Wärmetauscher aus Kunststoff – Ein Schritt in die...

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– 44 – Ingenieurspiegel 4 | 2012 Beliebig formbar, flexibel an- passbar, leicht, korrosions- und chemikalienfest, kostengüns- tig. Diese Eigenschaften von Kunststoffen machen sie ge- radezu prädestiniert als Basis- material zur Herstellung von Wärmetauschern, insbeson- dere dann, wenn ihre Form mittels Strömungssimulation (CFD) entsprechend optimiert ist. Wenn dem so ist, warum werden Wärmetauscher dann immer noch fast ausschließlich aus Metallen hergestellt? Der Grund, der immer ange- führt wird, ist die schlechte Wär- meleitfähigkeit von Kunststof- fen. Diese ist in der Tat in der Regel um einen Faktor Tausend schlechter als die von gängigen metallenen Wärmetauscherma- terialien wie Kupfer oder Alu- minium. Geht man davon aus, dass eine hohe Wärmeleitfähig- keit des Materials und eine gro- ße Tauscherfläche einen effizi- enten Wärmetauscher ausma- chen, so spricht dies tatsäch- lich für den Einsatz von Metal- len. Dass dem aber nicht so ist und die Wärmeleitfähigkeit nur eine untergeordnete Rolle spielt, lässt sich durch eine nähere Be- trachtung der einfachen physi- kalischen Zusammenhänge bei der Auslegung von Wärmetau- schern zeigen. Die beiden grund- legenden Formeln für die Leis- tung Q von Wärmetauschern sind (vgl. VDI- Wärmeatlas): Wärmetauscher aus Kunststoff – Ein Schritt in die Zukunft Kunststoffwärmetauscher besitzen eine sehr schlechte Wärmeleitfähigkeit und sind nach landläufiger Meinung deshalb viel ineffizienter als ihre „Artgenossen“ aus Metall. Dieser Mythos wird im Folgenden durch eine genauere Betrachtung der physi- kalischen Formeln wiederlegt. Außerdem wird dargestellt wie mit Hilfe der numerischen Strömungssimulation (CFD) höchst effiziente Kunststoffwärmetauscher entwickelt werden können, die den Nachteil gegenüber Metallen mehr als ausgleichen. Fläche ist nicht gleich Fläche – Der erste Trugschluss ist, dass beim Wärmetausch nicht die nominelle Fläche wirkt son- dern nur eine effektive, nämlich diejenige, die tatsächlich wirk- sam überströmt wird. Dass die- se beiden Flächen höchst un- terschiedlich sein können lässt sich schon bei den gängigsten Tauscherformen, den Platten- tauschern und den Röhrentau- schern zeigen. Bei Plattentau- schern (Abb. 1, links) bildet sich schon nach kurzer Distanz eine Grenzschicht an den Trenn- wänden aus, die einen effizi- enten Wärmetransfer verhin- dert. Bei Röhrentauschern (Abb. 2, rechts) zeigt sich hingegen, dass nur Teilbereiche der Ober- fläche zum Wärmeübergang beitragen. Das heißt, in beiden Fällen ist nur ein Teil der realen Fläche wirksam. Der Mythos der Wärmeleitfähig- keit – noch gravierender ist der Einfluss des Faktors k. Nur dort kommt die Wärmeleitfähig- keit λ vor, zusammen mit der Wandstärke d und den beiden Wärmeübergangskoeffizienten a 1 und a 2 . Eine einfache Rech- nung mit mittleren Werten für diese Parameter (a 1,2 = 20, d = 0.5 mm, λ = 20 W/mK) zeigt, dass der Term der die Wärme- leitfähigkeit enthält, mindes- tens eine Größenordnung klei- ner ist als die Teile mit den Wär- meübergangskoeffizienten, welche somit den Nenner domi- nieren und den Wert für k maß- geblich bestimmen. Unabhän- gig davon, ob λ nun den Wert 200 W/mK (Metalle) oder nur 0.2 W/mK (Kunststoffe) hat. Der entscheidende Punkt – ist also nicht die Wärmeleitfähig- keit, sondern der Einfluss der Wärmeübergänge, also wie schnell die Wärme von der war- men Seite in die Trennwand und auf der kalten Seite wie- der aus der Trennwand heraus transportiert werden kann. Die- ser Prozess hängt aber allein von den Details der Strömung auf beiden Seiten ab, welche – on top – zudem auch die effekti- ve Fläche bestimmen. Die Strö- mung ist entscheidend. Und die Details der Strömung hängen maßgeblich von der Geometrie der Oberfläche ab. Hier schlägt die Stunde der Kunststoffe. Mit Kunststoffen lassen sich beliebige Formen von Oberflächen herstellen, ins- besondere solche, welche strö- mungstechnisch optimiert, ma- ximale Wärmeübergänge er- möglichen. Solche Geomet- rien lassen sich mit Metallen i. A. nur mit hohem Aufwand oder gar nicht realisieren. Ent- wickeln und optimieren lassen sich solche Oberflächen mittels Strömungssimulation (CFD), da der Verlauf der Strömung bis ins kleinste Detail sichtbar und bekannt sein muss. Solche Er- kenntnisse können nicht mit experimentellen Methoden be- stimmt werden. Hier liefert eine CFD-Strömungsanalyse ent- scheidende Vorteile: Unter Ein- bezug aller physikalischer Ge- gebenheiten und relevanter Pa- rameter zeigt sie Strömungs- effekte im Detail, d. h. Wirbel- bildung, Totzonen und ggf. die Ausbildung von Grenzschich- ten. Die Beispiele in Abb. 2 und 3 zeigen eindringlich, wie dra- Die Leistung ist abhängig von der überströmten Fläche, der Tempera- turdifferenz und einem Faktor k. Abb. 1: Wärmeübergang an Platten (links)- und Röhrentauschern (rechts)

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Beliebig formbar, flexibel an-passbar, leicht, korrosions- und chemikalienfest, kostengüns-tig. Diese Eigenschaften von Kunststoffen machen sie ge-radezu prädestiniert als Basis-material zur Herstellung von Wärmetauschern, insbeson-dere dann, wenn ihre Form mittels Strömungssimulation (CFD) entsprechend optimiert ist. Wenn dem so ist, warum werden Wärmetauscher dann immer noch fast ausschließlich aus Metallen hergestellt?

Der Grund, der immer ange-führt wird, ist die schlechte Wär-meleitfähigkeit von Kunststof-fen. Diese ist in der Tat in der Regel um einen Faktor Tausend schlechter als die von gängigen metallenen Wärmetauscherma-terialien wie Kupfer oder Alu-minium. Geht man davon aus, dass eine hohe Wärmeleitfähig-keit des Materials und eine gro-ße Tauscherfläche einen effizi-enten Wärmetauscher ausma-chen, so spricht dies tatsäch-lich für den Einsatz von Metal-len. Dass dem aber nicht so ist und die Wärmeleitfähigkeit nur eine untergeordnete Rolle spielt, lässt sich durch eine nähere Be-trachtung der einfachen physi-kalischen Zusammenhänge bei der Auslegung von Wärmetau-schern zeigen. Die beiden grund-legenden Formeln für die Leis-tung Q von Wärmetauschern sind (vgl. VDI- Wärmeatlas):

Wärmetauscher aus Kunststoff – Ein Schritt in die ZukunftKunststoffwärmetauscher besitzen eine sehr schlechte Wärmeleitfähigkeit und sind nach landläufiger Meinung deshalb viel ineffizienter als ihre „Artgenossen“ aus Metall. Dieser Mythos wird im Folgenden durch eine genauere Betrachtung der physi-kalischen Formeln wiederlegt. Außerdem wird dargestellt wie mit Hilfe der numerischen Strömungssimulation (CFD) höchst effiziente Kunststoffwärmetauscher entwickelt werden können, die den Nachteil gegenüber Metallen mehr als ausgleichen.

Fläche ist nicht gleich Fläche – Der erste Trugschluss ist, dass beim Wärmetausch nicht die nominelle Fläche wirkt son-dern nur eine effektive, nämlich diejenige, die tatsächlich wirk-sam überströmt wird. Dass die-se beiden Flächen höchst un-terschiedlich sein können lässt sich schon bei den gängigsten Tauscherformen, den Platten-tauschern und den Röhrentau-schern zeigen. Bei Plattentau-schern (Abb. 1, links) bildet sich schon nach kurzer Distanz eine Grenzschicht an den Trenn-wänden aus, die einen effizi-enten Wärmetransfer verhin-dert. Bei Röhrentauschern (Abb. 2, rechts) zeigt sich hingegen, dass nur Teilbereiche der Ober-fläche zum Wärmeübergang beitragen. Das heißt, in beiden Fällen ist nur ein Teil der realen Fläche wirksam.

Der Mythos der Wärmeleitfähig-keit – noch gravierender ist der

Einfluss des Faktors k. Nur dort kommt die Wärmeleitfähig-keit λ vor, zusammen mit der Wandstärke d und den beiden Wärmeübergangskoeffizienten a1 und a2. Eine einfache Rech-nung mit mittleren Werten für diese Parameter (a1,2 = 20, d = 0.5 mm, λ = 20 W/mK) zeigt, dass der Term der die Wärme-leitfähigkeit enthält, mindes-tens eine Größenordnung klei-ner ist als die Teile mit den Wär-meübergangskoeffizienten, welche somit den Nenner domi-nieren und den Wert für k maß-geblich bestimmen. Unabhän-gig davon, ob λ nun den Wert 200 W/mK (Metalle) oder nur 0.2 W/mK (Kunststoffe) hat.

Der entscheidende Punkt – ist also nicht die Wärmeleitfähig-keit, sondern der Einfluss der Wärmeübergänge, also wie

schnell die Wärme von der war-men Seite in die Trennwand und auf der kalten Seite wie-der aus der Trennwand heraus transportiert werden kann. Die-ser Prozess hängt aber allein von den Details der Strömung auf beiden Seiten ab, welche – on top – zudem auch die effekti-ve Fläche bestimmen. Die Strö-

mung ist entscheidend. Und die Details der Strömung hängen maßgeblich von der Geometrie der Oberfläche ab.

Hier schlägt die Stunde der Kunststoffe. Mit Kunststoffen lassen sich beliebige Formen von Oberflächen herstellen, ins-besondere solche, welche strö-mungstechnisch optimiert, ma-ximale Wärmeübergänge er-möglichen. Solche Geomet-rien lassen sich mit Metallen i. A. nur mit hohem Aufwand oder gar nicht realisieren. Ent-wickeln und optimieren lassen sich solche Oberflächen mittels Strömungssimulation (CFD), da der Verlauf der Strömung bis ins kleinste Detail sichtbar und bekannt sein muss. Solche Er-kenntnisse können nicht mit experimentellen Methoden be-stimmt werden. Hier liefert eine

CFD-Strömungsanalyse ent-scheidende Vorteile: Unter Ein-bezug aller physikalischer Ge-gebenheiten und relevanter Pa-rameter zeigt sie Strömungs-effekte im Detail, d. h. Wirbel-bildung, Totzonen und ggf. die Ausbildung von Grenzschich-ten. Die Beispiele in Abb. 2 und 3 zeigen eindringlich, wie dra-

Die Leistung ist abhängig von der überströmten Fläche, der Tempera-turdifferenz und einem Faktor k.

Abb. 1: Wärmeübergang an Platten (links)- und Röhrentauschern (rechts)

Page 2: Wärmetauscher aus Kunststoff – Ein Schritt in die …cfd-fem.com/tl_files/HTCO/user_upload/content/...terialien wie Kupfer oder Alu-minium. Geht man davon aus, dass eine hohe Wärmeleitfähig-keit

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Und es gibt noch einen weite-ren Unterschied, der in der Zu-kunft eine große Rolle spie-len kann: Wärmetauscher aus Kunststoff können direkt in an-dere Bauteile integriert werden, wodurch Bauteile und Gewicht eingespart werden, Halterungs- und Vibrationsproblematiken verschwinden und die Gesamt-funktionalität deutlich erhöht werden kann. Ein Beispiel dafür ist ein direkt in den Stoßfänger eines Autos eingespritzter Küh-ler. Ideen in dieser Hinsicht sind kaum Grenzen gesetzt.

Beliebig formbar, leicht, kor-rosions- und chemikalienfest, kostengünstig, integrierbar: strömungsoptimierte Wärme-tauscher aus Kunststoff sind ein Schritt in die Zukunft.

Dr. Axel Müllerwww.htco.de

dukte bzw. Anlagen zu entwi-ckeln. Aber nicht nur das: durch die Verwendung von Kunststoff kann auch der Beitrag der drit-ten Dimension eines Tauschers zum Wärmeübergang erschlos-sen werden, was mit Metal-len auf Grund der komplizier-ten Verbindungstechnik (Löten, Schweißen etc.) fast nicht mög-lich ist (Abb. 4).

stoffoberflächen sind beliebig formbar und können somit per-fekt an die idealen Strömungs-verhältnisse angepasst werden.

Kunststoff ist dadurch das op-timale Material für effiziente Wärmetauscher, die nicht nur in Bereichen eingesetzt wer-den können in denen Chemi-kalienbeständigkeit gefordert wird sondern auch in vielen In-dustriezweigen in denen der Trend zur Miniaturisierung vo-ranschreitet und das Ziel be-steht immer kleinere, leichte-re und dabei effizientere Pro-

matisch der Einfluss der Geo-metrie und der Strömung auf die Leistung eines Wärmetau-schers ist.

D. h. bei gleichem Bauraum lässt sich eine Leistungssteige-rung von ca. 80% gegenüber ei-nem herkömmlichen Platten-wärmetauscher (Form 1) erzie-len.

Mittels Strömungssimulati-on können daher Oberflächen-formen entwickelt werden, die einen maximalen Wärme-übergang ermöglichen. Kunst-

Abb. 2: Unterschiedliche Tauscherformen bei gleichem Bauraum

Abb. 3: Leistungsvergleich der verschiedenen Tauscherformen von Abb. 2

Abb. 4: Wärmetauscher mit dreidimensionaler Strömungsbeeinflussung