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WO L FG A N G BÜ H N E (HR S G.)

Tanz am

Abgrund

CHRISTLICHE

LITERATUR-VERBREITUNG E.V.

POSTFACH 110 135 • 33661 BIELEFELD

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1. Auflage 2001

© 2001 by CLV • Christliche Literatur VerbreitungPostfach 110 135 • 33661 Bielefeld

Umschlag: Dieter Otten, GummersbachSatz: typtop, Andreas Fett, Meinerzhagen

Druck/Bindung: Ebner Ulm

ISBN 3-89397-470-9

MPRESSUM

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P E T E R H O F F M A N N

Es geschah an einem Donnerstag

S E I T E 7

M I C H A E L S T R I C K E R

Ein Schrei nach LiebeS E I T E 29

E V A R E I T E R

Mein Leben war zum KotzenS E I T E 63

WA LT E R L O P E Z

Geboren um zu verlierenS E I T E 81

M I C H A E L B Ö T H E L

Der Teufel soll dich holen!S E I T E 93

W O L F G A N G B Ü H N E

Wie dumm muss man sein,um glauben zu können?

S E I T E 113

NHALT

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P E T E R H O F F M A N N

Es geschah an einem Donnerstag

Der Schuß riss mir die Beine weg. Ich stürz-te zu Boden und wußte in einem Bruchteilvon Sekunden: „Schwerer Körpertreffer –

nicht überlebbar. In zwei Minuten ist alles vor-bei!“ Ich kannte die Munition und machte mirkeinerlei Illusionen.

Bewegen konnte ich mich nicht, aber eigenarti-ger Weise fühlte ich keinen Schmerz und ange-sichts des Todes erfüllte mich ein tiefer Friede.Ich wußte, in wenigen Augenblicken würde ichbei Gott sein, dem ich bereits vor Jahren meinLeben anvertraut hatte. In diesem Bewußtseinbetete ich noch: „Herr, wenn ich heute etwas

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getan oder gesagt habe, was dir nicht gefallenhat, dann vergib mir bitte. Nimm mich in deinReich auf! Amen.“

Dann hörte ich Schritte. Meine Kollegen kamenangerannt und der Gruppenführer rief: „Haltdurch, halt durch!“

Einige versuchten meinen Pistolengürtel zu öff-nen. Ein Kollege rannte zum Nachbarstand undholte den Sanitäter. Aber der hatte keine Taschedabei und als er mich da liegen sah, nachdemman meinen Overall aufgeschnitten hatte, schüt-telte er nur den Kopf. Keine Chance!

„Können wir noch irgendetwas für dich tun?“fragte einer verlegen.

„Betet zum lebendigen Gott!“

Da standen sie – ziemlich hilflos. Alles MännerMitte Zwanzig. Durchtrainierte Draufgänger, dietagsüber bei unseren Einsätzen den Kick ihresLebens suchten und des Nachts das Leben ge-nossen. Jetzt knieten sie um mich herum. Einer fragte stotternd:

„Beten, was ist das, wie macht man das?“

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Es geschah an einem Donnerstag

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„Wie man das macht, spielt keine Rolle. Glaubtnur an den lebendigen Gott!“

Während die Jungens jeder für sich still betetenoder zumindest so taten, kam mein FreundNorbert angerannt, der inzwischen per Funkden Notarzt gerufen hatte. Jemand rief mir zu:„Halte durch. Du hast uns immer gesagt, mankann überleben. Der ‘da oben’ kann dich nochnicht gebrauchen!“

In seiner Verlegenheit wollte er mich trösten undwar total schockiert, als ich ihm mit letzter Kraftzurief: „Lästere nicht den Namen des lebendigenGottes!“

Ein anderer fragte: „Wie steht es?“

„Ich merke, wie mein Bauch sich mit Blut füllt.Das Atmen wird schwerer, ich verblute inner-lich. Es geht zu Ende.“Während der Rettungshubschrauber landete,traf auch der Notarztwagen ein. Ich wurde in dieRückenlage gelegt und dann gab der Arzt mireine Betäubungsspritze. Danach sah ich nurnoch ein weißes Licht, das mich allerdings nichtblendete, empfand Freude und einen tiefenFrieden und dann schwanden mir die Sinne.

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Es geschah an einem Donnerstag

Geiselnahme in Köln

Drei Jahre vorher, im Sommer 1995, hielt eineGeiselnahme im Kölner Messegelände Deutsch-land in Atem. Ein russischer Israeli wollte einFlugzeug kapern, stieg aber in den falschen Busein, welcher nicht zum Flughafen fuhr, sondernzu einer Stadtrundfahrt unterwegs war.

Auf dem Messegelände erschoß er den Busfah-rer, drängte alle Insassen in den hinteren Teil desBusses, verdunkelte die Fensterscheiben mitKleidungsstücken, befestigte an allen Türen undan seinem Körper Sprengstoff und hielt die In-sassen mit seiner Pistole in Schach.

Als SEK (Spezial-Einsatz-Kommando) der Poli-zei war das ein Fall für uns und so wurden wiralarmiert und das Messegelände abgesperrt.

Bald befanden wir uns in einem Messegebäude,nur 15 Meter von dem Bus entfernt. Norbert undich standen hinter verspiegeltem Glas, so dasswir alles beobachten, aber der Geiselnehmer unsnicht sehen konnte.

Wir sahen, wie die schwarze, maskierte Gestaltnach vorne kam, wo der erschossene Busfahrer

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lag. Er ging an die Kühlbox und holte sich etwaszu trinken. Wir bemerkten auch, dass zwischendem Steuer und den zusammengedrängten In-sassen ein etwa zwei Meter langer Freiraum war,wo sich kein Mensch befand. Als wir das erkann-ten, reifte in uns ein Plan und da unsere Kollegenkeinen besseren hatten, bekamen wir den Befehlzum „planmäßigen Zugriff“.

An diesem Tag war es sehr heiß und ich warziemlich sicher, dass der Geiselnehmer nach ei-ner Zeit wieder zur Kühlbox gehen würde, umsich etwas zu trinken zu holen. Und dann woll-ten wir agieren. Ein Kollege sollte mit Sperrfeueran der Stelle, wo sich der Freiraum befand, einen„Trennschnitt“ machen und der andere Scharf-schütze sollte auf den Geiselnehmer zielen. Siegingen in Stellung und warteten auf meinenBefehl.

Es war eine äußerst angespannte Reaktion. DerIsraeli schrie in einem Gemisch von Russisch,Hebräisch und Deutsch seine Forderungen her-aus, was aber kein Mensch verstehen konnte.Eine der Geiseln, ein Junge, versuchte vergeb-lich ein Fenster einzutreten, worauf der Geisel-nehmer ihm die Pistole an den Kopf hielt und ichnur beten konnte: „Herr, lass es nicht zu!“

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Plötzlich hörten wir einen lauten Knall. Wie sichspäter herausstellte, hatte der Geiselnehmer,während er die Reihen durchschritt, eine Fraunach ihrer Nationalität gefragt. Als sie antwor-tete: „Deutsch“, drückte er die Pistole ab und dieFrau sank tot zu Boden.

Zwei Minuten später kam der Israeli wie erwar-tet wieder nach vorne und ich gab den Befehl:„Feuer frei!“

Der Israeli sank getroffen – aber nicht getötet –nieder, zog mit letzter Kraft seine Pistole underschoß sich selbst. An seinem Körper und imBus befanden sich nur Sprengstoff-Attrappen.

Kein tragischer Zufall

Nun, dieses Drama lag nun schon drei Jahrezurück und als Ausbildungsleiter wollte ich dieGeiselnahme nachstellen und mit den Kamera-den trainieren. Als Präzisionsschützen sollten sieüben, auch durch eine Busscheibe auf bewegli-che Ziele zu schießen. Natürlich mit einer spe-ziellen scharfen Munition.

Zunächst hatte ich auf einem Rollwagen einePappfigur befestigt, auf die geschossen werden

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musste, wenn ich in Deckung war und mit demSeil den Rollwagen in meine Richtung zog. ÜberFunk gab ich den Befehl: „Sicherheit – Feuerfrei!“

Nachdem diese Übung erfolgreich beendet war,baute ich die Frontscheibe eines Autobusses auf,hinter der dann die Pappfigur auf dem Roll-wagen vorbeifahren sollte. Ich erklärte dieÜbung über Funk und sagte: „Wenn der ‘Täter’sich in Höhe der Busscheibe befindet, dannFeuer frei!“ und verschwand mit der Pappfigurauf dem Rollwagen, um ihn dann später vonmeiner Deckung aus an der Busscheibe vorbei inmeine Richtung zu ziehen.

In diesem Moment kam ein Kollege, ein guterFreund von mir, der sich verspätet und die Er-klärung der Sicherheitsmaßnahmen nicht mitbe-kommen hatte. Er sah ein freies Gewehr, ging inStellung und hörte nur meine letzten Anwei-sungen „Wenn der Täter sich in Höhe der Bus-scheibe befindet, dann Feuer frei!“

Er sah, wie sich die Pappfigur bewegte und alsdiese sich in Höhe der Busscheibe befand, legteer an, drückte ab und ahnte nicht, dass ich hinterder Pappfigur stand und getroffen wurde.

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Dem Tod entronnen

18 Stunden später wachte ich kurz auf, als manmich von einem Tisch auf einen anderen legte.Weitere Stunden später kam ich auf der Inten-sivstation zu mir, während meine Frau und einKollege an meinem Bett standen.

Meine erste Frage:„Wie sind meine Überlebenschancen?“

„Etwa 90%!“

„Kein schlechter Schnitt.“

Danach nickte ich wieder weg. Später kam derArzt zu mir und erklärte, dass ich quer-schnittsgelähmt sei und nie wieder würdegehen können. Außerdem wäre eine Nieregetroffen worden, die man wahrscheinlich ent-fernen müsse.

Ich war auf diese Nachricht vorbereitet und den-noch war mir zutiefst bewußt: Ich war nicht dasOpfer eines tragischen Irrtums, sondern hier warGottes Wille geschehen. Und Gott macht keineFehler! Für mich würde ein neues, aber völliganderes Leben anfangen.

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Nun, dieses „neue“ Leben begann mit wahnsin-nigen Schmerzen. Man hatte meinen Bauch auf-geschnitten, alle Därme zunächst einmal heraus-genommen, um dann das zertrümmerte Rück-grat mit einer Metallplatte zu stabilisieren. Nachder Operation arbeitete der Darm nicht und ichbekam grausame Schmerzen und meinte platzenzu müssen. Die Schmerzen waren derart uner-träglich, dass ich den Polizeiarzt, der mich be-suchte, anflehte:

„Bitte töte mich, ich halte es nicht mehr aus!“

Und dann packte mich eine entsetzliche Ver-zweiflung und Wut und ich schrie hinaus: „HerrJesus, du hast doch gesagt, dass du meineSchmerzen getragen hast. Du hast mich angelo-gen, du hast mich betrogen!“

Der Arzt, der mein Schreien gehört hatte, kam zumir und sagte: „Jesus hat verheißen uns von un-seren Sünden, aber nicht von unseren Schmer-zen zu erlösen.“

In meinem Zorn war ich nicht bereit, über dieseTatsache nachzudenken, sondern in meiner blin-den Wut habe ich damals etwas Furchtbaresgetan – ich verfluchte Gott!

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Danach bin ich eingeschlafen und – es ist kaumzu begreifen – ohne Schmerzen aufgewacht. Allerdings mit einem sehr schlechten Gewissen.

Am nächsten Tag bekam ich Besuch von meinemFreund und Kollegen Alfred. Er ist auch Christ.

„Alfred, ich habe Gott verflucht!“

Mein Freund, der selbst viel Leid durchgemachthat – eine Granate hatte ihm vor einiger Zeit dieHand zerschmettert – war erschüttert. Aberdann sagte er:

„Peter, Gott ist größer als deine Wut und deineSchmerzen. Er verlässt dich auch jetzt nicht!“

Und dann haben wir zusammen gebetet und ichhabe Gott meine Sünde bekannt und ihn umVergebung gebeten.

Die Schmerzen kamen wieder und zwar schlim-mer als zuvor. Aber jetzt konnte ich trotz dieserSchmerzen Gott loben und preisen und ich be-kam in den kommenden Wochen viele Gelegen-heiten, mit Ärzten, Pflegern, Patienten und Be-suchern über Leben und Tod, über Gott und dieEwigkeit zu sprechen.

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Wie alles begann

Doch wie bin ich überhaupt zum SEK und zueiner Begegnung mit Gott gekommen?

Als Polizeibeamter in einem Streifenwagen finges an. Dann folgte ein Kommissarslehrgang undich kam zur Kripo. Aber dieser Dienst war mirzu bürokratisch und zu langweilig. Am Schreib-tisch sitzen und Berichte schreiben, das warnichts für mich. Deswegen bewarb ich mich beimSEK, wurde angenommen, bekam eine Sonder-ausbildung und wurde später Gruppenführer.

Diese Aufgabe hat mir so viel Spaß gemacht,dass ich mich weiterbildete und z.B. in die USAflog, um mich dort schlau zu machen. So wurdeich dann auch schließlich Ausbildungsleiter undmein Ziel war, meine Kollegen praxisnah zu trai-nieren und dieses harte Training mit viel Spaß zuverbinden.

Ich glaube, das ist mir damals gelungen. Jeden-falls hatten wir eine gute Stimmung und hieltenzusammen. Tagsüber haben wir hart gearbeitet,meist mit scharfer Munition trainiert und desNachts haben wir uns dann an den entsprechen-den Orten „erholt“ und „entspannt“.

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Ein Vorbild war ich meinen Kollegen nicht. Ichhabe damals gelogen und betrogen, um meineVorteile zu bekommen und meine Ziele zu errei-chen.

Nun hatte ich während meiner Zeit in den USAPolizeizubehör wie lichtstarke Taschenlampenusw. kennengelernt, die in Deutschland unbe-kannt waren. Und so begann ich neben meinerAusbildertätigkeit einen Versandhandel mit spe-ziellen Geräten und Zubehör für Polizisten, dersehr gut lief.

Ende 1994 wurde ich sogar von einer Zeitschriftzu einer Preisverleihung nach Stuttgart eingela-den, weil ich den ersten Preis für ein besondersinovatives Produkt gewonnen hatte.

Diese Preisverleihung fand auf einem Ausflugs-dampfer auf dem Neckar statt und bald stelltesich heraus, dass alle eingeladenen Gäste einen„ersten Preis“ gewonnen hatten.

Ich saß am Tisch mit einem mir unbekanntenHandelsvertreter zusammen. Der fragte michnach meinen Geschäftsprinzipien.

„Ich habe keine besonderen.“

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„Ich arbeite nach biblischen Grundsätzen undbin wiedergeborener Christ!“

Ich stöhnte innerlich auf, denn ich fürchtete, aneinen „Zeugen Jehovas“ geraten zu sein, der michgleich um Geld anpumpen würde.

„Es gibt in der Bibel Grundsätze, die Gott segnet“,fuhr er fort.

„Welche?“

„Zum Beispiel Ehrlichkeit, gute Ware, pünkt-liche Bezahlung.“

„Das praktiziere ich auch!“

„Und wie läuft ihre Firma?“

„Danke, gut!“

„Na, dann sehen sie ja, dass es sich lohnt, nach biblischen Prinzipien zu arbeiten.“

Irgendwie habe ich den Abend überlebt. Aberder Gedanke verfolgte mich: Was wäre, wenn esGott wirklich gäbe – ein Gott, der dich belohnt,weil du dich an seine Regeln hältst?

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Als ich am Abend im Bett lag, überkam michzum ersten Mal in meinem Leben ein Gefühl vonDankbarkeit Gott gegenüber, den ich nicht kann-te, den es aber möglicherweise gab. Vielleichtkönnte man mit Gott ein Geschäft machen!

Das war dann auch der Grund, warum ich – zuHause angekommen – auf dem Dachboden diealte Luther-Bibel suchte, die wir zur Hochzeitbekommen hatten. Ich blätterte darin, konnteaber keine Geschäftsprinzipien entdecken undverstand gar nichts.

Doch dann las ich das Buch, welches mir derVertreter geschenkt hatte – M. Rush: „Manage-ment auf biblischer Grundlage“. Dieses Buchweckte mein Interesse für Gott und damals be-gann ich auch zu beten.

In einem Heft der IVCG (Internationale Vereini-gung christlicher Geschäftsleute“) las ich Berich-te von Unternehmern, die ihr Leben „Jesus über-geben“ hatten und entdeckte auf der letztenSeite eine Einladung zu einem Vortrag, der nur10 km von meinem Heimatort in Krefeld ineinem Dorinth-Hotel gehalten werden sollte.

Ich folgte dieser Einladung und hörte einen Vor-

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trag von K. H. Binder, dem ehemaligen Ver-triebsleiter des Burda-Verlages.

Dieser anschauliche und überzeugende Vortragpackte mich. Der Redner sprach darüber, dassder Mensch, wenn er keine Autorität über sichanerkennt, die über Gut und Böse entscheidet,seine Menschlichkeit verliert und zum Unge-heuer entarten kann. Er gab zu bedenken, dassder Gott der Bibel als höchste Instanz nicht be-grenzt ist wie menschliche Autoritäten und dassseine Werte und Maßstäbe Ewigkeits-Charakterhaben.

Ich war tief beeindruckt und als am Ende derVeranstaltung zu einem kostenlosen Bibel-schnellkurs zu dem Thema „Was ist Christentumnach der Bibel?“ eingeladen wurde, war ich so-fort bereit daran teilzunehmen.

Es kamen nur drei Personen zu diesem Kurs,aber der Leiter ließ sich dadurch nicht entmu-tigen, sondern verteilte zu Beginn Bibeln undbegann mit folgenden Worten:

„Wir gehen davon aus, dass es Gott gibt unddass die Bibel Gottes Wort ist, in dem er sich unsmitteilt.“ Sofort konterte ich:

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„Und was ist mit den hungernden Kindern inAfrika?“

„Heute geht es nicht um Afrika, sondern um IhrLeben.“

Innerlich musste ich zugeben: Der Mann hatrecht! Die Kinder in Afrika waren mir bisherziemlich egal gewesen und so beschloss ich, zu-nächst einmal zuzuhören.

Wir lasen im Römerbrief, dass vor Gott keinMensch gerecht ist, sondern alle Sünder sind. Esfolgte Schlag auf Schlag: „Der Lohn der Sünde istder Tod!“

Dann lasen wir die Zehn Gebote und ich wußte:ich habe gegen sämtliche Gebote Gottes versto-ßen und wenn die Bibel stimmt, dann muss Gottdich vernichten. Ich bekam plötzlich panischeAngst vor dem Gericht Gottes.

Aber dann sagte der Leiter: „Es gibt einen Aus-weg. In Johannes 3 lesen wir:

‘Wer an den Sohn (Jesus) glaubt, hat ewiges Leben!’

– Aber jetzt machen wir erst einmal eine Pauseund danach reden wir weiter miteinander.“

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Ich konnte das Ende der Pause nicht abwarten,sondern platzte sofort mit meiner Frage heraus:„Was muss ich tun, um Christ zu werden?“

Im nächsten Moment machte ich mir bewußt:„Wenn ich Christ werde, muss ich mein Lebenändern, so wie Gott es haben will. Und dazuhabe ich keine Lust. Mein Leben gefällt mir,Geld, Freiheit ... nein, das schaffe ich nicht!“

Dazu kam noch ein Problem. Ich hatte mit Gott,wie er im Alten Testament beschrieben wird,keine Probleme. Auge um Auge, Zahn um Zahn,– das entsprach meiner bisherigen Lebensphilo-sophie. Aber mit Jesus hatte ich Schwierigkeiten.Diesen Namen verband ich mit unguten Er-fahrungen, mit „Jesus-Latschen“, mit Schwach-heit!

Doch dann wurde mir gesagt, dass nur Jesus derWeg zu Gott, dem Vater ist. Die Worte Jesu wur-den zitiert:

„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.Niemand kommt zum Vater, als nur durch mich“(Johannes 14,6).

Wenn ich also Christ werden und Vergebungmeiner Sünden haben wollte – und das wollte

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ich um jeden Preis – dann hatte ich keine andereWahl, als diesen Jesus als meinen Retter undHerrn in mein Leben aufzunehmen.

Ich habe dann Jesus Christus um Vergebung fürmein bisheriges gottloses Leben gebeten undihm gedankt, dass er am Kreuz für meine Schuldgestorben ist. Aber ich habe auch gebetet: „Ver-gib mir auch jetzt schon meine zukünftigen Sün-den“, denn ich wußte, dass ich wohl kaum Aus-sichten hatte, ein Musterchrist zu werden.

Nach diesem Gebet fiel eine Riesenlast von mei-nem Gewissen. Es war mir, als würde ich auseinem Gefängnis in die Freiheit entlassen undich wusste: Das ist es!

Mit großer Freude habe ich von da an die Bibelgelesen und im Gebet mit Gott gesprochen.

Unter aufmerksamer Beobachtung

Auf der Dienststelle blieb meine Lebensände-rung natürlich nicht verborgen. Meine Kollegenkannten mich zum Teil schon 12 Jahre und ichwar bekannt für meine verrückten Ideen. „Jetztdreht er total durch!“, war die erste Reaktion aufmeine Umkehr.

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Mir war klar, dass ich nun unter ständiger undaufmerksamer Beobachtung stand. Meine Kolle-gen ließen sich nicht von schönen Worten blen-den, sondern sie wollten sehen, ob sich meineneuen Ideen irgendwie auf mein Leben auswir-ken würden.

Sie sahen keinen vollkommenen Menschen, aberdoch einen, dessen Leben Gott völlig umge-krempelt hatte. Ich brauchte meine Vorgesetztennicht mehr belügen und unsere Unterhaltungenbekamen mit der Zeit eine völlig andere Rich-tung.

Viele meiner Kollegen waren geschieden und eswar nicht schwer, auf echte und tiefe Lebens-fragen zu sprechen zu kommen. Und als meineKollegen merkten, dass es mir nicht um eine Kir-che oder irgendeinen Verein ging, wurden sieoffener und viele von ihnen haben sich wohlzum ersten Mal ernsthaft über Gott unterhalten.

Ausblick

Nach meinem Unfall war in unserer Gruppe eineWoche lang Stillstand. Alle waren tief erschüt-tert, aber alle kamen zu der Überzeugung: Esmuss Gott geben!

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Nach über 15 Monaten im Krankenhaus undAufenthalten in Reha-Kliniken usw. erschien ichdann im Rollstuhl zu der Abschiedsfeier, diemeine Kollegen organisiert hatten. Viele Erinne-rungen und gemeinsame Erlebnisse wurdenausgetauscht. Als dann der Part kam, an dem ichdie Abschiedsrede halten sollte habe ich nurgesagt: „Ich will an diesem Tag keine Rede hal-ten. Aber ich möchte gerne mit euch allen betenund Gott danken für die gemeinsame Zeit, diewir miteinander verbracht haben.“

Nachdem ich mit Tränen in den Augen Gott ge-dankt hatte, sah ich, dass ich von Männern um-geben war, die alle ihre Taschentücher gezückthatten und einer verließ sogar den Raum, weil er die Beherrschung verloren hatte.

Während ich meine Geschichte erzähle, sitze ichin meinem Rollstuhl in Oberdachshausen, einemkleinen Ort zwischen Würzburg und Ansbach,der Heimat meiner Frau.

Hier konnten wir günstig ein behindertenge-rechtes Haus bauen und mit Hilfe meiner Frauund einigen weiteren Helfern vertreibe ich wei-ter Polizeizubehör und halte dadurch die Ver-bindung zu meinem alten Beruf.

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Bis heute quälen mich weiterhin Nerven-krämpfe, die so stark sind, dass selbst härtesteSchmerzmittel wie Morphium den Schmerz nurwenig mildern können.

Abends bin ich oft so mürbe von den Schmerzen,dass ich häufig nicht einmal beten kann oder nurnoch zu Gott schreie, dass er mich zu sich neh-men möge. Aber dann betet meine liebe Frau mitmir und für mich zu Gott.

Mit Freude warte ich auf den Tag, wo ich ohneSchmerzen in der Ewigkeit aufwachen werde,wo es keine offenen Fragen mehr geben wirdund alle quälenden Gedanken ein Ende gefun-den haben!Dort werde ich Gott von Herzen danken können,weil ich dann verstehen werde, warum amDonnerstag, dem 9. Juli 1998, um 11.30 Uhr einFreund und Kollege „aus Versehen“ mich undnicht die Zielscheibe getroffen hat.

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Es geschah an einem Donnerstag

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M I C H A E L S T R I C K E R

Ein Schrei nach Liebe

Wie Sirenen jaulen die Gitarren auf, leisesetzen Bass und Drums zu einem ra-santen Rhythmus an, werden immer

lauter. In einem genialen Riff werden nun dieschrägen Töne und Rhythmen vereint, das hölli-sche Inferno hat endlich zueinander gefundenund hämmert mit Brachialgewalt durch dasZimmer, durch die Hauswände und immer wei-ter hinaus ins Quartier. Blut „quillt“ aus denBoxen, Grauen, Ekstase, Perfektion…

„Geil!“ schreit mir Mäx ins Ohr und ich bin wie-der und wieder begeistert. Warum kann es nichtdie ganze Welt hören, warum können nicht allefühlen, was ich fühle, es ist einfach zu genial!Höchste Zeit einen Joint zu rollen, um den Rest

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meiner neuen Slayer CD noch mit tieferemGenuss reinziehen zu können.

„Ich muss mal, wo ist denn bei euch das Klo?“fragt Mäx während ich das Ding anzünde.

„Einfach raus und die erste Tür links!“

Mäx verschwindet. Das Klo – ich bin schon ge-spannt, wie er reagieren wird…

„Was ist denn das für ein Haus? Im WC ist derJesus und in diesem Zimmer haust der Satanhöchstpersönlich!“ lacht mich Mäx verdutzt an.

Früher wäre mir diese Situation schon peinlichgewesen, aber jetzt... was geht mich der Glaubemeiner Eltern an? Was geht es mich an, wennmeine Mutter die Wände des WC’s mit Bibel-versen voll hängt? Das ist ihre Sache, deswegenbrauche ich mich ja nicht zu schämen!

Was ist das für ein Haus? Gute Frage. Wie ist esmöglich, dass meine Eltern und meine Schwe-ster entschiedene Christen sind und ich bin, al-lem Anschein nach, besessen von finsterenMächten? Besessen von einer Musik, die Satanund das Böse glorifiziert und besessen von dem

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Wunsch, diese Musik so vielen Menschen wienur möglich ins Herz zu pflanzen?

Ein „schlauer“ Junge sucht etwas

Ja, in unserem christlichen Haus wurde oft vonGott geredet. Sonntags ging man immer zur Ge-meinde, der kleine Michael jeweils in die Sonn-tagsschule. Eigentlich fand ich die Geschichtendort spannend und ich hörte auch gut zu. Nurdas frühe Aufstehen fand ich mühsam und nachder Sonntagsschule mussten wir Kinder dannimmer noch so lange warten, weil meine Elternnoch mit anderen Leuten ‘reden’ wollten, dasfand ich ziemlich langweilig.

Vielleicht aus diesem Grund war mein kind-licher Eindruck vom Christentum der, dass esüberaus langweilig sei. Die Welt war groß undvoller Abenteuer und Gott schien mir nur hin-derlich, sie in vollsten Zügen zu genießen.

Die Schule war für mich kein Problem. In allenFächern hatte ich gute Noten und in der Klassewar ich sehr beliebt. Und da ich mir einbildete,ziemlich schlau zu sein, hielt ich die anderenMenschen für doof. Ich kann mich noch gut erin-nern, wie ich mit meinem Freund Toni am freien

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Mittwochnachmittag in die Stadt ging, einfachum Leute auszulachen. Tatsächlich machten wires uns zum Spass, Passanten auszulachen, weilsie unserer Meinung nach entweder doof aussa-hen, sich doof kleideten oder sich komisch be-wegten.

So eingebildet ich auch war, zufrieden war ichtrotzdem nicht, weder mit dem Leben, noch mitmir selbst. Ich wollte mehr. Ich wollte Abenteuerund ganz coole Dinge erleben und ich wollteganz cool sein, so cool, dass einfach alle Respektvor mir haben müssten.

Bald lernte ich Typen kennen, die meinem Ideal-bild sehr nahe kamen. Sie rauchten auf offenerStraße, hörten AC/DC und waren schon eineziemlich berüchtigte Gang in unserer kleinenStadt. Auch sah ich zwischendurch coole ‚Chiks‘(Mädchen) in ihrer Gesellschaft. „Bei denen gehtsicher die Post ab“, sagte ich mir und schon baldwar ich mit dabei. Hard Rock, Zigaretten, Com-puterspiele und Alkohol waren Inhalt unsererFreizeitbeschäftigung.

Den nötigen Kick bekamen wir auf unserenKlau-Touren. Nach der Schule klapperten wirdie Läden ab und klauten alles, was nicht niet

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und nagelfest war. Das war nicht nur Abenteuer,es war auch ein tolles Gefühl, ein ‘berüchtigterBandit’ zu sein.

Mit den Mädchen schien es bei mir aber nicht zuklappen. Obwohl ich mir sehnlichst eine Freun-din wünschte, hatte ich keine. Die, welche mirgefielen, waren außer meiner Reichweite und die,die ich hätte haben können, gefielen mir nicht.

Meine schulischen Leistungen gingen den Bachhinunter, aber das war mir völlig egal. Ich muss-te mich nur beeilen eine Lehrstelle zu finden,dann konnten meine Noten ja so schlecht sein,wie sie wollten.

Ein Freund aus unserer Clique war Bodenleger.„Komm doch zu uns“, sagte er mir eines Tages.Warum nicht?, dachte ich, dann bin ich wenig-stens mit meinem Freund zusammen. So lernteich einen Beruf, der überhaupt nicht meinenFähigkeiten entsprach. Aber egal, ich lebte janicht um zu arbeiten, sondern um Spaß zu habenund den hatte ich jeden Feierabend – Bier trin-ken, Hasch rauchen und laut Musik hören, daswar einfach super! Das ließ mich den schwerenAlltag vergessen und gab mir die Motivation,den Arbeitstag durchzustehen.

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Der war aber auch wirklich schwer. Ich hätte mirwohl keinen unpassenderen Chef aussuchenkönnen. Der gute Mann hatte noch die alte, mili-tärische Strenge, die es heute wohl gar nichtmehr gibt. Morgens 5 Minuten zu spät, hieß amAbend 10 Minuten länger arbeiten. Punkt 7 Uhreintrudeln gab es nicht. „Um 7 Uhr fangen wiran zu arbeiten!“ Und dann gings los: „Michael,geht es nicht ein bisschen schneller!“ und „Dubist ja schon ein elender Träumer!“ oder „Ja ...(Fluch) ... jetzt reichts aber, schon wieder ge-patzt, kannst du eigentlich nicht aufpassen!“

Täglich machte er mich zur Schnecke. Das ge-hörte bei ihm anscheinend zur Pädagogik undmit mir hatte er ausreichende Gründe, sich darinzu üben. Die allabendliche Kifferei ließ michauch tagsüber nicht mehr klar durchblicken undder Stress in Bezug auf die „Peitsche des Chefs“tat noch das seine hinzu, so dass ich vor lauterUnsicherheit fast gar nicht anders konnte, alsalles falsch zu machen.

Dieses Duo – der Chef und ich – sorgte also da-für, dass drei Jahre lang jeder Tag meines Lebensein Horror war. Während meiner Teenagerzeitwaren die Abende dann nur noch dazu da, demAlltag zu entfliehen. Droge Nummer eins war

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für mich die Musik, die anderen Drogen, Ha-schisch und Alkohol, nahm ich nur, um noch tie-fer in die Welt der Musik hineinzutauchen.

Noch immer sehnte ich mich nach einer Freun-din, sehnte mich nach dem Abenteuer, die Weltder Liebe kennen zu lernen. Aber noch immerging auf diesem Gebiet nichts weiter. Das würdebestimmt noch kommen, sagte ich mir, und sowar ich, trotz unerfüllter Wünsche, mit meinemLeben noch ganz zufrieden.

Shout at the Devil

Wer Drogen nimmt und Heavy Metal hört, wirdes wohl kaum umgehen können, dass er sichauch mit Okkultismus beschäftigt. „Shout at theDevil“, sangen wir aus vollen Kehlen – und ichdenke, für niemanden von uns war das nur rei-ner Spass. Am wenigsten von allen sicher fürmich. Erzogen von gläubigen Christen, warenGott und der Teufel für mich reale Größen, dieauf mein Leben Einfluss nahmen und um meineSeele kämpften. Das hatte ich nicht nur so ge-lernt, sondern auch schon selbst erfahren.

Obwohl ich mich entschieden hatte, vorerst ohneJesus zu leben, spielte er doch hin und wieder

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eine Rolle in meinem Leben. Immer wenn ichmich in ausweglosen Situationen befand, beteteich zu ihm und zu meinem Erstaunen erlebte ichjedesmal eine sofortige Erhörung des Gebets.

Einmal betete ich, als es mir kotzübel vom vielenAlkohol war. „Herr Jesus, wenn Du mir jetzthilfst und mich von dieser Übelkeit erlöst, ver-spreche ich, dass ich nie mehr trinken und Haschrauchen werde!“ Kaum hatte ich das gesagt, warich auf einen Schlag nüchtern und die ganzeÜbelkeit war verflogen. Das konnte doch keinZufall sein! – Aber ein Leben ohne Hasch undAlkohol? Da war ich zu voreilig gewesen. „Tut mir Leid Jesus, das kann ich nicht. Ohne dashätte mein Leben keinen Sinn. Ich kann einfachnicht mit dir leben. Was immer mir Freudemacht, nennst du Sünde!“ Ich beschloss, mitdem Beten aufzuhören, weil es mir zu blöd war,Gott so auszunutzen.

Doch es gab Situationen, wo ich es mir einfachnicht leisten konnte, auf das Gebet zu verzich-ten, zum Beispiel als ein Hooligan mich bedroh-te und drauf und dran war, mir die Zähne aus-zuschlagen. Da schrie ich innerlich auch zu Gott:„Oh, bitte hilf mir nur dieses eine Mal!“ Kaumhatte ich das gesagt, verwickelte sich der Hooli-

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gan mit einem seiner Kollegen in einen Streitund ich konnte mich unbemerkt davonschleichen.

Diese und andere Erfahrungen zeigten mir: Gottist real und ich habe eine Rechnung offen beiihm. Doch vorerst hatte ich andere Pläne. Ichwollte ‚auf die andere Seite durchbrechen‘. DasOkkulte faszinierte mich, in diese Welt wollte ichtiefer hinein.

Diverse Filme und Musikalben machten auchmeine Freunde neugierig auf diese Welt und sokamen wir auf die Idee, selbst eine Geister-beschwörung zu inszenieren. Ohne groß eineAhnung von magischen Praktiken zu haben,versuchten wir es einfach mal. Wir erlebten meh-rere Fehlschläge, meist begann jemand zulachen, so dass wir unser „Zaubern“ wieder ab-brechen mussten. Eines Tages jedoch wollten wirwirklich ernst machen.

Mit ein paar Freunden ging ich zu mir nachHaus. Wir legten eine ‘Iron Maiden’ LP auf, zün-deten eine Kerze an und fingen an, einen Geistzu rufen. Plötzlich geschahen so unheimlicheDinge, dass Donovan, einer meiner Freunde, er-schreckt aufsprang und rief: „Hört sofort auf!“.Er rannte zum Lichtschalter und irgendjemand

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aus dem Kreis schlug mit der Hand auf die Ker-ze. Uns allen war unheimlich zumute. Das Zim-mer war voll Rauch und die Lampe schaukeltewild hin und her. Wir versuchten zu rekonstru-ieren, wie es dazu gekommen sein mochte. Ir-gendwie fanden wir für alle Vorgänge eine na-türliche Erklärung. Und am Schluss waren wiralle erleichtert, dass nicht wirklich ein Geist ge-kommen war.

Jedenfalls war uns mit diesem Erlebnis die Lustdaran vergangen und wir ließen in Zukunft dieFinger davon. Doch in meinem Leben war seitdiesem Tag etwas nicht mehr wie vorher. Wennich allein in meinem Zimmer war, hatte ich dasganz reale Gefühl, dass zwei Augen mich beob-achteten. Mir war, als wäre der Dämon, den wirgerufen hatten, in meinem Zimmer geblieben.

Ich fühlte mich paranoid.

Die Faszination des Bösen

‘Paranoid’ – so hieß denn auch mein Lieblings-lied von der Gruppe ‘Black Sabbath’. Wiederund wieder wählte ich es in der Musikbox indem ‘Plätzli’, der Kneipe wo ich nun Stammgastwar.

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In dieser Kneipe, mitten in der malerischen Alt-stadt unseres Städtchens, saßen die ganzen Dro-genleute der Region. Es war echt kaputt. Jointswurden auf dem Tisch gedreht und öffentlichgeraucht, als wären es Zigaretten. Die Junkiesschoben ihr Pulver hin und her, und spritzen esschon mal auf dem Klo. Drogen aller Art wurdenhier öffentlich gehandelt. Ich fand das eine cooleAtmosphäre und war ziemlich stolz darauf, dassich, obwohl ich viel jünger war als die anderen,doch zu den anerkannten Stammgästen gehörte.

LSD stand für mich als nächste Droge auf demProgramm. Mit dieser Droge könnte man fantas-tische Reisen in eine andere Welt unternehmen.Viele meiner Lieblingslieder waren unter demEinfluss von LSD komponiert worden – klar,dass ich diese Erfahrung auch machen musste.

Wie jedesmal, wenn ich etwas Neues probierte,war ich auch von dieser Droge begeistert. Sieschien mir wirklich ‘the real thing’ zu sein. Ichempfand, dass ich auf Trip den wirklichenDurchblick hatte, die Power, die ich immer such-te. Auch spürte ich den Kontakt mit der anderenWelt. Wenn ich in den Spiegel schaute, dannblickte eine andere Person aus meinen Augen.Diese Person war viel mächtiger als ich, sie war

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fremd und trotzdem ein Teil von mir selbst, daswar faszinierend.

„Der Wahnsinn ist eine Reise zur Hölle“, krächzteNina Hagen. „Das Gehirn erkrankt und schwankt,in immer neue Dimensionen, da wo die bösenMächte wohnen.“ Etwa so kam es mir vor.

Ist das nicht eine schreckliche Vorstellung, lang-sam durchzudrehen und dabei eine Marionetteböser Mächte zu werden? Nein, trotz allem hieltich die Droge für sehr positiv, war begeistert unddachte oft, dass – wenn alle Menschen Haschrauchen und LSD nehmen würden – Frieden aufder Welt wäre. Zudem hatte ich nicht vor, eineMarionette zu werden, ich wollte ja vielmehr ausder anderen Welt Macht für mich schöpfen. Ichhatte nie vor, dem Teufel meine Seele zu verkau-fen, aber diese Gemeinschaft mit der Macht desBösen war einfach faszinierend.

Doch langsam begann die Welt für mich grau,kalt und neblig zu werden. Ich fand das Lebenimmer beschissener. Die wochenendlichen Dis-cos fand ich bescheuert, genauso die Mädchen,die sich dort rumtrieben. Ja, alles war Sch…, die Welt zum Kotzen, die Menschen, die hatten‘keine Ahnung’. Außer Drogen interessierte

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mich fast nichts mehr. Meine damaligen Kiffer-freunde fingen an, Heroin zu spritzen.

Eigentlich hätte ich ein Junkie werden müssen,so wie ich damals lebte. Doch, Gott sei Dank,waren auf dem Highway zur Drogenhölle genü-gend Hindernisse aufgestellt, um mich davor zubewahren.

Wollte ich harte Drogen kaufen, wurde ich übersOhr gehauen. Wollte ich das Zeug mit einem er-fahrenen Freund kaufen, spritzte der sich amSchluss den ganzen Stoff selbst. Versuchte ichmich als Dealer, machte ich eher Minusgeschäfteund zwischendurch erschreckte mich die Polizeiso sehr, dass mir an allem die Lust verging. Ichsteuerte Vollgas Richtung Verderben. Aber ir-gendjemand schien nicht zuzulassen, dass ichmich tiefer in die Drogen verstrickte. Einmalwäre ich sogar bereit gewesen mir einen Schusszu setzen, einfach so, grundlos. Doch weil meinJunkiefreund keinen Löffel fand um den Stoffaufzuheizen, ließ ich es dann bleiben.

Dann wurde auch die Drogenkneipe geschlossenund so kam ich langsam wieder weg von derSzene der Junkies und den Totengräbern vom‘Restaurant zum Marktplatz’.

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Ein Haufen Partys und nichts zu lachen

Meine alten, neuen Freunde waren positiver –das heißt, sie waren Partyleute. Neuer Spaß warangesagt. Bald gründeten wir einen Club, dersich zum Ziel setzte, die ausgeflipptesten Partyshochgehen zu lassen. ‘Kultur Sau’ nannten wiruns. Wir kämpften für einen Jugendtreff, woman auch Rockkonzerte veranstalten konnte.

Nach einer krawallartigen, spontanen Freiluft-party, bei der die Polizei ausgebuht wieder ab-zog, und letztendlich die Feuerwehr einen Brandbekämpfen musste, bekamen wir schließlich, waswir wollten.

Von Party zu Party, von Konzert zu Konzert,natürlich nie ohne Haschisch und Alkohol, soging es dahin. Ich trug T-Shirts mit Dämonen-fratzen und die buntesten Hosen, die man in derOstschweiz finden konnte. Doch in mir war espechschwarz. Ich hasste mich und die Welt undich liebte es, die Welt zu hassen. Oft wünschteich, ich könnte die Welt in Flammen sehen. Inmeinem Kopf tobte Krieg. „Die Heuchler undSpießer, die so tun als wäre alles in Ordnung unddabei ist nichts in Ordnung! Die sind an allemSchuld!“ Natürlich war ich gegen Gewalt, ich

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war ja für den Frieden und vor allem gegen dieArmee. Doch wenn ich die Welt schon nichtanzünden konnte, so konnte ich doch mit meinerMusik die ‘Faschos’ schockieren, sie aufschre-cken aus ihrer heilen Welt.

Trotz all dem Hass sehnte ich mich noch immernach Liebe. Ich hatte viele Freunde. Wir warendie farbige Truppe, die für Action sorgte. Wirhatten die ausgeflippten Ideen. Auf den Partysgab es jede Menge Frauen und trotzdem – meinTraum vom Leben, mein Traum von Liebe, erwar unerreichbar weit weg. Ich fühlte michschrecklich allein, leer und ausgebrannt.

„Jesus spricht: Denn was würde es dem Menschenhelfen, wenn er die ganze Welt gewinnen würde unddabei an seiner Seele Schaden nähme.“

Meine Mutter hatte wieder mal zugeschlagen.Diesen Bibelvers hatte sie auf ein großes Papiergeschrieben und so in der Wohnung aufgehängt,dass jeder ihn sehen musste. Normalerweise lasich die Sprüche meiner Mutter gar nicht mehr.„Das tut sie ja nur, weil sie mich manipulierenwill“, sagte ich mir. Doch diesen Spruch las ichimmer wieder. Den fand ich wirklich gut. „Dahat Jesus aber etwas Wahres gesagt“, dachte ich.

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Denn eines hatte ich in meinem kurzen Lebenbegriffen: es ist furchtbar, wenn man an seinerSeele Schaden nimmt. Ich hatte an meiner SeeleSchaden genommen und nichts in der Weltkonnte mich noch glücklich machen. Alle Partysund alle Freunde, was nützte mir das, wennmeine Seele litt?

Ja, meine Seele – wenn jemand wissen wollte,wie es in ihr aussah, brauchte er nur die Titelmeiner Lieblings-CD’s lesen. Sie gaben ein exak-tes Spiegelbild ab. Mein gegenwärtiger Gott wardie Gruppe ‘Suicidal Tendencies’ (selbstmörde-rische Tendenzen) bzw. deren geniales Album„How will I laugh tomorrow, if I can’t even smiletoday.“ (in etwa: „Wie werde ich morgen lachen,wenn ich heute nicht einmal mehr lächeln kann.) Es war wirklich so, diese CD war (neben ande-ren) mein Gott. Ich himmelte nicht die Typen an,die waren mir ziemlich egal, sondern die Musik.

In ihr fand ich, wie in nichts anderem, ein Aus-drucksmittel meiner Seele. In ihr fand ich einenFreund, der mich verstand, eine Droge, die mirKraft gab, meine Depressionen zu überwinden,einen Gott, den ich mit ganzer Seele anbetete.

„How will I laugh tomorrow...“ Ja, ich hatte

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wirklich nichts mehr zu lachen. Wenn ich nochlachte, war es erfüllt mit teuflischer Bitterkeit undHass. Ich hasste die Welt – aber mehr als alleshasste ich mich selbst. Mein Leben und meineMusik hatten mich hart gemacht. Aber zu Hau-se, allein in der dunklen Nacht, weinte ich. Ichweinte Nacht für Nacht – ich weinte über denSchmerz, dass ich keine Liebe fand und darüber,dass die Welt so schrecklich und grausam war.

Was ich auch tat, nichts brachte mich aus demLoch der Depression heraus, in das ich gefallenwar. Ich ließ mich tätowieren, trank Fruchtsaftanstatt Bier, ging Joggen, war unglücklich ver-liebt, machte den Führerschein, drückte michvorm Militärdienst, doch eines blieb – ich hattenichts mehr zu lachen, ich hatte keine Hoffnungmehr, es war nur noch schwarz. Ich wünschtemir zu sterben. Ich wünschte mir, der Blitzwürde mich erschlagen. Ich wünschte mir, wirwürden mit 200 Sachen gegen eine Wand rasen.Ich dachte ernsthaft über Selbstmord nach. Dochplötzlich, mitten in meinen finstersten Gedan-ken, jagte mir eine Erkenntnis durch den Kopf:Wenn du jetzt stirbst, dann wirst du für alleEwigkeit in genau dieser Frustration weiter exis-tieren, aber dann ohne die kleinste Hoffnung,dass du jemals da wieder raus kommst.

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Erschrocken fuhr ich zusammen. Mit einemSchlag wusste ich, was die Hölle ist. Das ersteMal im Leben hatte ich Angst vor der Hölle, pa-nische Angst! „Lass mich nicht in diesem Zu-stand sterben“, betete ich.

Früher hatte ich gedacht, ich hätte es in derHand, jederzeit die Notbremse zu ziehen, und,schwuppdiwupp, aus dem Zug zur Hölle auszu-steigen. Doch jetzt war mir klar, dass das eineIllusion war. Eiserne Ketten schienen mich in derFinsternis gefangen zu halten. Es war mirunmöglich, zu Gott zu kommen. Gott? Gab esihn überhaupt? Ich war mir nicht mehr so sicher.

Dass es den Teufel gab, das war mir schon eherklar. Ich kannte ihn ja schon seit einigen Jahren.Er war da, auf Schritt und Tritt, und ich hatteeine Beziehung zu ihm. Oder nicht? Man könnteja alles rein psychologisch erklären…

Ob ich nun besessen war oder nicht, jedenfallsging es mir sehr schlecht, und in dieser Zeit fingich an, Stimmen zu hören. Sie schrien mich anund gaben mir Befehle. Außerdem hatte ich dieZwangsvorstellung, ich müsste mir ein Dämo-nengesicht auf den Hinterkopf tätowieren las-sen. Ich war reif für die Psychiatrie.

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Gott ist nicht langweilig

„Gott, wenn es dich wirklich gibt, dann gib mireinen Menschen, nur einen Menschen, der sichfür mich und meine Probleme interessiert!“ schriees in mir. Dieses Gebet war so ernst wie schonlange keines mehr. Ich starrte in mein Bierglas.Gab es denn keinen Ausweg?

Nicole, eine Freundin, klopfte mir auf die Schul-tern. „Hi, Michi, hast Du Lust auf einen Joint?Wir gehen raus ‘eis go rauche’. Kommst Du mit?“

Draußen stellte mir Nicole ihre Freundin vor:„Das ist Alicia aus Spanien. Eigentlich war esihre Idee, dich einzuladen. Sie sagte mir: Wer ist er? Ich glaube er hat Probleme. Können wirihm nicht helfen? Vielleicht geht es ihm einwenig besser, wenn wir ihn zu einem Joint ein-laden.“

Ich traute meinen Ohren nicht! Waren das nichtgenau die Worte, die ich eben gerade gebetethatte? Ich bat um einen Menschen, der sich fürmich und meine Probleme interessierte und dawar er schon! Dazu noch ein Mädchen aus Spa-nien! Ich war nicht nur überwältigt von der Ge-genwart Gottes, ich war auch total positiv von

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Ihm überrascht. Das alles war überhaupt nichtlangweilig, sondern höchst interessant!

Alicia musste schon am nächsten Tag wieder zu-rück nach Spanien. Doch die unsichtbare Hand,die hinter unserer Begegnung sichtbar wurde,sollte uns schon bald wieder zusammenführen.Als ich mich zwei Monate später bei einemFreund tätowieren ließ – für mich schon beinaheeine spirituelle Angelegenheit – tauchte Aliciavöllig überraschend auf und ließ sich ebenfallsdort tätowieren. Das war für mich ein weitererBeweis für unsere – unerklärliche, göttliche –Seelenverbundenheit.

Es stellte sich heraus, dass Alicia wieder in dieSchweiz gekommen war, um hier zu wohnenund zu arbeiten. Tatsächlich fand sie dann aucheine Arbeitsstelle, allerdings eine knappe Stundeentfernt von meinem Wohnort. So sahen wir unsnur selten und unsere Wege gingen vorerst aus-einander…

An einem Samstagmorgen stürzte ich beimHören meiner ‘Megadeth’ CD wieder in einetiefe Depression. Plötzlich erwachte in mir derGedanke: Bekehre dich doch! Jesus kann dichaus dieser Finsternis retten. Ich betete: „Jesus, es

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tut mir leid, dass ich mich dem Teufel zuge-wandt habe. Ich möchte nicht mehr für ihn undfür den Hass leben. Komm doch in mein Leben,ich möchte zu Dir gehören.“

Während ich das betete, wich die Depressionvon mir und es war mir, als sähe ich, wenn auchnur schwach, ein übernatürliches Licht. Freudeerfüllte mein Herz. „Es funktioniert tatsächlich!“Ich war überrascht. Doch sofort kam mir einnächster Gedanke: „Muss ich nun mein ganzesLeben ändern? Aufhören Hasch zu rauchen, täg-lich die Bibel lesen und in eine christliche Ge-meinde gehen? – Ach nein!“, gab ich mir unver-züglich die Antwort, „das sind alles nur religiö-se Übungen. Jetzt wohnt ja der Heilige Geist inmir und da werde ich ganz cool mit Jesus leben,sein Geist wird mich automatisch führen.“

Mit anderen Worten, ich bat Jesus, in mein Lebenzu kommen und sich aber gleich in die Ecke zusetzen, die ich für ihn übrig hatte. So ändertediese ‘Bekehrung’ denn nicht viel an meinemLebensstil. Äußerlich eigentlich gar nichts, nurhielt ich mich nun für einen Christen.

Fünf bis sechs Wochen nach diesem Erlebnis, alsich eines Montags gerade blau machte, dachte

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ich: „Du bist ja jetzt Christ, Michael, und alsChrist sollte man doch gute Werke tun. Ich könn-te doch der Alicia schreiben, die braucht jeden-falls Hilfe (sie hatte mir nämlich erzählt, dass siein die Schweiz gekommen war, um vom Heroinlos zu kommen) und wir haben uns seit Monatennicht mehr gesehen.“

Ich setzte mich also hin und schrieb lang undbreit mit meinem schlechten Schulfranzösich ei-nen Brief (anders konnten wir uns ja nicht ver-ständigen). Als ich ihn unterschrieben und mei-nen Stift hingelegt hatte, klingelte das Telefon. Indiesem Augenblick wusste ich: das ist Alicia. Sowar ich kein bisschen überrascht, als ich ihreStimme aus dem Hörer vernahm, obwohl ichnoch nie in meinem Leben solche Erfahrungengemacht hatte.

Da war sie wieder, die unsichtbare Hand, dieunerklärliche Seelenverbundenheit – war es Gott,der irgendeinen Plan mit ihr und mir hatte?

Seit diesem Telefonat traf ich mich regelmäßigmit ihr und nach einem guten halben Jahr heira-teten wir. Doch selbst diese romantische Liebes-geschichte konnte meinen Hunger nach echterLiebe nicht auf Dauer stillen.

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Umkehr am Abgrund

Für einen kurzen Moment dachte ich vielleicht,dass mein Traum vom Leben und der Liebe nunin Erfüllung gegangen sei. Denn jetzt hatte ich jaalles, was ich mir erträumt hatte: eine eigeneWohnung, eine Frau und sogar noch eine cooleBeziehung mit Jesus. „Jetzt kann ich mir einglückliches Lebenshaus aufbauen“, dachte ich.

Doch ich hatte die Rechnung ohne den Wirt ge-macht. Denn mein ‘Agreement’ mit Jesus: „Ichfind dich jetzt gut, tu aber weiter, was ich für gut und richtig halte“, war eine zu oberflächlicheLösung für meine tiefsten Probleme.

Ich hörte zwar seit meinem Gebet zu Jesus keineunguten Stimmen mehr, aber meine Nerven wa-ren so ziemlich am Anschlag. Und trotz aller –sogar übernatürlichen – Romantik, konnte mei-ne Frau mir tödlich auf die Nerven gehen. Siewar so dickköpfig, dass ich vor Wut manchmalvor die Wand schlug. Zudem rauchte sie unend-lich viel Hasch, sie verpaffte meinen ganzen Mo-natslohn und interessierte sich nur dafür, wieund wo man wieder Stoff besorgen könnte. DasGanze war so schlimm, dass ich sogar meineüberaus positive Einstellung zu meiner Lieb-

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lingsdroge Haschisch verlor. „Dieses verdammteGift“, fluchte ich mittlerweile, „würde es Aliciahelfen, dass sie davon frei kommt, würde ich so-fort damit aufhören!“

Es kam, was kommen musste – der Riesenkrachan dem alles zerbricht. Alicia hatte die Schnauzevoll. „Ich gehe wieder zurück nach Spanien!“ –Schluss, aus, alles vorbei. Die bröckligen Mauernmeines positiven Lebenshauses, das ich ebenerst begonnen hatte aufzubauen, stürzten in sichzusammen. – Das darf nicht passieren! Wenndiese Ehe zerbricht, dann ist alles vorbei! Jahre-lang habe ich für den Hass gelebt, jetzt wo ichfür das Gute leben will, stürzt alles zusammen.HILFE! HILFE! Wo ist die starke Hand, die jetzthelfen kann, die den endgültigen Sturz meinesLebenshauses noch verhindert?

Ich tat etwas, was ich nie geglaubt hätte, das ich es jemals tun würde: ich rief in meiner Ver-zweiflung meine Eltern an!

Wer meine damalige Beziehung zu meinenEltern kennt, weiß, wie fertig ich gewesen seinmuss, um so etwas zu tun. Doch ich war total amEnde. Es klingt zwar abgedroschen, aber ichkann es doch nicht passender ausdrücken, ich

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war wie ein Ertrinkender, der nach dem Stroh-halm greift.

In dem Moment, als ich meine Eltern anrief,rannte Alicia aus der Wohnung. Alles, was ichnoch ins Telefon sagen konnte, war „Hilfe“ unddann rannte ich hinter ihr her. Doch sie war ver-schwunden. Wohin?

Verzweifelt lief ich zum nahen Wald. Doch vonAlicia fehlte jede Spur. Nach einigen Metern imWald hörte ich auf zu laufen. „Wohin willst dudenn laufen, Michael“, hörte ich eine Stimmesagen. „Du kannst nirgendwo hin laufen. Woimmer du hin läufst, es wird sich nichts ändern.Du kannst nicht vor deinen Problemen davon-laufen. Merkst du denn nicht, dass du schon dieganze Zeit am Laufen bist?“

Plötzlich wurde ich ganz ruhig. So ruhig, wie ichvielleicht noch nie in meinem Leben gewesenwar. Ich blieb stehen und mir wurde klar, dassGott zu mir redete. Ich sah den Trümmerhaufenmeines Lebens und mit diesem Trümmerhaufenstand ich plötzlich vor Gott. Ich hatte nichts mehrzu sagen. Es war meine Schuld, nicht die meinerEltern, und auch nicht die Schuld Gottes. Ichging diesen Weg, ich habe alle Entscheidungen

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allein getroffen und hielt mich dabei immer fürganz schlau und nun stand ich am Abgrund.Aber leider nicht nur ich, sondern mit mir auchder einzige Mensch, den ich liebte.

Und endlich begriff ich, wie gut doch Gottes Ge-bote für mich gewesen wären. Hätte ich michdaran gehalten, wäre es nie zu dieser Katastro-phe gekommen. Drogen, Partys, Heavy Metal –genau das hatte uns beide ja so kaputt gemacht.So kaputt, dass wir, trotz aller Liebe, die wir zu-einander empfanden, nichts anderes mehr tunkonnten, als uns gegenseitig fertig zu machen.

Ja, jetzt war es mir völlig klar: Gott ist Liebe undseine Gebote sind gut, sie wollten mich vor die-sem ausweglosen Elend bewahren.

Doch jetzt war es zu spät! Er hatte sich mir schonso oft gezeigt. Aber ich hatte Ihm immer wiederkaltschnäuzig den Rücken zugedreht. Jetztkonnte ich nicht mehr um Gnade bitten. Ich wärewirklich der Größte aller Heuchler gewesen,wenn ich jetzt, wo ich einfach keine andere Wahlmehr hatte, noch zu Ihm kommen und Ihmsagen würde: „Es tut mir leid, bitte vergib mir.“Nein, mein ganzer Gerechtigkeitssinn sagte mir,dass das jetzt wirklich nicht mehr ging.

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Während ich, mit diesen Gedanken erfüllt, trau-rig da stand, war es mir, als hörte ich Jesus sagen:

„Ich habe das alles schon längst gewusst. Ichwusste, dass du so bist, auch damals, als ichdeine Gebete erhörte, auch damals als ich fürdich starb. Schau, den Preis für deine unverzeih-liche Schuld habe ich längst bezahlt, als ich fürdich am Kreuz verblutete. Darum kannst duauch jetzt noch kommen. Die ganze Zeit war ichbei dir und ich warte, dass du es endlich ein-siehst und kommst.“

Diese Liebe überwältigte mich! Ich hätte erwar-tet, dass Jesus mir Vorwürfe macht, dass er sagenwürde, jetzt siehst du mal was du dir einge-brockt hast, oder, schau zu, wie du nun zurechtkommst, oder, siehst du, ich hab es dir ja gleichgesagt, du eingebildeter Narr. Aber da war nichtder geringste Tadel, sondern nur Liebe und Ver-gebung. Jetzt war mir klar, dass ich den Restmeines Lebens mit Ihm leben wollte. Ja, Er wargut. Er hatte die Liebe, die ich brauchte, nach derich mich sehnte. Nur mit Ihm konnte mein Le-ben und meine Ehe funktionieren.

Das war meine innere Umkehr – ohne Worte. ImHerzen war ich entschieden Jesus zu folgen, aber

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ich war noch so schwach, dass ich keinen Schrittalleine gehen konnte. Doch jetzt war Jesus daund schickte seine Leute, um mir zu helfen.

Zuerst einmal fand ich meine Frau und versöhn-te mich mit ihr, und noch am selben Abend nah-men meine Eltern uns mit zu einer christlichenVeranstaltung. Waren mir solche Veranstaltungenmein Leben lang ein Graus gewesen, so war meinHerz jetzt bereit: Ja, ich möchte diesen Weg ge-hen, nur meine Alicia muss auch dabei sein.

Ich war voller Freude, als meine Schwester unsin der nächsten Woche zu einem Kreis spanischsprechender Christen einlud. In diesen Kreis gin-gen wir jede Woche und meine Frau begann, dieBotschaft von Jesus Christus zu verstehen.

Das Leben beginnt

Etwa sechs Wochen nach meiner Erfahrung imWald bekehrte ich mich dann, zusammen mit ihr,öffentlich zu Jesus 1). Vor anderen Christen be-kannte ich ihm alle meine Sünden und warbereit, mit ihnen zu brechen. Ich bat Ihn, in meinLeben zu kommen, mir ein neues Herz zu geben,

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1) Alicias Lebensgeschichte wird in dem Buch A.Stricker: „Aids –und ein Leben wie im Traum“, CLV, ausführlich erzählt.

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und mein Herr und Heiland zu werden.

Am Tag danach bezeugte ich vor einer Gruppevon Christen, wie ich mich zu Jesus bekehrthatte. Ich wusste, der öffentliche Schritt war not-wendig gewesen. Erst jetzt hatte ich die Sicher-heit, dass ich Ihm wirklich gehörte. Erst jetztspürte ich, dass ich in den Heiligen Geist hineingetaucht worden war und dieser tatsächlich inmir Wohnung genommen hatte. Wie anders wardas, im Vergleich zu meinen Scheinbekehrungen.Jetzt hatte ich Freude an Gott, an der Bibel, anden Christen. Alle Last meines Lebens war vonmir abgefallen, ich fühlte mich so leicht, als ob ichfliegen könnte. Wo vorher Hass war, war nunLiebe. Ein Leben ohne Drogen und Heavy Metalwar für mich vorher unvorstellbar gewesen, dochjetzt hatte ich über Nacht nicht mehr das gering-ste Bedürfnis danach. Lebendiger hätte mir Gottnicht beweisen können, dass Er wahrhaftig ist.

Ich las: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neueSchöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe alles ist neugeworden“ – und das erlebte ich.

Ich war begeistert von Jesus. Ich las in meinerBibel: „Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist,wohin mich vor deinem Angesicht flüchten? Steige

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ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; bette ichmich in der Unterwelt, bist du zugegen. Nehme ichdie Flügel des Morgenrots und lasse mich nieder amäußersten Meer, auch dort wird deine Hand mich er-greifen und deine Rechte mich fassen. Würde ich sa-gen: ‘Finsternis soll mich bedecken, statt Licht sollNacht mich umgeben’, auch die Finsternis wäre fürdich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie derTag, die Finsternis wäre wie Licht“ (Psalm 139,7-12).

Genau das hatte ich erlebt, ich war vor ihm da-vongelaufen. Aber er war die ganze Zeit hintermir her, oder besser gesagt, war vor mir schonimmer da. Als kleiner Knirps dachte ich, ichhätte alles in der Hand – eine tragische Illusion.Jesus ließ mich lange in dieser Illusion. Nunzeigte er mir, dass er die ganze Zeit alles in derHand hatte, aber nicht um mich fertig zu ma-chen (wie ich so einen arroganten Knirps fertig-machen würde), sondern um mich zu trösten.

Hier endet meine Geschichte, wie mein Schreinach Liebe eine Antwort fand. Aber Jesus ist dasLeben und darum beginnt meine Geschichte ei-gentlich erst hier. Seit ich Jesus freiwillig dieKontrolle meines Lebens übergab, sind einigeJahre vergangen. Was früher einmal wichtig fürmich war, ist heute ziemlich bedeutungslos. All

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die Partys, die ganzen Drogen- und Dämonenge-schichten sind kaum der Erwähnung wert, dennsie sind leer und inhaltslos. In meinen ‘wilden Jah-ren’ dachte ich, das sei das Leben und die ‚bravenLeute‘ hätten ja keine Ahnung vom wirklichenLeben. Jetzt sehe ich, dass ich keine Ahnung hat-te. All diese Dinge verletzten mich und anderenur und hinterließen einen Trümmerhaufen.

Das wahre Leben begann erst mit Jesus. Zuersthalf Er mir, das Chaos meines Lebens aufzuräu-men. All der Schutt, der mir nur Depressionenund Komplexe brachte, musste erkannt und hin-ausgeworfen werden. Das war harte Arbeit! Dasging nicht über Nacht, sondern dauerte Jahre. Umdiesen Müll aus meinem Leben hinauswerfen zukönnen, musste ich lernen mir etwas sagen zulassen, von der Bibel, aber auch von anderenChristen. Erst dann konnte ich endlich, zusam-men mit dem Sohn Gottes, mein Lebenshausbauen, aber diesmal auf einer soliden Grundlageund mit zuverlässigen Baumaterialien.

Heute, nach 10 Jahren, bin ich immer noch vonJesus begeistert, so wie damals. Unsere Ehe istein Traum – ich darf Liebe geben und empfangenund lerne diese wunderbare Welt in ihrer Tiefekennen.

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Vom Taugenichts zum Arbeiter

Seit einigen Jahren wohne ich sogar in Sarajewo(Bosnien), um dort den Menschen die großartigeBotschaft von Jesus weiterzusagen. Aus einer ge-störten Persönlichkeit ist ein Seelsorger gewor-den, den Gott benutzen kann, um anderen Men-schen aus der Krise zu helfen.

Wie es dazu kam und was ich mit Jesus erlebe,das sind wirklich Abenteuer, die es wert wärenaufgeschrieben zu werden. Es sind Abenteuerdie Sinn machen, die Befriedigung bringen undsogar noch anderen Menschen zum Nutzen sind.

Ich kann es jedem bezeugen, dass Jesus lebt. Erhat einen wunderbaren Plan für jeden. Doch dumusst auf ihn zugehen und sein Angebot an-nehmen. In der Bibel kannst du erfahren, wer erist. Wenn du anfängst zu ihm zu beten, dannwird er dir zeigen, dass er sehr real ist.

Ich zögerte viel zu lange, bis ich auf Jesu Ange-bot einging. Mir schien ein Leben mit Gott be-engend und ich wollte auf gar keinen Fall einenHerrn über mir haben. Aber das Resultat meinesLebens war, dass ich „ein Sklave der Sünde“ wur-de und Dinge tat, deren ich mich heute schäme2).

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Das Ende meines Lebens unter eigener Regiewar ein Weg ins Verderben.

Die Bibel sagt, dass es so jedem Menschen gehenwird, der ohne Jesus lebt. Aber wer Jesus tatsäch-lich aufnimmt, nicht nur als Ticket für den Him-mel, sondern als das was er ist, als Herr und Kö-nig, der taucht in das wahre Leben, so wie icheingetaucht bin. Dann wird man ein „Sklave derGerechtigkeit“ und tut Dinge die Sinn machen unddie nicht einmal der Tod zerstören kann. Sie wer-den ewig bleiben, genau so, wie ich ewig bleibenwerde, denn mit Jesus habe ich ewiges Leben!

Dieses ewige Leben ist nicht etwas, dass einigenach ihrem Tod bekommen werden, als Beloh-nung dafür, dass sie ihr Leben als langweilige,graue Kirchenmäuse gefristet haben. Dieses Le-ben kann man jetzt und hier schon haben, dassagt die Bibel und ich habe es erlebt. Jesus erken-nen ist das ewige Leben! Das Leben mit Jesus istein Kampf. Doch in diesem Kampf, der darin be-steht, Gottes Willen kennen zu lernen, zu liebenund zu tun, liegt die wahre Bestimmung jedesMenschen. Das ist Leben, das ist Abenteuer, dasist echte Erfüllung.

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2) Vieles was ich tat, wurde in diesem Bericht nichtniedergeschrieben, weil es mir zu peinlich wäre.

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E VA R E I T E R

Mein Leben war zum Kotzen

Die Helligkeit des Tages erfüllt mein Zim-mer. Ich sollte aufstehen, doch am lieb-sten würde ich mich vor mir selber ver-

stecken, unter die Bettdecke kriechen und allesvergessen. Gestern abend war es wieder soweit.Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nur zweibelegte Brote zu essen, aber dann ist alles außerKontrolle geraten. Ein Stück Kuchen, noch eins,Schokolade… und dann der übliche Gang zurToilette, um alles ungeschehen zu machen.

Heute früh muss ich die Konsequenzen tragen.Natürlich zeigt die Waage nicht mehr Kilos an,aber in meinem Körper rebelliert alles, der Ma-

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gen scheint sich selbst zu verdauen und die Or-gane sind müde von der Nachtarbeit. Kann ichjemals wieder normal essen? Während ich michlangsam anziehe, schweifen meine Gedanken zu-rück in die Vergangenheit.

Aufgewachsen bin ich in Wien, als dritte vondrei Schwestern. Meine Mutter brachte bereitsein Kind mit in die Ehe und kurz nach der Heiratwurde Andrea geboren. Zwei Jahre später er-blickte ich dann das Licht der Welt.

Wir wohnten am Stadtrand von Wien, wo Vatereine Eigentumswohnung hatte. Leider habe ichnur sehr wenige Erinnerungen an meine früheKindheit. Allerdings vergesse ich nicht, dassVater des Nachts, wenn wir krank waren oderschlecht träumten, an unser Bett kam und unsversorgte. Wahrscheinlich habe ich die Erinne-rungen an meine Mutter unbewußt verdrängt,denn als ich acht Jahre alt war, trennten sichmeine Eltern.

Bis zu diesem Zeitpunkt war meine Welt noch in Ordnung. Ich war ein fröhliches Mädchen,bewegte mich gerne, war für alles Neue aufge-schlossen und aß gerne all die leckeren Speisen,die mir angeboten wurden. Weil meine beiden

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Schwestern schlechte Esser waren, freuten sichalle über meinen guten Appetit und fördertenihn. Dadurch war ich natürlich nicht so schlankwie meine Schwestern, aber das störte michnicht bis auf das eine Mal, als ich wie meineSchwestern einen Minirock tragen wollte. MeinVater versagte mir den Wunsch mit der Begrün-dung, ich hätte „zu feste Beine“.

Das hat mich damals traurig gemacht. Vielleichterzogen mich meine Eltern unbewußt wie einenJungen, denn nach den beiden Mädchen hattensie sich einen Jungen gewünscht. Durch meineunerschrockene, etwas wilde Art wurde dieserGedanke vielleicht noch gefördert.

Mich selbst störte meine etwas pummelige Figurnicht und so aß ich mit gesundem Appetit wei-ter.

Hunger nach Geborgenheit

Nach der Trennung meiner Eltern kamen wirSchwestern in ein Internat – in eine privateWiener Klosterschule. Meine Eltern trafen dieVereinbarung, dass wir Kinder am Wochenendeabwechselnd von Vater oder Mutter abgeholtwerden sollten.

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Das Leben im Internat konnte ich gut ertragen.Wir hatten regelmäßige Essenszeiten, Lernstun-den, Sportstunden und freie Zeit. Die Nonnenbehandelten mich freundlich und bemuttertenmich, was ich sehr genoß. Nur eines machte michsehr traurig: Jedesmal, wenn das Wochenendemit meiner Mutter vorgesehen war, saßen wirviele Stunden an der Pforte und warteten vergeb-lich. Irgendwann bekam dann eine der Nonnensolches Mitleid mit uns, dass sie meinen Vateranrief, der dann sofort kam und uns abholte.

Später wurde meiner Mutter das Besuchsrechtentzogen und sie musste sich jedesmal bei unse-rem Vater melden, wenn sie uns abholen wollte.Aber das geschah ganz selten, vielleicht zweiMal im Jahr.

Für mich war es damals völlig unverständlich,dass meine Mutter kein Interesse und keine Lie-be für ihre Kinder hatte. Vielleicht setzte sichschon damals in meiner kindlichen Seele der Ein-druck fest, dass es an mir liegen müßte.

An ein Wochenende mit Mama kann ich michnoch gut erinnern . Sie holte uns ab und wir freu-ten uns riesig. Dann stellte sie uns ihren zehnJahre jüngeren Tennislehrer und Freund vor. Wir

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übernachteten in ihrer neuen Wohnung, lerntenCornflakes und Spaghetti kennen und spürtensehr schnell, dass sie froh war, wenn das Wochen-ende vorüber war. Sie hatte interessantere Dingezu tun, als Kinder zu erziehen, Wäsche zu wa-schen und Zimmer zu putzen. Sie arbeitete alsFotomodell und Moderatorin, organisierte Mode-schauen und machte Promotionen in Kaufhäu-sern. Jetzt konnte sie endlich einmal leben unddas tun und lassen, was sie immer schon wollte.Sie heiratete später auch wieder und zog mitihrem Mann, der in einem Spielkasino beschäf-tigt war, nach Voralberg.

Ich konnte als Kind diese Zusammenhänge na-türlich nicht verstehen und wurde in meinemInneren zutiefst verletzt.

Nach vier Jahren Internat durften Andrea undich extern weiter zur Schule gehen. Mein Vaterhatte inzwischen eine Wohnung im Zentrum vonWien gemietet und sorgte mit aller Fürsorge, diefür einen Vater möglich ist, für uns. Er stand oftum fünf Uhr morgens auf und kochte unser Mit-tagessen vor. In seiner Tätigkeit als Verkaufs-repräsentant musste er viel unterwegs sein undkam meist erst abends zurück. Ich erinnere michgut, dass ich oft am Fenster stand und auf die

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Straße blickte, in der Hoffnung, bald sein ver-trautes Gesicht zu sehen. Während ich auf ihnwartete, dachte ich über vieles nach, z.B. überGott, über den Tod und was passieren würde,wenn Papa einmal nicht mehr nach Hause käme.

Die Schule machte mir keine großen Schwierig-keiten. Eines Tages bekamen wir eine neue Mit-schülerin und wir wurden gute Freundinnen.Immer, wenn ich mit Barbara zu ihr nach Hausekam, warteten ihre Mutter und ihre Oma bereitsauf sie. Sie wurde liebevoll umsorgt und einleckeres Essen stand für sie bzw. für uns bereit.Mir machten diese Besuche viel Freude, unddoch wurde mir auch schmerzlich bewußt, wasmir fehlte.

Bis zu dieser Zeit hatte ich noch eine einigerma-ßen normale Beziehung zum Essen. Wahrschein-lich aß ich aber anfangs trotzdem übermäßig vielaus Kummer, Frust und Einsamkeit.

In meiner Klasse war ein Mädchen, das die Klas-se wiederholen musste und daher schon älter war.Sie erzählte mir einmal während des Turnunter-richts, dass es doch ganz leicht wäre, ein „zuviel“ an Essen wieder loszuwerden. Man müßtenur den Finger in den Hals stecken und erbre-

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chen. Auf diese Weise würde man nicht dickwerden und niemand würde merken, dass manzu viel gegessen habe. Von diesem Tag an wußteich, wie man etwas ungeschehen machen konn-te, was doch geschehen war.

Es kam die Zeit, in der wir auch abends gerneausgehen wollten. Ausgangspunkt für unsereAktivitäten waren Treffpunkte wie der ‘Donner-brunnen’ oder die Eisdiele in Wien Grinzig. Dorttrafen sich Mods, Popper und solche, die es seinwollten. Die Kleidung war hier sehr wichtig.Ganz toll war es, wenn man entweder ein Mofaoder besser noch eine Vespa, oder einen Freundmit einem von beiden hatte.

Hochstimmung mit leerem Magen

Als mein Vater einmal geschäftlich ins Auslandmusste, nutzten wir die Freiheit für unseren ersten Disco-Besuch. Natürlich hatte ich einschlechtes Gewissen, denn ich war damals etwa14 Jahre alt, aber dabei sein war alles. Ein Jahrspäter durften wir regelmäßig abends wegge-hen, mussten aber zu einer bestimmten Zeitpünktlich zu Hause sein.

Kurz vor meinem 16ten Geburtstag verliebte ich

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mich zum x-ten Mal. Diesmal hatte die Be-ziehung jedoch eine gravierende Auswirkung,denn Martin sagte mir, dass es nicht schadenwürde, etwas schlanker zu sein. Von diesem Zeit-punkt an wurde mir das Essen zum Feind. Alleswas dick machte, hasste ich. So aß und trank ichfür Tage, Wochen, Monate nur noch minimal.Papas vorgekochtes Essen wanderte meist un-gegessen in die Toilette. Aß ich es doch, dann erbrach ich, um nur nicht zuzunehmen. Ichbegann dicke Menschen zu verachten, liebte es‘leer’ zu sein, unabhängig, und war in Hochstim-mung, wenn ich nicht aß. Vorerst merkte nie-mand etwas, nur dass ich innerhalb von einemhalben Jahr rapide abnahm. Dann blieb meineMenstruation aus, ich schwitzte kaum noch undhatte Magen-Darm-Probleme, die ich mit immergrößeren Mengen Abführmitteln bekämpfte.

Die Beziehung zu Martin, die eigentlich keinewar, brachte mich noch mehr in diesen Teufels-kreis hinein. Martin war ein „Aufreißer“ und ichwar zu naiv, um es sofort zu erkennen. Dazukam, dass ich darunter litt, dass meine Schwe-ster viel weiblicher und attraktiver war als ich.Wo wir auch hinkamen, wurde sie sofort um-schwärmt und somit war unser Verhältnis nichtdas Beste.

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Mode, Model und Meditation

Ich war 17 Jahre alt, als meine Mutter zurücknach Wien zog. Sie war wieder in der Mode-branche tätig und gründete eine Firma, die Mo-deschauen organisierte und durchführte. MeinVater hatte uns immer vor diesem Milieu ge-warnt, doch ich konnte dem nicht widerstehenund zog von zu Hause aus zu meiner Mutter.

Wahrscheinlich war das einer der größten Fehlermeines Lebens, denn erstens brach ich Papa, dermich doch so sehr liebte, das Herz. Zweitensbrach ich meine Schule ab und konnte dahernicht mehr das Abitur machen und drittens ver-schlimmerte sich meine Magersucht noch mehr,denn nun wollte ich Model werden.

Angefangen hatte alles damit, dass meine Mut-ter ein Bild von mir bei einem Wettbewerb zum„Gesicht des Jahres“ einsandte. Ich wurde dannangeschrieben und mit 59 anderen Anwärte-rinnen zu John Casablanca, dem Chef einer ame-rikanischen Agentur, eingeladen. Dort wurdenwir begutachtet und einzelne zur Päsentation ins ‘Hilton’ eingeladen. Ich wurde zwar nicht„Gesicht des Jahres“, aber ich erhielt meinenersten Job für einen Werbespot.

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Damit begann meine Arbeit als Model. Für Mo-deschauen war ich etwas zu klein, auch wennich auf meiner Set-Karte etwas schummelte. Ichwar nie das Topmodel, dafür war ich zu wenigPersönlichkeit und konnte mich nicht in Szenesetzen, wie so manche Konkurrentinnen. Eigent-lich war nicht die Makellosigkeit eines Modelsausschlaggebend, sondern mehr ihre Präsenta-tion und das Einsetzen ihres Körpers und ihreAusdrucksfähigkeit.

Natürlich kam ich mir sehr wichtig vor. Endlichwar ich jemand und wurde von meinen Freun-den angesprochen, dass sie mich im Fernsehenbei dem einen oder anderen Werbespot gesehenhätten.

Meine Mutter befaßte sich damals mit Astrolo-gie, Esoterik, Tischerücken usw. Wir lasen vieleBücher über das Leben nach dem Tod, über En-gel, Geistwesen, Meditation und besuchten eine„Geistige Loge“ in Wien. Meine Mutter war sehrmedial veranlagt und verließ sich immer mehrauf Anweisungen aus der Geisterwelt.

In Mamas Modeschautruppe war auch Wolf-gang – blond, braungebrannt, sportlich und derSchwarm aller Frauen. Ich weiß nicht warum,

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aber er interessierte sich für mich und wir warenfür einige Zeit befreundet. Durch einen Freundlernten wir eine Gruppe kennen, die sich ‘Saha-ja-Jogis’ nannten. Wolfgang war begeistert undbegann regelmäßig ihre Veranstaltungen zu be-suchen. Anfangs ging ich mit und sah stunden-lang Videos in gebrochenem Englisch von einerInderin an, welche als Guru verehrte wurde. Aufeinem Wochenendseminar wurde mir jedoch klar,dass ich als Katholikin nicht das Bild einer In-derin anbeten und ihr Opfer bringen konnte. Soverließ ich die Jogagruppe und die Freundschaftmit Wolfgang löste sich auf.

Meine Mutter startete wieder mal ihre Mode-schaureisen. Jeden Tag besuchten wir ein ande-res Hotel, im Sommer vorwiegend an den Seenund in Kurorten, im Winter in den Skigebieten.Es war ein lockeres Leben. Wir waren ein Teamvon 2 bis 4 Models und hatten die „Fetzen“ da-bei. Jeden Abend spulten wir unsere Modeschauab und meine Mutter „conferierte“, während wirdie Kleider vorführten. Das Arrangement war:wir lieferten das Abendprogramm und das Hotelmachte Barumsatz, dafür hatten wir Kost und Lo-gie frei. Meistens konnte ich bei den herrlichenBuffets nicht widerstehen, jedoch hatte ich jameine Methode, von der niemand etwas ahnte.

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Als die Geschäfte nach einiger Zeit schlechtergingen, beschlossen wir, uns in Bad Hofgasteinsesshaft zu machen. Da ich mich für gesunde Er-nährung interessierte, fuhr ich zu dem Gesund-heitsapostel Dr. Brucker und absolvierte dorteine Ausbildung als Gesundheitsberaterin. Esergab sich, dass ich in einem Reformhaus in BadHofgastein arbeiten konnte und man sollte mei-nen, dass ich nun gelernt hätte, wieder normalzu essen, nachdem ich jahrelang gefastet, Un-mengen in mich hineingefuttert und schließlichalles wieder ausgebrochen hatte. Doch das warkeineswegs so. Nun zwang ich mich, nur ‘ge-sunde Nahrung’ zu essen, obwohl es mir garnicht schmeckte. Meine Umwelt merkte davonwenig, ich machte viel Sport, war freundlich undfröhlich und alles schien in bester Ordnung zusein. Aber im Inneren war ich ziellos, hasstemich selbst für meine unkontrollierten Ess-attacken und suchte nach einem Halt.

Esoterik oder Christus?

Mein nächster Spleen war, eine Heilpraktiker-Ausbildung zu beginnen und so zog ich nachMünchen, suchte mir ein Zimmer und bekameinen Nebenjob in einem Naturkostladen. Nunbegann die traurigste Zeit meines Lebens. Ich

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fühlte mich einsam und verlassen. Meine Buli-mie verstärkte sich derartig, dass ich mir in mei-ner Verzweiflung immer wieder überlegte, wieich meinem Leben ein Ende machen könnte.Zwar dachte ich oft über Gott nach und betete,aber ich war von den esoterischen Büchern der-art durcheinander, dass mein Gottesbild völligverzerrt war.

Genau in dieser Lebensphase kam Andrea, mei-ne Schwester, aus Wien zu Besuch. Zu meinemgroßen Erstaunen war sie ganz verändert – solieb, normal und ausgeglichen und ich wußte:den Frieden, den sie hat, den brauche ich auch.Sie erzählte mir von Jesus Christus und las miraus der Bibel vor. In meiner Not flehte ich zuGott, dass er mein Leben ändern und in Ord-nung bringen möchte. Es war einfach ein Schrei-en zu Gott, meinem Schöpfer, ohne das ich ver-stand, wer Jesus Christus war und was er fürmich getan hat.

Nun begann Gott, in meinem Leben aufzuräu-men. Zunächst aber wurde mein psychischerZustand so schlecht, das ich meine Ausbildungunterbrach und nach Bad Hofgastein zurück-kehrte. Meine Mutter hatte inzwischen wiedereinmal geheiratet und ich fühlte mich in ihrer

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Wohnung ziemlich fehl am Platz. Doch Gott hat-te einen Plan mit meinem Leben, auch wenn iches damals nicht gleich merkte. In meinem klei-nen Mansardenzimmer dachte ich viel über meinLeben nach und wenn ich heute in meinen Ta-gebüchern blättere, die ich damals geschriebenhabe, dann staune ich, wie liebevoll Gott michverändert hat.

Schon bald lernte ich Sabine kennen, die mir voneinem Bibelkreis in St. Johann erzählte. So mach-te ich mich auf und wußte nach meinem erstenBesuch, dass ich hier an dem richtigen Platz war.Peter erklärte uns anhand eines Bibelkurses denWeg zu Jesus. Er sprach darüber, wer und wieGott ist und das jeder Mensch zu Gott kommenkann wie er ist und ihn um Vergebung seinerSünden bitten kann. Mir wurde klar, dass derWeg zu Gott nur über das Kreuz auf Golgathaführt, wo Jesus Christus, der Sohn Gottes, stell-vertretend die Strafe für unser sündiges Lebengetragen und damit den Weg zu Gott freige-macht hat.

Nun war ich bereit mein Leben dem zu überge-ben, der schon lange auf mich gewartet hatte. Ichgab mein selbsterdachtes Gottesbild auf und leg-te allen Stolz und Hochmut, die ich korpulenten

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Menschen gegenüber empfunden hatte, ab undbekannte Gott meine Sünden.

Als ich ein halbes Jahr später nach München zu-rückkehrte, um meine Ausbildung fortzusetzen,bekam ich die Adresse einer christlichen Gemein-de und besuchte sie gleich am ersten Sonntag.

Bedingungslos geliebt

An diesen ersten Besuch kann ich mich noch guterinnern. Die Freundlichkeit, Liebe, Offenheitund Herzlichkeit gaben mir das Gefühl: „Hierwirst du geliebt, wie du bist, hier musst du nichtschlank, schön und lustig sein, um geliebt zuwerden.“

Rainer – mein späterer Ehemann – sah mich andiesem Tag zum ersten Mal und wußte, dass ichseine von Gott bestimmte Frau sein würde. Daich noch so viele Probleme mit mir hatte, wur-den Rainers Geduld und Vertrauen hart geprüftund erst ein halbes Jahr später konnte ich seineZuneigung erwidern.

Bald lernte ich bei meinen Besuchen in dieserGemeinde auch eine Frau kennen, die jahrelangan Bulimie gelitten hatte und war so froh, dass

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sie alle meine Nöte, Ängste und Probleme ver-stehen konnte. Die vielen Gespräche mit ihr hal-fen mir nicht nur, meine Essprobleme zu bewäl-tigen, sondern sie war mit ihrem Leben ein wun-derbarer Beweis, dass Gott ein kaputtes Lebenheilen kann. Das gab mir Mut in Zeiten der Re-signation und der scheinbaren Rückschritte.1990 heirateten Rainer und ich und einige Mo-nate später wurde ich schwanger.

Die Schwangerschaft war für mich eine schreck-liche Belastung, denn nun musste ich akzeptie-ren, einen dicken Bauch zu bekommen. Natür-lich freute ich mich über ein Kind von demMann, den ich liebte, aber ich hatte Angst, dassRainer mich mit einem dicken Bauch nicht mehrlieben würde. Bis zum Tag der Geburt versuchteich, meinen Bauch zu verstecken.

Meinem Mann Rainer gegenüber empfinde icheine tiefe Dankbarkeit, denn er ermutigte michund machte mir das Wort Gottes lieb. Die ge-meinsamen Gebete halfen mir mehr und mehr,von falschen, selbstzerstörerischen Gedankenloszukommen.

Drei Jahre später wurde ich wieder schwangerund Gott schenkte uns nach Philipp noch Ma-

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thias. Der durch die Kinder bedingte Tagesab-lauf stellte sich für mich als ideal heraus. Dieregelmäßige Einnahme der Mahlzeiten war mireine große Hilfe. Anfangs musste ich mich zwin-gen, drei Mal täglich zu essen Aber auch wennich keinen Hunger hatte, ließ ich das Frühstücknicht aus. Damit verhinderte ich einen abend-lichen Heißhungeranfall.

1995 kam unsere Tochter Hanna zur Welt undvier Wochen nach ihrer Geburt zogen wir in dieHeimat meines Mannes, ins BerchtesgadenerLand, wo wir auch heute noch wohnen.

Und nun – Jahre später – stellt sich natürlich dieFrage, ob mein Wunsch in Erfüllung gegangenist, einmal wieder normal essen zu können. Es istschwer für mich zu beurteilen, ob die Essens-mengen „normal“ sind, die ich zu mir nehme,auf alle Fälle habe ich wieder ein Hunger- undSättigungsgefühl.

Meine Nahrungsaufnahme mache ich nichtmehr von der Waage abhängig, auf die ich michfrüher stündlich stellte. Die Waage steht seit eini-gen Jahren im Keller und ist sicherlich schonganz verstaubt. Meine Stimmungen sind weitge-hend davon unabhängig, ob ich wenig oder viel

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gegessen habe. Ich ernähre mich gesund, habeaber auch gelernt mir Süßes zu gönnen, ohne einschlechtes Gewissen zu haben.

Ich möchte aber niemand verheimlichen, dass esein langer Weg in die Freiheit ist, bei dem ichtäglich auf die Gnade und Hilfe Gottes angewie-sen bin. Immer noch bin ich gefährdet, auf Pro-bleme, Ängste, Niederlagen und Sorgen mit ei-nem veränderten Eßverhalten zu reagieren.Doch erkenne ich deutlich, dass Gott mit mei-nem Leben ein Ziel hat und dass ich der Be-freiung von meinen falschen Gedanken und mei-nem falschen Verhalten immer näher komme.

Ich bin Gott von ganzem Herzen dankbar für dieMöglichkeit einer solch nachhaltigen Befreiung.Manchmal frage ich mich, was aus mir gewor-den wäre, wenn ich die ausgestreckte Hand Got-tes nicht erfasst und seine bedingungslose Liebenicht kennengelernt hätte.

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WA LT E R L O P E Z

Geborenum zu verlieren

In Honduras, einer der kleinen Bananenrepu-bliken Mittelamerikas, wuchs ich in einer sehrarmen, katholischen Familie auf.

Als ich etwa 6 Jahre alt war, verließ mein Vaterunsere Familie um nie wieder zurückzukehren.Er war Alkoholiker und hatte schon zuGroßvaters Lebzeiten ein großes Landgut alsErbe bekommen.

Großvater hatte ihm den dringenden Rat gege-ben, auf keinen Fall die Pferde zu verkaufen,weil man damit im Notfall eine neue Existenz

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aufbauen konnte. Aber schon nach drei Jahrenwar von dem Erbe nichts mehr vorhanden undauch die Pferde wurden verkauft, um das Geldzu vertrinken. Von dieser Zeit an habe ich Alko-hol gehaßt!

Vater hinterließ uns ein großes Elend. Wir hattenkaum etwas zu essen, keine Kleidung und unse-re Hütte hatte nur ein Bett, in dem unsere Mutterschlief. Wir drei Kinder schliefen auf dem Lehm-boden.

Unser Leben änderte sich, als eines Tages der ge-fürchtete Bruder meiner Mutter ins Dorf kam.Lorenzo war ein berüchtigter Berufs-Killer. „Dakommt der Teufel!“, schrieen die Leute entsetzt,als sie ihn sahen. Sie bekreuzigten sich, liefen inihre Häuser und verriegelten ihre Türen.

Aber dieses Mal kam er nicht mit gezückter Pis-tole, sondern mit einer Bibel in der einen Handund einer Laterne in der anderen. Und amAbend ging er von Hütte zu Hütte und sprachmit den Leuten über die Bibel.

Die Dorfbewohner waren sehr verwirrt: „Er istvom Teufel, aber er trinkt nicht mehr, tötet nichtmehr und spricht von Jesus. Was ist los mit ihm?“

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Nun, mein Onkel war inzwischen Christ gewor-den und seine Veränderung war so offensicht-lich, daß man sein Zeugnis ernst nahm. Damalskam meine liebe Mutter zum Glauben an denHerrn Jesus.

Eine Karriere als „Fünf-Minuten-Prediger“

Als ich 12 Jahre alt war, verließ ich meine Fa-milie, um meine Mutter zu entlasten. Ich schwurdamals, nie wieder in diese Armut zurückzu-kehren, sondern viel Geld zu verdienen undmeine Familie aus dem Elend herauszuholen.

Es war nicht einfach, Arbeit zu finden, aber end-lich bekam ich eine Stelle in einer Bananenfirma.Vier Jahre später holte mich meine Mutter zu-rück. Meine Bedingung war: „Wenn du michzwingst mit in die Gemeinde zu gehen, dannhaue ich ab und arbeite wieder in der Firma!“

Die Gemeinde wurde nämlich nur von altenLeuten besucht und von vier Mädchen, – die allemeine Cousinen waren!

Eines Tages lud mich ein Baptistenpastor aus dernäheren Umgebung in seine Gemeinde ein, zuder auch einige Amerikaner gehörten.

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„Die Anwesenheit von Gringos beinhaltet dieMöglichkeit einer Arbeitsstelle“, dachte ich undtatsächlich bekam ich eine Anstellung, bei derich Traktor fahren und Reparaturen usw. erledi-gen musste.

Um einen guten Eindruck zu machen schien esmir auch vorteilhaft zu sein, die Hand zu heben,als eines Tages in der Kirche zur Bekehrung auf-gerufen wurde.

Kurze Zeit später wurde an unserem Ort eineEvangelisation durchgeführt. Der Prediger frag-te mich:

„Kannst Du erzählen, wie Du Christ wurdest?“

„Nein!“

„Dann bereite Dich darauf vor!“

Nun geriet ich in Panik! Ich war kein Christ undmeine Bibel trug ich nur zum Schein mit zurGemeinde. Um nur ja nicht negativ aufzufallenund dadurch meine Beziehungen zu verlieren,durchstöberte ich den Bücherschrank der Bap-tistengemeinde, um mich zu informieren. Dortentdeckte ich die Bücher des Predigers MurrayMcCheyne, die mir gut gefielen.

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Das ist alles nur geklaut

In der Folgezeit klaute ich zwei von diesenPredigtbüchern, um dann Passagen daraus aus-wendig zu lernen. Ich prägte mir auch Gedichteein und bald fand mein erster Auftritt mit einerKurzpredigt statt, die offensichtlich Zustimmungfand. Die Zuhörer schienen begeistert zu seinund forderten mich auf, öfters zu predigen.

Allerdings dauerten meine „Predigten“ nichtlänger als 5 oder 10 Minuten, denn es war keineleichte Sache, immer wieder neue Predigten aus-wendig zu lernen, ohne den Inhalt zu verstehen.Manchmal wurde ich regelrecht gegen meinenWillen auf die Kanzel geschleppt.

Auf diese Weise wurde ich mit etwa 16 Jahrender sogenannte „Fünf-Minuten-Prediger“, dersich wachsender Beliebtheit erfreute, vielleichtgerade deswegen, weil meine „Predigten“ sokurz waren.

Monate später schickten mich die Baptisten mitweißem Hemd und Krawatte zu einem Treffen.Irgendwie bekam ich dort eine Zeitschrift in dieFinger, worin zu einem Jugendlager eingeladenwurde. Mich interessierten vor allem die Mäd-

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chen dort und so besuchte ich dieses Lager undkam so in Kontakt zu der dortigen Gemeinde.

Auch die Gringos dort konnte ich mit meinerfrommen Show bluffen und sie sorgten dafür,daß ich bald getauft und in die Gemeinde aufge-nommen wurde.

Gleich am ersten Sonntag spulte ich freimütigund routiniert eine meiner „Fünf-Minuten-Pre-digten“ ab und machte offensichtlich nicht dieschlechteste Figur.

Dort benutzte ich ein Buch von Georg Müllerüber das Gebet, das ich auch damals bei denBaptisten geklaut hatte. Auch daraus lernte ichPassagen auswendig, um mein Kurzansprachen-Repertoire für Gebetsstunden zu erweitern.

Heimlich pflegte ich auch Kontakt zu den ande-ren Kirchen in der Umgebung, um auch sie mitmeinem Wortschwall zu beglücken und so konn-te ich für eine kurze Zeit den Baptisten ein Bap-tist, den Methodisten ein Methodist und den„Brüdern“ ein „Bruder“ sein, bis der ganzeSchwindel irgendwann offenbar wurde unddamit meine Karriere als jugendlicher „Fünf-Minuten-Prediger“ ein schnelles Ende fand.

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Geld und Frauen

Da ich mich nun bei den Christen stinkend ge-macht hatte, versuchte ich mich auf mein beruf-liches Weiterkommen zu konzentrieren.

Tatsächlich schaffte ich es, mit 20 Jahren stellver-tretender Geschäftsführer einer Bananenfirma zuwerden. Nun hatte ich mein Ziel erreicht: ichverdiente genug Geld und da ich weder rauchtenoch trank, blieb genügend Geld übrig, um eineAnzahl unguter Frauenbeziehungen einzugehen.

In der Folgezeit hatte ich über 20 Jahre lang keinen Kontakt mehr zu einer Gemeinde vonChristen.

In den folgenden Jahren gründete ich mit dreiPartnern eine Molkerei und begann auch eineViehzucht, was in Honduras ein riskantes Un-ternehmen ist. Um störende und unbequemeKonkurrenten auszuschalten, war es nicht unge-wöhnlich, Killergruppen mit der Liquidierungdieser Personen zu beauftragen.

Pro Person kostete uns das damals umgerechnet500.- bis 1.000.- DM. So wenig war das Leben inunseren Breitengraden wert!

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Die Pistole war mein ständiger Begleiter und ichhatte eine weitere Anzahl moderner Waffen, dieich nicht nur benutzte, um mich zu verteidigen.

Ohne verheiratet zu sein, lebte ich schließlich 23Jahre mit Tomasa zusammen, die seit einigenJahren Sonntags in eine Gemeinde ging. Ich hattesie damals in der Bananenfirma kennengelernt.Doch daneben hatte ich noch einige andere Be-ziehungen und inzwischen 9 Kinder von drei ver-schiedenen Frauen, für die ich zu sorgen hatte.

Für Tomasa war dieser Umstand natürlich einegroße Not. Sie hatte inzwischen eine persönlicheBeziehung zu Jesus Christus und betete schonjahrelang für mich. Sie bat häufig, unsere illega-le Beziehung durch eine Heirat zu beenden undmachte sogar den Vorschlag, einen Ehevertragaufzusetzen, in dem sie sich verpflichtete, keineAnsprüche auf Geld und Gut zu erheben.

Doch durch eine Heirat meine „Freiheit“ einzu-schränken war für mich damals undenkbar.Auch wenn mein Leben das Gegenteil ausdrück-te beruhigte ich mich mit dem Gedanken, dassich doch schließlich auch „Christ“ sei und da-mals meine Hand zu einer Entscheidung fürChristus erhoben hatte.

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Kein Rollentausch sondern neues Leben!

Es ist jetzt etwa sieben Jahre her, dass ich einesMorgens um etwa vier Uhr in einem zerstörtenAuto zu mir kam und im gleichen Moment mitErschrecken wußte: Ich bin ein verlorener Sün-der!

Ich war mal wieder unterwegs gewesen und eswar sehr spät geworden, als ich mit meinem Wa-gen ins Schleudern geriet und in einem Loch hän-gen blieb. In dieser Nacht wurde mir bewußt,dass Gott mich suchte. In aller Deutlichkeit standnicht nur mein zerstörtes Fahrzeug, sondern vorallem der Trümmerhaufen meines Lebens vormeinen Augen und die Spur von Blut undTränen, die ich hinterlassen hatte. Ich wußte, daßGott mich richten und verurteilen musste.

Was ich nicht ahnte: Tomasa konnte in dieserNacht nicht schlafen und hatte für mich gebetet.Ihre Not mit unserer Beziehung war so groß ge-worden, dass sie an diesem Abend beschlossenhatte, mich zu verlassen, um Gott gehorsam zusein. Doch als ich nach diesem Unfall am frühenMorgen nachdenklich, schmutzig und mit zerris-senen Kleidern zu Hause eintraf, hatte sie keinenMut, ihren Entschluss in die Tat umzusetzen.

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Ich packte meine Tasche und verabschiedete michvon Tomasa mit der Begründung, mein Leben in Ordnung bringen zu wollen. Drei Tage langsuchte ich die Stille auf und in dieser Zeit über-führte Gott mich von meinen Sünden. Ich durftemein gottloses Leben bereuen und Gott schenktemir den Glauben an den Herrn Jesus, der meinegroße Schuld stellvertretend am Kreuz für michbezahlt hat. Von da an haßte ich die Sünde undwar entschlossen, mit allen üblen Gewohnheitenund Verbindungen zu brechen.

Als ich zu meiner illegalen Frau Tomasa zurück-kehrte und ihr erklärte, dass ich sie heiratenwolle und bis zur offiziellen Hochzeit keinenKontakt mehr mit ihr haben könnte, war siesprachlos!

„Dieser Leib gehört jetzt Gott!“, betonte ich,indem ich auf meinen Körper zeigte, „und meinePistolen habe ich auch weggegeben!“

Danach kamen die Videos und Fotos dran. Ichhatte eine Menge schmutziger Videos mit mei-nen Frauengeschichten aufgenommen und ichwarf sie alle auf einen Haufen, um sie zu ver-brennen. Das war aber nicht so leicht, wie ichmir das vorgestellt hatte. Das Zeug brannte nicht

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und so musste ich ein Video nach dem anderenins Feuer werfen und auf diese Weise vernichten.Ich bin Gott sehr dankbar, dass ich mich nichtnur äußerlich von diesen Videos trennen konnte,sondern das Gott mich auch von den schmutzi-gen Erinnerungen befreit hat.

Nicht so einfach war es, die Beziehungen zu denanderen Frauen zu beenden, die Mütter meinerKinder waren. Ich besuchte sie, wies jeden An-näherungsversuch ab, betete mit ihnen und be-kannte, dass ich nun Christ war. Ich versprach,weiterhin für sie und die Kinder zu sorgen, aberansonsten keinen Kontakt mehr zu pflegen.

Nachdem wir geheiratet hatten, war meine To-masa einverstanden, einige der Kinder aus denanderen Beziehungen aufzunehmen und ich bindankbar, daß inzwischen 5 von den 9 Kindernzum Glauben an Jesus Christus gekommen sind.

Aus der Molkerei bin ich ausgestiegen undauch meine Viehzucht habe ich aufgelöst, umeine Art Bibelschule mitmachen zu können. Na-türlich waren die Christen zuerst sehr skeptischund bewegten verständlicherweise die Frage,ob ich nun erneut eine fromme Rolle einstudierthätte.

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Doch inzwischen ist das Vertrauen gewachsenund ich darf sowohl in praktischen wie in geist-lichen Aufgaben mitarbeiten.

Was die Zukunft betrifft, sind Tomasa und ichauch bereit, als Missionare nach Nicaragua zuziehen oder unter den Garifunas, einem ur-sprünglich afrikanischen Volksstamm in der Pro-vinz Mosquitia – einer von der Außenwelt ziem-lich abgeschnittenen und durch Drogenhandelund Kriminalität geprägten Gegend Honduras –zu arbeiten.

Inzwischen bin ich 52 Jahre alt. Ein Leben in derSünde und in Mittelmäßigkeit kommt für denRest meines Lebens nicht mehr in Frage.

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M I C H A E L B Ö T H E L

Der Teufelsoll dich holen

Ich galt als unerwünschter Nachkömmling, alsich im November 1965 in Rendsburg das Lichtder Welt erblickte. Meine Zwillingsschwester

starb noch bei der Geburt und ich überlebte, weilich als erstes geboren wurde. Für meine Schwe-ster reichte die Kraft meiner Mutter nicht mehr –sie war bereits 47 Jahre alt, als ich zur Welt kam.

Es war keine heile Welt, in die ich hineingeborenwurde. Liebe, Wärme und Geborgenheit einerFamilie habe ich damals nicht kennen gelernt.Mein Vater war ein jähzorniger Mann, der schoneinige Jahre alkohol- und tablettensüchtig war.

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Daher hatten meine Eltern viel Streit und es fehl-te auch nicht an Handgreiflichkeiten. Als ich et-wa zwölf Jahre alt war, ließen sich meine Elternscheiden, heirateten wieder, um sich erneutscheiden zu lassen. Ich habe noch vier Geschwi-ster, von denen jedes einen anderen Vater hat.

Die Schule nervte und überforderte mich. ImUnterricht lenkte ich meine Klassenkameradenab, um sie zum Blödsinn anzustiften, so dassmeine damalige Lehrerin meiner Mutter prophe-zeite: „In Michael wächst ein Teufel heran!“

Aus Frust und Desinteresse hielt ich nicht biszum Schulabschluß durch und begann auchkeine Berufsausbildung. Ich war überzeugt, dassder Sinn des Lebens nicht in Lernen, Arbeiten,Geld verdienen, Urlaub machen, Rente kriegenund Sterben liegen konnte. Und weil der Blickauf meine Familie mir auch kein glückliches, sinn-erfülltes Leben bot, versuchte ich schon in jun-gen Jahren, den Freuden des Lebens nachzuja-gen.

Doch innerlich blieb ich leer und auf der ver-geblichen Suche nach Anerkennung und Liebekam oft die Frage in mir auf: „Gibt es ein Lebenvor dem Tod?“

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Schließlich flüchtete ich in die Kino- und Video-welt. Es waren die Action- und Horrorfilme, dieeine große Anziehungskraft auf mich ausübten.Damals waren viele dieser Filme nicht jugend-frei, doch in einem unserer Kinos gab es keineKontrollen, so dass ich schon als Zwölfjährigerohne Probleme dabei sein konnte. Hauptsachedie Kasse stimmte.

Heute weiß ich, dass diese Filme mich total per-vertiert haben. Ich bekam Angst, hatte grauen-hafte Träume, aber trotzdem war es wie eineSucht: Ich musste mir immer mehr und immerschrecklichere Streifen ansehen. Zombies, Men-schenfresser, Action-Heroes und Außerirdischeprägten meine Phantasie. Frust, Aggression undeine innere Unruhe bestimmten von da an meinLeben.

Einige Erlebnisse aus meiner Kindheit, die meinSchamgefühl total verletzten und die ich hiernicht beschreiben möchte, werde ich wohl nichtvergessen können. Manchmal habe ich dannmeine aufgestaute Perversion an Insekten undKleintieren ausgelassen.

Als ich mit etwa 16 Jahren für ein Jahr in einemInternat untergebracht wurde, habe ich mit ei-

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nem Komplizen unseren gemeinsamen Zimmer-kameraden ausgenommen und gepeinigt. Alsbei einer Impfung die Brandnarben des jungenMannes sichtbar wurden, flog alles auf. Nurknapp entkamen wir einer Strafanzeige wegenKörperverletzung.

Fußball, Zoff und Randale

Während dieser Zeit wuchs mein Interesse amFußball und ich besuchte die ersten Spiele desHamburger SV. Später durfte ich dann auch zuAuswärtsspielen mitfahren. Fußball war nunmein Leben. Die Atmosphäre im Stadion, dastolle Gefühl der Einheit – für einige Stundenwaren wir eine große Fan-Familie. Wir feiertenunsere Siege und litten gemeinsam, wenn ver-loren wurde.

Eines Tages fiel mir im Stadion eine Randgruppeauf, die mich sofort in ihren Bann zog. Es warendie Hooligans.

Hooligans sind mit den normalen Fußball-Fansnicht zu vergleichen. Es ist ein Irrtum, wenn manmeint, dass diese Typen asoziale, dumpfe Pro-leten seien. Oft stammen diese jungen Männeraus gutbürgerlichen Familien. Manche sind Be-

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amte, andere arbeiten in einer Bank. Es sindLeute, die teilweise in der Woche brave Fami-lienväter sind und am Wochenende zum Tierwerden.

Auch im Outfit unterscheiden sie sich von denFans. Sie tragen meist nur teure Markenqualität,damals waren Nike, Lonsdale, Chevingion inder Szene „in“. Diese Männer sind auf der Suchenach Abenteuer und Nervenkitzel, man willunbedingt aus der Alltags-Langeweile ausbre-chen und kräftig „die Sau rauslassen“. Die Aus-schreitungen finden selten im Stadion statt. Dorthat die Polizei dank modernster Technik undVideo-Überwachung alles weitgehend im Griff.

Schauplatz der Krawalle sind meisten die An-und Abfahrtswege, so z.B. der Bahnhof. Ziel derAktionen ist es, sich von der Polizei abzusetzen,die gegnerischen Hools aufzusuchen und sichmit ihnen zu prügeln. Normale Stadionbesucherund Fans werden weitgehend in Ruhe gelassen.Die Aktionen dauern meist nur ein paar Minu-ten, bis die inzwischen herbeigeeilte Polizeidazwischenhaut. Die Sieger bei solchen Prüge-leien sind diejenigen, welche den Gegner entwe-der in die Flucht geschlagen oder umgehauenhaben.

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National gibt es so etwas wie einen Ehrenkodex,d.h., es sollte grundsätzlich ohne Waffen ge-kämpft werden. Allerdings wurde dieser Kodexoft gebrochen. Im Ausland dagegen kannte derHass keine Grenzen, dort waren Waffen aller ArtMittel zum Zweck.

Bei dieser Gruppe von Hooligans versuchte ichnun Anschluß zu finden, was mir dann auchlangsam aber sicher gelang. Ich wollte sein wiesie: selbstbewußt, hart, kompromisslos. Beiihnen suchte ich die Geborgenheit und Aner-kennung, nach der ich mich sehnte und schein-bar hatte ich endlich gefunden, was ich suchte.

Und so ging ich mit ihnen auf die Reise. Zu allenSpielen des HSV, ob in Deutschland oder ineuropäischen Nachbarländern. Ebenso suchtenwir die Spiele der Nationalmannschaft im In-und Ausland auf. Mein Leben kannte nur nochein Ziel: Wochenende, Fußball, Zoff, Krawall.

Obwohl ich auf der Suche nach innerem Friedenwar, verlief mein Leben in die entgegengesetzteRichtung. Gelegentlich suchte ich Geborgenheitbeim anderen Geschlecht und ich dachte, dierichtige Frau wird mir einmal zu einem ordent-lichen und gesunden Leben verhelfen. Aber

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diese Beziehungen waren nur von kurzer Dauer.Selbst als eine Freundin von mir schwanger wur-de, flüchtete ich zu einer anderen Frau und soging es in meinem Leben weiter bergab.

Bald konnte ich mich rühmen, die Gefängnissevon sämtlichen Bundesliga-Städten von innengesehen zu haben.

Nach einem Spiel von HSV gegen FortunaDüsseldorf kam es abends auf der Reeperbahnzu schweren Ausschreitungen. Bei dem Versuch,einen Düsseldorfer Hooligan mit einer Gaspis-tole zu „eliminieren“, wurde ich festgenommenund zur David-Wache gebracht. Als ich am Mon-tag darauf mein Foto von der Festnahme in derBild-Zeitung sah, war ich unglaublich stolz dar-auf.

Einige Male kam es bei Krawallen auch zu To-desfällen, bei denen ich aber glücklicherweisenicht beteiligt war.

1984 wechselte ich das Hooligan-Lager – ich ver-ließ die Hamburger und schloß mich den Hoolsvon Schalke 04 an, was mir in Hamburg natür-lich wenig Freunde einbrachte. Die Szene inGelsenkirchen-Schalke war noch erheblich här-

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ter als in Hamburg. Besonders die Spiele gegendie Nachbarmannschaften aus Dortmund, Düs-seldorf und Köln hatten es in sich. Es gab regel-rechte Straßenschlachten. Wir lauerten Straßen-bahnzügen auf, in denen gegnerische Hooligansvermutet wurden, um diesen Zug dann mit ei-nem Steinhagel zu empfangen. Auch Polizistenwaren ein beliebtes Zielobjekt für Steinwürfe.

Bei den Länderspielen der deutschen National-mannschaft verbrüderten sich alle deutschenHools. Dann traten wir manchmal in einer Men-ge bis zu 2.000 Hools an, um auf unsere gemein-samen Gegner aus dem Ausland und auf Poli-zisten einzuschlagen. Auch war es für uns eineSelbstverständlichkeit, Schaufensterscheiben ein-zuschlagen und Läden zu plündern.

Die Polizeibeamten versuchten ihrerseits mitHunden, Pferden, Wasserwerfern und Tränengasdie Lage unter Kontrolle zu bringen.

Am Abend eines solchen Tages fühlten wir unswie Soldaten nach einem gewonnenen (oder ver-lorenen) Krieg. Der Tag hatte sich mal wiedergelohnt. Abreagiert, befriedigt und erleichtertkonnte man schlafen gehen. Schuldgefühlekannten wir nicht.

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„Der Teufel soll dich holen!“

In Paris, während der EM ´84, bekam ich einmalenorme Angst, nachdem ich nach Ausschrei-tungen mit vorgehaltener Waffe festgenommenund vorübergehend mit Handschellen an einenLaternenpfahl gekettet wurde. Die hergelaufeneMenge wütender Franzosen hätte mich beinahegelyncht, wenn mich die Gendamerie dort nichtrechtzeitig weggeholt hätte.

Auf dem Revier drohten mir die französischenPolizisten im Fahrstuhl Prügel mit ihren Schlag-stöcken an und bald fand ich mich in einerfeuchten Gefängniszelle wieder, in der nebenmir ein vollgepumpter Afrikaner lag.

Doch auch die Ängste, die ich in solchen Si-tuationen bekam, hielten mich nicht davon ab,noch brutaler zu werden. So versuchte ich ein-mal bei der Bundesliga-Partie Borussia Dort-mund gegen Schalke 04 den Dortmunder Tor-wart mit Leuchtspurmunition „abzuschießen“.Das Geschoß verfehlte jedoch sein Ziel und lande-te auf einer Tribüne, wo eine Person durch Ver-brennungen verletzt wurde. Die Video-Anlagesorgte dafür, dass ich bald dingfest gemachtwurde. Aber da die Person vermutlich aus Angst

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keine Strafanzeige stellte, kam ich auch diesesMal ungeschoren davon. Auch Stadionverbote,die mir unter Strafandrohung erteilt wurden, ließen mich kalt. Nach Krawallen in Münchenkonnte ich mich einer längeren Haftstrafe nurentziehen, weil meine Mutter die entsprechendeGeldstrafe für mich zahlte.

Der Höhepunkt meiner Hooligan-Ära war dieEM ´88 in Deutschland. Dort schlugen wir aufEngländer, Holländer und Polizisten ein. DieSchlagzeilen der Medien berichteten von diesemChaos.

Auch während der Woche wurde meine Lebenimmer aggressiver und wilder. Es begann einexzessives Nachtleben mit viel Alkohol. Als icheines Morgens betrunken aus einem Nachtlokalwankte, brach in einen Wohnwagen ein. Weildort nichts zu holen war, ließ ich ihn vor Zorn inFlammen aufgehen. Meinen damaligen Haus-arzt beraubte ich nachts im Parkhaus um seineCB-Funkanlage.

Selbst die Evangelische Kirche blieb nicht ver-schont. Dort brach ich ebenfalls ein und stahl dieStereoanlage. Ladendiebstähle und Einbrüchebestimmten meinen Alltag. Selbst sinnlose Sa-

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chen, wie Baustellenlaternen usw. fand ich mor-gens neben meinem Bett wieder. Hauptsache, ichhatte etwas geklaut.

Aus Frust bewarf ich mit einem Freund einenvorbeifahrenden Zug der DB mit Schotterstei-nen. Ich kannte keine Grenzen mehr, ich drohtein Gewalt, Hass, Zorn – aber auch in eine boden-lose innere Leere zu versinken. Meine Mutter,die ich doch irgendwie liebte, versuchte mirimmer wieder mit etwas Geld weiterzuhelfen.Doch als ich sie eines Tages zu Hause tyranni-sierte, spuckte sie mir ins Gesicht und fluchte:„Der Teufel soll dich holen!“ Zu anderen Zeitenversuchte sie mich mit vorgetäuschten Selbst-mordversuchen zur Besinnung zu bringen.

Es war nur zu verständlich, dass sich meine an-deren Stiefgeschwister immer mehr von mir dis-tanzierten. Der einzige Mensch, der damals nochzu mir hielt, war meine Schwester Angelika. Un-ser gemeinsamer Vater verstarb inzwischen ir-gendwo einsam in einem Pflegeheim an Krebs.

Doch dann lernte ich einen neuen Nachbarn ken-nen und damit begann für mich auch ein neuerLebensabschnitt. Ted war Afrikaner und obwohlich als Hooligan die Ausländer zu hassen pfleg-

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te, verstand ich mich auf Anhieb mit ihm. Dieserneue Freund führt mich dann in das Drogen-Milieu ein. Ich begann Hasch und Grass zu rau-chen und nachdem ich damals von einem Hoo-ligan-Anführer eine Ohrfeige wegen „unerlaub-ten Entfernens von der kämpfenden Truppe“ be-zog, wurden meine Hooligan-Aktivitäten weni-ger. Dadurch, das ich jetzt ständig unter Drogenstand, fehlte auch die Kraft, am Wochenende dieFußballstadien zu besuchen. Auch das ständigeSchwarzfahren mit der Bahn wurde mir zu an-strengend.

Mein Leben wurde nun etwas ruhiger, aber nichtbesser. Jetzt drehte sich alles nur noch um dennächsten Joint – wo man ihn her bekam und wieman ihn bezahlen konnte. Meiner Mutter nahmich fast täglich Geld ab, um meine Drogensuchtzu finanzieren. Wochen, manchmal Monatestand ich ohne Pause unter Drogen und Alkohol– ständig begleitet und untermalt von Pop- undRockmusik.

Damals habe ich meine ersten Gebete gespro-chen, obwohl ich nicht an Gott glaubte. Aberwenn ich nach Drogengenuß mit Magen- undDarmkrämpfen auf der Toilette saß und michvor Schmerzen wandt, schrie ich manchmal zu

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Gott: „Wenn du mir die Krämpfe und Schmer-zen wegnimmst, dann will ich fortan anständigleben!“ Natürlich waren das nur leere Verspre-chungen, die wie der Tau in der Sonne ver-schwanden, wenn die Schmerzen nachließen.

Eingeholt

Etwa ein Jahr später passierte etwas, das unge-ahnte Folgen für mein Leben hatte. Ich stiegeines Nachmittags wie üblich ausgeschlafen ausdem Bett, um Ted zu wecken und den Tag miteinem Haschpfeifchen zu beginnen. Doch als ermir die Tür öffnete und ich ihm gutgelaunt mei-nen Vorschlag unterbreiten wollte, erklärte ermir wie aus heiterem Himmel, dass er sich zuJesus Christus bekehrt habe. Ich war wie vor denKopf geschlagen und hielt das Ganze für einenDrogentrip, dem die Ernüchterung bald folgenwürde. Doch die Tage und Wochen vergingenund mein Freund blieb dem treu, was er mirerzählt hatte. Er nahm keine Drogen mehr, errauchte und trank nicht, er wurde einfach einganz anderer Mensch.

Merkwürdigerweise besuchten mich auch keinealten Freunde mehr, so dass ich aus Langeweiledes Abends mit einer Dose Bier zu meinem

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Nachbarn rüberging und mich zu ihm setzte.Dort erzählte er mir dann Dinge, die ich bishernoch nie gehört hatte: Dass Jesus Christus derSohn Gottes sei, der auch für meine Sünden amKreuz starb und mein Leben völlig verändernkönne. Er verriet mir auch, dass er regelmäßigfür mich betete, damit auch ich ein neues, ewigesLeben bekommen würde.

Das veränderte Leben meines Freundes beein-druckte mich tief und ich spürte, dass alles, waser sagte, kein leeres Gerede war. Seine Ausstrah-lung war so positiv, dass ich neugierig und nach-denklich wurde.

Nach etwa vier Wochen ermutigte mich Ted,selbst zu beten und meine Schuld vor Gott zubekennen. Auch wenn ich ein mulmiges Gefühlhatte, war ich inzwischen innerlich darauf vor-bereitet. Es war für mich sehr demütigend, voreinem anderen auf die Knie zu gehen, aber zumersten Mal in meinem Leben erkannte ich, dassich vor meinem Schöpfer Verantwortung fürmein Leben trug und dass ich mein bisherigesLeben buchstäblich gottlos gelebt hatte.

Ich bat Jesus Christus um Vergebung für meineSünden, ja für mein ganzes Leben, welches ich

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ohne Gott und in Rebellion gegen seine Gebotegelebt hatte. „Bitte komm in mein Leben undmach etwas daraus“, so etwa endete mein Gebet. Vielleicht klingt es wie ein Märchen, aber sofortnach diesem Gebet spürte ich einen tiefenFrieden und eine grenzenlose Freude in mir. Vondiesem Augenblick an wußte ich: „Jesus Chri-stus lebt! Er hat mein Gebet erhört.“ Die Lastmeiner Schuld und Sünde fiel von meinem Ge-wissen.

Die ersten Monate meines neuen Lebens warenvon einer tiefen, inneren Freude geprägt. Ichlernte weitere Christen kennen und schloß micheiner christlichen Gemeinde an. Mit dem Dro-genkonsum war sofort Schluß und auch dieZigaretten wanderten in den Mülleimer. Alkoholbrauchte ich ebenfalls nicht mehr – ohne irgend-welche Entzugserscheinungen war ich frei.

Mein unbändiger Hass, meine innere Leerewichen einem freudigen Glauben an Jesus Chri-stus, der nun Herr meines Lebens war. Von denChristen erfuhr ich nicht nur viel Liebe, sondernauch viel praktische Hilfe. So konnte ich bald ineiner christlichen Wohngemeinschaft leben, wasmir damals sehr geholfen hat, alte Verhaltens-muster abzulegen.

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Es gab auch Zeiten mit Rückschlägen und Ent-täuschungen und ich erinnere mich, dass ich indiesen Tagen wieder kurzzeitig zum Hasch ge-griffen habe. Auch lernte ich auf einmal wiederneue Fußball-Rocker kennen, unter denen ichauf Anhieb schnell anerkannt war. Doch dieseRückschläge waren nur von kurzer Dauer.

Traurig über mich und mein Versagen bekannteich Gott meine Schuld und betete um Hilfe. Inden Jahren darauf wurde mein Leben beständi-ger und ich lernte den Versuchungen mehr undmehr zu widerstehen.

Inzwischen bin ich schon einige Jahre Christund wenn ich zurückblicke, kann ich nur mitStaunen und Dankbarkeit sehen, was mein HerrJesus Christus alles in meinem Leben veränderthat. Seit 1992 bin ich verheiratet. Meine Fraukommt aus einem christlich geprägten Eltern-haus. Wir haben inzwischen eine Tochter undfür uns als Familie ist die Bibel der Mittelpunktunseres Lebens.

Soweit es mir möglich war habe ich diejenigenMenschen um Vergebung gebeten, die ich ent-weder bestohlen, betrogen oder verletzt hatteund ich konnte mit Gottes Hilfe vieles in

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Ordnung bringen. Ich bin sehr dankbar, das kei-ner von diesen Leuten mich anzeigte oderSchadenersatz forderte.

Vor allem aber bin ich dankbar, dass Gott mirmeine Schuld vergeben und mir die Gewissheitgeschenkt hat, einmal in der Ewigkeit bei ihm zusein, weil Jesus Christus am Kreuz auf Golgathastellvertretend meine Schuld gesühnt und mitseinem Tod bezahlt hat. Das bezeugt und ver-spricht die Bibel und darauf verlasse ich mich.

Damit sind nicht alle meine Probleme gelöst.Von meinem früheren Lebensstil habe ich einigegesundheitliche Folgeschäden zurückbehalten.Meine psychische Belastbarkeit ist ziemlich ge-ring, was mir besonders im Berufsleben vielMühe macht. Aber auch in dieser Sache darf ichmit meiner Familie Gott vertrauen.

Leben ist mehr

In den ersten Jahren nach meiner Umkehr hatteich vorübergehend mein Fußball-Interesse „ein-gefroren“ und habe dann auch jahrlang keinStadion mehr besucht. Das war sicher wichtigund nötig, um meine Vergangenheit zu verar-beiten und hinter mir zu lassen.

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Obwohl der Profi-Fussball immer mehr zu einergierigen Geldmaschine verkommt, ist mein In-teresse für die angeblich „schönste Nebensacheder Welt“ geblieben. Heute halte ich es mit denbadischen Clubs vom Karlsruher SC und SCFreiburg.

Aber noch größer als jede Begeisterung überSportergebnisse ist mein Wunsch, das FußballfansChristen werden und beginnen, sich für etwaseinzusetzen, was keinen Formschwankungenunterworfen ist, sondern Ewigkeitswert hat.

Inzwischen bekam ich die Möglichkeit, in ver-schiedenen TV-Reportagen und Fan-Zeitschrif-ten zu bezeugen, dass man nicht als Fan sondernnur als Christ immer auf der Seite des Siegerssteht und das einzige lebenswerte Ziel erreicht.

Dankbar war ich auch für die Einladung zu einerPodiumsdiskussion im Freiburger Theater, wozuman u.a. auch den Trainer V. Finke und denzuständigen Fan-Polizeiboss einlud. Dort konnteich von meinen Erfahrungen erzählen und deut-lich machen, das der Glaube an Jesus Christusdie Ursache für meinen Ausstieg aus der Hoo-ligan-Szene war. Vor diesen Terminen habe ichgebetet: „Herr Jesus, schenke, dass ich hier nicht

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große Worte mache, sondern dass offenbar wird,dass du Menschen neu machst – wozu keinTherapeut in der Lage ist!“

Für viele Leute ist der Fußball zu einer Ersatz-religion geworden. Spieler werden je nach Formund Leistung regelrecht vergöttert oder ver-flucht. Gegnerische Mannschaften und ihre Fanswerden oft als „Hurensöhne“ begrüßt und aufdas Übelste beschimpft. Für mich ist das heuteein deutliches Symptom dafür, dass man deneigentlichen Sinn des Lebens nicht erkannt odervergessen hat und deshalb eine Nebensache zumMittelpunkt des Lebens macht.

Paulo Sergio, der brasilianische Fußballer undWeltmeister von 1994, sagte einmal:

„In 20 Jahren wird sich kaum noch jemand an dieSpieler von damals erinnern. Mit der Zeit geratenalle Titel, Ehren und Siege in Vergessenheit. In derBibel wird von einem Triumph berichtet, der nievergeht: dem Sieg über den Tod und das Böse…Gott sei Dank wurde am Kreuz der größte Siegaller Zeiten errungen. Jesus starb dort für uns.Damit bezahlte er den Preis für unsere Schuld…Selbst wenn alles, was in dieser Welt Wert undNamen hat, vergeht: JESUS CHRISTUS BLEIBT!“

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Die Welt und ihre Lust

vergeht, wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit

Die Bibel, 1. Johannes 2,17

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WO L FG A N G BÜ H N E

Wie dumm muss man sein,

um glauben zu können?

Christen sind Menschen, die man an derSchlafmütze erkennt, die ein Brett vor demKopf haben und die an den völlig veralte-

ten, naiven Vorstellungen der Bibel festhalten –das ist zumindest die gängige Meinung vielerLeute.

In diesem Zusammenhang ist es allerdings sehrerstaunlich, dass nach Jahrzehnten atheistisch-materialistischer Dominanz ein neues Zeitalterbegonnen hat, in dem Religion, Okkultimus undEsoterik immer mehr begeisterte Anhänger fin-den. Gebildete Menschen sind plötzlich bereit, ihr

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rationales Denken aufzugeben, den Verstand ab-zuschalten und sich Vorstellungen und Prakti-ken zu öffnen, die man noch vor wenigen Jahrendem finstersten Mittelalter zugeordnet hätte. Die weltweite Begeisterung, mit der die „HarryPotter“-Bücher verschlungen werden, ist eindeutliches Zeichen dafür.

Die Vorstellung, dass wir als Menschen Produk-te des Zufalls sind und mit dem Tod alles aus ist,hat offensichtlich viele Fragen unbeantwortet ge-lassen und so öffnet man sich immer mehr spiri-tuellen Einflüssen, Bewegungen und Gefühlen.

Nun sollte man meinen, dass in einer solch religiösen, spirituell aufgeschlossenen Zeit derGlaube an Jesus Christus einen mächtigen Auf-schwung erleben würde. Aber das ist offensicht-lich nicht der Fall. Auch wenn die Bibel weltweitdas am meisten verbreitete Buch ist, wird siedoch nur von relativ wenigen gelesen und ernstgenommen.

Obwohl sich prozentual die meisten religiösenMenschen zum Christentum bekennen, so ist dieZahl derer, die Christus wirklich vertrauen undihr Leben entsprechend ausrichten, nicht beson-ders groß.

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Woran liegt das?

Im Gegensatz zu allen anderen Religionenschmeichelt die Bibel der Eitelkeit des Menschennicht, sondern „bürstet uns gegen den Strich“.Da ist nicht die Rede von einem „guten Kern“ imMenschen, der entwickelt werden müsste, odervon einem „göttlichen Licht“, das durch beson-dere Übungen oder Meditationsformen zur Ent-faltung kommen kann.

Gottes Urteil über jeden Menschen ist eindeutigund vernichtend: er befindet sich in einer abso-luten und hoffnungslosen Boshaftigkeit, Verdor-benheit und Verlorenheit. Auch die Maske derMitmenschlichkeit und Humanität verdeckt nurdie Fratze eines stolzen, egoistischen und gottlo-sen Menschen, der nicht im Traum daran denkt,das erste und größte Gebot Gottes zu erfüllen:Gott zu lieben aus ganzem Herzen, mit ganzemVerstand, aus ganzer Seele und aus ganzer Kraft.

Der bekannte dänische Dichter und PhilosophSøren Kierkegaard hat das einmal sehr drastischund deutlich auf den Punkt gebracht:

„Es gibt etwas, wovon du nicht weißt, sondern wasdu dir sagen lassen musst, und was du glauben sollst:

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Du bist in Sünde empfangen, in Übertretung ge-boren; du bist von Geburt an ein Sünder, in der Ge-walt des Teufels; falls du in diesem Zustande bleibst,ist dir die Hölle sicher. Da hat Gott in unendlicherLiebe eine Veranstaltung zu deiner Erlösung getrof-fen, hat seinen Sohn geboren werden, leiden und ster-ben lassen. Glaubst du das, dann wirst du ewig selig.Dies wird dir verkündigt, diese frohe Botschaft!“

Diese „frohe Botschaft“ ist also zunächst einmalein schockierendes, vernichtendes Urteil überdie Qualität unserer Moral, welches wir zuschlucken haben. Und dann zeigt uns die Bibel,wer Gott ist und was Gott getan hat, um uns be-gnadigen und erlösen zu können. Und wer sichdas von Gott sagen lässt und ihm glaubt, derwird eine erstaunliche Veränderung in seinemDenken und Leben feststellen.

Ein klassisches Beispiel für diesen Tatbestand istein berühmter Weltherrscher aus dem 6. Jahr-hundert vor Christus. Seine Residenz war die ge-waltige Stadt Babel mit den „Hängenden Gär-ten“ und der berühmten „Medischen Mauer“,welche diese Stadt so gut wie uneinnehmbarmachte. Sein Name: Nebukadnezar.*

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* Vielleicht dem einen oder anderen Leser unter dem Na-men „Nabucco“ aus Verdis gleichnamiger Oper bekannt.

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Dieser mächtige König sah eines Tages vollerStolz von seinem Palast aus auf seine genialenund großartigen Bauwerke und rief begeistertund berauscht von der eigenen Größe aus:

„Ist das nicht das große Babel, das ich durch dieStärke meiner Macht und zur Ehre meiner Herr-lichkeit zum königlichen Wohnsitz erbaut habe?“

Er hatte diesen Satz kaum zu Ende gebracht, alser plötzlich wahnsinnig wurde. Als Folge davonwurde er von den Menschen ausgestoßen undlebte wie ein Tier. Sieben Jahre lang hielt dieserZustand geistiger Verwirrung an, bis nach Nebu-kadnezars eigenen Worten folgendes geschah:

„Und am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezar,meine Augen zum Himmel, und mein Verstand kehr-te zu mir zurück. Und ich pries den Höchsten, undich rühmte und verherrlichte den ewig Lebenden, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist und dessen Reich von Geschlecht zu Geschlecht währt.“

In dem Moment, wo dieser ehemals mächtige,aber wahnsinnige Weltbeherrscher – der wie einTier lebte – seine Augen zum Himmel erhob undsich dessen bewußt wurde, dass er Geschöpfeines Schöpfers war, gab er in einer demütigen

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Haltung Gott die Ehre und begann wieder ver-nünftig zu denken.

Diese erstaunliche Geschichte macht deutlich:Immer dann, wenn der Mensch sich selbst zumMaß aller Dinge macht und seinen Schöpfer igno-riert, verliert er über kurz oder lang den Verstand,degradiert zum Tier und ist in der Lage, die un-glaublichsten Theorien für Wahrheit zu halten.

Und wo ein Mensch – egal, in welch hoffnungs-loser Situation er sich auch befindet – seinenBlick zu Gott erhebt und sich selbst als ein vonGott abhängiges Geschöpf erkennt, bekommt ereinen klaren Kopf und wird vernünftig in sei-nem Denken und Leben.

C. H. Spurgeon, einer der bekanntesten Predigerdes 19. Jahrhunderts, hat den biblischen Glaubeneinmal treffend definiert:

„Glaube an Gott ist geheiligter Menschenverstand...Glauben heißt: Gott zum größten Faktor in unserenÜberlegungen zu machen und dann nach der ge-sündesten Logik zu handeln.“

Ist es nicht vernünftiger zu glauben, dass unserekomplizierte und wunderbar geordnete Schöp-

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fung sowohl als Mikrokosmos wie auch als Ma-krokosmos von einem genialen, unbegreiflichenSchöpfer entworfen und geschaffen wurde – alsan die „Götter“ Evolution, Zufall, oder wie siesonst noch heißen mögen, zu glauben?

Ist es nicht vernünftig, dann auch den logischenSchluß zu ziehen: Wenn es einen Schöpfer gibt,dann sind menschliche Gottesvorstellungen un-sinnig, dann können wir Gott niemals begreifen,sondern sind darauf angewiesen, dass Gott sichauf unser Niveau begibt, um sich uns zu offen-baren.

Und Gott hat sich offenbart – in Jesus Christus,seinem Sohn, hat er seine Liebe, Heiligkeit undGerechtigkeit unübersehbar gezeigt – das wirdan keiner Stelle deutlicher als zu dem Zeitpunkt,wo die Menschen das Todesurteil über den SohnGottes ausgesprochen haben. Wo man ihn hass-erfüllt an das Kreuz auf Golgatha schlug, woaber auch Gott das Todesurteil über seinen Sohnaussprach und vollzog, weil Jesus Christus andiesem Kreuz nicht nur den Haß der Menschenerlitt, sondern aus Liebe zu uns den gerechtenZorn Gottes über unsere Gottlosigkeit und Sün-de auf sich genommen und dort stellvertretendunsere Schuld bezahlt hat.

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In der Bibel finden wir Gottes Antworten auf un-sere Fragen nach dem Warum, Woher und Wo-hin. Dort lernen wir, dass unser kurzes Lebenauf der Erde nicht mit dem Tod endet, sondernseine ewige Fortsetzung in der Herrlichkeit derGegenwart Gottes, oder aber in der ewigen Ver-dammnis findet. Entscheidend dafür ist, ob wirin unserem Leben Jesus Christus als unserenHerrn und Erlöser annehmen und unser Lebenunter seine Führung stellen – oder nicht.

Es wird Zeit, über Tod und Leben, Vergänglich-keit und Ewigkeit, vor allem aber über Gott selbstnachzudenken und die Bibel, sein „Testament“,das Vermächtnis des Schöpfers an uns Men-schen, zu lesen. Gott hat versprochen, sich vonjedem finden und erkennen zu lassen, der ihnaufrichtig sucht – und dann wird der „Tanz amAbgrund“ zu einem sicheren Weg, der bei Gottselbst endet.

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Wolfgang Bühne

„Wenn Gott wirklich wäre...“

128 Seiten

ISBN 3-89397-755-4

„Was wäre für sie das größte Unglück?“

Ein bekannter Verleger sollte diese Frageim Magazin der FAZ beantworten.

Seine Antwort war unerwartet, kurz undverblüffend: „Wenn es Gott gäbe!“

Offensichtlich wollte dieser Mann damitsagen, dass dann sein bisheriges Lebeneine tragische, nicht mehr gutzumachen-de Fehlplanung war.

Dieses Buch geht der Frage nach, ob die Tatsache der Existenz Gottes nur Be-stürzung auslösen muss, oder ob damiteindeutige, venünftige und befreiendeAntworten auf die Frage unseres Lebensenthalten sind.

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„Wenn Gott wirklich wäre...“

Der Begriff „Sünde" scheint für viele einÜberbleibsel aus dem Mittelalter zu sein,mit dem man heute nicht viel anfangen

kann. Offensichtlich ist auch dieser biblischeBegriff mit anderen Inhalten gefüllt worden.

Angenommen, ich würde mich mit Aufnahme-gerät und Mikrofon vor den Kölner Hauptbahn-hof stellen. Dort würde ich einige Leute inter-viewen, um ein grobes Meinungsbild davon zubekommen, was der heutige Mensch unter „Sün-de" versteht.

Das Ergebnis würde wahrscheinlich so aussehen:

Da steht in meiner Nähe etwas gelangweilt einPolizist. Ich nehme mein Mikrofon und machemit ihm den Anfang:

„Verzeihen Sie, Herr Wachtmeister, ich beteiligemich gerade an einer Meinungsumfrage. Darfich Sie fragen, was Ihnen einfällt, wenn Sie dasWort ‘Sünde’ hören?"

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„Flensburg, mein Herr, Flensburg“,

kommt seine Antwort wie aus der Pistole ge-schossen. (Für Radfahrer und Leser aus demAusland sei angemerkt, dass sich in der StadtFlensburg die „Verkehrssünder-Kartei" befindet.)

Während ich die Stop-Taste drücke und der Po-lizist einen kritischen Blick auf einige gröhlendeNarren wirft, die von einer Karnevalsveran-staltung kommen, nutze ich die Gelegenheit, umdiese Herren anzusprechen:

„Hört mal her, ich mache gerade ein Interviewund will feststellen, was man hier in Köln unter‘Sünde’ versteht.“

Während ich das Mikrofon einem der Männerunter die Pappnase halte, haben seine Kumpanenbereits ein Lied angestimmt, das sie Arm in Armmit etwas glasigen Augen als Antwort singen:

„Wir sind alle kleine Sünderlein, ‘s war immer so, ‘s war immer so.

Der Herrgott wird es uns bestimmt verzeih’n, ‘s war immer, immer so.

Denn warum sollten wir auf Erden schon lauter kleine Englein werden...“

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Während sie noch lauthals singen und der Po-lizist naserümpfend etwas Abstand nimmt, er-klärt mir mein Gesprächspartner:

„Das ist ein Lied von unserem verstorbenen Köl-ner Ehrenbürger Willy Milowitsch!“

Inzwischen hat sich eine kleine Menschentraubegebildet und einige beleibte ältere Damen, diegerade aus dem Dom-Cafe kommen, schaltensich in meine Meinungsumfrage ein.

Eine ruft lachend, indem sie auf ihre Taille zeigt:

„Ha, ha, Sünde! Wir haben eben noch ‘gesün-digt’. Erdbeertörtchen mit Schlagsahne, das wa-ren 1.000 Kalorien zuviel!“

„Kann denn Liebe Sünde sein?", wirft zweideu-tig grinsend ein junger Mann in die Runde underinnert an Hildegard Knef.

So könnte man fortfahren. Und wenn man dannnoch den Philosophen Friedrich Nietzsche fra-gen könnte, so würde sein zynischer Beitragwahrscheinlich lauten:

„Die Sünde, diese Selbstschändungsform des

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Menschen, haben die Priester erfunden, um überdie Menschen zu herrschen und jede Erhöhungund Vornehmheit unmöglich zu machen.“

Und acht von zehn befragten Theologen würdenantworten: „Sünde ist ein Begriff aus dem Mittel-alter. Da gab es vor Jahrhunderten einen Mannnamens Martin Luther. Der hatte Schwierigkei-ten damit. Sünde – das ist das Problem der Ver-klemmten. Damit haben wir heute nichts mehram Hut.

Wenn der moderne Mensch heute mit dem Be-griff „Sünde“ nicht mehr viel anfangen kann,dann liegt das sicher zum großen Teil an unsChristen. Wir sind so zahm geworden, dass wiruns schämen, uns zu den moralischen Maßstä-ben Gottes zu bekennen. Wer wagt schon heute,Abtreibung als Mord, Ehebruch als ein Greuelvor Gott und Lüge als ein Verbrechen zu be-zeichnen?

Wir Christen sind nicht mehr Licht und Salz derErde, sondern Tranfunzeln und Zuckerguß einerselbstsüchtigen, orientierungslosen Gesellschaftgeworden.

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Wolfgang Bühne

Zum Leben befreit

128 Seiten

ISBN 3-89397-768-6

Ehrlich und humorvoll präsentieren fünfjunge Leute ihre Lebensberichte.

Lebensumstände und Hintergründe sindsehr unterschiedlich, doch eines habensie gemeinsam: Ihr Leben endet in einerSackgasse – scheinbar ohne Ausweg.

Andreas suchte seine Lebenserfüllungin der rauen Wildnis Kanadas.

Gitti lernte sowohl die Faszination derBerggipfel als auch die Niederungender Mun-Sekte kennen.

Mehmet – ein junger Kurde – war hoff-nungsloser Dealer.

Viktor verbrachte 13 Jahre in sibirischenGefängnissen.

Hans-Werner interessierte sich nebenMädchen, Muskeln und Monetenbesonders für Mystik.

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Alicia StrickerAids – und ein Leben wie im Traum

98 Seiten

ISBN 3-89397-466-0

Ein zerrüttetes Elternhaus, Alkohol, Dro-gen, Sex, Aids – das ist die Welt, in derAlicia lebt.

Auf der Suche nach Erfüllung verschlägtes sie in die Schweiz und dort trifft sieMichael – ebenfalls drogenabhängig undam Ende.

Doch Michael kommt aus einem gläubi-gen Elternhaus und als die Verzweiflungunerträglich wird, erinnert er sich!

Beide kommen zum Glauben an JesusChristus und nach vielen Kämpfen er-füllen sich Herzenswünsche – trotz Aidswird das Leben wie ein Traum!

(Erscheint Herbst 2001)