Wolfgang Schluchter (2007): Grundlegungen der Soziologie. Eine Theoriegeschichte in systematischer...

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Rezensionen Parsons, Habermas, Luhmann – mit diesem Triumvirat, in dem kaum weniger ein- und Unstimmigkeit als zwischen oktavian, Lepidus und Antonius geherrscht haben dürfte, schließt W. schluchter seine „Theoriegeschichte in systematischer Absicht“ ab. standen im ersten Band noch die entwicklungsgeschichtlichen entwürfe Hegels und Marxens dem Antievolutionismus Webers gegenüber, zeigt der zweite die wesentlichen Unterschiede einer handlungs- und systemtheoretischen soziologie (Parsons) zu einer sprechakt- (Habermas) sowie einer kommunikationstheoretischen (Luhmann) auf. Allen diesen Ansätzen stellt schluchter das von ihm favorisierte weberianische „Forschungspro- gramm“ entgegen, das allerdings erst in der Auseinandersetzung mit den anderen Grundlegungsarbeiten Kontur gewinnt. Die schluchter’ sche Methodologie kommt einer Heuristik näher als einem fest umrissenen Paradigma. Die Präferenz für Handlungstheo- rie liegt offen zu Tage. Die drei behandelten soziologien Parsons’, Habermas’ und Luhmanns nehmen mehr oder weniger alle ihren Ausgang beim Handlungsmodell, überschreiten dieses jedoch auf eigenständige, innovative neukonzeptualisierungen des sozialen hin. nicht der Ausgangspunkt, sondern dessen Überbietung brachten den genannten Meisterdenkern viel Ruhm und viele Feinde ein. schluchters hermeneutisches Augenmerk richtet sich vor allem auf die methodologischen Grundlagen der verschiedenen sozial- und Gesell- schaftstheorien. Wo liegen die Konvergenzen, wo die Divergenzen zum weberianischen Forschungsprogramm? Den Anfang macht Parsons: Dessen erste erkenntnisinteressen resultieren aus den Defiziten, einseitigkeiten und Paradoxien der ökonomischen erklärungsmodelle in den sozialwissenschaften. Parsons fügt 1937 in seiner ersten großen Theoriesynthese, der „structure of social Action“, diejenigen europäischen Ökonomen und soziolo- gen – oftmals sind sie beides zugleich – zusammen, die dieses Unbehagen teilen, das Österreich z soziol (2012) 37:89–93 Doi 10.1007/s11614-012-0016-8 Wolfgang Schluchter (2007): Grundlegungen der Soziologie. Eine Theoriegeschichte in systematischer Absicht, Bd. II. Tübingen: Mohr Siebeck. 329 Seiten, € 69,– Roland Braun © Vs Verlag für sozialwissenschaften 2012 R. Braun () Moltkestr. 31, 50674 Köln, Deutschland e-Mail: braunro@web.de

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Rezensionen

Parsons, Habermas, Luhmann – mit diesem Triumvirat, in dem kaum weniger ein- und Unstimmigkeit als zwischen oktavian, Lepidus und Antonius geherrscht haben dürfte, schließt W. schluchter seine „Theoriegeschichte in systematischer Absicht“ ab. standen im ersten Band noch die entwicklungsgeschichtlichen entwürfe Hegels und Marxens dem Antievolutionismus Webers gegenüber, zeigt der zweite die wesentlichen Unterschiede einer handlungs- und systemtheoretischen soziologie (Parsons) zu einer sprechakt- (Habermas) sowie einer kommunikationstheoretischen (Luhmann) auf. Allen diesen Ansätzen stellt schluchter das von ihm favorisierte weberianische „Forschungspro-gramm“ entgegen, das allerdings erst in der Auseinandersetzung mit den anderen Grundlegungsarbeiten Kontur gewinnt. Die schluchter’sche Methodologie kommt einer Heuristik näher als einem fest umrissenen Paradigma. Die Präferenz für Handlungstheo-rie liegt offen zu Tage.

Die drei behandelten soziologien Parsons’, Habermas’ und Luhmanns nehmen mehr oder weniger alle ihren Ausgang beim Handlungsmodell, überschreiten dieses jedoch auf eigenständige, innovative neukonzeptualisierungen des sozialen hin. nicht der Ausgangspunkt, sondern dessen Überbietung brachten den genannten Meisterdenkern viel Ruhm und viele Feinde ein. schluchters hermeneutisches Augenmerk richtet sich vor allem auf die methodologischen Grundlagen der verschiedenen sozial- und Gesell-schaftstheorien. Wo liegen die Konvergenzen, wo die Divergenzen zum weberianischen Forschungsprogramm?

Den Anfang macht Parsons: Dessen erste erkenntnisinteressen resultieren aus den Defiziten, einseitigkeiten und Paradoxien der ökonomischen erklärungsmodelle in den sozialwissenschaften. Parsons fügt 1937 in seiner ersten großen Theoriesynthese, der „structure of social Action“, diejenigen europäischen Ökonomen und soziolo-gen – oftmals sind sie beides zugleich – zusammen, die dieses Unbehagen teilen, das

Österreich z soziol (2012) 37:89–93Doi 10.1007/s11614-012-0016-8

Wolfgang Schluchter (2007): Grundlegungen der Soziologie. Eine Theoriegeschichte in systematischer Absicht, Bd. II.Tübingen: Mohr Siebeck. 329 Seiten, € 69,–

Roland Braun

© Vs Verlag für sozialwissenschaften 2012

R. Braun ()Moltkestr. 31, 50674 Köln, Deutschlande-Mail: [email protected]

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Ökonomische vielmehr dem sozialen unterordnen und damit zum Gegenangriff auf den „ökonomischen imperialismus“ (s. 99) blasen: A. Marshall, V. Pareto, e. Durkheim und M. Weber (s. 16–27, 48–50). Die von Parsons aus den umfangreichen Werken seiner vier Gewährsleute destillierte Konvergenz ist eine „beobachtete Tatsache“, die Structure damit eine „empirische Untersuchung“ (s. 27). Tatsachen sind für Parsons theoriegelei-tete Tatsachen. Darin vertraut er ganz der Methodologie des an seiner Hausuniversität Harvard mit L. J. Henderson und A. n. Whitehead zur damaligen zeit prominent vertre-ten analytischen Realismus (s. 21 f., 27 f.). schluchter fokussiert sein gesamtes anschlie-ßendes Parsonsreferat auf das methodologische Begriffspaar analytisch/konkret.

Jeder Gegenstand lässt sich auf zwei Arten zergliedern, dekomponieren: „im ersten Fall haben wir es mit konkreten einheiten und ihren strukturellen Beziehungen, im zwei-ten aber mit analytischen elementen und ihren analytischen Beziehungen zu tun. im ers-ten Fall geht es um empirische Generalisierungen, im zweiten um analytische Gesetze; im ersten ist das Vorgehen vorwiegend induktiv, im zweiten vorwiegend deduktiv“ (s. 36). schluchters Untersuchung dreht sich um die Frage, ob Parsons hinter das von ihm selbst gewählte Differenzierungsniveau zurückfällt, denn schnell fällt auf, dass „die Unterschei-dung zwischen analytisch und konkret (…) keineswegs so eindeutig [ist], wie zunächst vermutet“ (s. 39).

Gilt dies schon für die Structure, so noch mehr für Parsons’ nachfolgende schemata. Der erst posthum entdeckte Text über „Aktor, situation und normative Muster“ erhebt zwar lediglich den Anspruch, der struktur des sozialen Handelns eine Analytik oder Logik desselben zu korrelieren, bleibt dann aber in der schublade. schluchter vermu-tet, dass sich Parsons’ „Theorieentwicklung (…) nämlich zunächst nicht in erster Linie auf der analytischen, sondern auf der konkret-strukturellen ebene“ entfaltet (s. 53). Par-sons’ zweiter großer soziologischer Klassiker, „The social system“ von 1951, stellt den Kulminationspunkt dieser Theorieentscheidung dar (ebd.). so sind es Überlegungen zur Berufsstruktur fortgeschrittener Gesellschaften, die Parsons, vermittelt über Tönnies’ „Gemeinschaft und Gesellschaft“ (s. 55 ff.), zur Konzeption der „pattern variables“ füh-ren (s. 54–59). Bei der Anwendung der pattern variables auf den verschiedenen ebe-nen des Persönlichkeits-, sozial- und Kultursystems bleibt ein weiteres Mal unklar, „ob man sie analytisch oder konkret zu verstehen hat“ (s. 64). Das seit Social System im Vordergrund stehende Modell der interaktion erfährt eine neuakzentuierung zu dem der „gleichgewichtigen interaktion“ (s. 77–85, 91), wobei Alter und ego immer mehr ihres ursprünglichen antagonistischen Charakters (s. 28–35: Hobbes) verlustig gehen und im Gegenzug kooperative züge annehmen. Aus Gegen- werden Mitspieler, wie schluchter pointiert sagt (s. 91), aus der Freudrezeption (s. 66–77) erwächst ein interesse an den „strukturellen Voraussetzungen von Lern- und sozialisationsprozessen“ wie Familie, schule, peers oder Universität (ebd.). Konsequenterweise sucht Parsons die zusammen-arbeit mit dem Kleingruppenforscher R. Bales. Dabei ,entdeckt‘ Parsons eine neue und aufregende Konvergenz, zu der neben Bales er selbst beiträgt. Der Parsons der 1930–1940er Jahre bietet sich dem 1950er-Parsons als „beobachtbare Tatsache“ dar. Der sozio-loge wird sein eigener Theoriehistoriker in systematischer Absicht. Die pattern variables konvergieren mit dem zusammen mit Bales entworfenen legendären AGiL-schema. Bis hin zum Kosmos findet alles in AGiL seinen Platz (ebd.).

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schluchter kritisiert insbesondere Parsons’ Versuch, die Brüche zwischen seinen ver-schiedenen Werkphasen zu überspielen: „Je weiter die systemtheoretischen Analysen fortschreiten, desto schwieriger scheint es zu werden, die beiden ,ebenen‘ [analytisch/konkret] sauber auseinanderzuhalten, desto mehr gewinnt man den eindruck, das analy-tisch verstandene AGiL-schema und der damit verbundene Begriff der funktionalen Dif-ferenzierung würden reifiziert“ (s. 98). Der Autor belegt seinen Vorwurf anhand mehrerer Beispiele. so werden zentrale Begriffe wie „element“, „Funktionale Differenzierung“ oder „institutionalisierung“ von Parsons doppeldeutig, changierend zwischen analytisch-theoretischem und konkret-gesellschaftsstrukturellem Gebrauch eingesetzt (s. 99); so wird ein und dasselbe sachsegment, der volkswirtschaftliche „Haushalt“, einerseits auf konkreter ebene dem Wirtschaftssystem, andererseits in analytischem Verständnis dem Treuhandsystem zugeordnet (s. 101) – dies bedeutet aber nichts anderes als die Kon-fusion von A- und L-Pol! Außerdem bringt die Verdoppelung des Konkreten mit dem Analytischen ein (A)Historizitätsproblem mit sich, denn zum einen soll das analytische Wirtschaftsmodell auf schlicht alle geschichtlich-konkreten Ökonomien anwendbar sein, zum anderen lesen Parsons und sein Koautor n. smelser ersteres dem zeitgenössischen amerikanischen Kapitalismus der 1950er Jahre ab (s. 104). Parsons stößt damit auf das generelle Problem, seinem komparativen Unternehmen einen Maßstab abzutrotzen. Man kann dieses Dilemma umgehen, indem man sich auf den Boden des Historismus stellt. Allein für Parsons gilt, dass die Methodologie des analytischen Realismus genau die-ses Problem schafft (s. 104). Am ende ergibt sich gar neben dem Problem der Konfun-dierung des Analytischen mit dem Konkreten das Problem der duplizierten Analyzitäten bei identischer Konkretierungsebene (s. 116–117), denn die Welt gibt es schließlich nicht zwei Mal.

schluchters einwände zielen immer ins methodologische Herz der jeweiligen sozio-logischen Grundlegungsarbeit. er stellt sich minutiös auf die behandelten Autoren ein, deren theorie-, zeit- und ideengeschichtliche Hintergründe er wie wenige andere kennt. seine sympathien liegen beim frühen bis mittleren Parsons, bei der Aufdeckung des uti-litaristischen Dilemmas (s. 35), der doppelten Kontingenz (s. 61 ff.), der Korrektur von R. K. Mertons wiewohl berühmter, so doch inkonsistenter Devianztheorie (s. 81 ff.) oder sogar noch bei der ausgefeilten Handlungstheorie im Rahmen der pattern variables. Den schritt vom struktur- zum systemfunktionalismus geht er jedoch nicht mit. einiges bleibt unterbelichtet wie z. B. Parsons’ Überführung der instrumentellen zweck-Mittel-Rela-tion in die symbolische von sinn und Ausdruck (s. 49 f.) oder das Prinzip der selbstähn-lichkeit im AGiL-schema, das bei schluchter als „Prinzip von der Puppe in der Puppe in der Puppe“ (s. 95) karikiert wird. Weiterhin stimmt er mit Luhmann darin überein, dass Parsons das „Problem der selbstimplikation“ der soziologischen Theorie in die sozio-logische struktur, die dem soziologen vorgegeben ist, „nicht angemessen berücksich-tigt“ habe (s. 227 f.). Genauso wenig kann er in der Reduktion der pattern variables um das Paar self – collectivity etwas anderes entdecken als einen theoriearchitektoni-schen Taschenspielertrick (s. 90). es sei erwähnt, dass allein die drei letzteren Punkte in der brillanten Parsonsinterpretation stephan Heins überzeugend auf ihre theorieinterne Rationalität hin durchsichtig gemacht werden.

nach einem exkurs zu G. H. Mead, der dem „linguistic turn“ in den sozialwissenschaf-ten zum Durchbruch verholfen hat, wendet schluchter sich dem Werk von Habermas,

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vor allem der „Theorie des kommunikativen Handelns“ (1981) als expliziter Fortführung Mead’scher Gedanken zu. nach einer mustergültigen Darlegung des universalpragma-tischen Modells (s. 149–165) und dem der sprachlich vermittelten interaktion (s. 168–175) bringt der Autor kritische Töne an. insbesondere Habermasens Ablehnung der als „monologisch“ verstandenen „intentionalistischen Bewusstseinstheorie“, die Webers handelnden Akteuren zugrunde liegt (s. 178), setzt er sein „dialogisches Modell“ (s. 166) entgegen. Dank Mead kann die Dialogizität von „i“ und „Me“ ins selbst hineinverlegt werden, wobei die entwicklung des selbst an die der sprache gebunden ist, die hinwie-derum von der Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflusst wird (s. 142). Die sprache sorgt für ordnung (s. 178–179), ohne dass diese ordnung statisch konzipiert werden muss. in Meads sozialphilosophie von „Mind, self, and society“ stellt die society den schwachpunkt dar. Mead verliert sich im schwammigen ideal eines universalen Menschheitsdiskurses, um die Makroebene der ordnung zu unterfüttern (s. 145). Haber-mas ist das zu undifferenziert, er schließt daher an phänomenologische Lebensweltana-lysen an und kontrastiert diese sphäre der des systems, für das Parsons’ Medien „Macht“ und „Geld“ das Paradigma liefern (s. 179–202). Parsons’ Medien nr. 3 und 4, „einfluß“ und „Wertbindung“, sind laut Habermas ,eigentlich‘ keine (s. 202–203).

schluchter sieht in Habermasens Begründung der Unterscheidung von Lebenswelt und system mit Hilfe der von innen- und Außenperspektive bzw. von Teilnehmer und Beobachter ein Problem gegeben (s. 203–204): Habermas entwickelt – aus Beobachter-blickwinkel – ein Austauschmodell zwischen Wirtschaft und Verwaltung (system) und privatem sowie öffentlichem Bereich (Lebenswelt). Die Frage ist, was sich in der Lebens-welt ereignet, wenn Geld und Macht in sie hineinschießen? Habermas geht von einem Kristallisationseffekt sozialer lebensweltlicher Rollen an den Medien aus. schluchter moniert daran zweierlei: erstens bilden Rollen mit Parsons gesprochen ebenfalls sys-teme, „Rollen-systeme[:] zur Rolle des Beschäftigten gehört die komplementäre Rolle des Unternehmers, zu der des Konsumenten die des Verkäufers und so fort“ (s. 204). entweder es gibt auf seiten der systeme ebenfalls Rollen bzw. institutionalisierung, dann würden die systeme von einer lebensweltlichen Dekolonialisierungsbewegung heimge-sucht, „oder beide ,seiten‘ sind systeme, die Faktoren und Produkte austauschen. Die Hälfte von hier, die Hälfte von dort, dies schafft nur Begriffskonfusion“ (ebd.). zwei-tens lassen sich alle von Habermas an dieser stelle aufgeworfenen Austauschprobleme elegant lösen – wenn man auf Handlungstheorie umschaltet. Aber davon will Habermas nichts hören. Mittels Parsons’ Medien will Habermas ja gerade den intentional handeln-den Akteur abschatten (s. 203–206). im Parsonskapitel weist schluchter just anhand der medialen Codes und des Produkte-Faktoren-Tauschs nach, wie Parsons sich von der ver-stehenden soziologie verabschiedet (s. 106 ff.). so auch Habermas.

Den schlusstakt bildet das Œuvre Luhmanns. Luhmann, so könnte man sagen, ist derjenige, der schluchter am weitesten aus seiner handlungstheoretischen Arena lockt, da er sich weder wie Parsons an mit subjektiv gemeintem sinn ausgestattete Bewusst-seine bindet noch wie Habermas in Mikro-Makro-strukturen denkt. Beides gehört für Luhmann zur „alteuropäischen semantik“ (s. 240–241). schluchter hat es folglich nicht leicht. er versucht sich klugerweise nicht am nachweis methodologischer inkonsequen-zen oder Konfusionen auf sachlicher wie begrifflicher ebene, wie er dies bei Parsons und Habermas getan hat. er wählt einen anderen Weg. so stellt er beispielsweise Luhmanns

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,logische‘ sequenz des zustandekommens der doppelten Kontingenz bei gleichzeitiger Überwindung derselben säuberlich differenziert dem identischen sequentiellen Ablauf dieses Geschehens aus seiner eigenen sicht gegenüber – und siehe da: Der Prozessver-lauf lässt sich nahezu gleichlautend wiedergeben. Der einzige Unterschied besteht darin, dass in Luhmanns Version von „black boxes“ die Rede ist, wo schluchter „motivierte Akteure“ eintragen kann; Luhmann die Rede von „unterstellen“ benützt, wo schluchter die von „verstehen“ vorzieht; die Formulierung vom Lernen-durch-feedback (Luhmann) mit der von Lernen-durch-taking-the-role-of-the-other (schluchter) ausgetauscht wer-den kann oder emergenz-durch-black-boxes die stelle von, wie nicht anders zu erwar-ten, emergenz-durch-motivierte-Akteure einnimmt (s. 232–233). Wie gesagt ändert das Auswechseln der Terminologie nichts an den einzelnen schritten der sequenz wie der sequenz als Ganzer. Durch die reine Wiederholung führt schluchter die weitgehende indifferenz vor. Wer weiß, ob der exzellente Marxkenner schluchter hier nicht an dessen Ausspruch, dass sich alle großen ereignisse als Farce wiederholen, gedacht hat?