Workshop Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

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Dieser praxisorientierte Kurs ist vor allem für Personen bestimmt, die sich mit der Planung, der Inbetriebnahme oder der Optimierung von prozesstechnischen Anlagen beschäftigen. Das Verständnis für Regelung betrifft jedoch alle Bereiche unserer Gesellschaft. Durch das Arbeiten an Modellregelstrecken wird das dynamische und analytische Denken gefördert. Deshalb ist dieser Kurs auch für außertechnische Bereiche zu empfehlen. Anhand von Übungsbeispielen lernen die Teilnehmer die Dynamik von einfachen Regelkreisen zu verstehen und einfache Regelaufgaben ohne Verwendung der höheren Mathematik zu lösen. Die praktischen Übungen werden an einem modernen Prozessleitsystem durchgeführt.

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2013

Peter Kainhofer

Grundlagen der prozesstechnischen

Regelungstechnik

WORKSHOP

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Workshop GL-PRTKursziele / Inhalte Seite 2 von 120

Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

Kursziele Dieser praxisorientierte Kurs ist vor allem für Personen bestimmt, die sich mit der Planung, der Inbetriebnahme oder der Optimierung von prozesstechnischen Anlagen beschäftigen. Das Verständnis für Regelung betrifft jedoch alle Bereiche unserer Gesellschaft. Durch das Arbeiten an Modellregelstrecken wird das dynamische und analytische Denken gefördert. Deshalb ist dieser Kurs auch für außertechnische Bereiche zu empfehlen. Anhand von Übungsbeispielen lernen die Teilnehmer die Dynamik von einfachen Regelkreisen zu verstehen und einfache Regelaufgaben ohne Verwendung der höheren Mathematik zu lösen. Die praktischen Übungen werden an einem modernen Prozessleitsystem durchgeführt.

Inhalt

• Einführung in die Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik • Rechenfunktionen • Verhalten von Regelstrecken • Stetige und unstetige Regler • Regelkreise mit stetigen und unstetigen Reglern • Praktische Übungen an verschiedenen Modellregelstrecken • Erhöhung der Regelgüte • Erkennen von Optimierungspotenzial anhand von Trendanalysen • Lösungskonzepte für komplexe Regelsysteme

Dauer des Kurses 1 Woche

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Workshop GL-PRTÜbungsaufbau Seite 3 von 120

Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

Aufbau der Übungsplätze

Abbildung 01 Aufbau der Übungsplätze

Komponenten des Prozessleitsystems: AS: Automatisierungssystem OS: Operationssystem (Bedienung und Beobachtung) ES: Engineering Station

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Workshop GL-PRTInhaltsverzeichnis Seite 4 von 120

Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

Inhaltsverzeichnis 1 Einführung in die Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik ...................................... 5

1.1 Einleitung ................................................................................................................................ 5 1.2 Die Messeinrichtung ............................................................................................................... 8 1.3 Aufgaben des Regelungstechnikers ........................................................................................ 9 1.4 Die mathematische Theorie der Regelung ............................................................................ 10

2 Rechenfunktionen .......................................................................................................................... 12 2.1 Durchflusskorrektur .............................................................................................................. 12 2.2 Füllstandkorrektur ................................................................................................................. 16 2.3 Übungen Korrekturrechner ................................................................................................... 18 2.4 Wärmestrom, therm. Leistung .............................................................................................. 20 2.5 Übungen Energieströme ........................................................................................................ 21

3 Die Regelstrecke ............................................................................................................................ 22 3.1 Stell- und Stör- Sprungantworten der Regelstrecke: ............................................................. 22 3.2 Übungen: Aufnahme der Sprungantwort .............................................................................. 33 3.3 Beschreibung durch den Frequenzgang (Schwingungsantwort) ........................................... 43

4 Stetige Regler ................................................................................................................................. 47 4.1 Sprungantworten des K- Reglers .......................................................................................... 48 4.2 Übungen Stetige Regler ........................................................................................................ 52

5 Regelkreise mit stetigen Reglern ................................................................................................... 63 5.1 Allgemeines zur Arbeitsweise von Regelkreisen mit stetigen Reglern ................................ 63 5.2 Das Störverhalten des Regelkreises ...................................................................................... 64 5.3 Die wichtigsten Methoden für die Reglereinstellung ............................................................ 67 5.4 Übungen Stetige Regler mit Regelstrecken .......................................................................... 72

6 Dreipunktregler mit quasistetigem Verhalten ................................................................................ 76 6.1 Gründe, warum Elektromotoren als Stellantriebe an vielen Stellen bevorzugt werden ........ 76 6.2 Dreipunkt- Schrittregler (S- Regler) für elektromotorische Antriebe ................................... 77 6.3 Schrittregler (PI- Verhalten) ................................................................................................. 80 6.4 Übung Dreipunktregler mit quasistetigem Verhalten (S- Regler) ........................................ 81 6.5 Übung Dreipunktregler (S- Regler) mit Regelstrecken ........................................................ 84

7 Erhöhung der Regelgüte ................................................................................................................. 88 7.1 Störgrößenaufschaltung ........................................................................................................ 89 7.2 Dreikomponentenregelung .................................................................................................... 90 7.3 Kaskadenregelung ................................................................................................................. 92 7.4 Verhältnisregelung ................................................................................................................ 93 7.5 Parametersteuerung bei nichtlinearen Regelstrecken ............................................................ 94

8 Erkennen von Optimierungspotenzial anhand von Trendanalysen ................................................ 95 8.1 Soll- Zustand der Dynamik eines thermischen Prozesses ..................................................... 95 8.2 Vergleich des Regelverhaltens vor und nach der Optimierung ............................................ 97 8.3 Erstanalyse der Energieversorgung und -verteilung einer Industrieanlage ........................... 98

9 Lösungskonzepte für komplexe Regelsysteme ............................................................................ 108 9.1 Gesamtregelsystem für den Prozess Gasauslagerung ......................................................... 108 9.2 Optimale Nutzung von Abwärme und Alternativenergien ................................................. 112 9.3 Schnelle und energiesparende Prozessregelung .................................................................. 113 9.4 Regelung der Wasserlieferung für eine Destillationsanlage ............................................... 117

10 Literaturverzeichnis...................................................................................................................... 118 11 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................. 119

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Workshop GL-PRTKapitel 1: Einführung Seite 5 von 120

Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

1 Einführung in die Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik (1)

1.1 Einleitung Kybernetik ist nach ihrem Begründer Norbert Wiener die Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Maschinen, lebenden Organismen und sozialen Organisationen und wurde auch mit der Formel „die Kunst des Steuerns“ beschrieben. Seit der Einführung der EDV in der Automatisierung ist die prozesstechnische Regelungstechnik immer mehr in Vergessenheit geraten. Das bewirkt einen schlechteren Gesamtwirkungsgrad, eine Verringerung der Verfügbarkeit und eine Verschlechterung der Stabilität. Mein Wunsch ist es, den Menschen die Kunst des Regelns beizubringen. So wie bei den Griechen ein guter Steuermann hoch angesehen war, der auch bei Sturm und Regen sein Schiff auf Kurs gehalten hat, so muss auch ein guter Regelungstechniker Konzepte entwickeln, die unterschiedliche Störfaktoren und Bedingungen miteinbeziehen. Die Kunst des Regelns kann man nicht aus Büchern lernen, so wie ein guter Steuermann die Kunst des Steuerns eines Schiffes nicht aus Büchern lernen kann. Man muss in der Praxis lernen, mit einem Schiff oder mit einer Prozessanlage zu fahren und es trotz verschedener Störeinflüsse auf dem gewünschten Kurs zu halten.

Die Regelungstechnik ist ein verhältnismäßig junges Gebiet der Technik. Während die Theorie der Regelung in den vergangenen Jahrzehnten zu hoher Vollkommenheit ausgebaut wurde, fehlt es auch heute noch an genügend Verbindungsstellen zwischen Theorie und der ebenfalls weit entwickelten regelungstechnischen Praxis.

Die Aufgabe der Regelung ist es, bestimmte Größen wie z.B. Temperatur, Drehzahl, Druck usw. auf vorgeschriebene Werte zu bringen und entgegen allen Störeinwirkungen zu halten. Diese so einfach aussehende Aufgabe beinhaltet aber in sich eine erstaunliche Fülle von Problemen, wie man sie auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde.

Worauf es bei der Lösung von Regelaufgaben eigentlich ankommt, ist nicht die Kenntnis vieler Formeln und Rechenverfahren, sondern das Erfassen der wirkungsmäßigen Zusammenhänge im Regelkreis. Daneben muss man sich, wie bei jeder Technik, eine Reihe von Grundregeln aneignen.

Die Grundgesetze der Regelungstechnik gelten in gleicher Weise für alle Regelkreise, ganz unabhängig davon, wie verschieden

sie im Einzelnen auch apparativ aufgebaut sein mögen.

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Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

Steuerung und Regelung Was ist der Unterschied zwischen Steuerung und Regelung? Ich möchte Ihnen das an einem einfachen Beispiel erklären:

Sie wollen ein Bad nehmen und ihre Badewanne mit warmem Wasser füllen, das gerade Ihren Wünschen entspricht.

1. Steuerung: Sie stellen die moderne Mischarmatur in die Mitte und öffnen den Wasserhahn. Sie vertrauen darauf, dass das kalte und warme Wasser durch die Armatur auf die Temperatur gemischt wird, die in etwa Ihren Wünschen entspricht. Sie bemerken, dass die Wasser-temperatur in ihrer Badewanne unter Ihrer Körpertemperatur liegt. Das angegebene Misch-verhältnis der Armatur entspricht nicht Ihren Wünschen. Eine Steuerung hat keine Rückkopplung!

2. Regelung Sie stellen die moderne Mischarmatur in die Mitte und öffnen den Wasserhahn. Sie vertrauen nicht auf das mechanische Mischverhältnis, sondern sie verstellen die Mischarmatur solange, bis die Wassertemperatur durch das Messen mit Ihrer Hand der gewünschten Temperatur entspricht. Jetzt können Sie endlich Ihr Bad genießen. Sie haben gerade geregelt. Ihre Hand diente dabei als Messfühler und Ihr Gehirn als Sollwertgeber und Regler. Das Gehirn vergleicht den gewünschten Sollwert mit dem Signal Ihres Messfühlers und gibt den Befehl an Ihre zweite Hand, die Armatur solange zu verändern, bis das Messsignal dem gewünschten Sollwert entspricht. Eine Regelung hat immer eine Rückkopplung!

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Workshop GL-PRTKapitel 1: Einführung Seite 7 von 120

Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

Eine Regelung ist immer dann erforderlich, wenn Störgrößenänderungen auftreten. Bei jeder Regelaufgabe müssen wir uns mit dem „Dreigestirn“

Regelgröße – Stellgröße – Störgrößen auseinandersetzen. Ganz gleich, welche Regelaufgabe zu lösen ist, immer müssen wir uns zuerst fragen:

Was soll geregelt werden?

Was ist die Regelgröße?

Wie kann die Regelgröße beeinflusst werden?

Was ist die geeignetste Stellgröße?

Welche Störgrößen sind vorhanden und wie wirken sie sich aus?

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Workshop GL-PRTKapitel 1: Einführung Seite 8 von 120

Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

1.2 Die Messeinrichtung Eine der wichtigsten Aufgaben eines Reglers ist der Vergleich zwischen Regelgröße und Führungsgröße. Um den Vergleich exakt durchführen zu können, muss – neben einer genau einstellbaren Führungsgröße – der genaue augenblickliche Wert der Regelgröße bekannt sein. Der Messung der Regelgröße durch die Messeinrichtung kommt daher im Regelkreis eine entscheidende Bedeutung zu. Ein Regelkreis kann nie genauer arbeiten, als die Messung der Regelgröße erfolgt. Die gesamte Messeinrichtung besteht bei der überwiegenden Zahl der Reglerkonstruktionen aus zwei Teilen: dem meist in der Regelstrecke eingebauten Aufnehmer für die Regelgröße, der bei unmittelbarem Kontakt mit dem Messmedium auch Fühler genannt wird, und dem im Automatisierungsgerät eingebauten Teil der Messeinrichtung. Der im Automatisierungsgerät eingebaute Teil der Messeinrichtung hat dabei die Aufgabe, das vom Aufnehmer in einer bestimmten physikalischen Form gelieferte Regelsignal in eine für den Vergleicher verarbeitbare Form umzuformen (z.B. 4 – 20 mA in 0 – 1 V). Das Erfassen der Regelgröße durch die Messeinrichtung muss ausreichend schnell erfolgen, da zeitliche Verzögerungen – wie wir später sehen werden, die Regelgüte verschlechtern. Die Erfahrung zeigt, dass die Ursachen für eine unbefriedigende Regelgüte vielfach in einem ungenauen oder zu langsamen Erfassen der Regelgröße liegen.

Gutes Regeln beginnt mit gutem Messen

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Grundlagen der prozesstechnischen Regelungstechnik

1.3 Aufgaben des Regelungstechnikers Die Aufgabe des Regelungstechnikers besteht meist darin, einen Prozess von Hand- auf eine selbsttätige Regelung umzustellen, eine unbefriedigende Regelung zu verbessern und bei der Neuplanung von Arbeitsprozessen deren regelungstechnische Bearbeitung zu übernehmen. 1.) Beratung und Unterstützung bei der technologischen Planung einer Anlage

2.) Unterstützung bei der Erstellung der R&I- Schemata

3.) Festlegung der zulässigen Überschwingweiten und der Ausregelzeiten

4.) Überprüfung der mechanischen Ausführung auf die geforderte Regelbarkeit

5.) Erstellen der Regelkonzepte und der Funktionsbeschreibung

6.) Festlegung der Regelgrößen

7.) Festlegung der Messorte

8.) Feststellen, welche Störgrößen vorhanden sind

9.) Festlegung der Stellgrößen und der Stellantriebe

10.) Vorgabe der wichtigsten Parameter für die Voreinstellungen

11.) Beratung und Unterstützung bei der Planung der Automatisierung

12.) Unterstützung bei der Inbetriebnahme und der Optimierung

13.) Feinoptimierung des Kreisprozesses

In schwierigen Fällen (z.B. versnetzte oder komplexe Regelungen) werden noch zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein, um die gewünschte Regelgüte zu erreichen. In der überwiegenden Zahl der Fälle kommt man jedoch bei diesen regelungstechnischen Arbeiten ohne großen Rechenaufwand aus.