Workshop 9: Pflege und Edukation von Personen mit … · Fallbeispiel 9. Schlussfolgerungen 10....
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Workshop 9: Pflege und Edukation von Personen mit einem tumorbedingten Darmstoma – Neues aus
pflegewissenschaftlicher Sicht
Doris Minger
Pflegefachfrau HF, MAS,
psychoonkologische Beraterin SGPO,CH-Weinfelden
Ziel
Vorstellung ausgewählter Interventionen der präoperativen und postoperativen Stomapflege bzw. Edukation welche Personen mit einem tumorbedingten Darmstoma im Selbstmanagement in der Klinik und zuhause unterstützen
Themenübersicht
1. Relevanz aus Sicht der Theorie
2. Bedeutung für den Betroffenen
3. Theoretischer Rahmen
4. Konzeptionelle Grundlage
5. Interventionen
6. Forschungsergebnisse
8. Fallbeispiel
9. Schlussfolgerungen
10. Empfehlung für die Praxis
1. Relevanz aus Sicht der Theorie
• Karzinome v.a. Kolonkarzinome sind eine der häufigsten Ursachen für eine Stomaanlage im Bereich des Colons (Gruber, 2006; Thurgauische Krebsliga ,2011)
• Onkologische Patienten, mit geplanter Stomaanlage sind zusätzlich zu ihrem Leiden großen physischen und psychischen Veränderungen und Anpassungen nach dem operativen Eingriff ausgesetzt (O`Connor, 2005)
• Die Entwicklung spezialisierter und multidisziplinäre Teams hat die Lebensqualität dieser Patientengruppe verbessert (Millan et al., 2009)
Relevanz aus Sicht der Theorie
• Soziodemographische Entwicklung und gesundheitspolitische Veränderungen (DRG`s)
• Bedarf an Patientenedukation wird voraussichtlich steigen (Pinkert, Renneke, 2000).
• Alle Betroffenen erhalten vor der Operation die Markierung der geplanten Stomaanlage und haben das Recht auf
Information und Beratung International Ostomy Association (IOA) American Society of
Colon and Rectal Surgeons (ASCRS) (Millan et al., 2009, Stoll- Salzer, Wiesinger, 2005).
Physisch, biologisch Psychisch, geistig, spirituell
Veränderte(s) Körpersituation/Körperbild
Verlust der Kontrolle über die Ausscheidung
Verlust eines Organteiles (Teilresektion) oder Organs mit
anatomisch pathophysiologischen Konsequenzen.
Erhöhtes Risiko für Komplikationen z.B. Schmerz,
Hautirritationen.
Veränderte Körperfunktionen
z.B. Unkontrollierter Abgang von Darmgeräuschen und
Flatulenzen, Malresorption. Änderung in den
Ernährungsgewohnheiten
Nebenwirkungen der Chemotherapie, Radiotherapie
Veränderte Körperwahrnehmung und
verändertes Selbstkonzept
Gefühle von: Überforderung, Angst, Ablehnung, Ekel,
Unsicherheit, Aggression, Ohnmacht, Scham,
Hoffnungslosigkeit, „Schock“
Emotionales Ungleichgewicht
Religion/Glaube – damit verbundene Rituale
Situative Anpassung, Bedrohung, akute Krise und
Verlust, Depression
Veränderung der Lebensgewohnheiten
Hohe Sehnsucht nach einem Leben ohne Stoma
Anfängliche Schwierigkeiten mit der Versorgung haben
eine negative Langzeitwirkung
(Peters-Gawlik, 1998,;Stoll-Salzer, Wiesinger, 2005, Büchi, Buddeberg 2003, Fässler, 2009).
2. Bedeutung für die Betroffenen
Materiell Soziokulturell
Zusätzliche Gesundheitskosten:
Selbstbehalte für Versorgungsmaterial, Behandlungs-
und Nachsorgekosten
Hilfsmittel Kleidung, beispielsweise Badehosen
Möglicher Umbau sanitärer Anlagen zuhause
Einkommensverlust durch Krankheit
Kulturelle Identität,
Stigmatisierung, Isolation, Abhängigkeit
Soziale Rolle – Verunsicherung der Aufgaben
Veränderung in Partnerschaft und Sexualität
Veränderungen im Familienleben, Freundeskreis und der
Freizeitaktivitäten.
Verunsicherung in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit
(max.10 kg Gewichtheben)
(Peters-Gawlik, 1998,;Stoll-Salzer, Wiesinger, 2005; Büchi, Buddeberg 2003; Fässler, 2009).
Bedeutung für die Betroffenen
3. Theoretischer Rahmen
Definition Patientenedukation
International verwendeter Begriff „Patient Education“
verstanden als Psychologisch - pädagogische Aktivitäten der
Gesundheitsförderung (Abt-Zegelin, 2009)
Ziel, die Fähigkeiten zum Selbstmanagement zu erhalten und zu
fördern, welche die Patienten unterstützen die täglichen
Anforderungen zu bewältigen (Lorig, Halsted Holmann, 2003)
Der Edukationsprozess (London, 2010).
1. Assessment Individueller Lernbedarf
, Motivaton, Lernstil, Lernfähigkeit einschätzen
2. Lernbedarf Erkennen und Benennen
3. Lernziele Vereinbaren
4. Planung
der Edukationsinterventionen : Information, Schulung und
Beratung
5. Patientenedukation Infomieren, Schulen
und Beraten
6. Evaluation
der Lernergebnisse
4. Konzeptionelle Grundlage
Modell von Fredette (1990)
• Zur Verbesserung der Edukation für krebskranke Patienten.
• Unterteilt in sechs Zeitperioden
Zeitperioden beschreiben:
1. Die Periode.
2. Die Anpassungs-und Entwicklungsphase
3. Inhaltliche Schwerpunkte der Anpassungs- und
Entwicklungsphase.
4. Mögliche Lernmethoden und Strategien.
5. Interventionen der prä- und postoperativen Stomaberatung
• Das Vermitteln von Informationen zu körperlichen und psychosozialen Veränderungen (Brown, Randle, 2005; O`Conner, 2005; Metcalf, 1999)
• Die Schulung von praktischen Fähigkeiten wie das Wechseln eines Versorgungsbeutels (Chaudhri et al., 2005; Berry et al., 2007; Cronin, 2005).
• Die persönliche individuelle Beratung (Brown, Randle, 2005; O`Conner, 2005)
• Einschätzung und Erfassung der psychosozialen Belastung (Chaudhri et al., 2004;
Metcalf, 1999)
• Präoperativ: Die Einzeichnung der geplanten Stomaanlage
vor dem Spitaleintritt (Berry et al., 2007; Metcalf ,1999; Cronin,2005; O`Conner, 2005; Chaudhri et
al. 2005)
6. Forschungsergebnisse 1. Patienten erleben signifikant weniger Angstgefühle im Hinblick auf die Stomaanlage und Operation (Millan et al., 2009).
2. Weniger postoperative Komplikationen wie Hautirritationen und Dermatitis treten auf (Colwell, Gray, 2007; O`Connor, 2005; Millan et al., 2009).
3. Patienten sind postoperativ schneller selbständig in der Versorgung ihrer Stomaanlage (Chaudhri et al., 2005; O`Connor, 2005).
4. Die postoperative Lebensqualität der Betroffenen wird positiv beeinflusst (Haugen, Bliss, Salvik, 2006)
5. Die Patienten zeigen eine verbesserte Einstellung und Anpassung zum Leben mit einer Stomaanlage (O`Connor, 2005).
6. Weniger spitalexterne Pflegedienste werden in Anspruch genommen, weniger ungeplante Interventionen werden festgestellt (Chaudhri et al., 2005).
7. Keine negativen Effekte auf das Befinden der Betroffenen (Chaudhri et al., 2005)
Information
Themeninhalte
• Veränderungen nach der Operation, körperlich, psychisch, soziokulturell
• Tägliche Aktivitäten und praktische Aspekte zum Leben mit dem Darmstoma
• Kontaktadressen von unterstützenden Institutionen
Selbsthilfegruppen, Ernährungsberatung, Psychologe, Partner – Eheberatung
(Brown, Randle, 2005; O`Conner, 2005;Metcalf, 1999)
Schulung
Methoden:
• Eins-zu-Eins-Schulung
• Präsentation beziehungsweise das Demonstrieren der Anwendung von Versorgungsmaterial und das Nachmachen des Vorganges durch die Patienten
Hilfsmittel:
• Anatomisches Modell
• Körper/Abdomen des Patienten
• Versorgungsbeutel als Übungsmaterial zuhause
• Video, DVD
(Chaudhri et al., 2005; Berry et al., 2007; Cronin, 2005).
Beratung • Richtet sich grundsätzlich an die Patienten und ihre
Familienangehörigen
• Die Beratung soll eine gemeinsame Diskussion über den Einfluss der geplanten Stomaanlage auf das Leben des Patienten ermöglichen
• Betroffene und Angehörige verstehen sich als aktive Partner im Beratungsgespräch
(Brown, Randle, 2005; O`Conner, 2005)
Stomamarkierung 1. Beurteilung des Abdomens im Liegen, Stehen, Sitzen
2. Die Stelle soll für den Patenten sichtbar sein
3. Fern von Nabel und Knochenvorsprüngen wie
Beckenkamm und Rippenbogen
4. Innerhalb des Rektusmuskels
5. Auf einer glatten Hautfläche ohne Narben und unter Berücksichtigung der Kleidergewohnheiten unter oder oberhalb des Rock ,-oder Saumbundes
6. Bei einem grossen Abdomen die Stelle auf der Bauchwölbung markieren
7. Beidseitig rechts und links auf dem Abdomen einzeichnen (Berry et al., 2007; Metcalf ,1999; Cronin,2005; O`Conner, 2005; Chaudhri et al. 2005)
Die Stoma-Markierung
Einschätzung und Erfassung der psychischen Belastung
• 18% bis 26% entwickeln psychologische Probleme wie Angst oder Depressionen während der ersten drei Monate nach der Operation (Metcalf, 1999)
• Patienten mit vorgängigen psychiatrischen Problemen in ihrer Krankengeschichte haben zusätzlich ein höheres Risiko nach der Operation psychologische Probleme zu entwickeln (Metcalf,
1999)
• Weibliche Angehörige sind eine spezielle „Risikogruppe“ für psychische Belastung (Büchi, 2009)
Erfassungsinstrumente zur Einschätzung der psychischen Belastung
• Visual Analog Scala
• Die Hospital Anxiety Depression Scale (HADS) (Snaith, 2003).
• Distress – Therometer ( Deutsche Version National Comprehensive Cancer
Network, Mehnert,A., Lehmann, C., Koch, U. 2006)
Distress -Thermometer
8. Fallbeispiel
• Herr X, 51-jährig, Hilfsarbeiter in einer Verpackungsfirma
• Diagnose: Tiefsitzendes Rektumkarzinom 3/2011
• Neoadjuvante Chemotherapie (8W)
• Tumorresektion. Rektumamputation mit einer definitiven Colostomie in drei Wochen
• Spirituell: Muslim
• Sozial: Verheiratet. Ehefrau leidet seit 10 Jahren an einer Depression. Ein Sohn 20J., leidet an einer Lernschwäche.
• Psychische Belastung: Bevorstehende Operation mit definitiver Colostomie
Erfassung und Einschätzung der psychischen Belastung
Selbsteinschätzung: Distress 8
Praktische Probleme: Ausübung Beruf
Familiäre Probleme: Umgang mit Partner und Kind
Emotionale Probleme: Sorgen, Ängste, Traurigkeit
Spirituelle Belange: Ausübung des rituellen Gebetes
Körperliche Probleme: Schlaf, Erscheinungsbild
Problembeschreibung physisch, psychisch-geistig-spirituell, soziokulturell
• Körperlicher Bereich
Wissensdefizit: Fragen zu Veränderungen und Anpassungen nach dem
operativen Eingriff welche die Bewältigung der Situation unterstützen
• Psychisch, geistig spirituell
Psychische Krise durch die Vorstellung eines möglichen
Autonomieverlustes in der Ausübung des Berufes, in der Selbstpflege und
dem Bedürfnis nach einem bestimmten religiösen Ritual
• Soziokulturell
Überlastung bei mit betreuenden Angehörigen, Depressivität der Ehefrau.
Fehlende Unterstützung im familiären Umfeld
Interventionen präoperativ
• Erfassung /Einschätzung der psychosozialen Belastung
• Nachfrage Bedarf an psychoonkologischer Beratung
• Abgabe Kontaktadressen unterstützender Angebote (Psychologe, Spitex, Haushalthilfe, Selbsthilfegruppe)
• Patientenedukation Information, Schulung und Beratung
• Einzeichnung der geplanten Stomaanlage
Interventionen postoperativ
• Anknüpfung an der präoperativen Patienten- und Angehörigenedukation
• Einschätzung und Erfassung der psychosozialen Belastung
• Nachfrage Bedarf an psychoonkologischer Beratung
• Ambulante Nachsorge in der Stomatherapie sicherstellen
9. Schlussfolgerungen • Die beschriebenen Interventionen verbessern, unterstützen das
Selbstmanagement onkologischer Patienten in der Klinik und zuhause
• Durch ein Screening der psychosozialen Belastung können Problembereiche identifiziert werden und weitere Massnahmen zur Unterstützung und Entlastung der Betroffenen eingeleiteit werden
• Eine sorgfältige Schulung der Screening Instrumente zur Erhebung der psychosozialen Belastung ist Voraussetzung für eine Implentierung
• Regelmässige Weiterbildungen im Bereich Stomatherapie können das Fachwissen vertiefen und erweitern
• Regelmäßige Überprüfung der Instrumente auf Gültigkeit, Zuverlässigkeit, Anwenderfreundlichkeit und Praxisnähe
10. Empfehlung für die Praxis
Implementierung der ausgewählten Interventionen der prä-und
postoperativen Stomaberatung
Die zukünftige Arbeit sollte einschliessen:
• Den Edukationsprozess
• Erfassungsinstrumente zur Einschätzung des individuellen Bedarfes
• Der Einsatz eines Screening-Instrumentes zur Erfassung psychosozialer Belastung bei Krebspatienten
• Die Patientensicht der Betroffenen infolge einer onkologischen Erkrankung,
• Die am Behandlungsprozess beteiligten Professionen