstleister angewiesen. Wie in diesem Abschnitt beschrieben wurde, kann die Informations-auffindung durch Meta-Informationen, die entweder automatisch generiert oder vom Benutzer einge-geben werden, Filtermechanismen oder intelligente Suchstrategien verbessert werden.

Fur essentielle externe Quellen muss in einem Unternehmen naturlich eine eigene Strategie zurech-gelegt werden. So kann ein entsprechend großer Konzern auf Dienstleister wie Teltech (siehe Abschnitt4.3) setzen, um externen Wissensquellen wie beispielsweise Experten verwalten zu lassen. Oder aberdas Unternehmen stellt eigene Ressourcen zur Verfugung, um externe Quellen zu warten. Schließlichgibt es fur einen globalen prasenten Konzern immer noch die Moglichkeit, wichtige externe Wissen-trager wie Experten oder innovative Unternehmen zu erwerben. Zu dem letzten Aspekt gibt es eineneigenen Wissensprozess, der sich ausfuhrlich mit dem Erwerb von Wissen beschaftigt, wie unter ande-rem auch in Abschnitt 5.3 gezeigt wird.

Vorteilhaft fur Intra- und Internet ist der Einsatz eines Agents, der lokal ein Profil mit den Interessenund Aufgabengebieten des Mitarbeiters erstellt und die Suche bzw. die Ergebnisse entsprechend filtert.Naturlich muss ein solches System auf das Intranet wie auch auf externe Wissensspeicher wie demWorld Wide Web abgestimmt sein. Interessant an dieser Idee ist, dass in einem großen und verteiltenUnternehmen ein Agent nicht nur eine IT-Komponenten sein muss, sondern dass diese Funktion auchdurch spezialisierte Mitarbeiter abgedeckt sein kann, wie in der Studieuber Teltech (siehe Abschnitt4.3) nachzulesen ist.

Ein weiterer Punkt, der in Unternehmen zu beachten ist und bei den Betrachtungen zum ThemaInformationsqualitat in Abschnitt 3.6 ebenfalls behandelt wird, ist das Erfassen von wesentlichen Meta-Informationen, um qualitativ hochwertige Dokumente zu schaffen. Dies kann durch die Angabe des

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3.6. INFORMATIONSQUALITAT 39

Autors, wie in der Fallstudieuber Rolls-Royce in Abschnitt 4.5 nachzulesen ist, oder aber durch eineBewertung der Inhalte von Experten, wie die Studieuber die Siemens AG in Abschnitt 4.4 zeigt,geschehen.

Durch Einschrankungen des Gutligkeitsbereichs und des Empfangerkreises fur Informationen kannman in einem großen Konzern die Wissensauffindung wesentlich effizienter gestalten. Auf diese Weisekonnen Dokumente nur in den definierten Abteilungen bzw. von den festgelegten Personen durch eineSuchabfrage gefunden werden. Realisierbar sind solche Einschrankungen bei Informationen wiederumdurch Meta-Informationen.

Es sei hier noch erwahnt, dass es vorteilhaft ist, wenn im Unternehmen entsprechende Wissens-funktionen geschaffen werden. So kann ein Knowledge Broker, wie er auch in den FallstudienuberTeltech bzw. der Siemens AG in Abschnitt 4.3 bzw. 4.4 beschrieben ist, wie eine Suchmaschine bzw.ein Spider im Intra- und Internet fur ein bestimmter Fachgebiet fungieren und die Wissenskonsumentenentsprechend unterstutzen.

Als nachstes wird nun der Problembereich der Informationsqualitat behandelt, der in Unterneh-men großen Einfluss auf die rasche Abwicklung von Aufgaben haben kann und der trotz steigenderBedeutung immer noch zuwenig Aufmerksamkeit erhalt.

3.6 Informationsqualitat

Seit einigen Jahren werden Informationen und Wissen als entscheidende Produktionsfaktoren fur dieUnternehmen aller Branchen und Großen und als einzig noch verbliebener Vorteil der entwickeltenLander im globalen Wettbewerb angesehen. Insbesondere gilt dies fur große und weltweit tatige Kon-zerne, bei denen allein das Informationsaufkommen im Intranet ein Problem darstellen kann, wie be-reits im vorherigen Abschnitt dargestellt wurde.

Fur die Entscheidungen des Managements sind aktuelle, vollstandige und relevante Informationendie wichtigste Grundlage. Der Informationsbedarf von Unternehmen steigt in komplexen und dynami-schen Wettbewerbsumwelten und durch gesellschaftliche Veranderungen standig an, die Zeit fur einePrufung und Auswertung von Information wird immer kurzer. Fur Unternehmen wird es immer wich-tiger, sich mit der Qualitat bzw. mit der Zuverlassigkeit von Informationen zu beschaftigen, weil davonder kunftige Unternehmenserfolg abhangt. [Nohr 2000]

Fur die nachfolgenden Betrachtungen ist zu erwahnen, dass der Bewertungsmaßstab fur die Qua-lit at von Informationen stets von der Aufgabe bzw. vom Anwender abhangt. Probleme der Informati-onsqualitat sind auch nicht unbedingt durch informationstechnische Losungen zu beheben. Vielmehrhandelt es sich hierbei um ein Managementproblem (Festlegen von Qualitatskriterien), wie spater nochzu sehen sein wird.

Rezeptive und konstruktive Informationsqualitat

Unternehmensrelevante Daten und Informationen werden einerseits im Unternehmen selbst erzeugt,andererseits auch aus diversen externen Quellen bzw. von externen Lieferanten bezogen. Es gibt dahereine konstruktive und eine rezeptive Sichtweise auf die Informationsqualitat. Fur beide gilt es geeigneteMaßnahmen zu entwickeln, um stets nur qualitativ hochwertige Informationen den unternehmerischenEntscheidungsprozessen zuzufuhren. [Nohr 2000]

Die “konstruktive Informationsqualitat” umfasst alle Maßnahmen des Qualitatsmanagements undder Qualitatssicherung bei der Produktion von Information und Informationsprodukten sowie ihrerVerteilung. In dieser Hinsicht gilt es neben der Ergebnisqualitat auch dem Produktionsprozess unddamit der Prozessqualitat Aufmerksamkeit zu schenken. [Nohr 2000]

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40 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Die “rezeptive Informationsqualitat” umfasst alle Maßnahmen, die getroffen werden, um die Qua-lit at externer Information und extern bezogener Informationsprodukte zu prufen und zu bewerten. Re-zeptive Informationsqualitat ist zumeist bezogen auf Informationsquellen und Anbieter, da die Infor-mation selbst haufig einer Prufung unzuganglich bleibt. [Nohr 2000]

Ansatze fur Informationsqualit at

Information weist nun verglichen mit anderen Produkten eine Besonderheit auf, die eine Beurteilungder Qualitat in erheblichem Maße erschwert. Die Qualitatseigenschaften einer Information konnennicht “besichtigt” werden. D.h. ihre tatsachlichen Qualitatseigenschaften konnen durch den Nutzer vordem Erwerb nicht direkt gepruft werden. Wurde die Information zur Ansicht und Qualitatsprufung demKunden bereit gestellt werden, ware damit der Kauf dieser Informationuberflussig geworden, da derKunde die Informationshalte mit der Besichtigung bereits erhalten und aufgenommen hatte. Die Qua-lit at von Information kann generell erst bei der Anwendung nach dem Erwerb erfahren werden, etwawenn sich herausstellt, ob sie zu richtigen oder falschen unternehmerischen Entscheidungen gefuhrthat. [Nohr 2000]

Informationsqualitat muss daher auf anderem Wege erfahren bzw. vermittelt werden. Fur diePrufung der rezeptiven Informationsqualitat existieren grundsatzlich die nachfolgenden funf Moglich-keiten. [Nohr 2000]

Vertrauen in die Informationsquelle

Die Reputation eines Informationsanbieters kann Vertrauen in die Informationsquelle begrunden. DieQualitat einer einzelnen Information bzw. eines Informationsprodukts ist hierbei nicht bekannt, siewird aber unterstellt, da der Anbieter den Ruf genießt, stets qualitativ hochwertige Informationen zuliefern. [Nohr 2000]

Vertrauen in einen Anbieter gibt jedoch im Einzelfall keine Garantie in die Qualitat einer Informa-tion oder eines Informationsprodukts. Zudem tauchen derzeit in der Informationsokonomie viele neueAnbieter auf, deren Lebenszyklen verglichen mit Unternehmen der alten Guterokonomie haufig eherkurz sind. Damit fehlt die fur den Vertrauensaufbau notwendige zeitliche Komponente. Ein weiteresProblem stellt die Virtualitat der Informationsmarkte im Internet, auf denen die Akteure einander nichtpersonlich begegnen, dar. [Nohr 2000]

Qualit atsbewertung unabhangiger Dritter

Eine unabhangige dritte Partei steht als Vermittler zwischen Informationsanbietern und -konsumenten.Mit ihrer unabhangigen Stellung ist sie geeignet, eine neutrale Prufung und Bewertung von Qualitatvorzunehmen. [Nohr 2000]

Zu einem der ersten Navigatoren fur Qualitat und Sicherheit im E-Commerce hat sich Pricewater-houseCoopers3 entwickelt. Unternehmen, die das Internet als Handelsplattform nutzen, erhalten vondiesem Dienstleister ein Rating. Voraussetzung ist, dass die Anbieter auf ihren Webseiten differenzierteund praxisorientierte Standards hinsichtlich der Information ihrer Kunden erfullen. [Nohr 2000]

Der kritische Faktor ist die Unabhangigkeit des Navigators und das Vertrauen der Kunden in dieseUnabhangigkeit. Es werden eben nicht einzelne Informationen bewertet sondern Anbieter. Auch “gute”Anbieter mit einer hohen Reputation sind im Zweifelsfall in der Lage, einmal mangelhafte Qualitat

3www.pwcglobal.com

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3.6. INFORMATIONSQUALITAT 41

abzuliefern, weshalb hier die dritte Moglichkeit der Qualitatsprufung von Informationen vorgestelltwird. [Nohr 2000]

Qualit atsbewertung durch Nutzer

Informationsanbieter konnen Nutzern die Moglichkeit bieten, eine Qualitatsbewertung abzugeben.Diese Bewertungen werdenoffentlich zuganglich gemacht und geben Informationssuchenden somitQualitatshinweise. [Nohr 2000]

Dieser Weg ist beispielsweise fur Anbieter im Internet leicht realisierbar und wird unter anderemvom Online-Buchhandler Amazon4 beschritten.Uber das Internet konnen zu Buchern oder CDs Re-zensionen verfasst, sowieuber ein Rating-System eine Wertung abgegeben werden. Kunden werdenso uber die Qualitat von Informationsprodukten von anderen Nutzern informiert. Auch beim Online-Auktionar eBay5 besteht die Moglichkeit, dass sich Akteure, die an einer Auktion entweder als Bieteroder als Anbieter teilnehmen, bewerten konnen. [Nohr 2000]

Bei den einzelnen Wertungen wird jedoch selten die Grundlage eines Urteils bekannt. Die Qua-lit atsanforderungen der Kunden werden jeweils sehr unterschiedlich sein, was beispielsweise von de-ren Ausbildung, Vorkenntnissen, usw. abhangen kann. Dies kommt jedoch in den Wertungen nichtzum Ausdruck. Eine hohe Anzahl abgegebener Wertungen mindert die Unsicherheit dieses Qualitats-systems. [Nohr 2000]

Dennoch gibt es noch zwei weitere, nachfolgend beschriebene Moglichkeiten, um die Informati-onsqualitat zu prufen.

Probeansicht einer (Teil)Information

Informationsanbieter konnen als Nachweis ihrer Qualitat dem Kunden Proben zur Verfugung stellen.Diese Proben konnen einerseits aus vergleichbaren Informationen bestehen, die Analogieschlusse aufdie Qualitat der vom Kunden gewunschten Information zulassen. Andererseits konnen die Anbieterdem Kunden einen Teil der gewunschten Information zur Ansicht liefern. Diese Teilinformation ist alssolche noch unbrauchbar, lasst aber Ruckschlusse auf die Qualitat der vollstandigen Information zu.[Nohr 2000]

Den ersten Weg gehen Datenbankanbieter, die in ihren Produktunterlagen fur die Gesamtkollektiontypische Beispieldatensatze zeigen. Den Weg der Teilinformation gehen zum Beispiel Anbieter vonBorseninformationen. Sie geben haufig vollig kostenlos zeitverzogerte Kursinformationen ins Internet,um eine Aussicht auf die Qualitat der Realtime-Information zu geben. [Nohr 2000]

Auch Teilinformationen bieten nur eine begrenzte Einsicht in die Qualitat der Information, da ge-wisse Anforderungen wie Glaubwurdigkeit, Aufgabenrelevanz oder Aktualitat eben nicht erkennbarsind, bevor die Information vollstandig vorliegt. [Nohr 2000]

Beschreibung durch Metainformation

Informationsobjekte konnen durch Meta-Informationen beschrieben werden, die unter anderem aucheine qualitative Bewertung der Information zulassen sollen. Mittelbare Ruckschlusse auf die Qualitatkonnen beispielsweise durch die Angabe des Urhebers gewonnen werden. Die Aktualitat kann dem

4www.amazon.com5www.ebay.com

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42 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Erstellungsdatum oder einer Angabeuber die Gultigkeitsdauer entnommen werden. Inhaltliche Ruck-schlusse bieten beispielsweise kurze Zusammenfassungen (Abstracts), die auch als Teilinformationangesehen werden konnen. [Nohr 2000]

In einem großen Konzern, der in mehreren Branchen angesiedelt ist, kann es notwendig sein, dassunterschiedliche Gruppen an Meta-Informationen fur Informations-Objekte definiert werden. So kannman einem Informations-Objekt in unterschiedlichen Unternehmensbereichen andere Bedeutungen zu-weisen, dh. dass Mitarbeiter von einzelnen Abteilungen eigenen Qualitatskriterien zu ein und derselbenInformation haben konnen. Auch Einschrankungen von Informationen hinsichtlich relevanter Unter-nehmensbereiche oder des Empfangerkreises, wie sie in Abschnitt 3.5 beschrieben wurden, kann manmittels Meta-Informationen realisieren.

Management der Informationsqualitat

Das Management der konstruktiven Informationsqualitat umfasst Maßnahmen und vereinbarte Anfor-derungen, die bei der Produktion von Information einzuhalten sind. Die Verantwortlichkeit fur dasManagement der konstruktiven Informationsqualitat obliegt einem “Information Quality Officer”, derauf der Schnittstelle zwischen dem Qualitatsmanagement und dem Wissensmanagement eines Un-ternehmens angesiedelt ist. Das Management einzelner Informationen obliegt den Ownern bzw. denProduktmanagern bestimmter Informationsprodukte. [Nohr 2000]

Die Verwaltung der konstruktiven Informationsqualitat ist ein Prozess, der sich auf den gesamtenLebenszyklus einer Information bzw. eines Informationsobjekts bezieht. Ein wichtiger Aspekte dabeiist das regelmaßigeUberprufen von Qualitatskriterien auf deren Einhaltung, indem beispielsweise be-stimmte Angaben oder aussagekraftige Metainformationen vorhandensein mussen. Andere Kriterienkonnen etwauber Rating- oder Voting-Systeme ermittelt und auch den Kunden zuganglich gemachtwerden. Aus diesen Kriterien kann man sodann auch Qualitatsziele wie beispielsweise ein bestimmtesRating von den Kunden definieren oder gezielte Veranderungsmaßnahmen vornehmen. [Nohr 2000]

Ein Unternehmensmodell, welches die Verwaltung von Informationsqualitat berucksichtigt, mussweiters eine Unterscheidung der Ebenen “Daten”, “Information” und “Wissen” beinhalten, wie be-reits in Abschnitt 2.2 mit der hierachischen Sichtweise beschrieben wurde. Fur unernehmerische Ent-scheidungen spielen also die Ebenen der Daten-, Informations- und naturlich Wissenqualitat, die stetsganzheitlich betrachtet werden mussen, eine entscheidende Rolle. [Nohr 2000]

Der Einsatz von Data Warehouse Systemen bietet ein gutes Anschauungsbeispiel hierfur: Ein Da-ta Warehouse ist zunachst ein Repository fur Daten, geladen aus verschiedenen operativen Systemendes Unternehmens. Durch verschiedene Analyseverfahren wie zum Beispiel Data Mining und durchdie Interpretation der Ergebnisse wird aus diesen Daten Information gewonnen. Durch die Vernetzungder gewonnenen Informationen mit bereits vorhandenem Wissen, kann schließlich neues Wissen ent-wickelt werden. Ein Qualitatsmanagement allein auf der Ebene der eigentlichen Information und desInformationsmanagements anzusetzen, ist nicht hinreichend. [Nohr 2000]

Ein Modell fur Informationsqualitat muss vielmehr die drei genannten Dimensionen einbeziehen,soll es wirkungsvoll sein und als Grundlage fur qualitativ hochwertige Managemententscheidungendienen. Die in Abbildung 3.3 gezeigten Dimensionen machen deutlich, dass Informationsqualitat nichtdie Aufgabe einer einzelnen Organisationseinheit wie zum Beispiel der IT-Abteilung eines Unterneh-mens, sondern eineubergeordnete und unternehmensweit anzusiedelnde Funktion ist. [Nohr 2000]

Zunachst mussen kritische Informationsprozesse in Abhangigkeit von den Geschaftsprozessen di-mensionsubergreifend identifiziert werden. Diese Informationsprozesse werden einer systematischenAnalyse unterzogen, mit dem Ziel, Probleme der Informationsqualitat zu erkennen, Qualitatsziele fest-zulegen, Qualitatskriterien zu definieren, Methoden der Erfolgsmessung einzufuhren, Verfahren und

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3.6. INFORMATIONSQUALITAT 43

Abbildung 3.3: Dimensionen der Informationsqualitat [Nohr 2000]

Durchfuhrung von Abweichungsanalysen zu implementieren sowie Maßnahmen fur Ergebnis- undProzessverbesserungen zu treffen. Dabei handelt es sich nicht um eine einmalige Aufgabe, sondern umeinen permanenten Managementprozess, dem Total-Information-Quality-Management-Prozess (TI-QM). [Nohr 2000]

Der Ansatz des TIQM bezieht folgende Konzepte ein: [Nohr 2000]

1. Das Engagement des Managements ist notwendig, um zum einen die notwendigen Ressourcen(Personal, Kapital, usw.) zu beschaffen und die Mitarbeiter durch Vorbildwirkung zu motivieren,wie auch in Abschnitt 4.6 ausfuhrlich geschildert wird.

2. Die Verbesserung der Informationsqualitat zielt auf die Erkennung und Umsetzung der Kunden-erwartungen ab, dh. die Kundenzufriedenheit ist der Motor fur standige Verbesserungsprozesserund um Produkte und Serviceleistungen eines Unternehmens. Auch dieser Aspekt wird in einemeigenen Abschnitt (4.7) behandelt.

3. Der TIQM-Ansatz baut sehr auf lernfahige Teams, welche Vereinbarungenuber die Zielsetzungvon Informationsqualitat, uber einzuhaltende Qualitatskriterien und Meßgroßen sowieuber Ver-besserungsprozesse treffen. Viertens ist ein Qualitatsprogramm fur Information keine einmaligeAktion, sondern ein permanenter Verbesserungsprozess, der einerseits eine Kultur der Informa-tionsqualitat im Unternehmen schafft und Methoden der standigen Qualitatsverbesserung un-terstutzt. Diesen zwei Punkten werden in Abschnitt 3.7 aufgegriffen, wo das Konzept der lernen-den Organisation vorgestellt wird.

4. Schließlich stehen beim TIQM-Ansatz noch Erfolgsmessungen, also das standige Evaluierenvon festgelegten Qualitatszielen und -kriterien, und das Benchmarking, also dem Vergleich mitden Besten auf einem Gebiet, im Vordergrund. Diese zwei Konzepte werden auch im Prozess derWissensbewertung haufig aufgegriffen, wie im Gestaltungsbereich in Abschnitt 5.9 nachzulesenist. [Nohr 2000]

Fazit

Die Verwaltung bzw. die permanente Verbesserung der Informationsqualitat ist in einem großen undgeographisch verteilten Unternehmen eine essentielle Aufgabe. Zum einen ist eine hohe Informations-qualitat bereits ein Losungsansatz fur die Problematik des immer starker aufkommenden Informations-angebots. Zweitens sind informationssuchende Mitarbeiter bzw. Wissensmakler, die in den Fallstudienin Kapitel 4 noch genauer vorgestellt werden, auf eine hinreichende Qualitat von Informationen ange-wiesen, um ihre alltaglichen Aufgaben schnell und effizient erledigen und so zum kunftigen Unterneh-menserfolg beitragen zu konnen.

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44 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Hinreichende Informationsqualitat bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Information zurrichtigen Zeit von den richtigen Mitarbeitern vor Ort genutzt werden konnen. Dies impliziert auch,dass eine Information hinsichtlich des Unternehmensbereichs sowie anhand der Empfangergruppe ein-geschrankt werden kann. Diese wesentlichen Kriterien fur die Informationsqualitat mussen naturlichdurch das Management eines Unternehmens oder eines Bereichs festgelegt werden.

Zur Bewertung der Informationsqualitat in einem Unternehmen erweisen sich folgende Moglich-keiten als geeignet: Die Reputation des Informationsanbieters spielt auch in einem Unternehmen einegroße Rolle, dh. die Angabe des Informationserzeugers ist fur die Informationsqualitat immer vonVorteil, was auch die Fallstudieuber Teltech in Abschnitt 4.3 bescheinigt. Eine Bewertung durch un-abhangige Dritte wie beispielsweise Experten oder durch andere Informationskonsumenten ist eben-falls eine gangige Methode zur Qualitatssicherung von Informationen, wie in der Studieuber die Sie-mens AG in Abschnitt 4.4 gezeigt wird.

Eine Probeansicht der Information, die zum Beispiel durch eine generierte Zusammenfassung einesTextes geschehen kann, und vor allem die zwingende Eingabe von Meta-Informationen bei der Infor-mationsproduktion sind weitere Maßnahmen zur Sicherung und Verbesserung der Informationsqualitat.All diese Aspekte konnen unter anderem mit Informationssystem Hyperwave realisiert werden, wie inKapitel 6 des Gestaltungsbereichs noch ausfuhrlich gezeigt wird.

Bevor aber ein IT-System forciert wird, muss das Management zuerst die notwendigen Ressourcenaufbringen, damit Qualitatsmanagement fur Informationen im Unternehmenuberhaupt moglich wird.Weiters mussen Fuhrungskrafte, die in der Literatur ohnedies als Wissensarbeiter angesehen sind, aucheine entsprechende Unternehmenskultur, welche Mitarbeiter zur Verbesserung und Sicherung der In-formationsqualitat motiviert, schaffen und naturlich die Qualitatskriterien und Zielsetzungen fur dasQualitatsmanagement festlegen. Das Management eines “lernenden Unternehmens” wird in Abschnitt4.6 genauer behandelt.

In einem global prasenten Unternehmen spielt die Informationsqualitat beim Erwerb von externemWissen oder bei einer engeren Zusammenarbeit mit Stakeholdern – Kunden, Zulieferer, usw. – einegroße Bedeutung. So ist beim Wissenserwerb das Generieren und Angeben von Meta-Informationensowie eine Bewertung durch Experten vorteilhaft, wie die Studieuber die Siemens AG (siehe Abschnitt4.4) zeigt. Einschrankungen hinsichtlich des Nutzungsbereiches oder der Empfangergruppe von Infor-mationen konnen durch die Verwendung von Meta-Informationen realisiert werden. Die Lernfahigkeitvon Teams und dem Unternehmen selbst (siehe Abschnitt 3.7) und die Einbindung der Kunden in dasQualitatsmanagement (siehe Abschnitt 4.7) sind wichtige Vorraussetzungen fur das Erreichen einerhohen Informationsqualitat.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Qualitatsmanagement fur Informationen in großen undgeographisch verteilten Unternehmen nicht nur eine Vorstufe fur erfolgreiches Wissensmanagementist, sondern sogar eine zwingende Vorraussetzung. Wie in Abbildung 3.3 zu erkennen ist, erstreckensich die Tatigkeiten zur Verbesserung der Informationsqualitat vom Datenmanagementuber das Infor-mationsmanagement und -design bis hin zum Bereich Wissensmanagement. Denn nur wenn die Infor-mationssuchenden im Unternehmen rasch auf qualitativ hochwertige Informationen zugreifen konnen,konnen auch entsprechend hochwertige Entscheidungen getroffen oder neues Wissen generiert werden.

Nachdem nun die Problembereiche der Wissensbarrieren, der Nutzung von Informationstechnolo-gie, des immer starker werdenden Informationsaufkommens und des Qualitatsaspekts von Informatio-nen behandelt wurden, folgen zwei Abschnitte, die speziell fur große und geographisch verteilte Un-ternehmen interessant sind. Zunachst wird aufgezeigt, was ein lernendes Unternehmen kennzeichnetund mit welchen Maßnahmen die Lernfahigkeit eines Unternehmens gesteigert werden kann. Hier-bei wird speziell der Blick auf ein großes und verteiltes Unternehmen gerichtet. Im letzten Abschnittdieses Kapitels folgt sodann einUberblick uber “Virtuelle Organisationen” und die Bedeutung dieserfur geographisch verteilte Konzerne. Vorerst aber werden Aspekte der Lernfahigkeit von Unternehmen

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3.7. LERNENDE UNTERNEHMEN 45

dargestellt.

3.7 Lernende Unternehmen

“F ur Euch besteht Management darin, die Ideen aus den Kopfen der Manager in die Kopfeder Mitarbeiter zu bringen. Wir hingegen sind jenseits des Taylorismus. Wir wissen, dassdas wirtschaftliche Umfeld heute so komplex und schwierig, zunehmend unvorhersehbarund gefahrlich ist, dass dasUberleben des Unternehmens letztlich von der alltaglichenAktivierung des letzten Gramms von Intelligenz abhangt. Nur unter Ausnutzung der kom-binierten Denkleistung aller Mitarbeiter kann sich ein Unternehmen den Turbulenzen undZwangen erfolgreich stellen unduberleben. Fur uns besteht Management exakt in derKunst, das intellektuelle Potential aller Mitarbeiter des Unternehmens zu mobilisierenund zusammenzubringen.”(K. Matsushita) [Weber 1994]

Diese Aussage, die von einem bekannten japanischen Industriellen getatigt wurde, soll Anstossder Diskussionuber ein bekanntes Problem von westeuropaischen und amerikanischen Unternehmensein: Gemeint ist die gegenuber westlichen Konkurrentenuberlegene Form der Aktivierung des in-tellektuellen Potentials der Mitarbeiter von japanischen Unternehmen, die es bestens verstehen, dieHumanressourcen zu entfalten, die Kreativitat der Mitarbeiter zu entfesseln, das intellektuelle Kapitaldes Unternehmens optimal einzusetzen und dadurch erheblich an Wettbewerbsfahigkeit am Weltmarktgewinnen. [Weber 1994]

Intelligentes Potential ist einerseits mehr oder weniger gegeben, kann andererseits aber auch durchgesellschaftliche, organisatorische und personelle Bestrebungen gefordert werden. Westliche Unter-nehmen sind nun in ihrer Organisationsform so strukturiert, dass das Potential der Mitarbeiter und dieIntelligenz der Organisation eher behindert als gefordert wird. Angesprochen ist damit der in weitenTeilen der Massenproduktion vorherrschende Organisationsmodus der tayloristischen Organisations-gestaltung, wo es einzig um die Optimierung der Ressourcen geht – “maximaler Ertrag bei minimalemAufwand”. [Weber 1994]

Die Japaner haben aber erkannt, dass dieses Organisationsmodell, welches im Grunde auf der Aus-beutung von Ressourcen basiert, auf lange Sicht nicht rentabel ist und bevorzugen das sehr junge Or-ganisationskonzept der Lean Production, welches mit dem Motto “Von allem die Halfte” beschriebenwerden kann. Laut einer im Rahmen der vom Massachusetts Institute of Technology durchgefuhrtenStudieuber “die 2. industrielle Revolution in der Autoindustrie” [Womack et al. 1991] benotigen Ja-paner die Halfte an Stunden fur die Produktion und begehen dennoch nur 50% der Montagefehler.Der Lagerbestand innerhalb einer derartigen Organisation ist drastisch reduziert. Selbst bei der Abwe-senheitsrate von Mitarbeitern in der Organisation trifft gemessen an westeuropaischen Standards dasMotto zu. [Weber 1994]

Hervorzuheben ist auch, dass diese erheblichen Vorteile nicht mit einem “Mehr an Technik” erkauftwurden, sondern eher im Gegenteil weniger Automatisierungstechnik in der Montage eingesetzt wird.Bei den untersuchten Firmen wurde gerade etwas mehr als die Halfte der Arbeitsgange automatisiertwie in westeuropaischen Firmen. Nur in einem Punkt weicht das Motto “von allem die Halfte” wesent-lich ab: dem Aufwand fur die Qualifizierung der Mitarbeiter. In diesem Bereich investieren japanischeUnternehmen mehr als die doppelte Anzahl an Stunden in die Qualifikation der Produktionsarbeiterwie ihre westeuropaischen Konkurrenten. [Weber 1994]

Auch sind die Strukturen westlicher Unternehmen sehr innovationsfeindlich. Wer etwas verbessernwill, der hat die Mehrheit in der Organisation gegen sich und sieht sich haufig mit burokratischenHindernissen konfrontiert, wenn er eine Innovation umsetzten will. So zeigen Untersuchungen des

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46 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Instituts fur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, dass ca. 40% der Unternehmen in Deutschland inden letzten 3 Jahren weder ein neues noch ein verbessertes Produkt auf den Markt gebracht haben.[Weber 1994]

Wie die Studie des MIT zeigt, entwickeln Organisationen in unterschiedlichem Maße Eigenschaf-ten, Fehler abzustellen, Veranderungen vorzunehmen, sich weiterzuentwickeln, kurz: zu lernen. DieNutzung des Humanressourcenpotentials auf der einen Seite, die Entwicklung der lernfahigen Organi-sation auf der anderen Seite, konstituieren dieses neue Organisationsmodell. [Weber 1994]

Um die Leistungsfahigkeit von Organisationen zu erhohen, setzen insbesonders japanische undamerikanische Unternehmen vermehrt auf eine Erhohung der Qualifikation ihrer Mitarbeiter, wie dieFallstudieuber Teltech in Abschnitt 4.3 zeigen wird. Ebenfalls in der MIT-Studie ersichtlich ist, dassin unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen unterschiedliche Aufwendungen fur die Qualifizierung derMitarbeiter getatigt werden. Dabei fiel besonders das Paradoxon auf, dass eine “schlanke” Produktioneinhergeht mit einer “fulligen Qualifikation”. [Weber 1994]

Fur Unternehmen ebenfalls interessant ist die Tatsache, dass in Landern mit hohem Bruttosozial-produkt und hohen Einkunften im globalen Wettbewerb Arbeitsplatze nur durch anspruchsvolle Pro-dukte und komplexe Produktions- und Konstruktionsverfahren gesichert werden konnen. Die MIT-Studie zeigt weiters auch, dass nicht der Einsatz von mehr Technik, sondern der Einsatz von intel-ligenzfordernden Organisationsstrukturen und Qualifikationen zentrale Wettbewerbsvorteile schafft.[Weber 1994]

Individual- und Organisationslernen

Schon seit langem ist bekannt, dass nicht nur das Individuum, sondern auch der “soziale Kontext”,in dem gelernt, gehandelt, entschieden und nachgedacht wird, entscheidend dafur ist, ob und in wel-chem Maße Lernen stattfindet und sich in Veranderungen beim Lernenden bemerkbar macht. SozialeKontexte konnen positive oder negative Effekte auf das Lernen haben. [Weber 1994]

Noch immer herrscht die Ansicht, dass nur Individuen ein Lernpotential haben. Dennoch widmetsich die Padagogik vermehrt dem sozialen Kontext und sucht nach fordernden und hemmenden Fak-toren. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass sich Weiterbildungsmaßnahmen in einer Organisation,die den Einzelnen qualifizieren, den Kontext, in dem er wirkt, jedoch unberucksichtigt ließen, keineSteigerung der Leistungsfahigkeit mit sich bringen. Es entwickelt sich dabei namlich nicht die Organi-sation als ganzes weiter, sondern eben nur die Individuen. [Weber 1994]

Ein erster Ansatz, um nicht nur Individuen weiterzubilden, sondern auch die Organisation wei-terzuentwickeln, sieht so aus, dass mehrere Mitarbeiter gemeinsam in den Lernprozess eingebundenwerden. Somit kann auch eine Verbesserung der organisationalen Qualifizierung erreicht werden, den-noch bedeutet dies nicht den Sprung zum “sozialem System”. [Weber 1994]

Das Problem in den Anfangen des Konzepts der “Organisationsentwicklung” war, dass man sichzu sehr auf Interaktionssysteme konzentrierte. Gemeint sind damit relativ einfache Systeme, die sichdadurch auszeichnen, dass die Mitglieder sich als anwesend erfahren. Als Charakteristika eines sol-chen Systems seien zum Beispiel Seminare in Weiterbildungsveranstaltungen, Klassen in Schulen,Vorstandssitzungen oder Besprechungen von Vorgesetzten mit einer Anzahl von Mitarbeitern zu nen-nen. [Weber 1994]

Aus der Sozialpsychologie kommen schließlich folgende interessante Erkenntnisse: Unternehmensollten nicht als Organisationen, sondern als Sozialsysteme oder als ein Gebilde von sozialen Einhei-ten gesehen werden. Sozialsysteme sind gemessen an der Komplexitat, die Organisationen erreichenkonnen, vergleichsweise einfache Gebilde, dieuberschaubare Muster sozialer Beziehungen herausbil-den. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass ein spezieller Kreis von Individuen als Mitglieder behandelt

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3.7. LERNENDE UNTERNEHMEN 47

werden konnen. Bei Abwesenheit von einzelnen Mitgliedern kann ein soziales System weiter existie-ren, Mitglieder konnen ausgewechselt oder neu eingegliedert werden und es konnen neue Beziehungs-muster zwischen ihnen bestehen. [Weber 1994]

Eine Organisation, die als ein soziales System oder aus mehreren sozialen Einheiten besteht, kanngegenuber einer starren und hierachischen Organisation ein erheblich gesteigertes Komplexitatsniveuerzielen und somit auch entsprechende Probleme losen sowie Veranderungen hervorbringen – es steigtalso die Lernfahigkeit gegenuber einer starren Struktur. Zudem gewinnen Organisationen auf diese Artvon anderen Organisationen abgrenzbare Eigenschaften, also eine spezifische Identitat. [Weber 1994]

Diese zentrale Eigenschaft der Lernfahigkeit, die eine hierachische Struktur nicht erbringen kann,ist es auch, die zum Beispiel japanische Elektronikunternehmen auszeichnet und die anderen westli-chen Unternehmen teilweise oder zur Ganze fehlt. Organisationen, die nach dem Konzept der “LeanProduction” agieren, sind im Grunde Organisationen, die aus den Fehlern der Massenproduktion ge-lernt und die richtigen Konsequenzen gezogen haben. Auch in anderen Bereichen wird deutlich ge-macht, dass Organisationen, etwa Verwaltungen, einem Lernprozess unterliegen. Selbst von gesell-schaftlichen Funktionssystemen wie zum Beispiel der Politik, ganz zu schweigen von der Wissen-schaft, kann behauptet werden, dass sie Veranderungen vornimmt, die als Folge von Lernprozessencharakterisiert werden konnen. [Weber 1994]

Es sind also nicht nur Individuen, die die Fahigkeit entwickeln, sichuber Lernprozesse zuverandern, sondern auch soziale Einheiten, wie Interaktionssysteme, Organisationen, gesellschaftlicheFunktionssysteme oder vielleicht auch ganze Gesellschaften. Die Globalisierung des Wettbewerbs setztjedoch auch Gesellschaften dem Wettbewerb aus, der darauf hinauslauft, die Fahigkeiten zur Selbst-veranderung und zum Lernen zu optimieren und damit zur wettbewerbsentscheidenden Qualifikationzu werden.

Formen organisatorischen Lernens

Dass Organisationen lernfahig sind, ist im Grunde nur schwer vorstellbar. Darum zieht man gerne eineParallele zum Individuallernen und untersucht sodann Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemein istauf jeden Fall, dass Lernen zu Veranderungen fuhrt, Wissensbestande erhoht und neue Potentiale desWahrnehmens, des Verstehens, des Handels und des Entscheidens erschließt.

Der Unterschied zwischen Individual- und Organisationslernen kann dann darin gesehen werden,dass es sich im ersten Fall um individuelle Wissensbestande und im zweiten Fall um Wissensbestandehandelt, an denen viele, wenn nicht sogar alle Organisationsmitglieder partizipieren. Diesem Verstand-nis wurde entgegengehalten, dass Organisationslernen mehr sei als die Summe des individuellen Ler-nens (siehe Abschnitt 2.5). [Probst et al. 1999]

Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass individuelles Wissen erst dann als organisatorischzu betrachten ist, wenn es ausgetauscht und bei anderen akzeptiert wird, so dass das implizite Wissenauf eine organisatorische Wissensebene gebracht werden. (siehe Abschnitt 2.8). [Laskowski 2001]

Dies hat zu dem Problem gefuhrt, Anlasse dafur zu suchen, wann organisatorische Wissens-bestande, unabhangig von den Wissensbestanden einzelner, geandert werden. Eine andere Art vonOrganisationslernen besteht darin, Organisationen wie etwa Unternehmen als soziale Einheiten anzu-sehen, die sich selbst als “Input-Output-Modell” begreifen und die sich durch Inbeziehungsetzung derbeiden Parameter steuern. Dies kann wiederrum als Lernprozess verstanden werden. [Weber 1994]

Organisationslernen kann sich dabei auf verschiedenen Ebenen vollziehen. So wird zum einenunterschieden zwischen einem “single-loop”-Lernen und einem “double-loop”-Lernen. Wahrend daserstere das Abstellen eines Fehlers meint, ohne die zentrale Struktur eines Systems zu variieren, beziehtletzteres dies mit ein. “Double-loop”-Lernen erfolgt also, wenn zunachst die zentralen Variablen des

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48 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Geschehens analysiert und geandert werden und danach neue Handlungen stattfinden. [Weber 1994]

Zweitens gibt es eine Unterscheidung zwischen einem “Lernen erster Ordnung” und einem “Ler-nen zweiter Ordnung”. Ersteres meint ein inkrementales Aktualisieren von etablierten Prozedurenmit dem Ziel, den Anforderungen der Umwelt am besten zu entsprechen. Das Lernen zweiter Ord-nung meint einen Wechsel in den Grundlagen der zentralen Ablaufe innerhalb einer Organisationen –hier erfolgt auch ein grundlegend neues Verstandnis fur die Organisation und deren Aufgabengebiete.[Weber 1994]

Schließlich gibt es in der Literatur noch den Unterschied in der Theorie des Lernens, namlichjenen zwischen “Proto-Lernen” und “Deutero-Lernen”. Proto-Lernen meint das einfache Lernen,wahrend Deutero-Lernen das Lernen des Lernens, also die Selbstreflexivitat des Lernens, miteinbe-zieht. [Weber 1994]

Bei all den Differenzen in der unterschiedlichen Arten von Organisationslernen kann man als Ge-meinsamkeit sehen, dass es sich stets um Wissensbestande handelt, die organisatorisch aufbereitetund von den Mitgliedern der Organisation geteilt werden. Diese Annahmen gilt jedoch eher in Or-ganisationen auf einem vergleichsweise niedrigen Komplexitatsniveau und bei nicht zu umfassendemGroßenwachstum. Bei großen und vor allem geographisch verteilten Organisationen reicht ein der-artiges Verstandnis von Organisationslernen nicht aus. Begreift man Organisationen, wie zum Bei-spiel Unternehmen, als soziale Systeme, dann ist es ohnehin erforderlich, von einer akteursbezogenenBetrachtung zu einer Systembetrachtung zu wechseln. Weiters kennzeichnet Organisationen, die alssoziale Systeme funktionieren, die Eigenschaft, dass Wissensbestande akquiriert, geordnet und fur or-ganisatorische Entscheidungsprozesse nutzbar gemacht werden. [Weber 1994]

Im Zeitalter der elektronischen Informationsverarbeitung ist das Aufbewahren und Systematisie-ren von Wissensbestanden in Organisationen langst durch entsprechende IT-Systeme realisiert, wiees bereits als Nutzung von Informationstechnologie in Abschnitt 3.4 erlautert wurde. Das Akquirie-ren von Wissensbestanden und die Aufbereitung in elektronischen Systemen wird zunehmend als einneuer Managementansatz der Organizational Intelligence gesehen. Unter einer strikt systemtheore-tischen Perspektive gehoren aber weder Maschinensysteme noch Mitarbeiter zum sozialen System.EDV-Systeme etwa generieren Informationen, die erstuber spezielle Kommunikation Eingang in dasSozialsystem Organisation finden. Nicht zuubersehen ist auch, dass komplexe IT-Systeme dieser Artneue Potentiale der Informationsaufbereitung und der Entscheidungsvorbereitung in Organisationendarstellen. Damit ist jedoch nicht daruber entschieden, in welchem Maße im Sozialsystem die im IT-System vorhandenen Informationen Eingang finden und weiterverarbeitet werden. [Weber 1994]

Zusammenfassend kann man sagen, dass Unternehmen, die als System von sozialen Einheiten or-ganisiert sind und miteinander kommunizieren, sich auf der Basis von Mitgliedschaftsregeln gegenihre Umwelt abgrenzen unduber einen jeweils spezifischen Bestand an organisatorischem Wissenverfugen. Dieses organisatorische Wissen muss weder allen Mitgliedern in gleichem Maße zuganglichsein, noch muss es geteilt sein, noch muss es jemanden geben, der alle Organisationswissenbestandebeherrscht. Dennoch kann von organisationalem Lernen insofern die Rede sein, als dass Wissens-bestande zur Vorbereitung der Potentialausweitung der Organisationen erweitert und Verknupfungenermoglicht werden, die zum Abstellen von Fehlern innerhalb des Sozialsystems bzw. des Systems vonsozialen Einheiten genutzt werden konnen.

Organisationseigenschaften und Organisationslernen

Es ist nicht nur der Unterschied zwischen individuellem und organisationalem Lernen, also zwischendem Lernen von psychischen Systemen und sozialen Systemen, und den unterschiedlichen logischenFormen des Lernens, also etwa Formen des Lernens des Lernens, sondern es sind auch die spezifischen

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3.7. LERNENDE UNTERNEHMEN 49

Eigenschaften von sozialen Systemen, die das Problem des organsationalen Lernens komplizieren. ImFolgenden soll auf einige Aspekte aufmerksam gemacht werden.

Eine der zentralen Schwierigkeiten resultiert daraus, dass in der Organisationsforschung bei demVerhaltnis von Organisation und Umwelt – etwa von Unternehmen zu Markten – primar in Kategoriender Anpassung gedacht wird. Soziale Systeme wie Unternehmen stehen meistens unter dem Zwangder Anpassung, wodurch es jedoch zu der Gefahr kommen kann, dass der eigentliche Lernprozessubergangen wird und eine sture Anpassung – etwa durch Nachahmen anderer Organisationen – forciertwird. [Weber 1994]

Das Scheitern von Organisationen – etwa Unternehmen am Markt – macht jedoch darauf aufmerk-sam, dass der Prozess der Umsetzung gewandelter Anforderungen in organisatorische Veranderungennicht uberall gelingt. Untersuchungenuber eine Population von Unternehmen – also bei einer Vielzahlvon Organisationen mitahnlichen Eigenschaften – haben darauf aufmerksam gemacht, dass es Or-ganisationen gibt, die sich an die Entwicklungen an den Markten “anpassen” bzw. weiterentwickeln,dass es aber ebenfalls Organisationen gibt, denen dies nicht gelingt. Es existiert offensichtlich keinAutomatismus der Anpassung. [Weber 1994]

NeuereUberlegungen basieren daher auch nicht so sehr auf eine Anpassung an den Markt, son-dern auf eine Abkopplung. Soziale Systeme erscheinen als eigenstandige Einheiten, die weitgehendlosgelost von ihrer sozialen,okonomischen, technischen undokologischen Umwelt operieren. Sie sindoperativ geschlossene Systeme. Dies bedeutet, dass Organisationen, wie etwa Unternehmen, Verwal-tungen oder Verbande, ihre gesellschaftliche Umwelt nicht kennen. Es gibt keinen direkten Kontaktzwischen innen und außen. Das Außen, etwa die Entwicklung auf den Markten, erscheint innerhalbder Organisation nur nach eigenen, vielleicht falschen Maßgaben der Beobachtung. Damit wird deut-lich, dass die im letzten Abschnitt besprochene Selbstbeobachtung von Unternehmen in Form einesInput-Output-Modells auf einer Anzahl stark reduzierter Parameter beruht, was einige Unsicherheits-faktoren mit sich bringt. [Weber 1994]

So besteht beispielsweise die Gefahr selektiver Beobachtung der Umwelt. Fur Unternehmen alssoziale Systeme ist damit nicht nur eine regionale und sektoriale Dimension gemeint – also etwa hin-sichtlich der Frage, ob auch die Markte in Sudostasien und in den benachbarten Industriesektorenhinreichend beobachtet werden –, sondern damit ist auch angesprochen, ob etwa technische Beobach-tungskriterien so weit definiert werden, dass auchaquivalente Technologien auf dem Bildschirm derUnternehmung erscheinen. Das Beispiel der an der Mechanik orientierten Uhrenindustrie zeigt, dassviele Unternehmenaquivalente Technologien nicht beobachten und daher ein erheblicher Anteil derBranche den veranderten Wettbewerbsverhaltnissen zum Opfer fallen. Nur denUberlebenden bleibtdie Chance zum Lernen. [Weber 1994]

Risikobehaftet ist auch die Tatsache, dass die fur ein Unternehmen wesentliche Umwelt nach ei-genen Kriterien beobachtet werden. Der Output – etwa die Leistung – und der dafur notwendige Inputkonnen ebenfalls nur nach Maßgabe der eigenen Kriterien gesehen werden – in der Regel ist dies dieMaßgabe des Controllings. Auch hier besteht naturlich die Gefahr, dass die Zahlenwelt des Control-lings nicht “real” das widerspiegelt, was in der Organisation und ihrer Umwelt ablauft. [Weber 1994]

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass fur Unternehmen aus Knowledge Management Sicht ein Um-denken vom Taylorismus hin zur Lean Production vorteilhaft ist. Vor allem in Landern mit einem hohenBruttosozialprodukt und somit einem hohen Lohnniveau mussen fur Produkte viele Innovationen undbegleitende Dienstleistungen angeboten, die Produktion selbst schlank und kostenarm gehalten sowieein entsprechendes Know-How rund um die Erzeugnisse entwickelt werden.

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50 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Hier ist es zum einen notwendig, die Mitarbeiter und auch Teams zu schulen, um deren Qualifika-tion zu erhohen, zum anderen mussen Vorraussetzungen fur ein organisatorisches Lernen geschaffenwerden. Um letzteres zu erreichen, mussen in großen Konzernen starre Strukturen und Hierachienaufgebrochen werden und in sozialen Einheiten in Form von kleineren Abteilungen oder eigenen Un-ternehmen organisiert werden. Ein Gebilde von sozialen Systemen ist naturlich wesentlich flexiblerund anpassungsfahiger als eine große Organisation, allerdings steigt auch der Aufwand fur die Kom-munikation und den Informationsaustausch unter den Bereichen und Abteilungen.

Sozialen Einheiten haben gegenuber einer großen und unuberschaubaren Organisation folgendeVorteile: Erstens kann sich eine soziales System besser auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisie-ren. Zweites besteht eine solche Einheit aus vergleichsweise wenigen Mitarbeitern, es gibt also einuberschaubares Geflecht sozialer Beziehungen, welches aufgrund des gleichen Fachgebiets und somitahnlicher Interessen gestarkt wird. Drittens ist die Abwesenheit einzelner Mitglieder fur das Bestehendes sozialen Systems nicht Ausschlag gebend.

Fur die Weiterentwicklung eines Unternehmens ist es naturlich wichtig, Input (Aufwand) und Out-put (Leistung) richtig zu beobachten, daruber hinaus noch das organisatorische Umfeld “im Augezu behalten” und Zusammenhange zwischen Input und Output, zwischen dem Ergebnis und seinen“Ursachen” herzustellen. Es ist leicht ersichtlich, dass eine kleine und entsprechend spezialisierte Sub-organisation, also ein soziales System, schneller auf die Situation an den Markten reagieren und sichbesser an neue Situationen anpassen kann, also wesentlich flexibler und lernfahiger ist als ein großerKonzern mit verteilen Betriebsstatten und einer starren Hierachie. Vorteilhaft ist bei einem solchen Ge-bilde beispielsweise, dass Trends und Innovationen, die in technologisch fuhrenden Landern erkanntwerden, an die Niederlassungen in anderen Landern weitergegeben werden konnen. Auf diese Weiseprofitiert das gesamte Unternehmen dadurch, dass man sich auf diesen anderen Markten rascher als dieKonkurrenz positionieren kann.

Ein Nachteil der Untergliederung eines großen Unternehmens in soziale Einheiten sei hier zuerwahnen: Durch die Aufteilung von Kompetenzen an Suborganisationen wird auch der Kommunikati-onsaufwand wesentlich erhoht. Dies trifft vor allem zu, wenn mehrere soziale Einheiten, die zusatzlichnoch auf unterschiedliche Standorte aufgeteilt oder gar virtuell organisiert sind, gemeinsam an Pro-jekten arbeiten. Dieser offensichtliche Problembereich kann jedoch durch den Einsatz von Informati-onstechnologie (Intranet-System, Kommunikationstechnologie) abgefedert werden, wie die Fallstudieuber Siemens AG in Abschnitt 4.4 oder die Anforderungen an das Management eines lernenden Un-ternehmens in Abschnitt 4.6 noch zeigen wird.

Fur das Erzielen von Veranderungseffekten in sozialen Systemen wie Abteilungen, Unternehmenoder andere Formen von Suborganisationen bieten sich grundsatzlich drei Wege an: Erstens konnenMitarbeiter eingestellt, ausgetauscht oder entlassen werden – ein zum Teil risikobehafteter Weg –,zweitens kann man andere Anforderungen an die Suborganisationen definieren und drittens helfenunternehmens- oder abteilungsinterne Entscheidungsprogramme, um die Anzahl von wichtigen Ent-scheidungen fur kunftige Entwicklungen zu reduzieren. Ein sehr gangiger Ansatz fur Entscheidungs-programmen innerhalb einer Abteilung oder eines Bereiches ist der Einsatz von Ideenborsen, wo dieMitarbeiter selbst Vorschlage einbringen konnen und somit am Lernprozess der Suborganisation betei-ligt sind.

Wie weitere Veranderungen nun in der Realitat umgesetzt werden konnen, beschreiben die Ab-schnitte 4.6, wo wesentliche Anforderungen an das Management erarbeitet werden, und 4.7, wo dieRolle des Kunden genauer beleuchtet wird. An dieser Stelle wird nun ein weiterer Bereich untersucht,der speziell fur weltweit tatige Konzerne von Bedeutung ist, da er aufgrund der geographischen Vertei-lung eines solchen Unternehmens unvermeidbar ist. Der nun folgende Abschnitt beschaftigt sich mitdem Begriff der “virtuellen Organisation”.

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3.8. VIRTUELLE ORGANISATIONEN 51

3.8 Virtuelle Organisationen

Nicht nur das Aufbrechen von starren Hierachien und das Bilden eines Geflechts von sozialen Einheitenkonnen sich in einem großen, verteilten Konzern vorteilhaft auf wissensbasierte Tatigkeiten auswirken.Das Konzept der Virtualitat ermoglicht speziell einem weltweit ansassigen Unternehmen neue Aspektehinsichtlicht der Forschungstatigkeiten, der Produkterstellung wie auch der Erschliessung eines neuenMarktes.

Die bestehenden Organisationsformen konnen auf zukunftige und auch auf teilweise bereits aktu-elle Anforderungen immer schlechter reagieren. Bereits 1994 erkannte John Scully, der ehemals furApple tatig war, einen Trend, den er wie folgt prognostizierte: [Scholz 1994]

“In 10 bis 20 Jahren werden wir eine Explosion neuer Industrien und Firmen erleben, diedann Zehntausende von virtuellen Organisationen bilden.”(John Scully) [Scholz 1994]

Diese Aussage zielt darauf ab, dass die damaligen, vorwiegend hierarchischen Organisationsstruk-turen nichtuberlebensfahig waren. “Virtuelle Organisation” ist ein Schlagwort, das in den letzten 10Jahren an großer Bedeutung gewonnen hat und heute bereits vielfach realisiert ist. [Scholz 1994]

Virtualit atskonzepte

Fur eine zielgerechte Auseinandersetzung mit der Virtualitat ist eine entsprechende Definition diesesBegriffs notwendig. Diese konnte folgendermaßen ausschauen: [Scholz 1994]

Als virtuell wird die Eigenschaft einer Sache bezeichnet, die zwar nicht real ist, aber dochin der Moglichkeit existiert; Virtualitat spezifiziert also ein konkretes Objektuber Eigen-schaften, die nicht physisch, aber doch der Moglichkeit nach vorhanden sind.

Diese Ausgangsdefinition von Virtualitat impliziert Bezug zu einem konkreten Objekt: Es gibtdemnach keine Virtualitat selbst, sondern ausschließlich virtuelle Unternehmen, virtuelle Produkteoder beispielsweise virtuelle Speicher. “Virtuell” bedeutet dabei immer das Fehlen von bestimmtenphysikalischen Attributen des ursprunglichen Objekts, also beispielsweise das “Verlagern eines physi-kalischen Standortes”. [Scholz 1994]

Ein virtuelles Objekt definiert sich entsprechenduber: [Scholz 1994]

• konstituierende Charakteristika, die sowohl das ursprungliche (reale) Objekt als auch seine vir-tuelle Realisierung aufweist

• physikalische Attribute, dieublicherweise mit dem zu virtualisierenden Objekt assoziiert sind,dort aber nicht mehr vorhanden sind

• spezielle Zusatzspezifikationen im Sinne von Losungswegen, die fur die virtuelle Realisierungnotwendig sind

• Nutzeneffekte als Vorteile, die sich durch den Wegfall der pysikalischen Attribute ergeben

Diese begriffliche Basis ist nun auch Voraussetzung fur die Virtualitatskonzepte, die in Abbildung3.4 dargestellt sind und nachfolgend vorgestellt werden. [Scholz 1994]

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52 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Abbildung 3.4: Evolution der virtuellen Organisation [Scholz 1994]

Virtueller Speicher

Die erste Konkretisierung von Virtualitat findet man in der Informatik, wo “virtuell” in Verbindungmit Speichermedien einen Hintergrundspeicher (Sekundarspeicher) bezeichnet, der im Unterschiedzum Haupt- oder Arbeitsspeicher (Primarspeicher) einer Datenverarbeitungsanlageuber eine weitausgroßere Speicherkapazitat verfugt, die ebenfalls genutzt werden kann. [Scholz 1994]

Virtuelle Realit at

Eine interessant Neuerung aus den achtziger Jahren ist die Entwicklung der sogenannten “virtuellenRealitat”, in der eine mittels Computer simulierte Wirklichkeit oder kunstliche Welt (“Cyberspace”)entsteht, in die Personen mit Hilfe technischer Gerate wie Headmounted-Display (elektronische Bril-le) und Dataglove (Datenhandschuh) versetzt sowie interaktiv eingebunden werden. Wesentlich beider Definition einer “virtuellen Realitat” sind folgende zwei Aspekte: Aus der Sicht des Anbieters lie-fert das System die Eigenschaften. Aus Kundensicht entsteht die “Realitat” im Kopf des Benutzers.[Scholz 1994]

Die Technik der virtuellen Realitat ist mittlerweilen neben Computespielen auch bei militarischenund zivilen Fahr- und Flugsimulatoren, in der Raumfahrt, in der Medizin und in der Architektur erfolg-reich im Einsatz. Generell wird damit bei der virtuellen Realitat auf mechanisch-elektronischem Wegedem Anwender zumindest der visuelle Eindruck des realen Objekts vermittelt. [Scholz 1994]

Virtuelle Erzeugnisse

Die nachste Entwicklungsstufe des Konzepts der Virtualitat betrifft das unternehmerische Umfeld. Auf-grund der Fulle der Veranderungen im Markt sind die Forderungen nach einer großeren Sensibilitat furZeit (Just-in-Time-Fertigung), Qualitat (Total Quality Management) und Service (Kundenorientierung)wesentlich fur den Erfolg eines Unternehmens. Hinzu kommen erhote Anforderungen an die Logistiksowie ganzlich veranderte Rollenauffassungen bei Herstellern und Lieferanten. [Scholz 1994]

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3.8. VIRTUELLE ORGANISATIONEN 53

Das Ziel, moglichst zeitgleich mit dem Entstehen des Kundenwunsches, gemeinsam mit den Kun-den ein direkt auf den Kunden abgestimmtes (individuelles) Produkt zu schaffen, fuhrte somit zur Ent-wicklung “virtueller Erzeugnisse”. Dieses Bestreben, den Kunden einzubinden und nicht auf Vorrat,sondern auf gemeinsam mit dem Kunden quasi bei Bedarf zu produzieren, wirft aber auch folgendesProblem auf: Man kann nun alle Dienstleistungsangebote in den Bereich der virtuellen Erzeugnisseeinordnen und auf diese Weise durch geschicktes Einbringen der zum Produkt gehorenden Dienstlei-stungen dieses zum virtuellen Erzeugnis definieren. [Scholz 1994]

Um dieser Anwendung entgegenzuwirken, ist eine klare Definition von virtuellen Erzeugnissennotwendig: Virtuelle Erzeugnisse erfahren ihre physische Manifestation erst durch die Mitwirkung desKunden, was beispielsweise in Form der Nutzung des Produkts durch den Kunden geschehen kann.Im Gegensatz zu virtuellen Realitaten und produktbezogene Dienstleistungen geht es bei virtuellenProdukten immer darum, reale Erzeugnisse zu erhalten, wie nachfolgend zu sehen ist: [Scholz 1994]

• “Anbietersicht”: Der Anbieter ermoglicht es, die Eigenschaften eines Objekts zu erfahren, ohnedass das Objekt selbst schon existiert.

• “Kundensicht”: “Realitat” entsteht vorerst im Kopf des Benutzers, danach jedoch auch real.

Die virtuelle Realitat ist zwangslaufig auch Vorstufe zu virtuellen Erzeugnissen: Bietet ein Archi-tekt einem Bauherrn eine Computeranimation vom zu bauenden Gebaude an, so ist dies eine virtuelleRealitat. Wird dieses Haus dann genauso gebaut, wie es erlebt wurde, so wird es zum virtuellen Er-zeugnis. Virtuelle Erzeugnisse konnen genutzt werden, um den Kunden in den Entwicklungsprozessmiteinzubeziehen, wie in Abschnitt 4.7 noch gezeigt wird. [Scholz 1994]

Virtuelle Organisationen

Das Konzept der virtuellen Organisationen entstand als Folge diverser Veranderungen des Zusammen-spiels von Unternehmen sowie einzelner Einheiten innerhalb großer Konzerne. Im Kern geht es um dieNotwendigkeit der Schaffung von organisatorischen Einheiten, die folgende Kriterien erfullen mussen:[Scholz 1994]

• Reduktion auf den primaren Geschaftszweck

• Maximale Wirtschaftlichkeit durch strukturelle und prozedurale Einfachheit

• Ausschopfung von Kostensenkungspotentiale

• Entwickeln und Anbieten von innovativen Produkten und Dienstleistungen

• Sichern der maximalen Flexibilitat durch vielfache Kombinationsmoglichkeiten

• Offenhalten fur vielfaltigsteAnderungsprozesse

Es ist einfach zu sehen, dass traditionelle Organisationsformen hier sehr leichtuberfordert sind.Deshalb kommt es zu Vorschlagen wie prozessgetriebene Organisationen, fraktale Unternehmen, LeanManagement (siehe Abschnitt 3.7) sowie strategische Netzwerke und Allianzen (siehe Abschnitt 4.7).Derartige Bewegungen in Richtung schlanker und flexibler Netzwerkorganisationen mit “fliegenden”Allianzen bringen allerdings auch eine Fulle von neuen Problemen mit sich: beginnend mit den inAbschnitt 3.3 beschriebenen Identifikations- und Motivationsproblemen der Mitarbeiter bis hin zurGefahr der in Abschnitt 4.7 geschilderten Profilierungsschwache bei den Kunden. [Scholz 1994]

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54 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Insgesamt zeigt es sich jedoch, dass die herkommlichen Organisationsformen den zukunftigen An-forderungen an die Wettbewerbsfahigkeit gar nicht oder nur schlecht gerecht werden. Dies fuhrt dazu,dass das Konzept der virtuellen Organisation als Hoffnungstrager fur neue Situationen an den Mark-ten gesehen wird, denn hiermit lassen sich schlagartig neue Organisationsstrukturen bilden, die zwardie Koordinationsfunktion von Organisationen aufweisen, wegen ihrer Virtualitat letztlich aber keineAufbaukosten haben. [Scholz 1994]

Ein konkretes Beispiel hierzu kommt vom Autohersteller Volkswagen: Um der Forderung nachglobaler Prasenz bei geringem Kapitaleinsatz gerecht zu werden, wurde im November 1996 im brasi-lianischen Resende ein Werk eroffnet, welches das Konzept der virtuellen Organisation lokal umsetzt.Volkswagen beschrankt sich dort namlich auf logistischen Support, Kontrolle, Marketing und Verkauf.Die eigentliche Produktion wird dabei an Zuliefererubertragen, die mittels Vertrag langerfristig andieses Projekt gebunden wurden. In einer 37.000 Quadratmeter großen Fabrikshalle werden die vonden Zulieferern erstellten Teile zu Fahrzeugen verarbeitet. Sogar diese Tatigkeiten wird zum Großteilnicht von VW selbstubernommen. Auf diese Weise werden taglich 100 LKW und Busse von 1.500Mitarbeitern gefertigt, von denen nur 200 auf der Gehaltsliste von Volkswagen stehen. [North 1999]

Die entscheidende Schwierigkeit im Umgang mit virtuellen Organisationen liegt aber in der Fas-sung konzeptionell klarer Inhalte: Ein Automobilzulieferer, deruber Betriebsdatenaustausch mit seinenAbnehmern verbunden ist, ist demnach genausowenig ein virtuelles Unternehmen wie zwei Unterneh-men, die ein Joint Venture grunden. Die wesentlichen Charakteristika einer “virtuellen” Organisati-on mussen daher am Begriff der Virtualitat ansetzen. Wahrend herkommliche Organisationen immerdurch physikalisch existente vorhandene Objekte gebragt ist, fehlen diese bei virtuellen Organisatio-nen. Dies wird deutlich, wenn man sich die Begriffe “Unternehmen”, “Abteilung” und “Buro” betrach-tet: [Scholz 1994]

• ein Unternehmen hat einen eindeutigen rechtlichen Rahmen

• eine Abteilung besitzt als spezielle Untereinheit in einem Unternehmen einen klaren Aufgaben-und Kompetenzbereich mit eindeutigen Stellenzuordnungen

• ein Buro besteht als Ort der Leistungserbringung zusammenhangende Raumlichkeiten

Wenn diese konstituierenden, realen Objekte wegfallen und trotzdem die damit verbundenen Ei-genschaften erhalten bleiben und genutzt werden konnen, ist gemaß der Definition von “Virtualitat”von einer virtuellen Organisation zu sprechen. Die Abgrenzungen zwischen einer herkommlichen undeiner virtuellen Organisaiton sind in Tabelle 3.1 zusammengefasst. [Scholz 1994]

Organisationsform Reale Organisation Virtuelle OrganisationKoordination reales Kontrollsystem basiert Selbstkontrolle der

auf expliziter Koordination Gruppe, EigenkoordinationBasis schriftliches Regelwerk gegenseitiges VertrauenInformation selektiver Informationszugangbreite VernetzungVision zentrale Vision optional internalisierte Vision

Tabelle 3.1: Abgrenzungen der virtuellen Organisation [Scholz 1994]

Eine virtuelle Organisation verfugt daher als konstituierende Charakteristika wie eine klassischeOrganisationuber Kommunikationsbeziehungen und Verhaltensregeln; aber wegen dem Einsatz neuerInformationstechnologien – wie unter anderem auch in Abschnitt 3.4 beschrieben wurde – entfallenphysikalische Attribute wie Strukturmuster. Im Ergebnis fuhrt dies zu besonderen Vorteilen wie bei-spielsweise zu zeitlicher undortlicher Flexibilitat. Die Bereitstellung und Nutzung eines die eigene

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3.9. ZUSAMMENFASSUNG 55

Organisation weitubersteigenden Potentials an Ressourcen und Kompetenzen ist dabei ein wesentli-ches Charakteristikum einer virtuellen Organisation. [Scholz 1994]

Fazit

Insgesamt betrachtet ist das Konzept der virtuellen Organisation aus Sicht eines großen, weltweit tati-gen Konzerns in mehrfacher Hinsicht interessant:

Erstens kann sich ein Unternehmen mit einer solchen Organisationsstruktur in einen neuen Marktetablieren, ohne große Risiken einzugehen. Wie das Beispiel Volkswagen gezeigt hat, kann ein Konzernmit minimalen Einsatz – im Endeffekt wird nur das Wissenuber Produktion, Marketing und Verkaufsowie verhaltnismaßig geringe Kapital- und Humanressourcen eingebracht – in ein Schwellenland ex-pandieren.

Zweitens kann ein Unternehmen mit dem Konzept “virtuelle Erzeugnisse” eine Vorschau auf Pro-dukte geben und diese gemeinsam mit dem Kunden entwickeln. Vorteilhaft ist dies insbesonders, wennes dabei um kundenbezogene Großprojekte wie beispielsweise den Bau einer Anlage geht. Hier kanndas Produkt vorerst geplant und unter Mitarbeit des Kunden virtuell erstellt werden.

Ein dritter Aspekt ist vor allem fur wissensintensive Bereiche wie Entwicklungsabteilungen in-teressant: Um den Vorteil der zeitlichen Flexibilitat zu nutzen, konnen im Konzern selbst virtuelleAbteilungen oder gar Unternehmen gegrundet werden, dieuber den ganzen Globus verteilt sind. Nunkonnen Experten zum einen vor Ort ihre Leistungen erbringen und gleichsam im Rahmen eines sol-chen virtuellen Unternehmens ihr Wissen beisteuern. Aufgrund der Verteilung der Experten ware esbeispielsweise denkbar, dass an einem Forschungsprojekt 24 Stunden pro Tag gearbeitet werden konn-te. Dieser Aspekt ist naturlich auch von Seiten derortlichen Flexibilitat zu sehen: Ein Experte, der ineinem Forschungszentrum tatig ist, oder gar eine ganze Abteilung kann mittels entsprechender Kom-munikationstechnologie in einer entfernten Betriebsstatte eine bestimmte Aufgabeubernehmen.

Aus Sicht der Informationstechnologie bedeutet das Konzept einer virtuellen Organisation, dassvermehrt Kommunikationstechnologien eingesetzt werden. Neben konventionellen Kommunikations-mitteln wie Mobiltelefon oder Videokonferenz-Systeme gibt es im Intranetsystems Technologien wieGroupware Computing Systeme zur Unterstutzung von Teams, Workflow-Systeme zur Automatisie-rung von unternehmensinternen Prozessen oder einfach nur personliche Emails. Detailierter behandeltwerden diese Technologien bei der Analyse der Wissensprozesse in Kapitel 5.

3.9 Zusammenfassung

Wie in diesem Kapitel ausfuhrlichst gezeigt wurde, gibt es eine Menge von Problembereichen furgroße und geographisch verteilte Unternehmen, wenn es darum geht, die Humanressourcen mittelsKnowledge Management Initiativen zu mobilisieren.

Allein um die Mitarbeiteruberhaupt zur Wissensteilung motivieren zu konnen, mussen, wie in Ab-schnitt 3.3 gezeigt wurde, bestimmte Barrieren individueller und organisationaler Naturuberwundenwerden. Je nach Klassifikation dieser Barrieren, kann man nun Konzepte fur Wissensproduzenten und -konsumenten erstellen, die in weiterer Folge Verbesserungen bezuglich der Wissensverteilung mit sichbringen.

Der nachste Aspekt, der in großen und vor allem verteilten Unternehmen zwingend notwendig ist,ist der Einsatz von Informationstechnologie. Wie allerdings auch aus der Umfrage in Abschnitt 3.2hervorgeht, kann eine technologielastige Strategie dazu fuhren, dass das organisationale Umfeld undvor allem die Mitarbeiter als betroffene Akteure nicht berucksichtigt werden. Zu beachten ist auf jeden

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56 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTS

Fall, dass Arbeitsablaufe und Wissensprozesse analysiert und von der einzusetzenden Informations-technologie ohne viel Zusatzaufwand unterstutzt wird. Des Weiteren ist zu evaluieren, ob, wie und inwelchem Ausmaße ein Unternehmensgedachtnis aufgebaut werden soll.

In global verteilten Unternehmen ist weiters die Problematik des Informationsuberangebots zuberucksichtigen, welches speziell bei der Nutzung des Internets, aber im Falle von großen Konzernenauch schon im Intranet auftreten kann. Hier gilt es, gute Strategien zur Auffindung und Aufbereitungder relevanten Informationen zu entwickeln und Problembereiche der Informationsauffindung zu ver-meiden. Ebenfalls sehr vielversprechend ist der Einsatz von Filter-Technologie, elektronische Agentenoder gar Wissensbroker, wie die Studieuber Teltech in Abschnitt 4.3 schildert.

Aufgrund der Informationsflut ist es fur ein großes Unternehmen auch notwendig, den Qualitatsa-spekt fur Informationen zu berucksichtigen und vor allem entsprechend zu managen. Qualitativ hoch-wertige Informationen konnen entweder durch eine Bewertung der Informationen von Experten oderWissenskonsumenten – wie unter anderem die Fallstudieuber die Siemens AG in Abschnitt 4.4 zei-gen wird – oder aber durch die zwingende Eingabe von Meta-Informationen wie Autor, Erstellungs-und Aktualisierungsdatum, usw. erzeugt werden. Die Fuhrungskrafte innerhalb des Unternehmens unddie Beziehung zu den Kunden, aber auch die Unternehmenskultur spielen fur ein erfolgreiches Qua-lit atsmanagement fur Informationen eine besondere Bedeutung. Insbesonders muss man sich intern aufQualitatskriterien sowie Zielsetzungen fur das Qualitatsmanagement festlegen, um einen bestimmtenStandard zu halten bzw. diesen zu verbessern.

Ein sehr wichtiger Aspekt fur weltweit agierende Konzern ist jener der Lernfahigkeit von Orga-nisationen. So erweist sich zum einen das Organisationskonzept der “Lean Production” als wesent-lich vorteilhafter als beispielsweise das Modell nach Taylor. Zu achten ist hier vornehmlich auf eine“schlanke” Produktion und eine “fullige” Mitarbeiterqualifikation, damit ein Unternehmen auch inZukunft leistungs- und wettbewerbsfahig sein wird. In punkto Lernfahigkeit spielt jedoch auch dieStruktur der Organisation selbst eine wichtige Rolle: Anstatt einer starren Hierachie scheint die Un-terteilung eines großen Konzerns in soziale Systeme, also in mehrere kleine, selbststandig agierendeSuborganisationen. Dies erhoht die Flexibilitat bezuglich der Anpassbarkeit an neue Situationen aufdem Markt, also die Lernfahigkeit des Unternehmens selbst. Der Nachteil des vermehrten Kommuni-kationsbedarfs kann mittels neuer Technologien wettgemacht werden, wie Abschnitt 4.6 noch zeigenwird.

Schließlich sei noch das Konzept der virtuellen Organisation zu erwahnen, welches fur ein globalprasentes Unternehmen gerade im Kontext der Lernfahigkeit interessant ist. Denn die Unterteilungin ein System sozialer Einheiten kann dazu fuhren, dass der Vorteil der raumlichen oder zeitlichenFlexibilitat, die eine virtuelle Organisation mit sich bringt, notwendig wird. Des Weiteren kann einUnternehmen mit dem Konzept der virtuellen Erzeugnisse Kunden besser in den Designprozess einesProduktes einbinden. Drittens ermoglicht das Konzept der Virtualitat auch, dass ein Unternehmen ohnegroße Risiken in einen neuen Markt expandieren kann.

Im nachsten Kapitel werden nun Fallstudien und Losungsansatze zur Bewaltigung der hier erarbei-teten Problembereiche des Wissensmanagements vorgestellt.

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Kapitel 4

Fallstudien

4.1 Motivation

Wie das letzte Kapitel gezeigt hat, gibt es einige Problembereiche in der Wissensumgebung einesgroßen und geographisch verteilten Unternehmen. In diesem Kapitel werden nun anhand von Fallstu-dien uber bekannte Unternehmen interessante Ansatze vorgestellt, mit welchen die Problembereicheteilweise bewaltigt werden konnen.

Abschnitt 4.2 handelt von der Schindler Aufzuge AG1, welche sich seit jeher mit der Problematikder Projektabwicklung in einem großen und weltweit verteilten Konzern beschaftigt und einen vielver-sprechenden Ansatz gefunden hat.

Die zweite Fallstudie in Abschnitt 4.3 beschreibt Teltech2. Es handelt sich dabei um ein Unter-nehmen, welches wissensbasierte Dienstleistungen fur andere Unternehmen anbietet und aufgrund derJahrzehnte langen Tatigkeit in diesem Bereich sehr aufschlußreiche Erkenntnisseuber das Kundenver-halten gewonnen und viel Innovatives im Bereich Knowledge Management geleistet hat.

Der Abschnitt 4.4 schildert wichtige Erfahrungen beim Aufbau des KM-Frameworks der SiemensAG3. Es werden Grundsatze und Erfolgsfaktoren, die beim Design und der Implementierung von einemerfolgreichen KM-System zu beachten sind, naher beschrieben.

In der vierten Fallstudie in Abschnitt 4.5 wird ein interessantes Projekt beim Automobil- undRaumfahrzeugkonzern Rolls-Royce4 beleuchtet. Hier mussten zwei angehende Mitarbeiter fur ein wis-sensintensives Problem recherchieren und ein webbasiertes Nachschlagewerk fur die Ingenieure ent-wickeln.

Abschnitt 4.6 zeigt wichtige Aspekte, die das Management eines lernenden Unternehmens beach-ten muss. Es werden die neuen Herausforderungen fur große und geographisch verteilte Unternehmenaufgezeigt wie auch Technologien, die bei den diversen Organisationsumgebungen moglich sind, vor-gestellt.

Der letzte Abschnitt 4.7 dieses Kapitels behandelt den Umgang von lernenden Unternehmen mitderen Kunden. Es wird ein kurzerUberblickuber kundenbezogene Lernprozesse sowie Strategien zurKundenakquisition und Kundenbindung gegeben.

1www.schindler.com2www.teltech.com3www.siemens.com4www.rollsroyce.com

57

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58 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

4.2 Projektabwicklung in der Schindler Aufzuge AG

In einem großen und verteilten Unternehmen werden neben klassischen Arbeitsablaufen immer mehrProjekte durchgefuhrt. Problematisch bei der Projektarbeit sind standig wechselnde Aufgaben- undWissenstrager. In dem nun folgenden Abschnitt werden wesentliche Knowledge Management Aspektebei der Projektabwicklung aufgezeigt und Losungsansatze anhand der Schindler Aufzuge AG vorge-stellt.

Wie die Studieuber die weltweit tatige Schindler Aufzuge AG zeigt, kann man zwischen dreiTypen des Projektwissens unterscheiden: [Schindler et al. 2000]

• “Wissen im Projekt” bezeichnet aktuelles Wissen aus der organisatorischen Sichtweise. Typischsind hierfur etwa das Wissenuber Arbeitspakete sowie das fur die Erledigung einer Aufgabeerforderliche Fachwissen. So muss etwa die Projektleitung im Rahmen des Projektcontrollingsuber Wissen bezuglich ausstehender Arbeitspakte, ihrer Abhangigkeiten und Falligkeitstermineeinschließlich dem lieferverantwortlichen Teammitglied verfugen. Der Entwicklungsingenieurnutzt sein technisches Know-how zur Bewaltigung eines Konstruktionsproblems.

• “Wissenuber Projekte” meint ebenfalls Wissen mit aktuellem Zeitbezug, allerdings aus der stra-tegischen und informierenden Perspektive. Zu dieser Wissenskategorie gehoren beispielsweiseWissenuber eine mogliche Ressourcenausstattung bzw. einsetzbares Know-how im Projektum-feld (Skills), aber auch Wissenuber im Rahmen einer Projektsitzung getroffene Entscheidun-gen, beispielsweise in Protokollen expliziert. Weiterhin konnen hier Methoden-Know-how wieein Phasenablauf oder der in der Projektdokumentation schriftlich fixierte Projektplan aufgefuhrtwerden.

• Der dritte und letzte Typ ist das “Wissen aus dem Projekt” im Sinne einer historischen Perspek-tive auf abgeschlossene Projekte bzw. Projektphasen. Beispielhaft seien hier die in den Kopfender Mitarbeiter abgebildeten Erfahrungenuber die Losung eines Detailproblems oder die in einerErfahrungsdatenbank dazu kodifizierten Lessons Learned aufgefuhrt. Auch das Projektergebnisim Sinne eines physischen Gutes oder einer erbrachten Dienstleistung stellt expliziertes Wissendar.

Die beiden erstgenannten Wissenstypen lassen sich durch Transformation in die letztgenannteForm uberfuhren. Aktuelles Wissen im Projekt wird durch Anwendung oder Kodifizierung zu Wis-sen aus dem Projekt, Wissenuber Projekte wird nach deren Durchfuhrung in verbesserte Methodenumgesetzt und somit zu Wissen aus dem Projekt. Alle drei Typen bilden mogliche Bestandteile desintellektuellen Kapitals eines Unternehmens, in welchem unter anderem auch Projekte abgewickeltwerden. [Schindler et al. 2000]

Im Rahmen des Projektwissensmanagements gilt es, das Unternehmen bezuglich der Identifikation,Entwicklung, Integration und Anwendung des im Projektkontext erforderlichen Wissens zu optimieren.Es konnten funf bestimmende Faktoren des Projektwissensmanagements identifiziert werden. Dies sinddie Organisation selbst, die Unternehmenskultur, das Lernen (siehe Abschnitt 3.7), die Projektmetho-dik und Informations- und Kommunikationstechnologie (siehe Abschnitt 3.4). [Schindler et al. 2000]

Die Organisation

Betrachtet man die Organisation, so sollte diese fur den Wissensaustausch forderlich konzipiert sein.Wahrend sich die Rolle des Chief Knowledge Officers mittlerweile in der Praxis durchzusetzen be-ginnt, fehlt es den Unternehmen oftmals an Wissensmanagement-orientierten Rollen auf Projektebene,

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4.2. PROJEKTABWICKLUNG IN DER SCHINDLER AUFZUGE AG 59

die sich fur den Wissenstransfer zwischen Projekten und innerhalb großerer Projektteams sorgen (so-genannte Project Knowledge Broker). Eine weitere Rolle ist die des Project Debriefers – ein externerCoach, der gemeinsam mit dem Projektteam Lessons Learned ableitet. [Schindler et al. 2000]

Ein weiteres organisatorisches Problemfeld ist die Identifikation von Wissenstrager: Insbesonderein großeren, internationalen Unternehmen sind Experten fur die Neubesetzung von Projektteams oft-mals schwer zu identifizieren. “Yellow Pages” und Skillmanagement-Systeme sind mogliche Losungs-ansatze unter Nutzung von neuen Medien. Unter organisatorischen Gesichtspunkten sind dabei jedochmoglichst fruhzeitig Aspekte des Datenschutzes zu berucksichtigen. Die Offenlegung solcher perso-nenbezogener Informationenuber die Fahigkeiten eines Mitarbeiters sollte dabei auf dem Prinzip derFreiwilligkeit beruhen.

Die Unternehmenskultur

Gerade fur große Unternehmen wichtig ist der Bereich der Unternehmenskultur. Dieser umfasst Aspek-te bezuglich gemeinsamer Werte, Normen und Regeln, die das Verhalten der Organisationsmitgliederpragen. Dies betrifft sowohl das Projekt als Einheit als auch die Integration dieser Entitat in die Or-ganisation. Eine Unternehmenskultur als ganzes kann den Wissensaustausch hemmen, aber auch dieProjektkultur selbst kann bereits Barrieren hervorbringen, wie in Abschnitt 3.3 bereits beschriebenwurde. [Schindler et al. 2000]

Zum einen werden im Rahmen von Kodifizierungsstrategie gezielt Tools zum Explizieren von Wis-sen und zur Sicherung von Erfahrungen eingesetzt. Typisch sind hier die Abbildung von Projektdoku-menten in verteilten Datenbank-Strukturen und das Sichern von Lessons Learned in Fallstudien. Beidiesem Ansatz ist eine hohe Interaktion im Sinne von Kommunikation der Beteiligten notwendig. Hin-gegen findet im Rahmen der Personalisierungsstrategie der Wissensaustausch primar durch personlicheKontakte (Arbeitstreffen, Workshops) statt. Bei diesem Ansatz konnen moderne Informations- undKommunikationstechnologien allenfalls zur Kommunikationsunterstutzung eingesetzt werden. Eineempirischen Studie hat gezeigt, dass in der Praxis eine Mischkultur aus den beiden genannten Ex-tremen am geeignetsten erscheint. [Schindler et al. 2000]

Weiterhin ist eine intakte Teamkultur fur den Wissensaustausch sehr wichtig. Wie in der Umfragein Abschnitt 3.2 erortert wurde, sind in der Projektarbeit primar Zeitdruck und die mangelnde Be-reitschaft zum Eingestehen von Fehlern als mogliche Barrieren identifiziert. Je hoher der geografischeVerteilungsgrad eines Projektes ist und je großer der Anteil unterschiedlicher Kulturen ist, desto wichti-ger ist der Vertrauensfaktor fur das Team. Bei fehlendem Vertrauen kommt es aus bereichsspezifischenInteressen zum bewussten Zuruckhalten von Informationen oder der Infragestellung vonubermitteltenInformationen (Vollstandigkeit, Echtheit) kommen. [Schindler et al. 2000]

Die neuen Medien bieten hier die Chance einerUberbruckung dieser Lucke. Die alleinige Nut-zung solcher Losungen, wie E-Mail, Diskussionsforen, virtuelle Projektraume kann allerdings zurZerstorung von Vertrauen fuhren, dauber diese Kanale knapper und teilweise unreflektierter kommu-niziert wird . Wie bereits in Kapitel 3.4 beschrieben wurde, ist eine direkte Kommunikation zwischenMitarbeitern trotz Einsatz modernster Informationstechologien essentiell.

Das Lernen

Abschnitt 3.7 hat gezeigt, dass die lernende Organisation durch vier Arten des Lernens gekennzeich-net ist. Wahrend sich Lernen der Einzelpersonen und Lernen von der externen Umwelt im Rahmender Projektarbeit durch Zeitknappheit als problematisch gestalten, birgt das Lernen in Gruppen undLernen im organisatorischen Kontext oftmals noch großere Schwierigkeiten fur das projektorientier-te Unternehmen: Das Risiko des Wissensverlustes am Projektende stellt ein großes Problem fur ein

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60 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Unternehmen dar. Organisationen entstehen erhebliche Kosten, verursacht durch Doppelarbeit und oft-mals mehrfach wiederholte Fehler. Es wird deshalb immer wieder eine bewusstere Gestaltung desProjektendes gefordert und die Sicherung von Erfahrungen propagiert. [Schindler et al. 2000]

Lernziele im Sinne der Erfahrungssicherung im Projekt sind oftmals nicht formal gefordert undwerden aufgrund des hohen Zeitdrucks dann auch nur selten bzw. allenfalls informell umgesetzt. Hier-bei wird einmal mehr die Wichtigkeit informeller Zusammenkunfte fur den Wissensaustausch deutlich.Oftmals findet sich auch eine entsprechende Aufforderung im Rahmen der Anforderungen fur den Pro-jektabschlussbericht. Die in Abschnitt 3.2 durchgefuhrte Umfrage zeigt, dass derartigen Aufforderun-gen aufgrund des hohen Termindrucks wenig nachgegangen wird.Ahnliches gilt fur die Identifikationvon Best Practices. [Schindler et al. 2000]

Es wurden bereits mogliche Modi der Erfahrungsableitung evaluiert: Insbesondere bei Projektenmit einer langeren Projektlaufzeit hat sich gezeigt, dass die Erfahrungssicherung nicht nur nach Ab-schluss, sondern bereits wahrend der Durchfuhrung des Projekts einsetzen sollte. [Schindler et al. 2000]

Projektmethodik

Die Projektmanagement-Methodik beinhaltet Aspekte von Vorgehensmodellen und Leitfaden fur dieProjektabwicklung. Die meisten Unternehmen verfugen mittlerweileuber Methodenwissen im Be-reich der Projektdurchfuhrung. Dies schlagt sich in umfangreichen Projektmethodenhandbuchern undFormularen nieder. Kritischer ist, ob dieses Methodenwissen auch standardisiert fur alle im Projektinvolvierten Personen gleich gilt. Bei bereichs- und standortubergreifenden Projekten wird die gleicheOrganisationsnorm haufig unterschiedlich interpretiert. [Schindler et al. 2000]

Konkretes Problem der Unternehmen in diesem Bereich ist der Umfang der teilweise mehrereBande umfassenden Methodenleitfaden. Eine bloße Abbildung der Inhalte im Intranet ist dabei zwarein wichtiger erster Schritt im Sinne einer hoheren Transparenz, stellt aber oftmals nur die Verlagerungungelesener Inhalte aus dem Schrank in das Netz dar. Bei großeren Projekten bietet sich der Ein-satz von Workflow-Systemen an, mit welchen Ablaufe automatisiert und so beispielsweise regelmaßi-ge Lernziele im jeweiligen Projektphasen verankert werden konnen. Dabei werden diese Ziele alsfeste und fur die Fortfuhrung des Workflows bzw. des Projektes zwingend erforderliche Meilenstei-ne definiert. Ihre Erarbeitung kann durch Workshops mit externen Moderatoren erzwungen werden.[Schindler et al. 2000]

Wie Abbildung 4.1 zeigt, kann man Projekte bezuglich der zwei Determinaten “Akzeptanz der Pro-jektmethodik” – wie beispielsweise Beachtung der Richtlinien, Nutzung von Formularen, usw. – und“Verankerung von Wissens- und Lernzielen in der Projektmethodik” einordnen. Es ist erwiesen, dassdiese beiden Determinanten stark von einander abhangen: Ein hoher Akzeptanzgrad der Methoden undStandards in den Projekten bei gleichzeitig nicht vorhandener Verankerung von Lern- und Wissenszie-len lasst die Potentiale der Projektmethodik zur Etablierung einer lernenden Organisation tendenziellungenutzt (siehe Abbildung 4.1, Projekt a). Umgekehrt ist der Nutzen von in Methoden verankertenLern- und Wissenszielen nur dann vorhanden, wenn die Projektmethodikuber eine entsprechende Ak-zeptanz verfugt (siehe Abbildung 4.1, Projekt b). [Schindler et al. 2000]

Unterstellt man, dass Mitarbeiter sich nicht an die Methodik halten und ihre Bereitschaft Wis-sen im eigentlichen Sinn zu kodifizieren auch eher gering sein durfte, bedeutet dies, dass ein Projekteher in Richtung Personalisierungsstrategie tendiert (siehe Abbildung 4.1, Quadrant II-IV), wahrendProjekte im Quadranten I eine starkere Orientierung in Richtung Kodifizierungsstrategie aufweisen.[Schindler et al. 2000]

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4.2. PROJEKTABWICKLUNG IN DER SCHINDLER AUFZUGE AG 61

Abbildung 4.1: Verankerung von Lernzielen in der Projektmethodik [Schindler et al. 2000]

Informations- und Kommunikationstechnologie

Wichtig aber nicht hinreichend fur den Wissenstransfer und die Integration von Wissen in der orga-nisationalen Wissensbasis ist eine Infrastruktur (Hard- und Software), die im Rahmen einer verteil-ten Projektabwicklung zur Verfugung stehen sollte. Projektinformationssysteme bestehen beispiels-weise aus relationaler Projektmanagementsoftware fur die Planung und Kontrolle des Projektver-laufs oder Groupware-Systemen fur das personliche Informationsmanagement und das der Gruppe.[Schindler et al. 2000]

Unter anderem wurde in der Studieuber die Schindler Aufzuge AG festgestellt, dass papierba-sierte Dokumentenstrukturen sowie mangelnder Einsatz geeigneter Technologien zu einer Verteilungs-problematik fuhren konnen. Beschrankt man sich zu sehr auf eine “Person-to-Person” Strategie undvernachlassigt das Kodifikation von Wissen, so wird man in einem großen und vor allem verteilten Un-ternehmen bald an die Grenzen der Verwaltung stoßen und erzeugt zudem organisatorische Barrieren.[Schindler et al. 2000]

Im Rahmen der Forschungsarbeiten der Schindler Aufzuge AG konnten eine ganze Reihe vonModulen identifiziert werden, die eine entsprechende technische Plattform zum Projektwissensmana-gement auszeichnet: [Schindler et al. 2000]

Dazu gehort neben der Integration von abgegrenzten Dokumentstrukturen erstens eine moder-ne Projektverwaltung. Zentrale Anlaufstelle fur das Projektteam und Projektexterne kann dabei einProjektportal im Intra- oder Extranet darstellen, wie Kapitel 7 noch zeigen wird. Entsprechendaufgebaut wird damit eine hohe Transparenzuber Projektziele und -ablaufstrukturen geschaffen.[Schindler et al. 2000]

Neben einem entsprechenden Bereich mit Neuigkeiten sollte eine solche Seite Verweise auf dieOrganisationsstruktur, wichtige Projektdokumente, anstehende Meilensteine und einen Management-Bericht uber den aktuellen Projektstatus enthalten. Um Projektinterna vor unbefugten Blicken zuschutzen, empfiehlt sich dabei die Einrichtung eines zwei- oder mehrstufigen Zugriffskonzeptes. Derentsprechende Pflegeaufwand sollte sich in der Rollenbeschreibung des Teams widerspiegeln und kannbeispielsweise durch das Projektsekretariatubernommen werden. [Schindler et al. 2000]

Yellow-Pages und Skill-Management-Systeme unterstutzen insbesondere große und verteilte Un-ternehmen bei der Identifikation von Wissenstragern. Methoden- und Formularablagen helfen bei der

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62 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

einheitlichen Verfugbarmachung von Dokumentenvorlagen und Regelwerken. [Schindler et al. 2000]

Lessons Learned und Erfahrungsdatenbanken (Best Practice Repositories) dienen der Kodifizie-rung von Erfahrungswissen (Wissen aus dem Projekt). [Schindler et al. 2000]

Diskussionsraume und Meetingspaces helfen beim verteilten Sitzungsmanagement, beispielswei-se zur Bereitstellung und Diskussion von Agenden fur virtuelle Sitzungen und der Distribution vonProtokollen. [Schindler et al. 2000]

Nach der ausfuhrlichen Beschreibung der funf Faktoren des Projektwissensmanagements folgt nunein kurzer Berichtuber besondere Aspekte des Wissensmanagement in der Projektabwicklung derSchindler Aufzuge AG.

Wissensmanagement in internationalen Entwicklungsprojekten

Die Schindler Aufzuge AG mit Stammsitz in Ebikon (Schweiz) beschaftigte 1999uber 40.000 Mit-arbeiter weltweit. In den Hauptgeschaftsfeldern Aufzuge bzw. Rolltreppen ist das Unternehmen Welt-marktzweiter bzw. Weltmarktfuhrer. In den letzten 25 Jahren hat das Unternehmen einen radikalenWandel vom schweizerischen Aufzugshersteller zu einem globalen Dienstleistungskonzern vollzogen.Die Tatigkeiten insbesondere im Aufzugsgeschaft konnen als sehr wissensintensiv bezeichnet werden:die Entwicklung von modernen Aufzugen ist hoch komplex und erfordert großes interdisziplinaresKnow-how. Die Themen sind vielfaltig: Maschinenraumlose Aufzuge, neue Antriebstechnologien, Re-mote Monitoring, Schachtinformationssysteme, Zielrufsteuerungen und intelligentes Verkehrsmanage-ment. [Schindler et al. 2000]

Nachfolgend werden nun Innovationen und Technologien, die innerhalb der Schindler Aufzuge AGeingesetzt werden, vorgestellt.

Von der Personalisierungs- zur Kodifizierungskultur

Wie bereits erwahnt ist vor allem die Unternehmenskultur in einem großen und internationalen Kon-zern wichtig. Bedingt durch die strengen gesetzlichen Vorgaben (Dokumentationsvorschriften) fur dieZulassung von Personenaufzugen und Fahrtreppen ist die Unternehmenskultur der Schindler AufzugeAG traditionell in Richtung einer Kodifizierungsstrategie gepragt. Das Management unterstutzt aller-dings ganz bewusst eine starkere Personifizierungskultur. Es existiert eine hohe Wertschatzung fur denWissensaustausch in weniger formalen Situationen, was sich beispielsweise durch gezielte Einplanungvon Kaffeeecken wiederspiegelt. [Schindler et al. 2000]

Eine Kultur der Offenheit soll dabei helfen, das benotigte Vertrauen zu erzeugen. So sind zumBeispiel bis auf wenige Ausnahmen bei strategisch hochsensiblen Projekten die meisten Dokumenteauch fur unbeteiligte Mitarbeiter zuganglich. Dazu wird ganz bewusst eine hohes Maß an personlichenKontakten gefordert. Zunachst wird das fur die Zusammenarbeit benotigte Maß an Vertrauen (Vmax)initialisiert. Dies kann im Rahmen eines teambildenden Kick-off-Meetings mit der physischen Prasenzaller beteiligten Mitarbeiter stattfinden. Danach kann ein solches Netzwerk eine gewisse Zeit “virtu-ell”, d.h. durch Kommunikationstechnologie gestutzte, raumlich getrennte Zusammenarbeit, bestehen,bevor der Wert unter eine subjektiv gemessene kritische Grenze (Vmin) absinkt. Hier spricht man auchvon der “Halbwertszeit des Vertrauens”, welche nach einer bestimmten Zeit dezentralen Arbeitensdurch personliche Treffen wieder erneuert werden muss (siehe Abbildung 4.2). [Schindler et al. 2000]

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4.2. PROJEKTABWICKLUNG IN DER SCHINDLER AUFZUGE AG 63

Abbildung 4.2: Vertrauensschwankungen im Projektverlauf [Schindler et al. 2000]

Wissensingenieure und Technologiebeauftragte

Zur Verbesserung des Wissensmanagements hat man in der Schindler Aufzuge AG mehrere neue Rol-len geschaffen. Die Rolle eines Wissensingenieurs (Knowledge Engineers) im Bereich des Kompe-tenzzentrums Technologiemanagement beinhaltet dieUberfuhrung einer Suborganisation zu einer ler-nenden Einheit, indem er die Wissensmanagement-Strategien und -maßnahmen umsetzt. Der Techno-logiebeauftragte (Technology Liason Officer) ist hingegen fur die Koordination der lokalen Techno-logieprojekte mit den Konzernaktivitaten sowie fur das Technologiemonitoring und die Identifikationvon Synergien zwischen Projektteams zustandig. Er berichtet direkt an den Leiter des Technologiema-nagements. [Schindler et al. 2000]

“Who is Who” als erweiterte Yellow Pages

Das Unternehmen ist durch ein Corporate Network weltweit vernetzt und setzt auf Standardplattfor-men in den Bereichen Produktdatenverwaltung, Groupware (E-Mail, Calendaring, Scheduling) undProjektmanagementsoftware. Neuakquirierte Unternehmensteile mussen sich diesen Standards an-schließen, um heterogene Systemlandschaften oder Medienbruche konsequent zu vermeiden.Ahnli-ches gilt auch bei langfristigen strategischen Partnerschaften mit System- und Technologielieferanten.[Schindler et al. 2000]

Samtliche Projektdokumentationen werden seit einigen Jahren elektronisch erstellt und verwaltet.Altbestande hat man mit sehr hohem Aufwand digitalisiert und katalogisiert. Der Einsatz der neuenMedien hilft nicht nur beim Transfer expliziten Wissens – beispielsweise in Projektdokumenten ko-difiziertes technisches Know-how –, sondern wirkt gleichzeitig fur den Austausch impliziten Wissensforderlich – zum Beispiel im Rahmen einer Videokonferenz. [Schindler et al. 2000]

Das Unternehmen setzt im Bereich Yellow Pages seit einiger Zeit auf eine “Who is Who” Losung,die als Groupware-Applikation realisiert ist und von 95% der Mitarbeiter aktiv, d.h. durch freiwil-liges Einstellen der Informationen, genutzt wird. Ziel und Philosophie ist dabei nicht ein Ausfullenvon elektronisch abgebildeten Formblattern, sondern das freiwillige Ablegen von Projektaktivitatenals Fließtext, welche via Volltextsuche aufgefunden werden konnen. [Schindler et al. 2000]

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64 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Organisationales Lernen durch Sicherung von Erfahrungen

Innerhalb der Schindler Aufzuge AG gibt es zum Ablauf von Projekten einige interessante Innova-tionen, die vorwiegend zur Sicherung von Projekterfahrungen eingesetzt werden. So sieht das Hand-buch zur Projektdurchfuhrung vor, dass Erfahrungen nach Projektende festgehalten werden mussen.Vor Projektstart ermoglicht ein Blick in das “Who is Who” die Identifikation geeigneter Ansprech-partner. Konsequente Schulungen helfen beim Bestreben, eine einheitliche Vorgehensweise bei derProjektdurchfuhrung umzusetzen und gegebenenfalls mitgebrachtes Wissen zu entlernen, ohne dabeidie notwendige Kreativitat zu zerstoren. [Schindler et al. 2000]

Fazit

Im Projektwissensmanagement existieren eine Reihe spezifischer Wissensbarrieren. Diese lassen sichin die funf vorgestellten Determinantenkategorien einteilen, die eine enge Verwobenheit aufweisen unddeshalb nur ganzheitlich betrachtet werden sollten. Die hier diskutierten Ansatze stellen fur die Pra-xis eine Hilfestellung bei der Bewertung des projektbezogenen Wissensmanagements dar und zeigenmogliche Handlungsfelder auf, die fur ein großes und internationales Unternehmen in Frage kommen.

Wie am Fallbeispiel Schindler gezeigt wurde, sind in diesem Zusammenhang projektbezogene Wis-senspromotoren, eine ausgewogene Wissenskultur, die Erfahrungssicherung, die gelebte Verankerungvon Wissens- und Lernzielenuber die Projektmethodik und der bewusste Einsatz der neuen Mediengerade in internationalen Projekten zentrale Erfolgsfaktoren.

In dieser Studie wurden folgende Ansatze fur die im letzten Kapitel erwahnten Problembereichevorgestellt: In punkto Wissensbarrieren setzt man in der Schindler Aufzuge AG auf Wissensmaklerund Technologiebeauftragte sowie auf personliche Kontakte bei Workshops oder Projektbesprechun-gen. Des Weiteren wirkt sich das Forcieren der Kodifizierungsstrategie in den Projekten positiv auf dieUnternehmenskultur (schnellerer Zugriff auf Wissen) und auch auf die organisationale Lernfahigkeit(Sichern der Erfahrungen) aus. Projekte konnen zudem auch durch virtuelle Teams abgewickelt wer-den, die Experten mussen also nicht von einem Projekt zum nachsten reisen. SpezielleUberlegungenzum steigenden Aufkommen von Informationen oder zur Qualitat derselben wurden in dieser Studienicht behandelt, die Aspekte zum Einsatz von IT werden nun gezeigt.

An Technologien setzt die Schindler Aufzuger AG in ihren Projekten auf einfache Kommunika-tionsmittel wie Email und Videokonferenz-Systeme, aber auch auf Dokumentenverwaltung fur dieVerwaltung der Lessons Learned und Groupware Computing Systeme zur Unterstutzung von Projekt-teams. Skill-Management-Systeme helfen bei der Auffindung der internen Experten, damit wesentlicheFunktionen im Unternehmen optimal besetzt werden konnen.

Auch der Ansatz mit einem projekteigenen Portal, welches zudem Neuigkeiten aus den spezifi-schen Wissensgebiete anbietet, ist vorteilhaft aus Sicht der Unternehmenskultur, wie bei der Analyseder Wissensprozesse in Kapitel 5 noch erlautert wird. Un naturlich ist auch der Einsatz von Workflow-Systemen geeignet, um Projekte zu unterstutzen. Ein Beispiel fur ein Portal- und ein Workflow-Systems sowie deren Entwicklung wird in Kapitel 7 gezeigt.

Es folgt nun eine weitere, fur große und weltweit tatige Unternehmen interessante Studieuber denamerikanischen Dienstleister Teltech, der wissensbasierte Services rund um die Wissensgebiete vonUnternehmen aus allen Branchen anbietet.

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4.3. KM-SPEZIALIST TELTECH 65

4.3 KM-Spezialist Teltech

Die seit 1984 bestehende Teltech aus Minneapolis bietet Unternehmen aus verschiedensten BranchenDienstleistungen rund um die Verwaltung von Informations- und Wissensbestanden. Dabei umfasst dieProduktpalette von Teltech folgende interessante Innovationen: [Davenport 1998]

• Organisation einer hybriden Umgebung bestehend aus Personen und Technologie-basierten Ser-vices,

• Erstellen eines fur das Unternehmen notwendigen Expertenverzeichnisses,

• Verwaltung von Informationsquellen,

• Anwenden von Methoden zur Kategorisierung von Wissen und

• das Berucksichtigen von Kundenwunschen

Es werden vier Grundservices an die Klienten von Teltech weitergegeben, namlich: Vermittlung ei-nes Experten aus dem eigens aufgebauten Netzwerk, welches tausende Wissenschaftler und Ingenieureumfasst; Zugriff auf eine Datenbankapplikation, die von Teltech gewartet wird und eine umfangreicheLiteraturrecherche ermoglicht; ein Erfindungensuchdienst; und ein Newsletter-Dienst, der auf techni-sche Neuerungen aufmerksam macht. [Davenport 1998]

Jede dieser Dienstleistungen wird nachfolgend genauer beschrieben und im Bezug auf große undgeographisch verteilte Unternehmen evaluiert werden.

Das Experten-Netzwerk

Teltech hat Zugriff auf ein Netzwerk von einigen tausend Experten und kann somit alle technischenBereiche abdecken. Diese Experten – in etwa 3000 an der Zahl –, die im Online-System von Teltechabgerufen werden konnen, sind typischerweise Akademiker, Fruhrentner aus der Industrie oder Con-sultants. Wenn nun ein Kunde Support von Teltech wunscht, wird zuerst durch einen Wissensanalysten(“knowledge analyst”) oder durch einen der Experten, deruber das notige Vokabular des Fachgebietesverfugt, das Problem des Kunden erhoben und es werde diesem Kunden durch das Online-System einoder mehrere zustandige Experten zugewiesen. [Davenport 1998]

Konsultiert der Kunde nun diese Experten, so wird diese Dienstleistung von Teltech verrechnet unddie Experten damit bezahlt. Das interessante an diesem System ist, dass die Experten in erster Linienicht wegen dem Entgeld teilnehmen, sondern um Kontakt zu anderen Experten zu haben und sich wei-terbilden zu konnen. Naturlich mussen sich die Experten, an die Teltech ihre Kunden weitervermittelt,verpflichten, dass Kundendaten der Geheimhaltung unterliegen und dass sie nicht Dienstleistungen anden Kunden verkaufen. [Davenport 1998]

Aus der Sicht eines großen und geographisch verteilten Unternehmen ist diese Dienstleistung vonTeltech auf den ersten Blick uninteressant. Ein weltweit agierender Konzern verfugt zumeistuber eineigenes Netzwerk an hochqualifizierten Experten und wird diese Dienstleistung eher nicht in Anspruchnehmen – es sei denn, Teltech verfugt uber eine sehr seltene Consulting-Dienstleistung.

Was sich eine große Organisation mit einem eigenen Experten-Netzwerk jedoch abschauen kann,ist zum einen das Online-System zum Auffinden eines fur ein bestimmtes Fachgebiet zustandigenExperten. In sehr vielen Konzernen passiert es leider haufig, dass sich das Ermitteln einer kompetentenAnsprechperson aufgrund von unternehmensinternen Barrieren (siehe Abschnitt 3.3, wegen fehlenderKommunikations- und Dokumentenverwaltungssysteme (siehe Abschnitt 3.4) oder eben wegen der

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66 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

geographischen Verteilung und dem daraus resultierenden fehlenden Kontakten als sehr schwierig odergar unmoglich herausstellt.

Des Weiteren vorteilhaft bei Teltech ist das Anreizsystem, welches die Experten zur Arbeit mitKunden motiviert. Und man darf hier nicht nur den finanziellen Aspekt sehen, den die Betreuung einesKunden mit sich bringt. Vor allem werden die bei Teltech unter Vetrag stehenden Experten dadurchzu Projekten mit Kunden angeregt, dass sie zum einen – wie im Falle von jungen Akademikern –Erfahrung sammeln konnen, zum anderen deren langjahrige Erfahrung weitergeben konnen, wie es beibereits pensionierten Experten oft der Fall ist. [Davenport 1998]

Dieses Gemisch aus Jung und Alt hat zudem noch den Vorteil, dass Experten mit weniger Erfah-rungen nicht nur bei Projekten, sondern auch von ihren Kollegen lernen konnen. Wie die Praxis beiTeltech zeigt, nutzen gerade junge Akademiker die Moglichkeit und bilden sich bei internen Treffendurch die Kommunikation mit erfahrenen Experten entsprechend weiter. [Davenport 1998]

Der Datenbank-Suchdienst

Als zweite große Serviceleistung bietet Teltech Zugriff aufuber 1600 Online-Datenbanken. Die Sucheselbst wird durch die Wissensanalysten von Teltech unterstutzt. Dieser Dienst kann von den Klientenonline erreicht werden – sucht nun ein Kunde nach einer bestimmten Literatur, so meldet er sichuberdie Homepage an und kann nach bestimmten Gebieten suchen. Benotigt er Hilfe, so wird diese perHotline von einem Mitarbeiter Teltechs gewahrt. [Davenport 1998]

Die spezielle Software von Teltech ermoglicht es, dass der Wissensanalyst den Vorgang der Sucheeinsehen und mit dem Kundenuber die Ergebnisse am Telefon diskutieren kann. Nutzliche Ergebnisse,die gefunden wurden, werden sodann gespeichert und konnen beim Klienten ausgedruckt werden. Eindurchschnittlicher Suchvorgang dauert in etwa 25 Minute. [Davenport 1998]

In einem großen und weltweit verteilten Unternehmen kann es durchaus passieren, dass man Zu-griff auf sehr viele Datenbank-Services hat. So kann es beispielsweise in mehreren Unternehmens-bereichen oder Abteilungen eigene datenbankbasierte Systeme geben. Auch das Wissen von Online-Fachjournalen im Internet tragt dazu bei, dass Konzerne auf weitere, externe Datenbank-Dienste zu-greifen mussen. Hier ist Teltech gleich in mehreren Punkten ein Vorbild fur ein solches Unternehmen:

Zum einen muss ein Wissensspeicher – egal ob dieser auf einer Datenbank basiert oder auf eineandere Art (siehe Abschnitt 3.4) realisiert wurde – stets die Moglichkeit einer Suche bieten, wie in Ka-pitel 5 bei der Analyse der Wissensprozesse bzw. in Abschnitt 5.6 bei dem Baustein Wissensnutzunggezeigt wird. Teltech ermoglicht dabei die Suche in mehreren Datenbank-Systeme. In großen Unter-nehmen kann es zu dem typisches Problem kommen, dass man keine unternehmensweite einheitlicheIntranet-Losung hat und die einzelnen Suborganisationen und Abteilungen eigene IT-Systeme haben.Hier ist es absolut essentiell, dass eine Suche auchuber die Teilbereiche moglich ist, um beispielsweisebereits begangene Fehler oder teure Mehrfachentwicklungen zu vermeiden.

Ebenfalls lehrreich fur große, geographisch verteilte Unternehmen ist der Einsatz von sogenanntenWissensanalysten, die unter anderem bei der Wissensauffindung wichtig sind. Welche Aufgaben diesespeziellen Mitarbeiter eines Konzerns noch haben, wird in Kapitel 5 naher beleuchtet. Schließlichsei noch zu erwahnen, dass ein System, welchesahnliche Vorzuge wie jenes von Teltech bietet, derSchlussel zur erfolgreichen Wissensauffindung (siehe auch Abschnitt 3.5) ist.

Der Erfindungensuchdienst

Im Laufe des langjahrigen Bestehens von Teltech bemerkte man, dass Kunden vermehrt interessiertwaren und sind, ob eine Erfindung fur ein bestimmtes technisches Produkt oder eine Serviceleistung

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4.3. KM-SPEZIALIST TELTECH 67

bereits patentiert ist. Aus diesem Grund wurde ein spezieller Erfindungensuchdienst entwickelt undden Klienten zur Verfugung gestellt wurde.

Im Grunde ist dieser Dienstahnlich der umfangreichen Datenbanksuche vom letzten Abschnitt. Je-doch kennzeichnet die Suche nach einer Erfindung, dass der Kunde die Erfindung, die eventuell bereitspatentiert ist, zu Beginn nur umschreiben kann. Dadurch ist die Interaktion mit einem Wissensanalystenvon Teltech immer zwingend notwendig und ein iterativer Prozess, bei welchem Datenbankensystemeund Produktprospekte, die auch von anderen Anbietern stammen, durchsucht und Experten wie auchPatentamte konsultiert werden. [Davenport 1998]

Der Analyst muss anhand der meist vagen Beschreibung des Klienten eineahnliche Erfindungfinden und kann dann mit dem Kundenuber das Suchergebnis diskutieren und daraus vorhandeneSachgebiete ableiten. Danach kann aufgrund einer genaueren Spezifikation durch den Kunden dieseSuche wiederholt werden, bis schließlich eine konkrete Erfindung oder zumindest interessante Suchre-sultate gefunden werden. Ein solcher Suchvorgang kann sichuber zwei bis drei Tage erstrecken.[Davenport 1998]

Wie bereits beim Datenbank-Suchdienst ware dieser Service fur einen weltweit verteilten Konzernbesonders wertvoll. Allein eine interne Recherche nach Patenten stellt sich fur entsprechend großeUnternehmen meist als problematisch heraus, da sie nicht immer Zugriff auf Patente anderer Be-triebsstatten oder Abteilungen haben. Auf diese Weise wird oft unnotige Entwicklungsarbeit geleistet,dabei gabe es neben dem Einsatz eines Wissensanalysten auch die Moglichkeit eines unternehmensin-ternen, intranetbasierten Suchdienstes, wie in Kapitel 5 noch gezeigt wird.

Auch eine Suche nach externen Erfindungen erweist sich bei verteilten Unternehmen als schwie-rig, da die Betriebsstatten zumeistuber mehrere Lander verteilt sind und eine Suche nach Erfindungenabhanigig von den lokalen Begebenheit ist. Ob Wissen nun erworben oder selbst entwickelt werdensoll, wie in den Abschnitten 5.3 und 5.4 gezeigt wird, hangt naturlich stark davon ab, ob man ent-sprechendes explizites Wissen schnell finden und einfachubernehmen kann. Hier ware es fur ein inmehreren Landern ansassiges Unternehmen durchaus gunstig, die Erfindungssuche von Teltech in An-spruch nehmen zu konnen.

Der Newsletter

Die vierte große Dienstleistung umfasst die Bereitstellung eines Newsletter-Services fur die Fach-gebiete der Kunden. Hierbei werden von Teltech die wesentlichen Forschungsergebnisse zu einemThema zusammengefasst und als wochentlicher Newsletter an die Abonnenten verschickt. Als Fach-gebiete gibt es unter anderem Werkstofftechnik, Biotechnologie, Sensorik, usw. Die Mitarbeitervon Teltech halten sogar direkt Kontakt zu den Entwicklern, sodass die Kunden teilweise vor derVeroffentlichung der Forschungsergebnisse in Fachzeitschriftenuber die Neuheiten informiert werden.[Davenport 1998]

Fur große, weltweit verteilte Unternehmen ist dieser Dienst in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. EinUnternehmen kann sich durch diesen Service die zeit- und kostenaufwendige Recherche nach Innova-tionen in dessen Fachgebiet einsparen. Ansonsten kann der Newsletter als Warndienst gesehen werden,wenn es gilt, eine wichtige Neuerung nicht zu verschlafen. Fur den Fall, dass ein großer Konzern keineeigene Forschungsabteilung hat, kann er auf diese Weise die Forschungs- und Entwicklungsarbeit imeigenen Bereich outsourcen, indem wichtige Neuerungen einfach erworben werden, wie in Abschnitt5.3 uber den Prozess des Wissenserwerbs noch gezeigt wird. Hier kann allerdings fur das Unterneh-men, das einer Innovation hinterher lauft, die Gefahr einer Abhangigkeit entstehen.

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68 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Innovationen von Teltech

Interessant an Teltech ist zum einen, dass mit den Kunden sowohl per Telefon, als auch per Internetoder Fax kommuniziert wird und diese Medien beliebig kombiniert werden konnen. Wie bereits derBarrierenwurfel in Abschnitt 3.3 zeigt, ist dieser Einsatz von mehreren Kommunikationsmittel einsehr effizientes Mittel gegen individuelle und organisatorische Barrieren seitens der Wissensanbieterwie auch auf Seiten der Wissenskonsumenten. Andererseits wird so dem Kunden nicht ein speziellerZugang zu neuem Wissen aufgezwungen, was ja nach Abschnitt 3.4 problematisch bei der Nutzungvon Informationstechnologie sein kann. [Davenport 1998]

Der Trend bei der Nutzung von Informationstechnologie geht laut Angaben von Teltech eindeutigzum Medium Internet. 1998 nutzten zwar noch 70% der Kunden den Zugang per Telefon, der im glei-chen Jahr erst entwickelte Zugang per Internet wurde aber bereits von einen beachtlichen Prozentsatzder Kunden verwendet. [Davenport 1998]

Wie bei anderen Informationsanbietern ist auch bei Teltech ein sehr großer Teil der rund 160 Mit-arbeiter damit beschaftigt, den Wert der angebotenen Informationen zu sichern und zu steigern. WasTeltech jedoch deutlich von anderen Providern unterscheidet, ist der Umfang der Informationen. DaTeltech ein sehr breites Spektrum an Fachgebiete abdeckt, mussen zahlreiche unterschiedliche Infor-mationsquellen wie zum Beispiel das Expertennetzwerk, Fachzeitschriften, usw. zur Verfugung stehen.Dementsprechend aufwendig ist auch die Administration und Instandhaltung der Informationsquellen.[Davenport 1998]

Hypbride Umgebung Mensch – Technologie

Ein wesentlicher Aspekt fur große Organisationen ist das Verwalten einer hybriden Umgebung beste-hend aus Menschen und Technologie-basierten Dienstleistungen. Teltech sieht einzig den Menschenals effiziente Leitfaden durch die Informations- und Wissensbestande. Dies zeigt unter anderem dieTatsache, dass Kunden, die durchaus die Moglichkeit haben, das Expertensystem von Teltech alleinezu durchforsten, dennoch lieber die Dienstleistung eines Wissensanalysten in Anspruch nehmen, ob-wohl dies kostenspieliger ist. Hinter jedem noch so guten Expertensystem sollte also stets ein Menschstehen, der bei der Nutzung zumindest erreichbar, wenn nicht gar automatisch eingebunden sein sollte.[Davenport 1998]

Ein weiterer Punkt, der fur eine hybride Umgebung Mensch-Technologie steht, ist die Moglich-keit, Mitarbeiter speziell fur die Bereiche Informationsquellen, Suchtechniken und junge Wissensge-biete auszubilden. Dies kann gerade in einem großen und geographisch verteilten Unternehmen, inwelchem viele unterschiedliche Kommunikationstechnologien und Expertensysteme in Verwendungsind, enormes Kosteneinsparungspotential bei der Wissensauffindung und die Schaffung von neuenArbeitsplatzen bedeuten. Daruberhinaus wurde bei Teltech beobachtet, dass sich die Wissensanalystenmit zunehmender Qualifikation auch bestens zur Weiterbildung und Schulung von anderen Mitarbei-tern einsetzten lassen. [Davenport 1998]

Verweis auf Personen

Ein vielversprechender Ansatz im Geschaftsmodell von Teltech ist ist jener, dass Individuen nicht nurFuhrer zu Informationen und Wissen sind, sondern auch eine wesentliche Lagerstatte des Fachwis-sens. Teltechubertragt nicht das Wissen eines Experten in eine Datenbank, sondern die Gebiete, indenen jemand arbeit und sich auskennt. Das gesamte Wissen erfassen zu wollen, wurde viele Resour-cen benotigen und ware aufgrunde der enormen Anzahl an moglichen Themenfelder nicht machbar.[Davenport 1998]

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4.3. KM-SPEZIALIST TELTECH 69

Teltech begnugt sich damit, FAQ5 auszuarbeiten und neben kurzen Antworten einen Verweis aufeinen Experten aus dem Fachgebiet anzugeben. Sollte dieser Experte nicht der richtige Ansprechpart-ner fur einen Kunden sein, so kann er an einen fur das Problem kompetenten Kollegen weitervermittelt.[Davenport 1998]

Die wertvolle Erfahrung fur große Konzerne ist, dass erfolgreiches Knowledge Management nichtdarin besteht, das Expertenwissen in einem IT-System zu erfassen. Wichtig ist eher das Speichern derwichtigen Informationen, welcher Mitarbeiter der richtige Ansprechpartner fur ein fachlich anspruchs-vollen Problem ist und wie man mit diesem Kontakt aufnehmen kann. Daneben sollte fur allgemeineProbleme ein FAQ-System existieren, welches jedoch nicht allzusehr ins fachliche Detail geht undidealerweise einen Ansprechpartner zu einer Frage ermitteln kann.

Als Erganzung zum Online-System, mit welchem die Experten eines Unternehmens verwaltet wer-den, kann ein sogenanntes Expertenportal eingesetzt werden. Hier konnte man die Moglichkeit bieten,dass eine Frage direkt an einen oder mehrere zustandige Experten weitergeleitet werden.

Abbilden von Informationsquellen

Nachdem Teltech zusatzlich zum eigenen Expertennetzwerk und dem Erfindungssuchdienst aufuber1600 Datenbanken Informationen zugeift, ist es fur einen Kunden kaumuberblickbar, welche poten-tiellen Quellen nutzbar sind. Darum hat Teltech eine eigene Software entwickelt, die einem Benutzereine integrierte Betrachtung aller Informationsquellen zu einem bestimmten Thema ermoglicht. DieserService, der auch als “integrated source map” bekannt ist, nennt einem Kunden oder Wissensanalystalle erfassten Experten, Patente, maximal 3 Jahre alten Papers und bald abgehaltenen Konferenzenzu einem gewunschten Thema. Die Informationen werden dann aufbereitet und der Kunde kann alleerhaltenen Informationsquellen abrufen. [Davenport 1998]

Gerade ein solches System ist fur große und vor allem verteilte Organisationen besonders wertvoll.Eine rasche und erfolgreiche Suche, die zudem das Ergebnis benutzerfreundlich aufbereitet, kann zumeinen wiederrum eine Kosten- und Zeitersparnis bedeuten, aber auch die Qualitat einer Informationerheblich steigern. Weiß man namlich, wo eine Information zu finden ist und idealerweise auch, werdiese Information verfasst hat, so kann man im Grunde durch direkte Kommunikation rasch auf dasWissen selbst zugreifen.

Strukturierung von Wissen

Der vermutlich schwierigste Aspekt von Teltechs Dienstleistungen ist die Strukturierung und Spei-cherung der Wissensbestande sowie das Bereitstellen von Suchmechanismen, die das in einem Sy-stem befindliche Wissen berucksichtigen. Im Grunde muss die Kundenanfrage durch Teltech – konkretdurch einen Wissensanalysten und dem System zur Wissensauffindung – in eine verfugbare Expertiseubersetzt werden. Dies geschieht durch ein selbst entwickeltes System namens “KnowledgeScope”,welches einen Thesaurus mituber 30.000 technischen Begriffen und auch Verweise zu zustandigenExperten beinhaltet. [Davenport 1998]

Das System wird von mehreren Wissensingenieuren, die 500 bis 1.200 neue Konzepte pro Monatin die Datenbank aufnehmen und Veraltertes loschen, gewartet. Hierbei werden Begriffe, mit denen einKunde oder Wissensanalyst keine Resultate bei der Suche im KnowledgeScope erzielte, von den Wis-sensingenieuren – und nur von diesen – untersucht und bei Bedarf in das System eingefugt. Der Grundfur diese genaue Prufung der Begriffe ist damit begrundet, dass bei der Suche haufig Rechtschreibfeh-ler begangen werden. Auch soll der Inhalt des Thesaurus immer konsistent sein, weshalb nur (wenige)

5frequently-asked questions

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70 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

ausgebildete Wissensingenieure schreibenden Zugriff auf das System haben. [Davenport 1998]

Interessanterweise gab es vor diesem thesaurus-basierten System eine hierachisches Struktur mitden Fachbegriffen, den sogenannten “Tech Tree”. Dieser war aber fur die Kunden und auch fur dieWissensanalysten zu kompliziert in punkto Navigation. Außerdem wurden neue Begriffe oft in derfalschen Ebene der Hierachie angehangt, weshalb sie dann nicht gefunden wurden. Deshalb wurdesodann auf das thesaurus-basierte System umgestellt. [Davenport 1998]

Jedes andere Unternehmen kann von diesen Erfahrungen, die Teltech quasi als Pionier geleistet hat,folgendes lernen: Zum einen ist eine hierachische Struktur von Wissensgebieten und Fachbegriffen auf-grund der umfangsreichen Wissensumgebung kaum noch moglich und schon gar nicht bedienbar. Undzum anderen erweist sich ein Thesaurus, also das Abbilden von Begriffen aufubergeordnete Fach-gebiete und zustandige Personen als erfolgsversprechend. Hier muss allerdings wieder dafur gesorgtwerden, dass die Suchergebnisse sinnvoll aufbereitet werden. Wie dies in einem KM-System realisiertwerden kann, wird im Gestaltungsbereich in Abschnitt 6.4 geschildert.

Fokus auf den Umgang mit Informationen

Teltech konzentriert sich vermehrt auf das Verhalten der Kunden in Bezug auf Informationen. Diesumfasst beispielsweise die Prozesse wie die Suche, die Nutzung, das Verteilen und das Verwalten vonInformationen. [Davenport 1998]

Experten in technischen Bereichen bedurfen spezieller Aufmerksamkeit. So mussen Informationenrasch und moglichst in unmittelbarer Nahe – im Idealfall auf dem Bildschirm – verfugbar sein, damitsie uberhaupt Beachtung finden. Wenn die gewunschte Information nicht genau spezifiziert werdenkann, ist es von Vorteil, wenn der Wissensanalyst durch Interaktion ein Anforderungsprofil erstellt,denn diese Art der schrittweisen Problemlosung ist vor allem fur Ingenieure leicht verstandlich. Wei-tere Kriterien fur die Betreuung von Experten aus dem IT-Bereich sind gute Aufbereitung von Su-chergebnissen und die Motiviation zur Verwendung von externen – also nicht intern entwickelten –Informationen. [Davenport 1998]

Eine allgemeine Regel fur das Eingehen auf den Umgang der Kunden mit Informationen gibt esnaturlich nicht. Allerdings werden seitens Teltech viele Projekte und Aktionen initiiert, welche diesesVerhalten der Klienten verbessern sollen. Wie Wissensanalysten berichteten, reicht es oft schon, eineIdee – wie beispielsweise das Hinzuziehen eines Experten – “gut zu verkaufen”, um eine erfolgreicheBeratung zu erbringen. [Davenport 1998]

Weiters hat Teltech entdeckt, dass gerade Kunden aus dem Technologie-Sektor sehr leicht durchscheinbar bedeutungslose, technische Spielzeuge positiv beeinflußt, ja regelrecht motiviert werdenkonnen. So werden auf Konferenzen gern sogenannten “Tech Pets” ausgeteilt. Es handelt sich dabeium kleine Plastikfiguren, die verbunden sind und die man auf unterschiedlichste Arten rotieren lassenkann. Es wurde beobachtet, dass Experten diese kleinen Artefakte durch deren Neugier zu erkundenversuchen und dadurch aufnahmefahiger fur neue Ideen sind, obwohl man vermuten wurde, dass dieseher eine Ablenkung verursachen musste. [Davenport 1998]

Eine andere Zielgruppe, die Teltech bewusst fur sich gewinnen will, sind Bibliothekare von Unter-nehmen, also die Warter von externen Wissen. Diese fur Teltech wichtige Gruppe der Bibliothekarekonnten sich namlich durch die Dienstleistungen von Teltech in deren Existenz bedroht fuhlen. Dar-um versuchen die Wissensanalysten das Verstandnis der Bibliothekare fur die Services von Teltech zusensibilisieren und eine gute Zusammenarbeit mit diesen zu erreichen. [Davenport 1998]

Schließlich zielt Teltech noch auf die wichtigste Zielgruppe bei deren betreuten Unternehmen ab,namlich auf jene der Manager im technologischem Bereich und der Forschungsleiter. Fur dieses spezi-elle Klientel bietet Teltech Dienstleistungen, mit welchem eine Fuhrungskraft abfragen kann, welche

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4.3. KM-SPEZIALIST TELTECH 71

Services von Teltech wie oft von den Mitarbeitern seiner Abteilung genutzt wurden. Erfahrungsberich-te zeigen, dass Projektverantwortliche vor Zwischen- oder Endprasentationen ihrer Projekte an ihreMitarbeiter herantreten und fragen, ob vereinzelte Projektschritte von einem Teltech-Experten begut-achtet wurden. [Davenport 1998]

Durch diese geschickte Sensibilisierung von Fuhrungskraften bezuglich der Verwendung von ex-ternen Wissen werden nun Projektmitarbeiter zur Nutzung von Teltechs Angeboten gezwungen, waszum einen Kostenersparnis seitens des Klienten bedeuten kann – Eigenentwicklung ist im Normalfallwesentlich ressourcenintensiver als die Verwendung von externen Wissen –, aber naturlich auch furTeltech gewinnbringend ist. Teltechs Fokus auf fuhrende Mitarbeiter in Unternehmen wird durch einenweiteren Service untermauert: Es gibt namlich einen Newsletter-Dienst, der speziell auf “Fuhrungsper-sonen der Wissensrevolution” zugeschnitten ist. [Davenport 1998]

Zusammenfassend kann man sagen, dass Teltechs Fokus auf den Umgang mit Informationen nichtunbedingt einer philosopischen Sichtweise entspringt, sondern eher aus einer wirtschaftlichen Notwen-digkeit. Wurden IT-Experten nicht die Dienstleistungen von Teltech in Anspruch nehmen, ware damitkein Geld zu verdienen.

Große und weltweit verteilte Konzerne konnen aber gerade von dieser Innovation viel lernen. Soist zum Beispiel positiv, wenn fur die einzelnen Zielgruppen in einem von Teltech betreuten Unter-nehmen unterschiedliche Zugange geboten werden. Tatsachlich zeigt ja bereits die Realitat, dass einManager ganz anders mit Kommunikationstechnologie umgeht als ein beispielweise eine IT-Fachkraft.Also sollte auch das Userinterface eines KM-Systems eine gewisse Anpassbarkeit auf eine Zielgruppezulassen.

Ein weitere Punkt, der in jedem großeren Unternehmen berucksichtigt werden sollte, ist das Schaf-fen von Anreizsystemen fur das Verwenden von externem Wissen. Wie hier bereits geschildert wur-de und wie Abschnitt 5.3 noch zeigen wird, kann der Erwerb von externem Wissen enorme Einspa-rungsmoglichkeiten bei teilweise hoherer Qualitat mit sich bringen.

Schließlich sei noch zu erwahnen, dass in jeder Organisation auf den Umgang mit Informationengeachtet werden sollte. Einheitliche Richtlinien in der Daten- und Informationsverwaltung sind ein ef-fektives Mittel, um Wissensbarrieren (siehe Abschnitt 3.3) und einen wild wuchernden Informationsd-schungel (siehe Abschnitt 3.5) zu verhindern und den erfolgreichen Aufbau eines organisatorischenGedachtnisses (siehe Abschnitt 3.4) und naturlich die Qualitat der Informationen im Intranet (sieheAbschnitt 3.6) zu fordern. Diesen Aspekt deckt Teltech durch geschickte und auf eine Zielgruppe ab-gestimmte Manipulation des Umgangs mit Informationen ab.

Fazit

Teltech ist seit Jahrzehnten das Herzeigeunternehmen in punkto Wissensmanagement. DieUberlegun-gen in dieser Studie behandeln die Problembereiche Wissensbarrieren, Einsatz von IT, Informationsflutund Informationsqualitat. Ein großer, verteilter Konzern kann aus den langjahrigen Erfahrungen vonTeltech in erster Linie bei der Gestaltung einer offenen Unternehmenskultur und naturlich bei der Ent-wicklung eines KM-Systems lernen.

So ist auf jeden Fall der Aufbau oder auch das Management eines Expertennetzwerkes interessant.Oft wird innerhalb eines Unternehmens ein fur eine Aufgabe ausreichend qualifizierter Experte erfolg-los gesucht und man muss auf externe Ressourcen zuruckgreifen. Ein Skill-Management-System imIntranet konnte diesem Problem ein jahes Ende bereiten. Auch das Auffinden von Bereichs- oder Pro-jektverantwortlichen in großen Unternehmen ware beispielsweise durch ein entsprechendes System zurealisieren, wie Abschnitt 6.4 zeigen wird.

Des Weiteren ist es fur ein Unternehmen notwendig, die Experten zur Wissensteilung zu fordern

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72 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

und Interessierte durch ein Anreizsystem zum Lernen zu motivieren. Wissenskonsumenten von heutewerden bei entsprechendem Lernfortschritt schon bald die Wissensanbieter oder -makler von morgensein, was bereits in Kapitel 3.3 erlautert wurde. Auch sollte die Nutzung von externen Wissen forciertwerden, da diese oft wesentlich gunstiger kommt als beispielsweise eine komplette Neuentwicklung.

Drittens zeigt diese Fallstudie ganz gut, was beim Aufbau eines Wissensspeichers zu beachtenist. Dazu zahlt beispielsweise die Nutzung von unterschiedlichen (datenbankbasierten) IT-Systemenoder die Implementierung einer effizienten Suchfunktionalitat. Vor allem bei der Strukturierung vonWissen hat Teltech mit dem thesaurus-ahnlichem System außerordentliche Vorteile gegenuber einerbaumahnlichen Struktur herausarbeiten konnen. Und naturlich sei hier noch die fur den Umfang einerKnowledge Base vorteilhafte Idee, dass ein Repository nicht das gesamte Expertenwissen, sondern nurfachliche Konzepte mit Verweis auf einen Experten beinhalten darf, erwahnt.

Auch was die Einfuhrung von wissensbasierten Funktionen in einem Unternehmen betrifft, kannTeltech als Vorbild hergenommen werden. Wissensanalysten, die bei komplexeren Suchanfragen hel-fen, Mitarbeiter schulen oder als Knowledge Broker fungieren, sowie Wissensingenieure, die in Zu-sammenarbeit mit Experten Konzepte externalisieren und diese strukturieren, sind zumeist Vorrausset-zung, dass wissensintensive Aufgaben oder gar Projekte rasch abgewickelt werden konnen.

Schließlich seien noch die Besonderheiten im Umgang mit Informationen von bestimmten Gruppenin einem Unternehmen zu erwahnen: IT-Fachkrafte beispielsweise benotigen Informationen schnellund unkompliziert und sollten idealerweise in kompliziertere Suchroutinen eingebunden werden.Fuhrungskrafte mussen zur Nutzung von externen Wissen sensibilisiert werden, indem man beispiels-weise einen Berichtuber die Wissensnutzung der eigenen Suborganisation oder Abteilung anfertigt.Auf jeden Fall aber bedarf es bei unterschiedlichen Typen von Wissenskonsumenten ein angepasstesVerhalten des Experten, Wissensanalysten oder gar eines IT-Systems.

Somit wurde die Sichtweise eines Anbieters von wissensbasierten Dienstleistungen fur andere Un-ternehmen ausfuhrlich behandelt und es folgt nun eine Fallstudieuber einen großen und weltweit ver-teilten Konzern, namlich die Siemens AG.

4.4 Das KM-Framework von Siemens

Die aus dem Jahr 2001 stammende Fallstudieuber die Siemens AG zeigt das WissensmanagementFramework, welches in dem Konzern, der rund 34.000 Mitarbeiter inuber 60 Landern beschaftigt, ubereinen langen Zeitraum sowie in mehreren Schritten entwickelt wurden. Dieser ganzheitliche Ansatzwurde von einem eigenen Knowledge Management Team durch die SBS6 realisiert und basiert aufdem grundlegenden Verstandnis, dass Knowledge Management Bezug auf die Mitarbeiter, nicht aberauf ein Tool nehmen muss. [Ramhorst 2001]

Die nachste wichtige Erkenntnis, die in der Design-Phase gewonnen wurde, war jene, dass Wis-sensmanagement hochst komplex ist und sehr viele Verknupfungen zu anderen Managementtechnikenherstellt. So mussen unter anderem Techniken wie Projektmanagement, Customer Relations oder Per-sonalplanung behandelt und modifiziert werden, um eine KM-Initiative umsetzen oder gar ein kom-plettes Framework realisieren zu konnen. [Ramhorst 2001]

Das KM-Team von Siemens entwickelte unter diesen Aspekten ein Framework, das darauf ab-zielt, ein grundlegendes Verstandnis fur das Teilen und Nutzen von Wissen sowie Transparenz vonKompetenzen der Mitarbeiter zu gewinnen. Im nachsten Schritt wurde dann individuelles und vor al-lem organisationales Lernen forciert, indem die Erfahrungen von Projekten sowie das Erzeugen vonwiederverwendbaren Wissensmodulen dokumentiert und gemeinsam mit den beteiligten Mitarbeitern

6Siemens Business Services

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4.4. DAS KM-FRAMEWORK VON SIEMENS 73

umgesetzt wurde. [Ramhorst 2001]

Diese Vorgehensweise bewirkte schließlich innerhalb der Siemens AG eine Veranderung der Un-ternehmenskultur sowie auf strategischer Unternehmensebene einen Wandel von einem produktori-entierten Unternehmen zu einem weltweit ansassigen Technologie- und Service-Konzern. Geradedieser zweite Aspekt trug in den letzten Jahren auch dazu bei, dass die Siemens AG stark wuchsund international expandierte. Als reiner Produktanbieter ware eine solche Expansion nicht sinnvoll.[Ramhorst 2001]

Es folgt nun einUberblick uber die Grundsatze des Frameworks, welche vom KM-Team beruck-sichtigt wurden.

Grundsatze des KM-Frameworks

Um uberhaupt ein KM-Framework aufbauen zu konnen, ist es wichtig, ein Verstandnis fur dieBeschaftigung mit Wissensmanagement zu entwickeln. Veranschaulichend und somit unterstutzendkann fur ein solches Framework beispielsweise sein, dass man das KM-Modell selbst visualisiert –im Idealfall geschieht dies mittels einerUbersicht, welche die Instrumente des Wissensmanagementbeschreibt und einenUberblickuber die KM-Initiative gibt. [Ramhorst 2001]

Der Kern des KM-Frameworks basiert auf dem Prinzip Wissensmarkt, wo Wissensverkaufer (Pro-duzenten) und Wissenskaufer (Konsumenten) aufeinander treffen, was bereits in Abschnitt 3.3 durchden Barrierenwurfel beschrieben wurde. Vor dem Hintergrund dieses Wissensmarkts mussen nun imKnowledge Management Programm gewisse, darauf aufbauende Grundsatze berucksichtigt werden,die nun der Reihe nach beschrieben werden. [Ramhorst 2001]

Der erste, fur ein erfolgreiches KM-Programm wichtiger Grundsatz ist jener, dass Wissensmana-gement niemals die Geschaftsstrategie außer Acht lassen darf. Entwickelt ein Unternehmen Wissen inneuen Bereichen, die sich mit den eigenen Produkten und Dienstleistungen nie treffen, so werden zwardie Wissensbestande erweitert und auch qualitativ hochwertiger, im Endeffekt wird man mit dem neu-en Wissen im Kerngeschaft keinen neuen Umsatz erzielen konnen. Nur gezielte Einflussnahme auf dieWissensentwicklung wird den Paradigmenwechsel von einem produktorientierten zu einem serviceori-entierten Unternehmen vorantreiben. Der erste wichtige Grundsatz lautet also: Wissen muss wie jedeanderen unternehmerischen Vermogenswerte gemanagt werden. Diese Strategie bringt zwei wichtigeErgebnisse mit sich: erstens die Erhohung von individuellen KM-Initiativen, sodass die Geschaftsbe-reiche des Unternehmens aufgewertet und neue Umsatze generiert werden konnen und zweitens eineManifestierung der Kernkompetenzen. [Ramhorst 2001]

Als zweiter Grundsatz fur ein erfolgreiches KM-Programm seien die Unternehmenskultur unddie vorherrschenden Unternehmenswerte zu nennen. Diese Fallstudie zeigt gleichsam der Umfragein Abschnitt 3.2, dass vor allem die Werte wie “gemeinsame Nutzung” und “Vertrauen” als kritischeErfolgsfaktoren zu sehen sind und entsprechend berucksichtigt werden mussen. In einer projektorien-tierten Umgebung, wie sie gerade in einem serviceorientierten Unternehmen vorhanden ist, muss manspeziell auf das Klima und die Kommunikation innerhalb der Teams achten – so ist es beispielsweiseratsam, bei virtuellen Teams (siehe Abschnitt 3.8) nicht nur Online Foren zum Einsatz zu bringen,sondern die Mitglieder eines solchen Teams zu regelmaßigen Treffen zu bewegen, wie die Studieuberdie Schindler Aufzuge AG in Abschnitt 4.2 gezeigt hat. [Ramhorst 2001]

Wichtig ist es auch, Anreizsysteme fur das Teilen und Nutzen von Wissen zu schaffen, was bei-spielsweiseuber eine Pramie fur erfolgreiche KM-Tatigkeiten im eigenen Bereich geschehen kann.Hier ist es naturlich auch notwendig, die Mitarbeiter von den Vorteilen des Teilens und Wiederver-wendens von Wissen zuuberzeugen. Zusatzlich sollte zumindest jahrlich eine Bewertung der Wissens-bestande mittels Feedback der Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzten erfolgen, damit zum einen die

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74 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Auswirkungen des KM-Programms gemessen und eventuell weitere Initiativen zur Verbesserung derWissensprozesse durchgefuhrt werden konnen, wie auch Abschnitt 5.9), der den Prozess der Wissens-bewertung behandelt, zeigen wird.

Ein interessanter Ansatz, der auf diesem Grundsatz basiert, ist das Einrichten von sogenannten“CoPs”7, wie es vom KM-Team bei der Siemens AG auch durchgefuhrt wurde. CoPs stellen quasieine Forschungsgemeinde fur ein bestimmtes Anwendungsgebiet dar und sind am besten mittels einesvirtuellen Teams oder gar einer virtuellen Organisation, wie sie in Abschnitt 3.8 vorgestellt wurde,realisierbar. Im Falle der Siemens AG sind innerhalb der CoPs folgende Rollen definiert und besetzt:der Leiter der CoP, ein oder mehrere Wissensmakler (Knowledge Broker) sowie die Mitglieder. Dasbesondere an diesen virtuellen Teams ist, dass einzelne Mitglieder unterschiedlich intensiv in eine“Community of Practice” eingebunden sind. Weiters sind die Beteiligten nicht an einen bestimmtenOrt gebunden, sondern kommunizieren großteilsuber Informationstechnologien wie Online Foren,Groupware Losungen, usw. [Ramhorst 2001]

Der dritte kritische Grundsatz fur eine erfolgreiche KM-Initiative ist das Prinzip des Wissens-markts. Wie bereits in Abschnitt 3.3 beschrieben, kennzeichnet diesen, dass Wissenanbieter und Wis-senskonsumenten aufeinander treffen. Problematisch an diesem Grundsatz ist die fehlende Transparenzuber die internen und externen Wissensbestande, eine strikte hierachische Unternehmensstruktur sowiefehlende Kommunikations- und Informationstechnologie, wie der Abschnitt 3.4 gezeigt hat. Zu beach-ten ist hier auch, dass die Einteilung in Wissensproduzenten und -konsumenten nicht als fix gesehenwerden darf. Ein Konsument, der sichuber lange Zeit Wissen aneignet, wird irgendwann automatischselber zum Anbieter fur andere.Ahnlich wie beim vorherigen Grundsatz ist es auch hier von Seitendes Management notwendig, die Rolle eines Wissensproduzenten und auch jene eines eifrigen Wis-senskonsumenten durch unterschiedliche Anreizsysteme zu fordern. [Ramhorst 2001]

Der vierte Grundsatz eines KM-Programms ist schließlich die in der Fallstudieuber Teltech (sie-he Abschnitt 4.3) bereits erwahnte Rolle des Wissensmaklers (Knowledge Broker). Dieser agiert wieein “Spider” bzw. eine menschliche Suchmaschine – eine genaue Definition dieser Begriffe ist bei derProblematik der Informationsflut in Abschnitt 3.5 nachzulesen – in seinem Bereich des Unternehmens-netzwerks und beantwortet Fragen, die in sein Gebiet fallen, bzw. vermittelt Mitarbeitern, die Informa-tionen suchen, diese gewunschte Information oder einen entsprechenden Experten. [Ramhorst 2001]

Zusatzlich muss ein Knowledge Broker nachfolgende Aufgaben innerhalb seines Wissensgebietsdurchfuhren: [Ramhorst 2001]

• die Klassifizierung, Kategorisierung, Speicherung und Verwaltung von relevanten Informationenund Wissen (Bibliothekarsfunktion)

• Koordination oder Durchfuhrung von Forschungstatigkeiten

• Beobachten der fur ihn relevanten Online Foren

• Einfuhren von neuen Plattformen oder Funktionen

• Tatigkeiten zur Verbesserung der Unternehmenskultur

Je nach Notwendigkeit kann die Rolle eines Knowledge Broker als Voll- oder Teilzeitbeschaftigungdeklariert und entsprechend besetzt werden. Auf jeden Fall sollte ein als Wissensmakler eingesetzterMitarbeiter ein umfassendes Basiswissen fur sein Wissensgebiet mitbringen. Weiters sollte er in derLage sein, als Makler zwischen den Wissensproduzenten und -konsumenten zu fungieren – er muss

7Communities of Practics

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4.4. DAS KM-FRAMEWORK VON SIEMENS 75

alsouber soziale Kompetenzen und eine offene Personlichkeit verfugen, sowie selbstsicher unduber-zeugend in den fur ihn relevanten Gebieten auftreten. [Ramhorst 2001]

Der funfte wesentliche Grundsatz fur eine erfolgreiche Knowledge Management Initiative ist jenerder Guter, die auf dem Wissensmarkt vorhanden sind. Hier spielt eine entscheidende Rolle, wie aus-gereift und gut verfugbar diese Wissensguter sind. Wie bei dem Siemens-internen Projekt festgestelltwurde, werden auf dem Wissensmarkt eines Unternehmens implizites sowie auch explizites Wissen –wie in Abschnitt 2.4 definiert – gehandelt. Implizites Wissen wird dabei in Form einer Verknupfung miteiner entsprechenden Wissensquelle, also beispielsweise mit einem kompetenten Mitarbeiter, ausge-tauscht. Hierbei gehts es aber nicht nur um die Verwaltung der Kompetenzen und Fahigkeiten von ein-zelnen Mitarbeitern, auch jene von Teams und Unterorganisationen sind zu beachten. [Ramhorst 2001]

Als explizites Wissen werden hingegen Dokumente, Prozesse, Geschaftsablaufe, usw. auf demWissensmarkt gehandelt. Fur diese Art des Wissens ist vor allem der Grad der Wiederverwendbar-keit, der stark mit dem Wert eines Dokuments korreliert, bedeutend. Speziell fur große und verteilteUnternehmen problematisch ist hierbei, dass wenige Projekte bereits eine Unmenge an Dokumentenhervorbringen kann, wie bereits mit dem Problembereich der Informationsflut in Abschnitt 3.5 be-schrieben wurde. Hier gilt es, den Wert des explizit vorhandenen Wissen zu steigern. Bei Siemenswerden beispielsweise die Knowledge Broker zur Bewertung der Dokumente herangezogen. Weiterswird geachtet, dass die Dokumente aktuell sind und eine Suche nach bestimmten Metainformationensowie eine Volltextsuche moglich ist. [Ramhorst 2001]

Im sechsten Grundsatz des vom KM-Team erarbeiteten Frameworks geht es darum, das vorhande-ne Wissen zu kategorisieren und visualisieren. Es handelt sich dabei um die Methode der Erzeugungvon sogenannten Knowledge Maps, welche Wissensflusse und Kompetenznetzwerke graphisch umset-zen. Im Falle der Siemens AG wurde das interne Wissensnetzwerk des Unternehmens folgendermaßenvisualisiert: Die verschiedenen Kompetenzen innerhalb des Unternehmens werden mit Knoten in un-terschiedlichen Farben dargestellt, wahrend Verknupfungen die Intensitat und Richtung der Wissens-flusse symbolisieren. Weiters kann man aus dem Diagramm ablesen, wie groß das Netzwerk ist undwelche Schnittstellen zu Partnern oder beispielsweise Forschungseinrichtungen wie Schulen und Uni-versitaten es gibt. Diese Knowledge Maps dienen in weiterer Folge auch als Vorlage fur die in dieserStudie bereits erwahnten “Communities of Practice”.

Der siebte und achte Grundsatz fur ein erfolgreiches KM-Projekt istaquivalent zu dem pro-zessorientierten Ansatz aus Abschnitt 2.7. Als siebter Grundsatz wurde vom KM-Team namlichder Prozess der Wissensbewertung erarbeitet, welcher einerseits durch die Knowledge Maps bereitsunterstutzt wird und andererseits mittels des Ansatzes der Balanced Scorecards umgesetzt wurde.[Ramhorst 2001] Eine genauere Beschaftigung mit dieser KM-Methode ware zu umfangreich fur dieseDiplomarbeit.

Der achte Grundsatz meint eine Auseinandersetzung mit den grundlegenden Wissensprozessen indem Unternehmen. Zu beachten ist, dass ein KM-Tool alle Wissensprozesse abdeckt und bestmoglichunterstutzt. Bezuglich der Wissensentwicklung sollten zum Zwecke der Externalisierung von “tacitknowledge” eigene Prozesse zur Vorbereitung und Nachbesprechung von Projekten definiert und vomTool unterstutzt werden. Weiters sollten Meilensteine festgelegt, auftretende Probleme innerhalb desProjektteams diskutiert und den Mitarbeitern die Moglichkeit zur Mitbestimmung bzw. zum Feedbackgegeben werden. Dies beeinflusst zum einen die Leistung der Mitarbeiter in kunftigen Projekten, kannaber auch die Qualitat des Projektresultats erhohen. Dieser Grundsatz wurde bei der Siemens AG zumeinen durch die Rolle des Knowledge Brokers, zum anderen durch das eigens entwickelte KM-Toolrealisiert, welches im Grundeahnlich einem Workflow System funktioniert. [Ramhorst 2001] Wie einsolches ausschauen kann, wird in Abschnitte 7.3 gezeigt.

Um Knowledge Management voranzutreiben, wurde als neunter Grundsatz in den Projekten derSiemens AG die Rolle des Wissensarbeiters (“Knowledge Worker”) an ein oder mehrere Projektmit-

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76 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

glieder vergeben. Diese werden von der Projektleitung und den Knowledge Brokern bestimmt undagieren innerhalb einer “Community of Practice”. Es gibt dabei folgende Funktionen: Der “PracticeLeader” koordiniert die KM-Aktivitaten in einem Projekt, die “Review Members” erarbeiten und be-gutachten externalisiertes Wissen und ein “Technical Editor” sorgt fur die Qualitat, die Konsistenz unddas Design der Dokumentation. [Ramhorst 2001]

Der zehnte und letzte Grundsatz nimmt schließlich Bezug auf den Einsatz von Informationstech-nologie, was gleichsam zeigen soll, dass die Bedeutung von Technologie nichtuberschatzt werdendarf, wie bereits im Abschnittuber den Einsatz von IT (3.4) berichtet wurde. Das Forcieren eines IT-Systems ist allein schon deshalb gefahrlich, da die Transformation einer Unternehmenskultur in einewissensorientierte Unternehmenskultur sehr zeitaufwendig ist, wahrend die erfolgreiche Einfuhrungeines Intranet-basierten KM-Tools nur wenige Wochen dauert. [Ramhorst 2001]

IT-basierte KM-Systeme konnen in vier Kategorien unterteilt werden: [Ramhorst 2001]

• Wissensbibliotheken: dokumentenbasierte Projekt- und Wissensrepositories

• Wissensabbildungen (“knowledge mappings”): Portale, Suchmaschinen, Knowledge Maps, Yel-low Pages, usw.

• “Communities of Practice”: Anwendungen fur virtuelle Teams, Collaboration Software, usw.

• Zusammenfuhren dieser drei Anwendungstypen durch “Knowledge Flow” Applikationen: Onli-ne Foren, Newsgroups, Workflow Systeme, Email, usw.

Betrachtet man sich die Moglichkeiten der Wissensverteilung durch Informationstechnologie ineinem weltweit verteilten Konzern, kann man zwei wichtige Rollen ableiten: jene der Steuerung undjene der Unterstutzung von Wissensmanagement. Bei Einsatz einer der oben genannten Technologiensollte immer bewusst sein, dass Knowledge Management nicht durch Technologie gesteuert, sondernnur unterstutzt werden soll. [Ramhorst 2001]

Erfolgsfaktoren

Wie aus dem langwierigen KM-Projekt bei der Siemens AG hervorging, gibt es eine Reihe von kri-tischen Faktoren, dieuber Erfolg einer erfolgreichen Umsetzung eines KM-Programms entscheiden.Diese werden nun aufgelistet und diskutiert: [Ramhorst 2001]

• “Wissensmanagement bedarf eines problembasierten Ansatzes.”: Man darf nicht auf einen be-stimmten KM-Ansatz oder eine IT-Komponente hinarbeiten, sondern muss eine tiefgehende Un-tersuchung des gesamten Unternehmens durchfuhren, um eine Losung fur die spezifischen Pro-bleme entwickeln zu konnen.

• “Knowledge Management muss vom Management wie auch von den Mitarbeitern unterstutztwerden.”: Besonders kritisch fur den Erfolg einer KM-Initiative ist hier die Vorbildwirkung desManagements, welches nicht als Kontrollorgan, sondern als aktiver Teilnehmer fungieren muss.

• “Kritische Wissensbestande mussen identifiziert werden und Knowledge Management muss alsintegrierter Teil des Geschaftsablaufs definiert werden.”: Im Falle der Suborganisation, die dasKM-Projekt abgewickelt hat, wurde die Projektabwicklung als wichtigster Geschaftsprozess unddie daraus gewonnenen Erfahrungen als kritischer Wissensbestand identifiziert.

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4.4. DAS KM-FRAMEWORK VON SIEMENS 77

• “Prozessverantwortliche, klar definierte Rollen und Verantwortungsbereiche mussen festgelegtwerden.”: Dieser allgemein gultige Management-Grundsatz ist gerade im Bereich Wissensma-nagement problematisch. Speziell beim Einsatz von Informationstechnologie wird die Verant-wortung oft der EDV-Abteilungubertragen, in Wirklichkeit ist Wissensmanagement jedoch ein-deutig eine Management-Disziplin.

• “Eigene Wissenprozesse zum Externalisieren von impliziten Wissen als Best Practices sowiezur Erreichung und Beibehaltung der geforderten Reife von explizitem Wissen mussen erstelltwerden.”

• “Der okonomische Wert von Wissen liegt nicht im Besitz, sondern in der Nutzung desselben.”:Nach Erreichen eines Reifegrads des intellektuellen Kapitals mussen die Wissensbestande ent-sprechend zum Nutzen des Unternehmens eingesetzt, also von den Mitarbeitern benutzt werden.

• “Eine KM-Initiative muss einem ganzheitlichen Ansatz folgen.”: Es ist fur eine erfolgreicheBeschaftigung mit Wissensmanagement notwendig, alle im letzten Unterabschnitt beschriebenenGrundsatze zu betrachten und zu berucksichtigen.

• “Thematisch verwandte Projekte mussen integriert und weiterentwickelt werden.”: Wissensin-tensive Prozesse wie zum Beispiel ein E-Business-Projekt sollten nicht parallel zu KM-Initiativenlaufen, sondern diese integrieren.

• “Eine technische Plattform fur Wissensmanagement muss mit bestehenden Systemen zusam-menarbeiten.”: Bisher bewahrte Tools mussen weiterhin verfugbar sein. Zudem sollten die Mit-arbeiter mit dem neu eingefuhrten Tool vertraut sein.

• “Pilotprojekte mussen klar definierte, messbare Zielsetzungen haben, welche in weniger als 6Monaten erreicht werden konnen – der Vorgang der Umwandlung zu einem wissensbasiertenUnternehmen kann sich indesuber mehrere Jahre spannen.”: Die Planung eines Pilotprojektsist eine wesentliche Aufgabe fur die erfolgreiche Umsetzung von Knowledge Management. Dieinvolvierten Mitarbeiter mussen bereits zu Beginn des Projektes die Vorteile von Wissensmana-gement verstehen.

Die Siemens AG hat diese Erfolgsfaktoren bei der langwierigen Aufbauphase des eigenen KM-Systems unter Berucksichtigung eines enormen Wachstums des Unternehmens sowie zunehmenderinternationaler Ausrichtung erarbeitet. Das Erreichen eines bestimmten Reifegrads des intellektu-ellen Kapitals sollte fur die eigenen Mitarbeiter nur eine Motivationsbasis sein. Wichtiger ist dasErreichen von gesetzten Wissenszielen und der Wandel zu einem serviceorientierten Unternehmen.[Ramhorst 2001]

Neben dieser internen Sicht muss auch die Bedeutung von Wissensmanagement bei Themen wieE-Business, dem Beschaffungsmanagement oder dem Customer Relation Management verdeutlichtwerden. Und naturlich ist auch Wissensmanagement in der Projektabwicktlung ein kritischer Erfolgs-faktor, wie bereits in der Fallstudienuber die Schindler Aufzuge AG in Abschnitt 4.2 gezeigt wurde.

Fazit

Diese Studie bietet den wohl umfassendsten Ansatz fur Knowledge Management in einem großenund geographisch verteilten Unternehmen. Es werden interessante Aspekte zu dem ProblembereichenWissensbarrieren, lernende Organisation, virtuelle Teams, Einsatz von IT, Informationsflut sowie In-formationsqualitat sowie vielversprechende Losungsansatze hierzu aufgezeigt.

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78 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Anhand der Erfahrungen der Siemens AG kann man sagen, dass fur ein großes und weltweit ver-teiltes Unternehmen drei wesentliche Schritte zur erfolgreichen Einfuhrung von Knowledge Manage-ment wichtig sind: Zuerst muss evaluiert werden, welche Art von Wissen kritisch und nutzlich furdie Geschaftsablaufe ist und wie dieses Wissen die bestehende Strategie am besten unterstutzen kann.Zweitens muss festgestellt werden, wo dieses Wissen erzeugt wird, wann und wo es am dringenstenbenotigt wird und wie es innerhalb des Unternehmens am besten verteilt werden kann. Drittens mussenWissensprozesse als Teil der exisitierenden Geschaftsprozesse definiert werden. Durch die Institutio-nalisierung dieser Wissensprozesse werden schließlich Vorgange wie das Lernen, die Wissensentwick-lung oder die Wissensverteilung Teil der alltaglichen Geschaftsaktivitaten.

Obwohl in dieser Studie hauptsachlich ein IT-Konzern behandelt wurden, ist dieser Ansatz furjedes beliebige Unternehmen, welches wissensintensive Prozesse durchzufuhren hat, interessant. Aufalle Falle ersichtlich wurde hier, dass eine KM-Initiative und eine darausfolgende Einfuhrung einesIT-Systems ein Umdenken und Mitwirken des Managements erfordert, wie in Abschnitt 4.6 diesesKapitels noch genauer erlautert wird.

Ein typisches Unternehmen wird grundsatzlich durch bestimmte Geschaftsprozesse, die unter an-derem auch durch Prozesse der Wissensverteilung und -entwicklung durch Individuen gekennzeichnetsind, reprasentiert. Diese Fallstudie soll untermauern, dass es besser ist, Knowledge Management Auf-gaben in die alltaglichen Geschaftsaktivitaten zu integrieren, als ein ausschließlich auf Wissensmana-gement ausgelegtes IT-Systems zu entwickeln.

Interessante IT-Komponenten, die in dieser Studie erwahnt wurden, sind Document-Management-Systeme fur Projekte oder Wissensbestande, Portale, Suchmaschinen, Skill-Management-Systeme,Groupware- sowie Workflow-Systeme. Speziell zu beachten ist beim Einsatz dieser Komponenten,dass qualitativ hochwertige Informationen geschaffen und verwaltet werden und dass auf das gespei-cherte Wissen rasch und effizient zugegriffen werden kann. Auch das Zusammenspiel mit bestehendenSystemen muss gewahrleistet sein.

Nach dieser Fallstudieuber einen Konzern aus der IT-Branche wird nun ein in der Automobil- undRaumfahrzeugindustrie ansassiges Unternehmen naher beleuchtet, welches sich bereits erfolgreich mitKnowledge Management auseinandergesetzt hat, gemeinsam mit einer Universitat ein interessantesKM-Projekt initiierte und schließlich ein webbasiertes KM-System hervorbrachte.

4.5 Das webbasierte KM-System von Rolls-Royce

Der international tatige Konzern Rolls-Royce startete 1999 ein interessantes Projekt, welches gemein-sam mit der Universitat von Nottingham geleitet wurde. So wurden zwei frisch graduierte Ingenieu-re mit der Ausarbeitung und Aufbereitung einer fachspezifischen und sehr wissensintensiven Pro-blematik betraut, womit man zum einen eine Hilfestellung fur dieses Fachgebiet schaffen und zumanderen die Informations- und Wissensbeschaffung innerhalb des Unternehmens evaluieren wollte.[Hammersley et al. 1999]

Die zwei Jungakademiker erhielten die Aufgabe, die Zeitspanne fur das Design einer Komponenteeines Dusenantriebs zu verkurzen, und mussten in 12 Wochen die Ausarbeitungen in Form von Web-seiten prasentieren. In diese Zeitspanne fiel allerdings auch das Einlernen in das Fachgebiet KnowledgeEngineering und das Erstellen der Webseiten. [Hammersley et al. 1999]

Besondere Beachtung wurde bei dieser Initiative auf Fahigkeit, aus der Vergangenheit zu ler-nen, gelegt, denn das Wiederholen von bereits begangenen Fehlern bei dem Entwurf eines Dusen-antriebes kann sehr teuer und zeitintensiv sein. Wissen ist hier ein wesentlicher Bestandteil zurReduzierung der Vorlaufzeit eines Dusenantriebs und zur Beibehaltung hoher Qualitatsstandards.[Hammersley et al. 1999]

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4.5. DAS WEBBASIERTE KM-SYSTEM VON ROLLS-ROYCE 79

Insbesonders sollte durch dieses Projekt auch Qualitat der Entwicklungs- und ForschungsabteilungSPEDE [SPEDE 2000] evaluiert werden. Diese Abteilung, die gemeinsam mit der Rover Gruppe undParametric Technology gegrundet wurde, erstellt namlich fur Rolls-Royce Techniken und Software-Tools zur Verbesserung der Geschaftsprozesse. Unter anderem liefert SPEDE auch die notwendigenWerkzeuge, um Wissen von wichtigen Mitarbeitern zu externalisieren und dieses in aufbereiteter Forminnerhalb des Unternehmens zu verteilen. [Hammersley et al. 1999]

Schließlich wurde mit dieser Initiative auch das unternehmenseigene Intranet und hier vor allemdie festgelegten Rollen und Verantwortungstrager evaluiert. So sind bei Rolls-Royce beispielsweisefolgende Funktionen definiert: [Hammersley et al. 1999]

• Process Owner: Verantwortlicher fur einen Geschaftsprozess

• Capability Owner: Erfahrener Manager, der durch einen Prozess Owner fur ein Wissensgebieteingeteilt wurde; die Tatigkeiten umfassen das Festlegen des Intranets-Bereichs und der Benut-zerberechtigungen, aber auch das Bewerten von Inhalten

• Customer: Benutzer, die vom Capability Owner eingeteilt wurden, um einen bestimmten Bereichim Intranet zu beobachten

• Technical Authority: Experte auf einem bestimmten Gebiet, der vom Capability Owner ein-gesetzt werden kann, um technischen Content innerhalb bestimmter Bereiche des Intranet zupflegen

Diese vier Personengruppen waren in erster Linie die Ansprechpartner fur die Jungakademiker.

Einf uhrender Kurs und erste Analyse

Unter diesen wichtigen Gesichtspunkten wurden nun die zwei neuen Mitarbeiter mit der Aufgabe be-traut, die Zeitspanne fur das Design eines neuen Dusenantriebes zu verkurzen. Hierbei wurden sechsPhasen durchlaufen, die hier nun genauer beschrieben werden.

Die ersten zwei Wochen mussten die angehenden Ingenieure von Rolls-Royce einen intensivenKurs auf der Universitat von Nottinghamuber sich ergehen lassen, wo ihnen Grundlagenuber Wis-sensmanagement, Knowledge Engineering und Usability von Webseiten nahergebracht wurden. Hier-bei wurde der Bereich Knowledge Engineering, der in Tabelle 4.1 naher beschrieben ist, forciert, dadieser fur die Aufgabenstellung benotigt wurde. [Hammersley et al. 1999]

Nach dem zweiwochigen Kurs auf der Universitat galt es fur die zwei Jungakademiker, ein Konzeptzu entwickeln. Man erstellte hierbei nach Interviews mit dem Capability Owner die Anforderungen furdie zu gestaltenden Webseiten, welche das notwendige Wissenuber das Design eines Dusenantriebsbeinhalten sollte. [Hammersley et al. 1999]

Weiters versuchten die zwei Ingenieure die wesentlichen Einflussfaktoren, wann welches Wissenfur eine rasche und effiziente Weiterentwicklung benotigt wird, zu identifizieren. Um diese Schlussel-stellen in der Designphase zu finden, beobachteten sie die Ingenieure in den Werken in Bristol undDerby und fuhrten eine Reihe von kurzen, strukturierten Interviews mit den sogenannten Customersdurch. [Hammersley et al. 1999]

Resultat dieser ersten Recherche war, dass es in etwa 10 verschiedene Typen von Beanspruchungs-analysen und etwa 35 verschiedene Softwarepakete dafur gab. Hier zogen die beiden den Schluss, dasses notwendig ware, die Erfahrungenuber die Softwarepakete zu dokumentieren und an einer zentralenStelle, auf die alle Ingenieure zugreifen konnen, abzulegen. [Hammersley et al. 1999]

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80 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

• Definition: Knowledge Engineering bezeichnet den Prozess der Identifikation, Analyse und Re-duktion eines Wissenbestands auf eine prazise Form, welche das Wissen in einer nutzlichenund nutzbaren Art und Weise darstellt. Dieser sehr bekannte Ansatz wird durch eine Reihe vonentwickelten Tools und Techniken wie beispielsweise der Wissenserhebung, der Wissensrepre-sentation oder dem Modellieren von Wissensbestanden realisiert. Knowledge Engineering iststark durch die Fachgebiete Psychologie und Informatik gepragt und wird haufig durch Softwa-repakete unterstutzt.

• Grundsatz 1: “Erkenne, dass Wissen eine Struktur hat: Form, Inhalt und Kontext!”: Es ist hilf-reich, die Dimensionen von Wissen zu erkennen bzw. die vorhandene Form – beispielsweisedurch Externalisieren von impliziten Wissen oder durch Abstrahieren von speziellem Wissen –zu verandern

• Grundsatz 2: “Erkenne, dass es unterschiedliche Typen von Experten und Expertisen gibt!”:Expertenwissen hangt sehr stark davon ab, auf welchem Gebiet diese tatig sind und wie viel Er-fahrung sie bereits haben. Weiters variiert die Fahigkeit, Wissen schnell abzurufen, vonaußerenEinflussen. Hier haben Knowledge Engineers verschiedene Methoden zur Verfugung, mit wel-chen sie Wissen von verschiedenen Quellen (Experten) ansammeln und dieses gegeneinandervalidieren konnen.

• Grundsatz 3: “Erkenne, dass es unterschiedliche Arten der Wissensreprasentation gibt!”: Mankann verschiedenste Werkzeuge zur Darstellung von Wissen verwenden – sei es nun eine Be-schreibung mittels Logik oder mit Bildern. Vor allem gut gewahlte Analogien, Annektoten oderDiagramme konnen oftmals mehr von einer Idee vermitteln als die verbale Beschreibung.

• Grundsatz 4: “Erkenne die unterschiedlichen Wege, wie Wissen genutzt wird”: Abhangig vonder jeweiligen Aufgabe nutzen Menschen das vorliegende Wissen anders. Hier mussen folgen-de Fragen geklart werden: Unter welchen Umstanden nutzt ein User ein KM-System? Steht erunter Zeitdruck bei der Losung eines Problems oder hat er genug Zeit zum Browsen? WievielVorwissen kann vorausgesetzt werden? Will der User die Informationen lesen und merken oderwill er zu einem spateren Zeitpunkt wieder darauf zugreifen?

Tabelle 4.1: Grundsatze des Knowledge Engineering [Hammersley et al. 1999]

Projekt ubersicht und Zielsetzungen

Nach Hinzuziehen eines Experten (Technical Authority) wurde weiters festgestellt, dass das reine Do-kumentieren der technischen Definitionen und Berechnungen nicht ausreiche, sondern auch prakti-sche Ratschlage im Umgang mit der Software und Ansprechpersonen mit Erfahrung von Noten sei-en. Basierend auf diesen ersten Analysen wurde sodann ein “Knowledge Storyboard” erstellt, wel-che die beteiligten Mitarbeiter, die Geschaftsprozesse, die Schlusselstellen beim Design und die not-wendigen Wissensbestande visualisieren. Diese Visualisierung gab aufgrund der Verteilung der Be-triebsstatten und der Große von Rolls-Royce den Projektanten und Betreuern die notwendigeUber-sicht. [Hammersley et al. 1999]

Vier Wochen nach Beginn dieser KM-Initiative wurde schließlich von den angehenden Ingenieurenund den Verantwortlichen festgelegt, was dieses Projekt bezwecken und wie das Ergebnis ausschauensoll: So wurde erstens vereinbart, dass die “Best Practices des Dusenantrieb-Designs” in von Expertenvalidierten und nach den Aspekten der Usability gestalteten Webseiten im Intranet publiziert werdensollen. Zweitens soll ein Projektendbericht verfasst werden, der Ziele, Aussichten und Vorschlage fur

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4.5. DAS WEBBASIERTE KM-SYSTEM VON ROLLS-ROYCE 81

weitere Arbeiten beinhaltet. Drittens wird das Ergebnis des Projekts dem Projektteam und allen betei-ligten Mitarbeitern prasentiert. [Hammersley et al. 1999]

Detailierte Analyse und Wissenserfassung

Als nachstes wurde von den zwei Projektanten ein “Knowledge Model” erzeugt, auf welchen dann derAnalyseprozess basierte. Das wichtige Prozesswissen wurde dabei in zwei Bereiche geteilt: “AnalysisPlanning” meint jenes Wissen, welches fur die Analyse eines bestimmten Designs einer Komponentenotwendig ist; “Analysis Process” steht hingegen fur das Wissen um die Durchfuhrung einer entspre-chenden Komponenten-Analyse. [Hammersley et al. 1999]

Die Kategorien fur die zu extrahierenden Best Practices wurde durch die Ingenieure von Rolls-Royce, welche langjahrige Erfahrungen mit solchen Analysen haben, folgendermaßen festgelegt:[Hammersley et al. 1999]

• Datentypen: alle Typen von Datendateien, Berichten oder Kummunikationsformaten

• Ressourcen: Software, Hardware und Dienste

• Komponenten: Beispiele und Erklarungen fur strukturelle Komponenten

• Konzepte: theoretische Grundlagen hinter der Analyse

• Aufgaben: Umsetzung spezieller Funktionen mittels ausgewahlter Softwarepakete

Mittels strukturierten Interviews wurde nun das implizite Wissen der Experten externalisiert undkategorisiert. Wichtig bei den Interviews war die Art der Fragestellung. Anstatt nur nach dem Ab-lauf einer Tatigkeit zu fragen, ist es geschickter, durch eine konstruktive oder bewusst destruktiveFrage einen Monolog des Experten zu erwirken. Hier kommt es besonders auf das Geschick des In-terviewers an, wie viel ein Experte von seinem Wissen Preis gibt. Es wurde bei der Interviewreiheebenfalls ersichtlich, dass nicht jederuber sein Wissen reden wollte. In solch einem Fall wurde ein-fach ein anderer Mitarbeiter gesucht, der fur das gleiche Gebiet zustandig war und helfen konnte.[Hammersley et al. 1999]

Die aufgezeichneten Interviews wurden von den zwei Akademikern schließlich in ein Datenbank-basiertes System, welches an der Universitat von Nottingham entwickelt wurde,ubernommen. Wahrenddieser Tatigkeit wurden offene Punkte, die aus den Aufzeichnungen nicht klar beantwortet werdenkonnten, entweder sofort per Telefon oder durch ein weiteres Treffen mit dem Interviewpartner ge-klart. Interessanterweise wurden die nachtraglichen Treffen von Seiten der Interviewten als wesentlicheffizienter empfunden als eine telefonische Abklarung von Unklarheiten. [Hammersley et al. 1999]

Gestalten der Webseiten

Nachdem nunuber 200 Konzepte in der Datenbank waren, wurde anhand des Prozessmodells, welchesja bereits mit dem “Knowledge Storyboard” visualisiert wurde, ein Konzept fur die Gestaltung derWebseiten erstellt. Jede Aktivitat in den Prozessen, jede Methode der Analyse und jedes Softwarepakethatte zumindest eine eigene Seite. Diese Seiten waren nun miteinander in der Form verlinkt, dass manzwischen einer Analysemethode direkt zu den moglichen Softwarepaketen gelangen konnte. Dieseserste Konzept wurde naturlich von den unternehmenseigenen Experten begutachtet und verbessert.[Hammersley et al. 1999]

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82 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Das Projekt dauerte anstatt der veranschlagten zehn Wochen nur acht, das Resultat selbst wurdedann im Intranet von Rolls-Royce verfugbar gemacht. Weiters wurden zusatzlich noch Kontaktper-sonen zu den einzelnen Analysemethoden und Softwaretools angefuhrt. Auch wurde der Namen desExperten, der eine Seite validiert hat, auf die jeweilige Seite aufgenommen, um die Qualitat des Inhaltsentsprechend hochwertig zu halten. [Hammersley et al. 1999]

Fazit

Dieses Fallbeispiel beschaftigte sich mehr mit der Ausarbeitung eines wissensintensiven Prozessesdenn mitUberlegungen zu Knowledge Management in einem großen, verteilten Konzern. Entspre-chend wird hier auch nur auf die Problembereiche Wissensbarrieren und Einsatz von IT eingegangen.Dennoch ist das hier beschriebene Projekt von Rolls-Royce fur ein großes und geographisch verteiltesUnternehmen in mehreren Punkten interessant:

Erstens wird mit einem solchen Projekt implizites Wissen von einem oder mehreren Experten desUnternehmens externalisiert. Diese Tatigkeit, die normalerweise nach der Beschaftigung mit Know-legde Mangement im Unternehmen bereits in den Geschaftsprozessen enthalten sein sollte, ist in vielenFallen nicht durchgefuhrt, da die Umsetzung von Wissensmanagement noch nicht oder erst sehr spatgeschehen ist und Expertenwissen im Grunde erst ab diesem Zeitpunkt berucksichtigt worden ist. Wiein Abschnitt 3.4 beschrieben wurde, ist die hier geschilderte Art, eine Knowledge Map zu erstellen,auch eine Methode, wie ein Unternehmensgedachtnis entworfen werden kann.

Ein weiterer Vorteil eines solchen Projekts ist das Einarbeiten neuer Mitarbeiter. Gerade durchein wissensintensives Projekt lernen diese namlich Experten und Verantwortliche in und außerhalbder eigenen Abteilung kennen. Im Falle von Rolls-Royce mussten die Jungakademiker sogar andereStandorte besuchen. Des Weiteren konnen sich neue Mitarbeiter auch in anderen Abteilungen desUnternehmens entsprechend profilieren, wenn das Projekt erfolgreich ist. Gerade dieser Aspekt istfur den Abbau von kulturellen Barrieren und das Aufbrechen von starren Unternehmenshierachieninteressant, wie in Abschnitt 3.3 berichtet wurde.

Naturlich ist auch das Resultat eines solchen Projekts fur das spezielle Fachgebiet wertvoll. BeiRolls-Royce profitieren die Konstrukteure von Dusenantriebskomponenten von den ausgearbeitetenWebseiten, da sie relativ einfach auf Erfahrungen von anderen Ingenieuren zugreifen konnen und Zu-griff eine ausgezeichnete Dokumentation der Softwarepakete hatten.

Schließlich seien noch andere Vorteile des Projekts wie zum Beispiel die Verbesserung oder Vi-sualisierung von Geschaftsprozessen zu erwahnen. Auch das Festlegen von bestimmten Rollen undVerantwortungsbereiche fur wissensintensive Prozesse erweist sich bei Rolls-Royce wie auch schonbei der Fallstudieuber die Siemens AG in Abschnitt 4.4 als vorteilhaft.

Alles in allem kann eine solche KM-Initiative als positiv, wenn es einerseits um das Einschulen vonneuen Fuhrungskraften oder aber um notwendige Verbesserungen in einem wissensintensiven Prozessgeht.

Nach dieser letzten Studieuber eine erfolgreiche KM-Initiative eines Unternehmens folgen nunzwei Abschnitte, die sich mit einem wesentlichen Wissensprozess, namlich der Wissensentwicklungbeschaftigen. Es geht im folgenden um die Idee des lernenden Unternehmens. Der nachste Abschnittzeigt nun interessante Aspekte, die das Management eines großen und geographisch verteilten Unter-nehmen betreffen. Im letzten Abschnitt wird schließlich der Umgang eines lernenden Unternehmensmit seinen Kunden behandelt.

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4.6. DAS MANAGEMENT LERNENDER UNTERNEHMEN 83

4.6 Das Management lernender Unternehmen

Wie bereits in Abschnitt 3.7 am Modell der lernenden Organisation erlautert wurde, sind Unternehmenheutzutage standigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Veranderungen unter-worfen, die in hohem Maße neue Anforderungen an ihre Wettbewerbsfahigkeit und somit an das Ma-nagement stellt. Die gilt insbesonders fur Unternehmen, die weltweit angesiedelt sind und somit aufunterschiedlichen Weltmarkten agieren und in der Regel auch in mehreren Branchen ansassig sind.

Will ein Unternehmen auch kunftig erfolgreich sein, so muss das Management wichtige Verande-rungen erkennen, konventionelle Verhaltensweisenuberprufen und neue Spielregeln fur Geschaftsak-tivit aten erlernen. Die Etablierung einer “Lernkultur” innerhalb des Unternehmens kann als Vorausset-zung fur eine hohe Flexibilitat und Anpassungsfahigkeit gesehen werden und ist der Erfolgsfaktor furdie zukunftige Wettbewerbsfahigkeit geworden. [Bullinger et al. 1997a]

Hierzu reichen die existierenden Instrumentarien des Managements – etwa grundlegende betriebs-wirtschaftliche Methoden fur Produktion, Personal, Finanzierung, Marketing, usw. – allein nicht mehraus, um den zukunftigen Anforderungen an die Bewaltigung des Wandels gerecht zu werden. Dieunscheinbare und schwer zu bilanzierende Ressource “Wissen” ist heute wichtiger denn je. Das “Ler-nende Unternehmen” ist zum aktuellen Schlusselbegriff in betriebswirtschaftlichen Diskussionen ge-worden. [Bullinger et al. 1997a]

Die vier wesentlichen Merkmale von lernenden Unternehmen, auf die in weiterer Folge noch ge-nauer eingegangen wird, lauten: [Bullinger et al. 1997a]

• Entwicklung erforderlicher Kernkompetenzen, um sich schneller als der Wettbewerb an dieVerandungen anzupassen

• Schaffung einer geeigneten Organisationsumgebung, um Geschaftsprozesse effizient zu mana-gen

• Abzielen auf wissensbasierte Innovationen, um neue Produkte und Services zu schaffen

• Einsatz von multimedialen Technolgien als Erfolgfaktor

Abbildung 4.3: Das Management lernender Unternehmen [Bullinger et al. 1997a]

Allein das Management eines Unternehmens (siehe Abbildung 4.3) ist hauptverantwortlich furein erfolgreiches Business Reengineering, fur eine Neuausrichtung von Innovationsprozessen und fureine effektive Gestaltung von multimedialen Technologien. Letzteres wurde bereits beim Einsatz vonInformationstechnologien in Abschnitt 3.4 angedeutet. [Bullinger et al. 1997a]

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84 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Die Kernkompetenzen

Die Rolle des Lernens hat sich in den Unternehmen verandert: Lernen hat an Bedeutung erheblichzugenommen. Wahrend der Taylorismus darauf ausgerichtet war, eine maximale Reduktion der Qua-lifikationserfordernisse zu erzielen, erwarten die Management-Ansatze im “Business Reengineering”Verhaltens- und Strukturveranderungen durch einen radikalen Lernprozess des Unternehmens. Dahersind insbesondere die Trends in der Unternehmensumwelt wesentlich und bedeuten fur die Unterneh-men neue Herausforderungen an die Gestaltung von Lernprozessen. Vor diesem Hintergrund mussenUnternehmen neue Kernkompetenzen aufbauen und weiterentwickeln. [Bullinger et al. 1997a]

Trend 1 “Die Informationsgesellschaft verandert die Rolle des Wissens.”: Unternehmen besitzen dasWissen um den Umgang mit Informationen und selektieren nach ihrem Wert und Nutzen (In-formation Broking)

Trend 2 “Globalisierung der Markte erfordert eine Neuausrichtung der Aktivitaten.”: Unternehmen ver-stehen, in globalen und lokalen Informationsprozessen zu agieren (Informationslogistik)

Trend 3 “Wandel in der Arbeitswelt erzwingt Weiterentwicklung der Qualifikationen.”: Unternehmungenverstehen eine Lernkultur zu schaffen, die das Lernen ermoglicht (Lernen zu lernen)

Trend 4 “Erhohung der Innovationsgeschwindigkeit verlangt proaktive Lernprozesse.”: Unternehmen er-kennen schwache Signale fur proaktive Veranderungen (Prasituativer “Response”)

Trend 5 “Der Strukturwandel fordert flexiblere Formen des Lernens.”: Unternehmen passen die Qualifi-kationen flexibel an einen Wandel an (Flexible Anpassung)

Trend 6 “Die Informationsautobahn eroffnet neue Wege der Wissensvermittlung.”: Unternehmen koope-rieren in Geschaftsbeziehungenuber elektronische Netzwerke (Kooperative Vernetzung)

Tabelle 4.2: Trends in der Unternehmensumwelt [Bullinger et al. 1997a]

Der in Tabelle 4.2 beschrieben Trend 1 zeigt, dass Informationen selbst in der Produktion mehrund mehr zum wettbewerbsentscheidenden Faktor und andererseits zunehmend zum eigenstandigenProdukt wird, das von Informationsdienstleistern angeboten wird (siehe Abbildung 4.4). ErfolgreicheLeistungserstellungs- und -verwertungsprozesse eines Unternehmens hangen von der Fahigkeit ab,Informationen wertsteigernd einzusetzen. [Bullinger et al. 1997a]

Abbildung 4.4: Informations-Portfolio [Bullinger et al. 1997a]

Es wird kunftig nicht an Informationen fehlen, sondern an der Zeit, diese zu verarbeiten. Ein Maß-stab fur die Intelligenz eines Unternehmens wird das Informations-Broking sein, schnell die relevanten

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4.6. DAS MANAGEMENT LERNENDER UNTERNEHMEN 85

Informationen zu selektieren, zu sortieren und so zu verpacken, dass diese verstanden und den ent-scheidungsrelevanten Wissensstand verbessern konnen. [Bullinger et al. 1997a]

Trend 2 meint nun die Tatsache, dass die zunehmende Globalisierung des Wettbewerbs ein Agie-ren auf internationalen Markten und die Erstellung von raumlich verteilten Dienstleistungen mit un-terschiedlichen Kundengruppen erfordert. Diese ganz spezielle Problematik wurde ja bereits mit derVorstellung von virtuellen Organisationen in Abschnitt 3.8 behandelt. [Bullinger et al. 1997a]

Weiters ist mit Trend 3 (siehe Tabelle 4.2) gemeint, dass der Wandel in der Arbeitswelt vor allemdurch das Zuruckdrangen der hierarchischen Steuerung und Kontrolle zugunsten von Selbstmanage-ment, Teamorientierung in dezentralen Organisationseinheiten und einer offenen Kommunikationskul-tur gekennzeichnet ist. Im Grunde ist damit die bereits beschriebene Wandlung eines Unternehmens zueinem sozialen System oder im Falle von großen und geographisch verteilten Konzernen zu mehrerensozialen Einheiten, wie in Abschnitt 3.7 gezeigt wurde. Ohne diese grundlegendeAnderung in einerOrganisationsstruktur ist ja, wie ebenfalls bereits geschildert wurde, ein organisationales Lernen nurbegrenzt oder bei großen Unternehmen nicht moglich. [Bullinger et al. 1997a]

Mit Trend 4 wird auf die Erhohung der Innovationsgeschwindigkeit und die damit verbundeneVerkurzung von Produktlebenszyklen und dem gleichzeitigen Anstieg der Amortisationszeit, also je-ner Zeit, in der das eingesetzte Kapital unter Berucksichtigung von Zins- und Preissteigerung erwirt-schaftet wird, hingewiesen. Dadurch sinkt die Zeitspanne, um Produkte in die Gewinnzone zu lenken.Besonders drastisch ist die Situation in den Bereichen Telekommunikation und Medientechnologie:Vor dem Hintergrund der zunehmenden Innovationsgeschwindigkeit von Technologien und Produktenreicht es nicht mehr aus, dass Unternehmungen auf Veranderungen reagieren, vielmehr mussen sieproaktiv agieren, um weiterhin wettbewerbsfahig bleiben zu konnen. [Bullinger et al. 1997a]

Trend 5 geht auf einen heutzutage sehr bekannten Problembereich ein: Aufgrund der neuen An-forderungen an die Wissensumwelt von Unternehmen wird der Bedarf der Unternehmen nach quali-fizierten Arbeitskraften weiterhin zunehmen, wahrend der Bedarf an Arbeitskraften ohne qualifizierteAusbildung spurbar zuruckgehen wird. Auf der einen Seite sind dazu neue Formen von effektiver-en und zielgerechteren Bildungsorganisationen erforderlich. Von wesentlicher Bedeutung ist es aber,dass die Unternehmen lernen, die technologischen Moglichkeiten fur neue Lehr- und Lernmethodenzu nutzen. [Bullinger et al. 1997a]

Schließlich wird mit Trend 6 der Tabelle 4.2 angerissen, was in dieser Arbeit ebenfalls bereitsdesofteren erwahnt wurde: Heutzutage sind umfangreiche Wissensbestande aus den Bereichen Tech-nologie, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, uvm. in Datenbanken, Archiven und anderen Speicher-medien enthalten und konnenuber elektronische Netze abgerufen werden. Die Informationsauto-bahnen verandern in entscheidender Weise die Arbeitswelt und die Lebensweise der Informations-gesellschaft. Ein lernendes Unternehmen benotigt zum einen die Kompetenz, die Informationsau-tobahn richtig zu nutzen, um sich gezielt die aktuellen Wissensressourcen erschließen zu konnen.Zum anderen treten Unternehmen als Informationsanbieter auf. Dazu mussen sie mit den Spielregelndes elektronischen Marktes vertraut sein. Die Fahigkeit zur kooperativen Vernetzung ist erforderlich.[Bullinger et al. 1997a]

Die Organisations-Umgebung

In einem lernenden Unternehmen sind die Unterschiede zwischen Lernen und Arbeiten, Ausbildungund beruflicher Qualifikation nicht mehr relevant. Die Schlusselqualifikationen, die ein lernendes Un-ternehmen benotigt, konnen durch die Nutzung multimedialer Technologien erworben und weiter-entwickelt werden. Fur das Lernen und die Bewaltigung der Arbeit werden dabei dieselben Infra-strukturen und Werkzeuge verwendet. Ein lernendes Unternehmen benotigt die Schaffung und Un-terstutzung der folgenden drei Schlusselelemente fur eine zukunftige Lern- und Arbeitsumgebung:

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86 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

[Bullinger et al. 1997a]

• eine personliche Lern- und Arbeitsumgebung,

• eine kooperative Lern- und Arbeitsumgebung und

• eine virtuelle Lern- und Arbeitsumgebung

Die personliche Lern- und Arbeitsumgebung stellt jedem Individuum in einem Unternehmen fle-xible Informationszugange, unabhangig vom Standort des Wissenskonsumenten, Moglichkeiten zur in-dividuellen Steuerung und Navigation in Wissensbestanden und zur Organisation von eigenen Wissens-bestanden bereit. Daruber hinaus muss ein gegenseitiger Austausch von Wissen zwischen Individuen,Arbeitsgruppen oder Lernklassen sowie mit den Kunden ermoglicht werden. [Bullinger et al. 1997a]

Die kooperative Lern- und Arbeitsumgebung liefert die Plattform und die Moglichkeit, Informa-tionen zu teilen und kooperativ zu arbeiten. Das organisatorische Gedachtnis dient als geteilte Wis-sensbasis des Unternehmens, in dem die erforderlichen externen oder internen Informations- undWissensbestande miteinander vernetzt werden. Alle in einer Gruppe autorisierten Mitglieder konnendarauf zugreifen, Fragen und Anmerkungen einbringen, Ergebnisse gemeinsam erarbeiten und dieDurchfuhrung der Arbeitsaufgabe koordinieren. [Bullinger et al. 1997a]

Die virtuelle Lern- und Arbeitsumgebung liefert nicht nur den Zugang zur gesamten Informati-onswelt, sondern dient insbesondere als Kontakt- und Kommunikationsplattform zwischen den Men-schen. Im Vordergrund dieser Form steht das Zusammenwirken und -arbeiten zwischen Menschenuntereinander oderuber die personlichen und kooperativen Netzwerke. Dabei spielt es keine Rol-le, an welchem Ort oder in welchen Zeitzonen sich die Menschen befinden und ob sie sich kennen.[Bullinger et al. 1997a]

Wie eine Arbeitsumgebung unter Berucksichtigung dieser drei Punkte geschaffen werden kann,wird im nachsten Kapitel und speziell im Abschnitt 5.5 behandelt. Weiters wird im Gestaltungsbereichauch gezeigt, wie mit dem Intranet-System Hyperwave diese sehr wichtigen Aspekte eines lernendenUnternehmens umgesetzt werden konnen (siehe Kapitel 6 und 7).

Wissensbasierte Innovationen

Lernenden Unternehmen gelingt es, in engem Kontakt zu ihrer Umwelt fruhzeitig Veranderungen wahr-zunehmen und ihre Unternehmenspolitik darauf einzustellen. Sie vertrauen dabei nicht allein auf ihreigenes Know-How, sondern sind in der Lage, neue Losungen im Beziehungsgeflecht von Lieferanten,Abnehmern, Forschern und Konstrukteuren zu entwickeln. Die Innovationsorientierung zeigt sich zumBeispiel in der Schaffung von

• intelligenten Produkten und Dienstleistungen: das Unternehmen passt sich rasch auf neue Markt-anforderungen an (Kundenorientiertes Innovationsmanagement)

• umfassenden Qualitatskonzepten: das Produkt ist in ein Servicepaket eingebettet (Service-Management entlang des Produktlebenszyklus)

• wissensgestutzten Angeboten: das Unternehmen lernt durch Kundenwunsche und verbessert dar-aufhin immer wieder sein Angebot neu (Angebots-Management)

Gerade der Aspekt der Kundenwunsche wird im nachsten Abschnitt noch genauer beleuchtet, daer fur jedes Unternehmen immens wichtig ist. [Bullinger et al. 1997a]

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4.6. DAS MANAGEMENT LERNENDER UNTERNEHMEN 87

Die Rolle von multimedialen Technologien

Der Einsatz von rechnergestutzten Technologien fur die Unterstutzung von betrieblichen Lernprozes-sen wird seit etwa 35 Jahren erprobt. Aber erst der aktuelle Reifegrad von multimedialen Techno-logien ermoglicht deren Nutzung zur Realisierung von lernenden Unternehmen. Durch die Erweite-rung der heutigen Rechner zu Multimedia-Systemen wird eine Wiederbelebung des technikgestutztenLernens erwartet. Daruber hinaus stehen die erforderlichen Netze mit hoher Leistungsfahigkeit zurVerteilung und Transport multimedialer Informationen weitgehend zur Verfugung. Die zur Gestaltungvon multimedialen Lernumgebungen wesentlichen Technologien sind in Tabelle 4.3 zusammengefasst.[Bullinger et al. 1997a]

Service BeschreibungContent-Service Bereitstellung multimedialer Lerninformationen (Content-Server).

Die Verarbeitung und schnelle Verteilung von multimedialenLerninhalten macht hier insbesondere skalierbare Mediaserverund Parallelrechner erforderlich.

Applikations-Service Bereitstellung von Applikationen fur spezifischeZielgruppen (z.B. Corporate Networks), fur unterschiedlicheAnwendungsumgebungen (z.B. Privathaushalte, Reseller, Produzenten),fur heterogene Anwendungsbereiche (z.B. Kiosk-Systeme, InteraktivesFernsehen, PC-Welt) und fur verschiedene Interaktions-Modi(z.B. Informationsabruf, Konferenzdienst).

Management-Service System- und Servicemanagement und Verwaltung von Media- und Benutzer-daten und der Lerninhalte. Hierzu zahlen insbesonders Konfiguration,Installation, Aktualisierung und Rucknahme von Lernangeboten.

Medienproduktions- Erstellung und Aufbereitung der Lerninhalte sowie zurService Verknupfung der Lernmittel (z.B. Mediensoftware, Autorensysteme,

Schnitt- und Editiersysteme, Redaktionssystem). Die Medienproduktionmuss in einem interdisziplinaren Team von Medienexperten, Kreativenund Fachleuten stattfinden.

Distributions-Service Ubertragung und Verteilung von Lerninformationen(z.B. Telekommunikation und Teledienste). Multimediale Lerninhalteerfordern in aller Regel breitbandige Kanale und komfortable Dienste,die einen hohen Datendurchsatz gewahrleisten. Die kooperativenMerkmale von Lernsystemen erfordern Ruckkanale fur dieBenutzerinteraktion.

Lernsystem Abruf von Lerninhalten (z.B. online-Dienste, on-Demand-Dienste),Navigation in Lernprogrammen, Interaktion mit Betreuern und Kollegen.Die Lernumgebung ist in den Arbeitsplatz des Lernenden integriert undunterstutzt die Unternehmensprozesse.

Tabelle 4.3: Multimediale Technologien zur Gestaltung lernender Unternehmen

Eine Klassifikation von multimedialen Lernsystemen nach dem Technikeinsatz ist kaum moglich,da die weiter fortschreitende Integration eine Trennung zwischen den einzelnen Technologien immerweniger moglich macht. Daruber hinaus verlagert sich die Verarbeitungskapazitat der Datenverarbei-tung mehr und mehr in das Netzwerk, eine Trennung zwischen Rechner und Netzen kann kaum nochvollzogen werden. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, den Gestaltungsrahmen fur multimedia-le Lernsysteme unabhangig der zugrunde liegenden Technologie aus der Sicht des Anwenders bzw.Lernenden zu definieren. [Bullinger et al. 1997a]

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88 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Wie der Gestaltungsbereich zeigen wird, unterstutzt das Informationssystem Hyperwave (siehe Ka-pitel 6) nach entsprechender Anpassung an die Bedurfnisse eines großen und geographisch verteiltenUnternehmens all die in Tabelle 4.3 vorgestellten Services und kann somit als ein sehr umfangreichesKM-System fur entsprechende Konzerne gesehen werden.

Fazit

Die hier angestelltenUberlegungen zum Management eines lernenden Unternehmens nehmen primarBezug auf die Problembereiche der Wissensbarrieren, der virtuellen Teams, des Einsatzes von IT undnaturlich der in Abschnitt 3.7 erarbeiteten Aspekte zur lernenden Organisation. Folgende Faktoren, diedas Management eines großen Konzerns zu beachten hat, wurden in diesem Abschnitt gezeigt.

Als erstes sei hierbei die Berucksichtigung der Kernkompetenzen zu nennen. Gerade in großenund geographisch verteilten Unternehmen ist klar festzulegen, welche Suborganisation oder Abteilungwelche Kompetenzen abdeckt und wie diese eingesetzt werden konnen. Fur diese spezialisierten Sub-organisationen gilt es sodann, die wichtigen Geschaftsprozesse zu optimieren und eine entsprechendeLernumgebung zu schaffen. Das Management hat hierbei die sechs in diesem Abschnitt aufgezahltenTrends im Auge zu behalten.

Gerade fur produktorientierte Konzerne gilt es, durch entsprechend spezialisierte Abteilungen oderSuborganisationen wissensbasierte Innovationen rund um die Produkte anzubieten. Mit solchen Dienst-leistungen konnen kunftig zusatzliche Umsatze und Gewinne generiert werden. Ein Wandel in Rich-tung serviceorientiertes Unternehmen hat zudem noch die Vorteile, dass hochwertige Arbeitsplatze ge-schaffen bzw. gesichert werden und das Unternehmen auf kunftige Entwicklungen schneller reagierenoder diese gar vorgeben kann.

Schließlich ist es auch das Management, dass den Einsatz von multimedialen Technolgien evalu-iert und geeignete Systeme in der Suborganisation oder Abteilung etabliert. Es ist darauf zu achten,dass fur die Mitarbeitern zumindest eine personliche und fur Teams eine kooperative Lern- und Arbeit-sumgebung angeboten wird. Gerade in einem großen, verteilten Konzern kann manuber ein entspre-chendes IT-System Lerninhalte an die Mitarbeiter vermitteln, ohne Schulungen vor Ort durchfuhren zumussen. Im Falle von virtuellen Teams oder Organisationen muss die Technologie diese entsprechendunterstutzen, wie bereits in Abschnitt 3.8 erlautert wurde.

Nachdem nun der Bereich Management eines lernenden Unternehmens ausfuhrlich diskutiert wur-de, folgt ein Abschnittuber einen weiteren wichtigen Aspekt von lernenden Organsationen, namlichjener der Interaktion mit den Kunden.

4.7 Die Rolle des Kunden

Die zunehmende Globalisierung zwingt die Unternehmen, in der Wertschopfung immer mehr auf In-novationen rund um ihre Produkte zu setzten. Dadurch wird die Fahigkeit zur Wissensakkumulationund damit die Lernfahigkeit von Unternehmen zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor.

Gerade große, weltweit ansassige Unternehmen mussen mehr denn je bemuht sein, ihre Lernpro-zesse zu verbessern und Wissensvermogen aufzubauen. Die Gestaltung organisatorischer Bausteineund der Einsatz neuer Technologien zur Unterstutzung von Lernprozessen wurde bereits im letztenAbschnitt ausfuhrlich behandelt. Hier werden nun kundenorientierte Strategien erlautert und der Be-zug zu großen und geographisch verteilten Konzernen hergestellt. Es ist wichtig zu erwahnen, dasssich die hier angestellten Betrachtungen ausschliesslich auf externe Kunden beziehen.

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4.7. DIE ROLLE DES KUNDEN 89

Das Kundenmodell lernender Unternehmen

Die bereits vorgestellten Trends aus dem letzten Abschnitt haben nicht nur auf das Management Aus-wirkungen, sondern rucken auch die Humanressourcen eines Unternehmens in einen anderen Blick-winkel. Die Humanressourcen setzen sich zusammen aus dem Humankapital, also an Menschen ge-bundene Kenntnisse und Kompetenzen und aus dem Wissensbestand des Unternehmens, also den inDatenbanken verfugbaren Informationen und Erfahrungen. [Bullinger et al. 1997b]

Nach den heutigen Erkenntnissen der Volkswirtschaftslehre beruht der Erfolg eines Produktes zu15% auf Basis des eingesetzen Kapitals, 5% auf Basis der Rohstoffe und zu 80% auf den Leistungen derHumanressourcen. Es wird deutlich, dass die Humanressourcen fur die Wertschopfung der Produktionvon Gutern und Dienstleistungen wettbewerbsentscheidend sind. Bei der Verfugbarkeit, Mobilisierungund stetigen Erneuerung der Humanressourcen steht der Mensch im Mittelpunkt, da dies insbesonderevon seiner Lernfahigkeit und -moglichkeit abhangt. [Bullinger et al. 1997b]

Abbildung 4.5: Lernprozesse in einem Unternehmen [Bullinger et al. 1997b]

Aus Unternehmenssicht mussen gemaß der Rolle des Menschen drei zentrale Lernprozesse (sieheAbbildung 4.5) unterschieden werden: [Bullinger et al. 1997b]

• der Mensch als Mitarbeiter und Einzelwesen: Lernprozesse auf dieser Ebene werden im Rahmenvon Personalentwicklungsprogrammen und Karriereplanungsmodellen unterstutzt

• Organisatorische Lernprozesse: der Mensch als Organisationsmitglied in einem Team oder einerGruppe des Unternehmens. Ein Unternehmen bezieht Wertschopfung durch das Systemdenken,welches weit mehr umfasst als die Summe der in einem Unternehmen agierenden Mitarbeiterimstande ist zu leisten.

• Kundenbezogene Lernprozesse: In der Rolle des Kunden vermischen sich die individuellen Lern-prozesse mit denen einer Organisation. Einbeziehung des Kunden in die Wertschopfungsprozes-se eines Unternehmens ermoglicht die Nutzbarmachung seiner Humanressourcen. Die kunden-bezogenen Lernprozesse dienen einer Steigerung der eigenen Wertschopfung.

Im Kundenmodell eines lernenden Unternehmens werden kundenbezogene Lernprozesse zur Aus-richtung der Kundenorientierung und Entwicklung von Kundenstrategien (siehe Abbildung 4.6) ge-nutzt. [Bullinger et al. 1997b]

Kundenbezogene Lernprozesse konnen sich in zwei Auspragungen vollziehen:

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90 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Abbildung 4.6: Strategien fur kundenbezogene Lernprozesse [Bullinger et al. 1997b]

• Das Unternehmen lernt vom Kunden: Dabei zieht das Unternehmen aus den Erfahrungen undWunschen von Kundenanforderungen entsprechende Konsequenzen fur die eigenen Planungs-und Steuerungsprozesse. Zur Entwicklung von Kundenstrategien ist primar der Wissenstransfervom Kunden zum Unternehmen heranzuziehen.

• Der Kunde lernt vom Unternehmen: Strategien dienen dazu, die Lernfahigkeit des Kunden zuunterstutzen, indem er an den Lernprozessen des Unternehmens direkt oderuber den Erwerbvon wissensbasierten Produkten und Dienstleistungen indirekt beteiligt wird. Kundenstrategienbasieren hierbei primar auf dem Wissenstransfer vom Unternehmen zum Kunden.

Des Weiteren kann man Kundenorientierung in zwei Richtungen betrachten:

• Kundenakquisition: Dabei geht es um die Gewinnung von Neukunden und das Erschließen vonpotentiellen Kundengruppen am Markt.

• Kundenbindung: Hierbei geht es um das Festhalten von Kunden und den Beziehungsaufbau. Vordem Hintergrund, dass die Kosten fur die Kundenakquisition hoher sind als die Kosten fur denErhalt einer Kundenbeziehung, ist es effektiver eine langfristige Bindung anzustreben.

Ein lernendes Unternehmen setzt zur Kundenakquisition und Kundenbindung nur wenige der klas-sischen Mittel des Marketing ein. Selbstverstandlich muss ein Kunde Kenntnisseuber die Produkte,Services und die Kompetenzen eines Unternehmens haben, zu deren Positionierung man sich nachwie vor klassischer Marketingmethoden bedient. Im Vordergrund stehen hier aber Strategien zur Nutz-barmachung kundenbezogener Lernprozesse, die auf Marktdruck (Push) und Ruckkopplung (Pull) beider Kundenakquisition und auf Lernkooperationen in unterschiedlicher Tiefe in der Kundenbindungsetzen. [Bullinger et al. 1997b]

Strategien zur Kundenakquisition

Das Ziel der Strategien zur Kundenakquisition ist es, ein Unternehmen selbst so attraktiv zu machen,dass der Kunde zu ihm kommt und nicht umgekehrt. Dafur sind drei Grunde (siehe Abbildung 4.7)vorstellbar: [Bullinger et al. 1997b]

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4.7. DIE ROLLE DES KUNDEN 91

• Zeitersparnis: Ein Unternehmen kann in kurzer Zeit ein schwieriges fur den Kunden selbst nichtbewaltigbares Problem losen.

• Kostenersparnis: Ein Unternehmen kann Kapazitaten, die dem Kunden fehlen, kostengunstigeranbieten.

• Body Shopping: Ein Unternehmen kann Kompetenzen anbieten, die in der Regel nicht zu denKernkompetenzen des Kunden gehoren. Das sogenannte Body Shopping wird vor allem beihohem Erfolgsdruck und kurzfristig zu erzielenden Ergebnissen genutzt. Die in gemeinsamenProjekten gemachten, guten Erfahrungen fuhren oftmals zu einer “lebenslangen” Beziehung.Body Shopping muss dannuber langfristige vertragliche Bindungen gesichert werden.

Abbildung 4.7: Kundenbezogene Lernprozesse bei der Akquisition [Bullinger et al. 1997b]

Im Falle eines Demand-Pull geht man davon aus, dass Kundenreaktionen am Markt im Unterneh-men einen Lernprozess auslosen, der zu Anpassungsmaßnahmen fuhrt und damit die Attraktivitat furpotentielle Kunden erhaht. Da der Kunde zu diesem Zeitpunkt noch anonym ist, greifen insbesondereMaßnahmen, die den Demand-Pull verstarken. [Bullinger et al. 1997b]

Die Strategien zur Kundenakquisition im Falle eines Demand-Push schauen so aus, dass Aktio-nen eines Unternehmens vom potentiellen Kunden wahrgenommen werden und einen Lernprozessauslosen, der zu einer Attraktivitatserhohung des Unternehmens und zu einer Kontaktaufnahme sei-tens des Kunden fuhrt. Um Kunden zu gewinnen werden neben den klassischen Marketing- und Wer-beformen gezielt Push-Technologien eingesetzt, die Werbeinformationen, Informationsmaterialien undNeuigkeiten in die Unternehmen transferieren. [Bullinger et al. 1997b]

Im folgenden werden Services gezeigt, die in unterschiedlicher Weise Demand-Push und Demand-Pull-Aktivit aten auslosen und damit zur Kundenakquisition beitragen konnen: [Bullinger et al. 1997b]

• Interaktives Marketing: Elektronische Werbung in Online-Services ermoglicht Kundenfeedback.Zur proaktiven Ermittlung von zukunftigen Kundentrends mussen erweiterte Werkzeuge zur Po-tentialkundenanalyse und in Kombination mit Marktforschungsdaten eingesetzt werden.

• On-Demand-Services: Abrufdienste in Form von Produktkatalogen im Internet oder Online-Services werden von potentiellen Kundenuberwiegend zu informatorischen Zwecken genutzt.Kundenfeedback muss aber durch erweiterte Funktionen wie beispielsweise per Mail hergestelltwerden.

• Casting Services: Netcasting im Internet oder Business Television in Corporate Networksermoglichen den gezielten Push von Information und Kommunikation an den Arbeitsplatz des

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92 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

Kunden. Es lassen sich dabei diverse Konzepte vom Multi- bis zum Pointcasting unterscheiden.Personalisierungsmoglichkeiten des Kunden liefern daruberhinaus kundenspezifische Ruckmel-dungen.

• Call Center: Interaktive Dienstleistungen rund ums Telefon navigieren den Kunden zu einerpersonlichen Beratung oder unterstutzen ihn direkt bei seiner Problemlosung. Die Art und Wei-se der Kontaktaufnahme und Problemstellung des Kunden wird im Unternehmen aufgenommen,ausgewertet und in Maßnahmen umgesetzt. Call Center dienen bei bestehenden Kundenbezie-hungen auch als Helpdesk (siehe Teltech-Fallstudie in Abschnitt 4.3).

Strategien zur Kundenbindung

Das Ziel von Strategien zur Kundenbindung ist es, eine Beziehung zwischen dem Kunden und einemUnternehmen aufzubauen, die durch gegenseitige Lernprozesse eine dauernde Beziehung hervorbrin-gen soll. Ein weithin anerkanntes Prozessmodell besagt, dass Lernprozesse zu Handlungen fuhrenmussen. Daraus kann man ableiten, dass kundenbezogene Lernprozesse in zweifacher Weise im Un-ternehmen greifen (siehe Abbildung 4.8) konnen: [Bullinger et al. 1997b]

Abbildung 4.8: Co-Produktion vs Co-Destiny-Beziehung [Bullinger et al. 1997b]

Der Kunde tritt als Co-Produzent auf. Dabei wird zugelassen, dass seine Reaktionen und Handlun-gen auf die Lernprozesse des Unternehmens Einfluss nehmen. Daruber hinaus erhalt er Zusatzwissenund Informationen im Vorfeld durch das Lieferantenprinzip. Die Strategie des Co-Produzenten setztden Kunden nicht mehr ans Ende der Wertschopfungskette sondern an den Anfang. Die ausschließlicheSteuerung des Unternehmens durch den Kunden sollte dennoch vermieden werden. Die letztendlicheAdaption und Umsetzung in Tathandlungen von durch Kundenreaktionen initiierten Veranderungensollte das Unternehmen eigenstandig entscheiden. Typische Formen fur eine Co-Produktion sind ge-meinsame Projekte, Messeaktivitaten, Vortrage und Publikationen. [Bullinger et al. 1997b]

Die Einbeziehung des Kunden in die Lernprozesse des Unternehmens in Form einer “Co-Destiny-Beziehung” stellt eine sehr tiefe Integrationsmoglichkeit von Kunden in ein Unternehmen dar. Hier

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4.7. DIE ROLLE DES KUNDEN 93

muss neben einer hohen Sympathieaura und starken emotionalen Bindungen auch die vertraglichenBeziehungen sichergestellt sein. Der Kunde wird zum Mitwisser und nimmt in gleicher Weise wiedie Mitarbeiter an den Lernprozessen des Unternehmens teil. Der Kunde gestaltet aktiv die Verande-rungsprozesse mit. Der Kunde steht auf derselben Stufe innerhalb der Wertschopfungskette wie dasUnternehmen und bringt seine Humanressourcen zur Steigerung der Unternehmensproduktivitat mitein. Eine Co-Destiny-Beziehung ist niemals ein einseitiges Abhangigkeitsverhaltnis, wahrend dies beieiner Co-Produktion gewollt sein kann. [Bullinger et al. 1997b]

Im folgenden werden drei wichtige technisch-organisatorische Konzepte vorgestellt, die wesentlichzur Kundenbindung beitragen konnen: [Bullinger et al. 1997b]

• Kooperationen: Kooperationen in zwischenbetrieblichen Projektkonsortien und strategischen Al-lianzen, dieuber ein Netzwerk wie beispielsweise einem Extranet in Verbindung stehen und ihrejeweiligen Kernkompetenzen allen beteiligten Partnern zur Verfugung stellen. Es entstehen sym-biotischen Beziehungen, deren Zweck es ist, die Fahigkeiten der Partner zu erlernen. Insbesonde-re haben sich Forschung und Entwicklung, Logistik und die Qualitatssicherung als die strategischbedeutendsten Funktionsbereiche erwiesen, in denen die zwischenbetriebliche Kooperation be-sonders wichtig ist. Ein weiterer Lerneffekt fur ein Unternehmen kann darin bestehen, aus denKooperationen zu erfahren, wie die Kunden von Kunden denken. Vor allem kurzlebige Produk-te und Dienstleistungen, die von aktuellen Marktbedingungen abhangen, konnen durch Exper-tenkooperationen aus der ganzen Welt schnell angepasst und weiterentwickelt werden. Bankengehen dazu heute auf den Devisenmarkten weltweite Allianzen mit Devisenexperten ein, umschnell neue Beratungsangebote am Markt anbieten zu konnen.

• Geteilte Wissensbasen: Geteilte Wissensbasen speichern die im Rahmen eines Leistungserstel-lungsprozesses relevanten Informationen, die zwischen den daran Beteiligten zur Verfugung ste-hen und geteilt werden. Zugangsberechtigte greifen entweder zu Lernzwecken, zum Zweckeder Informationsweitergabe oder zum Losen von Problemen im Rahmen der Arbeitsprozessedarauf zu. Die Ausgestaltung von Wissensspeichern unterliegt den Anforderungen der autono-men Organisationseinheiten, die miteinander verbunden werden mussen. Im wesentlichen ist dasdie Vernetzung aller Arbeitsplatze innerhalb einer autonomen Organisationseinheit mit Zugriffauf alle aufgabenrelevanten Wissensbestande innerhalb und außerhalb der Organisationseinheitsowie ein Netzwerkuber alle autonomen Organisationseinheiten. Die Teilung von Wissen mitKunden hat einen hohen Vertrauenswert und dient somit einer engen Kundenkopplung. Der Ein-satz von Informationstechnologie und multimedialen Services sind geeignet, Informationskanaleeinzurichten, die den exklusiven Informationstransport innerhalb geschlossener Nutzergruppensicherstellen. Das Extranet-Konzept stellt dazu die erforderlichen Sicherheitskonzepte bereit.

• DataWarehousing zur Entscheidungsunterstutzung: Kundeninformationen werden zu entschei-dungsrelevanten Informationen ausgewertet. Das sogenannte “Realtime selling” erfordert zeitak-tuelle Informationen, gezielte Auswertungen und schnelle Entscheidungen. Auswertungen voninternen und externen Kundendatenbasen zur Unternehmensanalyse werden im Modell des “Da-ta Warehouse” integriert. Betriebliche Daten werden so mit Marktdaten kombiniert und vergli-chen, um Informationenuber Produktprofitabilitat und Markttrends zu erhalten. Im Vordergrundvon “Rapid response” Entscheidungen steht die Fahigkeit der Unternehmen, vorzeitig auf Markt-veranderungen zu reagieren. Institutionalisierte Fruhwarnsysteme sollen hierbei die Ruckwarts-planung auf Basis von Zukunftsvisionen unterstutzen.

Obwohl das Berucksichtigen und das Miteinbeziehen von Kunden fur das lernende Unternehmenvon großer Bedeutung ist, ist der großte Fehler, der gemacht werden kann, sich einzig und allein nach

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94 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

dem Kunden zu richten. Ein lernendes Unternehmen hat neben den Kunden noch weitere Wettbe-werbsmarkte, die im Hinblick auf ihre Wirkungen auf die betriebliche Profitabilitat berucksichtigtwerden mussen. Dennoch ist der Kunde in der Wertschopfungskette eines Unternehmens ein wich-tiger Faktor, dem entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. [Bullinger et al. 1997b]

Fazit

In diesem Abschnitt wurden wesentlichenUberlegungen zu den Kundenbeziehungen eines Unterneh-mens getatigt. Insbesonders wurden hier die Bereiche lernende Organisationen (Abschnitt 3.7) sowieEinsatz von IT behandelt, die anderen Problembereiche wie Wissensbarrieren, Informationsflut, Infor-mationsmanagement und virtuelle Unternehmen waren nicht relevant.

Des Weiteren sei anzumerken, dass diese Betrachtungen nicht nur, aber insbesonders fur großeund geographisch verteilte Unternehmen gelten, da gerade deren Großkunden schwerwiegenden Ein-fluss auf das operative Geschaft haben. Das Lernen von Kunden steht hier in der Wertschopfung sehrhoch und es sollten hier große Anstrengungen in die Kundenbindung getatigt sowie eine langfristigeBindungsdauer angestrebt werden.

Ob ein großer Konzern nun mehr eine Demand-Pull- oder eine Demand-Push-Strategie forcierensoll, hangt sehr vom Fachgebiet rund um dessen Produkt und naturlich vom “Kundenwissen” daruberab. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, das Wissen um ein Produkt mit einem oder mehreren Schlussel-kunden weiterzuentwickeln und auch Großkunden intensiver zu betreuen. Auch sollten gerade großeUnternehmen Konzepte wie Kooperationen, geteilte Wissensbasen oder zumindest DataWarehousingeinsetzen, um die Kundenbindung auszubauen.

Schließlich ist es ratsam, Strategien zur Kundenakquisition zu entwickeln und diese schrittweiseumzusetzen. Serviceorientierte Konzerne konnen hieruber eine ihrer Dienstleistungen neue Kundenanwerben und das Angebot fur diesen Neukunden schrittweise um Produkte und andere Servicelei-stungen erweitern.

4.8 Zusammenfassung

Mit diesen Betrachtungenuber die Kundenbeziehungen in einem lernenden Unternehmen schließt die-ses Kapitel. Es wurden interessante Aspekte bezuglich Knowledge Management in Unternehmen erar-beitet sowieUberlegungen fur große und verteilten Konzerne angestellt.

So wurde zuerst die Thematik Wissensmanagement in der internationalen Projektabwicklung be-trachtet, welche fur einige der in Kapitel 3 beschriebenen Problembereiche Losungen bereitstellt. Auchein Blick auf ein Unternehmen, welches wissensbasierte Dienstleistungen anbietet, sowie eine Fallstu-die uber den Aufbau eines KM-Systems in einem multinationalen Konzern bringt viele vorteilhafteIdeen und Anregungen fur eine Beschaftigung mit Knowledge Management.

Des Weiteren erweist sich das gezielte Ausarbeiten von bestehenden Konzepten und Systemenrund um interne Geschaftsprozesse als gunstig, wenn man Verbesserungen oder auch Innovationenzum eigenen Produkt hervorbringen will. Abschließend sei nochmals die enorme Bedeutung des Ma-nagements und der Kunden fur lernenden Unternehmen zu erwahnen, will man die Lernfahigkeit desUnternehmens steigern.

Zusammenfassend kann man sagen, dass man in großen und geographisch verteilten Unternehmenbei der Beschaftigung mit Wissensmanagement auf eine Reihe von Problembereichen stoßt, die eszu bewaltigen gilt. So kann die Unternehmensstruktur bzw. das Organisationskonzept nachteilig furwissensintensive Projekte und Prozesse sein.

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4.8. ZUSAMMENFASSUNG 95

Auch individuelle und organisationale Wissensbarrieren konnen sich negativ auf die Verteilung undNutzung von Wissen auswirken und somit eine Weiterentwicklung der Kernkompetenzen hemmen. Einstarkes Informationsaufkommen sowie die schlechte Qualitat der Informationen im Intra- und Internetbedeuten ebenfalls enorme Hemmnisse aus Knowledge Management Sicht. Auch eine schlecht geplan-te IT-Strategie fuhrt in einem großen und verteilten Unternehmen zu Problemen bei wissensbasiertenTatigkeiten.

Losungsansatze zu den eben erwahnten Problembereichen wurden in diesem Kapitel ausfuhr-lichst behandelt. Im nachsten Kapitel, welches bereits zum Gestaltungsbereich dieser Arbeit zahlt,werden Verknupfungen zwischen einzelnen Punkten der Problembereiche und den in den Fallstudienbetrachteten Losungsansatzen hergestellt. Gleichsam werden die in Abschnitt 2.7 vorgestellten Wis-sensprozesse fur ein großes und verteiltes Unternehmen detaillierter analysiert, indem die erarbeitetenProblembereich-Losungsansatz-Paare diesen zugeordnet werden.

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96 KAPITEL 4. FALLSTUDIEN

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II. Gestaltungsbereich

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Kapitel 5

Anforderungen an Wissensmanagement

5.1 Motivation

Der Untersuchungsbereich hat aufgezeigt, welche Problembereiche bei der Beschaftigung mit Know-ledge Management in Unternehmen allgemein bzw. in großen, geographisch verteilten Konzernen spe-ziell auftreten konnen. Zudem wurde in den Fallstudien erarbeitet, welche Losungsansatze zur Bewalti-gung einzelner Problembereiche in bekannten Unternehmen wie der Schindler Aufzuger AG, Teltech,der Siemens AG und Rolls-Royce verwendet wurden bzw. welche Aspekte es bezuglich des Manage-ments und der Kunden in einem lernenden Unternehmen zu beachten gibt.

Abbildung 5.1: Bausteine des Wissensmanagement [Probst et al. 1999]

In den nachfolgenden Abschnitten wird nun anhand der Erkenntnisse des Untersuchungsbereichsabgeleitet, welche Verbesserungen beim Auftreten von bestimmten Problemen in einem großen undverteilten Technologie-Konzern durchgefuhrt werden konnen. Die so entstandenen Ansatze werdendabei nach den in Abschnitt 2.7 vorgestellten Wissensprozessen – bei Probst et al. auch Baustein desWissensmanagement (siehe Abbildung 5.1) bezeichnet – kategorisiert.

Des Weiteren werden bei den so erarbeiteten Anforderungen an das Knowledge Management ingroßen und verteilten Unternehmen auch erfolgsversprechende IT-Komponenten vorgestellt, soferndiese bei einem Losungsansatz unterstutzend einsetzbar sind. Auf diese Weise wird quasi ein idealsKM-System fur große und verteilte Unternehmen beschrieben. Dieses wird in Kapitel 6 und 7 alsAusgangspunkt fur eine Evaluierung des Informationssystems Hyperwave sowie fur die Beschreibungder beispielhaften Implementierung zweier Komponenten genutzt.

99

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100 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

5.2 Wissen identifizieren

Zu Beginn der Beschaftigung mit Wissensmanagement muss zunachst herausgefunden werden, wel-ches Wissen wo und in welcher Form innerhalb und außerhalb eines Unternehmen vorhanden ist. Ineinem großen Konzern sind die Wissensbestande naturlich weltweituber die einzelnen Betriebsstattenverteilt und konnen zudem in verschiedener Sprache und Form vorliegen. Die Identifikation von Wis-sen umfasst die Bestimmung der Wissenstrager und deren Bedeutung hinsichtlich der Relevanz fur dasUnternehmen. Unter Wissenstrager versteht hierbei sowohl Humanressourcen wie auch Speichermedi-en mit externalisiertem Wissen. Das Wissen kann in einem globalen Konzern zudem Einschrankungenbezuglich des Ortes unterliegen. So kann es Wissensbestande geben, die lokal, national oder weltweitvon Interesse sind. Durch die Schaffung von Wissenstransparenz werden auch Wissenslucken ver-deutlicht und Vorraussetzungen geschaffen, damit fehlendes Wissen erworben oder entwickelt werdenkann.

In diesen Baustein fallt auch die Modellierung bzw. Strukturierung des identifizierten Wissens. Esgilt, Wissenstrager und -objekte zu erfassen, zu kategorisieren und ihre Zusammenhange zu modellie-ren. In einem großen Unternehmen mussen sowohl die internen und externen Experten wie auch dasgespeicherte explizite Wissen erfasst und verwaltet werden. Das Visualisieren von Zusammenhangenzwischen Wissenstragern geschieht im Idealfall durch das Aufzeichnen und Darstellen von unterneh-mensinternen Ablaufen. Speziell durch die geographische Verteilung der Betriebsstatten ist das Mo-dellieren von Geschaftsprozessen oder wissensbasierten Tatigkeiten, dieuber den eigenen Bereichhinausgehen, sehr wichtig, um den Verantwortlichen und den beteiligten Mitarbeitern einenUberblickzu verschaffen.

Des Weiteren muss bei der Identifikation von Wissen auch evaluiert werden, welche implizitenWissensbestande externalisiert werden mussen und inwiefern das vorhandenen Wissen digital gespei-chert werden soll. Sinnvoll fur eine Kategorisierung, fur Qualitatsaspekte, aber auch fur die Realisie-rung eines IT-Systems ist auch eine Unterscheidung zwischen Metawissen (Wissenuber Wissen) undObjektwissen (den eigentlichen Wissenselementen).

Ein Aspekt dieses Prozesses ist die Etablierung von KM-Rollen, um den in Abschnitt 3.3 vorge-stellten organisatorischen Barrieren wie Burokratie, einer starren Unternehmenshierachie, usw. ent-gegenzuwirken. In der Schindler Aufzuge AG (Abschnitt 4.2) gibt es unter anderem Technologiebe-auftragte, die Projekte aus technologischer Sicht betreuen, Wissensbestande verwalten, Wissensluckenidentifizieren und mogliche Synergien zwischen unterschiedlichen Projekten finden. Die Siemens AG(Abschnitt 4.4) setzt ebenfalls sogenannte Knowledge Broker ein, welche unter anderem fur die Identi-fikation, Klassifikation und Kategorisierung von relevanten Informationen im Unternehmen zustandigsind.

Gerade in großen Unternehmen, die in mehreren Landern ansassig sind, passiert es oft, dass un-terschiedliche Kulturen aufeinander treffen. Dies kann oft auch dazu fuhren, dass Wissensbarrierenauftreten, weil beispielsweise sprachliche Differenzen, unterschiedliche religiose oder politische An-sichten zur Zuruckhaltung von Informationen fuhren. Die Schindler Aufzuge AG (Abschitt 4.2) setzthier auf einheitliche kulturelle Werte, die in verschiedenen Dokumenten im Intranet beschrieben sind,aber auch durch informelle Treffen verbreitet werden sollen. Speziell in der Projektabwicklung gibt eshier Richtlinien, die von den Projektverantwortlichen zu berucksichtigen sind. Auch das Bereitstellenvon Dokumenten in mehreren Sprachen hilft, diesen kulturellen Barrieren im Unternehmen entgegen-zuwirken.

Weitere in Abschnitt 3.3 vorgestellten Barrieren des Wissenstransfers konnen in einem großen undverteilten Unternehmen abgebaut werden, indem interne, wissensintensive Prozesse analysiert, mittelsstrukturierter Interviews ausgearbeitet und beispielsweise durch Knowledge Maps visualisiert werden,wie die Fallstudieuber Rolls-Royce in Abschnitt 4.5 gezeigt hat. Bei der Ausarbeitung eines sol-

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5.2. WISSEN IDENTIFIZIEREN 101

chen Prozesses werden zudem wichtige Wissenstrager identifiziert und im Falle von Rolls-Royce ineinem Expertenvermittlungssystem erfasst. Bei immer wiederkehrenden Aufgaben, die beispielsweisein Projekten haufig auftreten, setzt die Schindler Aufzuge AG (Abschitt 4.2) zusatzlich auf forma-lisierte Ablaufe, die mittels Formularen oder einem Workflow-System vorgegeben sind. Wesentlichfur einen weltweit ansassigen Konzern ist in diesem Zusammenhang, dass sich Ablaufeuber mehrereBetriebsstatten erstrecken konnen und ein entsprechendes Workflow-System dies auch unterstutzt.

Der Problematik des Informationsuberangebotes (Abschnitt 3.5) kann man laut der Fallstudie derSchindler AG (Abschitt 4.2) mit einer intelligenten Kodifizierungsstrategie entgegenwirken. Es gilt,nicht nur die wichtigen Wissensbestande zu identifizieren und von den entsprechenden Wissenstragerzu externalisieren, sondern dieses Wissen immer mit dem entsprechenden Experten zu verknupfen.Aus der Teltech-Studie (Abschnitt 4.3) geht auch hervor, dass es nicht sinnvoll ist, das gesamte Wis-sen eines Experten in ein System zu extrahieren, sondern dass nur einUberblick zu einem Fachgebietmit Verweis auf die entsprechenden Experten gespeichert werden soll. Auch fur diese zwei Anforde-rungen eignet sich ein Expertenvermittlungssystem. Teltech setzt zudem einen Thesaurus ein, welcherBegriffe auf entsprechende Fachgebiete und deren Experten abbildet. Um in einem großen Konzern ei-ne effiziente Informationsauffindung realisieren zu konnen, ist es notwendig, entsprechende Filterme-chanismen einzusetzten. Fur das Filtern ist in diesem Zusammenhang interessant, dass InformationenEinschrankungen hinsichtlich des Nutzungsbereiches und der Empfangergruppe unterliegen konnen.

Zur Bereitstellung von qualitativ hochwertigen Informationen und zum Management der Informa-tionsqualitat (Abschnitt 3.6) sind Metadaten fur explizite Wissensbestande wie Dokumenten beson-ders vorteilhaft. So kann man aufgrund von Meta-Informationen wie beispielsweise dem Autor oderdem Erstellungsdatum eines Dokuments Ruckschlusse auf die Qualitat der Information schließen, wieaus der Teltech-Studie (Abschnitt 4.3) hervorgeht. Mittels Metadaten kann man unter anderen auchden Gultigkeitbereich sowie die Empfangergruppe von Informationen einschranken, was die Qualitatebenfalls steigert. Des Weiteren konnen durch Metadaten identifizierte Wissensbestande leicht struk-turiert oder durch Knowledge Maps visualisiert werden. Aus technologischer Sicht bieten vor allemDocument-Management-Systeme, aber auch Recommendation-Systems die Moglichkeit, Metadatenzu verwenden. Ein Problem von weltweit ansassigen Konzernen ist, dass einzelne Unternehmensbe-reiche eigens definierte Gruppen von Metadaten benotigen, um bestimmte Aspekte einer Informationspeziell berucksichtigen zu konnen.

In einem großen und verteilten Unternehmen ist auch zu beachten, dass einzelne Bereiche odersogar Abteilungen eigene Informationssysteme haben konnen. Diese sind im Wissensmanagement-Konzept einzuplanen und beispielsweise bei der Implementierung von Mechanismen zur Informati-onsauffindung zu berucksichtigen, wie unter anderem die Fallstudieuber Teltech (Abschnitt 4.3) ge-zeigt hat. Des Weiteren hat das Management bzw. entsprechende KM-Rollen in den Bereichen undAbteilungen dafur zu sorgen, dass Wissenslucken fruhzeitig identifiziert werden. Schließlich muss dasManagement auch dafur Sorge tragen, dass Kundendaten entsprechend aufgezeichnet und ausgewertetwerden.

Fur virtuelle Teams (Abschnitt 3.8) erweist sich der Einsatz von Groupware-Systemen als vorteil-haft. Hier kann Wissen in die Infrastruktur integriert werden, wie die Fallstudien Siemens (Abschnitt4.4) gezeigt hat. Auch bei der Schindler AG (Abschnitt 4.2) werden verteilte Projektteams durch einWorkgroup-Computing-System unterstutzt. Durch den Einsatz solcher Technologien kann Projektwis-sen aus organisatorischer und strategischer Sichtweise auf sehr einfache Art und Weise im laufendenBetrieb in explizites (kodifiziertes) Wissen transformiert und in einem datenbasierten System gespei-chert werden. So kann kunftig immer auf wertvolle Erfahrungen (Best Practices) vergangener Projektezuruckgegriffen werden.

Tabelle 5.1 zeigt eineUbersichtuber den Prozess der Wissensidentifikation.

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102 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

Problembereich Auswahl an Problempunkten Mogliche LosungsansatzeWissensbarrieren Verwaltung der Wissensbestande Corporate Memory

Burokratie/Hierachie Wissensmakler, Einsatz von ITKulturelle Barrieren Gemeinsame Regeln, soziale EventsSprachliche Barrieren Mehrsprachige DokumenteExternalisieren von Expertenwissen Strukturierte Interviews

Informationsflut Externalisierung von Wissen nur KonzepteUmfangreiche Wissensbestande Kategorisierung, Visualsierung,

Steigerung der QualitatInformationsqualitat Qualitat von Dokumenten Metadaten, Annotationen

Verwendung von Metadaten Autor, Erstellungsdatum, usw.Mehrsprachige Dokumente AutomatischeUbersetzung, ExperteBewertung von Wissensbestanden durch ExpertenKategorisierung des Wissens durch Experten

Lernfahigkeit Kategorisierung der Wissensbestande Wissensmakler, ExpertenIdentifikation von Wissenslucken Wissensmakler, ExpertenVerwaltung von Kundenwissen gemeinsame Wissensbasen

Virtualitat Verteilung von Teams Einsatz von ITKodifizieren von Projektwissen Besprechungen, IT-System

Einsatz von IT Heterogene IT-Landschaft Berucksichtigen aller IT-SystemeIdentifikation der Experten Skill-Management-SystemAbbilden der Fachgebiete auf ExperteThesaurusVerwaltung von explizitem Wissen Document ManagementUnterstutzung von Teams Workgroup ComputingAutomatisieren von Projektablaufen WorkflowAuswerten von Kundendaten Data Warehousing

Tabelle 5.1:Ubersicht Wissensidentifikation

Technologien

Fur den Prozess der Wissensidentifikation in einem großen und geographisch verteilten Unternehmenkann man folgende Technologien hervorheben:

Die Identifikation von Wissenstragern kann einerseits durch eine Analyse von wesentlichen wis-sensintensiven Prozessen im Unternehmen, andererseits auch durch das systematische Erfassen derFahigkeiten der Mitarbeiter geschehen. Große Konzerne, die zum Beispiel wissensbasierte Produkteoder Dienstleistungen anbieten oder aber sehr projektorientiert arbeiten, benotigen ein entsprechendesSkill-Management-System, um die Fahigkeiten der Mitarbeiter optimal nutzen zu konnen.

Eine Verknupfung von Fachbereichen mit Experten wie auch eine Verwaltung des Fachvokabularskann durch einen Thesaurus geschehen, wie bei der Studieuber Teltech gezeigt wurde. Hier kannzugleich auch Wissenuber die Sprache der Kunden festgehalten werden. Und im Gegensatz zu einerstatischen Kategorienstruktur sind durch einen Thesaurus auch Verknupfungen zu Synonymen undverwandten Fachgebieten moglich.

Des Weiteren kann organisatorisches oder strategisches Wissen von Projekten und Arbeitsablaufendurch Groupware-Systeme in die Infrastruktur des Unternehmens integriert werden. Auf diese Art ent-standenes Wissen kann sodann sehr einfach zur Erfahrungssicherung verwendet werden. So konnenbeispielsweise Daten und Dokumente, die durch ein Workgroup-Computing-System von einem Teamproduziert wurden, durch Ablegen in einem daten- oder dokumentbasierten Informationssystem ge-

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5.3. WISSEN ERWERBEN 103

sammelt und so fur andere Mitarbeiter als Best Practices verfugbar gemacht werden. Bei einemWorkflow-System kann ein solcher Vorgang sogar automatisiert werden, indem bei Erreichen von ei-nem Meilenstein ein Erfahrungsbericht von einem oder mehreren Teilnehmern verlangt wird.

Vorteilhaft fur all diese Systeme ist das Ermoglichen von Meta-Informationen. Die Angabe vonMeta-Informationen wie beispielsweise einen Experten fur ein Fachgebiet oder den Autor und dasErstellungsdatum bei einem Dokument erweist sich bei der Kategorisierung und der Visualisierung alsvorteilhaft.

Identifiziert man nun fehlende oder unvollstandige Wissensbestande im Unternehmen, kann diesesWissen entweder extern erworben, wie der nachste Abschnitt beschreibt, oder aber selbst entwickeltwerden, wie in Abschnitt 5.4 nachzulesen ist.

5.3 Wissen erwerben

Der Erwerb von Wissen ist fur große Unternehmen eine Moglichkeit, um fehlende Kompetenzen raschaufzubauen. Wissen kann dabei auf unterschiedlichsten Markten durch folgende vier Aktivitaten er-worben werden: Erwerb externer Wissenstrager, Erwerb anderer Unternehmen, Erwerb von Stakehol-derwissen (zum Beispiel Kundenwissen), Erwerb von Wissensprodukten. Allerdings gibt es auch eineReihe von Barrieren und Problembereichen beim Erwerb “fremder” Fahigkeiten, die nun diskutiertwerden.

Als erster und sicherlich großter Problembereich beim Erwerb von externen Wissen seien die Bar-rieren innerhalb des Unternehmens zu nennen, wie sie unter anderem schon in Abschnitt 3.3 vorge-stellt wurden. Beim Einbringen von externen Wissen kann diesen Barrieren entgegengewirkt werden,indem beteiligte Berufsgruppen im Unternehmen eine spezielle Behandlung erfahren. So wurde inder Teltech-Studie (Abschnitt 4.3) geschildert, dass Fuhrungskraften eineUbersichtuber die Nutzungexternen Wissens in der eigenen Abteilung geboten wird oder IT-Fachkrafte in den Prozess der Infor-mationssuche verstarkt eingebunden werden, damit deren Interesse geweckt wird. Auch muss man Bi-bliothekaren und Informationsmanagern, die ja das in Form von Buchern und Dokumenten vorliegendeWissen verwalten, besondere Aufmerksamkeit schenken und diese von den Vorteilen der Nutzung ex-ternen Wissensuberzeugen.

Die Siemens AG (Abschnitt 4.4) wirkt der Meidung von externen Wissen durch die Mitarbeitergleich in zweifacher Weise entgegen: Zum einen fordern die Knowledge Broker die Nutzung vonexternen Wissen und versuchen die Vorteile gegenuber der teuren Eigenentwicklung hervorzuheben.Zweitens kann auch das Management dazu beitragen, dass die Barrieren zur Nutzung externen Wissensabgebaut werden. Die Schaffung einer offenen Kultur, welche Fragen, Kritik und Fehler zulaßt, wirktsich auf die Beschaftigung mit externem Wissen positiv aus.

Der Erwerb von Wissen aus dem Internet zeigt das ganz offensichtliche Problem des Informati-onsuberangebots auf, wie es in Abschnitt 3.5 detailiert behandelt wurde. Gerade Teltech (Abschnitt4.3) bietet hier einige gute Ansatzpunkte: So muss ein unternehmensweites Informationssystem aufalle Falle die IT-Losungen der einzelnen Suborganisationen berucksichtigen und beispielsweise eineSchnittstelle, die zumindest eine Suche ermoglicht, zu diesen Systemen zur Verfugung stellen. Um einzu hohes Informationsaufkommen zu vermeiden, kann man durch Einschrankung der Informationenhinsichtlich des Verwendungsbereichs bzw. der Emfpangergruppe die Wissensauffindung effizientergestalten, da auf diese Weise Informationen wirklich nur an die Orte gelangt, wo sie auch wirklichbenotigt werden. Fur die Suche in anderen Abteilungen oder im Internet bietet Teltech Unterstutzungdurch Wissensanalysten an, was in einem global verteilten Konzern ebenfalls praktikabel ware. DesWeiteren ist auch ein Newsletter-Dienst fur ein Fachgebiet oder von einer anderen Abteilung vorteil-haft, wenn es darum geht, Neuerungen nicht zu verpassen.

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104 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

Wird nun externes Wissen in das Unternehmen aufgenommen, so sind naturlich die Qualitatsaspek-te von Abschnitt 3.6 zu beachten. Bei Teltech (Abschnitt 4.3) wird besonderer Wert auf die Herkunftvon Informationen und die Aktualitat gelegt. Neue Informationen werden hier mit Metadaten wie demAutor oder dem Erstellungsdatum versehen. Auch die Angabe eines zustandigen Experten ist bei Tel-tech wichtig. In der Siemens AG (Abschnitt 4.4) werden zudem die Experten zur Bewertung von neuenDokumenten herangezogen. Auch hier seien nochmals die Einschrankbarkeit von Informationen hin-sichtlich des Verwendungsbereichs und der Empfangergruppe zu erwahnen. Durch solche einfachenMaßnahmen, die mit einem daten- oder dokumentenbasierten System realisiert werden konnen, kanndie Qualitat der Informationen erheblich gesteigert werden. Auf diese Weise wird auch die Problema-tik der Informationsflut eingeschrankt, wenn man bei einer Suche Kriterien wie Aktualitat bzw. denGultigkeitsbereich einer Information berucksichtigt.

Aus Sicht eines lernenden Unternehmen, wie sie in Abschnitt 3.7 beschrieben wurden, sind nunfolgende Aspekte wesentlich: Die Schindler Aufzuge AG pruft bei der Personalbesetzung von Pro-jekten stets, dass wichtige individuelle und teamspezifische Fahigkeiten vorhanden sind. Hierfur istgerade in großen Unternehmen ein Skill-Management-System von erheblichen Vorteil, da Schlussel-positionen in Projekten oder Prozessen mit den besten Mitarbeitern besetzt werden sollten und mandiese mit einem solchen System auch unter vielen tausenden Mitarbeitern, die zudemuber meh-rere Bestriebsstatten verteilt sind, finden kann. Bei Rolls-Royce (Abschnitt 4.5) wiederrum werdenGeschaftsprozesse analysiert und Anforderungen an eine zu besetzende Stelle erstellt. Durch Verwen-den eines Skill-Management-Systems oder durch Rekrutierung eines externen Experten kann aufgrunddes sehr genauen Anforderungsprofils ein Mitarbeiter mit den gewunschten Fahigkeiten gefunden wer-den.

Wie bereits erwahnt muss ein Unternehmen auch von den Stakeholdern, also den Gruppen im Um-feld einer Organisation, lernen. In erster Linie wichtig sind die Zulieferer und vor allem die Kunden,wie auch die Fallstudie in Abschnitt 4.7 gezeigt hat. Zunachst ist es wichtig, kundenbezogene Prozessezu analysieren und zu optimieren. Das Erfassen der Kommunikation mit Kunden und Lieferanten kannhierbei durch ein Groupware-System geschehen. Strategien zur Akquisition von Kunden werden durchinteraktive Marketingmaßnahmen wie Online-Shops, durch On-Demand-Services wie Supportangebo-te auf der eigenen Webseite oder aber durch Kundenbetreuung mittels eines Call-Centers unterstutzt.Wesentlich interessanter sind nun aber die Moglichkeiten zur Kundenbindung: So kann ein Unterneh-men durch Kooperationen mit deren Kunden (oder Lieferanten) Zugriff auf eine externe Wissensbasiserhalten oder aber gemeinsam mit dem Kunden eine Wissensbasis aufbauen. Auch der Einsatz vonData Warehousing, also eines vom operativen IT-System losgelosten Datenbanksystem zum Sammelnund Auswerten von Kundendaten, ist ein gangiges Verfahren bei der weiteren Kundenbetreuung. Diehier automatisierten Daten konnen einem Unternehmen bei Entscheidungsprozessen weiterhelfen.

Hinsichtlich des Erwerbs von Wissen ist in Tabelle 5.2 eine entsprechendeUbersichtuber dieProbembereiche und die in diesem Abschnitt erarbeiteten Losungsansatze zu sehen.

Technologien

Aus Sicht der Informationstechnologie lassen sich in großen und geographisch verteilten Unternehmennun folgende Kategorien von IT-Systeme fur diesen Wissensprozess einsetzen:

Als erste wichtige Technologie, die den Erwerb von externen Wissen in großen Unternehmen un-terstutzt, sei das Skill-Management-System zu nennen. Mit einem solchen System, welches in Konzer-nen mit mehreren tausend Mitarbeitern ohnedies unumganglich ist, lassen sich Schlusselpositionen inProjekten oder Prozessen bestmoglich besetzten. Zudem kann man mit der Verwaltung der unterneh-mensinternen Fahigkeiten Anforderungen an Experten, die in das Unternehmen geholt werden sollen,erstellen.

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5.3. WISSEN ERWERBEN 105

Problembereich Auswahl an Problempunkten Mogliche LosungsansatzeWissensbarrieren Not-Invented-Here-Syndrom Eingehen auf Mitarbeitergruppen

Nutzung externen Wissens Ubersicht fur AbteilungsleiterNeg. Erfahrung mit externem WissenSteigerung der QualitatBurokratie/Hierachie Wissensmakler, Einsatz von ITSprachliche Barrieren Ubersetzungstools, Wissensmakler

Informationsflut Externe Wissensbestande Migration oder NutzungAuffindung von externem Wissen Einsatz von WissensmaklernUmfangreiche Wissensbestande FiltermechanismenViele Suchresultate Intelligente SuchalgorithmenIrrelevante Informationen Filterung mittels Metadaten

Informationsqualitat Qualitat importierter Dokumenten Metadaten, AnnotationenErstellen von Metadaten Automatisches Generieren, ExperteMehrsprachige Dokumente AutomatischeUbersetzung, ExperteSteigerung der Qualitat Bewertung durch ExpertenKategorisierung der Wissensbestande Wissensmakler, Experten

Lernfahigkeit Beobachten eines Fachgebiets Newsletter-DienstFehlende Kompetenzen Rekrutierung externer Experten,

Erwerb innovativer UnternehmenLernen vom Kunden Kooperationen, geteilte Wissensbasen,

Auswerten der KundendatenEinsatz von IT Verwaltung von externem Wissen Document Management

Identifikation externer Wissenstrager Skill-Management-SystemAnbindung von Kunden BereichsportalImportieren von Kundenwissen Online-Dienste, Call-CenterFesthalten der Kundensprache ThesaurusAuswerten von Kundendaten Data Warehousing

Tabelle 5.2:Ubersicht Wissenserwerb

Daten- und dokumentenbasierte Informationssysteme sind fur den Prozess des Wissenserwerbsebenfalls wichtig. Externes Wissen, welches wichtig fur die Kernkompetenzen ist und beispielsweisedurch Newsletterdienste angekundigt wird, kannuber verschiedenste Wege importiert werden, mussaber auf alle Falle bewertet werden. Ist beim unternehmensinternen System die Eingabe von Meta-daten moglich, ist das vorteilhaft fur die Qualitat und auch fur das weitere Qualitatsmanagement vonInformationen.

Der wichtigste Aspekt bei der Behandlung von externen Wissen ist naturlich jener des Stakeholder-Wissens. Hier kommen prozessbasierte Technologien und datenbasierte Systeme gleichsam zum Ein-satz. Kundenprozesse konnen durch Groupware-Losungen im Call-Center oder durch den Kundenselbst genutzt werden. Technologien zur Kommunikation mit Stakeholdern wie Kunden oder Liefe-ranten reichen von Diskussionsforen bis hin zur Verwendung von Mobilfunk. Datenbankbasierte Ser-vices finden sich auf der Homepage als Online-Shop oder Supportleistungen, aber auch bei der mitKunden gemeinsam entwickelten Wissensbasis oder dem Data Warehousing System wieder. Bei derErfassung der Kundensprache konnen mit einem einfachen Thesaurus Begriffe auf Fachbereiche undderen Experten gemappt werden.

Einzig gegen organisatorische oder individuelle Barrieren gibt es keine IT-basierte Losung. Hiermuss weiterhin das Management bzw. diverse Wissensfunktionen wie Knowledge Broker die Vorraus-setzungen fur eine offene Unternehmenskultur und eine Corporate Identity schaffen, um die Nutzung

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106 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

externen Wissens zu fordern und das unternehmensinterne Konkurrenzdenken abzubauen.

5.4 Wissen entwickeln

Neben dem Erwerb von neuem Wissen konnen fehlende Kompetenzen aber auch im Unternehmenselbst entwickelt werden. Die Schaffung neuer Fahigkeiten und Produkte, besserer Ideen und lei-stungsfahigerer Prozesse in einem Unternehmen kann dabei in eigens dafur vorgesehenen Forschungs-und Entwicklungseinrichtungen geschehen oder aber als Nebenprodukt von Geschaftsprozessen ent-stehen.

Wie bereits im letzten Wissensprozess stellen auch Barrieren organisatorischer und individuellerNatur (Abschnitt 3.3) den großten Problembereich bei der Entwicklung von eigenem Wissen dar.Uber-bruckt konnen diese Barrieren durch Schaffung von Forschungskommunen, die unter anderem auchdurch ein virtuelles Team realisiert sein konnen, und durch den Einsatz von IT werden. Vorteilhaft ansolchen virtuellen Teams ist, dass das entwickelte Wissen keiner Abteilung zugeordnet ist und somitdas interne Konkurrenzdenken wegfallt.

Die Siemens AG (Abschnitt 4.4) setzt auf sogenannte CoPs1 fur die einzelnen Fachgebiete. In-nerhalb einer solchen Kommune koordiniert ein Practice Leader wissensbasierte Tatigkeiten und sorgtauch fur Verbesserungen hinsichtlich der Unternehmenskultur wie beispielsweise das Zulassen vonFehlern, Fragen und Kritik von Mitarbeitern, um ein offenes Betriebsklima zu schaffen. Ein CoP kannaber auch als ein “think tank”, also eine Lernarena, angesehen werden, wo Mitarbeiter von alltaglichenTatigkeiten Abstand nehmen konnen und Denkfreiraume sowie Zeit fur innovative Ideen haben.

Um burokartische Vorgange bei der Wissensentwicklung zu vermeiden, ist es bei Rolls-Royce (Ab-schnitt 4.5) wichtig, dass kritisches implizites Wissen externalisiert und verteilt wird. Denn nur wennMitarbeiter auf benotigtes Wissen schnell zugreifen konnen, wird dieses auch genutzt und weiterent-wickelt. Auf die Prozesse Wissensverteilung und -nutzung wird in den nachsten zwei Abschnittengenauer eingegangen. Bezuglich der Wissensbarrieren sei hier noch zu erwahnen, dass dem Manage-ment (Abschnitt 4.6) die Aufgabe zukommt, fur eine offene Unternehmenskultur zu sorgen, aber auchdie notwendige Lernumgebung fur Individuen, Teams und die Organisation zu schaffen.

Der Wandel zu einem lernenden Unternehmen wird durch folgenden zwei Aspekte begunstigt:Zum einen muss das Management eines großen und geographisch verteilten Konzerns erkennen, dassein reines Produktionsunternehmen, welches nach der betriebswirtschaftlichen Grundlage von Taylorwirtschaftet und mit minimalen Ressourceneinsatz maximalen Ertrag erzielen will, bald an deren Gren-zen stoßt – beispielsweise beiUbersattigung des Marktes und Aufbau von zu großen Lagerbestanden– und keine Umsatzsteigerungen mehr generieren kann. Den Ausweg aus diesem Dilemma bietet dasPrinzip “Lean Production”, wonach ein Unternehmen auf eine schlanke Produktion, aber auf eine ho-he Mitarbeiterqualifizierung setzen soll. Auf diese Weise entstehen mehr Innovationen rund um dieKernkompetenzen und Produkte eines Unternehmens, was schließlich neu entwickeltes Wissen oderbeispielsweise eine hohere Kundenorientierung (Abschnitt 4.7) hervorbringt.

Um innovationsfeindliche Unternehmenshierachien abzubauen und die Flexibilitat eines großenKonzerns zu fordern, ist das Bilden von sozialen Systemen mit einer bestimmten Obergrenze an Mit-arbeitern und klar definierten Kompetenzen sehr vorteilhaft. Auch wenn sich hierbei der Aufwand furLogistik und Kommunikation erhoht, bietet dieser Ansatz eine enorme Steigerung der Lernfahigkeitder sozialen Systeme und somit auch des gesamten Unternehmens. Bei der Projektabwicklung derSchindler Aufzuge AG (Abschnitt 4.2) werden zudem in einzelnen Projektphasen Lernziele definiert,womit das Teamlernen forciert wird. Gerade dieser Aspekt ist naturlich auch in sozialen Systemen mit

1Community of Practice

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5.4. WISSEN ENTWICKELN 107

eineruberschaubaren Anzahl an Mitarbeiter einfach realisierbar und kann durch Informationstechno-logien wie einer Workflow-Losung unterstutzt werden.

Zur Steigerung der Kundenorientierung bietet sich bei Unternehmen, die fur Kunden teure Indivi-dualprodukte erstellen, ein Produktdesign mittels Software an, welches die Kunden vorab begutachtenoder gar verbessern konnen. So werden bei Rolls-Royce (Abschnitt 4.5) die zu produzierenden Dusen-antriebe zuerst durch diverse Softwarepakete entworfen und mit Simulationssoftware gestestet.

In Tabelle 5.3 sind die Losungsansatze fur den Prozess der Wissensentwicklunguberblicksmassigdargestellt.

Problembereich Auswahl an Problempunkten Mogliche LosungsansatzeWissensbarrieren Freiraum fur Innovationen Forschungsabteilungen

Internes Konkurrenzdenken Virtuelle ForschungsteamsKeine Zeit fur KM-Tatigkeiten Schaffung von FreiraumenAngst vor Fehlern und Kritik Wissensmakler, informelle TreffenFordern von Innovationsprozessen KreativitatstechnikenBurokratie/Hierachie Kodifizierung von Expertenwissen,

Wissensmakler, Einsatz von ITSprachliche Barrieren Mehrsprachige Dokumente

Informationsqualitat Qualitat erzeugter Dokumente Metadaten, AnnotationenErstellen von Metadaten Automatisches Generieren, ExperteMehrsprachige Dokumente AutomatischeUbersetzung, ExperteSteigerung der Qualitat Bewertung durch ExpertenKategorisierung der Wissensbestande Wissensmakler, Experten

Lernfahigkeit Anpassung, Flexibilitat Gebilde sozialer EinheitenInnovationsfreundliche Umgebung Konzept der Lean ProductionEntwicklung von Kompetenzen ForschungsprojekteWissensentwicklung im gesamten UnternehmenBeobachten anderer Abteilungen Unternehmensnachrichten

Virtualitat Verteilung von Teams Einsatz von ITAbsinken des Vertrauens regelmaßige TreffenKodifizieren von Projektwissen Besprechungen, IT-SystemVirtuelle Erzeugnisse Produktdesign mittels Software

Einsatz von IT Verwaltung von entwickeltem WissenDocument ManagementUnterstutzung virtueller Teams Workgroup ComputingAutomatisieren von Projektablaufen WorkflowUnternehmensnachrichten News-System, PortalsystemUnterstutzung der Kommunikation Email, Videokonferenz

Tabelle 5.3:Ubersicht Wissensentwicklung

Technologien

Vorteilhaft fur den Prozess der Wissensentwicklung in einem großen und verteilten Unternehmen sindfolgende Technologien:

Fur virtuelle Forschungsteams eignen sich Workgroup-Computing-Losungen. Auf diese Weisekann via Diskussionsforen kommuniziert, mittels verteilten Terminkalender geplant oder durch ge-meinsam nutzbare Speicherbereiche Daten ausgetauscht werden. Fur solche Teams kann des Weiterenauch ein Workflow-System eingesetzt werden, mit welchem interne Prozesse geplant, ausgefuhrt, kon-

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108 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

trolliert und automatisiert werden konnen. Auch Kommunikationstechnologien wie Email oder Mo-bilfunk zahlen zu wesentlichen Bestandteilen von virtuellen Teams. Es sei hier nochmals erwahnt,dass gerade bei solchen Forschungsgruppen immer wieder eine personliche Zusammenkunft einge-plant werden muss, wie in der Studieuber die Schindler AG geschildert wurde.

Daten- und dokumentenbasierte Informationssysteme eignen sich in diesen Prozess speziell furdas Sichern von “Best Practices” bei Projekten oder Forschungstatigkeiten. Gerade bei der Entwick-lung von neuem Wissen sollten vor Projektstart vergangene Erfahrungen berucksichtigt und nach derDurchfuhrung neu gewonnene Erfahrungen als “Lessons Learned” gesichert werden. Die Erfahrungs-sicherung kann naturlich nicht nur bei der bewußten Entwicklung von neuem Wissen in Forschungs-labors oder eigenen Projekten geschehen, neues Wissen kann auch als Nebenprodukt der taglichenAblaufe innerhalb der Organisation entstehen.

Als zentrales Element dieses Wissensprozesses ist naturlich der Aufbau eines organisatorischenGedachtnisses rund um die Kernkompetenzen des Unternehmens zu nennen. Auch hier werden vor-wiegend daten- und dokumentenbasierte Informationssysteme eingesetzt, wobei es zwei Moglichkeitesdes Aufbaus eines solchen “coporate memory” gibt: Zum einen kann man damit beginnen, alle Doku-mente und Daten in einem IT-System zu sammeln und sodann gute Routinen zur Wissensauffindungimplementieren. Hierfur eignen sich vor allem Document-Management-Systeme, die beispielsweiseeine gezielte Suche durch Meta-Informationen unterstutzen.

Ein anderer Ansatz fur den Aufbau eines organisatorischen Gedachtnisses ist folgender: Man zeich-net relevante Aktivitaten von Experten und Teams auf, verlinkt diese Ablaufe und entwickelt darausein entsprechendes System, welches die analysierten Prozesse unterstutzt. Auch diese Methode resul-tiert vorwiegend in einem Document-Management-System, kann aber auch Groupware-Komponentenhervorbringen. Fur beide Ansatze vorteilhaft ist das Verwenden einer kommerziellen Losung, da einesolche wesentlich gunstiger als eine Eigenentwicklung ausfallt und im Normalfall auch ausgereifterist.

Weitere Technologien fur die Wissensentwicklung sind Newsletter-Sevices, welcheuber Innova-tionen aus den wesentlichen Fachgebieten bzw.uber Neuigkeiten aus anderen Abteilungen des Un-ternehmens berichten, und spezielle Software-Tools zum Designen und Visualisieren von Produkten.Letzteres ist insbesonders interessant, wenn sich Kunden das geplante Produkt vorab ansehen und amEntwurf mitarbeiten konnen.

5.5 Wissen (ver)teilen

Nachdem bestehende Wissensbestande identifziert und fehlendes Wissen erworben oder selbst ent-wickelt ist, beschaftigt sich der Prozess der Wissensverteilung mit der Frage, wie benotigtes Wissenan den richtigen Ort im Unternehmen gebracht werden kann. Gerade in einem großen, multinationalenKonzern ist dieser Aspekt aufgrunde der geographischen Verteilung der Betriebsstatten essentiell.

Der erste Problembereich bei der Verteilung von Wissen ist naturlich wieder jener der Wissens-barrieren (Abschnitt 3.3). Organisationalen Barrieren wie einer starre Hierachie oder unterschiedli-chen Auslegungen der Unternehmenswerte kann man durch formelle oder informelle Treffen wie auchdurch den Einsatz eines Wissensmaklers entgegenwirken. So forciert die Schindler Aufzuge AG (Ab-schnitt 4.2) informelle Treffen, indem in den Abteilungen eigene Lokalitaten wie beispielsweise eineKaffeekuche zur Verfugung gestellt werden. Der Prozess der Sozialisation wird zudem als essentielleVorraussetzung fur die Verteilung von kulturellem Wissen im Unternehmen gesehen. Erst das personli-che Weitergeben von Unternehmenswerten fuhrt laut der Studieuber die Schindler Aufzuge AG zueinem einheitlichen Auftreten der Suborganisationen und deren Mitarbeiter, also zu einer “CorporateIdentity”. Auch bei Teltech (Abschnitt 4.3) sind dieseUberlegungen umgesetzt, indem zum Beispiel

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5.5. WISSEN (VER)TEILEN 109

Experten gleicher Fachgebiete interne Schulungen und Treffen abhalten, um so Wissensbestande ab-zugleichen. Die Siemens AG (Abschnitt 4.4) setzt zudem auf Knowledge Broker, welche Wissensbar-rieren abbauen und Mitarbeiter von den Vorteilen der Wissensteilunguberzeugen sollen.

Ein zweiter Aspekt der Barrieren der Wissensverteilung ist jener von vertraulichen und geheimenInformationen. Wissensverteilung um jeden Preis sollte gerade deswegen nicht das eigentliche Zieleines Unternehmens sein. Vielmehr muss das Management vor der Verteilung erarbeiten, wer auf wel-ches Wissen in welchem Umfang zugreifen muss und soll. In der Schindler Aufzuge AG (Abschnitt4.2) wurde zu diesem Zweck ein eigenes Zugriffskonzept im Intranet entwickelt, um kritische Infor-mationen zu schutzen. Auch beruht die Angabe von Fahigkeiten im Skill-Management-System aufFreiwilligkeit, um Datenuber Mitarbeitern nur mit deren Einverstandnis zuganglich zu machen. BeiTeltech (Abschnitt 4.3) gibt es zudem Einschrankungen bei der Wartung des Knowledge Scopes.Ande-rungen im Thesaurus bleiben hier den Wissensingenieuren vorbehalten, um die Konsistenz des Systemszu gewahrleisten und fehlerhafte Inhalte zu vermeiden. Auch der Umgang mit einzelnen Berufsgruppenfallt unterschiedlich aus. So erhalten Fuhrungskrafte der Kundenunternehmen eine detaillierteUber-sicht uber die Nutzung von Teltech-Services, wahrend die Mitarbeiter selbst nur die Dienstleistungenin Anspruch nehmen konnen.

Aufgrund der anfallenden Datenmenge in einem großen und verteilten Unternehmen ist bei derVerteilung von Wissen ganz speziell auf die Server- und Netzwerkbelastung zu achten. EffizienteSuch- und Filtermechanismen konnen sich vorteilhaft auf diese Ressourcen auswirken. Eine Reduktionder Suchergebnisse kann beispielsweise erfolgen, indem die Aktualitat der Resultate oder aber Ein-schrankungen bezuglich bestimmter Unternehmensbereiche oder der Empfangergruppe berucksichtigtwerden. Gerade durch Festlegen, ob ein bestimmtes Dokument nur von lokaler, von nationaler odergar von globaler Bedeutung ist, kann das Netzwerk entlasten und gleichsam dem Wissenskonsumen-ten relevante Suchergebnisse seiner Anfrage anzeigen, wie in Abschnitt 3.5 berichtet wurde.

Bei der Verteilung der Best Practices von Projekten oder internen Prozessen spielt naturlich dieInformationsqualitat (Abschnitt 3.6) eine große Rolle. So setzt die Schindler Aufzuge AG (Abschnitt4.2) auf den Grundsatz des TIQM-Ansatzes2: Das Wiederholen eines Fehlers kann am besten durch Er-fassen von “lessons learned” und die Verteilung derselben verhindert werden. Des Weiteren wirkt sichauch das weltweit einheitliche Auftreten der Schindler Aufzuge AG durch verteilte Image- und Qua-lit atsstandards sowie durch ein normiertes Vorgehen in der Projektabwicklung positiv auf die Qualitatder Informationen im Intranet aus.

Fur lernende Organisationen ist speziell der Aspekt Wissensmultiplikation, also der Prozess einerschnellen Verbreitung bestimmter Wissensbestande auf eine große Zahl an Mitarbeitern, interessant.Beispiele fur die Wissensmultiplikation sind die regelmaßigen Projektbesprechungen in der SchindlerAufzuge AG (Abschnitt 4.2), welche das Teamuber Neuigkeiten im laufenden Projekt informierensollen, und naturlich die internen Schulungen bei Teltech (Abschnitt 4.3), wo Experten Vortrage undWorkshops fur Kollegen des gleichen oder eines verwandten Fachbereichs abhalten. Als Technologienseien hier Newsletter-Dienste fur ein Fachgebiet oder aber der Einsatz von Kommunikationsdienstenwie Online-Diskussionsforen und Email zu nennen, wie in der Fallstudieuber die Siemens AG (Ab-schnitt 4.4) geschildert wurde. Anhand der hier vorgeschlagenen Technologien ist auch ersichtlich,dass Wissensmultiplikation stets einer “Push”-Strategie folgt, dh. es wird zentral entschieden, welchesWissen in welchem Umfang verteilt werden soll und welche Kanale hierfur verwendet werden.

Die “Pull”-Strategie baut hingegen auf die Schaffung einer nicht zentral gesteuerten Informations-struktur, wie das Konzepts des virtuellen Teams (Abschnitt 3.8) zeigt. Ein solches Wissensnetzwerkbringt nun aufgrund der Verteilunguber mehrere Betriebsstatten sowieuber viele Lander eine großeZahl an Barrieren mit sich. So sind bei der Schindler Aufzuge AG (Abschnitt 4.2) personliche Treffen

2Total-Information-Quality-Management-Prozess

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110 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

der Mitglieder eines virtuellen Projektteams nach einer bestimmten Zeit vorgeschrieben, um das Ver-trauen unter den Mitarbeitern wieder aufzufrischen. Auch ist der personliche Kontakt zwischen haufigkommunizierenden Mitgliedern eines Teams gefordert, um die Kommunikationsprozesse zu optimie-ren. Auch die Siemens AG (Abschnitt 4.4) baut auf virtuelle Teams, die vor allem in der Forschungeingesetzt werden. Hier werden Mitarbeiter von unterschiedlichen Betriebsstatten durch Informations-technologie zu einer Community of Pratice (CoP) verbunden, um neues Wissen auf einem speziellenGebiet zu entwickeln. Aus technologischer Sicht ist vor allem ein Groupware-System einsetzbar.

Schließlich ist auch bei einem virtuellen Unternehmens der Prozess der Wissensverteilung einwichtiger Aspekt. Virtuelle Unternehmen kennzeichnet, dass diese nur bestimmte Bereiche der be-triebswirtschaftlichen Leistungserbringungubernehmen und andere Bereiche outsourcen. Beispiels-weise kann ein Konzern, der einen Markt in einem neuen Land erschließen will, nur die wissensbasier-ten Leistungen wie Management, Logistik, Marketing und Verkaufubernehmen, jedoch die Produktionder Halbfertigerzeugnisse und das Sampling derselben den Unternehmen vor Ortuberlassen. Auch vir-tuelle Unternehmen werden grundsatzlich durch Groupware-Systeme unterstutzt, wobei hier bei derEinbindung der Zulieferer auf eine entsprechende Zugriffskontrolle fur sensible Daten zu achten ist.

Tabelle 5.4 zeigt eineUbersichtuber den Prozess der Wissensverteilung.

Problembereich Auswahl an Problempunkten Mogliche LosungsansatzeWissensbarrieren Verteilung von Wissen Intranet, Corporate Memory

Mitarbeiterkompetenzen Nur freiwillige PreisgabeBurokratie/Hierachien Wissensmakler, Einsatz von ITVerbreitung der Unternehmenswerte personliche Treffen, ITFehlinterpretation von Werten Wissensmakler, TreffenAbbau von individuellen Barrieren Soziale Events, WissensmaklerVertrauliche Informationen Zugriffskontrolle

Informationsqualitat Wiederholen von Fehlern Erfassen der “lessons learned”Weltweit einheitliches Auftreten Image- und QualitatsstandardsManagement von Qualitat TIQM-Ansatz

Lernfahigkeit Wissensmultiplikation Projektbesprechungen,Workshops, Schulungen,Einsatz von Push-Technologien

Wissensnetzwerke Einsatz von Pull-TechnologienVirtualitat Verteilung von Teams Einsatz von IT

Virtuelle Unternehmen Produktion ausgelagert,IT-Anbindung der Zulieferer

Virtuelle Teams Einsatz von Pull-TechnologienEinsatz von IT Grundlage fur Verteilung Intranet

Verwalten der Mitarbeiter People DirectoryPush-Technologien Email, Mobilfunk, Newsletter,

Workflow, VideokonferenzPull-Technologien Workgroup ComputingVerteilen der Wissenbestanden Document ManagementUnterstutzung virtueller UnternehmenWorkgroup Computing, Workflow

Tabelle 5.4:Ubersicht Wissensverteilung

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5.6. WISSEN NUTZEN 111

Technologien

Bei der Verteilung von Wissen in großen und geographisch verteilten Unternehmen erweisen sich nach-folgende IT-Systeme als vorteilhaft:

Systeme zur Erfassung der Mitarbeiter (“people directory”) dienen der Verteilung von Informatio-nenuber die Mitarbeiter eines Unternehmens. Idealerweise bietet ein solches System auch die Moglich-keit, dass zusatzliche Meta-Informationen wie Qualifikationen, Erreichbarkeit, usw. angegeben werdenkonnen.

Fur die Wissensverteilung in Projekten oder aber in wissensbasierten Prozessen innerhalb des Un-ternehmens eignen sich Groupware-Systeme. Ein organisatorisches Gedachtniss ist im Normalfall mit-tels daten- oder dokumentenbasierten Informationssystemen aufgebaut. Dementsprechend geschiehtauch die Verteilung des darin gespeicherten Wissensuber Schnittstellen zu diesen Systemen, welcheuber das Intranet erreichbar sein sollten. Auch ein unternehmeninternes Expertenvermittlungssystemoder gar ein Skill-Management-System dient der Verteilung von Wissen.

Ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt dieses Wissensprozesses ist ein Zugriffsmechanismus aufbestimmte Bereiche im IT-System. Hier ist es vorteilhaft, wenn das System eine Rechteverwaltung furdie Daten und Dokumente bereitstellt und man so Benutzern verschiedene Zugriffs- und Sichtweisenauf das gespeicherte Wissen geben kann.

Fur die Wissensmultiplikation, also der Push-Strategie der Verteilung, sind entsprechende Kom-munikationstechnologien wie Email oder Diskussionsforen dienlich, wahrend ein Wissensnetzwerk,welches die Pull-Strategie reprasentiert, durch Groupware-Systeme unterstutzt werden kann.

5.6 Wissen nutzen

Der Prozess der Wissensnutzung zielt auf den produktiven Einsatz organisationalen Wissens zum Nut-zen des Unternehmens ab. Es gilt vorwiegend die Wissensbarrieren abzubauen und das vorliegendeWissen, welches bereits identifiziert, importiert oder weiterentwickelt sowie verteilt wurde, nutzbarzu machen. Dieser Prozess kann auch als die Phase gesehen werden, in der Wissensmanagement imUnternehmen umgesetzt wird.

Organisationale und individuelle Barrieren (Abschnitt 3.3) sind vorwiegend Schuld daran, dass dasorganisationale Wissen nicht genutzt wird. So versucht die Schindler Aufzuge AG (Abschnitt 4.2) kul-turelle Barrieren durch einheitliche Image- und Qualitatsstandards zuuberbrucken. Gerade durch eineunternehmensweit gleiche Projektabwicklung konnen auf diese Weise Best Practices von Projektleiternin anderen Landern und zu einem spateren Zeitpunkt klar nachvollzogen werden. Kommunikationsin-tensive Prozesse wiederrum durfen nuruber eine geringe raumliche Distanz oder aber unter Einsatzvon Kommunikationstechnologien wie Videokonferenz-Systeme gefuhrt werden, um das Vertrauenzwischen den Kommunizierenden zu gewahrleisten. Auch Einrichtungen fur formelle oder informelleMitarbeitertreffen wie beispielsweise ein Info-Center oder ein Seminarraum dienen der Verbesserungder Wissensnutzung.

Teltech (Abschnitt 4.3) verwaltet die Kundensprache in einem Thesaurus, um Barrieren zu derenKunden zu vermeiden, und behandelt diverse Gruppen von Wissenskonsumenten auf eine spezielleArt und Weise. So wurde von den Wissensanalysten Teltechs erkannt, dass Manager gerneUberblickuber die Leistungen der eigenen Mitarbeiter haben, weshalb dieser besonderen Gruppe eineUbersichtuber die Wissensnutzung in deren Unternehmen geboten wird. IT-Fachkrafte wiederrum werden in denProzess der Informationsauffindung eingebunden, damit sie zum einen nicht untatig warten mussenund zum anderen deren Interesse fur einen Fachbereich geweckt wird.

Die Siemens AG (Abschnitt 4.4) setzt in diesem Wissensprozess auf Knowledge Broker, welche

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112 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

die Unternehmenskultur verbessern, von den Vorteilen der Wissensnutzunguberzeugen und bei derSuche nach benotigten Informationen helfen sollen. Des Weiteren wirkt auch das Konzept von virtuel-len Forschungs- und Entwicklungskommunen gegen das Not-Invented-Here-Syndrom. Nehmen Mit-arbeiter von mehreren Abteilungen an der Entwicklung von neuem Wissen oder der Erstellung einesWissensprodukts teil, so fehlt das interne Machtdenken bei der spateren Nutzung des Resultats. Virtu-elle Teams nutzen also nicht nur die Vorteile vonortlicher und zeitlicher Flexibilitat, sondern wirkenauch Wissensbarrieren entgegen.

Das Management eines lernenden Unternehmens (Abschnitt 4.6)ubernimmt fur den Prozess derWissensnutzung die Aufgabe, ein Anreizsystem fur wissensbasierte Tatigkeiten zu schaffen und mitgutem Vorbild voranzugehen. Hierzu mussen Mitarbeiter von den Vorteilen der Wissensnutzunguber-zeugt werden und die entsprechende Zeit dafur bekommen. Weiters mussen auch Zusammenhangeder einzelnen Tatigkeiten aufgezeigt werden, damit ein Mitarbeiteruber seine Aufgabenbereiche hin-ausblicken kann und versteht, welche Funktion er in einem Geschaftsprozess hat. Hierzu eignet sicheine Analyse und darauffolgende Visualisierung eines wissensintensiven Prozesses sehr gut, wie dieFallstudieuber Rolls-Royce (Abschnitt 4.5) gezeigt hat.

Fur die Wissensnutzung ebenfalls sehr wichtig ist das rasche Auffinden von Informationen. Ge-rade diese Tatigkeit wird aber durch das steigende Aufkommen von Informationen im Intranet einesgroßen Unternehmens sowie im Internet erschwert (Abschnitt 3.5). Vor allem Teltech (Abschnitt 4.3)bietet deren Kunden Unterstutzung bei der Suche. So fuhrt bei Anruf eines Kunden ein Wissensanalysteine erste Suche nach den gewunschten Informationen durch und vermittelt gegebenenfalls an einenExperten weiter. Teltech hat aber auch intelligente Suchalgorithmen und Filtermechanismen imple-mentiert, um bei einer Suchanfrage nur die relevanten Ergebnisse aus 1600 Datenbanken zu erhalten.Weiters konnen auch komplexe und mehrstufige Suchverfahren – wie beispielsweise die Suche nacheiner Erfindung – durch einem Experten, der dabei mit dem Kunden interagiert, durchgefuhrt werden.Die Siemens AG (Abschnitt 4.4) setzt bei Daten und Dokumente auf Meta-Informationen, welche eineKategorisierung und eine effizientere Suche ermoglicht.

Die Qualitat der Informationen (Abschnitt 3.6) spielt in diesem Wissensprozess eine bedeutendeRolle. Auch hierfur eignen sich die eben beschriebenen Meta-Informationen fur Daten und Dokumentehervorragend. Durch Angabe des Autors ist auf diese Weise der Verfasser einer Information bekannt,das Erstellungsdatum oder das Datum der letztenAnderung gibt Aufschlußuber die Aktualitat ei-nes Dokuments und das Auswahlen einer oder mehrerer Fachgebiete hilft bei der Kategorisierung derDaten. Naturlich ist auch Festlegen des Gutligkeitsbereiches oder der Empfangergruppe einer Infor-mation vorteilhaft fur die Informationsqualitat und somit fur die Wissensnutzung. Schließlich sei hierauch erwahnt, dass unterschiedliche Gruppen von Meta-Informationen fur die Nutzung von Dokumen-ten in verschiedenen Unternehmensbereichen eines großen Konzerns eine Steigerung der Informati-onsqualitat bewirken kann, da auf diese Weise die Mitarbeiter der einzelnen Bereiche ihre eigenenQualitatskriterien von ein und derselben Information definieren konnen.

Die Siemens AG (Abschnitt 4.4) laßt zudem neues Wissen, welches entweder importiert oder selbstentwickelt wurde, von einem Experten bewerten. Bei Rolls-Royce (Abschnitt 4.5) wiederrum wurdendie Ergebnisses der Ausarbeitung eines Entwicklungsprozesses durch verlinkte Webseiten im Intranetzuganglich gemacht. Diese “hirngerechte” Dokumentenstruktur ist fur die Mitarbeiter einfach zu ver-stehen und wirkt sich deshalb positiv auf die Wissensnutzung aus. Schließlich verzichtet die SchindlerAufzuge AG (Abschnitt 4.2) auf umfangreiche Leitfaden fur die einheitliche Projektabwicklung unddie vorgegebenen Image- und Qualitatsstandards, sondern stellt die hierfur notwendigen Dokumentemultimedial aufbereitet und ebenfalls mit weiterfuhrenden Links versehenen Dokumenten im Intranetzur Verfugung. Des Weiteren werden die Durchfuhrung wichtiger Tatigkeiten in einem Projekt und dieVerankerung von Lernzielen durch ein Workflow-System unterstutzt.

Hinsichtlich der Wissensnutzung ist in Tabelle 5.5 eine entsprechendeUbersichtuber die Probem-

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5.6. WISSEN NUTZEN 113

bereiche und die in diesem Abschnitt erarbeiteten Losungsansatze zu sehen.

Problembereich Auswahl an Problempunkten Mogliche LosungsansatzeWissensbarrieren Not-Invented-Here-Syndrom Eingehen auf Mitarbeitergruppen

Internes Konkurrenzdenken Virtuelle ForschungsteamsKommunikative Prozesse Videokonferenzen, TreffenAbbau individueller Barrieren Info-Center, Soziale EventsNutzung externen Wissens AnreizsystemeBurokratie/Hierachie Wissensmakler, Einsatz von ITSprachliche Barrieren Mehrsprachige DokumenteWeltweites Auftreten Image- und QualitatsstandardsUberblickuber eigene Tatigkeit Visualisieren der ArbeitsablaufeAngst vor IT, Desinteresse Usability des Systems

Informationsflut Wissensauffindung Einsatz von Wissensmaklern, ITUmfangreiche Wissensbestande Kategorisierung, Visualisierung

FiltermechanismenViele Suchresultate Intelligente SuchalgorithmenIrrelevante Informationen Filterung mittels Metadaten

Informationsqualitat Qualitat der Dokumenten Metadaten, AnnotationenVerwendung von Metadaten Autor, Erstellungsdatum, usw.Erstellen von Metadaten Automatisches Generieren, ExperteMehrsprachige Dokumente AutomatischeUbersetzung, ExperteSteigerung der Qualitat Bewertung durch ExpertenKategorisierung des Wissens durch Experten

Virtualitat Verteilung von Teams Einsatz von ITAbsinken des Vertrauens regelmaßige Treffen

Einsatz von IT Verwaltung von Wissen Document ManagementUnterstutzung virtueller Teams Workgroup ComputingVisualisieren von Ablaufen Workflow, Verlinkte StrukturUsability des Systems Einheitliche Oberflache, Bedienbarkeit,

konsistente Inhalte, rascher ZugriffSystemeigenschaften Strukturierte Dokumentenverwaltung,

Zugriffskontrolle, Verlinkung,umfangreiche Suchmechanismen

Tabelle 5.5:Ubersicht Wissensnutzung

Technologien

Von Seiten der Informationstechnologie her wird im Prozess der Wissensnutzung vor allem die Usa-bility großgeschrieben. Eine einheitliche Benutzeroberflache und konsistente Inhalte sind wesentlicheVorraussetzungen dafur, dass das gespeicherte und verteilte Wissen auch entsprechend genutzt wird.Gerade gegen kulturelle Barrieren werden durch eine einheitlich gestaltete Oberflache des internenInformationssystems unterstutzt, wobei sich geringfugige Anpassungen des Interfaces an eine Subor-ganisation positiv auf den Zusammenhalt in diesem Bereich auswirken. Umgesetzt kann eine solcheStrategie zum Beispiel werden, indem die Benutzeroberflache des KM-Systems im gesamten Konzerngleich gestaltet ist, es aber zum Beispiel ein eigenes Logo oder eine Farbe fur eine Abteilung gibt.

Das organisatorische Wissen, das in der IT-Infrastruktur eines Unternehmens gespeichert wird,

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114 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

kann gleichsam in einem daten- oder dokumentenbasiertem Informationssystem wie auch in einerGroupware-Losung integriert sein. Im Normalfall werden in einem großen und geographisch verteiltenUnternehmen mehrere der bereits vorgestellten Technologien zum Einsatz kommen. Fur die Wissens-nutzung wichtig ist ein fur alle Medien gleiches Erscheinungsbild,uber das die Wissenskonsumentenauf das Wissen zugreifen konnen. Zudem sollte der Zugriff auf unterschiedliche Datenbankenuber eineinheitliches Frontend geschehen.

Hilfreich fur dasUberblicken und Verstehen von umfangreicheren Prozessen im Unternehmenist eine Visualisierung des gesamten Ablaufs. Zum Beispiel kann ein wissensbasierter Prozess wieKnowledge Engineering durch den Einsatz von verlinkten Dokumenten oder aber durch ein Workflow-System dargestellt werden. Die Schaffung eines solchenUberblicksuber einen Geschafts- oder Wis-sensprozess dient nicht nur den Prozessverantwortlichen zu Optimierungszwecken, sondern gibt denMitarbeitern auch ein grundlegendes Verstandnis fur deren Rolle in einem solchen Ablauf.

Ein wesentliches Element der Wissensnutzung ist naturlich das Auffinden bzw. Wiederauffindenvon Informationen im unternehmenseigenen Intranet sowie auch in externen Wissensspeichern. Einer-seits muss ein ideales KM-System sehr machtige Suchmechanismen unterstutzen, die beispielsweiseauch Synonyme oder grammatikalische Abwandlungen von Suchbegriffen berucksichtigt. Andererseitsmuss die dadurch entstandene Flut an Informationen gefiltert und bezuglich Qualitatseigenschaftensortiert werden. Filtermechanismen lassen sich realisieren, indem beispielsweise die Ortsabhangigkeitsowie die Empfangergruppe von Informationen in Form von Metadaten gespeichert werden. Qualitats-eigenschaften kann man hingegen durch generierte Metadaten wie Autor, Erstellungsdatum, usw. unddurch eine Bewertung der Inhalte von Experten festlegen.

5.7 Wissen bewahren

Wissensbewahrung behandelt den Prozess der Bewahrung von Erfahrungen und Informationen, damitdas organisationale Gedachtnis bzw. Teile davon nicht verloren gehen. Zu den wichtigsten Aufgabenhierfur zahlen das Selegieren des kritischen Wissens, das Speichern desselben auf entsprechende Me-dien und die regelmaßige Aktualisierung.

Die Barrieren in diesem Prozess sind vorwiegend organisationaler Natur (Abschnitt 3.3). Bei derSchindler Aufzuge AG (Abschnitt 4.2) werden zum einen Besprechungen abgehalten, um aktuellesProjektwissen an alle Mitarbeiter weiterzugeben und dieses somit in den Kopfen mehrerer Personen zuspeichern. Zum anderen werden einzelne Projektphasen dokumentiert und vor allem Besprechungenmit Kunden durch Protokolle festgehalten. Auch die Projektnachbesprechungen und das Sichern derBest Practices aus einem Projekt dient der Bewahrung von kritischem Wissen. Ein zentrales Anliegender Siemens AG (Abschnitt 4.4) ist die Identifikation von Mitarbeitern, die in Geschaftsprozessenkritische Aufgabenubernehmen. Diese Schlussenmitarbeiter – aus Sicht des Wissensmanagementsetwa Knowledge Broker – werden durch spezielle Anreizsysteme wie leistungsbezogene Pramien oderOptionen auf Aktien des eigenen Unternehmens starker gebunden.

Ein wirksames Mittel gegen das Informationsuberangebot (Abschnitt 3.5) ist die Verwendungvon Meta-Informationen wie dem Erstellungs- undAnderungsdatums eines Dokuments oder einerInformation. Auf diese Weise kann man eine Reihung der Daten nach Aktualitat vornehmen, wie dieTeltech-Studie (Abschnitt 4.3) zeigt. Meta-Informationen wie der Verfasser, das Erstellungsdatum oderein Fachgebiet eines Dokuments bedeuten zudem eine Steigerung der Informationsqualitat. Das Ein-schranken von Informationen auf einen bestimmten Unternehmensbereich bzw. auf eine Empfanger-gruppe ist hingegen ideal, um irrelevante Informationen im Vorhinein zu filtern. Auch die regelmaßigeWartung eines Systems ist, wie sie beim Knowledge Scope von Teltech durch die Wissensingenieuredurchgefuhrt wird, vorteilhaft fur die Bewahrung von in einem System integriertem Wissen. Die Sie-

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5.7. WISSEN BEWAHREN 115

mens AG (Abschnitt 4.4) setzt innerhalb einer Community of Practice einen sogenannten TechnicalEditor ein, der bestimmte Meta-Informationen fur Dokumente wartet und somit qualitativ hochwertigeund konsistente Informationen garantiert.

Das Sichern des impliziten Wissens von Experten mit langjahrigen Erfahrungen ist fur alle Organi-sationen eine große Herausforderung, da gerade solche Mitarbeiter – zum Beispiel altersbedingt durchPensionierung – das Unternehmen verlassen konnen und dadurch wichtige Wissensbestande verlorengehen. Teltech (Abschnitt 4.3) setzt in diesem Fall auf das japanisches Konzept “sempai-kohai”, wojunge Experten mit den erfahrenen Experten des gleichen Fachbereichs ein Team bilden, sodass dielangjahrigen Erfahrungen durch den Prozess der Sozialisierung weitergegeben werden.

In der Siemens AG (Abschnitt 4.4)ubernimmt der Practice Leader einer Forschungskommunedie wichtige Aufgabe, kunftig wichtiges Wissen zu selegieren und entsprechend zu kennzeichnen.Knowledge Broker wiederrum beobachten bestimmte Diskussionsforen und warten diese. Hochwerti-ge Inhalte wie auch Aktualitat stehen hier im Vordergrund. Bei Rolls-Royce (Abschnitt 4.5) werdenzum einen bei der Analyse von unternehmensinternen Prozessen Schlusselmitarbeiter identifiziert unddurch Anreizsysteme an das Unternehmen gebunden. Zweitens setzt Rolls-Royce auch auf gezielteExternalisierung von “tacit knowledge”, indem ein wissensbasierter Prozess durch strukturierte Inter-views ausgearbeitet und multimedial aufbereitet wird.

Schließlich spielt auch das Management (Abschnitt 4.6) in diesem Prozess eine wichtige Rolle:Dieses muss naturlich die Ressourcen fur die Wartung des Intranets zur Verfugung stellen. Zudementscheidet auch das Management, welches Wissen bewahrt und fur den kunftigen Gebrauch gespei-chert und welches vorhandene Wissen wieder entlernt werden soll. Gerade in großeren Organisation istdie Vorgang des Selegierens aufgrund der vielen Erfahrungen, die taglich im Unternehmen entstehen,notwendig.

In Tabelle 5.6 sind die Losungsansatze fur den Prozess der Wissensbewahrunguberblicksmassigdargestellt.

Technologien

In erster Linie geht es bei der Bewahrung von Wissen um Angelegenheiten des Managements wiedas Selegieren, das Speichern und das Aktualisieren von kritischen Wissensbestanden. Aus techno-logischer Sicht ist die regelmaßige Sicherung der Daten im IT-System zu erwahnen. Des Weiterenfallt auch das Protokollieren von formellen oder informellen Treffen oder das Dokumentieren vonProjektphasen oder Arbeitsablaufen in den Prozess der Wissensbewahrung, wenn das Managemententschlossen hat, dass sich dieser Aufwand lohnt und das so externalisierte Wissen gespeichert undverteilt werden soll. Schließlich ist auch das Entlernen bzw. Archivieren von nicht mehr benotigtemWissen bei der Wissensbewahrung zu berucksichtigen.

Bei der Bewahrung von Wissensdokumenten ist als IT-System primar ein Document-Management-System zu nennen, was bereits bei anderen Wissensprozessen (Wissensidentifikation, Wissenserwerb,usw.) bereits angedeutet wurde. Diese meist auf Datenbanken basierenden Systeme ermoglichen dasstrukturierte Speichern von Dokumenten und erlauben in der Regel die Eingabe oder automatischeGenerierung von Meta-Informationen. Eine gute Bedienbarkeit und effiziente Suchalgorithmen sindweitere Garanten dafur, dass ein Document-Management-System eine wichtige Basistechnologie furein organisationales Gedachtnis sein kann. Weitere Applikation konnen auf einem guten Document-Management-System aufgebaut sein, wie in Kapitel 6 noch zu sehen sein wird.

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116 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

Problembereich Auswahl an Problempunkten Mogliche LosungsansatzeWissensbarrieren Sichern von Projektwissen Besprechungen, Dokumentieren

Sichern von Kundengesprache Aufzeichnung, ProtokolleSichern von implizitem Wissen Binden von Schlusselmitarbeiter,

Externalisierung, SozialisierungInformationsflut Umfangreiche Wissensbestande Kategorisierung, Visualisierung,

FiltermechanismenViele Suchresultate Intelligente SuchalgorithmenIrrelevante Informationen Filterung mittels Metadaten

Informationsqualitat Qualitat erzeugter Dokumente Metadaten, AnnotationenAktualisieren von Dokumenten Metadaten, ExpertenErstellen von Metadaten Automatisches Generieren, ExperteMehrsprachige Dokumente AutomatischeUbersetzung, ExperteSteigerung der Qualitat Bewertung durch ExpertenKategorisierung des Wissens durch Experten

Lernfahigkeit Selegieren von kritischem Wissen WissensmaklerEntlernen von veraltetem Wissen WissensmaklerAnreizsystem fur Schlusselmitarbeiter Pramien, AktienoptionenWartung des Intranets Personal-, Hardwareressourcen

Einsatz von IT Verwalten des gesichertem Wissens Document ManagementSichern der Informationen Backupstrategie

Tabelle 5.6:Ubersicht Wissensbewahrung

5.8 Wissensziele definieren

Wie bereits bei der Wissensbewahrung zu sehen ist, sind in diesem und auch in allen anderen Wis-sensprozessen wichtige Entscheidungen des Managements eines Unternehmens notwendig. Diese Ein-flußnahme der unternehmerischen Fuhrungsebene aus Sicht des Wissensmanagements wird in einemeigenen Prozess, namlich in jenem der Wissensziele zusammengefasst. Wissensziele benotigt man furdie strategische Ausrichtung des Wissensmanagements, also um Lernanstrengungen eine Richtung zugeben.

Man unterscheidet drei Gruppen von Wissenszielen: Normative Wissensziele nehmen Einfluß aufdie rechtliche Struktur eines Unternehmens. Sie werden durch unternehmenspolitische Aktivitaten um-gesetzt und sollen eine Verbesserung der Unternehmenskultur bewirken. Strategische Ziele hingegenbeschaftigen sich mit der Organisationsstruktur und Managementsystemen. Mittels interner Initiativensollen Verbesserungen in den Wissensprozessen erwirkt werden. Die operativen Wissensziele sorgenfur die Umsetzung der Wissensmanagement-Initiativen, indem konkrete Projekte definiert und durch-gefuhrt werden, um die Leistungserbringung hinsichtlich wissensbasierter Tatigkeiten zu steigern.

Der großte Problembereich bei der Definition von Wissenszielen sind die Wissensbarrieren (Ab-schnitt 3.3). Gegen individuelle Barrieren wirken der von der Schindler Aufzuge AG (Abschnitt4.2) vorgeschlagene Wandel von der Personalisierungs- zur Kodifizierungsstrategie. Ein erster Schritthierfur ware das Erfassen der Kompetenzen eines Experten durch ein Skill-Management-System undeine Zuordnung des Mitarbeiters zu einem oder mehreren Fachgebieten. In weiterer Folge kann danndas implizite Wissen eines Experten teilweise oder im Extremfall zur ganze externalisiert werden,sofern dies fur die Weiterentwicklung der Kernkompetenzen eines Unternehmens vorteilhaft ist. Derschrittweise Wandel zur Kodifizierungsstrategie verhindert auf alle Falle individuelle Barrieren.

Der besondere Umgang mit bestimmten Mitarbeitergruppen, wie ihn Teltech (Abschnitt 4.3) prak-

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5.8. WISSENSZIELE DEFINIEREN 117

tiziert, dient dem Abbau von individueller Barriern. IT-Fachkrafte, die in einen schwierigen Suchvor-gang durch den Wissensanalysten eingebunden werden, mussen zum einen nicht gelangweilt auf einErgebniss warten und teilen zudem das Erfolgserlebnis einer gelungenen Suche.

Auch die Siemens AG (Abschnitt 4.4) beschaftigte sich bei der Erstellung des KM-Frameworksmit Wissenszielen. So lautet ein Grundsatz fur Knowledge Management in der Siemens AG, dass eindefiniertes Wissensziel nie die Geschaftsstrategie außer Acht lassen darf. Beispielsweise ist der Auf-bau von Wissen, welches weder Kernkompetenzen noch ein Produkt des Unternehmens verbessert,eine Verschwendung von Ressourcen, wie leicht einzusehen ist. Auch die Schaffung einer offenenUnternehmenskultur ist bei der Siemens AG als normatives Wissensziel festgelegt. Das Stellen vonFragen oder das Anbringen von Kritik ist explizit von den Mitarbeitern erwunscht. Ebenso sollen Ab-teilungsleiter wie auch die Practice Leader den Mitarbeitern entsprechende Freiraume fur wissensba-sierte Tatigkeiten einraumen. Schließlich haben die Knowledge Broker in der Siemens AG auch dieAufgabe, Tatigkeiten zur Verbesserungen der Unternehmenskultur durchzufuhren.

Das Management (Abschnitt 4.6) eines Unternehmens, welches seine Kernkompetenzen auf- oderausbauen will, muss naturlich Anzeizsysteme fur wissensbasierte Tatigkeiten schaffen. Zudem mussendie Fuhrungskrafte die definierten normativen und strategischen Wissensziele vorleben, um die Mit-arbeiter von deren Notwendigkeit zuuberzeugen. In Hinblick auf die Informationsqualitat obliegt esebenfalls den Fuhrungskraften, Qualitatskriterien und Ziele fur das Qualitatsmanagement von Infor-mationen zu definieren.

Gerade der Wandel eines Unternehmens zu einer lernenden Organisation (Abschnitt 3.7) wirdhauptsachlich vom Management getragen. So muss man vom Organisationskonzept des Taylorismus(“maximaler Ertrag mit minimalem Aufwand”) wegkommen und moderne Konzepte wie die LeanProduction (“schlanke Produktion und fullige Mitarbeiterqualifikation”) forcieren. Mit diesem Para-digmenwechsel ist in erster Linie gemeint, dass ein großes Unternehmen einzig mit einer Steigerungder Produktion nicht dauerhaft wachsen kann. Irgendwann wird der Marktubersattigt sein und die Pro-dukte konnen nicht mehr abgesetzt werden. Lean Production setzt nun auf eine Weiterentwicklung derKernkompetenzen, womit ein Unternehmen intelligentere Produkte schaffen und neue Dienstleistun-gen anbieten kann. Durch diesen Wandel von einem reinen Produzenten zu einem produktions- undserviceorientierten Unternehmen kann auch ein großer und weltweit prasenter Konzern Umsatze undGewinne steigern.

Aus Sicht der Organisationsstruktur empfiehlt sich fur wissensintensive Tatigkeiten das Bildenvon sozialen Systemen. Eine solche Suborganisation, die aus eineruberschaubaren Anzahl an Mitar-beiter besteht, ist wesentlich lernfahiger und kann sich auf einen Bereich innerhalb des Unternehmenskonzentrieren. Durch diese Spezialisierung ist ein soziales System effizienter als eine starre Unter-nehmenshierachie, durch die hohere Lernfahigkeit ist eine großere Flexibilitat gegeben. Interessantfur Unternehmensbereiche oder auch kleinere Einheiten wie soziale Systeme ist die Moglichkeit, sichvom gesamten Unternehmen durch Eigenheiten wie beispielsweise ein eigenes Logo oder erweitertekulturelle Werte, die jedoch sehr wohl im Einklang mit den Werten der Organisation stehen mussen,abzugrenzen. Diese spezifischen Besonderheiten starken den internen Zusammenhalt und erlauben eingesundes Konkurrenzdenken in einem großen Konzern. Die Schindler Aufzuge AG (Abschnitt 4.2)ermoglicht zum Beispiel fur einzelne Projekte eigene Portale, wodurch ein solches Projektteam eineSonderstellung innerhalb des Konzerns hat.

Nun kann man auch fur das gesamte Unternehmen normative und strategische Wissensziele de-finieren und diese dann auf eine solche soziale Einheit “herunterbrechen”. In der Schindler AufzugeAG gibt es unter anderem Wissensingenieure, welche eine Suborganisation zu einer lernenden Einheituberfuhren sowie Strategien und Maßnahmen fur Wissensmanagement – also die definierten Wissens-ziele – umsetzen. Fur das Unternehmen selbstubernehmen KM-Rollen wie der Chief Knowledge Of-ficer (CKO) oder ein Kompetenzfeldverantwortlicher (KFV) die Aufgabe, Wissensziele zu definieren

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118 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

und umzusetzen.

Hinsichtlich der Wissensziele ist in Tabelle 5.7 eine entsprechendeUbersichtuber die Probembe-reiche und die in diesem Abschnitt erarbeiteten Losungsansatze zu sehen.

Problembereich Auswahl an Problempunkten Mogliche LosungsansatzeWissensbarrieren Individueller Barrieren Wandel zu Kodifizierungsstrategie,

Info-Center, Soziale EventsKulturelle Barrieren gemeinsame Regeln, soziale EventsBurokratie/Hierachien Wissensmakler, Einsatz von ITUnternehmensweiter ZusammenhaltDefinition gemeinsamer WerteWeltweit einheitliches Auftreten Image- und QualitatsstandardsZusammenhalt in Abteilungen Abgrenzung durch EigenheitenVerbreitung der Unternehmenswertepersonliche Treffen, ITSichern von implizitem Wissen ExternalisierungKommunikative Prozesse Videokonferenzen, Treffen

Lernfahigkeit Anpassung, Flexibilitat Gebilde sozialer EinheitenInnovationsfreundliche Umgebung Konzept der Lean ProductionManagement der Wissensbestande KM-RollenFestlegen der Kernkompetenzen KM-RollenEinsetzen von KM-Rollen CKO, KFV, WissensmaklerSpezialisierung von Abteilungen Zuweisung von Kompetenzen

Einsatz von IT Abgrenzung von Abteilungen BereichsportalUnterstutzung des Managements Workflow, Workgroup Computing

Tabelle 5.7:Ubersicht Wissensziele

Technologie

Wie bereits erwahnt wurde, empfielt sich als Organisationsstruktur fur ein großes, verteiltes Unter-nehmen aus Grunden der Lernfahigkeit ein Netzwerk von sozialen Systemen. Eine interessante IT-Komponente in diesem Zusammenhang ist ein Bereichsportal. Ein solches Portalsystem ermoglicht es,dass Bereiche und Abteilungenuber eine eigene, anpassbare Oberflache auf das Informationssystemzugreifen konnen. Die Anpassbarkeit betrifft bezuglich der Oberflache eine eigene Farbe, ein Logo,usw. und bezuglich des Inhalts eine Sammlung von Hyperlinks, eine eigene Themenstruktur, usw. DesWeiteren ist auch ein Newssystem interssant, welches die interne Struktur der Organisation unterstutztund das Portal mit Neuigkeiten der unter- undubergeordneten Organisationseinheiten versorgt.

Ansonsten geht es bei der Definition von Wissenszielen um die Einflußmoglichkeiten auf die ein-zelnen Bausteine des Wissensmanagement. Diese Aktivitaten betreffen in erster Linie das Managementeines Unternehmens. Das Management kann naturlich wie jedes andere Team im Unternehmen durchWorkgroup Computing oder Workflow-Systeme unterstutzt werden.

Eine Uberprufung der Wissensziele, also quasi eine Art Controlling, ist fur das Management al-lerdings erst dann moglich, wenn das organisationale Wissen bzw. wissensbasierte Prozesse gemessenwerden konnen. Mit der Bewertung von Wissen beschaftigt sich der nun folgende Abschnitt.

5.9 Wissen bewerten

“Was man nicht messen kann, kann man nicht managen!” (anonyme Managerweisheit)

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5.9. WISSEN BEWERTEN 119

Diese anonyme Weisheit deutet darauf hin, dass eine Optimierung der Wissensprozesse durch De-finition von Wissenszielen eigentlich nur moglich ist, wenn das vorhandenen Wissen auch bewertetwerden kann.

Der Prozess der Wissensbewertung stellt Methoden zur Bewertung des Erfolgs der Lernprozessezur Verfugung. Es wird dabei “gemessen”, ob die formulierten Wissensziele erfolgreich umgesetztwurden. Weiters behandelt dieser Prozess Indikatoren fur Wissensmanagement und Moglichkeiten derBilanzierung des intellektuellen Kapitals.

Die Siemens AG (Abschnitt 4.4) setzt zur Bewertung von externalisierten Wissen in den For-schungskommunen zum einen Review Members ein, welche bestimmte Foren sowie Daten und Do-kuemente in einzelnen Bereichen des organisationalen Gedachtnisses regelmaßig begutachten. Zumanderen gibt es gerade fur jede Community Of Practice einen zustandigen Technical Editor, der eben-falls entsprechende Dokumente beurteilt. Auf diese Weise wird ein hoher Qualitatsstandard fur die imSystem befindlichen Informationen gschaffen.

Der Bereich der Bewertung von Unternehmensstrategien ist ebenfalls im WissensmanagementKonzept der Siemens AG berucksichtigt. Man verwendet hierbei das Managementinstrument “balan-ced scorecard”, mit welchem Geschaftsprozesse verschiendenen Perspektiven – beispielsweise der fi-nanziellen Perspektive, Lern- und Wachstumsperspektiven, usw. – gegenubergestellt werden. Auf dieseWeise konnen Visionen des Unternehmens visualisiert und die Umsetzung derselben bewertet werden.Durch den “balanced scorecard”-Ansatz erhalt man eine Bewertung der Lernprozesse eines Unterneh-mens, welche man mit den strategischen Wissenszielen gleichsetzen kann. Das Management verfugtsouber eine Bewertung der strategischen Wissensziele und kann diese bei Bedarf abandern oder neueZiele definieren.

Ein sehr machtiges Instrumentarium zur Bewertung der eigenen Fahigkeiten ist das Benchmar-king. Es obliegt dem Management (Abschnitt 4.6), einen direkten Vergleich des Unternehmens mitunmittelbaren Konkurrenten durchzufuhren. Man kann so beispielsweise festzustellen, ob das ande-re Unternehmen einen Innovationsvorsprung aufgebaut hat oder man selbst der Technologiefuhrer ist.Auch einen Vergleich bezuglich der Kundenzufriedenheit, welche durch Casting Services wie zumBeispiel einer Umfrage oder durch das eigene Call-Center erreicht werden kann, sollte man hier inErwagung ziehen.

Tabelle 5.8 zeigt eineUbersichtuber den Prozess der Wissensbewertung.

Problembereich Auswahl an Problempunkten Mogliche LosungsansatzeLernfahigkeit Bewertung von Wissen durch Experten

Bewertung von Lernprozessen “balanced scorecard”Einsatz von IT Qualitatsbewertung Document Management

Zwingende DokumentenbewertungWorkflowKundenzufriedenheit Online-UmfragenAuswerten von Kundendaten Data WarehousingIndikatorensysteme fur KM Spezialsoftware

Tabelle 5.8:Ubersicht Wissensverteilung

Technologien

Technologisch gesehen ist fur die Wissensbewertung ein Document-Management-System interessant.Hier kann man einerseits eine Qualitatsbewertung von Inhalten realisieren, andererseits kann man aberauch die Informationen, die sich in einem solchen System befinden, statistisch auswerten. Gerade ineinem großen, verteilten Konzern kann man so anhand des KM-Systems ein internes Benchmarking

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120 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

unter den einzelnen Bereichen und Abteilungen durchfuhren und so ein gesundes Konkurrenzdenkenfordern.

Bei automatisierten Arbeitsablaufen, die durch ein Workflow-System realisierbar sind, kann zu-dem eine Bewertung fur Daten oder Dokumente erzwungen werden. Die Kundenzufriedenheit kanneinerseits durch eine Umfrage auf der eigenen Webseite oder durch das Call-Center erhoben werdenoder aber durch Auswertung von Kundendaten durch Data Warehousing Systeme.

Ansonsten ist auch dieser Wissensprozess eher durch Management-Methoden als durch gangige IT-Systeme gekennzeichnet. Das automatische Generieren von Wissensindikatoren oder Wissensbilanzenist allerdings bei einzelnen Unternehmen wie zum Beispiel der Skandia durch eigens entwickelter IT-Komponenten moglich. Diese Indikatorensysteme oder Monitoring Tools sind jedoch nur im Intranetder entsprechenden Unternehmen verfugbar und nicht am Markt als Standardsoftware erhaltlich.

5.10 Ideales KM-System

Aus dem Untersuchungsbereich und den Abschnitten 5.2 bis 5.9 geht hervor, dass die in Tabelle 5.9beschriebenen Komponenten ideal fur ein KM-System in großen, verteilten Konzernen sind.

IT-Komponente Eigenschaften, BestandteileDocument ManagementStrukturierte Dokumentenverwaltung, Zugriffskontrolle, Metadaten,

Usability, Mehrsprachigkeit, Versionskontrolle, Annotationen,Hyperlinks, Importieren von Informationen

Mitarbeiterverwaltung People Directory, Expertensuche, Skill Management, BenutzerprofileSearch-Engine Sucheuber Bereiche eines Servers, Sucheuber mehrere Server,

Suche in externen Systemen, komplexe Suchabfragen, Thesaurus,Suche nach grammatikalischen Variationen, phonitische Suche

Workgroup Computing Aufgabenverwaltung, verteilter Kalender, Diskussionsforum,Repository fur Daten, Adressverwaltung, Projektverwaltung,Email, Mobilfunk, Videokonferenz, Mailinglist, Whiteboard, Chat

Workflow Editor, Simulator, Engine, MonitoreLearning System Individuelle Umgebung, Umgebung fur Teams, Online-Kurse,

Online-Prufungen, Multimediale Inhalte, Diskussionsforum, ChatPortalsystem Benutzerportal, Bereichsportal, Ideenborse, HandelsplattformNewssysteme Unternehmensnews, News-Watchdog, News-Parser, News-PublishingWeb-Services Online-Shop, Support-Site, Data Warehousing, Umfragen,

FAQ-System, Helpdesk, Recommendation System

Tabelle 5.9: Komponenten eines idealen KM-Systems

Die wichtigste Komponente zur Verwaltung von explizitem Wissen ist naturlich ein Document-Management-System, welches eine strukturierte Ablage der Dokumente, eine Zugriffskontrolle, Me-tadaten und die anderen in der Tabelle 5.9 erwahnten Eigenschaften bietet. Des Weiteren sind dieVerwaltung der Mitarbeiter von einem großen, verteilten Unternehmen sowie eine umfangreiche Such-funktionalitat nach Experten wesentliche Kriterien fur ein Knowledge Management System in einemgroßen Konzern. Das Verwalten der Fahigkeiten sowie das Speichern von Benutzerprofilen solltenebenfalls unterstutzt werden.

Auch eine effiziente Wissensauffindung muss durch entsprechenden Suchmechanismen moglichsein. So sollte ein Benutzer Bereiche am Server,uber mehrere Server hinweg und auch in externen Sy-stemen nach Informationen suchen konnen. Neben der Eingabe eines einfachen Suchbegriffs sollte ein

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5.11. ZUSAMMENFASSUNG 121

erfahrener User auch die Moglichkeit haben, komplexe Abfragen zu erstellen. Ideal ware es, wenn auchBegriffe mit ahnlicher Bedeutung (Thesaurus) oder variierender Schreibweise sowie grammatikalischeAbwandlungen bei der Suche berucksichtigt werden.

Ein Workgroup-Computing-System dient der Unterstutzung von Teams, ein Workflow-Systemwird zur Automatisierung von Ablaufen im Unternehmen eingesetzt. eLearning-Systeme ermoglichenes, einzelnen Mitarbeitern oder Teams Lerninhalte, die idealerweise multimedial aufbereitet sind, zuvermitteln und zu diskutieren sowie Online-Prufungen durchzufuhren. Portal- und Newssysteme sowiewebbasierte Dienste erganzen das ideale Informationssystem eines großen und verteilten Konzerns.

Zusatzlich zu diesen Anforderungen an ein KM-System fur ein großes und verteiltes Unternehmengibt es noch drei Aspekte, die ein dermaßen komplexes IT-System, wie es hier beschrieben ist, mit sichbringen sollte:

1. Eine der wesentlichsten Anforderungen an ein komplexes und umfangreiches Software-Produktist ein modularer Aufbau desselben. Modularitat bedeutet fur ein großes System, dass es optimalan die Bedurfnisse eines Kunden angepasst werden kann. Auch fur die kunftige Erweiterungendes Produkts sowie fur den Prozess der Softwareentwicklung selbst ist ein modularer Aufbaueine wichtige Vorraussetzung.

2. Des Weiteren kann man auch die Verwendung des XML-Formats fur die Konfiguration des Sy-stems fordern. XML3 ist eine Vereinfachung der sehr umfangreichen Markup-Sprache SGML4

und dient zur Beschreibung von Informationen in geeigneter, logischer Art und Weise. NachAngaben des W3C5 soll sich XML als der fuhrende Standard der Informationsbeschreibungdurchsetzen. [Behme et al. 2000]

3. Eine dritte wesentliche Eigenschaft fur ein derartiges KM-System ist das Speichern der Datenin einer kommerziellen Datenbanklosung. Entsprechende Produkte bieten zum einen ausgereifteBackup-Strategien und berucksichtigen auch Aspekte wie Zugriffskontrolle, Datenkonsistenz(Roll-Back-Mechanismen), Sicherheit, Datenmigration, uvm.

5.11 Zusammenfassung

Die Entscheidung, welche Technologie nun in einem Unternehmen oder im Falle eines großen Kon-zerns in einer Suborganisation zum Einsatz kommen soll, liegt in erster Linie beim Management.Hierfur mussen vorerst samtliche Geschafts- und Wissensprozesse analysieren und wesentliche Kom-petenzen des Unternehmens identifiziert werden. Dann mussuberlegt werden, in welcher Form und inwelchen Umfang das organisatorische Wissen durch ein System erfasst werden soll. Fehlende Kompe-tenzen mussen entweder erworben oder selbst entwickelt und bei Bedarf ebenfalls externalisiert wer-den. Erst dann kann entweder ein am Markt verfugbares Produkt oder eine selbst entwickelte Software-Losung zur Unterstutzung von Knowledge Management im Intranet des Unternehmens etabliert wer-den.

Bevor auf konkrete Technologien eingegangen wird, sei an dieser Stelle nochmals erwahnt, dassvor einer voreiligen Einfuhrung von IT-Systemen eine entsprechende Unternehmenskultur geschaffenwerden muss. Vor allem normative Zielsetzungen wie ein offenes und innovationsfreundliches Unter-nehmensklima, der Abbau von Wissensbarrieren, usw. sind essentielle Grundvoraussetzungen fur eine

3eXtensible Markup Language4Standard Geneneralized Markup Language5World Wide Web Consortium

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122 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

erfolgreiche Wissensmanagement-Initiative. Ebenso muss das Management strategische Wissenszie-le, die die Geschaftsstrategie berucksichtigen, vorgeben und ein Controlling fur die Wissensprozesseetablieren. Aus den Fallstudien in Kapitel 4 geht hervor, dass sich die Schaffung und Besetzung vonbestimmten KM-Rollen wie den Chief Knowledge Office, Kompetenzfeldverantwortliche (PracticeLeader), Knowledge Broker (Wissensmakler) oder Wissensanalysten als sehr gunstig auf die hier an-gedeuteten Aspekte auswirkt. Speziell in Konzernen mit vielen tausenden Mitarbeitern bedarf es dieserWissensfunktionen, damit eine Beschaftigung mit Wissensmanagement nachhaltigen Erfolg aufweist.

Nun aber werden die in diesem Kapitel vorgestellten Komponenten eines idealen KM-Systemenochmals kurz zusammengefasst:

Zum Aufbau eines organisationalen Gedachtnisses eignet sich primar ein daten- oder dokumenten-basiertes Informationssystem, welches eine strukturierte Dokumentenverwaltung unterstutzt. WichtigeAnforderungen des Systems sind zum einen ein hierachisches Ablagesystem zum Kategorisieren derDaten und Dokumente sowie die Moglichkeit, Verknupfungen zwischen den Informationen zu schaf-fen. Um qualitativ hochwertige Informationen im System speichern zu konnen, ist das Generieren oderEingeben von Meta-Informationen vorteilhaft – so gibt der Autor, das Erstellungsdatum oder andereBewertungskriterien Auskunftuber die Qualitat der Informationen. Eine Versionskontrolle fur Doku-mente und das Unterstutzen von Annotationen wirken sich ebenfalls positiv auf die Informationsqua-lit at aus.

Des Weiteren sind Usability-Grundsatze wie eine einheitliche und benutzerfreundliche Oberflachedes Systems und ein schneller Zugriff auf den Inhalt wichtig dafur, dass das organisationale Wissenin einem Informationssystem genutzt wird. Um kritische Informationen zu schutzen bedarf es zudemeiner ausgereiften Zugriffskontrolle. Schließlich sollte das “corporate memory” einfach zu sichern sein,was beispielsweise mit einem datenbankbasierten System zu realisieren ist.

Große und verteilte Konzerne mussen sich auf alle Falle die Mitarbeiter im internen Informati-onssystem verwalten konnen. Ideal ware eine Skill-Management-Komponente, um die Fahigkeiten derMitarbeiter optimal zum Nutzen des Unternehmens einsetzen zu konnen. Eine Verknupfung der Fach-gebiete zu den internen und externen Experten eines Unternehmens, die Moglichkeit einer effizientenSuche und das Erstellen von Benutzerprofilen sind wesentliche Anforderungen an ein solches Systemzur Mitarbeiterverwaltung.

Die Wissensauffindung im KM-System selbst kann als zentrale Anforderung fur die Wissensnut-zung gesehen werden. Eine Suche nach Informationen sollteuber bestimmte Bereiche eines Servers,uber mehrere Server sowie in externen Systemen moglich sein und auch Begriffe mitahnlicher Bedeu-tung oder Schreibweise sowie grammatikalische Abwandlungen berucksichtigen.

Fur virtuelle und reale Teams konnen Workgroup-Computing-Systeme fur eine asynchrone Kom-munikation eingesetzt werden. Typische Workgroup-Computing-Komponenten sind Diskussionsforen,verteilte Terminkalender, Aufgabenlisten und Ordner fur den Datenaustausch. Diese Technologien, dieeiner Pull-Strategie folgen, dienen dem Aufbau und der Erhaltung eines Wissensnetzes. Als kommu-nikationsunterstutzenden Technologien sind Email, Mobilfunk Chat, oder Videokonferenz-Systeme zunennen. Diese Push-Technologien unterstutzen die Wissensmultiplikation im Unternehmen.

Prozesse und Projekte innerhalb des Konzerns konnen am besten durch ein Workflow-System un-terstutzt werden. Gerade bei Verteilung der Betriebsstatten sind solche Systeme vorteilhaft, da Mitar-beiter auf diese Weise kommunizieren und Dokumente austauschen konnen. Als besonderes Featurebietet ein Workflow-System die Moglichkeit der Visualisierung der Projektphasen oder Prozess-Stufen,wodurch Mitarbeiter ein besseres Verstandnis fur deren Tatigkeiten erhalten. Auch daten- und doku-mentenbasierte Technologie eignet sich fur Prozesse und Projekte im Unternehmen – so konnen ineinem solchen System Protokolle von Besprechungen sowie “lessons learned” und “best pactices” vonProjekten abgelegt und so zu einem Teil des organisationalen Gedachtnisses werden.

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5.11. ZUSAMMENFASSUNG 123

Die durch den Aspekt der Lernfahigkeit eines großen Konzerns getatigtenUberlegungen zur Or-ganisationstruktur, die idealerweise durch ein Gebilde von sozialen Systemen realisiert wird, findetam besten Unterstutzung durch Kommunikationstechnologie sowie durch ein bereichseigenes Portal-system, welches zusatzlich durch eine IT-Komponenten fur Unternehmensnachrichten erweitert wer-den kann. Auf diese Weise kann sich eine Abteilung im Rahmen des gemeinsamen KM-Systems vonden anderen Suborganisationen abgrenzen. Fur Teams und Mitarbeiter selbst eignen sich eLearning-Systeme ideal, um Lerninhalte im Unternehmen zu vermitteln. Hier sollten Kurse und Prufungen onlineabgehalten werden konnen.

Fur die Betreuung der Kunden gibt es folgende Unterstutzung durch IT-Systeme: Mittels DataWarehousing kann man Informationenuber Kunden sammeln und diese fur wichtige Management-Entscheidungen heranziehen. Dienstleistungen fur die Kunden konnenuber datenbankbasierte Losun-gen wie Online-Shops, Supportangebote, FAQ-Systeme, Helpdesks und Recommendation Systems aufder eigenen Webseite realisiert werden. Eine intensive Kundenbetreuung kann aber auch mittels einesCall-Centers geschehen.

Bei teuren Individualprodukten fur Kunden konnen Software-Tools zum Entwurf und zur Vor-ansicht eines Produktes verwendet werden. Der entsprechende Kunde kann bei Bedarf sogar an derEntwicklung des Produktes mitwirken. Schließlich konnen bei Prozessen, in denen Stakeholder einesgroßen Unternehmens beteiligt sind, Groupware-Systeme verwendet werden. Dies macht Sinn, wennbeispielsweise ein Kunde oder ein Zulieferer besonders stark in die betriebliche Leistungserbringungeingebunden ist. Gerade fur diesen letzten Aspekt eignen sich auch Handelsplattformen, mit welchenUnternehmen untereinander Auftrage vermitteln konnen.

Nach dieser kurzen Zusammenfassung der wesentlichen IT-Systeme zur Unterstutzung des Wis-sensmanagements in großen und geographisch verteilten Unternehmen, wird im nun folgenden Kapiteldas Informationssystems Hyperwave vorgestellt und auf die in diesem Kapitel erarbeiteten Anforde-rungen an ein ideales KM-System evaluiert.

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124 KAPITEL 5. ANFORDERUNGEN AN WISSENSMANAGEMENT

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Kapitel 6

Technische Umsetzung mit Hyperwave

6.1 Motivation

Nach der Erarbeitung von Anforderungen an Knowledge Management in großen und geographischverteilten Unternehmen und daraus resultierenden Schlußfolgerungen auf IT-Komponenten, welchefur die einzelnen Wissensprozesse vorteilhaft sein konnen, soll nun geschildert werden, welche Kom-ponente des vorgestellten idealen KM-Systems (siehe Abschnitt 5.10) mit dem InformationssystemHyperwave realisiert werden kann.

Zunachst wird in Abschnitt 6.2 kurz die Entstehungsgeschichte von Hyperwave zusammengefasst.Abschnitt 6.3 zeigt sodann, wie die Dokumentenverwaltung mit dem Hyperwave Informationssystemumgesetzt werden kann und welche wesentlichen Eigenschaften des idealen Systems erfullt werden.

In Abschnitt 6.4 wird die Realisierung der Mitarbeiterverwaltung vorgestellt, Abschnitt 6.5 be-handelt die Suchmechanismen von Hyperwave. Abschnitt 6.6 zeigtuberblicksmassig das Workgroup-Computing-System von Hyperwave.

In Abschnitt 6.7 ist die eLearning-Komponente beschrieben. Die Abschnitte 6.8 und 6.9 schildernkurz, wie Newssysteme sowie diverse Web-Services realisiert werden konnen.

Schließlich wird in Abschnitt 6.10 das Hyperwave Informationssystem hinsichtlich der drei zusatz-lichen Anforderungen an ein Softwareprodukt (siehe Abschnitt 5.10) evaluiert. In Abschnitt 6.11 wer-den Vorschlage fur Komponenten, die bis dato noch nicht durch die Produktpalette von Hyperwaveabgedeckt sind, erarbeitet.

Zunachst aber folgt eine kurze Schilderung der Erfolgsgeschichte von Hyperwave.

6.2 Die Entstehungsgeschichte von Hyperwave

Der Ursprung von Hyperwave ist im Jahr 1989 am Institut fur Informationsverarbeitung und Compu-tergestutzte neue Medien (IICM) an der TU Graz zu finden. Zu dieser Zeit wurde am IICM an denVorgaben fur ein “optimal large-scale hypermedia system” gearbeitet. Dieses System sollte Schwierig-keiten, die bei anderen Systemen zu dieser Zeit auftraten, beseitigen. Zu den Schwierigkeiten zahltenbeispielsweise das Fehlen einer integrierten Suchhilfe, inkonsistente Hyperlinks, keine klare Tren-nung zwischen Inhalt und Layout, usw. Als vom Ministerium fur Wissenschaft die Finanzierung einerPrototyping-Phase zugesagt wurde, begann im Jannuar 1990 die Implementierung eines Prototyps un-ter dem Namen “Hyper-G”. Zwei Programmierer arbeiteten an der ersten Version des Servers. Dererste Prototyp von Hyper-G implementierte bereits Gopher und das HTTP-Protokoll. [Maurer 1996]

125

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126 KAPITEL 6. TECHNISCHE UMSETZUNG MIT HYPERWAVE

Im Janner 1992 wurde Hyper-G im universitaren Informationssystem der TU Graz (TUGinfo) zumersten mal weltweit im praktischen Einsatz erprobt. Der Erfolg dieses Systems und die steigende Po-pularitat des Internets zeigten, dass Hyper-G tatsachlich fur eine große Anzahl von Anwendungeneingesetzt werden kann. Dieser Erfolg machte es moglich, eine zweite Phase zu finanzieren, in wel-cher der Prototyp von Hyper-G in ein tatsachliches Produkt umgewandelt werden konnte. Diese zweitePhase begann im Sommer 1992. Seitdem wurde Hyper-G in einer Kooperation aus IICM und demInstitut fur Hypermedia-Systeme des Jonanneum Research weitergefuhrt. Ein wichtiger Meilensteinwar der Einsatz von Hyper-G bei der European Space Acency (ESA) fur ein “Guide and Directory”System. [Maurer 1996]

Anfang Februar 1997 wurde die Hyperwave Information Management GmbH (Hyperwave) mitSitz in Munchen gegrundet. Hyperwave hat samtliche Rechte sowie den Quell-Code von Hyper-Gerworben und entwickelt diese als Hyperwave Information Server (HIS) selbststandig weiter. Knappsechs Wochen spater wurde Hyperwave vom amerikanischen Byte Magazine auf der CeBIT in Hanno-ver mit dem “Best of Show Award” ausgezeichnet. Noch im November desselben Jahres ist die Hyper-wave Information Management GmbH aus Munchen als erstes deutsches Unternehmen Gewinner des“European IT Prize” der Europaischen Union (EU). [Hyperwave 2001]

Hyperwave verfugt inzwischenuber 180 Kunden aus unterschiedlichen vertikalen Markten, un-ter anderem Finanzdienstleister, Behorden, Forschungseinrichtungen, Medien- und Technologieun-ternehmen. Zum weltweiten Kundenkreis gehoren zum Beispiel Unternehmen wie Banca d’Italia,UBS, BMW, McCann-Erickson, Porsche Informatik, Siemens, Universal Music, Daimler Chrys-ler, Bank Austria/Creditanstalt Group, MET Life, die European Space Agency (ESA) und das US-Verteidigungsministerium. Gegenwartig positioniert sich Hyperwave als Anbieter fur Knowledge Ma-nagement Systeme. [Hyperwave 2001]

Nach diesem Ruckblick auf die Entstehungsgeschichte von Hyperwave und einer kurzen Darstel-lung des Status Quo werden im nachsten Abschnitt herausragende Eigenschaften des Hyperwave In-formationssystems bezuglich der im letzten Kapitel erarbeiteten Anforderungen an ein in großen undverteilten Unternehmen einsetzbares KM-System evaluiert.

6.3 Document Management

Eine in Kapitel 5 haufig erwahnte IT-Komponente eines idealen KM-Systems fur ein großes und ver-teiltes Unternehmen ist das Document-Management-System. Das Grundsystem der Hyperwave Pro-duktpalette, der Hyperwave Informationsserver 6 (IS/6), unterstutzt die Verwaltung von Dokumentenbereits in Grundzugen.

Durch die zusatzliche Installation der eKS1 kann der IS/6 um Funktionen wie Versionskontrolle,Annotationen, usw. erweitert werden. Fur einige der in Abschnitt 5.10 erarbeiteten Eigenschaften istes zudem erforderlich, das Zusatzpaket eKP2 zu installieren.

Es werden nun die eben genannten Eigenschaften des idealen Document-Management-Systems derReihe nach betrachtet und das Hyperwave Informatiossystem bezuglich dieser Aspekte evaluiert.

Strukturierte Dokumentenverwaltung

Die wichtigste Eigenschaft einer Document-Management-Komponente ist die Moglichkeit, die Doku-mente strukturiert abzuspeichern. Auf diese Weise konnen Wissensbestande kategorisiert werden, wasbeispielsweise bei der Wissensidentifikation (siehe Abschnitt 5.2) vorteilhaft ist.

1Hyperwave eKnowledge Suite2Hyperwave eKnowledge Portal

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6.3. DOCUMENT MANAGEMENT 127

Abbildung 6.1: Dokumentenverwaltung mit dem IS/6

Der Hyperwave Information Server bietet in der Grundfunktionalitat die Verwaltung von Informa-tionsobjekten an. So konnen Dokumente innerhalb von Verzeichnissen (Collections) abgelegt werden,mit den Collections wiederrum kann man eine hierachische Struktur am Server schaffen (siehe Ab-bildung 6.1). Jedes Dokument muss mindestens zu einer Collection gehoren, kann aber zugleich auchin anderen Collections vorkommen. Die Navigation wird entlang der Collectionhierarchie, die einemazyklischen Graphen entsprechen muss, vollzogen. Dadurch ist es auch moglich, Dokumente sichtbarzu machen, zu denen kein eigentlicher Link existiert. [Hyperwave 2001g]

Usability

Ein besonderer Aspekt fur die Wissensnutzung ist die Berucksichtigung von Usability-Grundsatzen beieinem Informationssystem. Eine einheitliche Oberflache, einfache Benutzbarkeit, konsistente Darstel-lung der Inhalte sowie der rasche Zugriff sind Grundvoraussetzungen dafur, dass ein System genutztwird.

Gerade in punkto Usability ist das Hyperwave Informationssystem gut durchdacht. Der Zugriff aufder Informationssystem erfolgtuber einen Web-Browser, der auf jedem Rechner installiert sein sollte.Die Oberflache selbst, die in Abbildung 6.1 zu sehen ist, ist sehrubersichtlich gestaltet.

Der Header zeigt an, welcher Benutzer gerade angemeldet ist, und beinhaltet zudem die Suchmas-ke. Darunter werden der aktuelle Pfad sowie funf sehr intuitiv gestaltete Buttons (Home-Collectiondes Benutzers, An- und Abmeldung, Benutzereinstellungen, Schreib- und Lesemodus, Hilfe) ange-zeigt. Das linke Frame bietet einen Treeview, mit welchem man die Collectionhierachie auf dem Ser-ver erkunden kann. Schließlich wird im rechten Frame der Inhalt von Collections oder Dokumentendargestellt.

Einzig die Performance des Hyperwave Informationssystems erweist sich gelegentlich als unvor-teilhaft. Dies liegt zum einen daran, dass manuber das Netzwerk auf die Informationen zugreift, zumanderen kann der Server durch den Betrieb des IS/6 und ein Datenbanksystem bei vielen tausend Zu-griffen, die in einem großen Konzern durchaus erreichbar sind,uberlastet sein.

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128 KAPITEL 6. TECHNISCHE UMSETZUNG MIT HYPERWAVE

Metadaten

Beim Erwerb, der Verteilung, Nutzung, Bewahrung und Bewertung von Wissen (Abschnitte 5.3, 5.5,5.6, 5.7 und 5.9) wurde im letzten Kapitel verstarkt auf die Qualitat der Informationen bzw. dessenBeschreibung durch Metadaten hingewiesen.

Durch Meta-Informationen wie auch durch die Bewertung durch Experten kann die Qualitat vonin Dokumenten festgehaltenem Wissen deutlich verbessert werden. Ein besonderer Aspekt in ei-nem großen und verteilten Konzern ist der Einsatz von Metadatensatze, also Gruppen von Meta-Informationen. Mit Hilfe dieser kann derselben Information in unterschiedlichen Abteilungen oderBereichen verschiedene Qualitatskriterien zugewiesen werden.

Abbildung 6.2: Standardattribute des IS/6

Eine herausragende Eigenschaft des Hyperwave IS/6 ist die Unterstutzung von sogenannten Me-tadaten, wie in Abbildung 6.2 zu sehen ist. Jedem Objekt am Server konnen namlich zur zusatzlichenBeschreibung Metadaten (Attribute) hinzugefugt werden. Das System selbst verwaltet und setzt dabeiAttribute wie Autor, Erstellungs- und Modifizierungsdatum oder den Typ eines Dokuments. MittelsEingabemaske kann man beim Anlegen oder Editieren eines Objekts die Angabe von bestimmten Me-tadaten erzwingen, wie unter anderem auch in Abbildung 6.2 beim Attribut “Objektname” (rechtssei-tige Markierung) zu sehen ist. [Hyperwave 2001g]

Eine Erweiterung um Metadatensatze ist von Hyperwave standardmassig nicht ermoglicht. Die-se Funktionalitat kann beispielsweise durch Erweiterung der Eingabemasken selbst erreicht werden,indem fur jeden Metadatensatz ein eigener Folder entwickelt wird.

Zugriffskontrolle

Wichtig bei der Verteilung von Wissen (Abschnitt 5.5) ist eine Zugriffskontrolle, damit sensible In-formationen nicht von allen Mitarbeitern im Unternehmen oder aber von extern angebundenen Per-

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6.3. DOCUMENT MANAGEMENT 129

sonengruppen wie Kunden, Partner oder Lieferanten eingesehen werden konnen. Auch steigt die In-formationsqualitat durch ein Rechtesystem und daraus resultierenden Zugriffsbeschrankungen, da dieQuantitat an Informationen reduziert wird.

Der Hyperwave IS/6 unterstutzt verschiedene Stufen der Identifikation, sodass jeder berechtigteBenutzer Objekte in den Server einbringen und verwalten kann. Ein System von Zugriffsberechtigun-gen erlaubt die selektive Vergabe von Zugriffsrechten auf Dokumente und Collection fur bestimmteUser und Gruppen. [Hyperwave 2001g]

Mehrsprachigkeit

In einem Unternehmen, das in vielen Landern ansassig ist, spielt die Mehrsprachigkeit des KM-Systems und des darin gespeicherten, expliziten Wissens eine große Rolle fur die Informationsqualitat.Die in vielen Wissensprozessen erwahnte Unterstutzung von Mehrsprachigkeit ist bei dem IS/6 nur be-schrankt vorhanden. Das System selbst bietet vom Interface her nur Sprachunterstutzung fur Englischund Deutsch an. Fur Attribute wie Titel oder Beschreibung sind bis zu 11 Sprachen konfigurierbar,welche von der Search-Engine (Thesaurus) berucksichtigt werden.

Versionskontrolle

Als besonderer Aspekt der Wissensbewahrung (Abschnitt 5.7) in Bezug auf die Informationsqualitatkann auch eine Versionskontrolle von Dokumenten gesehen werden. Der IS/6 bietet nur in Kombinati-on mit dem eKS3 die Versionskontrolle fur Dokumente an, wodurch die Entstehung eines Dokumentsgenau aufgezeichnet und auf alte Versionen zuruckgegriffen werden kann. [Hyperwave 2001d]

Annotationen

Auch das Kommentieren von Dokumenten oder Passagen aus Dokumenten ist ein interessanter Aspektfur die Informationsqualitat. Gerade Experten konnen so die Qualitat von vorliegenden Dokumentenverbessern, indem sie Begriffe erklaren oder zu Textstellen ihre Meinung kundgeben und diese zu denDokumenten hinzufugen, ohne dass diese inhaltlich verandert werden.

Auch dieses besondere Feature wird vom Hyperwave IS/6 unterstutzt. Beliebige Dokumente bzw.Teile von HTML- oder Textdokumenten konnen mit Anmerkungen versehen werden. Diese Anmer-kungen sind wiederrum eigene Objekte. Der Ersteller der Anmerkung braucht dabei keine Schrei-brechte auf das anzumerkende Dokument haben. [Hyperwave 2001d]

Hyperlinks

Ein Feature, das dem Bereich der Informationsqualitat (siehe Abschnitt 3.6) zuzuordnen ist, ist jenesder Hyperlinks. Mit solchen Verweisen kann man auf Informationen innerhalb oder außerhalb einesSystems zeigen. Problematisch an solchen Links ist, dass die Information, auf die verweist wird, nichtmehr existieren kann. Man spricht in diesem Fall von einem “broken link”. Speziell fur die Wissens-nutzung (Abschnitt 5.6) sind Verweise auf nicht mehr existente Dokumente im Intra- oder Internet furden Anwender sehrargerlich.

Der Hyperwave Information Server behandelt Links zwischen Dokumenten als eigene Objekte,womit eine prinzipielle Vernetzung mit jedem und auch von jedem Dokumenttyp aus moglich ist.Hyperlinks konnen daher auch beispielsweise mitten in ein Audiofile zeigen. Nach dem Bearbeiten

3Hyperwave eKnowledge Suite

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130 KAPITEL 6. TECHNISCHE UMSETZUNG MIT HYPERWAVE

von Dokumenten werden die Links automatisch aktualisiert, “broken links” sind daher nicht moglich.Herausragend an der Linkverwaltung von Hyperwave ist, dass auch Hyperlinks dem internen Rechte-system unterliegen und ein User einen Verweis auf ein Dokument oder eine Collection nur sieht, wenner zumindest Leserechte darauf hat. [Hyperwave 2001g]

Problematisch sind jedoch Verweise auf Seiten von anderen Webservern, weil dies der IS/6 nichtberucksichtigt. Externe Links konnen allerdings mit entsprechenden Tracks fur das Hyperwave Infor-mation Portal verwaltet und konsistent gehalten werden. [Hyperwave 2001]

Importieren von Informationen

Beim Wissenserwerb oder auch bei der Eigenentwicklung von Wissen (siehe Abschnitte 5.3 und 5.4)ist ein entscheidendes Kriterium, dass Dokumente und Informationen in das KM-System eingebrachtwerden konnen.

Der IS/6 bietet hierzu die Moglichkeit, dass man Dateien uploaden kann. Dies ist jedoch nur sinn-voll, wenn nur eine geringe Anzahl an Dokumente zu importieren sind. Ansonsten empfiehlt sich einTool wie die Virtual Folders, mit welchem man ganze Verzeichnisstrukturen direkt in das HyperwaveInformationssystemubernehmen kann. [Hyperwave 2001g]

Eine automatisierte Einbinung von externen Informationen ist nur durch zusatzliche Komponentenmoglich: Mit dem Hyperwave Team Workspace, der in Abschnitt 6.6 noch genauer vorgestellt wird,konnen Emails automatisch in ein Diskussionsforum eingebracht werden. [Hyperwave 2001d]

Zudem konnen mit bestimmten Tracks, die fur das Hyperwave Information Portal verfugbar sind,automatisch Informationen wie zum Beispiel Borsenkurse oder Newsbeitrage in das Systemuberneh-men. [Hyperwave 2001]

6.4 Mitarbeiterverwaltung

Die ausgearbeiteten Anforderungen an ein IT-System in Kapitel 5 zeigen aus vielen Blickpunkten, dassin einem großen und verteilten Unternehmen die EDV-maßige Erfassung der Mitarbeiter und derenFahigkeiten eine geradezu essentielle Notwendigkeit ist, nicht zuletzt, um auf das implizite Wissen derMitarbeiter zugreifen zu konnen. Dementsprechend ist naturlich die Umsetzung dieses Aspekts in einIT-System interessant.

People Directory

Der Hyperwave IS/6 selbst bietet hier mit der in Abschnitt 6.3 vorgestellten Benutzer- und Gruppenver-waltung ausreichende Unterstutzung fur die Errichtung eines sogenannten “People Directory”. So kannman mit Administrator-Rechten organisationale Einheiten erzeugen und diesen Benutzer und Gruppenzuweisen. Die Gruppen konnen in einem Unternehmen verwendet werden, um Mitarbeiter zu Teamszusammenzufassen oder aber um bestimmte Mitarbeitergruppen zu bilden. [Hyperwave 2001e]

Ein weiteres Feature des IS/6 ist das Erzeugen von Gruppenhierachien, wodurch Mitglieder einerunteren Ebene gleichzeitig auch zu den Gruppen der oberen Ebenen zahlen. Zudem kann ein Benutzerzu beliebig vielen Gruppen zugewiesen werden, womit ein Mitarbeiter zum Beispiel mehreren Teamsangehort oder mehrere Funktionen innerhalb des Unternehmens besitzt. Man kann durch dieses Grup-penkonzept auch die Rechte eines oder mehrerer Benutzer ausweiten, ohne direkt die Userobjekte zuverandern. [Hyperwave 2001e]

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6.5. SEARCH-ENGINE 131

Abbildung 6.3: Beispiel fur eine Businesscard

Die Visualisierung der Attribute eines Users erfolgt durch die sogenannte Businesscard, wie inAbbildung 6.3 zu sehen ist. Im Hyperwave Informationssystem wird beim Anklicken eines Users eineigenes Fenster mit den Daten des Benutzers geoffnet. In der vorliegenden Version des IS/6 konnen der-zeit nur Vor- und Zuname, eine Beschreibung, dieubergeordneten Gruppen sowie die Email-Adresseangegeben werden. [Hyperwave 2001g]

Benutzerprofile

Zusatzliche Attribute, die in Abbiltung 6.3 nicht angezeigt werden, ermoglichen, dass sich ein Benutzerein individuelles Profile erstellen kann. In erster Linie kann man damit die Oberflache des Systemsanpassen. So kann man die Navigationshilfen aktivieren bzw. wegschalten. Auch fur das Look&Feeldes Systems kann man zwischen unterschiedlichen Motiven wahlen. Schließlich kann ein Benutzerbestimmte Aktionen bei der Anmeldungen durchfuhren lassen sowie die Sprache fur die Dialoge undmehrsprachigen Inhalte auswahlen.

Einschrankungen der Serverbereiche lassen sichuber die Zugriffskontrolle des Systems realisieren.So kann ein Administrator durch Zuweisen bzw. Entfernen von Gruppen den Zugriff auf das Systemerweitern bzw. einschranken. Der Benutzer kann dadurch nur Bereiche einsehen, auf die er zumindestLeserechte hat. Dies gilt auch fur Dokumente und Verweise.

Expertensuche

Schließlich gibt es im Hyperwave IS/6 eine Expertensuche, mit der man nicht nur die Userobjekte,sondern auch die von Benutzern erstellten Dokumente auf vorkommende Begriffe durchsuchen kann.Abbildung 6.4 zeigt, dass nicht nur Ergebnisse mit dem exakten Wortlaut, sondern auch jene mitahn-lichen Begriffen (Thesaurus) aufgelistet werden. [Hyperwave 2001g]

Die Verwaltung der Mitarbeiter ist mit dem Hyperwave Informationserver auch ohne zusatzlicheKomponenten auch fur einen großen und verteilten Konzern moglich.

6.5 Search-Engine

Ein zentraler Punkt der Wissensnutzung (Abschnitt 5.6) ist die Auffindung von Informationen. Ingroßen und verteilten Unternehmen ist eine Sucheuber den gesamten Datenbestand zumeist nichtmoglich, da die Abteilungen und Suborganisationen oft eigene IT-Systeme verwenden, die bei derSuche nicht berucksichtigt werden.

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132 KAPITEL 6. TECHNISCHE UMSETZUNG MIT HYPERWAVE

Abbildung 6.4: Ergebnisse einer Expertensuche

Suchbereiche

Gerade die Suche ist ein integraler Bestandteil von Hyperwave. Sie erstreckt sich sowohl auf Links undMetadaten als auch auf die eigentlichen Inhalte der gespeicherten Dokumente. Der Gultigkeitsbereichder Suche kann sowohl auf eine Collection des Servers eingeschrankt, als auch auf Collections andererHyperwave Server (Server Pool) erweitert werden. [Hyperwave 2001g]

Eine Suche in externen Informationssystemen wie beispielsweise dem Internet ist mit dem Hy-perwave Informationssystem nicht moglich. Hier gibt es jedoch Tools fur das Hyperwave InformationPortal, sogenannte Tracks, welche unter anderem ein Interface fur verschiedenste Suchmaschinen imInternet zur Verfugung stellt. [Hyperwave 2001]

Auch fur die Suche in anderen Informationssystemen im Intranet gibt es eigene Tracks fur dasHyperwave Information Portal. So kann mit diesen Tracks auf andere Informationssysteme wie bei-spielsweise Microsoft Exchange, Microsoft Access oder Lotus Notes zugegriffen werden. Des Wei-teren gibt es eigene Portaltracks, mit welchen Emails abgeholt und verschickt oder aber aus einemOutlook-Folders angezeigt werden konnen. [Hyperwave 2001]

Fur speziellere Informations- oder Datenbanksysteme muss man allerdings eigene Schnittstellenentwickelt. Dies kann entwederuber Portaltracks, oder aber durch Technologien wie Servlets oderLDAP4 geschehen. [Hyperwave 2001e]

Thesaurus

Der in der Teltech-Fallstudie (Abschnitt 4.3) bzw. in einigen Wissensprozessen erwahnte Thesauruserweist sich als vorteilhaft, wenn es darum geht, Fachbegriffe auf entsprechende Wissensbestande ab-zubilden. Ideal ist naturlich, wenn das System nicht nur auf explizites Wissen (Dokumente), sondernauch auf “tacit knowledge” (Experten) verweisen kann.

Das Informationssystem Hyperwave bietet die Moglichkeit, einen solches Thesaurus-System zurealisieren. Die defaultmassig eingestelte Search-Engine des IS/6, Verity, unterstutzt namlich folgendedrei Features: [Hyperwave 2001e]

• Thesaurus: Auffinden von Dokumenten mit Wortern, die die gleiche Bedeutung wie der Such-begriff haben

4Lightweight Directory Access Protocol

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6.5. SEARCH-ENGINE 133

• Variations: Auffinden von Dokumenten mit Wortern, die grammatikalisch vom Suchbegriff ab-weichen

• Sounds like: Auffinden von Dokumenten mit Worternahnlicher Schreibweise

Das Besondere an Verity ist, dass man damit auch eine Volltextsuche in unterschiedlichen Do-kumenttypen wie HTML-, PDF- oder Word-Dokumente durchfuhren kann. Zudem bietet die Verity-Search-Engine auch Unterstutzung fur 11 Sprachen. [Hyperwave 2001e]

Abbildung 6.5: Ergebnisse einer Suche

Entsprechend der eben beschriebenen Eigenschaften von Verity fungiert der Suchmechanismus desIS/6 wie ein Thesaurus. In Abbildung 6.5 ist zu sehen, wie die Suchergebnisse dargestellt werden. Sowird oben die Anzahl der Resultate angegeben und jeweils 10 Ergebnisse pro Seite angezeigt.

Zu beachten ist, dass bei einem Resultat die prozentuelleUbereinstimmung mit dem Suchbegriffangegeben wird. Entsprechende Abweichungen erfolgen ja durch die Suche nachahnlichen Begriffenoder grammatikalischen Variationen eines Wortes. Es werden auch Links auf das Objekt selbst, auf dieParent-Collection und auf den Autor angezeigt. Des Weiteren sind auch dasAnderungsdatum und derServer, auf welchem ein Objekt gespeichert ist, in der Auflistung der Suchresultate zu sehen.

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134 KAPITEL 6. TECHNISCHE UMSETZUNG MIT HYPERWAVE

6.6 Workgroup Computing

In Kapitel 5 wurde in einigen Wissensprozessen auf den Nutzen eines Groupware Systems verwiesen.Fur teamorientiertes Arbeiten erweist sich hierbei ein sogenanntes Workgroup-Computing-System alsvorteilhaft. Diese stellen meist einen virtuellen Arbeitsbereich zur Verfugung, von dem aus Mitgliedereines Teams auf die verschiedenen Funktionen zugreifen konnen.

Typische Funktionen von Workgroup Computing Systemen sind etwa: [Rollett 2000]

• die Verwaltung eines gemeinsamen Terminkalenders

• asynchrone und synchrone Kommunikationswerkzeuge

• ein Repository fur gemeinsamer Daten

• das Management der Aufgaben

• die Verwaltung der Kundenadressen

Zu den asynchrone Kommunikationswerkzeugen zahlen dabei personliche Emails, Mailinglistenund Diskussionsforen, zur synchronen Kommunikation konnen zum Beispiel Chatrooms oder Vi-deokonferenzen benutzt werden. Dazu kann noch der gleichzeitige Einsatz von gemeinsamen Whi-teboards oder synchronisiertem Browsing kommen. Neuere Entwicklungen wie Instant Messaging Sy-steme brechen die Grenze zwischen synchronen und asynchronen Kommunikationsformen langsamauf. [Rollett 2000]

Der Team Workspace

Der Hyperwave IS/6 selbst bietet nur einfache Kommunikationswerkzeuge wie beispielsweise das Ver-senden von Emails per Shortcut. Die Workgroup Computing Komponente selbst befindet sich in einemeigenen Package, welches auf Dokumentklassen beruht und zusatzlich installiert werden muss (sie-he Abschnitt 6.10). Im eKS5 befindet sich mit dem Hyperwave Team Workspace (HTW) eine sehrmachtige Applikation fur die Zusammenarbeit in einem Team. [Hyperwave 2001d]

Nach Installation der eKS kann man virtuelle Arbeitsbereiche fur Teams, sogenannte Workspaces,im Hyperwave Informationssystem anlegen. Ein Workspace bietet ein einfaches Rollenkonzept, wel-ches einen Administrator, einen Teilnehmer und einen Betrachter vorsieht, sowie folgende funf Modu-le: Mitgliederverwaltung, verteilter Kalender (siehe Abbildung 6.6), Aufgabenverwaltung, Repositoryfur gemeinsame Dokumente, Diskussionsforum. [Hyperwave 2001d]

Man kann sagen, dass der Team Workspace sehr umfangreiche Unterstutzung fur Teams, insbeson-ders auch fur virtuelle Teams bietet. Die vier vorhandenen Komponenten des HTW sind sehr machtigeWerkzeuge, um Aktivitaten innerhalb von Teams, die auchuber mehrere Betriebsstatten verteilt seinkonnen, zu planen und durchzufuhren. Zudem wird mit dieser Technologie das Wissen der Mitgliederund auch jenes der Teams selbst externalisiert und im Hyperwave Informationssystem gespeichert.

Zu einem kompletten Workgroup-Computing-System fehlen dem Hyperwave Team Workspace al-lerdings noch Komponenten wie eine Adress- und Projektverwaltung sowie Kommunikationstechno-logien wie Videokonferenzen oder gemeinsame Whiteboards, die ja ebenfalls zur Unterstutzung eines(virtuellen) Teams eingesetzt werden. Die Funktionalitat einer Mailingliste kann mit dem Diskussions-forum des HTW realisiert werden, Chat-Systeme sind in der eLearning-Komponente enthalten, die nunfolgend vorgestellt wird.

5Hyperwave eKnowledge Suite

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6.7. ELEARNING SYSTEM 135

Abbildung 6.6: Monatsansicht des Kalenders

6.7 eLearning System

Wie bei denUberlegungen zur lernenden Organisation (siehe Abschnitt 3.7) sowie bei der Wissens-verteilung (siehe Abschnitt 5.5) erwahnt wurde, ist eine Lernumgebung fur Individuen und Teamsvorteilhaft.Uber ein solches System konnen Lerninhalte an Mitarbeiter weitergegeben und so interneWeiterbildungsprogramme umgesetzt werden. Neben dem Abhalten von Kursen und Prufungen sindauch Kommunikationstechnologien wesentlich, damit die Inhalte diskutiert werden konnen.

Fur das Hyperwave Informationssystem gibt es fur die eben genannte Funktionalitat ein eigenesPackage, welches zusatzlich installiert werden muss. Die sogenannte eLS6 ermoglicht das Abhaltenvon Online-Kursen zu selbst definierten Fachgebieten und Themen. Der Leiter eines virtuellen Kurseskann multimediale Inhalte in das System einbringen. Die Teilnehmer erarbeiten sich sodann dieseLerninhalte und legen am Ende eine Prufung daruber ab. [Hyperwave 2000]

Ein interessantes Feature ist das Anbringen von Annotationen zu diesen Inhalten. So konnen Kurs-teilnehmer ihre Erfahrungen einbringen. Des Weiteren werden auch Teams unterstutzt, indem Benutzerzu einer Gruppe zusammengefasst und von eigenen Tutoren betreut werden konnen. Auf diese Weisemuss sich nicht der Ersteller der Lerninhalte, der in der Regel nicht vor Ort sein wird, um den Kurskummern, sondern die Betreuung kann durch einen Mitarbeiter (Experten) in der gleichen Abteilunggeschehen. [Hyperwave 2000]

Auch kommunikative Elemente sind Bestandteile der eLS. So kann man in Diskussionsforen undmittels Chat- oder Messaging-Systemuber die Kursinhalte diskutieren. In punkto Chat gibt es sogardie Moglichkeiten vonoffentlichen und privaten Chats sowie virtuelle Sprechstunden mit dem Tutoroder dem Autor eines Kurses. [Hyperwave 2000]

6Hyperwave eLearning Suite

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136 KAPITEL 6. TECHNISCHE UMSETZUNG MIT HYPERWAVE

6.8 Newssystem

Newsdienste sind einerseits notwendig, um fur ein Unternehmen wesentliche Fachgebiete zu beob-achten, damit wichtige Entwicklungen nicht versaumt werden. Andererseits kann man damit auch aufNeuerungen in der eigenen Abteilung oder im laufenden Projekt aufmerksam machen.

Die Workgroup Computing Komponente von Hyperwave (siehe Abschnitt 6.6) erlaubt, dassEmails, die beispielsweise von Newsletter-Diensten verschickt werden, in ein Diskussionsforum ein-gebracht werden konnen. Auch ein automatische Verschicken von Emails kann mit dem Diskussions-forum des HTW ermoglicht werden.

Zudem bieten bestimmten Tracks, die fur das Hyperwave Information Portal verfugbar sind, dieMoglichkeit, dass automatisch Informationen wie zum Beispiel Borsenkurse oder Newsbeitrage in dasSystemubernommen werden. Die so eingefugten Informationen werden bei der Suche berucksichtigt,konnen aber auch durch spezielle Komponenten wie zum Beispiel dem Bereichsportal (siehe Abschnitt7.2) visualisiert werden.

6.9 Web-Services

Web-Services werden in erster Linie zur Betreuung der Kunden eingesetzt, wie Abschnitt 4.7 gezeigthat. Als Technologien hierfur wurden Dienste wie Online-Shops, Support-Seiten, Umfragen, FAQ-Systeme, Helpdesks und Recommendation Systeme genannt.

Die Realisierung solcher Services geschieht primar mittels Hyperwave Information Portal sowiedurch eigens entwickelte Losungen. So gibt es Tracks, mit denen Inhalte eines Hyperwave Informati-onssystems angezeigt oder verandert werden konnen. [Hyperwave 2001]

Das Auswerten von Daten, wie es ein Data Warehousing System ermoglicht, wird zwar von Hyper-wave selbst nicht unterstutzt, jedoch ist diese Funktionalitat durch die Datenbanksysteme, auf die derIS/6 aufsetzt, gegeben. Gerade Oracle7 und MS SQL8 haben eine entsprechende Komponente bereitsintegriert.

Des Weiteren kann man mittels Dokumentklassen, Servlets oder anderen Technologien Inhalte desServers fur das Web aufbereitet und auch durch formularbasierte Aktionen modifiziert werden. Fall-studien wie jene der Bayerischen Landesbausparkasse9, die mittels Hyperwave eine Informations- undServiceplattform realisiert hat, sind auf der Webseite von Hyperwave10 zu finden. [Hyperwave 2001]

6.10 Weitere Anforderungen

Wie in Abschnitt 5.10 beschrieben wurde, gibt es neben den erarbeiteten Komponenten eines idea-len KM-Systems fur große und verteilte Unternehmen drei weitere Aspekte, die in erster Linie dasProduktkonzept betreffen. Diese drei Anforderungen werden nun der Reihe nach behandelt.

Modularer Aufbau

Eine der wesentlichsten Anforderungen an ein komplexes und umfangreiches Software-Produkt istein modularer Aufbau desselben. Modularitat bedeutet fur ein großes System, dass es optimal an die

7www.oracle.com8www.microsoft.com9www.lbs-bayern.de

10www.hyperwave.de

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6.10. WEITERE ANFORDERUNGEN 137

Bedurfnisse eines Kunden angepasst werden kann. Auch fur die kunftige Erweiterungen des Produktssowie fur den Prozess der Softwareentwicklung selbst ist ein modularer Aufbau eine wichtige Vorraus-setzung.

Dieser Aspekt ist im Hyperwave Informationssystem in mehrfacher Weise berucksichtigt. So bie-tet das Basisprodukt – der Information Server 6 – grundlegende Funktionalitat wie Zugriffskontrolle,Document Management, Suchmechanismen, usw. Durch den Erwerb von Zusatzprodukten kann die-ses Basissystem um Module wie beispielsweise ein Workgroup-Computing-System erweitert werden.[Hyperwave 2001c]

Des Weiteren gibt es fur den IS/6 noch ein Package, welches ein Portalsystem fur das Hyper-wave Informationssystem realisiert. Eine notwendige Eigenschaft dieses Portalsystems ist die Anpas-sungsfahigkeit auf einen Benutzer. Der User kann die Oberflache des Portalzugangs nach den eigenenBedurfnissen konfigurieren und sogar andere Applikationen – sogenannte Tracks – hinzufugen. DerAspekt der Anpassungsfahigkeit an den Benutzer ist aus Knowledge Management Sicht gerade fur denProzess der Wissensnutzung (Abschnitt 5.6) vorteilhaft. [Hyperwave 2001a]

Auch ein Modul zum Einrichten einer virtuellen Lernumgebung, mit welcher elektronische Kur-se abgehalten werden konnen, ist fur den Hyperwave Information Server verfugbar. Eine Erganzungdes Intranetsystems um eine solche Komponente ist naturlich fur lernende Organisationen, hierspeziell aufgrund der Moglichkeit einer verteilten Wissensentwicklung und -nutzung interessant.[Hyperwave 2000]

Alles in allem ist der Aspekt Modularitat rund um das Hyperwave Informationssystem sehr gutberucksichtigt. Die einzelnen Module sind in der Regel mittels Dokumentklassen implementiert undsetzen auf dem Basissystem IS/6 auf. Auf diese Weise konnen auch kunftige Module fur das Hyperwa-ve Informationssystem realisiert werden. Die Einbettung der Module in den IS/6 erweist sich zudemfur die Usability des Gesamtsystems als vorteilhaft. So bietet dieser Ansatz eine einheitliche und kon-sistente Oberflache fur den User, ermoglicht aber dennoch eine Anpassung der Benutzerschnittstelle,die sich auf alle Module im gleichem Maße auswirkt. [Hyperwave 2001f]

Konfiguration mittels XML

Eine Eigenschaft fur eine gute Administrierbarkeit eines Systems ist die Les- und Wartbarkeit der Kon-figurationsdateien. Dieses Feature ist zwar aus Sicht des Wissensmanagements weniger bedeutsam ist,der IS/6 ermoglicht jedoch die Konfiguration der einzelnen Systemkomponenten mittels Konfigurati-onsdateien, die im XML-Format gespeichert sind. Aufgrund der Verwendung von XML zur Konfigura-tion des IS/6 ist die Lesbarkeit der Konfigurationsdateien im Vergleich zum fruheren Format wesentlichhoher.

Datenspeicherung in kommerziellen Datenbanksystemen

Kommerzielle Datenbanksysteme bieten Konzepte fur Datensicherung, Zugriffskontrolle, Datenkon-sistenz (Roll-Back-Mechanismen), Sicherheit, Datenmigration, uvm. Aus diesem Grund ist es vor-teilhaft, wenn ein KM-System eines großen Konzerns zum Speichern der Daten ein entsprechendesProdukt verwendet.

Wahrend als Frontend des Hyperwave Information Servers ein Webbrowser oder ein produkteige-ner Client dient, werden im Hintergrund die Daten ab dem IS/6 ausschließlich in der Datenbank vonrenomierten Herstellern11 gespeichert. Vorteilhaft an dieser Losung sind die oben erwahnten, machti-gen Mechanismen, die ein kommerzielles Datenbank-Produkt implizit ermoglicht.

11derzeit Microsoft SQL und Oracle Database

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138 KAPITEL 6. TECHNISCHE UMSETZUNG MIT HYPERWAVE

6.11 Vorschlage fur weitere Module

Trotz der sehr umfangreichen Funktionalitat, die der Hyperwave IS/6 und zusatzliche Packagesermoglicht, konnen nicht alle Komponenten eines idealen KM-Systems fur große und verteilte Kon-zerne (siehe Abschnitt 5.10) umgesetzt werden.

Die Document-Management-Komponente ist bereits sehr ausgereift. Hier muss man nur zu eigen-entwickelten Modulen greifen, wenn sehr seltene Funktionalitat wie zum Beispiel eine Schnittstelle zueinem wenig bekannten Informationssystem gewunscht wird.

Die systematische Verwaltung der Mitarbeiter und das Erstellen von Benutzerprofilen ist mit derProduktpalette von Hyperwave moglich. Ein Vorschlag fur eine mogliche Erweiterung des IS/6 ist eineKomponentne zum Erfassung von Fahigkeiten und Fachgebieten. Zwar kann man durch die Exper-tensuche und somituber die publizierten Dokumente eines Users auf deren Fahigkeiten schliessen,allerdings kann weder der Administrator noch der Benutzer selbst Fachgebiete und Fertigkeiten einge-ben.

Die Search-Engine von Hyperwave (Verity) wiederum erweist sich als sehr ausgereift und bietetdie wesentlichen Eigenschaften, die in Kapitel 5 hinsichtlich der Suchfunktionalitat erarbeitet wurden.

Der Hyperwave Team Workspace (HTW) unterstutzt Teams durch Funktionen wie einem verteiltenKalender, Diskussionsforen, eine Aufgabenverwaltung und ein Repository fur gemeinsame Daten. EinChat-System ist in der eLearning-Komponenten von Hyperwave (eLS) enthalten. Nicht berucksich-tigt sind Projekt- und Adressverwaltung sowie Kommunikationstechnologien, obgleich man mit demDiskussionsforum das automatische Versenden von Emails, also eine Mailinglist, realisieren kann. DieEmail-Kommunikation selbst muss jedoch von einem seperaten Mailsystem vorgenommen werden.Technologien wie Mobilfunk und Videokonferenzen konnen naturlich nur mit entsprechenden Geratenbzw. mit eigener Software umgesetzt werden.

Ein weiterer Vorschlag fur eine zu entwickelnde Komponenten ist ein Workflow-System, mit wel-chem man Geschaftsprozesse oder andere formale Ablaufe im Unternehmen unterstutzen kann. Virtu-elle Lehrveranstaltungen konnen hingegen mit dem eLearning-System (eLS) von Hyperwave abgehal-ten werden.

Die vorliegende Produktpalette von Hyperwave bietet mit dem eKP12 die Moglichkeit einerInterface-Anpassung auf Userebene, allerdings ware es auch wunschenswert, ein konfigurierbares Por-talsystem fur Unternehmensbereiche einsetzen zu konnen. Ein solches Bereichsportal erweist sich an-hand derUberlegungen zu lernenden Organisationen (siehe Abschnitt 3.7) als vorteilhaft und sollteimplementiert werden.

Newssysteme und Web-Services konnen, wie bereits geschildert, mittels Portaltracks des eKP rea-lisiert werden. Wirkliche Speziallosungen in diesem Bereich mussen jedoch ebenfalls selbst entwickeltwerden. Dies gilt insbesonders fur Web-Services.

6.12 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurde geschildert, wie einzelne Komponenten des in Kapitel 5 erarbeiteten, idealenKM-Systems fur große und verteilte Unternehmen mit dem Informationssystem Hyperwave realisiertwerden konnen.

So wurde gezeigt, wie Document Management, die Mitarbeiterverwaltung, Suchmechanismen,Workgroup Computing, Newssysteme und Web-Services mit dem IS/6 und entsprechenden Zusatz-

12Hyperwave eKnowledge Portal

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6.12. ZUSAMMENFASSUNG 139

produkten realisiert werden konne. Insgesamt schneidet das Hyperwave Informationssystem bei dieserEvaluierung sehr gut ab.

Vor allem die Document-Management-Komponente bietet sehr viele wesentliche Features wiestrukturierte Dokumentenverwaltung, gute Usability, die Verwendung von Metadaten, Zugriffskon-trolle, Mehrsprachigkeit, Verweise auf interne und externe Informationen, Annotationen, Versions-kontrolle fur Dokumente sowie das Einbringen von externen Informationen. Dem gegenuber stehenSchwachpunkte bei der Konsistenz von externen Links bzw. Performanceprobleme bei extremer Be-lastung des Servers. Auch bei einigen speziellen Problemen wie der Anbindung von Fremdproduktenoder das Bereitstellen von Metadatensatze muss man auf zusatzliche Tools wie Portaltracks oder imschlimmsten Falle auf eigenentwickelte Module setzen.

Die Mitarbeiterverwaltung selbst bietet nur ein einfaches Erfassen der wichtigsten Daten einesMitarbeiters. Die Expertensuche hingegen berucksichtig neben den Stammdaten der Mitarbeiter auchderen verfasste Dokumente. Die Search-Engine von Hyperwave selbst ist zudem sehr umfangreich underlaubt die Suche nach Begriffen mitahnlicher Bedeutung oder grammatikalischen Variationen. Vor al-lem die Anzeige der Suchresultate ist besondersubersichtlich und stellt die wichtigsten Informationenkompakt dar.

Mit dem Team Workspace (HTW) verfugt Hyperwave auchuber eine umfangreiche Workgroup-Computing-Komponente, die wesentliche Anwendungen wie der Aufgabenverwaltung, einen verteiltenKalender, ein Diskussionsforum sowie ein Repository fur die Dokumente eines Teams bereitstellt.Schließlich sind auch Newssysteme und Webservices realisierbar, wobei man fur diese Anwendungenvermehrt auf Portaltracks zuruckgreifen bzw. spezielle Komponenten in der Regel gar selbst entwickelnmuss.

Das Produktkonzept von Hyperwave selbst ist sehr modern und bietet neben der angepriesenen Mo-dularitat auch die Anbindung von kommerziellen Datenbanksystemen sowie die Konfiguration mittelsXML.

Das nun folgende Kapitel greift beispielhaft zwei Komponenten, die in Abschnitt 6.11 fur eineImplementierung vorgeschlagen wurden, auf und beschreibt die Entwicklung dieser Module fur dasHyperwave Informationssystem.

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140 KAPITEL 6. TECHNISCHE UMSETZUNG MIT HYPERWAVE

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Kapitel 7

Entwickelte Hyperwave Komponenten

7.1 Motivation

Im letzten Kapitel wurde gezeigt, wie wesentliche IT-Komponenten eines idealen KM-Systems furgroße, verteilte Unternehmen mit der Produktpalette von Hyperwave umgesetzt werden konnen. Beider Erarbeitung der Realisationsmoglichkeiten stellte sich jedoch heraus, dass trotz des sehr umfang-reichen Produktumfangs bestimmte Komponenten fehlen.

In diesem Kapitel werden nun beispielhaft zwei dieser Komponenten (siehe Abschnitt 6.11), dieerganzend zu der von Hyperwave gebotenen Funktionalitat entwickelt wurden, vorgestellt. Der Ver-fasser der vorliegenden Arbeit hat im Rahmen der Diplomarbeit an der Entwicklung dieser Modulemitgewirkt.

Abschnitt 7.2 beschreibt ein Bereichsportal, mit dem Suborganisationen eines großen Konzernsabgebildet werden konnen. In Abschnitt 7.3 wird ein Workflow-System behandelt, mit welchemGeschaftsprozesse oder andere Ablaufe in einem Konzern automatisiert werden konnen.

7.2 Bereichsportal

Ein erster Aspekt fur ein KM-System, welches in einem großen und verteilten Unternehmen zumEinsatz kommen soll, ist eine Erweiterung des Gesamtsystems um bereichseigene Zugangsportale.

Große, multinationale Konzerne sind aufgrund derUberlegungen bezuglich Lernfahigkeit aus Ab-schnitt 3.7 sowie wegen der unterschiedlichen Unternehmensbereiche in viele und wesentlich kleine-re Suborganisationen bzw. auch in eigenstandige, losgeloste Unternehmen gegliedert. Neben dieserUnterteilung des gesamten Unternehmens muss man auch die Stakeholder (siehe Abschnitt 4.7) undhier speziell die Kunden und Zulieferer, die ebenfalls in ein Informationssystem eingebunden werdenkonnen, berucksichtigen.

Deshalb sollte ein KM-System zwar im Hintergrund einen gemeinsamen Datenpool, auf welchemman von allen Suborganisationen aus und unter der Vergabe von entsprechenden Berechtigungen Zu-gang hat, verwenden, allerdings erweist es sich auch als gunstig, wenn die einzelnen Unternehmens-bereiche sowie externe Partner ein eigenes, individuell anpassbares Frontend erhalten. Ein solchesBereichsportal grenzt die einzelnen Suborganisationen voneinander ab und kann auch organisationalenWissensbarrien wie zum Beispiel die fehlende Identifikation mit dem Unternehmen entgegenwirken.Ein speziell angepasster Zugang zum KM-System ist im Grunde eine Maßnahme zur Forderung des“corporate identity”.

Das Bereichsportal besteht im wesentlichen aus drei Komponenten, namlich der HomePage- und

141

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142 KAPITEL 7. ENTWICKELTE HYPERWAVE KOMPONENTEN

der Tree-Komponente, welche das Frameset ermoglichen sowie aus der Registrierungskomponente,die fur das Registrieren der Benutzer notwendig ist.

HomePage-Komponente

Ein Bereichsportal kann einerseits mit dem eKnowledge Portal [Hyperwave 2001b] von Hyperwave,einem Portalsystem fur den Hyperwave Information Server, realisiert werden. Diese Losung bietet eineMenge an Anpassungsmoglichkeiten fur eine Abteilung bis hin zu einem einzelnen Mitarbeiter. Ande-rerseits kann eine solche Komponente fur den IS/6 auch mittels eigens entwickelten Dokumentklassenerstellt werden, wie das Modul “HomePage” zeigt. Vorteil dieser Variante ist, dass man nicht nurdie Oberflache, sondern auch die Inhalte und die Navigation an einen Unternehmensbereich anpassenkann.

Abbildung 7.1: Sichtbare Bereiche des Framesets

Abbildung 7.1 zeigt den schematischen Aufbau des auf Dokumentklassen basierten Bereichsportal.Die Oberflache besteht aus dem Header, der Informationen rund um das Unternehmen bietet, einemBereich fur die Navigation sowie dem Hauptfenster fur die Inhalte. Das Frame fur die Navigation istwiederrum in einen Bereich fur die Linkverwaltung, den Treeview und die Suche unterteilt.

Nachfolgend wird nun die Funktionalitat der einzelnen Bereiche beschrieben:

• Der Header zeigt neben dem Logo fur das Unternehmen und der Bereichsbezeichnung einenTicker mit dem Aktienkurs und einen mit aktuellen Nachrichten. Die Inhalte dieser zwei Tickerwerden extern eingespielt. Zudem birgt der Header noch je einen Shortcut fur die Sprachum-schaltung, das Bereichsportal des Benutzers, die An- und Abmeldung sowie ein Pull-Down-Menu zum Erreichen anderer Unternehmensbereiche.

• Der Bereich Quicklinks beinhaltet samtliche fur einen Unternehmensbereich definierten Verwei-se. Diese Links konnen vom Administrator mittels einer XML-Datei festgelegt werden.

• Direkt unter den Quicklinks befindet sich der sogenannte Treeview. Hier konnen sowohl Collec-tionhierachien des Servers wie auch statisch erstellte Strukturen visualisiert werden. Die Konfi-guration des Baumes erfolgt ebenfalls mittels XML-Datei.

• Das Bereich “Search” erlaubt neben der Eingabe eines Suchbegriffs auch die Wahl eines Gultig-keitsbereiches, der von der aktuellen Collectionuber den Unternehmensbereich bis hin zum ge-samten Server reichen kann. Die erhaltenen Suchresultate erscheinen in einem eigenem Fenster,ein gewahltes Suchergebnis wird wiederrum im Content-Frame angezeigt.

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7.2. BEREICHSPORTAL 143

• Schließlich werden im Content-Frame die Inhalte des aktuellen Objects angezeigt. Befindet mansich zum Beispiel auf einer Startseite des Portals, so sind oben ein bereichsspezifischer Ban-ner, dann die Informationen zum aktuellen Objekt und ganz unten sogenannte Hotlines, die voneinem eigenen Newssystem bezogen werden, dargestellt. Wahlt man im Gegensatz dazu ein Do-kument aus, so wird entweder der Inhalt angezeigt oder – sofern dies der Browser unterstutzt– das Dokument mit der jeweiligen Applikation geoffnet. Weiters beinhaltet der Content-Frameauch das Menu, welches die Hyperwave Standardfunktionalitat wie beispielsweise die Umschal-tung zwischen Ansichts- und Bearbeitungsmodus, das Erstellen oderAndern von Collectionsund Dokumenten, usw. zur Verfugung stellt.

Mit der HomePage-Komponente kann man nun den einzelnen Bereichen eine eigene Oberflachegeben, indem man den Titel des Bereichs, einen Banner, das Objekt mit dem Inhalt fur den Newsticker,die Rahmen-, Text- und Iconfarbe und die Collection mit den Hotlines setzt sowie die Quicklinks undden Tree konfiguriert. Zudem kann man fur die einzelnen Suborganisationen eigene Inhalte festlegen.Des Weiteren konnen die Zugriffsrechte fur das aktuelle Bereichsportal gesetzt werden. Wechselt einBenutzer nun in einen anderen Bereich, wird das Frameset mit den eben erwahnten Einstellungen derausgewahlten HomePage-Komponente neu aufgebaut.

Registrierungskomponente

Ein Benutzer kann sich registrieren, um erweiterte Nutzungsmoglichkeiten des Portals zu erhalten.Wie Abbildung 7.2 zeigt, sind neben dem Usernamen die Email-Adresse, Vor- und Nachname, einepersonliche Beschreibung, der Bereich des Benutzers, die Betriebsstatte, das gewunschte Einstiegspor-tal und die Sprache anzugeben.

Abbildung 7.2: Maske fur die Registration

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144 KAPITEL 7. ENTWICKELTE HYPERWAVE KOMPONENTEN

Mit diesen Daten werden die in Abschnitt 6.4 vorgestellten Benutzer-Attribute erweitert. Nacheiner erfolgreichen Registrierung erhalt der Benutzer das Passwort per Email, kann sich am Systemanmelden und gelangt so zum gewahlten Bereichsportal.Uber einen eigenen Punkt im Menu kann derBenutzer seine Daten nachtraglichandern.

Dieses sehr einfache Benutzerverwaltung ist ein erster Schritt zur Erfassung und Bereichszuord-nung der Mitarbeiter eines großen und verteilten Unternehmens, allerdings kann diese Losung nichtmit einem Skill-Management-System, wie in Kapitel 5 beschreiben, mithalten. Es fehlt vor allem dieMoglichkeit der direkten Eingabe von Fahigkeiten – auf Kompetenzen kann nur indirektuber die Do-kumente des Users im System geschlossen werden. Die Suchfunktionalitat wiederrum wird durch Stan-dardfunktionalitat des IS/6 abgedeckt, wie Abschnitt 6.4 gezeigt hat.

Implementation

Die Software-Architektur des Bereichsportals selbst ist sehr einfach gehalten. Diese Komponente be-steht aus drei Dokumentklassen, wobei “HomePage” das Frameset selbst zur Verfugung stellt, “Tree”fur die Darstellung und Funktionalitat des Navigations-Frames verantwortlich ist und “Register” dieRegistrierung der Benutzerubernimmt.

Wesentlich komplexer als die Struktur der Dokumentklassen ist dagegen das Frameset selbst. Wiein Abbildung 7.3 zu sehen ist, besteht dieses aus drei großen Bereichen, namlich einen Header, demNavigation-Frame (Quicklinks, Treeview, Search) sowie dem Content-Frame. Von der Funktionalitather wurden die sichtbaren Frames bereits beschrieben. Was jedoch in dieser schematischenUbersichtauffallt, ist ein zusatzliches Frame zwischen dem Treeview und der Suchmaske.

Abbildung 7.3: Schema des Framesets

Dieses fur den Benutzer unsichtbare Control-Frameubernimmt die wichtige Aufgabe der Kom-munikation mit dem Server. Klappt man beispielsweise einen aus der Collection-Hierachie dynamischerzeugten Knoten des Navigations-Trees auf, so mussen vom Server die Children dieser Collectionabgefragt und sodann dargestellt werden. Dies geschieht mittels clientseitigen Javascript-Funktionenim Control-Frame, die so erhaltenen Daten werden dann in den Treeview weitergeleitet.

Auch fur die Interaktion zwischen dem Content- und dem Navigations-Frame ist der Control-Frame zustandig. Gelangt man zum Beispiel im Content-Frame auf ein neues Bereichsportal, so wirddas gesamte Frameset neu geladen.

Schließlich beinhaltet auch der Header wichtige Javascript-Funktionen, die fur das Frameset not-wendig sind. So ermoglichen diese clientseitigen Funktionen unter anderem, dass der Navigations-

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7.3. WORKFLOW 145

Frame als ganzes oder Bereiche wie die Suche sowie die Quicklinks weggeklappt werden konnen.Durch diese Aktionen kann der Content-Frame oder aber der Treeview vergoßert werden.

Mit diesen Details der Implementation wird die Beschreibung dieser IT-Komponente abgeschlos-sen und nun folgend die zweite Technologie, das Workflow-System, behandelt.

7.3 Workflow

Die zweite Komponenten, die hier als eigenentwickeltes Modul gezeigt werden soll, ist das Workflow-System, welches fur den IS/6 entwickelt wurde. Bevor auf dieses Modul eingegangen wird, folgt einekurze Erklarung des Begriffs Workflow Management und einUberblickuber den Aufbau eines solchenSystems.

“Beim Workflow Management geht es um die Logistik von Geschaftsprozessen, also umdie Planung, Ausfuhrung, Kontrolle und Automatisierung dieser Prozesse. Mit Hilfe ge-eigneter Werkzeuge wird der Weg von Dokumenten, Informationen und Aufgaben vonMitarbeiter zu Mitarbeiter verfolgt und analysiert. Daraus werden formale Regeln ab-geleitet, auf deren Grundlage Workflow Systeme dann den Ablauf dieser Prozesse steuernkonnen. Die Herangehensweise ist also prozessorientiert und reduktionistisch – das Pro-blem wird in kleinere Teilprobleme zerlegt, die von verschiedenen Mitarbeitern erledigtwerden konnen.” [Rollett 2000]

Die Vorteile eines derartigen Ansatzes sind etwa: [Rollett 2000]

• Effizienzsteigerung durch die Eliminierung unnotiger Schritte

• Bessere Prozesskontrolle durch standardisierte Arbeitsmethoden und die Nachverfolgbarkeit derAktivit aten

• Besserer Kundenservice durch die Konsistenz der Prozesse und eine genauere Vorhersagbarkeitetwa der Antwortzeiten

• Flexiblere Prozessanpassungen durch die Kontrolleuber die Prozesse mittels Software

Workflow Systeme fungieren fur den Anwender im allgemeinen nicht nur als Wegweiser, son-dern erzwingen eine konsistente Einhaltung der vorgegebenen Anforderungen.Ublicherweise setztenWorkflow Systeme sich aus vier Hauptkomponenten zusammen: [Rollett 2000]

• Workflow Editor zur grafischen Planung von Prozessen

• Workflow Simulator zum Simulieren und Verifizieren der Prozesse

• Workflow Engine zur Prozessausfuhrung auf Basis der erarbeiteten Regeln

• Workflow Monitor fur die Kontrolle der laufenden Prozesse

Es wird nun ein Workflow-System vorgestellt, welches mittels Dokumentklassen entwickelt wurdeund in den Hyperwave Templatesatz eingespielt werden muss. Bezuglich der Funktionalitat bietet dasWorkflow-System alle oben genannten Bestandteile, die nun ausfuhrlicher beschrieben werden.

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146 KAPITEL 7. ENTWICKELTE HYPERWAVE KOMPONENTEN

Workflow Editor

Als erstes muss eine Prozessdefinition bestehend aus der Mitgliederverwaltung, einem Folder fur Do-kumente sowie einer Aufgabenliste erstellt werden. Folgende Rollen, die teilweise durch die Mitglie-derverwaltung der Prozessdefinition festgelegt werden konnen, gibt es:

• Prozessdesigner: Jener Benutzer, der die Prozessdefinition erzeugt hat, wird vom System auto-matisch als Designer gesetzt

• Koordinatoren: Alle User, die Kontrolleuber eine aus der Definition gestarteten Instanz haben

• Beobachter: Alle Benutzer, die Einblick in eine solche Instanz erhalten

Der Folder fur Dokumente zu einem Workflow wird automatisch angelegt. Man hat als Designerdie Moglichkeit, bereits beim Anlegen der Prozessdefinition, Dateien und ganze Hierachien in diesenFolder, das sogenannte Arbeitspaket, zu kopieren oder zu verschieben. Beim Starten einer Instanz sinddiese Dokumente sofort verfugbar.

Abbildung 7.4: Task-Liste einer Prozessdefinition

Die Taskliste schließlich ist das Herzstuck der Prozessdefinition. Wie Abbildung 7.4 zeigt, konnenhier System- und Benutzeraufgaben hinzugefugt werden. Ein System-Task ist ein Task, welcher kei-ne Teilnehmer hat und eine bestimmte Funktionalitat implementiert. So existieren bei vorliegendemWorkflow-System folgende System-Tasks:

• Der Start-Task markiert den Beginn einer Instanz. Jede Prozessdefinition kann nur einen Taskdieser Art besitzen.

• Wird ein End-Task erreicht, so endet eine Instanz.

• Der Publish-Task veroffentlicht den Inhalt des Workpackage.

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7.3. WORKFLOW 147

• Der Milestone-Taskuberpruft, ob ein Meilenstein innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums er-reicht wurde oder nicht.

• Der Reassignment-Task weist einer Benutzeraufgabe andere (vordefinierte) Teilnehmer zu.

Fur einen User-Task hingegen ist kennzeichnend, dass er bei Erreichen einem oder mehreren Teil-nehmern in deren personliche Aufgabenliste zugewiesen wird. Die laufende Instanz wird solange an-gehalten, bis einer der Teilnehmer oder bei entsprechender Konfiguration alle diese Aufgabe beendethaben. Das Besondere an User-Tasks ist des Weiteren, dass sie nach einer bestimmten Zeit ablaufen,von den Teilnehmern zuruckgewiesen oder an andere User delegiert werden konnen. NachfolgendeBenutzeraufgaben gibt es im Workflow-System:

• Der Basic-Task erlaubt den jeweiligen Teilnehmern, dass sie einen bestimmten Zugriff auf dasWorkpackage erhalten und mit den dort befindlichen Dokumenten arbeiten konnen.

• Die Auswahl-Aufgabe ermoglicht es, dass der erste Benutzer, der diese beendet, den nachstenzur Auswahl stehenden Task startet.

• Der Reassignment-Task wiederrum ermoglicht es, dass die Teilnehmer einer anderen Benutzer-Aufgabe geandert werden. Diesesmal kann jedoch der User, der diesen Task erhalt, die neuenTeilnehmer selbst vergeben.

Eine Besonderheit beim Definieren eines Prozesses ist die Verwendung von Platzhaltern. Platzhal-ter konnen anstelle von Usern oder Gruppen des IS/6 fur bestimmte Attribute der Prozessdefinition wiezum Beispiel bei der Auswahl der Teilnehmer eines Tasks angegeben werden. Diese werden dann zurLaufzeit der Instanz aufgelost und durch die Gruppen oder User ersetzt.

Abbildung 7.5: Benutzerwizard und Platzhalter

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148 KAPITEL 7. ENTWICKELTE HYPERWAVE KOMPONENTEN

Wie in Abbildung 7.5 gezeigt wird, sind im sogenannten User Wizard, der hier zur Auswahl vonTask-Teilnehmern aufgerufen wurde, alle verfugbaren Placeholder fur dieses Attribut aufgelistet. Ne-ben den bereits vorgestellten Rollen Koordinatoren, Beobachter und Prozessdesigner sind dies unteranderem die Teilnehmer von bestimmten oder allen Aufgaben, der Initiator der Instanz, der Stellver-treter des Initiators oder die Gruppenmitglieder des Initiators.

Abbildung 7.6: Tool zur Prozessmodellierung

Diese Phase der Erstellung der Prozessdefinition wird durch ein Tool zur grafischen Modellierungunterstutzt, wie in Abbildung 7.6 zu sehen ist. Weiters unterstutzt das Workflow-System von Hyperwa-ve auch eine Versionskontrolle fur die Prozessdefinitionen, womit mehrere Versionen einer Definitionverwaltet werden konnen.

Workflow Simulator

Ist eine Prozessdefinition erstellt, muss eine diese auf Gultigkeit und Vollstandigkeituberpruft wer-den. Eine gultige Definition meint, dass es nur einen Start-Task gibt und dass samtliche Aufgabenerreicht werden konnen. Gultigkeit ist ein notwendiges Kriterium fur das Starten einer Instanz ist.Ist eine Definition ungultig, kann daraus keine Instanz erzeugt werden und es werden entsprechendeFehlermeldungen mit Hinweise auf die fehlerhaften oder fehlendeUbergange zwischen den Aufgabenausgegeben.

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7.3. WORKFLOW 149

Eine Instanz selbst wird durch einem funf Schritte umfassenden Wizard aus einer Prozessdefinitionerzeugt, wobei spatestens hier eine unvollstandige Definition komplettiert werden muss. Es konnen zudiesem Zeitpunkt noch nicht vorhandene Attribute wie Koordinatoren, Teilnehmer von Benutzerauf-gaben sowie der Inhalt des Workpackage festgelegt werden.

Workflow Engine

Nach dem erfolgreichen Initiieren einer Instanz werden die Tasks der Reihe nach abgearbeitet. Gelangtman zu einem User-Task, so wird den Teilnehmern diese Aufgabe in deren Task-Liste gelinkt, wie inAbbildung 7.7 zu sehen ist.

Abbildung 7.7: Task-Liste eines Benutzers

Der Benutzer kann nun einen Task annehmen, ablehnen oder weiterleiten. Wird eine Aufgabe voneinem oder mehreren Benutzern beendet, so wird die Instanz der Prozessdefinition fortgesetzt, bisentweder ein neuer User-Task initiiert oder ein End-Task erreicht wird. Im letzteren Fall wird dieInstanz beendet und archiviert.

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150 KAPITEL 7. ENTWICKELTE HYPERWAVE KOMPONENTEN

Workflow Monitor

Zum Beobachten und Beeinflussen einer Instanz gibt es die zwei Rollen, die bereits vorgestellt wurden.Beobachter haben lesenden, Koordinatoren gar schreibenden Zugriff auf auf die Instanz. Diese bietetneben der Mitgliederverwaltung und dem Workpackage eineUbersichtuber die Tasks und deren Statussowie eine chronologische Aufzeichnung der bereits vergangenen Aktionen seit Start der Instanz (sieheAbbildung 7.8).

Abbildung 7.8: History einer Instanz

Die Ubersichtuber die Aufgaben der laufenden Instanz ist in Abbildung 7.9 dargestellt. Hier wer-den im Gegensatz zur Prozessdefinition bei den Tasks zusatzliche Attribute angezeigt. So kann manzum Beispiel sehen, welche Aufgabe gerade aktiv ist.

Auf dieserUbersichtuber die Aufgaben kann ein Koordinator aber auch eine Instanz direkt be-einflussen. So kann ein solcher die laufende Instanz abbrechen oder diese anhalten und spater wiederfortsetzen. Das Abbrechen wirkt sich wie das Erreichen eines End-Tasks aus – die Instanz wird beendetund archiviert. Ein Anhalten und Fortsetzen hat im Grunde nur Auswirkungen auf diverse zeitgesteu-erte Ereignisse.

Im Falle eines Fehlers in einer laufenden Instanz wird diese automatisch angehalten und die Koor-dinatoren benachrichtigt. Auf diese Weise konnen sie den Fehler beheben und die Instanz fortsetzen.

Die Workflow-Komponente fur das Hyperwave Informationssystem bietet daruber hinaus nocheine Menge anderer Features wie beispielsweise einen Reminder fur die User-Tasks, automatischeEmail-Benachrichtigung bei diversen Ereignissen, usw.

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7.3. WORKFLOW 151

Abbildung 7.9:Ubersichtuber eine laufende Instanz

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152 KAPITEL 7. ENTWICKELTE HYPERWAVE KOMPONENTEN

Implementation

Das Workflow-System ist in punkto Funktionalitat sehr umfangreich, entsprechend aufwendig warauch das Design der Architektur. Wie bereits die letzte Komponente basiert auch diese auf Dokument-klassen, wobei anzumerken ist, dass es beim Workflow-System eine Besonderheit gibt: Bei diesemHyperwave-Modul wurde eine Trennung zwischen Funktionalitat (Dokumentklassen) und Visualisie-rung (User-Interface-Klassen) realisiert.

Das Framework hierzu wurde in einem gemeinsamen Projekt zwischen Hyperwave und der WebApplication Group (IICM) entwickelt. Vorteilhaft an der Trennung zwischen Dokumentklassen undUI-Klassen ist in erster Linie eine sauberes Software-Design. So ist es wesentlich einfacher, die Vi-sualisierung dieser Komponenten zuandern. Des Weiteren wurde eine Steigerung der Performancegegenuber dem bisherigen Ansatz, der die Trennung mittels eigener Dokumentklassen fur Funktiona-lit at und solcher fur die Visualisierung realisiert, festgestellt. [Legenstein 2001]

Abbildung 7.10:Ubersichtuber die Dokumentklassen

Eine grobeUbersichtuber alle Dokumentklassen ist in Abbildung 7.10 zu sehen. Es folgt nun eine

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7.3. WORKFLOW 153

Auflistung der Klassen mit einer kurzen Beschreibung:

• HW WF Task: Basisfunktionalitat eines Tasks; alle System- und Benutzeraufgaben sowie dieWorkflow-Klasse sind davon abgeleitet

• HW WF TaskUserEdit, HWWF TaskUserChoice, HWWF TaskUserReassignment: die be-reits beschriebenen Benutzeraufgaben

• HW WF TaskStart, HWWF TaskEnd: Systemtasks fur das Starten bzw. Beenden einer Instanz

• HW WF TaskMilestone, HWWF TaskPublish, HWWF TaskReassignment: die anderen, be-reits erklarten Systemaufgaben

• HW WF WorkFlow: zentrale Klasse fur die Prozessdefinition und die laufende Instanz (zweiverschiedene Visualisierungen fur Header und Mitgliederverwaltung)

• HW WF TaskContainer: beinhaltet samtliche Aufgaben; es gibt je eine Visualisierung fur dieTaskliste eines Benutzers, einer Prozessdefinition und einer laufenden Instanz

• HW WF Package: stets Teil eines HWWF WorkFlow; ermoglicht die strukturierte Dokumen-tenverwaltung in einem WorkPackage

• HW WF HistoryContainer: Teil einer laufenden Instanz; zeichnet Ereignisse der Instanz chro-nologisch auf

• HW WF History: ein Eintrag fur den HistoryContainer

• HW WF WorkflowDefinitionVersionContainer: ermoglicht eine Versionskontrolle fur eine Pro-zessdefinition

• HW WF WorkflowDefinitionContainer: zur strukturierten Verwaltung von Prozessdefinitionen

• HW WF StartCaseContainer, HWWF CaseScheduler: unabhangige Dokumentklassen; Starteiner Instanz bei Eintreten von bestimmten Ereignissen

• HW WF TemporaryContainer: Hilfsklasse fur das Starten einer Instanz durch den CaseWizard

• HW WF Participant: speichert Daten der Teilnehmer eines aktiven Benutzertasks

Die Visualisierung dieser Klassen geschieht durch die User-Interface-Klassen, die im Template-Satz vorhanden sein mussen. Die Zuweisung zwischen Dokument- und UI-Klasse erfolgt durch eineeigens dafur entwickelte Factory.

Fazit

Das Workflow-System ist ein machtiges Werkzeug fur Planung, Ausfuhrung, Kontrolle und Automati-sierung von beliebigen Geschafts- oder Wissensprozessen in einem Unternehmen. Gerade bei der Ver-teilung von Betriebsstatten, wie es bei großen Unternehmen oft der Fall ist, konnen auchubergreifendeProzesse mit diesem System unterstutzt werden. Die sehr umfangreiche Funktionalitat der Workflow-Komponente ist ein Garant dafur, dass die Prozesse optimiert und zudem zuverlassiger durchgefuhrtwerden konnen.

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154 KAPITEL 7. ENTWICKELTE HYPERWAVE KOMPONENTEN

7.4 Zusammenfassung

Ein großer und verteilter Konzern kann wohl zur Unterstutzung des Wissensmanagements nicht nurvorgefertigte Produkte verwenden, sondern wird zusatzlich zur genauen Abstimmung auf das Unter-nehmen fehlende Funktionalitat durch eigenentwickelte Komponenten abdecken mussen.

Erganzend zu den in Kapitel 6 erwahnten IT-Komponenten, die mittels der Produktpalette vonHyperwave realisiert werden konnen, wurden hier folgende zwei Komponenten beschrieben:

Zum einen hat ein auf einen Unternehmensbereich anpassbares Portalsystem, wie in Abschnitt 7.2gezeigt wurde, positive Auswirkungen auf den Zusammenhalt der Mitarbeiter des Bereichs und somitauf die Unternehmenskultur. So kann man mit dieser Komponenten die einzelnen Suborganisationendurch ein eigenes Layout und eigene Inhalte voneinander abgrenzen und so die Zusammengehorigkeitin den Abteilungen und Bereichen fordern.

Schließlich konnen mit dem vorgestellten Workflow-System Geschaftsprozesse und andere unter-nehmensinterne Ablaufe erfasst, optimiert und automatisiert werden. Dies bedeutet gerade in großenund verteilten Unternehmen ein enormes Einsparungspotential, da bei Prozessen, die mehrere Abtei-lungen oder Betriebsstatten betreffen, verhindert werden kann, dass Tatigkeiten mehrfach ausgefuhrtoder wichtige Ablaufe vergessen werden.

Das nachste Kapitel fasst nun die Erkenntnisse dieser Arbeit zusammen und gibt einen Ausblickauf kunftige Entwicklungen.

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Kapitel 8

Zusammenfassung und Ausblick

Fur große und weltweit angesiedelte Konzerne wird es mehr und mehr eine Notwendigkeit, sich mit derRessource Wissen im und rund um das Unternehmen auseinander zu setzen. Wachstum kann in solchenKonzernen nur mehr schwer durch eine Steigerung der Produktion erzielt werden, in erster Linie wirdman auf Produktvielfalt, neue innovative Erzeugnisse und begleitende Dienstleistungen setzen mussen.Dies bedingt naturlich, dass das intellektuelle Potential aller Mitarbeiter des Unternehmens mobilisiertwerden muss.

Wissensmanagement beschaftigt sich mit der Moglichkeit der Einflussnahme auf die RessourceWissen in einem Unternehmen. In einem großen und geographisch verteilten Technologie-Konzernsind dabei bestimmte Kernprozesse des Wissensmanagement zu beachten. So muss bestehendes Wis-sen vorerst identifiziert und fehlendes Wissen erworben oder selbst entwickelt werden. Zum Zweckeder Nutzung muss das Wissen naturlich im Unternehmen verteilt sowie fur den kunftigen Gebrauchbewahrt werden. Schließlich ist es fur ein Controlling der Ressource Wissen auch notwendig, dass eineBewertung vorgenommen wird und das Management durch die Definition von Wissenszielen interve-nieren kann.

In großen und geographisch verteilten Unternehmen stoßt man bei der Beschaftigung mit Know-ledge Management auf eine Reihe von Problembereichen, die es zu bewaltigen gilt. So mussen voreiner Einfuhrung von IT-Systemen notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dies be-trifft die Unternehmensstruktur, die mit einem losen Gebilde vonuberschaubar kleinen, spezialisiertenEinheiten flexibler als ein hierachisches Modell ist, das Organisationskonzept, welches weniger aufdie Optimierung von Ressourcen denn auf die Entwicklung von Innovationen ausgelegt sein sollte,und naturlich die Unternehmenskultur, wo individuelle und organisationale Wissensbarrieren die wis-sensintensiven Prozesse im Unternehmen hemmen.

Auch Forschungstatigkeiten und projektbezogenes Arbeiten erweisen sich in einem geographischverteilten Konzern als problematisch. Aus informationstechnologischer Sicht wurden in großen Unter-nehmen speziell die ProblembereicheUberangebot und mangelnde Qualitat von Informationen sowieein schlecht geplanter Einsatz von Informationstechnologien erkannt.

Mogliche Auswege aus einzelnen Punkten der eben aufgezahlten Problembereiche wurden indieser Arbeit anhand der Fallstudienuber die weltweit ansassige Schindler Aufzuge AG, den KM-Dienstleister Teltech, den Technologie- und Service-Konzern Siemens sowie den Automobil- undRaumfahrzeughersteller Rolls-Royce und anhand von zwei wesentlichen Aspekten eines lernendenUnternehmens, namlich jenen des Managements und der Beziehung zu Kunden, gezeigt.

Aus den so erarbeiteten Losungsansatzen wurden allgemeine, organisatorische Maßnahmen sowieAnforderungen an ein ideales KM-System fur Wissensmanagement in einem großen und geographischverteilten Unternehmen erstellt. Danach wurde die Umsetzung von vorteilhaften Komponenten, die fur

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156 KAPITEL 8. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

den Einsatz in einem Konzern geeignet sind, mit der Produktpalette von Hyperwave gezeigt. Schließ-lich wurden auch zwei fur das Hyperwave Informationssystem entwickelte Module genauer vorgestellt.

Immer mehr große Unternehmen beschaftigen sich mit Knowledge Management, um die Wand-lung von einem reinen Produktanbieter zu einem integrierten Technologie- und Servicekonzern zuvollziehen. Dieser Trend ist in nahezu jeder Branche zu erkennen, wie unter anderem die im Untersu-chungsbereich gewahlten Fallstudien gezeigt haben.

Bevor nun aber ein IT-System eingefuhrt wird, sollten zuerst entsprechende Wissensfunktionen imUnternehmen geschaffen werden. Fur ein großes, verteiltes Unternehmen auf jeden Fall notwendig istein Chief Knowledge Officer, der die Wissensaktivitaten im gesamten Unternehmen managt, sowieTechnologiebeauftragte fur die einzelnen Bereiche. In Abteilungen sollten Wissensmakler bestimmtwerden, die benotigtes Wissen innerhalb des Konzerns oder zumindest im eigenen Unternehmensbe-reich vermitteln konnen.

Mit einem solchen Grundgerust an KM-Rollen lassen sich nicht nur einzelne Problembereiche desWissensmanagements bewaltigen, auch eine Analyse der wesentlichen Wissensprozesse kann einfachdurchgefuhrt. Zudem konnen auf diese Weise IT-Komponenten, die wissensbasierte Tatigkeiten imUnternehmen unterstutzen, identifiziert werden. Zur Umsetzung dieser Komponenten ist es fur einengroßen Konzern ratsam, dass ein umfangreiches und ausgereiftes Produkt wie das in dieser Arbeitvorgestellte Hyperwave Informationssystem verwendet wird. Die Eigenentwicklung eines solchen Sy-stems macht aus Kosten- und Zeitgrunden wenig Sinn. Nicht unterstutzte Funktionalitat eines kom-merziellen Produktes muss naturlich durch Entwicklung eigener Module realisiert werden.

Bestimmte Kernprozesse des Wissensmanagement wie beispielsweise die Entwicklung, Verteilungund Nutzung von Wissen wurden inzwischen schon in vielen Konzernen behandelt und sind entspre-chend gut aus organisatorischer und informationstechnologischer Sicht durchdacht und unterstutzt.Andere Wissensprozesse, namlich vor allem die Definition und Umsetzung von Wissenszielen und dieWissensbewertung, wurden und werden nur am Rande behandelt.

Spezielluber der Bilanzierung von intellektuellen Kapital gibt es noch verhaltnismassig wenig Li-teratur und vor alle kaum marktreife Produkte, weshalb diesem Bereich ein starkes Wachstum progno-stiziert werden kann. Auch die Visualisierung von Wissensbestanden oder das automatische Einbringenvon Informationen sind fur die Zukunft interessante Gebiete. Mit diesen Anwendungsbereichen wirdsich auch Hyperwave auseinandersetzen mussen, damit das derzeit sehr umfangreiche Produkt kunfti-gen Anforderungen gerecht wird.

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160 LITERATURVERZEICHNIS

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Abbildungsverzeichnis

2.1 Die Ebenen der Begriffshierachie [Probst et al. 1999] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.2 Kreislauf von Wissen und Information [Reif 2000] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.3 Aufbau der organisationalen Wissensbasis [Probst et al. 1999] . . . . . . . . . . . . . 11

2.4 Bausteine des Wissensmanagement [Probst et al. 1999] . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.5 Formen der Wissensumwandlung [Laskowski 2001] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.6 Spirale der Wissensschaffung [Laskowski 2001] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.1 Barrierenmatrix [Lugger et al. 2001] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

3.2 Barrierenwurfel [Lugger et al. 2001] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

3.3 Dimensionen der Informationsqualitat [Nohr 2000] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3.4 Evolution der virtuellen Organisation [Scholz 1994] . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

4.1 Verankerung von Lernzielen in der Projektmethodik [Schindler et al. 2000] . . . . . . 61

4.2 Vertrauensschwankungen im Projektverlauf [Schindler et al. 2000] . . . . . . . . . . . 63

4.3 Das Management lernender Unternehmen [Bullinger et al. 1997a] . . . . . . . . . . . 83

4.4 Informations-Portfolio [Bullinger et al. 1997a] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

4.5 Lernprozesse in einem Unternehmen [Bullinger et al. 1997b] . . . . . . . . . . . . . . 89

4.6 Strategien fur kundenbezogene Lernprozesse [Bullinger et al. 1997b] . . . . . . . . . 90

4.7 Kundenbezogene Lernprozesse bei der Akquisition [Bullinger et al. 1997b] . . . . . . 91

4.8 Co-Produktion vs Co-Destiny-Beziehung [Bullinger et al. 1997b] . . . . . . . . . . . 92

5.1 Bausteine des Wissensmanagement [Probst et al. 1999] . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

6.1 Dokumentenverwaltung mit dem IS/6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

6.2 Standardattribute des IS/6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

6.3 Beispiel fur eine Businesscard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

6.4 Ergebnisse einer Expertensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

6.5 Ergebnisse einer Suche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

6.6 Monatsansicht des Kalenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

7.1 Sichtbare Bereiche des Framesets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

7.2 Maske fur die Registration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

7.3 Schema des Framesets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

161

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162 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

7.4 Task-Liste einer Prozessdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

7.5 Benutzerwizard und Platzhalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

7.6 Tool zur Prozessmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

7.7 Task-Liste eines Benutzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

7.8 History einer Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

7.9 Ubersichtuber eine laufende Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

7.10 Ubersichtuber die Dokumentklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

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Tabellenverzeichnis

2.1 Ebenen der Informations- und Wissensverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3.1 Abgrenzungen der virtuellen Organisation [Scholz 1994] . . . . . . . . . . . . . . . . 54

4.1 Grundsatze des Knowledge Engineering [Hammersley et al. 1999] . . . . . . . . . . . 80

4.2 Trends in der Unternehmensumwelt [Bullinger et al. 1997a] . . . . . . . . . . . . . . 84

4.3 Multimediale Technologien zur Gestaltung lernender Unternehmen . . . . . . . . . . 87

5.1 Ubersicht Wissensidentifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

5.2 Ubersicht Wissenserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

5.3 Ubersicht Wissensentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

5.4 Ubersicht Wissensverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

5.5 Ubersicht Wissensnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

5.6 Ubersicht Wissensbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

5.7 Ubersicht Wissensziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

5.8 Ubersicht Wissensverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

5.9 Komponenten eines idealen KM-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

163