Workshop 2 Nachhaltigkeit ernst genommen

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Forum Nachhaltiges Tirol, am 17.06.2010

Protokoll zum Workshop 2 - Nachhaltigkeit ernst genommen

Moderation: Martin Tonko

Dokumentation: Vera Sartori

TeilnehmerInnen:

Vorname Nachname Organisation

Peter Haimayer Haimayer Projektbegleitung

Lydia Halder AdTLR, Nachhaltigkeitskoordination

Josef Ober Steirisches Vulkanland

Friedrich Pichlmann attac Tirol

Georg Pleger Zukunftszentrum Tirol

Bettina Schönborn

Elisabeth Stögerer-Schwarz AdTLR, Abteilung JUFF

Regina Stolze-Witting

Alexander Ströher Selbsthilfe Tirol

Martin Traxl AdTLR, Abteilung Raumordnung-Statistik

Ingrid Wagner Gemeinwesenentwicklung

Anne Weidner Stadt Innsbruck, Stadtentwicklung

Ines Zanella Südwind Tirol

zwei weitere TN

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Zusammenfassung

Nachhaltigkeit ernst genommen heißt:

Wie kann man erkennen, dass der Weg, wie wir in Tirol an einer Nachhaltigkeitsstrategie und

deren Umsetzung arbeiten, nachhaltig ist?

Es geht darum, jetzt die richtigen Dinge richtig zu tun, damit die Zukunft besser, zumindest

aber nicht schlechter als die Gegenwart wird. Wie können wir erkennen, dass wir die richti-

gen Dinge richtig tun und wie können wir erkennen, was die richtigen Dinge sind? Um Ant-

worten auf diese Fragen zu finden, müssen wir uns daher zuerst auf unsere eigenen Werte

besinnen.

Was ist uns TirolerInnen wichtig, was ist für uns ein Wert, daher für uns wertvoll und somit

langfristig schützenswert? Diese Sichtweise ist die Grundlage dafür, was wir als Problem de-

finieren, wie wir Probleme priorisieren und welche Probleme wir konkret in Tirol lösen wollen.

Daraus definieren sich in weiterer Folge Ziele, Wege wie diese Ziele erreicht werden können

und Indikatoren, an denen man messen kann, dass man auf dem richtigen Weg unterwegs

ist und wo man sich gerade in Richtung Ziel befindet. Da Nachhaltigkeit kein neues Thema

ist, können wir in Tirol auf ein breites Wissen und globale Erfahrungen zurückgreifen. So gibt

es bestehende Regelwerke, wie z.B. die UN Millennium Development Goals, in die wir über

die Global Marshall Plan Initiative direkt eingebunden sind, sowie europäische und nationale

(u.a. für Österreich) Nachhaltigkeitsstrategien, welche eine Basis für eine Nachhaltigkeits-

strategie auf Landesebene bilden sollten.

Um diese Sichtweise zu vertiefen wurde im Rahmen des Forum Nachhaltiges Tirol darüber

diskutiert. Folgend die direkte Reaktion der TeilnehmerInnen während des Workshops.

Einstiegsfrage an 15 Personen:

Wie viele Personen haben sich mit Nachhaltigkeit schon beschäftigt?

→ 9 Personen

Wie viele Personen haben sich mit Nachhaltigkeit schon mehr als 5 Jahre beschäftigt?

→ 5 Personen

Wie viele Personen haben sich mit Indikatoren/Regeln beschäftigt?

→ 7 Personen

Input Moderation:

Wir brauchen gemeinsame Werte für ein gemeinsames Ziel!

Frage an die Runde:

Was ist unsere Vision /Was sind unsere Werte?

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• Gerechtigkeit bei: Generationen / Geschlecht / EinwanderInnen und Einheimischen /

Menschen mit und ohne Behinderung

• Renaturierung des Raumes

• Durch die Knappheit des Raumes, muss weniger Platz zum Leben möglich sein; nicht

jede/r braucht ein Haus

• Auflösung des Gegensatzes Zentrum vs. Peripherie: Arbeit für junge Familien (bzw.

für alle Generationen) und Lebensqualität auch in der Peripherie muss möglich sein.

Input Moderation:

UNO Ziele: Millenium Development Goals (MDG) als Basis? Tirol hat sich verpflichtet mitzu-

machen

Frage an die Runde:

Wer soll die Ziele in Tirol definieren?

• Jede/r: Partizipation ist wichtig!

• Einbindung der Menschen Tirolweit!

• Basisinformation muss jeder beispielsweise über Zusendung bekommen

• Demokratie muss sich in eine andere Richtung bewegen und stärker auf die Men-

schen heruntergebrochen werden (z.B. auf Dorfebene)

• Die Vorgehensweise von PolitikerInnen sollte in Frage gestellt werden

• MDG: Umsetzung ist eine Blamage, denn sie werden nicht ansatzweise erfüllt, ob-

wohl es sogar Gesetze dazu gibt. Wie werden politische Entscheidungen wirksam?!?

• Wie schaut der Maßstab in Tirol aus? Eine Lösung wäre ein “Tiroler Wohlstandsindi-

kator”

• Wichtig beim Prozess: Beteiligung / Leistbarer Wohnraum / Work Life Balance / Di-

versity in Entscheidungsgremien

• Wichtig aber: hinschauen “Was ist JETZT?” Das JETZT zählt und nicht das Jahr

2030; Ungleichheiten aufzeigen.

• Wichtig: keine absoluten Zahlen; es muss auf dem Weg zur Nachhaltigkeitsstrategie

noch Änderungsmöglichkeiten geben

Wie gehe ich mit Indikatoren um?

• Es braucht eine Metabebene

• Regelverletzung hat Konsequenzen

• MDG muss man auf Tirol herunterbrechen, individuell aufarbeiten und die Tiroler

Sicht durchdenken

• Es geht um Verteilungsgerechtigkeit, denn wir leben auf Kosten von Milliarden ande-

rer Menschen

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• Es geht um “teilen” und nicht ums “hergeben”

• Es braucht einen Rahmen für Verbindlichkeit

• Mögliche Indikatoren: Sozialkapitalmessung / Glücksindex

• Anreize schaffen ist besser als Sanktionen bei Regelverletzung

• Indikatoren können auch schädlich sein – Zerstören Freude!

• Indikatoren / Handlungsfelder der NSTRAT (Österr. Nachhaltigkeitsstrategie) machen

Sinn und können als Basis genommen werden, müssen aber adaptiert werden

Sonstiges:

• Mut für Neues und Veränderung

• Wissen über Bewusstsein schaffen (z.B. ökologischer Fußabdruck)

• Mut für mehr Menschlichkeit

• Menschliche Sehnsüchte (abseits vom Materiellen) müssen wieder ernst genommen

werden

• Würdigung der nichtbezahlten Arbeit, z.B. Ehrenamt, care-Arbeit

• Wie zählt man Qualität?

• Mitgestaltung ist wichtig

• Zukunftsfähigkeit / Lebensfähigkeit als neues Ziel

Schlussfolgerung für eine Tiroler Nachhaltigkeitsst rategie:

Neben dem Wunsch, dass die Tiroler Bevölkerung so breit wie möglich in diesen Prozess

eingebunden werden sollte, war man sich in der Gruppe einig, dass man bei bestehenden

Zielen / Indikatoren / Maßnahmen ansetzen soll und die Nachhaltigkeitsstrategien NSTRAT

und ÖSTRAT eine gute Ausgangsbasis für eine Tiroler Nachhaltigkeitsstrategie bildet.

„Als gesellschaftlicher Prozess lässt sich Nachhalti ge Entwicklung nicht allein durch

Normen und technologische Veränderungen erzielen. E rforderlich ist auch ein tiefgrei-

fender Wandel in den Werten, Zielen und daraus resu ltierend eine grundlegende Ver-

haltensänderung der Gesellschaft im Umgang mit den Herausforderungen der Zu-

kunft“ (NSTRAT).

Die Österreichische Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung (NSTRAT) wurde von der Öster-

reichischen Bundesregierung 2002 beschlossen und ist mit den Nachhaltigkeitsstrategien

anderer EU Länder über das European Sustainable Development Network (ESDN) abge-

stimmt. Für Österreich wurde die Strategie von einer Arbeitsgruppe von ca. 40 VertreterIn-

nen aus Ministerien, Ländern, Gemeinden, Sozialpartnern, Interessensvertretungen und

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NGO-Plattformen erarbeitet. Besonderes Augenmerk wurde auf die Formulierung konkreter

Leitziele, eines transparenten Umsetzungsprozesses sowie auf Indikatoren zur Fortschritts-

messung gelegt.

Die Österreichische Nachhaltigkeitsstrategie formuliert insgesamt 20 Ziele für ein nachhalti-

ges Österreich. Nachhaltiges Denken und Handeln sollen für Österreich mehr Lebensquali-

tät, mehr wirtschaftliche Dynamik, einen intakten Lebensraum und eine aktive Rolle in Euro-

pa und der Welt sichern. Jedes Leitziel steht in Bezug zu Trends und Tendenzen welche

einer Nachhaltigen Entwicklung entgegen stehen. Durch eine Konzentration auf wesentliche

Stellschrauben soll eine Grobsteuerung gewährleistet werden, welche Freiräume für eine

dezentrale aber abgestimmte Umsetzung erlaubt.

Die NSTRAT definiert 4 Handlungsfelder mit den 20 Leitzielen. Zur Messung der Zielerrei-

chung gibt es ein Set von Indikatoren, welches so gewählt wurde, dass die relevanten Daten

international verfügbar, vergleichbar, und effizient beschaffbar sind. In Folge sollte dieser

transparente Prozess internationales Monitoring und Evaluation der Umsetzung erlauben

und somit eine kosteneffiziente Zielerreichung gewährleisten.

Die Handlungsfelder mit den jeweiligen Indikatoren

Handlungsfeld 1: Lebensqualität in Österreich

Leitziel 1: Ein zukunftsfähiger Lebensstil

Leitziel 2: Entfaltungsmöglichkeiten für alle Generationen

Leitziel 3: Gleichberechtigung für Frauen und Männer

Leitziel 4: Bildung und Forschung schaffen Lösungen

Leitziel 5: Ein menschenwürdiges Leben für die heutigen und künftigen Generationen

Indikatoren der Leitziele 1-5:

• Einkommensverteilung (oberstes / unterstes Quintil)

• Armutsgefährdung

• Persistenz der Armutsgefährdung

• Langzeitarbeitslosenquote

• Anteil der weiblichen und der männlichen Arbeitnehmer im bezahlten und unbezahl-

ten Elternurlaub an der Gesamtzahl der betroffenen Eltern

• Bevölkerung in erwerbslosen Haushalten

• Eigene Gesundheitswahrnehmung verglichen mit dem Einkommensniveau

• Beschäftigungswachstum

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• Lebenslanges Lernen (Erwachsenenbeteiligung an Aus- und Weiterbildung)

• Frühzeitige Schulabgänger, die an keiner Aus- oder Weiterbildung teilnehmen

• Berufliche Weiterbildung

• Erwerbspersonen und Erwerbsquoten nach Geschlecht

• Einkommensnachteil der vollzeitbeschäftigten Frauen

• Gesundheitsstatus der Bevölkerung

Übersicht: Die Handlungsfelder der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie 2002

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Handlungsfeld 2: Österreich als dynamischer Wirtsch aftstandort

Leitziel 6: Innovative Strukturen fördern Wettbewerbsfähigkeit

Leitziel 7: Ein neues Verständnis von Unternehmen und Verwaltung

Leitziel 8: Korrekte Preise für Ressourcen und Energie

Leitziel 9: Erfolgreiches Wirtschaften durch Ökoeffizienz

Leitziel 10: Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen stärken

Indikatoren der Leitziele 6-10:

• Ausgaben für Forschung und Entwicklung

• Umweltsteuern

• Steuern auf Arbeit

• Materialeinsatz

• Landschaftsverbrauch

• Energieverbrauch in Relation zum BIP (Bruttoinlandsverbrauch und Energetischer

Endverbrauch)

• Anteil erneuerbarer Energieträger am Bruttoinlandsverbrauch

• Nettoimporttangente der Energieversorgung

• Abfallmengen

• Anzahl der Umweltzeichen-Produkte

• Anzahl der EMAS und ISO 14001 Standorte

Handlungsfeld 3: Österreich als Lebensraum

Leitziel 11: Schutz der Umweltmedien und Klimaschutz

Leitziel 12: Vielfalt von Arten und Landschaften bewahren

Leitziel 13: Verantwortungsvolle Raumnutzung und Regionalentwicklung

Leitziel 14: Mobilität nachhaltig gestalten

Leitziel 15: Die Verkehrssysteme optimieren

Indikatoren der Leitziele 11-15:

• Anreicherung von Schadstoffen im Oberboden oder Überschreitung von Richtwerten

• Überschreitung von Depositionswerten (critical loads)

• Grundwasserqualität nach Grundwasserschwellwert-Verordnung und Wasserrahmen-

Richtlinie

• Oberflächenwasser: guter / sehr guter ökologischer Zustand sowie guter chemischer

Zustand gemäß Wasserrahmen-Richtlinie

• Treibhausgasemissionen (nach Sektoren gegliedert)

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• Überschreitung von Luft-Immissionsgrenz- und -zielwerten (nach Immissionsschutz-

gesetz-Luft und Forstgesetz)

• Flächenanteil der Biobetriebe an der gesamten land- und forstwirtschaftlichen Nutz-

fläche und Anteil der an Agrar-Umwelt-Programmen teilnehmenden Betriebe

• Anteil der versiegelten Fläche

• Änderung der Flächennutzung (regional gegliedert)

• Rote Liste gefährdeter Arten und Biotope

• Landnutzung

• Fahrleistung

• Preisentwicklung im Verkehrssektor

• Externe Kosten für Verkehr

• Verkehrsbedingte Schadstoffemissionen

• Anteil alternativer Treibstoffe

• Energieeffizienz der Verkehrsmittel (Flottenverbrauch)

• Zugang der Bevölkerung zu Mobilität (Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel)

• Anzahl der Verkehrstoten und -schwerverletzten

Handlungsfeld 4: Österreichs Verantwortung

Leitziel 16: Armut bekämpfen, sozialen und wirtschaftlichen Ausgleich innerhalb und zwi-

schen den Ländern schaffen

Leitziel 17: Eine global nachhaltige Wirtschaft

Leitziel 18: Unsere Welt als Lebensraum

Leitziel 19: Internationale Kooperationen und Finanzierung

Leitziel 20: Nachhaltigkeitsunion Europa

Indikatoren der Leitziele 16-20:

Die Zielsetzungen werden für die internationale Ebene festgelegt, sind daher mit einem nati-onalen Indikator nur beschränkt messbar. Wichtige Indikatoren auf internationaler Ebene sind hierzu der

• Human Development Index (HDI)

• Human Poverty Index (HPI)

• Gender Development Index (GDI)

• Corruption Index

Auf der Ebene der nationalen Gestaltungsmöglichkeiten lassen sich folgende Indikatoren nennen:

• Höhe der Entwicklungshilfe (ODA - Official Development Assistance) in % des BIP

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• Höhe der Ausgaben für die jeweiligen Fokusthemen der Österr. Entwicklungszusam-

menarbeit laut EZA-Statistik

• Umweltprojekte im Rahmen der öffentlichen Exportfinanzierungen

Nachhaltigkeit ernst genommen heißt schlussendlich, dass neben dem Erstellen einer Nach-haltigkeitsstrategie mit Ihren Zielen und Indikatoren der Prozess über Legislaturperioden hin-aus auch umgesetzt werden muss. Es muss sichergestellt sein, dass:

• die Strategie umgesetzt wird

• die Leitziele im angegebenen Zeitraum erreicht werden

• die Prozesse und Instrumente der Umsetzung definiert sind

• die Verantwortlichkeiten dazu geklärt sind

• Partizipation, Selbstorganisation und Engagement gefördert werden

• die Öffentlichkeit sensibilisiert und laufend informiert wird

• Koordinationsmechanismen zur Abstimmung mit bestehenden Strategien etabliert

sind

• strategische Vernetzungen zur regionalen und lokalen Ebene hergestellt werden

• durch ein kontinuierliches Monitoring der Status der Umsetzung ermittelt wird

• durch regelmäßige Evaluation und Reflexion eine Weiterentwicklung der Strategie

ermöglicht wird.

Weiters soll sich der Umsetzungsprozess nach NSTRAT an folgenden fünf Grundsätzen ori-entieren:

• Systematische und effiziente Umsetzung durch sektorale und regionale Strategien

• Koordination durch Kooperation , um Konsistenz und Kohärenz der Politiken zu si-

chern

• Transparenz durch regelmäßiges Monitoring auf Basis geeigneter Indikatoren

• Partizipationsangebote und breite Öffentlichkeitsar beit

• Weiterentwicklung durch Evaluation und eine „Lernende Strategie“

Die Tiroler Nachhaltigkeitsstrategie sollte sich an diesen Zielen, Indikatoren und Umset-zungsgrundsätzen orientieren, regional relevante Punkte adaptieren/ergänzen und somit das Land Tirol als Vorreiter in Österreich in Fragen Nachhaltiger Entwicklung positionieren.