Wärmeverlust und Kälteschutz beim Tauchen...

63
Wärmeverlust und Kälteschutz beim Tauchen Dichtung und Wahrheit

Transcript of Wärmeverlust und Kälteschutz beim Tauchen...

Wärmeverlust und Kälteschutz beim Tauchen

Dichtungund

Wahrheit

Dr. Dietmar Berndt (Physiker) Taucher seit 1968/69 Öffentlich bestellt und vereidigt als Sachverständiger für „Tauchausrüstungen – Unfallursachenermittlung / Technikbewertung“ Mitglied diverser DIN/CEN-Normenausschüsse Consultant Kälteschutz - externe Labordienstleistungen zur

thermischen Leistungsfähigkeitsmessung von Tauch- und Überlebensanzügen für benannte Stellen (TÜV, BG, FTL (GB), ...)

Wesen von Temperatur und Wärme

Temperatur ist Ausdruck der Energieform „Wärme“

Temperatur beschreibt die „Heftigkeit“ der Molekülbewegung ineinem Stoff, also die kinetische Energie , die den Molekülen innewohnt

Transportrichtung

TemperaturmessungHeiß

Temperaturskalen

Celsius [° C]Fahrenheit [° F] Kelvin [K]

0 K

100

200

300

400+100

-200

0° C

-100

273Erstarrungs-

punkt vonWasser

Teilung linear

32° F

212° F

-459,7° F

+200+100 0° F-100-200-300-400

Teilung nicht linear

-273° C

Teilung linear

Siedepunktvon Wasser

Absoluter Nullpunkt

Rechnen nur mit absoluter Temperatur!

?20 °C 60 °C

100 % 300 %

293 K 333 K!100 % 113,7 %

Wärmetransportmechanismen

Konduktion Konvektion Strahlung

Abtransportdurch direkte

Berührung

Abtransportdurch Strömung

Abtransport durchelektromagnetische

IR-Strahlung

Wärmeverlustmechanismenan Luft und im Wasser

An Luft Im Wasser

%

%

%

und Leitung

Was ist die Besonderheit beim Tauchen?

Wasser leitet Wärme also ca. 23 x besser als Luft

Entscheidend ist die Wärmeleitfähigkeit des umge-benden Mediums

• Die Wärmeleitfähigkeit von Luft ist 0,026 W/mK

• Die Wärmeleitfähigkeit von Wasser ist 0,598 W/mK

Der Körper kühlt also im Wasser um ein Vielfaches schneller aus, als an Luft!

Wärmeverlust nackt im Wasser

Golden, 1974

20 40 60 80 100 120 t [min]

Rekt

alte

mpe

ratu

r

34

35

36

37

T [°

C]

F. Golden: Shipwreck and survival - J R Nav Med Serv. 1974 Spring-Summer;60(1-2):8-14.

Wärmeverlust durch Konduktion ...

abhängig von:

– Wassertemperatur– Dauer der Exposi- tion– Körpermasse– Körperoberfläche

Wärmeproduktion <-> Wärmeverlust

F. Golden: Shipwreck and survival - J R Nav Med Serv. 1974 Spring-Summer;60(1-2):8-14.J. S. Hayward et al.- Thermal Balance an Survival Time Prediction of Man in Cold Water, CJP & P, Vol. 53, 1975

Konstitutionsabhängig 90 - 120 min überlebbar

UnterkühlungBereits bei milder Hypothermie (36°C - 34°C Kerntemperatur) können sich• psychische Erregungszustände,• vertiefte Atmung, Erhöhung der Pulsfrequenz,• Muskelzittern, Bewegungsdrang,• Vasokonstriktion,• und lokal Schmerzeneinstellen.

Gefahren für den Taucher:• Unkonzentriertheit, • unkontrollierte Reaktionen,• erhöhter Luftverbrauch, erhöhte Muskelarbeit, Steigerung und

Veränderung des Stoffwechsels,• und in der Folge durch erhöhte Bewegungsaktivität gesteigerte

Wärmeabfuhr

Beginnender Teufelskreis!!!

Kälteschutz im Wasser

Der Tauchanzug:Eine thermisch isolierende Schicht zwischen der Körperoberfläche und dem umgebenden Wasser

Das ist eine Jahrzehnte bewährte Technik, die wir bisher nicht im Detail kannten und erst langsam zu verstehen beginnen

Also:

TestmethodenRektaltemperaturmessung, Hauttemperaturmessung,Thermographie ...

Methode der Wahl: Direkte KalorimetrieKompliziert - zeitlich / örtlich punktuell - indirekt - personalisiert - relativ

Das Kalorimeter

Zulauf

Ablauf

Dru

ckb

erei

ch 6

bar

max

, 4 °C

Normaldruckbereich, ca. 30 °C - frei wählbar°

TemperaturfühlerDruckbereich

TemperaturfühlerNormaldruckbereichQuirlHeizer

Neopren-prüfling

Wth = Wel

Team Neotherm (Tauchen & Technik - W. Scheyer - Ing.-Büro dr. berndt)

Dickenänderung absolut mit Tiefe

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

0 10 20 30 40 50 60 70

Tiefe [m]

Dic

ke [

mm

]

Probe 1 Probe 2 Probe 3

Dickenverlust auf Tiefe

Wärmedurchgangskoeffizient k von Neopreneproben

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0 10 20 30 40 50

Tiefe [m]

rmed

urc

hg

an

gsk

oe

ffiz

ien

t k [

W/m

²K]

Probe 1 Probe 2 Probe 3

Wärmeleitfähigkeitvon Neopreneproben

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0 10 20 30 40 50

Tiefe [m]

Wär

mel

eitf

ähig

keit

[W

/mK

]

Probe 1 Probe 2 Probe 3

Tiefe [m] T [K] P [W]

0 29,92 17,70

10 29,53 30,5020 29,73 45,60

30 29,40 56,6040 29,25 65,0050 29,14 72,50

Tiefe [m] Probe 1 Probe 20 9,9210 20,9320 33,5430 43,3140 50,7550 57,40

Werte errechnet

Hier Werte eingeben

Probe 1

k [W/m²K]

Tiefe [m] T [K] P [W]

0 29,92 17,70

10 29,53 30,5020 29,73 45,60

30 29,40 56,6040 29,25 65,0050 29,14 72,50

Tiefe [m] Probe 1 Probe 20 9,9210 20,9320 33,5430 43,3140 50,7550 57,40

Werte errechnet

Hier Werte eingeben

Probe 1

k [W/m²K]

Wärmeverlust auf Tiefe

Da sammeln sich ErkenntnisseN. N.

Vergleichsfeld Wärmeverlust

+ ~ 43 %

Nun wollen wir rechnen...

Q = k x A x t x T

1/k = 1/1 + 1/2 + ... + l1/1 + l2/ 2 + ...A [m²] = 0,202 x G0,425 [kg] x H0,725 [m]

Q [kJ] = c [kJ/kgK] x [kg/dm³] x A [dm²] x d [dm] T [K]

P [W] = A [m

²] * *

[W/m

²K4 ] * (

T K4 - T W

4 ) [K4 ]

Q = f (A, i, , T, l, t)Q = f (A, , T, l, t)

Bedingungen der Wärmeleitung

Q = f (A, i, i, T, l, t)

Q = k x A x t x T

Beiträge zur Wärmebilanz

Körperoberfläche:Leitungseffekte (Konduktion)Strömungseffekte (Konvektion)Strahlungseffekte (Radiation)Verdunstungseffekte (Evaporation - Verdunstungskälte)

Atmung:Atemluftbefeuchtung (Verdampfungswärme)Atemlufterwärmung (Konduktion)

SonstigeWasserschichterwärmung im NasstauchanzugAusscheidungen

Körperinneres:Wärmeproduktion

Wärmeverlust im Nasstauchanzug

Wärmeleitung

Erwärmung der umgebenden Wasserschicht

1.) Verluste über die Körperoberfläche

Wärmestrahlung

Wärmeleitung

T1

T2

Hauttemperatur im Tauchanzug

hier ca. 25°C

Wärmeverlust durch den Anzug

Körpermaße und -gewichte

Wesentlich für den Wärmestrom ist die Austauschfläche,beim Taucher also die Körperoberfläche.

*) Nach DIN EN ISO 8996: Ergonomie der thermischen Umgebung - Bestimmung des körpereigenen Energieumsatzes

A [m²] = 0,202 x G0,425 [kg] x H0,725 [m]

Empirische Bestimmung*):

Modellperson69 kg Körpermasse; 1,73 m Körpergröße

A = 1,82 m²

Wärmeleitung

Annahmen:• Dicke des Nasstauchanzuges: z. B. 7 mm• Wassertemperatur: 5 °C• Tauchgangstiefe: 1.) 0 m und 2.) 30 m• Tauchgangsdauer: 20 min• Tauchprofil: Rechteck• Taucher: Modellperson

Mustertauchgang

Wasserschichterwärmung

Wasserschichterwärmung

Annahme:Dicke der Wasserschicht im Tauchanzug = 0,5 mm

Wärmeenergie zum Erwärmen von 5 25 °C:Q [kJ] = c [kJ/kgK] x [kg/dm³] x A [dm²] x d [dm] x T [K]

Q = 76 kJ

Wärmekapazität von Wasser

Dichte des Wassers

Oberfläche des Tauchers

Neoprendicke

Temp.-Differenz Haut - Wasserschicht

Wärmeleitung über Körperoberfläche

Wärmeverlust durch Tauchanzug:Q [kJ] = [W/mK] / l [m] x A [m²] x t [s] x T [K]

Wärmeleitfähigkeit des Neoprensauf 0 m bzw. 30 m

Neoprendicke

Oberfläche des Tauchers

Tauchgangsdauer

Temp.-Differenz NTA Innen- zu Außenseite

Qkond (0 m) = 171,8 kJ

Qkond (30 m) = 344,7 kJ

Wärmeverlust im Nasstauchanzug

Erwärmung der Atemluft

2.) Verluste über die Atmung

Befeuchtung der Atemluft

Erwärmung und Befeuchtung der Atemluft

Erwärmung der Atemluft

ISO/TS 16976-1: Atemschutzgeräte - Physiologische Faktoren desMenschen – Teil 1: Arbeitsleistung und Atemminutenvolumina

Tauchen & Technik, Stadtoldendorf

Erwärmung der AtemluftQ [kJ] = cp [kJ/kgK] * NN [kg/m³] * pTiefe [bar] / pNN [bar] * VLuft [m³] * T [K]

Spez. Wärmekapazität (p = const.)

Luftdruck auf NN

Temperaturdifferenz vor und nach Erwärmung

Luftdichte auf NN Luftvolumen

Umgebungsdruck in Tauchtiefe

QLufterw. (0 m) = 28,6 kJ

QLufterw. (30 m) = 114,3 kJ

Befeuchtung der Atemluft

Q [kJ] = r [kJ/kg] * Fmax (35°C) * 10-3 [mg/m³] * Frel [%] * VLuft [m³]

Spez. Verdampfungswärme Relative Feuchte der Ausatemluft

LuftvolumenMax. Absolute Feuchte bei T

QLuftbef. (0; 30 m) = 54,8 kJ

Wärmeverlust über den Kopf

Wärmeverlust über den Kopf

Vorgetragen auf HallMed 2006: Dr. Tim Piepho – Kältewirkung beim Tauchen aus medizinischer Sicht

Ausgangs-temperatur

Kopf über Wasser

Kopf im Wasser

zusätzlicher Temperatur-abfall

Mit Kälte-schutz 33,6°C 30,9°C 29,3°C 1,6 °C

Ohne Kälte-schutz 31,1°C 19,4°C 18,5°C 0,9 °C

Wärmeverlust über den Kopf• Kopf ca. 7% der Körperoberfläche• geringere Vasokonstriktion

Der Wärmeverlust über den Kopf entspricht im

wesentlichen seinem Anteil an der

Körperoberfläche

Dichtung und Wahrheit

Wärmende Metallbeschichtungen

Aus: Internet-Auftritt eines Tauchanzugherstellers

Aus einem Gleitmittel machte ein Marketinggenie ...

Wärmedurchgangskoeffizient k von Neopreneproben

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0 10 20 30 40 50

Tiefe [m]

rme

du

rch

ga

ng

sk

oe

ffiz

ien

t k

[W

/m²K

]

Probe 1 Probe 2 Probe 3

Wärmedurchgangskoeffizient k von Neopreneproben

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0 10 20 30 40 50

Tiefe [m]

rme

du

rch

ga

ng

sk

oe

ffiz

ien

t k

[W

/m²K

]

Probe 1 Probe 2 Probe 3

Wärmende Metallbeschichtungen also?

?

ca. 25°C

Zur Erinnerung...

Wärmestrahlung über Körperoberfläche

T = 0,5 K

P [W] = A [m²] * * [W/m²K4] * (TH4 - TTA

4) [K4]

Oberfläche des Tauchers

Hauttemperatur

Temp. NTA Innenseite

Emissionsgrad < 1

Strahlungskonstante 5,67 * 10-8

Qrad = 5,35 kJ

Kältestrahlung???

Wärmeleitfähigkeit vonTitan ist mit 22 W/mK850 x höher als jene

von Luft mit 0,026 W/mK

Aber bis heute nicht auszurotten ...... und es gehtnoch toller:

Aus: Web-Site Fa. Swissub, CH

Wärmerückstrahlung also ...?

……

… e i n h i t e c h M a t e r i a l , d a s d i e K ö r p e r w ä r m e r e f l e k t i e r t …… e i n h i t e c h M a t e r i a l , d a s d i e K ö r p e r w ä r m e r e f l e k t i e r t …

Grundumsatz des Models: 142 kJ

Kälteschutzklassen

ThermischeLeistungsklasse

Wassertemperaturbereichefür den Einsatz in °C

A 7 - 12 °C

B 10 - 18 °C

C 16 - 24 °C

D 22 - 30 °C

Materialklassen für thermische Leistung entsprechend ihrem Wärmedurchgangswiderstand bei 1 bar und 6 bar im einge-tauchten Zustand gemäß DIN EN 14225 - 1

Zunehmender Kälteschutz

In wärmerem Wasser tauchen Für bessere Isolation sorgen

Wie kann ich mich noch wärmer halten?

Was tun?

Argon leitet Wärme also ca. 33 % schlechter als Luft

Füllgaswahl im TTA

• Die Wärmeleitfähigkeit von Luft ist 0,026 W/mK

• Die Wärmeleitfähigkeit von Ar ist 0,0173 W/mK

• Die Wärmeleitfähigkeit von CO2 ist 0,016 W/mK

aber...?

Wärmeisolation durch AnzugfüllgaseDie Studie

Wärmeisolation von AnzugfüllgasenDie Aussage

Setup-Fehler im Experiment

Wärmeisolation durch AnzugfüllgaseLabortest

Bei 27 °C Fr [100 %] = 25,75 26 g/m³ˆ

Nur Laborwerte?Einfluss der Luftfeuchte durch Schweiß

1 m³26 cm³

• Die Wärmeleitfähigkeit von Ar ist 0,0173 W/mK

• Die Wärmeleitfähigkeit von Wasser ist 0,598 W/mK

H = 1 cmA = 26 cm²

D = V/1m² = 26 x 10-6 m³ / 1 m² = 0,000026 m

Wärmeisolation von AnzugfüllgasenEine Frage der Größenordnung

k = 0,0173 0,01730044

Optimaler Kälteschutz

Annahme:• 4 mm Gaspolster

- ansonsten Parameter unverändert

Trilaminat-TTA+

Ar-Füllung des TTA+

Rebreather

Für alle Tiefen (KVA!) gilt: Qkond = 141 kJ

Ungeschützt

7 mm NTA – 30 m

OptimalerKälteschutz

7 mm NTA – 0 m

Wärmeverluste im direkten Vergleich20 min in 5 °C warmem Wasser

Aus: VDI EKV Jahrbuch 93

Besten Dank für die Aufmerksamkeit ...