WS Skript 181007

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Scriptum zur Vorlesung ´Wärme- und Stoffübertragung´ (bisher ´Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung) von Prof. em. Dr. Martin Fiebig überarbeitete Auflage Prof. Dr.-Ing. E. Weidner Prof. Dr.-Ing. W. Leiner Das Scriptum ist zum Gebrauch neben der Vorlesung bestimmt. Es erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Oktober 2004

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Scriptum zur Vorlesung

´Wärme- und Stoffübertragung´

(bisher ´Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung)

von Prof. em. Dr. Martin Fiebig

überarbeitete Auflage

Prof. Dr.-Ing. E. Weidner Prof. Dr.-Ing. W. Leiner

Das Scriptum ist zum Gebrauch neben der Vorlesung bestimmt. Es erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Oktober 2004

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Inhaltsverzeichnis 0 Verwendete Formelzeichen

1 Einführung

1.1 Was versteht man unter Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung

und wie erfolgt IWS ? 1

1.2 Grundlagen der IWS 8

1.3 Transportgleichungen 10

1.3.1 Reibungsspannung τ 10

1.3.2 Wärmestromdichte qr& 12

1.3.2.1 Wärmeleitung 13

1.3.2.2 Konvektive Wärmeübertragung 17

1.3.2.3 Strahlung 19

1.3.3 Stoffstromdichte rel,Anr& 23

1.3.3.1 (Konzentrations-) Diffusion 23

1.3.3.2 Konvektive Stoffübertragung 28

1.4 Methodisches Vorgehen bei der Lösung von Aufgaben 30

2 Wärmeleitung

2.1 Differentialgleichungen für das Temperaturfeld und

Randbedingungen 33

2.1.1 Energiebilanz für ein ruhendes Medium 33

2.1.2 Zustandsgleichungen 37

2.1.3 Fouriersches Gesetz 37

2.1.4 Wärmeleitungsgleichung 38

2.1.5 Anfangs- und Randbedingungen 39

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2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 44

2.2.1 Eindimensionale Wärmeleitung T(r) ohne

Wärmequellen (q& v = 0) 44

2.2.2 Wärmedurchgang und mehrschichtige Strukturen,

thermischer Schaltkreis 48

2.2.3 Kontaktwiderstand 56

2.2.4 Systeme mit Wärmequellen vq& ≠ 0

(innere Energiezufuhr), eindimensional 57

2.2.5 Rippen 62

2.2.5.1 Wärmeleitungsgleichung und Randbedingungen 63

2.2.5.2 Rippen konstanten Querschnittes, Aq = konst. 66

2.2.5.3 Oberflächenwirkungsgrad und thermischer

Widerstand berippter Oberflächen 67

2.2.5.4 Wirtschaftlichkeit 68

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 70

2.3.1 Plötzliches Kühlen oder Erwärmen (ρ, λ, c = konst.:

konstante Stoffwerte) 72

2.3.2 Nusseltzahl 79

2.3.3 Näherungslösungen 80

2.3.3.1 Grenzfälle Bi << 1 und Bi >> 1 80

2.3.3.2 Beliebige Biotzahlen 82

2.3.4 Bewegte Festkörper 86

3 Diffusion

3.1 Definitionen und Begriffe 90

3.1.1 Konzentrationsmaße 90

3.1.2 Geschwindigkeiten 92

3.1.3 Massen- und Stoffstromdichten 93

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3.1.4 Ideale Gase, ideale Flüssigkeiten

und ideale Mischungen 95

3.2 Fick´sches Gesetz (binäre Diffusion; Gemisch A, B) 98

3.3 Differentialgleichung für die Partialdichte bzw. Konzentration 102

3.4 Anfangs- und Randbedingungen 104

3.4.1 Gleichgewichtsbedingungen an Phasengrenzen 105

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 109

3.5.1 Konstanter Stoffstrom 109

3.5.2 Äquimolare Diffusion 110

3.5.3 Einseitige Diffusion in eine unbewegte Fluidschicht 114

3.5.4 Diffusion bei katalytischer Oberflächenreaktion in einem

ruhenden Medium (heterogene Reaktion) 118

3.5.5 Diffusion mit chemischer Reaktion in einer Schicht 124

3.6 Instationärer Stofftransport 126

3.7 Zusammenfassung 135

4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen,

Kennzahlen und Ähnlichkeit 137

4.1.1 Differentialgleichungen 137

4.1.2 Anfangs- (AB) und Randbedingungen (RB) 143

4.1.3 Kennzahlen und Ähnlichkeit 147

4.1.3.1 Erzwungene Konvektion 147

4.1.3.2 Freie Konvektion 154

4.1.3.3 Ähnlichkeit 157

4.1.3.4 Turbulenz 163

4.2 Außenströmungen 171

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4.2.1 Das Grenzschichtkonzept für erzwungene Konvektion,

große Reynoldszahlen (Prandtl 1904) 171

4.2.1.1 Abschätzung der Grenzschichtdicken

bei laminarer Strömung 172

4.2.2 Die ebene Platte bei erzwungener Strömung 178

4.2.2.1 Laminare Strömung 178

4.2.2.2 Turbulente Strömung 179

4.2.3 Verschiedene Einzelkörper bei erzwungener Strömung 184

4.2.3.1 Widerstand von Kugeln und Zylindern 184

4.2.3.2 Wärme- und Stoffübertragung an Kugeln und

Zylindern 186

4.2.3.3 Einfluss des Turbulenzgrades der Anströmung 188

4.2.4 Verschiedene Einzelkörper bei freier Strömung 191

4.2.5 Überlagerung von erzwungener und freier Strömung 192

4.2.6 Zusammenfassung der Wärme- und

Stoffübertragung an Körpern bei freier und

erzwungener Konvektion 193

4.3 Innenströmungen 195

4.3.1 Laminare Kanalströmungen 195

4.3.1.1 Geschwindigkeitsfeld und Druckabfall im

zylindrischen Rohr 195

4.3.1.2 Temperaturfeld und Wärmeübergang 201

4.3.2 Turbulente Kanalströmungen 209

4.3.2.1 Vollentwickelte turbulente Rohrströmung 211

4.3.2.2 Nusselt-Zahl im Übergangsbereich zwischen

laminarer und voll ausgebildeter turbulenter

Strömung bei 2300 < Re < 104 212

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4.3.2.3 Zusammenhang zwischen Wärmeübergang,

Wandschubspannung und

Druckverlust (Prandtl) 214

4.4 Einheitliche Darstellung der Wärmeübertragung an

durchströmten Kanälen bei laminarer und turbulenter

Strömung (Schlünder) 218

5 Kondensation und Verdampfung

5.1 Kondensation 228

5.1.1 Film- und Tropfenkondensation 228

5.1.2 Filmkondensation reiner, ruhender Dämpfe 229

5.1.2.1 Nusseltsche Wasserhauttheorie (Laminare

Filmkondensation an der senkrechten Wand) 229

5.1.2.2 Neigungswinkel einer Platte γ gegen die

Senkrechte, αγ 237

5.1.2.3 Waagerechtes Rohr (nach Nusselt) 238

5.1.2.4 Kugeln 238

5.1.2.5 Welliger Film 238

5.1.2.6 Turbulente Filmkondensation 242

5.1.3 Kondensation strömender, reiner Dämpfe 243

5.1.3.1 An Wänden und Rohren 243

5.1.3.2 In Rohren 245

5.1.4 Kondensation von Dampf mit Inertgasanteil 247

5.1.4.1 Einfluss nichtkondensierender Anteile

(inerter Gase) bei der Kondensation ruhender

Dämpfe 247

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5.1.4.2 Einfluss nichtkondensierender Anteile

(inerter Gase) bei der Kondensation

strömender Dämpfe 254

5.1.5 Kondensation von Dampfgemischen 255

5.1.5.1 Die Temperatur an der Phasengrenze 261

5.1.5.2 Die Mengen- und die Energiebilanz

des Dampfes 266

5.1.5.3 Die Berechnung der Fläche eines

Kondensators 268

5.2 Verdampfung (Sieden) 270

5.2.1 Arten der Verdampfung 271

5.2.2 Verdampfung von ruhenden, reinen Flüssigkeiten

(Behältersieden) 271

5.2.2.1 Arten des Behältersiedens 271

5.2.2.2 Siedekennlinie 274

5.2.2.3 Wärmeübergangskorrelationen 275

5.2.2.4 Stabilität beim Behältersieden und stabile

Betriebspunkte 280

5.2.3 Verdampfung strömender, reiner Flüssigkeiten 286

5.2.3.1 Überströmte Platten 286

5.2.3.2 Durchströmte Rohre 286

6 Wärmestrahlung

6.1 Grundsätzliches 293

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grund-begriffe 298

6.2.1 Koordinatensystem und Abhängigkeiten 298

6.2.2 Gerichtete, spektrale Strahlungsintensität 'Iλ 300

6.2.3 Gerichtete, spektrale Emission 'Eλ 305

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6.2.4 Emissionsverhältnis 'λε 309

6.2.5 Plancksches Strahlungsgesetz des

schwarzen Körpers 311

6.2.6 Bandenstrahlung 313

6.2.7 Wiensches Verschiebungsgesetz 315

6.2.8 Stefan - Boltzmann Gesetz 316

6.2.9 Kirchhoffsches Gesetz (1878) 321

6.2.10 Emission realer Körper 323

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 328

6.3.1 Einstrahlzahlen (Sichtfaktoren, Formfaktoren) 328

6.3.2 Strahlungsaustausch zwischen schwarzen Körpern 331

6.3.3 Strahlungsaustausch zwischen grauen Körpern

nach der Netto-Strahlungsmethode 333

6.3.3.1 Strahlungsaustausch zwischen grauen

Körpern nach der Netto-Strahlungsmethode 335

6.4 Gasstrahlung 347

6.4.1 Volumetrische Absorption 348

6.4.2 Emission und Absorption 349

6.4.3 Berechnung der Emissionsgrade durch die

Verwendung gleichwertiger Schichtdicken 355

6.4.4 Strahlungsaustausch in einem gasgefüllten

Hohlraum mit grauen isothermen Wänden 355

Literaturüberblick Anhang

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Verzeichnis der Beispiele Beispiel 1.1: Wärmeleitung 15 Beispiel 1.2: Strahlung 21 Beispiel 1.3: Diffusion 26 Beispiel 2.1: Temperaturfeld und Randbedingungen 34 Beispiel 2.2: Temperaturfeld und Randbedingungen 41 Beispiel 2.3: Isolationsdicke 52 Beispiel 2.4: Wärmeleitung am Rohr 60 Beispiel 2.5: Instationäre Wärmeleitung 77 Beispiel 2.6: Instationäre Wärmeleitung 84 Beispiel 3.1: Stoffstromdichte, Relativ- und Absolutgeschw. bei Diffusion 96 Beispiel 3.2: Äquimolare Diffusion 110 Beispiel 3.3: Einseitige Diffusion in unbewegter Fluidschicht 114 Beispiel 3.4: Diffusion(katalyt. Oberflächen, ruhendes Medium) 118 Beispiel 3.5: Diffusion(katalyt. Oberflächen, strömendes Medium) 121 Beispiel 3.6: Diffusion mit chem. Reaktion 124 Beispiel 3.7: Befeuchtung von Luftblasen 130 Beispiel 4.1: Dissipation und Temperaturvert. im Gleitlager 144 Beispiel 4.2: Konvektion an Turbinenschaufel 152 Beispiel 4.3: Verdunstungskühlung 160 Beispiel 4.4: Nusseltzahlbestimmung bei Außenströmung 189 Beispiel 5.1: Kondensation, Nusseltsche Wasserhauttheorie 235 Beispiel 5.2: Kondensationsrate 239 Beispiel 5.3: Kondensation an waagerechten Rohren 252 Beispiel 5.4: Verdampfen von Flüssigkeit 289 Beispiel 6.1: Gerichtete Bestrahlung versch. ausgerichteter Flächen 301 Beispiel 6.2: Berechnung von E(T) aus Eλ(λ,T) 308 Beispiel 6.3: Bandenstrahlung 317 Beispiel 6.4: Strahlungsaust. zwischen zwei unendl., parallelen Platten 335 Beispiel 6.5: Strahlungsaust. zwischen zwei unendl. langen, konz. Zyl. 337 Beispiel 6.6: Strahlungsschild 339 Beispiel 6.7: Solarer Absorber(Nettostrahlungsmethode) 342 Beispiel 6.8: Strahlung in der Brennkammer 357

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0 Verzeichnis der verwendeten Formelzeichen 0.1 Kleinbuchstaben a [m2/s] Temperaturleitfähigkeit b [m] Breite b [s1/2W/m2K] Eindringkoeffizient c [mol/m3] Konzentration cf [-] Reibungsbeiwert cp [J/kgK] spezifische isobare Wärmekapazität cv [J/kgK] spezifische isochore Wärmekapazität d [m] Durchmesser f [N/m2] Korrekturfaktor g [m/s2] Erdbeschleunigung h [J/kg] spezifische Enthalpie h [m] Höhe h~ [J/mol] molare spezifische Enthalpie ∆hV [J/kg] Verdampfungsenthalpie j [mol/m2s] molare Diffusionsstromdichte k [m] äquivalente Sandrauhigkeit k [W/m2K] Wärmedurchgangskoeffizient k1’’ [m/s] Reaktionsgeschwindigkeit 1. Ordnung k1’’’ [m/s] Reaktionsrate 1. Ordnung l [m] Länge m& [kg/m2s] Massenstromdichte relA,m& [kg/m2s] Massenstromdichte relativ zur Massen- geschwindigkeit des Gemisches n [-] Anzahl der Komponenten n [m] Normalenrichtung n [mol/m3] molare Konzentration/ Molendichte n& [mol/m2s] Diffusionsstromdichte/ Stoffstromdichte relA,n& [mol/m2s] Molendiffusionsstromdichte relativ zu einem mittleren Molenstrom

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p [N/m2] Druck pA,s [N/m2] Sättigungspartialdruck der Komponente A q& [W/m2] Wärmestromdichte Vq& [W/m3] Wärmestromdichte aufgrund innerer Wärmequellen r [m] Radius, Koordinate normal zur Wand r* [-] dimensionsloser Radius rel [W/m3] spez. elektrischer Widerstand rth [m2K/W] spez. thermischer Kontaktwiderstand Ar& [kg/m3s] Massenerzeugungsrate pro Volumen Ar

~& [kg/m3s] Molenerzeugungsrate pro Volumen s [m] Schichtdicke s [m] charakteristische Länge t [s] Zeit tR [s] charakteristische Zeit u [J/kg] spez. innere Energie

u [m/s] Geschwindigkeit in x-Richtung v [m/s] Geschwindigkeit in y-Richtung w [m/s] Massengeschwindigkeit des Gemisches im ortsfesten KOS w* [m/s] Molengeschwindigkeit des Gemisches im ortsfesten KOS wA [m/s] Absolutgeschwindigkeit der Komponente A wA,rel [m/s] Relativgeschwindigkeit von A zur Massen- geschwindigkeit w w*A,rel [m/s] Relativgeschwindigkeit von A zur Molen- geschwindigkeit w* x [m] kartesische x-Koordinate x~ [-] Molenbruch x* [-] Strömungsdampfgehalt xA [kgA/kg] Massenanteil von A an der Gesamtmasse (flüssige Phase) Ax~ [molA/mol] Stoffmengenanteil von A an der Gesamtstoff- menge (flüssige Phase)

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y [m] kartesische y-Koordinate yA [kgA/kg] Massenanteil von A an der Gesamtmasse (gasförmige Phase) Ay~ [molA/mol] Stoffmengenanteil von A an der Gesamtstoff- menge (gasförmige Phase) z [m] kartesische z-Koordinate 0.2 Großbuchstaben A [m2] Fläche Af [m2] mittlerer freier Strömungsquerschnitt B [W/m2] Helligkeit C Konstante DAB [m2/s] binärer Diffusionskoeffizient E [J] Gesamtenergie E [W/m2] Emission F [-] Emissionsverhältnis F [N] Kraft H [bar] Henry Konstante H [m] Höhe/ Plattenabstand H [W/m2] Bestrahlungsstärke I [A] elektrischer Strom I [W/m2] Strahlungsintensität J& [kgm/s] Impulsstrom L [m] Länge M [kg] Masse M~ [kg/mol] Molmasse N [mol] Stoffmenge N& [mol/s] Molenstrom Q [J] Energie Q& [W] Wärmestrom R [Ω] elektrischer Widerstand Rth [K/W] thermischer Widerstand

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R~ [J/molK] allgemeine Gaskonstante S [mol/m3bar] Löslichkeit T [K] Temperatur T* [-] dimensionslose Temperatur U [J] innere Energie U [m/s] Bezugsgeschwindigkeit U [m] Umfang U [V] elektrische Spannung UPr [m] Umfang der Projektionsfläche V [m3] Volumen W [N] Widerstandskraft 0.3 Griechische Buchstaben α [W/m2K] Wärmeübergangskoeffizient α [-] Absorptionsverhältnis, -grad, -zahl β [-] Polarwinkel β [°] Randwinkel β [m/s] Stoffübergangskoeffizient bei äquimolarem Stofftransport β° [m/s] Stoffübergangskoeffizient βT [K-1] volumetrischer Ausdehnungskoeffizient (p = konst) βxA [-] volumetrischer Ausdehnungskoeffizient (p, T = konst) δW [m] Grenzschichtdicke der Geschwindigkeit δT [m] Grenzschichtdicke der Temperatur δA [m] Grenzschichtdicke der Konzentration ∆ [-] Differenz ε [-] Emissionsgrad γ [°] Randwinkel η [kg/ms] dynamische Viskosität

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η [-] Wirkungsgrad ϕ [°] Winkel Φ [V] elektrisches Potential ΦDiss [W/m3] Dissipation λ [W/mK] Wärmeleitfähigkeit ν [m2/s] kinematische Viskosität ρ [kg/m3] Dichte σ [N/m] Oberflächenspannung σ [W/m2K4] Stefan-Boltzmann-Konstante τ [N/m2] Schubspannung, Reibspannung Ω [°] Winkel ξ [-] Massenanteil ζ [-] Druckverlustbeiwert ζ [-] Korrekturfaktor 0.4 Indices

δ Phasengrenze Kondensat-Dampf ∞ Umgebung/ Referenz * (hochgestellt) dimensionslose Größe ´ Schwankungsgröße 0 Bezugsgröße a außen ä äquimolar A Anfangswert A Austritt A Komponente A ab abgeführt äq äquivalent b Bezugsgröße B Komponente B e Einlauf E Eintritt

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eff effektiv f Heizfluid g gasförmig g gesamt i innen i Summationsindex I Phasengrenze Kondensat-Inertgas iso Isolierung j Summationsindex k Konvektion kr kritisch krit kritisch Ks Kugelschale l liquid L Leitung lam laminar lm logarithmisch m mittlerer Wert m Stelle mit maximalem Funktionswert max maximal O Oberfläche oR ohne Rippe P am Punkt P Ph Phasengrenze Pl Platte q Querschnitt r realer Strahler (Strahlung) R Referenzwert R Rippe s gesättigt s Spaltströmung S schwarzer Strahler (Strahlung) stat stationär t tangential

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T turbulent th thermisch turb turbulent u Umgebung V Verlust v vollentwickelt w, W Wand waag waagerecht x x-Komponete y y-Komponente z z-Komponente Zs Zylinderschale zu zugeführt 0.5 Kennzahlen

λ⋅

=sαBi a Biotzahl

AB

Am D

sβBi ⋅= Biotzahl bezogen auf SÜ

( )

lg

2gl

σLρρg

Bo−

= Bondzahl

2

wfx

w2ρc

∞⋅

τ= Reibungsbeiwert

f

2wAw2

ρWc

⋅⋅=

Widerstandsbeiwert

2staFo ⋅

= Fourierzahl

2AB

m stDFo ⋅

= Fourierzahl bezogen auf SÜ

Lg

wFr2

⋅= Froudezahl

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2

3LgGaν⋅

= Galileizahl

GEO Geometriezahlen

( )∞∞

−ν⋅

=ν⋅⋅⋅

= TTβlgρ

lg∆ρGr WT2

3

2

3

Grashofzahl beim WÜ

( )∞−ν⋅

= AAWxA2

3

m xxβlgGr Grashofzahl bei der SÜ

x

x Fo1Gz = Graetzzahl

ABDa

PrScLe == Lewiszahl

( )McxAαNTU

px &⋅

⋅= Anzahl der Übertragungseinheiten

λ⋅

=lαNu Nusseltzahl

( )

v

lWp

∆hTTc

JaPh−

== Phasenumwandlungs- oder Jakobszahl

a

swPe ⋅= Pecletzahl

a

Pr ν= Prandtlzahl

ν⋅

=swRe Reynoldszahl

ABD

Sc ν= Schmidtzahl

ABDlβSh ⋅

= Sherwoodzahl

PrRe

NuSt⋅

= Stantonzahl

*x*pξ x ∂

∂= Widerstandbeiwert

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1 Einführung 1.1 Was versteht man unter Impuls-, Wärme- und

Stoffübertragung und wie erfolgt IWS ? Aus der Strömungsmechanik ist Ihnen bekannt: Sind in einem strömenden Fluid Geschwindigkeitsgradienten vorhanden, dann treten in dem Fluid aufgrund seiner Viskosität Reibungsspannungen auf. Bedingt durch die Geschwindigkeitsgradienten werden von den Fluiden Kräfte (Impulsströme) übertragen. Unter Impulsübertragung versteht man die Übertragung von Kräften (Impulsströmen) aufgrund von Geschwindigkeitsunterschieden (Abb. 1.1):

1 wx ist die Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung des Geschwindigkeitsvektors. 2 τyx ist die Komponente des Spannungstensors, die an der Fläche y = konst in x-Richtung wirkt.

A

B

Fluid

x

y

= konst

w = Ut

w (y)x

Ft

2Hτ yx

p=konst.

Abb. 1.1: Übertragung von Kräften in einem Newtonschen Fluid aufgrund von Geschwindigkeitsunterschieden; Ft [N] ≡ Tangentialkraft, τ [N/m2] ≡ Reibungsspannung, U[m/s] ≡ Bezugsgeschwindigkeit. Zwischen einer feststehenden Unterlage A und einer mit der Kraft Ft parallel bewegten Platte B befindet sich ein Fluid. Die Kraft Ft bewirkt eine Geschwindigkeits-verteilung wx(y) im Fluid. Die Kraft Ft wird durch Reibungs-spannungen auf die Unterlage A übertragen.

1 2

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2 1 Einführung

* Impulsübertragung: Impulstransport infolge molekularer Wechsel-wirkung unter dem Einfluss von Geschwindigkeitsunterschieden in Fluiden.

Unter Wärmeübertragung versteht man die Übertragung von Energie-strömen (Energietransport) aufgrund von Temperaturunterschieden. Man unterscheidet bei der Wärmeübertragung drei Mechanismen (Abb. 1.2): * Wärmeleitung: Energietransport erfolgt infolge atomarer und/oder

(Konduktion) molekularer Wechselwirkungen unter dem Einfluss von Temperaturunterschieden

* Konvektion: Energietransport erfolgt infolge Wärmeleitung

(konvektive gekoppelt mit Strömung Wärme-übertragung)

* Strahlung: Energietransport erfolgt infolge elektromagnetischer Wellenausbreitung a) b) c)

Abb. 1.2: Wärmeübertragung durch a) Wärmeleitung durch eine ruhende

Wand, b) Konvektion von einer überströmten Platte und c) Strahlung zwischen zwei Platten, q& [W/m2] ≡ Wärmestromdichte3

3 Mit dem oberen Index ' Punkt ' kennzeichnen wir auf die Zeit bezogene Größen, z.B. q& ≡ Wärmestromdichte, q& = [J/sm2] = [W/m2]

T1

T2

q.

T1 T2>≡w 0

T

TW

q.w ,

TW T > ∞

∞∞

q 2.

T2

q1.T1

T1 T 2

transparentes Medium

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1.1 Was versteht man unter Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung und wie erfolgt IWS ? 3

Der Energietransport durch Wärmeleitung erfolgt von höherer zu niedrigerer Temperatur (2. Hauptsatz der Thermodynamik). Für ein Gas ist das leicht mikroskopisch zu verstehen. Die gesamte kinetische Energie (Translations-, Rotations- und Vibrationsenergie) der Gasmoleküle ist gleich der inneren Energie. Bei niedrigen Temperaturen kann sie proportional der Temperatur angenommen werden. Bei einer Gasschicht zwischen zwei Platten mit unter-schiedlicher Temperatur kommt es zur Wechselwirkung zwischen den Molekülen. Bei dieser Wechselwirkung übertragen im Mittel Gasmoleküle mit höherer innerer Energie (Temperatur) innere Energie an Moleküle mit niedri-gerer innerer Energie (Moleküle streben einen Gleichgewichtszustand an). So kommt es zu einem Strom von innerer Energie von höherer zu niedrigerer Temperatur (man spricht auch von einer Diffusion der Energie aufgrund der molekularen Bewegung).

Bei Flüssigkeiten erfolgt der Energietransport ähnlich. Der Molekülabstand ist sehr viel geringer als bei Gasen und die molekulare Wechselwirkung ist deswegen sehr viel stärker. Bei Festkörpern besteht die molekulare Bewegung einzig in Schwingungen der molekularen Struktur. In Nichtleitern kommt die Energieübertragung allein durch solche Strukturschwingungen zustande, während in Leitern die Energieübertragung durch die Bewegung freier Elektronen hinzukommt.

x

T T > T1 2

o qx

.

x T2

qx

.

Abb. 1.3: Diffusion der Energie aufgrund molekularer Bewegung

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4 1 Einführung

Üblicherweise versteht man unter Stoffübertragung die Übertragung eines Stoffstromes, d.h. den Stofftransport einer Komponente eines Mehrstoff-gemisches aufgrund von Konzentrationsunterschieden. Bei der Stoff-übertragung bedingt durch Konzentrationsunterschiede werden zwei Mechanismen unterschieden (Abb. 1.4): * Diffusion: Stofftransport erfolgt infolge molekularer Wechselwir- kungen unter dem Einfluss von Konzentrationsunter- schieden * Konvektion: Stofftransport erfolgt infolge Diffusion (konvektive gekoppelt mit Strömung Stoffübertragung) Die mikroskopische Ursache von diffusivem und konvektivem Stofftransport ist ebenfalls identisch. Der Stofftransport einer Komponente A erfolgt immer von höherer zu niedrigerer Konzentration. Für Fluide ist das wieder aus der molekularen Bewegung zu verstehen. Wir betrachten eine Gasschicht (p, T = konst.) wobei auf der einen Seite eine höhere molare Konzentration nA herrscht als auf der anderen (nA1 > nA2), siehe Abb. 1.4. a) b)

A+B

n

n

nw ,

n

A W

A

A W

AA

.∞ ∞

∞> n

Abb. 1.4: Stoffübertragung aufgrund von a) Diffusion b) Konvektion in einem binären Stoffgemisch A + B, An

r& [mol/sm2] Diffusions-

stromdichte.

A+Bn

n

n

n

A1

A2

A1 A2

A.

n>

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1.1 Was versteht man unter Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung und wie erfolgt IWS ? 5

Die Bewegung aller Teilchen ist im Mittel die gleiche. Wir betrachten eine Ebene y0 (Abb. 1.5). Es treten über die Ebene y0 im Mittel mehr Moleküle A von links nach rechts als umgekehrt. Es erfolgt ein Transport von A Mole-külen von Orten höherer zu Orten niedrigerer Konzentration. Dieser Stoff-strom muss bei y = 0 zu- und bei y = l abgeführt werden.

Mit dem molekularen Vorgang des Stofftransportes ist also ein makro-skopischer Stoffstrom verbunden. Mit dem molekularen Vorgang des inneren Energietransportes war keine makroskopische Bewegung verknüpft, nur ein makroskopischer Energie-strom. Dieser Energiestrom muss ebenfalls bei einem stationären Problem auf der einen Seite zu- und auf der anderen Seite abgeführt werden. Es gibt auch Stoffübertragung (Diffusionsströme) aufgrund von Druck-gradienten (Druckdiffusion) (Abb. 1.6a), äußeren Kräften, z. B. elektrische Potentialunterschiede (Elektrophorese) (Abb. 1.6b), oder Temperatur-gradienten (Thermophorese) (Abb. 1.6c)). Sie haben geringere technische Bedeutung und werden hier nicht behandelt. Ähnlich wie ein Temperaturunterschied in einem Mehrstoffgemisch einen (Thermo-) Diffusionsstrom auslöst, löst auch ein Konzentrationsgradient einen Energiestrom aus (Diffusions-Thermoeffekt). Haben die Stoffströme

rel,An& und rel,Bn& unterschiedliche Enthalpien ist damit ebenfalls ein Energie-strom verbunden.

n

0 l ny

yo

A2

A1

Abb. 1.5: Zum molekularen Stofftransport in einer Schicht mit

unterschiedlichen Konzentrationen

Page 26: WS Skript 181007

6 1 Einführung

a) b) c) A+B

>

n

1

2

1 2

A.

p

p

p p

ρ ρA B≠∆p

A+B

>

n

1

2

1 2

A.

Φ

Φ

Φ

Φ

φ φ≠A B

Φ∆

A+B

>

n

1

2

1 2

A.

T

T

T T

n n≠A B

T∆

Abb. 1.6: Stoffübertragung in einem binären Stoffgemisch aufgrund von a) Druckunterschieden (Druckdiffusion), b) elektrischen Potentialunterschieden (Elektrophorese) und c) Temperaturunterschieden (Thermophorese).

Ziel der Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung ist die Bestimmung der Gesetzmäßigkeiten, nach denen die Übertragung von Kräften, Energie- und Stoffströmen aufgrund von Geschwindigkeits-, Temperatur- und Konzentrationsunterschieden erfolgt. Diese Gesetzmäßigkeiten haben große Bedeutung in vielen technischen Bereichen Abb. 1.7

Page 27: WS Skript 181007

1.1 Was versteht man unter Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung und wie erfolgt IWS ? 7

Energietechnik Energieumwandlung

Verbrennung Fluidenergiemaschinen

Kraftwerkstechnik

Werkstofftechnik Schmelzen Erstarren Diffusion

Wärmebehandlung Auftragen

Fertigungs- und Konstruktions-

technik Erwärmen und Kühlen von Bauteilen durch Reibung

Trennen, Fügen Wärmespannungen

Verfahrenstechnik

Stofftrennung Verdampfung Kondensation

Trocknen Auftragen

Wärme und StrömungstechnikWärmeübertrager

Heizung, Klimatisierung Befeuchtung

Rationelle Energienutzung Verbrennung

Umwelttechnik Schadstoffvermeidung Schadstoffentstehung Schadstoffemission Schadstoffimmission

Abb. 1.7: Ausgewählte technische Anwendungsgebiete der IWS.

Page 28: WS Skript 181007

8 1 Einführung

1.2 Grundlagen der IWS

Die Basis für die Bestimmung der Gesetzmäßigkeiten der Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung bilden die (1) Bilanzgleichungen für

- Impuls (Newtonsches Gesetz) - Energie (Energieerhaltung) - Masse (Stoff) (Massenerhaltung) Es sind nicht beweisbare Erfahrungssätze, die stoffwert- und problem-

unabhängig sind. (Sie gelten für alle Stoffe4 und alle Probleme5.) Sie kennen diese Gleichungen aus der Mechanik, Thermodynamik und

Strömungslehre. (2) Zustandsgleichungen,

Sie stellen den Zusammenhang zwischen einzelnen Zustandsgrößen her, z.B: p = nR~ T, h = cPT für das ideale Gas

Sie sind stoffabhängig, aber problemunabhängig und müssen oft experimentell bestimmt werden. (Jeder Stoff besitzt spezifische Zustandsgleichungen, die für alle Probleme gelten.)

Sie kennen die thermische und kalorische Zustandsgleichung für das ideale Gas, das inkompressible Fluid und den idealen Festkörper aus der Thermodynamik und Strömungsmechanik. (3) Transportgleichungen

Sie stellen die Verbindung der Prozessgrößen, Reibungsspannung, Wärmestromdichte und Diffusionsstromdichte, mit den Zustandsgrößen,

Geschwindigkeit, Temperatur und Konzentration, her. Sie sind stoffabhängig, aber problemunabhängig und experimentell

gefunden, z.B. Newtonscher Schubspannungsansatz. Sie enthalten die stoffabhängigen Transportkoeffizienten6: für die Impulsübertragung die Viskosität η, für die Wärmeübertragung die Wärmeleitfähigkeit λ und für die Stoffübertragung den Diffusionskoeffizienten DAB. (4) Gleichgewichtsbedingungen (Randbedingungen)

für die Zustandsgrößen, z.B. Geschwindigkeit, Temperatur, Konzentration. Sie sind problemabhängige Erfahrungssätze, die den speziellen Anwendungsfall charakterisieren.

4 Stoffe sind z.B. Holz, Eisen, PTFE, N2 , O2 etc 5 Probleme sind z.B. Heizen eines Stabes, Trennung zweier Stoffe etc. 6 Die Viskosität im Newtonschen Schubspannungsgesetz hat im allgemeinen für jeden Stoff einen anderen

Wert, der noch für jeden Stoff anders von der Temperatur und dem Druck abhängen kann.

Page 29: WS Skript 181007

1.2 Grundlagen der IWS 9

Die stoffabhängigen Größen, die in den Zustandsgleichungen und Transport-gleichungen auftreten, heißen thermophysikalische Stoffwerte (Thermo-physical Properties of Matter) und können z.B. für viele Stoffe im VDI Wärme-atlas gefunden werden. Einige ausgewählte Werte finden sich im Anhang.

Page 30: WS Skript 181007

10 1 Einführung

1.3 Transportgleichungen (auch kinetischer Ansatz genannt)

1.3.1 Reibungsspannung τ Für eindimensionale Strömungen in x-Richtung mit Geschwindigkeits-unterschieden in y-Richtung (Abb. 1.1) hat Newton den Ansatz gemacht, dass die Schubspannung direkt proportional dem Geschwindigkeits-gradienten ist. Newtonsches Reibungsgesetz (eindimensional)

konst.ρ ;dyρdu

ydudηyxτ =ν+=+= 7 (1.1)

τyx [N/m2] : Reibungsspannung mit Angriffsfläche y = konst und Wirkung in x-Richtung8

η (Stoff, T, p) [kg/ms] : dynamische Viskosität9 (1.2) ρ (Stoff, T, p) [kg/m3] : Dichte

ν = η/ρ [m2/s] : kinematische Viskosität (1.3) Das Newtonsche Reibungsgesetz ist Ihnen aus der Strömungsmechanik be-kannt. Es erfüllt das Kriterium einer Transportgleichung, problemunabhängig und stoffabhängig zu sein. Die Gleichung (1.1) ist problemunabhängig, ist aber über den Transportkoeffizienten (Transporteigenschaft), η oder ν, von dem speziellen Fluid abhängig (stoffabhängig).

7 Für mehrdimensionale Strömungen ist der Zusammenhang zwischen dem Schubspannungstensor und der Geschwindigkeitskomponente komplexer. Es besteht aber immer noch ein linearer Zusammenhang zwischen τ , η und dem Geschwindigkeitsgradienten. 8 Das Vorzeichen der Schubspannung τyx ist wie folgt festgelegt: Zunächst definieren wir als 'Normalenrichtung' in einem Punkt der Begrenzungsfläche eines Fluidelementes die senkrecht zur Fläche aus dem Fluid herausführende Richtung. Wirkt auf eine Fläche, deren Normalenrichtung mit der positiven Koordinatenrichtung, hier y-Richtung, übereinstimmt, eine Schubspannung in x-Richtung, so ist diese Spannung definitionsgemäß positiv. Bei einer Fläche, deren Normalenrichtung die negative y-Richtung ist, ist es gerade umgekehrt. 9 η ist sehr viel weniger vom Druck als von der Temperatur abhängig.

Page 31: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 11

Wir wenden Gleichung (1.1) auf die ebene Couette - Strömung (Abb. 1.1) an. Eine Kräftebilanz an einem Fluidelement ergibt 10: τ = konst.= τw Mit (1.1) folgt für konstantes η und ρ

( ) yyu w

ητ

=

H2U

H2U

w⋅ρ

ν+=η+=τ

Schubspannung und Viskosität können makro- und mikroskopisch gedeutet werden. Tab. 1.1: Dynamische Viskosität η und kinematische Viskosität ν einiger

Newtonscher Fluide bei 300 K und 1 bar.

Fluid η [Ns/m2] ν [m2/s] schweres Öl leichtes Öl Quecksilber Wasser Luft Wasserstoff

48600⋅10-5

1570⋅10-5

151,7⋅10-5

85,7⋅10-5

1,86⋅10-5

0,89⋅10-5

55⋅10-5

1,41⋅10-5

0,0112⋅10-5

0,0863⋅10-5

1,58⋅10-5

11,25⋅10-5 Makroskopisch beschreibt die dynamische oder kinematische Viskosität die Fähigkeit eines Fluides Tangentialkräfte zu übertragen. Die an der Platte B angreifende Tangentialkraft Ft wird auf die Platte A durch die Schubspannung übertragen. Die Platte A wird von einer gleichgroßen, aber entgegengesetzt gerichteten Kraft Ft im Gleichgewicht gehalten. Die mikroskopische Deutung geht von der molekularen Struktur aus. Wir be-trachten eine Ebene y = konst. (Abb. 1.1). Da kein Massentransport durch die Ebene stattfindet, treten im Mittel genauso viel Moleküle von oben nach unten wie von unten nach oben durch diese Ebene. Die Moleküle, die von oben kommen, haben im Mittel einen höheren x-Impuls (Masse ⋅ x-Geschwindig-keit). So kommt es zu einem Strom von x-Impuls von höherer zu niedrigerer Geschwindigkeit. Dieser x-Impulsstrom wird schließlich an die untere Wand

10 Da der Druck konstant ist, müssen aus Gleichgewichtsgründen auch die Tangentialspannungen (Reibungsspannung-en) an einem Flächenelement überall gleich sein.

Page 32: WS Skript 181007

12 1 Einführung

als Tangentialkraft abgegeben und von der oberen Wand durch die Tangentialkraft dem Fluid aufgeprägt. Damit ist der Prozess makroskopisch stationär. Der Transport von x-Impuls erfolgt von höherem zu niedrigerem x-Impuls, also in negativer y-Richtung und bewirkt eine Tangentialkraft in positiver x-Richtung auf das Fluidelement. Fluide, die dem Newtonschen Gesetz folgen, heißen Newtonsche Fluide (z.B. Gase, Wasser, Öle). Es gibt auch Nicht - Newtonsche Fluide (z.B. Kunststoff, Zahnpasta). Bei mehrdimensionalen Strömungsvorgängen ist die Reibungsspannung ein Tensor (vgl. Kapitel 4).

1.3.2 Wärmestromdichte qr& 11

Der durch die Fläche A durchtretende Wärmestrom Q& ergibt sich zu:

∫ ⋅−=A

AdqQrr

&& (1.4)

[ ]WQ& : Wärmestrom positiv, wenn dem Körper

zugeführt (1.5)

[ ]2mAdr

: Flächennormalenvektor immer nach außen gerichtet

[ ]2W/mqr& : Wärmestromdichte(vektor)12 (1.6)

11 Es sei hier bemerkt, dass international der Wärmestrom mit q bezeichnet wird. 12 Bezogene Größen und Längen sind international durch obere Indizes genormt. Ein Strich → längenbezogene Größen, z. B. ′q [W/m]: Wärmestrom pro Längeneinheit; zwei Striche → flächenbezogene Größen, z. B. ′′q [W/m2]: Wärmestromdichte; drei Striche →volumenbezogene Größen z. B. ′′′q [W/m3]: Wärmestromquelle pro Volumeneinheit.

qr& Ad

r

A

Page 33: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 13

1.3.2.1 Wärmeleitung Für den Energietransport infolge atomarer und molekularer Wechselwirkun-gen unter dem Einfluss eines Temperaturgradienten (Wärmeleitung) gilt der auf Fourier (1822) zurückgehende Ansatz, der aus Experimenten gewonnen wurde:

Fouriersches Gesetz der Wärmeleitung n/TTgradq ∂∂λ−=λ−=

r& ; n = Normalenkoordinate

(1.7)

( )pTStoff ,,λ : Wärmeleitfähigkeit13 [ ] mK/W=λ

(1.8)

( )pTStoffacp

,,=⋅ρλ : Temperaturleitfähigkeit

[ ] sma /2= (thermischer Diffusionskoeffizient)

(1.9)

13 λ ist sehr viel weniger vom Druck als von der Temperatur abhängig.

T

x

T

T

1

2

q x.

Wand

Abb. 1.8: Wärmeleitung durch eine Wand

Page 34: WS Skript 181007

14 1 Einführung

Das Fouriersche Gesetz besagt: • Die Wärmestromdichte ist ein Vektor: q

r&

• Die Wärmestromrichtung ist senkrecht zu den Isothermen: qr& ∼ n/T ∂∂−

• Die Wärme strömt in Richtung abnehmender Temperatur: qr& ∼ n/T ∂∂−

• Der Wärmestrom ist abhängig vom Material (Stoff) und proportional dem stoffspezifischen Transportkoeffizienten für die thermische Energie, der Wärmeleitfähigkeit:Q& ∼ λ

• Der Wärmestrom ist proportional zur Fläche, durch die er tritt: Q& ∼ A Das Fouriersche Gesetz gilt für alle isotropen Stoffe, jedoch ist λ seinerseits temperatur- und druckabhängig. Bei nichtisotropen Stoffen ist λ auch richtungsabhängig (Tensor). Auch hier gilt: Das Fouriersche Gesetz ist problemunabhängig, aber durch λ stoffabhängig. Die Ähnlichkeit für eindimensionalen Wärmestrom mit dem Newtonschen Reibungsgesetz bei eindimensionaler Strömung ist deutlich zu erkennen. Tab. 1.2: Größenordnung der Wärmeleitfähigkeit λ und der

Temperaturleitfähigkeit a

Stoffgruppe λ [W/(mK)] a [10-6 m2/s] Gase bei 1 bar Isolationsmaterial Nichtmetallische Flüssigkeiten Nichtmetallische Festkörper Flüssige Metalle Legierungen Reine Metalle

0,007-0,17 0,02-0,20 0,08-0,70 0,03-2,1

8-70 13-120 50-400

1-500 ≈0,1

0,07-0,17 0,3-1,5

≈5 4-14

5-200

Page 35: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 15

Beispiel 1.1: Aufgabe: Die Wände eines Industrieofens bestehen aus (feuerfester) Schamotte der Wandstärke s = 0,15 m mit der Wärmeleitfähigkeit λ = 1,7 W/(mK). Unter stationären Bedingungen werden Wandtemperaturen von innen 1200 °C und außen 950 °C gemessen. Welcher Wärmeverlust pro Zeiteinheit erfolgt durch eine Wand von 0,5 m × 0,3 m ? Lösung: (1) Bekannt: stationärer Zustand Wandstärke: s = 0,15 m Wärmeleitfähigkeit: λ = 1,7 W/(mK) Wandtemperaturen: T1 = 1200 °C, T2 = 950 °C Fläche: A = 0,5 m × 0,3 m = 0,15 m2 (2) Gesucht: Verlustwärmestrom VQ& [W]

Page 36: WS Skript 181007

16 1 Einführung

(3) Skizze:

(4) Annahmen: • eindimensionale Wärmeleitung ⇒ AqQ xV ⋅= && • Stoffwerte konstant (5) Stoffwerte: Wärmeleitfähigkeit der Schamotte λ = 1,7 W/(mK) (6) Analyse: .konstQ .konstq und konst.=A mit AqQ vxxv =→=⋅= &&&&

Fouriersches Gesetz:

( )s

TTdxdTq 12

x

−λ−=λ−=&

( )m15,0K250mK/W7,1 ⋅=

s = 0.15 m

T

x

T = 950° C2

q x.

T = 1200°C1

A = 0.15 m2

Page 37: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 17

2m/W2833=

22xv m15,0m/W2833AqQ ⋅=⋅= &&

W425= (7) Bemerkungen: • Beachte die Wärmestromrichtung • Beachte den Unterschied Wärmestrom / Wärmestromdichte • Lineares Temperaturprofil wie das Geschwindigkeitsprofil bei der

Couetteströmung

1.3.2.2 Konvektive Wärmeübertragung In bewegten Fluiden besteht die Wärmeübertragung aus zwei gekoppelten Anteilen: (1) Energieübertragung infolge atomarer und/oder molekularer Wechsel-

wirkung unter dem Einfluss von Temperaturunterschieden (Wärme-leitung).

(2) Energieübertragung infolge von Strömung unter dem Einfluss von Temperaturunterschieden.

Der Temperaturgradient wird durch die Bewegung des strömenden Fluides und dessen Eigenschaften beeinflusst. Zur Bestimmung des konvektiven Wärmeüberganges muss daher das Strömungsfeld bekannt sein. Bei Strömungen unterscheidet man, ob die Strömung von außen aufgeprägt wird (erzwungene Konvektion), oder ob die Strömung durch das Temperatur-feld und damit verbundene Dichteunterschiede erst erzeugt wird (freie Konvektion). Für den technisch besonders interessierenden Wärmeübergang an Phasen-grenzflächen, z.B. Wänden, benutzt man für die Beschreibung der Wärme-stromdichte den Newtonschen Ansatz, der den Wärmeübergangs-koeffizienten α definiert.

Page 38: WS Skript 181007

18 1 Einführung

y

q.

T < T w

w

wT

T∞ ∞

= TB2

= TB1

Abb. 1.9: Konvektive Wärmeübertragung an einer Oberfläche (Keine Transportgleichung, da problemabhängig.)

( )0y

w yTTTq

=∞ ∂

∂λ−=−α=& (1.10)

α [W/m2K] : Wärmeübergangskoeffizient α = α (Problem, Stoff, Temperatur,...)

(1.11)

An der ruhenden Wand (y = 0) ist w = 0. Es gilt (Def.) ( ) 0yy/Tq

=∂∂λ−=& .

Aber q& wird durch das Geschwindigkeitsprofil beeinflusst! Bei Betrachtung der Wärmeleitung in der Wand tritt ( )∞−α= TTq w

& als konvektive Randbedingung mit bekanntem α und T, aber unbekanntem Tw auf. Bei konvektiver Wärmeübertragung ist α als Funktion der Geometrie, der Randbedingungen und der Strömung gesucht. α kann als Wärmestrom pro Flächeneinheit und 1K Temperaturunterschied anschaulich gedeutet werden. Oft ist es zweckmäßig, mit der Nusseltzahl als dimensionslosem Wärme-übergangskoeffizienten zu arbeiten:

( ) *w

* yy*

*

bb

b

2B1Bb

b

yTl

TTlqNu

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

∂∂

λλ

=λ⋅α

=−λ

⋅=

&

lb = Bezugslänge

(1.12)

Page 39: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 19

λb = Bezugswärmeleitfähigkeit TB1, TB2 = geeignete konstante

Bezugstemperaturen

2B1B

2B*

TTTTT

−−

= = dimensionslose Temperatur

Meist wird λ = λb gewählt. Zweckmäßig wählt man TB1, TB2 so, dass T* zwischen 0 und 1 variiert. Die Interpretation der Nusseltzahl kann sein: 1. Verhältnis von auftretender Wärmestromdichte q& zur Wärmestromdichte

bei stationärer Wärmeleitung durch eine ebene Bezugsschicht mit lb, λb und der Temperaturdifferenz TB1 - TB2

2. Dimensionsloser Wärmeübergangskoeffizient 3. Dimensionsloser Temperaturgradient an der Wand Tab. 1.3: Größenordnung des konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten α Vorgang α [W/(m2K)] Luft, freie Konvektion Luft, erzwungene Konvektion Überkritischer Dampf, erzwungene KonvektionÜberhitztes Öl, erzwungene Konvektion Wasser, freie Konvektion Wasser, erzwungene Konvektion Verdampfung Kondensation

2 - 15 30 - 200 30 - 300 50 - 800 200 - 1000 2000 - 12000 2000 - 60000 5000 - 100000

1.3.2.3 Strahlung Jede Oberfläche, die eine Temperatur T ≠ 0 K aufweist, strahlt Energie in Form elektromagnetischer Wellen (Photonen) ab. Die Ausbreitung dieser Wellen ist nicht an die Existenz von Materie gekoppelt; sie erfolgt im Gegen-teil am effizientesten im Vakuum. Für die maximale Emission (Energie-ausstrahlung) einer Oberfläche gilt das Stefan-Boltzmann-Gesetz des idealen Strahlers:

Page 40: WS Skript 181007

20 1 Einführung

Stefan-Boltzmann-Gesetz des idealen schwarzen Strahlers: 4

s Tq ⋅σ=& [ ]2

s m/Wq& : Wärmestromdichte des idealen (schwarzen) Strahlers

[ ]KT : Oberflächentemperatur

(1.13)

Unter dem idealen schwarzen Strahler versteht man einen Strahler, der Strahlung nur absorbiert und emittiert, aber nicht reflektiert. Reale Strahler emittieren mit einer geringeren Wärmestromdichte: Emission des realen Strahlers 4

r Tq ⋅σ⋅ε=& ε [ - ] : Emissionsgrad ε ≤ 1

(1.14)

Der Emissionsgrad ist eine Stoffeigenschaft. Er ist abhängig von der Stoffart und der Temperatur des Körpers ε (Stoff, T). Für den Nettostrahlungsaustausch zwischen einem Körper und seiner Um-gebung gilt, wenn die Körperfläche A sehr viel kleiner ist als die des um-schließenden Körpers Au:

( )4u

4r TTq −⋅σ⋅ε=& (1.15)

Treten Strahlung und Konvektion gemeinsam auf, addieren sich die Effekte: kr qqq &&& += (1.16)

T, A

rq.

kq.

T u

A >> Au

ε

Abb. 1.10: Strahlungsaustausch zwischen einem Körper A und dem um-

gebenden Körper Au (Fläche), mit A<< Au

Page 41: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 21

Beispiel 1.2: Aufgabe: Eine nicht isolierte Dampfleitung führt durch einen Raum. Die Lufttemperatur der Raumwände beträgt 25°C. Der Außendurchmesser des Rohres beträgt 70 mm, die Oberflächentemperatur des Rohres ist 200°C, der Emissionsgrad der Rohroberfläche sei 80%. Wenn der Wärmeübergangskoeffizient durch freie Konvektion 15 W/(m2K) beträgt, wie groß ist der Verlustwärmestrom des Rohres pro Längeneinheit? Lösung (1) Bekannt: Rohrdurchmesser: d = 70 mm Oberflächentemperatur des Rohres: T = 200 °C Temperatur der Umschließungsfläche: Tu = 25 °C Emissionsgrad der Rohroberfläche: ε = 0,8 Wärmeübergangskoeffizient (freie Konvektion): α = 15 W/(m2K) (2) Gesucht:

Verlustwärmestrom pro Längeneinheit: ⎥⎦⎤

⎢⎣⎡

mW

LQv&

(3) Skizze:

= 0.8

q. r

q. k

T = 200° C

uT = 25°C

d = 70 mm

ε

Page 42: WS Skript 181007

22 1 Einführung

(4) Annahmen: • stationäre Bedingungen • A << Au

• Strahlung durch ε und sq& beschreibbar (5) Stoffwerte: Emissionskoeffizient des Rohres ε = 0,8 (6) Analyse:

kr qqq &&& +=

dqL

Q LdqAqQ vv ⋅π⋅=→⋅⋅π⋅=⋅= &

&&&&

( )uk TTq −α=&

( ) 22 m/W2625K175Km/W15 =⋅=

( )4u

4r TTq −⋅σ⋅ε=&

( ) ( ) 444428 K15,29815,473Km/W1067,58,0 −⋅⋅⋅= − 2m/W1915=

( ) 22 m/W4540m/W19132625q =+=&

22V m/W998m07,0m/W4540L

Q=⋅π⋅=

&

(7) Bemerkungen:

• konvektiver Wärmeübergang und Strahlungsaustausch sind hier von gleicher Größenordnung: rk qq && ≈

• bei erzwungener Konvektion gilt oft: rk qq && >> • bei kleiner Temperatur gilt im allgemeinen: rk qq && >>

Page 43: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 23

1.3.3 Stoffstromdichte rel,Anr&

Für ein binäres Gemisch der Komponenten A und B gilt für den durch eine Fläche 'A' durchtretenden Stoffstrom der Komponente A:

∫ ⋅−=A

AA AdnNrr

&& (1.17)

[ ]s/molNA& : Molenstrom der Komponente A

[ ]2mAdr

: Flächennormalenvektor

[ ]sm/molwnn 2AAA

rr& ⋅= : Molenstromdichte(vektor) der

Komponente A

(1.18)

1.3.3.1 (Konzentrations-) Diffusion

n

x

n A2

n A.

n A1

A

s

Wand

Abb. 1.11: Diffusion durch eine Wand

AdAr

&rnA

Page 44: WS Skript 181007

24 1 Einführung

Für den Stofftransport infolge molekularer Wechselwirkungen unter dem Ein-fluss eines Konzentrationsgradienten gilt für ein binäres Stoffgemisch A/B die auf Fick (1854) zurückgehende Transportgleichung: Ficksches Gesetz für binäre Diffusion

( )nx~Dnx~gradDnwwnn A

ABAABAArel,A ∂∂

−=−=−= ∗rrr&

DAB = DBA = D (1.19)

[ ]∫ ⋅=

A

rel,arel,A s/molAdnNrr

&& : Molendiffusionsstrom der Komponente A

( )[ ]sm/moln 2rel,A

r& : Molendiffusionsstromdichte(vektor)

[ ]3A m/moln : Molenkonzentration der Komponente A

[ ]−Ax~ : Molenbruch der Komponente A

[ ]s/mw A

r : Geschwindigkeit der Komponente A

[ ]s/mw ∗r : mittlere Molengeschwindigkeit

[ ]s/mD 2AB : binärer Diffusionskoeffizient

wegen rel,Brel,ABA nn;1x~x~ && −==+

ABAB DD = (Stoff A, Stoff B,T, p)

Diffusion ist immer ein (Molen/Massen)strom relativ zu einem mittleren (Molen/Massen)strom, d.h. Index rel . Der Molendiffusionsstrom von A ist immer der Molenstrom von A relativ zur mittleren Molengeschwindigkeit *w

r14.

Das Ficksche Gesetz für binäre Diffusion besagt:

• Die Diffusionsstromdichte ist ein Vektor: rel,Anr&

• Die Diffusionsstromrichtung von A verläuft senkrecht zu den Linien konstanter Konzentration x~A: nx~~n Arel,A ∂∂−&

14 Für ein ideales Mehrstoffgemisch lautet das Ficksche Gesetz für den Massendiffusionsstrom der Komponente i:

( ) ( ) k...2,1jmit,xDM~M~nwwm iM

ijj

k

1ji

2

iirel,i =∇ρ

−=−ρ= ∑=

rrr&

Page 45: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 25

• Der Diffusionsstrom von A verläuft in Richtung abnehmender Konzentration der diffundierenden Komponente A: nx~~n Arel,A ∂∂−&

• Der Diffusionsstrom der Komponente A ist proportional dem Diffusionskoeffizienten DAB, der molaren Dichte n und dem Molen-bruchgradienten.

• Der Diffusionsstrom ist proportional zur Fläche A

Die Analogie von Fourierschem und Fickschem Gesetz bzw. von Wärme-leitung und binärer Konzentrationsdiffusion ist deutlich. Für konstante Molendichte n ergibt sich mit nA = x~A⋅ n folgende Analogie zwischen Wärmeleitung und Diffusion: Tab. 1.4: Analogie zwischen Wärmeleitung und binärer Diffusion

Wärmeleitung Diffusion

Wärmestromdichte [ ]sm/Jq 2r&

Temperatur [ ]KT

Wärmeleitfähigkeit [ ]mK/Wλ

Diffusionsstromdichte [ ]sm/moln 2rel,A

r&

Molendichte [ ]3A m/moln

Diffusionskoeffizient [ ]s/mD 2AB

Führt man statt der Wärmeleitfähigkeit λ die Temperaturleitfähigkeit a (thermischer Diffusionskoeffizient) ein, wird die Analogie noch deutlicher. Das Ficksche Gesetz gilt für alle binären Gemische. Bei Vielstoffgemischen wird die Diffusion erheblich komplexer Tab. 1.5: Größenordnung des Diffusionskoeffizienten DAB

Stoffgruppe DAB [m2/s] Gas in Gas bei 1 bar, 300 K

Gas in Wasser

Flüssigkeit in Flüssigkeit

Gas in homogenen Festkörper

5⋅10-6 - 2⋅10-4

1⋅10-9 - 6⋅10-9

5⋅10-10 - 4⋅10-9

1⋅10-30 - 1⋅10-12

Page 46: WS Skript 181007

26 1 Einführung

Binäre Diffusionskoeffizienten sind von der Stoffkombination und vom Zustand, T und p, abhängig. Nährungsweise gilt für

• Gase: D ∼ T3/2 /p • Flüssigkeiten: D ∼ T

Beispiel 1.3: Aufgabe: Ein rechteckiger Stahlbehälter mit der Wandstärke s = 10 mm ist mit Wasser-stoff (H2) unter Druck gefüllt. Die molare Dichte an der Stahlinnenseite sei 1 kmol/m2, an der Außenseite des Behälters ist sie vernachlässigbar. Der Diffusionskoeffizient von Wasserstoff in Stahl ist DAB = 0,26⋅10-12 m2/s. Wie groß ist die molare Stoffstromdichte von H2 im Stahl? Lösung: (1) Bekannt: (H2 = Stoff A; Stahl = Stoff B) molare Dichte von H2 innen(1) : NA1 = 1 kmol/m3

außen(2) : NA2 = 0 kmol/m3

Wandstärke s = 10 mm DAB = 0,26⋅10-12 m2/s (2) Gesucht: H2-Molenstromdichte n& A (3) Skizze:

y

n 0A2

n A.

n = 1A1

n A

kmol3m

s = 10 mm

Page 47: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 27

(4) Annahmen: • stationäre Bedingungen, d.h. Behälterdruck zeitl. konst. ⇒ konstNA =& • eindimensionale Diffusion • keine chemische Reaktion von H2 mit Stahl • einseitige Diffusion ⇒ 0wB = • Molare Konzentration von H2 im Stahl sehr klein 1x~A << *

BBAA wnwnwnn ⋅=⋅+⋅=&

AAAA* wx~w

nnw ⋅==→ 0ww *

A =→<<

• .konstnnnn ABA =≅+= (5) Stoffwerte: Binärer Diffusionskoeffizient H2 - Stahl: DAB=0,26⋅10-12 m2/s (6) Analyse:

( )ydx~dDnwwnn A

AB*

AArel,A −=−=&

.konstyd

ndDnn AABrel,AA =−== &&

snnD 2A1A

AB

−=

m01,0m/mol1000

sm1026,0

3212 ⋅⋅= −

smmol106,2n 2

11A

−⋅=&

(7) Bemerkungen: • Wenn wB = 0 und x~A << 1 folgt immer, dass die Annahme w* = 0

berechtigt ist, dann ist rel,AA nn && = . • Wenn wB =0 spricht man von Diffusion durch ein ruhendes Medium

oder einseitiger Diffusion

Page 48: WS Skript 181007

28 1 Einführung

1.3.3.2 Konvektive Stoffübertragung In strömenden Stoffgemischen besteht die Stoffübertragung analog zur Wärmeübertragung aus zwei gekoppelten Anteilen: (1) Stoffübertragung infolge molekularer Wechselwirkung unter dem

Einfluss von Konzentrationsunterschieden (Diffusion) (2) Stoffübertragung infolge von Strömung unter dem Einfluss von

Konzentrationsunterschieden

Analog zum Wärmeübergangskoeffizienten α definiert man für den Stoff-übergang der Komponente A von einer Phasengrenze in ein strömendes Fluid den Stoffübergangskoeffizienten βA. Definition von βA, β•

A:

( )0yBAA

0y

AAB,AW,AAW,A )nn(x~

yx~Dnnnn

==

∞• ++

∂∂

−=−β= &&&

( )0y

AAB,AW,AAW,A y

x~Dnnnn=

∞ ∂∂

−=−β=& gültig für äquimol.

Stofftransport BA nn && −=

(1.20)

βA , β•A [m/s] : Stoffübergangskoeffizient der Komponente A

βA , β•A = f (Problem, Stoff, Temperatur, Druck)

Das Produkt aus dem Stoffübergangskoeffizienten βA und der Konzentrationsdifferenz An∆ ist nur dann gleich der Stoffstromdichte, wenn

y

.

w

n

n A W

A

∞ ∞

nA

nA < n A W

n.

A,rel

Phasengrenzefeste Wand, Flüssigkeit

Abb. 1.12: Konvektive Stoffübertragung an einer Oberfläche

Page 49: WS Skript 181007

1.3 Transportgleichungen 29

es sich um kleine Stoffstromdichten handelt. Für große Gradienten und damit für große Stoffstromdichten sind korrigierte Stoffübergangskoeffizienten β•

A zu benutzen. Beachte den Unterschied zwischen An& und rel,An& ! Die Molendiffusions-stromdichte rel,An& kann kleiner oder größer als die Molenstromdichte An& sein, je nachdem ob aus der Phasengrenze ein Stoffstrom austritt (z.B. Verdunstung) oder eintritt (z.B. Kondensation, Absorption). Es ist einleuchtend, dass der Gradient

wyyA y/x~=

∂∂ bei Ausblasen (Verdunsten) oder Absaugen (Absorbtion) einer Komponente A unterschiedlich sein wird. Analog zur Nusseltzahl Nu wird die Sherwoodzahl Sh definiert:

( ) b

bA

2b,A1b,Ab

bA

Dl

nnDlnSh ⋅β

=−⋅

=&

Db :Bezugs-Diffusionskoeffizient nA,b1, nA,b2 :geeignete konstante molare

Bezugsdichte

(1.21)

Der Index A bei β kann weggelassen werden, wenn eindeutig ist, welche Komponente gemeint ist. Die Interpretation der Sherwoodzahl ist analog der Nusseltzahl. 1. Verhältnis von auftretender Molenstromdichte An& der Komponente A zur

Molenstromdichte durch eine ebene Bezugsschicht mit lB, DB und der Molendichtedifferenz (nA,B1 – nA,B2), wenn die mittlere Geschwindigkeit w* vernachlässigbar oder null ist.

2. Dimensionsloser Stoffübergangskoeffizient 3. Dimensionsloser Molendichtegradient an der Wand bei sehr kleinem (verschwindendem) An& und Bn& oder Ax~ . Es ist natürlich wichtig die Bezugsgrößen zu kennen, die gewählt werden.

Page 50: WS Skript 181007

30 1 Einführung

1.4 Methodisches Vorgehen bei der Lösung von Aufgaben

Eine wesentliche Zielsetzung der Vorlesung ist, dass Sie lernen, methodisch an die Lösung von Aufgaben zu gehen. Durch eigenständiges Lösen von Aufgaben gewinnen Sie ein besseres Verständnis für die Grundlagen der IWS, und Sie werden auch Vertrauen zu sich entwickeln, diese Grundlagen zur Lösung von Ingenieurproblemen einzusetzen. Es ist zweckmäßig, systematisch nach einem festen Schema vorzugehen. Dieses Schema ist nicht nur auf IWS Problemstellungen anwendbar. Ich verwende das Schema, wie es Incropera und de Witt vorschlagen. Ich empfehle Ihnen, es ebenfalls zu nutzen. Es besteht aus folgenden Schritten: (1) Bekannt:

Nach genauem Lesen der Aufgabe, sollte eine kurze, prägnante Angabe gemacht werden, was bei der Aufgabe bekannt ist. Wenn möglich, sollten Worte und Bezeichnungen verwandt werden, z.B. Formelzeichen wie T für Temperatur.

(2) Gesucht:

Kurze, prägnante Angabe, was gesucht ist, wenn möglich ebenfalls mit Formelzeichen, z.B. q& Wärmestromdichte, T Temperatur.

(3) Skizze:

Schematische Skizze des physikalischen Systems. Wenn die An-wendung der Erhaltungssätze vorausschaubar ist, zeichnen Sie die notwendigen Kontrollflächen gestrichelt ein. Identifizieren Sie in der Skizze die verschiedenen Zustandsgrößen durch Kurz-zeichen, die verschiedenen Transportprozesse (Impuls, Wärme, Stoff) durch Pfeile und Kurzzeichen. Für die Anwendung der Erhaltungssätze ist es wichtig, die Lage und Größe des Bilanz-raumes so zu wählen, dass die gesuchten und bekannten Größen unmittelbar oder mittelbar auftreten und die Zustandsgrößen einen einheitlichen Wert haben.

Page 51: WS Skript 181007

1.4 Methodisches Vorgehen bei der Lösung von Aufgaben 31

(4) Annahmen: Nennen Sie alle wichtigen Vereinfachungen, die Sie einführen wollen oder müssen.

(5) Stoffwerte:

Stellen Sie die Stoffwerte zusammen, die für die folgende Berechnung benötigt werden, und geben sie die Quelle an.

(6) Lösung:

Anwendung der relevanten Bilanzgleichungen in der geeigneten Form und Einführung der notwendigen Transportgleichungen, sowie Auflistung relevanter Randbedingungen. Auflösung der Gleichungen nach der/den gesuchten Größe(n). Es kann zweck-mäßig sein, mit dimensionslosen Koordinaten und abhängigen Veränderlichen zu arbeiten (dadurch verringert sich die Anzahl der Einflussparameter auf ein Minimum) und erst zum Schluss auf die gesuchten dimensionsbehafteten Größen überzugehen. Zahlenwerte erst so spät wie möglich einsetzen. Ausführung der Berechnung, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.

(7) Bemerkungen:

Diskussion der Ergebnisse. Sie können sich beziehen auf Schlussfolgerungen oder Kritik der Annahmen.

Die Bedeutung der Schritte (1) bis (5) wird leicht unterschätzt. Diese Schritte sollen genutzt werden, systematisch die Aufgabe zu durchdenken, bevor ihre Lösung im Detail angegangen wird.

Page 52: WS Skript 181007
Page 53: WS Skript 181007

2 Wärmeleitung (Wärmeübertragung in ruhenden Medien)

2.1 Differentialgleichungen für das Temperaturfeld und Randbedingungen

2.1.1 Energiebilanz für ein ruhendes Medium Kontrollfläche KA: Oberfläche des Kontrollvolumens (gestrichelt) Kontrollvolumen KV: (System, Bilanzraum)

raumfestes Gebiet, das masse- und energie-durchlässig ist (von KA umgeben)

dA KAKV

q. vQ.

zu Q.

ab

q.

dE dUdt dt=

Abb. 2.1: Energiebilanz für ein ruhendes Medium; (w ≡ 0, Ekin = 0)

Das KV stellt nicht notwendigerweise die Grenzen des Körpers dar.

E =U [J]: Gesamtenergie, hier gleich innere Energie q

r& [W/m2] : effektiv zugeführte Wärmestromdichte

vq& [W/m3]: innere Wärmequellen Ad

r [m2]: nach außen gerichteter Flächennormalenvektor

[ ]WQQQ abzu&&& −= : effektiv zugeführter Wärmestrom

Page 54: WS Skript 181007

34 2 Wärmeleitung

Beachte: • KA immer geschlossen • A = Wärmeübertragungsfläche ist meist eine Teilfläche davon • ∫ ⋅−=−

KAabzu AdqQQrr

&&& Energiebilanz für einen ruhenden Körper Die zeitliche Änderung der inneren Energie dU/dt, ist gleich der Differenz aus dem über die Oberfläche zugeführten und abgeführten Wärmestrom sowie des im Inneren des Körpers durch Umwandlung erzeugten Wärme-stromes.

vabzu QQQtdU d &&& +−=

∫ ∫ ⋅+⋅−=KA KV V dVqAdq

tdU d &

rr&

(2.1)

Die Energiebilanz enthält die Zustandsgröße U und die Prozessgrößen q& und

vq& . Um die Energiebilanz lösen zu können, muss sie auf eine Gleichung für die unbekannte Zustandsgröße Temperatur und auf bekannte Stoffgrößen, wie Dichte oder Wärmeleitfähigkeit, bei gegebenen Wärmequellen zurück-geführt werden. Bei stationärer Wärmeleitung ist dU/dt ≡ 0 und es gilt =+− vabzu QQQ &&& 0. Ist vQ& = 0 gilt: abzu QQ && = Beispiel 2.1: Aufgabe: Ein langer Draht mit dem Durchmesser d und dem elektrischen Widerstand pro Längeneinheit rel ist zunächst im thermischen Gleichgewicht mit seiner Umgebung (Tu) und der umgebenden Luft (T∞). Das Gleichgewicht wird durch Einschalten eines elektrischen Stromes I gestört. Entwickeln Sie eine Gleichung zur Bestimmung der mittleren Drahttemperatur mit den zu-gehörigen Randbedingungen! Treffen Sie geeignete Annahmen für die Wärmeübertragung durch Konvektion und Strahlung!

Page 55: WS Skript 181007

2.1 Differentialgleichungen für das Temperaturfeld und Randbedingungen 35

Lösung: (1) Bekannt:

Anfangstemperatur des Drahtes: T(t = 0) = Tu = T∞ (Umgebungstemperatur): Tu Lufttemperatur: T∞ Draht mit dem Durchmesser d und spez. elektrischem Widerstand pro Länge rel [Ω/m].

(2) Gesucht:

Gleichung zur Bestimmung der mittleren Drahttemperatur mit Rand-bedingungen

(3) Skizze:

KV : π⋅d2/4⋅l = V KA : π⋅d⋅l + π/2⋅d2

A : π⋅d⋅l Wärmeübertragungsfläche (4) Annahmen:

• idealer Festkörper (ρ = konst., cp = cv = c =konst.) • Temperatur im Draht räumlich konstant • Strahlung: A<< Au; Draht grauer Körper mit ε = konst. und bekannt • Konvektion: ( )∞−α= TTqk

& ; α = konst. und bekannt (5) Stoffwerte:

Emissionskoeffizient der Drahtoberfläche ε, spez. elektrischer Wider-stand rel

d

l

LuftT ,

I

TQ. T u

Q.

v

∞ α

Page 56: WS Skript 181007

36 2 Wärmeleitung

(6) Analyse:

Energiebilanz: vQQtdUd && +=

kalorische Zustandsgleichung (da Festkörper): 00 U)T(TVcU +−⋅⋅⋅ρ= Kinetische Ansätze: • Konvektion: )TT(AQk ∞−⋅α=

• Strahlung: )TT(AQ 4u

4r −⋅σ⋅ε⋅=

rk QQQ &&& += (1.9)

( ) ( )[ ]4u

4u TTTTldQ −⋅σ⋅ε+−⋅α⋅⋅π−=& (1.5) + (1.8)

Energieumwandlung im Draht: Elektrische Energie (Arbeit) →Wärme

lrIQ el2

v ⋅⋅=&

( ) ( )[ ]4u

4uel

22

TTTTdrItdTd

4d

c −⋅σ⋅ε+−⋅α⋅π−⋅=π⋅⋅ρ→

Anfangsbedingung: t = 0 T(t = 0) = Tu (7) Bemerkungen:

• Wenn nur die mittlere Temperatur gesucht ist, wird das Fouriersche Gesetz nicht benötigt! Globale Energiebilanz plus Zustandsgleichung und kinetische Ansätze an der Oberfläche reichen zur Herleitung der DGL. Es ergibt sich eine DGL 1. Ordnung in der Zeit, für die eine Anfangsbedingung benötigt wird.

• nichtlineare Differentialgleichung, numerische Integration erforderlich • Endzustand, d.h. Draht hat den stationären Zustand erreicht (dT/dt) =

0, liefert T aus

( ) ( )[ ]4u

4uel

2 TTTTdrI −⋅σ⋅ε+−⋅α⋅π=⋅

Page 57: WS Skript 181007

2.1 Differentialgleichungen für das Temperaturfeld und Randbedingungen 37

2.1.2 Zustandsgleichungen Betrachtet werden ideale Festkörper oder Flüssigkeiten mit Dichte ρ = const. [kg/m

3] und spez. Wärmekapazität cP = cv = c = const. [kJ/kgK]. Dann gilt für

die spezifische thermische Zustandsgleichung ρ = ρ0 = const. und für die kalorische Zustandsgleichung (spez. innere Energie): ∫ ρ=

KVudV U

u)TT(cu 00 +−⋅= (2.2) Es folgt:

VdtTc

dtdU

KV∫ ∂

∂ρ= (2.2a)

Damit ist die extensive Zustandsgröße innere Energie U auf die intensiven Zustandsgrößen ρ und T und den Stoffwert spezifische Wärmekapazität c zurückgeführt.

2.1.3 Fouriersches Gesetz Mit dem Fourierschen Gesetz Tgradq λ−=

r& (2.3)

ist die Prozessgröße q& auf den Gradienten der Temperatur und den Transportkoeffizienten Wärmeleitfähigkeit zurückgeführt.

Page 58: WS Skript 181007

38 2 Wärmeleitung

2.1.4 Wärmeleitungsgleichung Mit der Zustandsgleichung (2.2) und dem Fourierschen Gesetz (2.3) erhält man aus der Energiebilanz (2.1):

∫∫∫ ⋅+⋅λ=∂∂

ρKV VKAKV

dVqAdgradTdVtTc &

r (2.3a)

Mit dem Gaußschen Satz ∫ ∫=⋅

KA KVdVqdivAdqr&

rr& (2.4)

folgt:

( ) 0dVqgradTdivtTc

KV v =⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−λ−

∂∂

ρ∫ & (2.4a)

Das Integral kann aber nur identisch null sein, wenn der Integrand null ist. Damit folgt die Differentialgleichung für das Temperaturfeld, die Wärme-leitungsgleichung.

( ) vqgradTdivtTc &+λ=

∂∂

ρ

ρ, c, λ gegebene Stoffwerte, vq& durch Problem gegeben

(2.5)

• Erst mit Zustandsgleichungen und Fourierschem Gesetz erhält man aus

dem Energiesatz die DGL für die Temperatur! Für konstante Wärmeleitfähigkeit λ folgt:

c

qTatT qT

tTc v2

v2

ρ+∇⋅=

∂∂

⇔+∇⋅λ=∂∂

ρ&

& (2.6)

Wenn die Stoffwerte (λ, ρ, cP, a) temperaturabhängig sind, dann ist die DGL nicht linear. Bei schwacher Temperaturabhängigkeit der Stoffwerte ist eine Reihenentwicklung sinnvoll, z.B.

Page 59: WS Skript 181007

2.1 Differentialgleichungen für das Temperaturfeld und Randbedingungen 39

( ) ( ) ( ) ...TTTaTT

TaTaa 2

0

TT2

2

0

TT

0

00

+−∂∂

+−∂∂

+===

Wichtig: • Sinnvolle Wahl von T0 (z.B. Mittelwert;

0TT/a ∂∂ und höhere

Ableitungen aus Tabellen ermitteln). • Der Druck kann als konstant angesehen werden. • Änderungen der Dichte und der spez. Wärme werden vernachlässigt.

2.1.5 Anfangs- und Randbedingungen Die Wärmeleitungsgleichung (2.5) ist eine partielle Differentialgleichung erster Ordnung in der Zeit und zweiter Ordnung im Raum. Zu ihrer Lösung sind deshalb erforderlich:

• 1 Anfangsbedingung T(t = t0, x, y, z) • 2 Randbedingungen für jede Ortskoordinate, x, y, z, oder allgemeiner

ausgedrückt, T oder q& , oder eine Kombination von T und q& muss auf der betrachteten Kontrollfläche KA bekannt sein.

Die Veranschaulichung der verschiedenen Randbedingungen ist in Tab. 2.1 zu sehen.

Page 60: WS Skript 181007

40 2 Wärmeleitung

Tab. 2.1: Die verschiedenen örtlichen Randbedingungen für den ein-

dimensionalen Fall. Hier sind die möglichen Bedingungen bei x = 0 angegeben, hinzu kommt noch eine zweite RB. z.B. x = x1; Randbedingungen für Strahlung werden nicht angegeben.

(1) vorgegebene Temperatur am Rand;

Dirichlet RB:

T(t , x = 0) = TW

T(t,x)

T

T w

x

KA

(2) vorgegebene Wärmestromdichte am Rand; von Neumann RB:

a)

( ) w0x

qdxdT0x,tq && =λ−==

=

T(t,x)

T

x

KA

q. w

b)

( )0x,tq =& 0dxdT

0x=λ−=

=

(adiabat)

T(t,x)

T

x

KA

Page 61: WS Skript 181007

2.1 Differentialgleichungen für das Temperaturfeld und Randbedingungen 41

(3) gemischte R.B, z.B. konvektiver Wärmeübergang

( )∞==

−α=λ− TTdxdT

0x0x

α und T∞ sind gegeben, dT/dx und w0x T=T

= sind nicht gegeben, son-dern müssen aus DGL bestimmt werden

α kann auch Näherung für Konvektion

in Verbindung mit Strahlung sein

T

T(t,x=0)

T KA

T(t,x)

x∞ α

Die partielle Differentialgleichung (PDGL) Gl. (2.5) muss für ein gegebenes Medium, d.h. gegebene Stoffwerte und vorgeschriebene innere Wärme-quellen q& v für die sich aus der Problemstellung ergebenden Rand-bedingungen und Anfangsbedingungen im allgemeinen numerisch gelöst werden. Dafür gibt es Standardprogramme, die käuflich sind, und die Methoden der finiten Elemente (FE), finiten Differenzen (FD) oder der spektralen Zerlegung (SE) nutzen. Beispiel 2.2: Aufgabe: Ein rechteckiger Cu-Stab der Breite b und der Höhe h wird an der Unterseite auf der konstanten Temperatur T0 gehalten. Zur Zeit t = t0 wird ein Strom I eingeschaltet, der den Stab mit gegebenem elektrischen Widerstand pro Volumeneinheit rel aus dem thermischen Gleichgewicht bringt. Zusätzlich wird die Oberseite des Stabes durch einen Luftstrom (T∞) gekühlt. Die Wärme-übertragungsgesetze für Strahlung und Konvektion seien bekannt. Wie lauten die Differentialgleichung und die Randbedingungen für die Temperaturverteilung im Stab?

Page 62: WS Skript 181007

42 2 Wärmeleitung

Lösung: (1) Bekannt: t ≤ t0 : thermodynamisches Gleichgewicht

t > t0 : elektrisch beheizter Stab, der oben konvektiv gekühlt und unten auf T0 gehalten wird

(2) Gesucht: - Differentialgleichung - Anfangsbedingungen (3) Skizze:

(4) Annahmen: • b >> h : Seiteneinfluss vernachlässigbar → eindimensionales Problem • konstante Stoffwerte • .konstrIq el

2v =⋅=&

• Strahlung vernachlässigbar gegenüber Konvektion • ( )( )∞−α= Th,tTqk

& α = konst. und bekannt (5) Stoffwerte:

Dichte ρ ; spez. Wärmekapazität c ; Wärmeleitfähigkeit λ (6) Analyse: Wärmeleitungsgleichung für λ = konst.

c

qxTa

tT v

2

2

⋅ρ+

∂∂

=∂∂ &

(2.6)

I h

b

Luft T ,

0T

x

y z

( , )

0

Luft

h

T =T(0,t)

T(h,t)

q. v

α∞

αλ

x &qx

T∞, α

( )& ( )q T h, t Tx = − ∞α

Page 63: WS Skript 181007

2.1 Differentialgleichungen für das Temperaturfeld und Randbedingungen 43

Anfangsbedingungen: T(t ≤ 0 , x) = T∞ Randbedingungen: x = 0 : T(t , x = 0) = T0

x = h : ( )[ ]∞=

−=α=∂∂

λ− Thx,tTxT

hx,t

(7) Bemerkungen: Die Lösung der Wärmeleitungsgleichung muss im allgemeinen numerisch mittels Finite - Elemente-, Spektral- oder Finite - Differenzen -Verfahren erfolgen. Programme zu diesem Zweck sind käuflich. Hier würde die Behandlung numerischer Verfahren den Rahmen der Vorlesung sprengen. Wichtig bei der Anwendung numerischer Verfahren ist das Verständnis für das Problem. D.h. es kommt vor allem darauf an, alle bei dem Problem vorliegenden Anfangs- und Randbedingungen zu erkennen. Das soll auch in dieser Vorlesung geübt werden. Die unterschiedlichen Lösungen dieser Gleichung für die Temperatur-verteilung beruhen auf unterschiedlichen Stoffwerten für λ, cP, ρ (unterschiedliche Stoffe), unterschiedlicher Geometrie (Zylinderschale, Kugel, Quader, etc.) und unterschiedlichen Anfangs- und Rand-bedingungen.

Page 64: WS Skript 181007

44 2 Wärmeleitung

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional)

2.2.1 Eindimensionale Wärmeleitung T(r) ohne Wärmequellen ( )0qv =& Betrachtet werden nur die Grundkörper Platte, Zylinderschale und Kugelschale, für die sich die Wärmeleitung ohne Wärmequelle (q& v = 0) auf ein eindimensionales Problem reduziert. Die beschreibende DGL kann man aus der Wärmeleitungsgleichung (2.5) durch Spezialisierung gewinnen.

dr

adiabat

dA(r)

dQ.

dQ.

zu

ab

r

Abb. 2.2: Zur Herleitung der stationären, eindimensionalen Wärme-

leitungsgleichung für Platte, Kugel- und Zylinderschale; dϕ -Umfangswinkelelement des Zylinders; dΩ - Raumwinkelelement der Kugel

Mit der Betrachtung der Abb. 2.2 folgt aus der Energiebilanz:

.konstqdAQdQdQd abzu =⋅=== &&&&

in Verbindung mit dem Fourierschen Gesetz (λ=konst):

( ) .konstdrdTrdAQd =⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ λ−⋅=&

Platte Zylinderschale Kugelschale

und dA(r) ∼ rn konst l dϕ r dΩ r2 (2.7) n 0 1 2

dA(r) : Flächenelement senkrecht zum Wärmestrom

Page 65: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 45

die eindimensionale Wärmeleitungsgleichung

.konstdrdTrn = ⇔ 0

drdTr

drd n =⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ (2.8)

Tab. 2.2: Definition von Koordinatenursprung und Schichtdicke für die

Grundkörper Platte, Zylinderschale und Kugelschale und der zugehörige Wert von n in der Differentialgleichung für die Temperatur.

Körper n Ursprung der

Koordinate r Schichtdicke s

s = r2 - r1 Platte 0 beliebig r

r 1

r 2

Zylinderschale 1 Symmetrieachse Kugelschale

2

Mittelpunkt

1r

2r

Für vorgegebene Temperatur bei r = r1 und r = r2 als Randbedingung r = r1 : T(r1) = T1 ; r = r2 : T(r2) = T2 ; T1 > T2 (2.8a) ist die Lösung von (2.8) für die (dimensionslose) Temperaturverteilung bzw. den übertragenen Wärmestrom:

Page 66: WS Skript 181007

46 2 Wärmeleitung

( ) ( )( )

⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢

−−

=−−

eKugelschalr/lr/lr/lr/l

haleZylinderscr/rlnr/rln

Platte s

rr

TTTrT

21

2

12

2

2

21

2 (2.9)

( )

⎢⎢⎢⎢⎢⎢

−⋅

⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢

−λ⋅π⋅

λ⋅⋅π⋅

λ⋅

=⋅=

eKugelschal

haleZylindersc

Platte

)TT(

r/1r/14

r/rlnl2

sA

AqQ 21

21

12

&& der Länge l (2.10)

Gl. (2.10) entspricht einem thermischen Schaltkreis ( ) th21 R/TTQ −=& mit Rth als thermischem Widerstand (vgl. (2.15)).

1

0

Platte

Zylinderschale

Kugelschale

q.

r - r12

r - r 1

s = r - r2 1

1r2r

1T - T2

T(r) - T2

thermische Widerstände

A

sR Pl,th ⋅λ=

( )λ⋅⋅π⋅

=l2r/rlnR 12

Zs,th (2.10a)

λ⋅π⋅

−=

4r/1r/1R 21

Ks,th

Abb. 2.3: Dimensionsloser Temperaturverlauf für die Platte, Zylinderschale und Kugelschale und entsprechende thermische Widerstände.

Page 67: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 47

Im Grenzfall unendlicher Schichtdicke (s → ∞, oder r2 → ∞) geht trotz endlicher Temperaturdifferenz der Wärmestrom durch die Platte und die Zylinderschale gegen null. Die Gründe dafür sind:

• Für die Platte ist q& ∼ 1/s. Wenn s → ∞ und A = konst gilt: 0Aq →⋅&

• Für die Zylinderschale ist q& ∼ 1/[r ⋅ln(r2/r1)]. Da A ∼ r wird Aq ⋅& für r2 → ∞ immer noch null.

• Für die Kugelschale ist q& ∼ 1/[r2(1/r1-1/r2)]. Da A ∼ r2 wird Aq ⋅& für r2 → ∞ proportional r1, d.h. endlich.

Das gilt für alle dreidimensionalen Körper. Der minimale Wärmestrom der Kugelschale mit ∞→2r ist: ( )211krmin,eKugelschal TTr4QlimQ

2

−⋅λ⋅π⋅==∞→&& (2.11)

Dies ist auch der minimale Wärmestrom, der von einer Kugel mit Radius r1 und Temperatur T1 an die ruhende Umgebung mit der Temperatur T2=Tu und Wärmeleitfähigkeit λ abgegeben wird. Mit der Definition des Wärme-übergangskoeffizienten α ergibt sich, siehe Gl. (2.10):

1

Kugelmin, rλ

=α (2.12)

Der Wärmeübergangskoeffizient der Kugel ist somit umgekehrt proportional zum Kugelradius. Nusseltzahl Die Nusseltzahl ist der dimensionslose Wärmeübergangskoeffizient. Sie ist identisch mit dem dimensionslosen Temperaturgradienten an der Wand. Der Wärmeübergangskoeffizient wird mit der Wärmeleitfähigkeit des Fluides und der charakteristischen Abmessung des Körpers, hier Durchmesser der Kugel d1 , dimensionslos gemacht. Der Temperaturgradient wird mit der treibenden Temperaturdifferenz T1-T2 , hier T1-Tu , und der charakteristischen Abmessung des Körpers, hier d1 , dimensionslos gemacht.

( )( ) 2

d/rTT/T

rTd

Nu1

* rr1

u1

2/1r*

*Kugelmin,1

Kugelmin, =∂

−∂=

∂=

λ

α⋅=

==

(2.13)

Page 68: WS Skript 181007

48 2 Wärmeleitung

Die Nusseltzahl kann auch aufgefasst werden als das Verhältnis des wirklichen Wärmestromes zum Wärmestrom bei reiner Wärmeleitung durch eine ebene Vergleichsschicht vorgegebener Dicke mit gleichem treibenden Temperaturverhältnis. Hier: wirklicher Wärmestrom:

1rrr/T=

∂∂⋅λ

Wärmeleitung: Vergleichsschichtdicke d1, Temperaturdifferenz (T1-Tu ) λ ⋅ (T1-Tu ) / d1 Bemerkung:

Bei der Nusseltzahl muss immer darauf geachtet werden, mit welcher Länge sie dimensionslos gemacht wird (hier: Durchmesser der Kugel). Die Wahl von d1 ist historisch begründet. Sinnvoller wäre r1, da dann der dimensionslose Radius r* = r/r1 zwischen 0 und 1, und nicht zwischen 0 und 1/2 variieren würde. Ebenso ist bei der Ent-dimensionierung der Temperatur wichtig, mit welcher Temperatur-differenz dies geschieht.

2.2.2 Wärmedurchgang und mehrschichtige Strukturen, thermischer Schaltkreis

Unter Wärmedurchgang versteht man eindimensionale, stationäre Wärme-leitung mit Wärmeübergangsrandbedingungen (Konvektion und/oder Strahlung). Die Randbedingungen für den Wärmeübergang Wand/Umgebung lauten: ( ) ( )a2aa1iii TTATTAQ −⋅α=−⋅α=& (2.14) Setzt sich αi oder αa aus einem Konvektions- und einem Strahlungsanteil zusammen, gilt: ( ) ( ) ( )1iriki1iii TTATTAQ −α+α=−⋅α=& (2.15a)

Page 69: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 49

Die Analyse kann für eine thermische Widerstands-Reihenschaltung erfolgen, siehe Abb. 2.4 der durch den Wärmestrom Q& , die treibende Temperatur-differenz (Ti-Ta) und dem thermischen Widerstand Rth beschrieben wird.

In Abb. 2.4 ist Rth die Summe der drei Widerstände Ri, Rw, Ra; für jedes Teil-gebiet gilt:

Q& = i

1i

RTT − =

w

21

RTT − =

a

a2

RTT − =

th

ai

RTT − (2.15)

Mit (2.14) , (2.10) und (2.15) folgt:

Rth = Ri + Rw + Ra

Rth =aawii A

1As

A1

⋅α+

⋅λ+

⋅α (2.16)

Für Zylinder- und Kugelschalen muss der entsprechende Wert von (2.10a) eingesetzt werden. Setzt sich die Wand aus mehreren Schichten zusammen, Abb. 2.5, addieren sich die Widerstände der Schichten:

s

T1

T2

T , ii

T , a a

i aT > T

T1 T2Ti Ta

Q.

Q.

Q.

α

α

iii A

1R⋅α

= ; w

w AsR⋅λ

= ; aa

a A1R⋅α

=

Abb. 2.4: Wärmedurchgang durch eine ebene Wand; Temperaturverteilung

und thermischer Schaltkreis

Page 70: WS Skript 181007

50 2 Wärmeleitung

Eine Schicht kann auch aus zwei parallelen Schichten mit unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten bestehen, Abb. 2.6. Dann gilt analog zur Parallel-schaltung von Konvektion und Strahlung:

Q.

Q.

s1 s2 s snf

1 2 f n λλ λλ

T1Tn

=

=n

1jjw RR Rj entsprechend (2.10a)

w

n1

RTTQ −

=&

(2.17)

Q.

Q.

1R 2R fR nR1T nT

Abb. 2.5: Mehrschichtige Wand als Reihenschaltung thermischer Wider-

stände.

Page 71: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 51

k-1 k k+1 k+2 A

A

Q. Tk Tk+1

R 1

R 2

j

j

1jλ

λ 1j

2j

2j

sj

j

1kk

RTTQ +−

=& (2.15b)

2j1j

2j1jj RR

RRR

+⋅

= (2.16b)

( )1kk2j1j

TTR1

R1Q +−⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+=& (2.15b)

2j2j

j2j

1j1j

j1j A

sR;

As

R⋅λ

=⋅λ

=

Abb. 2.6: Parallele Wandschichten unterschiedlicher Wärmeleitfähigkeit, thermischer Schaltkreis und Widerstand Wir definieren den Wärmedurchgangskoeffizienten k analog zum Wärme-übergangskoeffizienten α. Dabei muss auch hier immer angegeben werden oder eindeutig sein, auf welche Fläche k bezogen wird, da die auftretenden Flächen hier innen und außen unterschiedlich groß sein können. Das wäre z.B. bei einer zylindrischen Wand der Fall.

th

ai

RTTQ −

≡& Def. des thermischen Widerstandes Rth (2.15)

bei n - schichtiger Wand:

aa

n

1jj

iith A

1RA

1R⋅α

++⋅α

= ∑=

(2.16)

=

=n

1jjw RR ; Rj [therm. Widerstand der Schicht j, (2.17)

siehe (2.10)] ( )ai TTAkQ −⋅≡& ; Def. des Wärmedurchgangskoeffizienten (2.18) kA ≡ Rth

-1 : Die Wärmeübertragungsfläche A muss eindeutig angegeben werden.

Rth [K/W] : thermischer Widerstand k [W/(m2K)] : Wärmedurchgangskoeffizient

(2.19)

Page 72: WS Skript 181007

52 2 Wärmeleitung

Wenn ein Wärmeübergangswiderstand sehr viel größer ist als die anderen thermischen Widerstände, (z.B. 1/αiAi >> 1/αaAa, Rj), d.h. der Wärmedurchgangskoeffizient von diesem einen Widerstand dominiert wird, empfiehlt es sich, diesen Widerstand z.B. durch Flächenvergrößerung (Rippen) zu verringern. Darauf wird in Kap.2.2.5 eingegangen. Beispiel 2.3: Aufgabe: Bei radialen Systemen mit Isolierung treten zwei gegenläufige Effekte auf. Mit zunehmender Isolationsdicke s nimmt der Wärmeleitungswiderstand zu, während der konvektive Widerstand durch die Vergrößerung der Übertragungsfläche abnimmt. Gibt es einen Radius r, bei dem der Wärme-transport ein Minimum annimmt? Zur Entscheidung soll folgendes System betrachtet werden:

a) Ein dünnwandiges Kupferrohr mit dem Innenradius ri zum Transport eines Kühlmediums bei der Temperatur Ti < Tu soll isoliert werden. Gibt es eine optimale Isolationsdicke?

b) Bestätigen Sie das Ergebnis für ein Rohr mit ri = 5mm und Isolations-schichtdicken von s = 0, 2, 5, 10, 20 und 40mm. Als Isolations-material wird Schaumstoff eingesetzt mit λ = 0,055 W/mK. Der äußere Wärmeübergangskoeffizient beträgt α = 5 W/m2 K.

Lösung: (1) Bekannt: ri , Ti , dünnwandiges Rohr (δ << ri), α, λ (2) Gesucht: a) Rth,max=? b) Rth für siso = 0, 2, 5, 10, 20, 40 mm

Page 73: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 53

(3) Skizze:

(4) Annahmen: • stationär, eindimensional, konstante Stoffwerte • Strahlung vernachlässigbar • Widerstand der Cu-Wand vernachlässigbar • konvektiver Wärmeübergangswiderstand auf der Innenseite des

Rohres vernachlässigbar (5) Stoffwerte: Wärmeleitfähigkeit der Isolation λ = 0,055 W/mK (6) Analyse: a,kisoth RRR +=

( )l2

r/rlnR iaiso ⋅λ⋅π⋅

= nach Gl. (2.10a)

lr2

1Ra

a,k ⋅⋅π⋅⋅α=

( )⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅α

+λ⋅π⋅

=→a

iath r

1r/rlnl2

1R

q.

r i

r a

siso

Ti Tu

Tu

TiTa

isoR k,aR

δ

( )

l2r/rlnR ia

iso ⋅λ⋅π⋅= ; a,k

a

RA

1=

⋅α

Page 74: WS Skript 181007

54 2 Wärmeleitung

a) max,thmin R für Q& ; 0dr

Rd und 0dr

dRR!

2a

th2!

a

thmax,th <=→

0r

1r

1l2

1dr

dR2

aaa

th =⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⋅α−

⋅λ⋅π⋅=

αλ

=→ ar

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⋅α+

⋅λ−

⋅π⋅= 3

a2

a2

a

th2

r2

r1

l21

drRd

Für 02

l21

drRd

r 3

3

2

2

2a

th2

a >⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

λ⋅αα⋅

+λ⋅λ

α−

⋅π⋅=→

αλ

=

Widerspruch!! → Es gibt kein Maximum, sondern nur ein Minimum des thermischen

Widerstandes für ikrita rs bzw. r −αλ

=αλ

= .

Es gibt keine optimale Isolationsschicht endlicher Dicke.

b) mm11m5055,0r krit,a ==

αλ

=

Page 75: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 55

R

r / r

R ( 2 l π λ )

λ / α r

ln ( r / r )

1 2.2

1

2.2 th

a i

th

a

a

i

th,krit.

a,krit.

i

R ( 2 l

rr

π λ )

=

=

Siso = ra - ri [mm]

ra [mm]

therm. Widerstände × Längeneinheit [m K/W]

l⋅RL l⋅Rk,a l⋅Rth

0 2 5

10 20 40

5 7

10 15 25 45

0 0,97 2,00 3,18 4,66 6,35

6,37 4,55 3,18 2,12 1,27 0,71

6,37 5,52 5,18 5,30 5,93 7,06

(7) Bemerkungen:

• Selbst bei siso = 20mm weist die Anordnung noch einen geringeren thermischen Widerstand auf als ohne Isolation!

• Problem existiert nur bei kleinen Rohrdurchmessern und kleinen α-Werten

Page 76: WS Skript 181007

56 2 Wärmeleitung

2.2.3 Kontaktwiderstand Festkörper weisen raue Oberflächen auf. Fügt man 2 Strukturen zusammen, tritt an der Kontaktfläche durch die Unebenheit der Oberflächen ein spezifischer thermischer Widerstand, der sogenannte thermische Kontakt-widerstand, auf.

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡∆=

WKm

qTr

2AB

th & spez. thermischer Kontaktwiderstand (2.20)

Der Kontaktwiderstand ist umso geringer, je glatter die Oberflächen sind und je höher der Anpressdruck ist. Durch ein Kontaktmedium mit hoher Wärme-leitfähigkeit, mit dem die Oberflächen benetzt werden, lässt sich der Kontakt-widerstand verringern.

AB

q.q.

TA

TB

T AB∆

Abb. 2.7: Temperatursprung aufgrund des thermischen Kontakt-

widerstandes

Page 77: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 57

Tab. 2.3: Spezifischer thermischer Kontaktwiderstand für a) metallische

Körper unter Vakuum bei verschiedenen Anpressdrücken und b) Aluminiumoberfläche (10 µm Rauhigkeit, 1 bar Anpressdruck) mit unterschiedlichen Kontaktmedien.

Spezifischer thermischer Kontaktwiderstand rth⋅104 [m2K/W]

a) im Vakuum b) mit Kontaktmedium Anpressdruck rostfreier Stahl Kupfer Magnesium Aluminium

1 bar 6 - 25 1 - 10 1,5 - 3,51,5 - 5,0

100 bar 0,7 - 4 0,7 - 0,5 0,2 - 0,4 0,2 - 0,4

Luft 2,75 Helium 1,05 Wasserstoff 0,720 Glycerin 0,465

2.2.4 Systeme mit Wärmequellen vq& ≠ 0 (innere Energiezufuhr), eindimensional

Für stationäre, eindimensionale Wärmeleitung mit vq& ≠ 0 gilt: 1. Für jedes Volumenelement dV ist dVqQd vv ⋅= && 2. Für jedes Flächenelement senkrecht zur Richtung r, in der der Wärme-

strom sich ändert, ist ( )dr/dTdAqdAQd r λ−=⋅= && Der Energiesatz lautet nun für ein Volumenelement dV = dA ⋅ dr : Die Differenz aus durch Leitung zugeführtem und abgeführtem Wärmestrom plus dem Wärmestrom durch innere Quellen ist gleich null, da die zeitliche Änderung der Energie des Systems null ist, Abb. 2.8.

Mit dV = dA ⋅ dr folgt 0dAqdrdTdA

drd

v =⋅+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛λ &

Für Platte, Zylinder und Kugel ergibt sich entsprechend Abb. 2.2 (Platte dA = konst; Zylinder dA ∼ r; Kugel dA ∼ r2) die Differentialgleichung.

Page 78: WS Skript 181007

58 2 Wärmeleitung

Abb. 2.8: Zum Energiesatz und zur Wärmeleitungsgleichung bei ein-dimensionaler Wärmeleitung mit Wärmestromquellen.

mit nr.konstdA ⋅= ergibt sich

0rqdrdTr

drd n

vn =λ⋅

+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ &

(2.21)

( ) ( ) 1

2v C

1n2rqrT +

+⋅⋅λ⋅

−=&

⋅ 2=n e,Kugelschal

1=n hale,Zylindersc0=n Platte,

Cr/1rln

r

2

⎢⎢⎢

⎡+

⎥⎥⎥

⎢⎢⎢

(2.22)

Die Integrationskonstanten C1 und C2 folgen aus den jeweiligen Rand-bedingungen. Typische Randbedingungen und die resultierenden Temperaturverläufe zeigt Tab. 2.4.

dQ. dQ +

.

dr

drdrdQ

.

adiabat

adiabat

dAq dV.

v.

Energiesatz:

0dVqdrdrQdQdQd v =+⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛+− &

&&&

Mit Fourier´schem Gesetz und

rqdAQd && ⋅= folgt

0dVqdrdrdTdA

drd

v =+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛λ &

Mit dV = dA⋅dr folgt

0dAqdrdTdA

drd

v =+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛λ &

Page 79: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 59

Tab. 2.4: Randbedingungen und Temperaturverläufe für Systeme mit

konstanten spez. Wärmequellen vq& = konst symmetrische Randbedingung: T1 = T2

,T ,T

1T 2T

1r 2r

vq = konst.α α∞ ∞

asymmetrische Randbedingung: T1 ≠ T2

,T ,T

1T 2T

1r 2r

vq = konst. 21

∞∞

αα

adiabate Randbedingung: 1rr T;0r/T

2=∂∂

=

,T

1T

1r 2r

vq = konst.

2rdTdr = 0

α ∞1

Page 80: WS Skript 181007

60 2 Wärmeleitung

Beispiel 2.4: Aufgabe: Einem Rohr mit dem Außenradius r2=10mm, das außen isoliert und innen (r1 = 5mm) gekühlt wird, wird ein innerer Wärmestrom q& v =103 kW/m3 = konst. zugeführt. Die Wärmeleitfähigkeit des Rohres beträgt 50 W/mK.

a) Wie lautet die Gleichung für die Temperaturverteilung in der Wand? b) An der Isolierung ist nur die maximale Temperatur T0 = 100°C

zulässig. Wie lauten die entsprechenden Randbedingungen und die spez. Lösung für die Temperaturverteilung?

c) Bestimme die Wärmestromabfuhr pro Längeneinheit! d) Wenn Kühlmittel mit der Temperatur T∞ = 10°C das Rohr

durchströmt, welcher konvektive Wärmeübergangskoeffizient wird benötigt, um das Rohr mit q& v und T ≤ T0 zu betreiben?

Lösung: (1) Bekannt: r2 = 10mm; r1 = 5mm; q& v = 103 kW/m3; λ = 50 W/mK T(r) ≤ T0 r = r1 : konvektiver Wärmeübergang mit α r = r2 : T0; adiabate Randbedingung (2) Gesucht: a) T(r) allgemein b) Randbedingungen für T ≤ T0 → spezielles T(r) c) l/Q& d) α (3) Skizze:

Kühlmittel

T ,

r1

r2

T

Isolierung

0

vq.

T α∞ ,

∞ α

Page 81: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 61

(4) Annahmen: • stationär, eindimensional, konstante Stoffwerte • q& v =103 kW/m3 = konst • Außenfläche der Isolierung adiabat (5) Stoffwerte: Wärmeleitfähigkeit des Rohres: λ = 50 W/mK (6) Analyse: (r1 ≤ r ≤ r2)

a) Gl. (2.22): ( ) 21

2v CrlnC4

rqrT +⋅+λ⋅

⋅−=&

b) ( ) ( ) 02rr

2 TrrT,0drdT:rrT

2

=====

λ⋅

⋅=→

2rqC

22v

1

&

2

22v

22v

02 rln2

rq4

rqTC ⋅λ⋅

⋅−

λ⋅⋅

+=→&&

( ) ( ) ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

λ⋅⋅

−−λ⋅

+=→rrln

2rqrr

4qTrT 2

22v22

2v

0

&&

c) ( )mW75

drdTr2r2qrrq

lQ

1rr11

21

22v π⋅=π⋅λ=π⋅−=−π⋅=

=

&&&

d) ( )∞=

−α=⋅−

=λ=− TTr2rrq

drdTq 1

1

21

22

vrr 1

&&

( ) KmW10

7,8975

KmW10

7,89102510

10TTr2

rrq 23

23

26

11

21

22

v ⋅=⋅⋅−

⋅=−⋅

−=α→ −

&

Km

kW83,0 2=α→

( ) ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛λ⋅

⋅−−

λ⋅+=→

1

22

2v21

22

v01 r

rln2

rqrr4qTT

&&

Page 82: WS Skript 181007

62 2 Wärmeleitung

( ) C68,995

10ln1050210010

25105041010

100T 66

266

1 °=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛⋅

⋅⋅

−−⋅⋅

+= −−

(7) Bemerkungen (für stationäre Zustände): Wenn eine Seite adiabat ist, gilt für die andere Seite mit .konstq =& :

• AV

vqrq ArqVvqvQ &&&&& −=→⋅−=⋅=

2.2.5 Rippen Der Wärmedurchgang durch eine Wand wird von dem Wärmeleitungs-widerstand der Wand sowie den konvektiven Wärmeübergangswiderständen auf der Außen- und Innenseite der Wand bestimmt. Häufig übersteigt der konvektive Wärmeübergangswiderstand auf einer Seite der Wand die beiden anderen Anteile um ein Vielfaches. Eine Verbesserung des Wärmeübergangs zwischen einer Wand und dem Fluid kann durch Vergrößerung der Oberfläche, die mit dem Fluid in Kontakt ist, erfolgen, da dadurch der Wärmeübergangswiderstand sinkt. Eine wirkungsvolle Möglichkeit dazu ist das Anbringen von Rippen, Abb. 2.9. Im allgemeinen ist der Querschnitt der Rippe so klein und die Wärmeleitfähigkeit der Rippe so gut, dass die Temperatur in jedem Querschnitt der Rippe als konstant angesehen werden kann. Dann tritt nur ein Temperaturgradient entlang der Rippe auf.

Page 83: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 63

2.2.5.1 Wärmeleitungsgleichung und Randbedingungen a)

KVb

(x)

dxl

x δ

b)

TT0

Tu

x

c)

x

Q(x).

Q(x) +.

dxdxdQ

.

dxA q

KVdQ =k u

. Udx (T - T)α

Abb. 2.9: (a) Skizze einer Rippe; (b) Temperaturverlauf in der Rippe (c) Kontrollvolumen mit Energieflüssen

Page 84: WS Skript 181007

64 2 Wärmeleitung

Wärmeleitungsgleichung Annahmen:

• Die Rippe sei so dünn und die Wärmeleitfähigkeit so gut, dass die Rippentemperatur nur von x abhängt: T = T(x)

• Der Wärmeübergangskoeffizient α ist überall konstant • λ = konstant

Für das Kontrollvolumen der Länge dx von Abb. 2.9c gilt mit U(x) = Rippen-umfang, Aq = Rippenquerschnitt, die Energiebilanz:

( ) ( ) 0QddxdxQdxQxQ k =+⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛+− &

&&& (2.23)

der konvektive Wärmeübergang ist ( ) ( )TTdxxUQd uk −α=& (2.24) Mit dem Fourierschen Gesetz

( )dxdTAxQ q⋅λ−=&

folgt also:

( ) ( ) 0TTxUdxdTA

dxd

uq =−⋅⋅α−⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅λ (2.25)

Randbedingungen Am Rippenfuß ist die Rippentemperatur mit der Wandtemperatur vorgegeben. An der Rippenspitze kommen drei Fälle in Frage, siehe Tab. 2.5

Page 85: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 65

Tab. 2.5: Randbedingungen für die Temperaturverteilung in der Rippe Rippenfuß x = 0 T = T0

a) ( )uTTdxdT

−α=λ− exakt (2.26)

Rippenspitze x = 1 b) 0dxdT

= Wärmeabgabe der

Rippenspitze vernachlässigbar, konserv. Näherung

c) T = Tu sehr lange Rippen Technisch interessieren vor allem zwei Fragen: (1) Wie groß ist der durch die Rippe abgegebene Wärmestrom? Da der gesamte von der Rippe durch Konvektion abgegebene Wärme-

strom zunächst in den Rippenfuß geleitet werden muss, gilt:

( ) ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛λ−===

=0xq0R dx

dT0xAQQ && (2.27)

(2) Wie groß ist der Wirkungsgrad der Rippe? Der von der Rippe maximal durch Konvektion abzuführende Wärme-

strom wird erreicht, wenn die Rippenoberflächentemperatur überall konstant gleich T0 ist.

( )uoRmax,R TTAQ −α⋅=&

Damit wird max,R

RR Q

Q&

&=η (2.28)

Page 86: WS Skript 181007

66 2 Wärmeleitung

2.2.5.2 Rippen konstanten Querschnittes, Aq = konst. Für konstanten Rippenquerschnitt und konstanten Umfang U der Rippen reduziert sich (2.25) auf:

( ) 0TTAU

dxTd

uq

2

2

=−⋅λ⋅α

− (2.29)

Mit uTT −=θ (2.30) und

q

2

AUm

⋅λ⋅α

= (2.31)

folgt

0mdxd 2

2

2

=θ⋅−θ (2.32)

Temperaturverteilung Die allgemeine Lösung der DGL ist mx

2mx

1 eCeC +− ⋅+⋅=θ (2.33) Mit den RB. T = T0 bei x = 0 und dT/dx = 0 bei x = l ergeben sich die Konstanten C1 und C2 zu:

mlml

ml0

2mlml

ml0

1 eeeC;

eeeC

− +⋅θ

=+⋅θ

=

Die Temperaturverteilung lautet

( ) ( ) ( )q

2u0u A

Um;lmcoshxlmcoshTTTT

⋅λ⋅α

=⋅

−−=− (2.34)

Page 87: WS Skript 181007

2.2 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 67

Abgegebener Wärmestrom Der Wärmestrom, der von der Rippe abgegeben wird, ist der Wärmestrom der dem Rippenfuß zugeführt wird, siehe (2.27).

( ) ( )lmtanhTTUAdxdTAQQ u0q

0xq0R ⋅−⋅⋅λ⋅α=⋅λ−==

=

&& (2.35)

Man erkennt: Q& steigt: - mit der Wurzel von α, λ, Aq, U - proportional zu (T0 - Tu)

- mit ⎟⎟

⎜⎜

⎛⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⋅λ⋅α lAUtanh

2/1

q

( ) 65,2lm für 99,0mltanh ≥⋅≥ Rippenwirkungsgrad Der Rippenwirkungsgrad ist das Verhältnis von abgegebenem Wärmestrom zu maximal abgebbarem Wärmestrom, siehe Gl. (2.28).

Hier ergibt sich : ( )ml

mltanhR =η (2.36)

2.2.5.3 Oberflächenwirkungsgrad und thermischer Widerstand berippter Oberflächen

Für die Analyse mittels thermischen Schaltkreises ist es nützlich, einen Aus-druck für den thermischen Widerstand einer Rippe zu haben.

( )[ ]RR

u0

R

u0O A/1

TTR

TTQη⋅⋅α

−=

−=& (2.37)

Dieser thermische Widerstand berücksichtigt die Wärmeleitung entlang der Rippe und die Konvektion. Es gibt zwei parallele Wege der Wärmeübertragung einer berippten Ober-fläche. Ein Weg führt durch die Rippen und der andere durch die unberippte Oberfläche zwischen den Rippen. Die beiden Konduktivitäten sind also

Page 88: WS Skript 181007

68 2 Wärmeleitung

additiv. Oft ist die Wärmeübertragung von der unberippten Oberfläche vernachlässigbar. Der Wärmestrom von der berippten Oberfläche zum maximal möglichen Wärmestrom ist der Oberflächenwirkungsgrad. Ist A die Gesamtfläche, z die Anzahl der Rippen und AR die Rippen-oberfläche, so gilt: ( )u0max TTAQ −α⋅=& (2.38) ( ) ( )u0RRR TTAzAzAQ −α⋅η⋅+⋅−=& (2.39)

( )⎥⎦⎤

⎢⎣⎡ η−

⋅−==η R

R

maxO 1

AAz1

QQ&

& Oberflächenwirkungsgrad (2.40)

Für die Auslegung berippter Oberflächen ist diese Formel sehr nützlich.

2.2.5.4 Wirtschaftlichkeit Eine Berippung ist nur wirtschaftlich, wenn der resultierende Wärmestrom Q& erheblich größer ist als der von der unberippten Fläche abgegebene Wärme-strom Q& oR , denn die Rippen verursachen Material- und Fertigungsaufwand. Mit (2.38) , (2.40) und ( )u0oRoR TTAQ −α⋅=& erhält man:

( )⎥⎦⎤

⎢⎣⎡ η−

⋅−=η⋅= R

R

oRO

oRoR

1AAz1

AA

AA

QQ&

& (2.41)

Page 89: WS Skript 181007

2.3 Stationäre Wärmeleitung (eindimensional) 69

Im allgemeinen gilt in der Praxis:

30AA2

oR

≤≤

95,07,0 o ≤η≤ (2.42)

1AAz

21 R ≤

⋅≤

17,0 R ≤η≤ Die Rippenlänge l wird durch ηR begrenzt. Die Rippenzahl wird dadurch begrenzt, dass bei zu eng stehenden Rippen α abnimmt, und damit auch Q& . Der von den Rippen abgegebene Wärmestrom nimmt zunächst mit der Rippenzahl zu. Schließlich wird der Rippenabstand so klein, dass der Wärmeübergang an die Umgebung sinkt, siehe Abb. 2.10.

Die Optimierung von Rippen ist ein sehr komplexes Gebiet, da die Rippen den Wärmeübergang beeinflussen. Sie ist im allgemeinen nur experimentell durchzuführen.

resultierender Wärmestrom

Wärmestrom von unberippter Fläche

tech. interessanter Bereich

Q

Anzahl der Rippen z

.

Abb. 2.10: Wirksamkeit von Rippen in Abhängigkeit von der Rippenzahl

Page 90: WS Skript 181007

70 2 Wärmeleitung

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) In der Technik treten häufig Vorgänge mit zeitlich veränderlichen thermischen Randbedingungen auf, z.B. Abkühlvorgänge. Im Gegensatz zur stationären Wärmeleitung ändert sich dabei die innere Energie des Körpers. Exemplarisch betrachten wir eine Platte. Sie kühlt sich von ihrer Anfangs-temperatur TA auf die Umgebungstemperatur TU < TA ab.

s

T ( t < 0 , x ) = T = konst.

T ( t = t , x ) ; t > 0

T ( t = t , x ) ; t > t

T - TT - T

A

U

U

12

A

1 1

2

1

0

x

q ( t ) = ( T (t) - T ).

a Wα U

T (t)W

Abb. 2.11: Instationäre Abkühlung einer Platte, Temperaturverteilung zu

verschiedenen Zeiten, Wärmeleitfähigkeit der Platte λ, Wärme-leitfähigkeit der Umgebung λa,

Randbedingung: Kontinuität von q& :

)T)t(T(dxdT

dxdTq UWa

2/sx

aa

2/sxx −α=λ−=λ−=

==

& (2.43)

Für andere Körper ist s durch die entsprechende charakteristische Ab-messung des Körpers zu ersetzen. Die Wandtemperatur Tw(t) = T(t, x = ± s/2) ist eine Funktion der Zeit.

Page 91: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 71

Mit der Näherung

( ) ( )2/s

tT0x,tTxT w−=

≅∂∂

ergibt sich aus (2.43) die Beziehung

( ) ( )λ

α≅

−−= sT)t(T

)tT0x,tT(2 a

UW

w (2.44)

Sie kennzeichnet das Verhältnis von innerem zu äußerem thermischen Widerstand und wird Biotzahl genannt.

ath

itha

RRsBi =

λ⋅α

= (2.45)

Es lassen sich drei Fälle unterscheiden:

(1) 1sBi a <<λ⋅α

= : Tw(t) ≅ T(t, x = 0) (2.46)

Temperaturunterschiede im Körper sind vernachlässigbar: T(x, t) ≅ T(t). Der Körper kühlt sich global ab.

(2) 1sBi a >>λ⋅α

= : Tw(t) ≅ Tu (2.46b)

Die Wandtemperatur nimmt sofort die konstante Um-gebungstemperatur an. Der Kern des Körpers wird nur langsam von der veränderten Randbedingung erfasst.

(3) 1sBi a ≅λ⋅α

= : UWW T)t(TT)0x,t(T −≈−= (2.46c)

Page 92: WS Skript 181007

72 2 Wärmeleitung

2.3.1 Plötzliches Kühlen oder Erwärmen (ρ, λ, c = konst.: konstante Stoffwerte)

Für die Platte werden für die drei Fälle die Temperaturverteilung und der Wärmestrom (abgegeben oder zugeführt) angegeben:

(1) Bi << 1: a

a,thi,th1s ; RR

α<<

λ<<

Temperaturprofil:

s

x

T ( t ≤ 0, x ) = T A

T ( t > 0, x ) ≈ T ( t )

T u

Differentialgleichung für die T-Verteilung: Aus Energiebilanz plus Zustandsgleichung dU = ρ⋅c⋅V dT folgt:

( )ua TTAdtdTVc −⋅α−=⋅⋅ρ (gilt für alle Körper) (2.47)

Achtung: Das Fouriersche Gesetz wird nicht benötigt, da nur globales T(t)

berechnet werden soll. Die DGL gilt für alle Körper Anfangsbedingung:

T(t = 0, x) = TA (2.48a) 1 Anfangsbedingung reicht zur Lösung der DGL. Die Temperatur ist keine Ortsfunktion T(t > 0, x) = T(t) (2.48b)

Page 93: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 73

Lösung:

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅⋅ρ

⋅⋅α−=

−−

VctAexp

TTTT a

uA

u (2.49)

bzw:

[ ]GFoBiexpTTTT

uA

u ⋅⋅−=−− (2.50)

• Fourierzahl (dimensionslose Kontaktzeit); Fo

22 sta

sctFo ⋅

=⋅⋅ρ⋅λ

= (2.51)

• Biotzahl (innerer zu äußerer thermischer Widerstand); Bi

λ⋅α

=sBi a (2.52)

• Geometrische Kennzahl G

Für die Platte, Zylinder und Kugel ergeben sich die einfachen Beziehungen:

2 Platte, s = Dicke

V

sAG ⋅= 4 Zylinder, s = d

6 Kugel, s = d

(2.53)

Für andere Körper kann G ebenfalls ausgewertet werden Bemerkungen: • Die Annahme Bi << 1 ist in guter Nährung erfüllt für Bi ≤ 0,1 • Die beiden dimensionslosen Kennzahlen Fo und Bi treten immer nur als

Produkt mit der Geometriezahl G auf, G ⋅ Fo ⋅ Bi

Page 94: WS Skript 181007

74 2 Wärmeleitung

(2) Bi >> 1: a,thi,th RR >> Temperaturprofil:

Fo =λ ⋅ t

c s 2ρ<< 1

T ( t ≤ 0, x ) = T A

T ( t > t , x)

2

1

sx

T ( t > t , x)

T ( t > 0 , x)

1

23

T ( t > 0 , s/2) = T UW

Differentialgleichung für die Temperaturverteilung: Aus der allgemeinen DGL der instationären Wärmeleitung Gl. (2.5) folgt für die Platte (eindimensional)

2

2

xTa

tT

∂∂

=∂∂

a = λ / ρ⋅c

(2.54)

Anfangsbedingung:

T(t = 0, x) = TA (2.55) Randbedingungen:

T(t > 0, x = s/2) = Tu (2.56a)

0xT

0x,0t=

∂∂

=> (2.56b)

Page 95: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 75

Allgemeine Lösung:

( )Fo4

2n

21n

1nuA

u

2

esxncos

n114

TTTT ⋅⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ π

−−

=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ π

−π

=−

−∑

n = 1, 2, 3, ..

(2.57)

Hier tritt nur die Kennzahl Fo auf. Bi ist eine Kennzahl der Randbedingung, die hier wegen konst.TT UW == nicht auftritt. Asymptotische Lösung: (2.1) Fo << 1 (kleine Kontaktzeiten)

( )η=π

=−

−∫η

− erfdze2TTTT

0

z

uA

u 2

(Errorfunction) (2.58)

η =−

⋅ ⋅s x

a t/ 2

2 (2.59)

( )2/sxx

TAtQ=∂

∂⋅λ−=&

( )= ⋅⋅ ⋅

−A c

t T TA uπλ ρ

(2.60)

b c= ⋅ ⋅λ ρ : Eindringkoeffizient ( )[ ]s W m K1 2 2/ / (2.61)

Bemerkungen:

• Für Fo << 1 gilt (2.58) für alle Körper! Keine Abhängigkeit der T-Profile von der Körperform, da auf sehr kleine Zone am Rand beschränkt.

• Die Lösung gilt für halbunendliche Körper für alle Fo - Zahlen.

• Die Lösung (2.58) lässt sich durch die Transformation ta2x2/s⋅⋅

−=η aus

(2.57) gewinnen

Page 96: WS Skript 181007

76 2 Wärmeleitung

Stoffart

b [s1/2W/(m2K)]

Kupfer Eisen Beton Wasser Holz Schaumstoff Glas

36000 15000

1600 1400

400 40

6 (2.2) Fo >> 1 (große Kontaktzeiten)

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅π⋅

π=

−− ⋅π−

sxcose4

TTTT Fo

uA

u 2

(2.62)

( ) ( )uAFo TTe

sA4tQ

2

−⋅⋅λ

⋅= ⋅π−& (2.63)

(3) Bi ≈ 1: a,thi,th RR ≈ Temperaturprofil:

T ( t ≤ t , x ) = T0 A

T ( t )

T ( t > t , x )0

Tu

x Differentialgleichung (Energiebilanz):

sx ;

staFo ; 22

2

=ξ⋅

==τξ∂

Θ∂=

τ∂Θ∂ ;

UA

U

TTTT

−−

=Θ (2.64)

Page 97: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 77

Anfangsbedingung:

1),0( =ξ=τΘ (2.65) Randbedingungen:

Bi;02/10,0

−=ξ∂Θ∂

=ξ∂Θ∂

=ξ=ξ>τ

(2.66)

Allgemeine Lösung:

( ) ( )Fo4

1n nnn

nn

uA

u 2ne

cossins/x2cossin2

TTTT ⋅δ⋅−

=∑

δ⋅δ+δ⋅δ⋅⋅δ

=−

−=Θ (2.67)

mit δn:

2Bi

2stan a

nn =λ⋅⋅α

=δ⋅δ (2.68)

Bemerkungen:

• Näherungslösungen werden in Kap.2.3.3 angegeben • In der Lösung treten Fo und Bi als Kennzahlen auf • In der DGL tritt Fo, in den RB Bi auf

Beispiel 2.5: Aufgabe: Nach welcher Zeit wird bei plötzlicher Abkühlung einer sehr dicken Platte innerhalb der Platte die halbe Sprungtemperatur (T-Tu)/(TA-Tu) = 1/2 in einem Abstand von y1 = 1cm, y2 = 1dm, y3 = 1m von der Wand erreicht? Die Platte besteht aus a) Cu, b) Fe, c) Glas, d) Holz.

Page 98: WS Skript 181007

78 2 Wärmeleitung

Lösung: (1) Bekannt: sehr dicke Platte aus unterschiedlichen Materialien T(t = 0, y) = TA (2) Gesucht:

t für ( )21

TTTy,tTuA

u =−

(3) Skizze:

(4) Annahmen: • eindimensional, konstante Stoffwerte • Bi >> 1 → TW ≈ TU • Fo << 1 (5) Stoffwerte:

pc

a⋅ρλ

= aus Tabelle

(6) Analyse:

2

2

yTa

tT

∂∂

=∂∂

AB: T(t = 0, y) = TA

T -T

T -T1

y y y = s - x

2 21

2

1

u

u

A

Page 99: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 79

RB: Tw = Tu = konst. ; 0yT

2/sy

=∂∂

=

Lösung (für kleine Kontaktzeiten, Fo << 1) ; Gl. (2.58)

( )21erf

TTTT

uA

u =η=−−

( ) 477,021erf =η→=η aus Tabelle

ay1,1t;1,1

41

yta

ta4y 2

22

22 ⋅

==η⋅

=⋅

→⋅⋅

a[10-6 m2/s] y1 = 1 cm y2 = 1 dm y3 = 1 m

Cu 107 Fe 16,3 Glas 0,61 Holz 0,139

1,03 s 6,77 s

2,97 min 13,2 min

1,72 min 11,3 min 4,95 h 22,0 h

2,87 h 18,8 h 26,6 h 92,6 h

(7) Bemerkungen: • Beachte: Verhältnis der Zeiten von Cu und Holz für y1 = 1cm: tCu/tH ≈ 1/770 y3 = 1m: tCu/tH ≈ 1/32

2.3.2 Nusseltzahl Die Nusseltzahl bezeichnet den dimensionslosen Temperaturgradienten an der Wand bzw. den dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten. Wir ent-dimensionieren die Temperatur bei instationären Vorgängen mit dem Temperaturunterschied zwischen mittlerer Körper- und Umgebungs-temperatur ( T (t)-Tu) und die Längskoordinate mit der charakteristischen Länge, d.h. der Dicke bei der Platte und dem Durchmesser für Zylinder oder Kugel, also s bzw. d.

Page 100: WS Skript 181007

80 2 Wärmeleitung

Nusseltzahl:

( ) ( )( )

( )( )( )

Wyu

sy

)s/y(TtT

s/y/TstTA

tQtNu∂

Θ∂=

∂∂=

λ⋅

∆⋅= =

& (2.69)

zeitlich gemittelte Nusseltzahl:

( ) ( )dttNut1tuN

1t

011 ∫= (2.70)

( ) ( )( )

u2/s

2/s

2/s

2/su T

dxc

dxx,tTcTtTtT −

⋅ρ

⋅⋅ρ=−=∆

− (2.71)

mit ρ, c = konst.

( ) ( ) u

2/s

2/sTdxx,tT

s1tT −=∆ ∫

(2.72)

2.3.3 Näherungslösungen

2.3.3.1 Grenzfälle Bi << 1 und Bi >> 1 Damit ergeben sich für die Grenzfälle: (1) Bi << 1 : ( ) ( )tTtTw ≅ Gl. (2.46a)

( ) ( )( )( )

( )( )( )( ) .konstBi

TtTTtTs

TtTAstQtNu

u

uwa

u==

−−

⋅λ

⋅α=

−λ⋅⋅

=&

(2.73)

( ) BituN = gilt für alle Körper (2.74)

Page 101: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 81

(2.1) Bi >> 1, Fo << 1 : UW TT ≅ Gl. (2.46b)

( ) ( )( ) Fo

1tcs

TTAstQtNu

uA ⋅π=

⋅λ⋅ρ

π=

−λ⋅⋅

=&

(2.75)

( )Fo

2tuN⋅π

= gilt für alle Körper (2.76)

(2.2) Bi >> 1, Fo >> 1 : Gl.(2.62) ( ) dxsx cose4

s1

TTTtT Fo

2/s

2/suA

u 2

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛π⋅⋅

π=

−− ⋅π−

−∫

( ) ( )( )( )uTtTA

stQtNu−λ⋅

⋅=

& ( ) 2TtT

TTe42

u

uAFo2 π=

−−

⋅⋅= ⋅π− (2.77)

( ) ( )2

tNutuN2π

== gilt nur für die Platte (2.78)

(2.3) Bi >> 1; 0 < Fo < ∞ : Durch quadratische Überlagerung ergibt sich eine gute Näherungsformel für Bi >>1 und den gesamten Fourierzahlbereich:

( ) 2CFo4tuN +⋅π

≅ (2.79)

C =

⎢⎢⎢⎢⎢⎢

π⋅

π

Kugel3

2

Zylinder78,5

Platte2

2

2

(2.80)

Page 102: WS Skript 181007

82 2 Wärmeleitung

2.3.3.2 Beliebige Biotzahlen Die Kühlung und Erwärmung von Körpern bei beliebigem Verhältnis von innerem zu äußerem thermischen Widerstand lässt sich in guter Näherung durch eine Kombination der im vorherigen Abschnitt abgeleiteten Beziehungen für Bi << 1 und Bi >> 1 beschreiben.

Mit der Definition des inneren und des äußeren Wärmeübergangs-koeffizienten αi und αa, sowie des Wärmedurchgangskoeffizienten k entsprechend (2.81)

( ) ( ) ( ) ( )( ) ( ) ( )( ) ( ) ( )( )uuwAwi TtTtkTtTttTtTttq −⋅=−⋅α=−⋅α=& (2.81) und der Energiebilanz

( ) ( )dtTdVcAtqtQ ⋅⋅ρ−=⋅= && (2.82)

folgt

( ) ( )( ))t(

1)t(

1)t(k

1;TtTVcAtk

dtTd

aiu α

=−⋅⋅ρ⋅

−= (2.83)

Q(t). T

Q(t).

T (t )

T

x

T(t )1

1

u

A

Abb. 2.12: Näherungsweise Berechnung der Abkühlung von

Körpern

Page 103: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 83

Nehmen wir zunächst an: k(t) = k = konst., so erhalten wir formal als Lösung für das Temperaturfeld Gl. (2.49) mit k anstatt αA

( )⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅⋅ρ

⋅−=

−− t

VcAkexp

TTTtT

uA

u (2.84)

Mit V

sAG ⋅= und

Nu1

Bi1

sssk iA+=

⋅αλ

+⋅α

λ=

⋅λ folgt:

Nu1

Bi1

FoG

ss

FoGFoGskVctAk

iA+

⋅=

⋅αλ

+⋅α

λ⋅

=⋅⋅λ⋅

=⋅⋅ρ⋅⋅

(2.85)

Eine gute Näherungsformel für alle Bi und Fo ist mit (2.79) und (2.80)

2CFo4

1Bi1

FoGVctAk

+⋅π

+

⋅=

⋅⋅ρ⋅⋅ (2.86)

G =

⎥⎥⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢⎢⎢

6

4

2

; C =

⎢⎢⎢⎢⎢⎢

π⋅

π

Kugel3

2

Zylinder78,5

Platte2

2

2

Die abgegebene Wärmemenge bis zum Zeitpunkt t = t1 berechnet sich damit aus der Änderung der inneren Energie zu:

( ) ( ) ( )( )1A01 tTTVcttUttUQ −⋅⋅ρ−==−== (2.87) Aus (2.84) folgt weiterhin:

( ) tVc

AkTTTtT lnuA

u

⋅⋅ρ⋅

−=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−− (2.88)

Page 104: WS Skript 181007

84 2 Wärmeleitung

und damit

1lm t∆TAkQ ⋅⋅⋅−= (2.89) lmT∆ : logarithmische Temperaturdifferenz

( ) ( )( )( ) ( )( )[ ]u1uA

u1uAlm TtT/TTln

TtTTTT−−−−−

=∆ (2.90)

Beispiel 2.6: Aufgabe: CrNi - Stahl und Buchenholz werden in Berührung gebracht. Welche Temperatur stellt sich an der Kontaktfläche ein, wenn der Stahl die Temperatur 100°C und das Holz die Temperatur 30°C hat? Die Stoffdaten von Buchenholz und CrNi - Stahl sind wie folgt gegeben: ρ

[kg/m3] cp

[J/kgK] λ

[W/mK] a

[10-6m2/s]

b [Ws1/2/Km2]

Buchenholz 700 2020 0,35 0,25 700CrNi-Stahl 7800 502 15 3,75 7590 Lösung: (1) Bekannt: Temperatur Stahl: T1 = 100°C Temperatur Holz: T2 = 30°C (2) Gesucht: Tm nach Kontakt

Page 105: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 85

(3) Skizze:

(4) Annahmen: • 2 halbunendliche Körper • plötzlicher Kontakt • kein Kontaktwiderstand (5) Stoffwerte: λ, ρ, cp, a, b gegeben (6) Analyse: bei Kontakt:

dxdT

dxdT 2

21

1 λ=λ

mit m2m1m TTT == , (2.60) und (2.61) folgt

( ) ( )2m222

m1111 TT

tcTT

tc

AQ

−⋅ρ⋅λ

=−⋅ρ⋅λ

=π− &

1

2

2m

m1

bb

TTTT

=−−

( ) ( ) 22m1m1 bTTbTT −=−

( ) 221121m bTbTbbT ⋅+⋅=+

21

2211m bb

bTbTT+

⋅+⋅=

StahlHolz

T

T

T

x

2

1

m

Page 106: WS Skript 181007

86 2 Wärmeleitung

Die Temperatur Tm liegt näher bei der Temperatur des Körpers mit dem größeren Eindringkoeffizieten b

C948290

700307590100Tm °=⋅+⋅

=

(7) Bemerkungen: Beim Kontakt wird die Kontakttemperatur zu der Temperatur mit dem höheren Eindringkoeffizienten gezogen.

D.h. → In der Sauna macht man die Bänke nicht aus Stahl, sondern aus Holz

2.3.4 Bewegte Festkörper Wir betrachten einen Draht mit dem Durchmesser d (oder auch ein Band der Dicke s, eine Kugel des Durchmessers d), der mit der Geschwindigkeit w

r

durch ein Kühlmittelbad der Temperatur Tu und der Länge l gezogen wird, Abb. 2.12. Beim Eintritt in das Kühlmittelbad sei die Temperatur über dem Querschnitt des Drahtes TA = konst. Zu bestimmen ist die Temperatur-verteilung im Querschnitt des Drahtes und die mittlere Temperatur an irgendeiner Stelle z > 0.

Page 107: WS Skript 181007

2.3 Instationäre Wärmeleitung (eindimensional) 87

Abb. 2.13: Schema zur Wärmeübertragung an einen mit der Geschwindigkeit wr

bewegten Draht; ruhendes Koordinatensystem. An einem Ort z1, r1 herrscht immer die gleiche Temperatur.

Wir betrachten die Energiebilanz für das ruhende Kontrollvolumen ABCD. Die allgemeine Energiebilanz lautet: Die zeitliche Änderung der Energie (E = U + Ekin) ist gleich der Differenz von eintretendem und austretendem Energiestrom (E& ein - E& aus = ∆E& ), plus zugeführtem Wärme- und Arbeitsstrom WQ && + .

( ) ( ) ( ) WQEUEUEUt auskineinkinkin

&&&&&& +++−+=+∂∂ (2.91)

Da der Draht mit der konstanten Geschwindigkeit w

r durch das Bad gezogen

wird, handelt es sich um ein stationäres Problem:

0t

≡∂∂ (2.92)

Für die Ströme an kinetischer und innerer Energie an den Kontrollvolumen-grenzen gilt:

( ) ( )auskineinkin EE && = (2.93)

dVzTcwAdwTcUU

KA KV

ausein ∫ ∫ ∂∂

⋅⋅ρ−=⋅⋅⋅ρ−=−rr&& (2.94)

d

B

A

T(z ,r)

T (z=0)

T T

C

D

q.

1

A

z

r

u u

1

1

z

T (z )w

dA

w→

dA

Page 108: WS Skript 181007

88 2 Wärmeleitung

Vernachlässigt man den Arbeitsstrom, die Leistung der Oberflächenkräfte (Druck-, Reibungskräfte) und der Volumenkräfte gegenüber dem sehr viel größeren Wärmestrom Q& QW && <<

( )dVgradT divAdqQVA

∫∫ λ=⋅−=rr

&& (2.95)

so folgt als Energiebilanz des Kontrollvolumens:

( ) 0gradTdivzTcw =λ−

∂∂

⋅⋅ρ (2.96)

bzw. mit dz = w⋅dt

( ) 0gradTdivtTc =λ−

∂∂

⋅ρ (2.97)

Mit diesen Einschränkungen ist die Wärmeübertragung durch stationäre Wärmeleitung an bewegte Festkörper zurückgeführt auf ein instationäres Wärmeleitungsproblem eines ruhenden Festkörpers. Für die Temperaturverteilung gelten die Lösungen der Wärmeleitungs-gleichung entsprechend den unterschiedlichen Randbedingungen, wenn man t durch z/w ersetzt. Für die Fourierzahl (dimensionslose Kontaktzeit) erhält man:

sz

Pe1

sz

wsa

staFo 2 =

⋅=

⋅= (2.98)

mit der Pecletzahl

a

swPe ⋅= (2.99)

Pecletzahl = Reynoldszahl × Prandtlzahl

Reynoldszahl ν

=swRe ∼

aftReibungskrraftTrägheitsk (2.100)

Prandtlzahl a

Pr ν= ∼

Diffusion thermischeusionImpulsdiff (2.101)

Page 109: WS Skript 181007

3 Diffusion Unter Diffusion versteht man den Massentransport einer Komponente eines Gemisches relativ zur mittleren Bewegung des Gemisches. Sie tritt in Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern auf. Diffusionsvorgänge treten auf, wenn örtliche Konzentrationsunterschiede vorhanden sind. Es ist also mehr als eine Stoffkomponente vorhanden. Diffusion kann in ruhenden oder bewegten Systemen vorkommen, wobei sich in letzteren der relativen Bewegung eine von außen aufgeprägte Strömung überlagert. Im Rahmen der Vorlesung werden binäre Gemische A/B und Stofftransport nur aufgrund von Konzentrationsunterschieden (gewöhnliche Diffusion) betrachtet, da diese technisch am wichtigsten ist. Immer wenn bei einer Mehrkomponenten-Diffusion ein Stoff in kleiner Konzentration vorhanden ist, kann das übrige Gemisch praktisch als eine einzige Komponente betrachtet werden, so dass die binäre Diffusion eine sehr gute Näherung ist. Diffusion kann isotherm oder nichtisotherm auftreten. In der Praxis tritt Diffusion häufiger mit Temperaturgradienten auf. In diesem Fall ändert sich der Diffusionskoeffizient mit dem Ort, da er temperaturabhängig ist. Das Temperaturfeld und das Konzentrationsfeld sind gekoppelt. Im Rahmen dieser Vorlesung werden ausschließlich konstante Diffusionskoeffizienten, d.h. isotherme Diffusion behandelt. Bevor Angaben über die Stoffübertragung in einer Phase durch Diffusion gemacht werden, werden die notwendigen Begriffe eingeführt. Insbesondere werden Konzentrationsmaße, Geschwindigkeiten und Stromdichten definiert. Darauf aufbauend wird das Ficksche Gesetz erläutert. Aus der Stoff-erhaltungsgleichung und dem Fickschen Gesetz ergibt sich die Differential-gleichung (DGL) für die Komponenten-Konzentration. Auf die verschiedenen möglichen Randbedingungen, die zur Lösung der DGL notwendig sind, wird besonders eingegangen. Es werden technisch relevante Beispiele für stationäre und instationäre Diffusion dargestellt. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der Annahmen, DGL und Randbedingungen. Im Gegensatz zu den einfachen vorgestellten Beispielen lassen sich die meisten technisch relevanten Stoffübertragungsprobleme jedoch nicht analytisch lösen, sondern es sind numerische Verfahren (z.B. Finite-Elemente-Methode, Finite-Differenzen-Methode) zur Lösung notwendig. Sie sind nur anwendbar, wenn die Stoffdaten (z.B. DAB) für das betrachtete Problem bekannt sind.

Page 110: WS Skript 181007

90 3 Diffusion

3.1 Definitionen und Begriffe Im folgenden sind die Definitionsgleichungen für Konzentrationsmaße, Geschwindigkeiten und Stromdichten, sowie nützliche Relationen zusammengestellt. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Masseneinheit (kg) oder die Stoffmengeneinheit (mol: also Anzahl der Moleküle) Grundeinheit ist. Die Tabellen beschränken sich auf binäre Systeme.

3.1.1 Konzentrationsmaße Tab. 3.1: Konzentrationsangaben in binären Systemen Bezeichnung/Gleichung Dim Name a) Masse

AM [kg] Masse der Komponente A

VMA

A =ρ

[kgA/m3]

Massendichte der Komponente A

V

MMVM

BABA ρ+ρ=

+==ρ

[kg/m3]

Massendichte des Gemisches A und B

ρρ

== AAA M

Mx [kgA/kg] Massenanteil von A an der Gesamtmasse (flüssige Phase)

ρρ

== AAA M

My [kgA/kg]

Massenanteil von A an der Gesamtmasse (gasförmige Phase)

AM~ [kg/mol] Molmasse, molare Masse

Page 111: WS Skript 181007

3.1 Definitionen und Begriffe 91

b) Stoffmenge

AN [mol] Stoffmenge der Komponente A

VNn A

A = [molA/m3] Molendichte der Komponente A

BABA nn

VNN

VNn +=

+== [mol/m3] Molendichte des Gemisches von A

und B

nn

NNx~ AA

A == [molA/mol] Stoffmengenanteil von A an der gesamten Stoffmenge (flüssige Phase)

nn

NNy~ AA

A == [molA/mol] Stoffmengenanteil von A an der gesamten Stoffmenge (gasförmige Phase)

Diese Definitionen lassen sich in analoger Form auch für Mehrkomponenten-systeme verwenden. Tab. 3.2: Beziehungen zwischen Konzentrationsmaßen

Masse Stoffmenge

1yyxx BABA =+=+

1y~y~x~x~ BABA =+=+

Flüssigkeit:

BBAA

AAA M~x~M~x~

M~x~x+

=

Flüssigkeit:

BBAA

AAA M~xM~x

M~xx~+

=

2BBAA

BAAA )M~x~M~x~(

M~M~x~ddx+⋅

= ( )2BBAABA

AA

M~xM~xM~M~dxx~d

+=

Gas:

BBAA

AAA M~y~M~y~

M~y~y+

=

Gas:

BBAA

AAA M~yM~y

M~yy~+

=

2BBAA

BAAA )M~y~M~y~(

M~M~y~ddy+⋅

= ( )2BBAABA

AA

M~yM~yM~M~dyy~d

+=

Page 112: WS Skript 181007

92 3 Diffusion

3.1.2 Geschwindigkeiten Bei der Definition der Geschwindigkeiten ist zwischen der (mittleren) Ge-schwindigkeit der einzelnen Komponente Aw

r und einem geeigneten Mittel-

wert der Geschwindigkeit des Gemisches (wr

bzw. *wr

) zu unterscheiden. Letzterer setzt sich aus den Geschwindigkeiten der Komponenten zusammen, wobei eine Wichtung entweder mit der Massendichte oder mit der Molendichte der entsprechenden Komponente vorgenommen wird. Man spricht von der Massengeschwindigkeit (w

r) bzw. Molengeschwindigkeit ( *w

r)

des Gemisches. Weiterhin muss angegeben werden, auf welches Koordinatensystem sich die Geschwindigkeit der einzelnen Komponente bezieht. Bezieht sie sich auf das ortsfeste (ruhende) Koordinatensystem, wird von Absolutgeschwindigkeit ge-sprochen. Bezieht sich die Geschwindigkeit der Komponente dagegen auf das Bezugs-system, das sich mit der mittleren Massen- oder Molengeschwindigkeit des Gemisches mitbewegt, wird von Relativgeschwindigkeit ( *

rel,Arel,A w,wrr

) gesprochen. Das Fick´sche Gesetz gilt nur in Bezugssystemen, die sich mit der mittleren Massen- oder Molengeschwindigkeit des Gemisches mitbewegen. Tab. 3.3: Definitionen der Geschwindigkeiten

Bezeichnung/Gleichung Dim Name

Awr

[m/s] Absolutgeschwindigkeit von A im orts-festen Koordinatensystem (KOS)

( )

BBAA

BBAA

wxwx

wwwrr

rrr

+=ρ

ρ+ρ=

[m/s] Mittlere Massengeschwindigkeit des

Gemisches im ortsfesten KOS

( )

BBAA

BBAA*

wx~wx~n

wnwnwrr

rrr

+=

+=

[m/s] Mittlere Molengeschwindigkeit des

Gemisches im ortsfesten KOS

www Arel,Arrr

−= [m/s]

Relativgeschwindigkeit von A zur Mas-sengeschwindigkeit w

r des Ge-

misches

*A

*rel,A www

rrr−= [m/s]

Relativgeschwindigkeit von A zur Mo-lengeschwindigkeit *w

r des Gemisches

Page 113: WS Skript 181007

3.1 Definitionen und Begriffe 93

3.1.3 Massen- und Stoffstromdichten Tab. 3.4: Massen- und Stoffstromdichten binärer Systeme Massenstromdichten

Bezeichnung/Gleichung Dim Bedingung Bemerkung )ww(wm rel,AAAAA

rrrr& +ρ=ρ=

)ww(w BBAAA

rel,AArrr

ρ+ρρ

ρ+ρ=

)mm(w BAA

rel,AA

r&

r&

r+

ρρ

+ρ=

mxm Arel,A

r&

r& ⋅+=

kg/( sm2 )

(3.1) Massenstrom-

dichte der Komponente Aim ortsfesten Koordinaten-

system

Sonderfall: äquimassen Diffusion rel,AArel,AA wmm

rr&

r& ρ== kg/( sm2 )

0w =r

rel,AA wwrr

=

(3.1a) Beachte, dass

0w =r

nicht notwendiger weise 0*w =

r

bedeutet. BA mm

r&

r& −=

Sonderfall: einseitige Diffusion

A

rel,AArel,AA x1

mmxmm

−=+=

r&r

&r&

r&

kg/( sm2 ) 0mB =r&

(3.1b)

mmA

r&

r& =

0 wA ≠r

Fick´sches Gesetz der binären Diffusion

( ) rel,AAAArel,A wwwmrrrr

& ρ=−ρ=

AAB xD ∇ρ−= AABD ρ∇−=

kg/( sm2 )

ρ = konst

(3.2) Massenstrom-

dichte der Komponente A

relativ zur Massen-

geschwindigkeit des Gemisches

Page 114: WS Skript 181007

94 3 Diffusion

Stoffstromdichten

Bezeichnung/Gleichung Dim Bedingung Bemerkung )ww(nwnn **

rel,AAAAArrrr

& +==

)wnwn(n

nwn BBAAA*

rel,AArrr

++=

)nn(n

nwn BAA*

rel,AA

r&

r&

r++=

nx~n Arel,A

r&

r& ⋅+=

mol/( sm2 )

(3.3) Molenstrom-

dichte der Komponente Aim ortsfesten Koordinaten-

system

Sonderfall: äquimolare Diffusion

*rel,AArel,AA wnnn

rr&

r& ==

mol/(m2s)

0w* =r

*rel,AA ww

rr=

(3.3a)

BA nnr&

r& −=

Sonderfall: einseitige Diffusion

A

rel,AArel,AA x~1

nnx~nn

−=+=

r&r

&r&

r&

mol/(m2s) 0nB =r&

(3.3b)

nnA

r&

r& =

0 wA ≠r

Fick´sches Gesetz der binären Diffusion

( ) *rel,AA

*AArel,A wnwwnn

rrrr& =−=

AAB x~nD ∇−= AAB nD ∇−=

mol/(m2s)

- -

n = konst

(3.4) Molenstrom-

dichte der Komponente A

relativ zur Molen-

geschwindigkeit des Gemisches

Neben den eigentlichen Definitionen der Massen- und Stoffstromdichten wurde in Tab. 3.4 aus Gründen der Übersichtlichkeit auch das Fick´sche Diffusionsgesetz in die Definitionsgleichung eingesetzt. Es wird erst im folgenden Abschnitt eingeführt. Für Mehrkomponenten-Gemische lassen sich die Gleichungen der Tab. 3.4 nicht analog übertragen. Sie sind erheblich komplexer, da die Stromdichten der einzelnen Komponenten gekoppelt sind, und können der Literatur entnommen werden (z. B. Mersmann: Stoffübertragung)

Page 115: WS Skript 181007

3.1 Definitionen und Begriffe 95

3.1.4 Ideale Gase, ideale Flüssigkeiten und ideale Mischungen Ideale Gase sind durch die thermischen Zustandsgleichungen definiert. Mit dem Druck p und der allgemeinen Gaskonstante R~ = 8,314 J/mol K gilt:

TR~NVp ⋅⋅=⋅ oder TR~np ⋅⋅= (3.5) TR~NVp ii ⋅⋅=⋅ oder TR~np ii ⋅⋅= (3.6)

ppk

1ii =∑

= (3.7)

insbesondere gilt: iii y~

nn

pp

== (ideale Gase) (3.8)

Viele technische Gase verhalten sich in guter Näherung wie ideale Gase, außer bei sehr hohen Drücken (>103 bar) und sehr hohen Temperaturen (Dissoziation, Ionisation). Ideale Flüssigkeiten sind durch n = konst. bzw. ρ = konst. definiert. Viele technische Flüssigkeiten verhalten sich außer bei hohen Drücken in guter Näherung wie ideale Flüssigkeiten. Ideale Mischungen (oder Lösungen) sind dadurch definiert, dass sich die molaren Größen, wie Volumen, Energie, Gesamtdruck, Enthalpie, Wärmekapazität usw. additiv aus den Eigenschaften der Komponenten unter Berücksichtigung des Molanteils zusammensetzen.

( )

( )

( )

=

=

=

=

ii,pip

iii

i

iiii

iiii

cx~c

NHx~N/H

NUx~N/U

NVx~N/V

usw...

(3.9)

Diese Aussage gilt nicht für die freie Energie und freie Enthalpie, wo die Mischungsentropie zu berücksichtigen ist. Die Mischung idealer Gase ist eine ideale Mischung. Da T = konst angenommen wird, werden die kalorischen Eigenschaften nicht gebraucht.

Page 116: WS Skript 181007

96 3 Diffusion

Beispiel 3.1: Aufgabe: In einer Tonröhre, deren Wand mit Wasser gesättigt ist, strömt ein Gas-gemisch aus 32 NH,N und H2O. Der Gesamtdruck beträgt 1bar und die Temperatur der Anordnung beträgt T = 40°C. Der Partialdruck des Wasserdampfes im Gasgemisch entspricht dem Sättigungsdruck von OH2 bei T = 40°C. Ammoniak, dessen Partialdruck Pa 5000=p

3NH beträgt, wird vom Wasser in der Tonwand absorbiert. Der gasseitige Stoffübergangs-koeffizient des NH3 ist =β

3NH )s/m(109.2 3−⋅ , das treibende Konzentrations-

gefälle ∆ 3NH mol/m 1=n

3.

Bestimme die Stoffstromdichte, die Absolutgeschwindigkeit und die Relativ-geschwindigkeit des Ammoniaks. Lösung: (1) Bekannt: • In einer mit Wasser gesättigten Tonröhre strömt bei Pa 10 = p 5 und T = 40°C ein Gasgemisch aus 32 NH ,N und OH2 . • Partialdruck des NH3 im Gemisch: Pa 5000 = p

3NH • Partialdruck des OH2 im Gemisch: C)40 = (T p=p SOH2

°

→ keine Verdunstung von OH2 • Stoffübergangskoeffizient auf der Gasseite: )s/m(109.2 3

NH3

−⋅=β

• treibende Konzentrationsdifferenz 3NH mol/m 1 = n

3∆

(2) Gesucht: )ww(*w,w,n *

NHrel,NHNHNH 3333

rrrrr& −=

Page 117: WS Skript 181007

3.1 Definitionen und Begriffe 97

(3) Skizze:

Tonröhre

H O2 Gemisch: 223

w ,∞

βNH 3

n =NH 3

βNH 3

. nNH 3

r

∆ nNH 3

NH , H O, N

.

(4) Annahmen:

• stationäres, eindimensionales Problem • keine Löslichkeit von OH inN 2 2 , keine Absorption von N2 in wasser-

gesättigter Tonwand, keine Partialdruckdifferenz des Wasserdampfes und N2

→ einseitige Diffusion von 3NH • ideale Gase

(5) Analyse: ANH 3 ≅

sm

mol109.2nn 23

AAA−⋅=∆⋅β=&

AAA nwn ⋅=&

3A

A mmol92.1

KJKmolPa

313314,85000

TR~pn =

⋅⋅⋅

⋅=

⋅=

sm1051.1

molsmmmol

92.1109.2

nnw 3

2

33

A

AA

−−

⋅=⋅⋅

⋅⋅==

&

05.0p

pn

nx~ AAA ===

Page 118: WS Skript 181007

98 3 Diffusion

m/s 1007.0wx~w 3AA

* −⋅=⋅=→ (einseitige Diffusion)

( ) m/s1044.1www 3*A

*rel,A

−⋅=−=

sm

mol1075.2wnn 23*

rel,AA*

rel,A ⋅⋅=⋅= −&

(6) Bemerkungen:

• AA wx~wrr

⋅=∗ • Die einseitige Diffusion bewirkt im Gegensatz zur äquimolaren

Diffusion immer eine mittlere Geschwindigkeit 0w* ≠ , Konvektion. • Die mittlere Geschwindigkeit ist bei sehr kleinen Partialdichten sehr

klein gegenüber der Geschwindigkeit der diffundierenden Komponente

• Wenn 1x~A << , d.h. A* w<< w : → *w oft vernachlässigbar

3.2 Fick´sches Gesetz (binäre Diffusion; Gemisch A, B)

Für die binäre Diffusion existiert nach Fick (1858) ein proportionaler Zusam-menhang zwischen der molaren Diffusionsstromdichte rel,An

r& und dem

Gradienten des Molenbruchs. Der Proportionalitätsfaktor ist das Produkt aus binärem Diffusionskoeffizienten und mittlerer molarer Dichte. Das Gesetz lässt sich sowohl auf der Basis von massenbezogenen Größen, als auch auf der Basis von stoffbezogenen Größen formulieren. Seine Form ist analog zum Fourierschen Gesetz der Wärmeleitung. Bei der Definition der Massen- und Stoffstromdichten in Tab. 3.4 wurde dieses Gesetz bereits eingesetzt.

Page 119: WS Skript 181007

3.2 Fick´sches Gesetz (binäre Diffusion; Gemisch A, B) 99

Masse Gleichung Einheit Bedingung

( ) rel,AAAArel,A wwwmrrrr

& ρ=−ρ=

AABrel,A xDm ∇ρ−=r&

AABrel,A xDm ∇ρ−=r&

skg/m2

ρ = konst

(3.10)

Stoffmenge Gleichung Einheit Bedingung

( ) *rel,AA

*AArel,A wnwwnn

rrrr& =−= smol/m2 - (3.10a)

AABrel,A x~Dnn ∇−=r& -

AABrel,A nDn ∇−=r& n = konst

Der binäre Diffusionskoeffizient DAB beschreibt die Diffusion der Komponente A im Medium B und ist eine Funktion der Stoffe A und B und ihres Zustandes p und T.

ABD =D (Stoff A, Stoff B, p, T): [ ] 12 AB sm= D − (3.11)

Für binäre Gemische gilt wegen

BABA x~dx~d,1x~x~ −==+ und rel,Brel,A nn && −= :

DAB = DBA =D(A, B, p, T) (3.12) Beim binären Diffusionskoeffizienten kann somit die Indizierung entfallen. Das Ficksche Gesetz liefert die Massen- bzw. Molenstromdichte relativ zur mittleren Massen- bzw. Molengeschwindigkeit. Die Massenstromdichte relativ zum ruhenden Koordinatensystem ergibt sich aus:

Masse: mxmm Arel,AA

r&

r&

r& +=

( )4434421

r&

r&

43421

r&

)2(mmx

)1(xDm BAAAABA ++∇ρ−=

(3.13)

Page 120: WS Skript 181007

100 3 Diffusion

Die Massenstromdichte setzt sich aus zwei Anteilen zusammen: (1) dem diffusiven Anteil, aufgrund des Gradienten des Massenanteils Ax (2) dem konvektiven Anteil der Mischung, ausgelöst durch die sich nicht

aufhebenden Massenstromdichten von A und B Analoge Aussagen gelten für die Molenstromdichte: Stoffmenge: nx~nn Arel,AA

r&

r&

r& +=

( )43421

r&

r&

43421

r&

)2(nnx~

)1(x~Dnn BAAAABA ++∇−= (3.13a)

In bestimmten Sonderfällen ergeben sich Vereinfachungen für den Term (2) in Gl. (3.13a): Äquimolare Gegendiffusion:

0wnn *BA =⇒−=

rr&

r& (3.14)

d.h.: AABrel,AA x~Dnnn ∇−==r&

r& (3.15)

Dieser Grenzfall wird als äquimolare (Gegen-)Diffusion bezeichnet. Die mittlere Molengeschwindigkeit ist Null. Für den Stoffübergang in Rektifizierkolonnen ist diese Annahme begründet, da aufgrund der Trouton´schen Regel die molaren Verdampfungsenthalpien in guter Näherung für alle Komponenten konstant sind. Tritt eine Stoffmenge der leichter flüchtigen Komponente aus der Flüssigkeit durch die Phasengrenze in den Dampf über (Verdampfung), so diffundiert die gleiche Stoffmenge der schwerer siedenden Komponente aus dem Dampf (Kondensation) in die entgegengesetzte Richtung.

Page 121: WS Skript 181007

3.2 Fick´sches Gesetz (binäre Diffusion; Gemisch A, B) 101

Einseitige Diffusion:

*AB wnnn0n

rr&

r&

r& ==⇒= (3.16)

d.h.: AA

ABA x~

x~1Dnn ∇−

−=r& (3.17)

Dieser Fall heißt einseitige Diffusion. Es muss eine mittlere Molen-geschwindigkeit auftreten, wenn eine Komponente ruht und die andere sich bewegt (diffundiert). Einseitige Diffusion tritt auf, wenn eine Phasengrenze nur für die Komponente A durchlässig ist. Diese Annahme stellt eine gute Näherung für folgende Fälle dar: Absorption, wenn eine Gaskomponente (das Absorbtiv) in eine Flüssigkeit diffundiert; Trocknung fester Stoffe, weil nur die dampfförmige Feuchtigkeit aus dem Trockengut in den umgebenden Gasraum übertritt, nicht aber das Gas in das Trockengut eindringt. Verdunstung einer Flüssigkeit, weil Dampf in den Gasraum übertritt, nicht aber (nennenswert) Gas in die Flüssigkeit. Aus dem Fick´schen Gesetz allein lässt sich jedoch bei einem Stofftransport-problem noch keine Konzentrationsverteilung berechnen. Erst durch die Verbindung mit der Erhaltungsgleichung für die Stoffkomponenten und durch Vorgabe von geeigneten Randbedingungen kann das Problem gelöst werden (vgl. Kap. 4).

Page 122: WS Skript 181007

102 3 Diffusion

3.3 Differentialgleichung für die Partialdichte bzw. Konzentration

Komponenten-Massenbilanz:

dMdt

A

ρAA

w⋅

=

dA

R = dVAA

.

∂ρ∂

At∫

dVV

V

r.

→→

Die zeitliche Änderung der Masse der Komponente A im ortsfesten Kontroll-volumen V ist gleich der Differenz zwischen ein- und austretendem Massen-strom der Komponente A über die Kontrollraumgrenze plus der Erzeugungs-rate der Komponente A im Kontrollvolumen

( ) ∫∫∫ +⋅ρ−=∂

∂ρ=

VA

MM

AAA

V

AA dVrAdwdVtdt

dM

Aus,AEin,A

&

44 344 21

rr

&&

(3.18)

Mit dem Gaußschen Satz ergibt sich:

( ) AAAA r wdivt

&r

=⋅ρ+∂

∂ρ (3.19)

Analog ergibt sich für die Komponenten-Molenbilanz:

( ) AA

AAA

A r~M~rwndiv

tn &

&r==⋅+

∂∂ (3.19a)

Page 123: WS Skript 181007

3.3 Differentialgleichung für die Partialdichte bzw. Konzentration 103

Die Komponenten-Molenbilanz reicht nicht zur Bestimmung von Aρ und Aw

r

aus, da es nur eine Gleichung für zwei Unbekannte ist. Setzt man jetzt das Fick´sche Gesetz in die Komponentenbilanz ein, so treten die mittleren Geschwindigkeiten als zusätzliche Größen in der Gleichung auf. Daher benötigt man die globale Massenbilanzgleichung

r+r)w(divt BA &&

r=⋅ρ+

∂∂ρ (3.20)

M~r+

M~r)wn(div

tn

B

B

A

A &&r=⋅+

∂∂ (3.20a)

und eine thermische Zustandsgleichung für die Massen- bzw. molare Dichte. Für konstante Diffusionskoeffizienten DAB und konstante Dichte bzw. Konzentration15 erhält man aus den DGL (3.19) und (3.20) bzw. (3.19a) und (3.20a) folgende Gleichungen: binäre Diffusionsgleichung ( DAB, n, ρ = konst ) Masse:

( ) AAABAA rgraddivDgradwt

&r

+ρ=ρ⋅+∂

∂ρ (3.21)

Stoffmenge:

( )B

BA

A

ABAABA

*A

M~rx~

M~rx~ngraddivDngradw

tn &&r

−+=+∂

∂ (3.21a)

Vereinfachte Sonderfälle ergeben sich für:

0w =r

( ) AAABA rgraddivDt

&=ρ−∂ρ∂ (3.22)

15 Mit der Annahme konstanter Dichte des Gemisches wird eine thermische Zustandsgleichung ρ=konst impliziert.

Page 124: WS Skript 181007

104 3 Diffusion

0w* =r

( )A

AAAB

A

M~rngraddivD

tn &

=−∂

∂ (3.22a)

Für konstantes DAB, verschwindet w* und w, was ~xA<<1 und ~xB≈1 entspricht, werden die binären Diffusionsgleichungen (3.22) und (3.22a) identisch zur Wärmeleitungsgleichung (2.6), wenn nA bzw. ρA durch T, DAB durch

( )a c= ⋅λ ρ/ und & / ~r MA A durch & / (q c)v ρ⋅ ersetzt werden. Die Lösungen der Wärmeleitungsgleichung können jedoch nur dann übernommen werden, wenn auch die entdimensionierten Anfangs- und Randbedingungen denen des Wärmeleitungsproblems entsprechen.

3.4 Anfangs- und Randbedingungen Anfangsbedingung (AB) Bei instationärer Diffusion muss das Anfangskonzentrationsprofil zur Zeit t = 0 bekannt sein. Oft gilt:

konst. =z) y, x,0,=(tAρ oder konst. =z) y, x,0,=(tnA

(3.23)

Randbedingungen (RB) Da es sich bei der Diffusionsgleichung wie bei der Wärmeleitungsgleichung um eine DGL 2. Ordnung in den Ortskoordinaten handelt, müssen wieder zwei Randbedingungen gegeben (bekannt) sein, um die Diffusionsgleichung zu lösen. Prinzipiell sind das Konzentrationen, Konzentrationsgradienten oder konvektive Bedingungen analog der Wärmeübertragung. Da die Ränder bei Diffusionsproblemen oft Phasengrenzen sind, sollen die Phasengleichgewichte (Randbedingungen) an Phasengrenzen für einfache Fluide angegeben werden.

Page 125: WS Skript 181007

3.4 Anfangs- und Randbedingungen 105

3.4.1 Gleichgewichtsbedingungen an Phasengrenzen Kopplungsbedingungen an Phasengrenzen sind Gegenstand der Gemisch-thermodynamik. Hier werden einige einfache Fälle angegeben, um Rand-bedingungen bei der Stoffübertragung zu haben. Verdunstung einer reinen Flüssigkeit A Verdunstet eine reine Flüssigkeit A, so stellt sich an den Phasengrenzen der Sättigungsdruck ein.

Aus thermodynamischen Tabellen kann )T(pp sPh,Ag = (3.24) entnommen werden.

Abb. 3.1: pS,T-Diagramm von Wasser (nach Baehr).

xx = 1

x

pp

Al

Ag,Phs

~Ag

x~

~~

=

Page 126: WS Skript 181007

106 3 Diffusion

Löslichkeit von Gasen in Festkörpern Die Löslichkeit von Gasen in Festkörpern ist begrenzt. Die Molen-konzentration ist gegeben durch:

AgPh,As pSn ⋅= (3.25)

S (Festkörper, T) = Löslichkeit [ ]barm

molS 3= (3.26)

p

n

x

Ag

As

nAs,Ph

Tab. 3.5: Löslichkeit S von ausgewählten Gasen in Festkörpern (nach

Incropera / DeWitt).

Gas Festkörper T [K] S [mol/(m3bar)] O2 Gummi 298 3,12 N2 Gummi 298 1,56

CO2 Gummi 298 40,15 He Glas 293 0,45 H2 Nickel 358 9,01

Page 127: WS Skript 181007

3.4 Anfangs- und Randbedingungen 107

Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten Für schwache Lösungen (xA << 1) gilt für das Gleichgewicht an der Phasen-grenze das Henry´sche Gesetz.

Ph,AgPh,Ag

Ph,Al x~Hp

Hp

x~ ⋅== (3.27)

H (Lösungsmittel, Gasart, T) = Henry-Konstante [H] = bar (3.28)

xx

x

~

~

Ag

Al,Phx~Al

Typische Werte für H gibt Abb. 3.2 an.

Page 128: WS Skript 181007

108 3 Diffusion

Abb. 3.2: Henry-Konstante für schwache Lösungen einiger Gase in Wasser (nach Brauer).

Page 129: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 109

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional)

3.5.1 Konstanter Stoffstrom In jedem Querschnitt A(z) ist der Stoffstrom konstant. & &N n AA A z

= ⋅ z

( )

& &

& &

N n A

n Addz

n A dz

A A z dz

A z A

= ⋅

= ⋅ + ⋅

+

Stofferhaltung:

dzzAzA NN+

= && (Stoffbilanz) ⇒ .konstNAn AA ==⋅ &&

Mit dem Fick´schen Diffusionsgesetz folgt (vgl. Gl. (3.22) bzw. (3.22a)):

.konst)nn(x~dzx~dnD)z(AN BAA

AABA =

⎭⎬⎫

⎩⎨⎧ ++−= &&& (3.29)

für 1x~A << oder 0n =& gilt:

konstdzx~d)z(ADnN A

ABA =−=& (3.30)

Page 130: WS Skript 181007

110 3 Diffusion

3.5.2 Äquimolare Diffusion Beispiel 3.2: Aufgabe: Zwei Behälter sind durch ein Rohr von 1m Länge und 10-4 m2 Querschnitt verbunden, das mit einem Ventil verschlossen ist. In Behälter I mit

3-3I m102 = V ⋅ befindet sich Stickstoff ( 2N ), in Behälter II mit 3-3II m10l = V ⋅ befindet sich Wasserstoff ( 2H ). In beiden Behältern herrscht der Druck p = 1bar und die Temperatur T = 273K. Zur Zeit 0t=t wird das Ventil geöffnet. Es tritt eine Stoffübertragung von 2N von Behälter I nach Behälter II auf und umgekehrt von 2H von Behälter II nach Behälter I. Wenn der Anlaufvorgang abgeschlossen ist, kann ein quasistationäres Verhalten angenommen werden. Wie ist die Konzentrationsverteilung von 2N und 2H im Rohr, und wie groß ist der zugehörige Stoffstrom? Nach welcher Zeit hat sich die Konzentrationsdifferenz zwischen den Behältern halbiert? (

2H,2ND (p = 1bar, T = 273K) = s/m1086.0 24−⋅ )

Lösung: (1) Bekannt: Rohrlänge s = 1 m Rohrquerschnitt A = 10-4 m2

2H,2ND = ABD = s/m1086.0 24−⋅

Anfangskonzentrationen in Behälter I und II: V 0)=(ty~

Behälter I 3-3m102 ⋅ 1y~IA = 0y~I

B = Behälter II 3-3 m 101 ⋅ 0y~II

A = 1y~IIB =

Index 2N A ≅ ; 2H BIndex ≅

Page 131: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 111

(2) Gesucht: Konzentration: BA y~ ;y~ im Rohr Stoffstrom: BA N;N && Zeit t, wenn 2/1)t(y~)t(y~ II

AIA =− mit 1)0t(y~)0t(y~ II

AIA ==−=

(3) Skizze:

d

z

s

IBehälter I p = konst.

y > yA B

~ ~

y y~~A2A1

Behälter II p = konst.y > y

AB~ ~

II

(4) Annahmen: • ideales Gas • konst. Stoffwerte • p, T = konst.

• eindimensionale, quasistationäre Diffusion (Profil wie im stationären Fall, aber Randwerte ändern sich mit der Zeit)

(5) Stoffwerte: Diffusionskoeffizient /scm 0.68 = D 2

AB (6) Analyse: • Differentialgleichung (DGL):

Da der Druck überall im System konstant ist, existiert keine globale molare Bewegung zwischen Behälter I und II:

0nAN =⋅= && 0w0wnnnn **

BA =→=⋅=+=→rr

&&& (äquimolare Diffusion) Da der Querschnitt des Rohres A konstant ist und der Stofftransport zu jedem Moment als stationär (mit sich langsam ändernden RB ) und eindimensional angenommen wird und DAB, p, T konstant sind, folgt :

konstdzy~dnDnnnn A

ABBrel,Brel,AA =−=−=−==⇒ &&&& . (3.31)

Page 132: WS Skript 181007

112 3 Diffusion

• Randbedingungen (RB): z = 0: I

AIB

IA

IA y~1y~;)t(y~y~ −==

z = s: IIA

IIB

IIA

IIA y~1y~;)t(y~y~ −==

• Konzentrationsverteilung:

Aus DGL und RB folgt:

( )szy~y~y~)z(y~ II

AIA

IAA −−=

• Stoffstrom:

dzy~dDnA)t(N A

ABA −=&

( )

s)t(y~)t(y~DnAN

IIA

IA

ABA−

=⇒ & (3.32) • Zeit t, für die :2/1y~y~ II

AIA =−

A

IA N

dtdN &−= ; A

IIA N

dtdN &+=

( ))t(y~)t(y~snAD

dty~dnV

dtdN II

AIAAB

IAI

IA −−== (3.33)

( ))t(y~)t(y~snAD

dty~dnV

dtdN II

AIAAB

IIAII

IIA −== (3.34)

(3.33) minus (3.34) ergibt:

( ) ( ) III

IIIIIA

IA

ABIIA

IA VV

VVy~y~s

ADy~y~dtd

⋅+

−⋅−=−

( ) ( )dt

VVVV

sAD

y~y~y~y~d

III

IIIAB

IIA

IA

IIA

IA

⋅+

⋅−=−− (3.35)

Page 133: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 113

Führt man die Abkürzung Rt ein:

III

III

ABR VV

VVAD

st+⋅

=

und:

IIA

IAA y~y~y~ −=∆

sowie:

)0(y~)0(y~y~ IIA

IA0A −=∆

ergibt sich aus Gl. (3.35):

∫∫ −=∆

∆ ∆∆ t

0 tdt

y~

y~ y~y~d

R

A

0AA

A (3.36)

Die Integration von Gleichung (3.36) liefert:

R0A

A ty~y~lnt ⋅

∆∆

−= (3.37)

mit s 73529 t , 1y~ , y~ R0A21

A ==∆=∆

⇒ h 18,88 s 1067,96 = t 3 ≈⋅ (7) Anmerkungen

• bei äquimolarer Diffusion gilt immer: 0nn BA =+

r&

r& (Definition der äquimolaren Diffusion)

rel,AA**

BA nn;0w0wnnnr&

r&

rrr&

r& ==→=⋅=+

aber für BA M~M~ ≠ ist: 0wmm BA ≠⋅ρ=+ &&

• Die Lösungen für die äquimolare Diffusion gelten auch für vernachlässigbar kleines w* (Diffusion durch feste Wände, ruhende

Page 134: WS Skript 181007

114 3 Diffusion

Schichten bei kleinen Konzentrationen) • Die dimensionslose DGL und RB entsprechen genau denen der

Wärmeleitung durch eine ebene Wand. Deshalb ist auch die Lösung formal identisch.

• Da das Volumen des Behälters endlich ist, verändern sich 1Ay~ und

2Ay~ mit der Zeit. Erfolgt diese Änderung so langsam, dass sich in jedem Moment ein stationäres Profil einstellt, spricht man von einer quasistationären Lösung. Eine quasistationäre Lösung ist eine Lösung, bei der die Verteilung (Konzentration oder Temperatur) einer stationären Lösung entspricht, die Randbedingungen (hier 2A1A y~,y~ ) sich aber mit der Zeit ändern.

• Der Diffusionsstrom (3.32) ist direkt proportional zur Fläche, dem Diffusionskoeffizienten, der Konzentrationsdifferenz und umgekehrt proportional zur Diffusionsstrecke. Der Konzentrationsverlauf ist linear.

3.5.3 Einseitige Diffusion in eine unbewegte Fluidschicht Beispiel 3.3: Aufgabe: Zur Berechnung der Heizkosten werden in Mehrfamilienhäusern manchmal Geräte mit einem Röhrchen eingesetzt, die mit einer schwersiedenden Flüssigkeit A gefüllt sind. Die in die Luft B verdunstende Flüssigkeitsmenge dient als Kriterium für die Umlegung der Heizkosten auf die Verbraucher. Gesucht ist die verdunstende Flüssigkeitsmenge pro Zeit, als Funktion der Größen: Länge des Röhrchens 2z , Höhe des Flüssigkeitsspiegels ,z1 Sättigungskonzentration an der Phasengrenzfläche 1Ay~ , Konzentration außerhalb des Röhrchens 2Ay~ . Der Diffusionskoeffizient von Flüssigkeit A in Luft B sei D . Lösung: (1) Bekannt: Rohrlänge 2z Höhe des Flüssigkeitsspiegels 1z

Page 135: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 115

Sättigungskonzentration an der Phasengrenze 1Ay~ Konzentration außerhalb des Röhrchens 2Ay~ Diffusionskoeffizient D Querschnittsfläche konstant (2) Gesucht: verdunstete Flüssigkeitsmenge pro Zeit An& (3) Skizze:

z

z

z A

A+B

Q

n.

A

A2

A1~

~

~

A

1

2

y

y

y

w

w

A

*

(4) Annahmen: • eindimensionale, stationäre Diffusion • konstante Stoffwerte • keine Diffusion von Komponente B 0nB =→ & (5) Stoffwerte: • Binärer Diffusionskoeffizient D (6) Analyse: • Differentialgleichung (DGL):

Einseitige Diffusion mit .konstnA =& , da A = konst. Gl. (3.17)

( ) .konstdzy~d

y~1nDn A

A

ABA =

−−=& (3.38)

Page 136: WS Skript 181007

116 3 Diffusion

• Randbedingungen (RB):

1z = z : 1AA y~y~ =

2z = z : 2AA y~y~ = • Konzentrationsverteilung:

Aus DGL und RB folgt:

∫ ∫ −−=

2

1

2A

1A

z

z

y~

y~ A

AA

y~1y~ddz

Dnn&

1A

2A12

A

y~1y~1ln)zz(

Dnn

−−

=−⋅

& (3.38a)

Mit den oberen Integrationsgrenzen z und Ay~ ergibt sich analog:

1A

A1

A

y~1y~1ln)zz(

Dnn

−−

=−⋅&

(3.38b)

Damit folgt aus (Gl. (3.38a)) und (Gl. (3.38b)):

( ) ( )[ ]( ) ( )[ ]1A2A

1AA

12

1

y~1/y~1lny~1/y~1ln

zzzz

−−−−

=−

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−

−⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛−−

=−−

12

1

1A

2A

1A

A

zzzz

y~1y~1ln

y~1y~1ln

12

1

zzzz

1A

2A

1A

A

y~1y~1

y~1y~1 −

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−−

=−− (3.39)

• aus (Gl. (3.38)) folgt die Diffusionsstromdichte:

∫∫ −−=

2A

1A

2

1

y~

y~ A

Az

zA y~1

y~dnDdzn&

Page 137: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 117

( )( )1A

2A

12A y~1

y~1lnzz

nDn−−

−=& (3.40)

(7) Anmerkungen: • Vergleich einseitige/äquimolare Diffusion

einseitig: ( )( )1A

2A

12A y~1

y~1lnzz

nDn−−

−=& (3.41)

mit AB y~1y~ −= und ( )1B2B

1B2Bn1B y~/y~ln

y~y~y~ −=

lnB

1B2B

12lnB

2A1A

12A y~

y~y~

zznD

y~y~y~

)zz(nDn −

−=

−−

=& (3.42)

äquimolar: ( ) ( )1B2B12

2A1A12

A y~y~zz

nDy~y~zz

nDn −−

=−−

=& (3.43)

⇒ 1n1Bäquimolar,Aeinseitig,A y~nn −⋅= && (3.44)

mit ( ) 1y~y~y~/y~lny~

1B2B

1B2B1n1B >

−=− für 1y~y~ 1B2B > folgt:

nn äquimolar A,einseitigA, && >

• der Nenner des logarithmischen Molenbruches kann in eine Potenz-reihe

( ) ( ) ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+++⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛++−=−−− KK

2y~y~

2y~y~y~1lny~1ln

21A

1A

22A

2A1A2A

entwickelt werden. Damit folgt für den Molenbruch

( ) ( ) ( )2A1A2A1A

1A2A1n1B y~y~

211

y~y~y~1lny~1lny~ ++=

−−−−

=−

⇒ ( )[ ] äquimolar,A2A1A21

einseitig,A ny~y~1n && ⋅++= (3.45)

Page 138: WS Skript 181007

118 3 Diffusion

3.5.4 Diffusion bei katalytischer Oberflächenreaktion in einem ruhenden Medium (heterogene Reaktion)

Beispiel 3.4: Aufgabe: An einer Oberfläche wird durch eine heterogene Reaktion erster Ordnung die Komponente A eines binären Stoffgemisches verbraucht. Die Molenstrom-dichte an der Oberfläche hängt bei einer Reaktion erster Ordnung linear von der Konzentration der Komponente A an der Oberfläche ab. In einem Abstand s von der Oberfläche soll die Konzentration der Komponente A in einem vorbeiführenden Gasstrom der Komponenten A und B vorgegeben sein. Gesucht werden die Konzentrationsverteilung in der Diffusionsschicht und die Diffusionsstromdichte. Lösung: (1) Bekannt: Konzentration der Komponente A im Gasstrom 2Ay~ Reaktionsgeschwindigkeit k ''

1 der katalytischen Oberflächenreaktion 1A1A y~n''kn −=& [ ] 1

1 msk −′′ = Dicke der Diffusionsschicht s Fläche für Diffusion konstant (2) Gesucht: Konzentrationsverteilung )z(y~A Diffusionsstromdichte An& (3) Skizze:

z

s

y (bekannt)

y (unbekannt)A1

A2

~

~

bekannt

Reaktionsprodukt

& '' ~n k n yA A1= − 1

Page 139: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 119

(4) Annahmen: • eindimensionale, stationäre Diffusion • mittlere Molengeschwindigkeit 0w =

* • konstante Stoffwerte • heterogene Reaktion erster Ordnung (5) Analyse: • Die Differentialgleichung (DGL) folgt aus Gl. (3.22) mit den

Annahmen:

0dzy~dnD

dzd A

AB =⎟⎠

⎞⎜⎝

• Randbedingungen (RB):

z = 0: y~n''kdzy~dnD 1A1

0z

AAB −=−

=

z = s: 2AA y~y~ =

• Konzentrationsverteilung:

Aus DGL und RB folgt:

( ) szD

y~''ky~)z(y~AB

1A12AA −+=

zD

y~''ky~AB

1A11A ⋅+=

(3.46)

• Grafische Darstellung der Konzentrationsverteilung:

z

s

y~A2 yA~y~A1

Page 140: WS Skript 181007

120 3 Diffusion

• Diffusionsstromdichte: 1A1A y~n''kn ⋅−=& (3.47)

AB

1

2A1A

Ds''k1

y~y~⋅

+= (3.47a)

(6) Bemerkungen:

• Grenzfall 0D

s''kAB

1 →⋅ , Prozess ist reaktionsbestimmt,

(Diffusion vernachlässigbar)

2AA y~)z(y~ =→

2A1A y~n''kn −=→ &

• Grenzfall ∞→⋅

AB

1

Ds''k , Prozess ist diffusionsbestimmt,

(Reaktion vernachlässigbar)

0)0(y~A →→

2AAB

A y~ns

Dn −=→ &

Page 141: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 121

Beispiel 3.5: Aufgabe: Der Abgasstrom eines PKW soll zu 80% von NO katalytisch gereinigt werden. An der Oberfläche des Katalysators findet eine Reaktion erster Ordnung mit der Reaktionsgeschwindigkeit k1´´ = 0,05 m/s statt. Der Molanteil NO des Abgases beträgt am Eintritt in den Kat. 3

NO 101y~ −⋅= . Der Abgasstrom beträgt kg/h 350M =& und hat eine Molmasse von 32 kg/kmol bei einer Temperatur

von 480°C und einem Druck von 1,2bar. Welche Katalysatoroberfläche ist erforderlich, wenn der Stoffübergangs-koeffizient β = 0,1 m/s ist, und die katalytische Reaktion die Form NO + CO → ½ N2 + CO2 hat. Lösung: (1) Bekannt: Abgasstrom h/kg 350M =& Molmasse Abgas kg/kmol 32M~ = Temperatur C480 =T ° Druck bar 1,2 = p Molanteil NO am Eintritt -3

EA2, 101 y~ ⋅= Molanteil NO am Austritt -3

AA2, 100,2 y~ ⋅= Reaktionsgeschwindigkeit k1´´ = 0,05 m/s Stoffübergangskoeffizient β = 0,1 m/s (2) Gesucht: Katalysatoroberfläche A

Page 142: WS Skript 181007

122 3 Diffusion

(3) Skizze:

(4) Annahmen:

• eindimensionale, stationäre Diffusion • mittlere Molengeschwindigkeit w* zur Katalysatoroberfläche

vernachlässigbar gegenüber mittlerer Geschwindigkeit durch den Katalysator

• ideales Gas • Index A ≡ NO

(5) Analyse: dAnNN 2Adxx,Ax,A &&& += +

2Ax,A y~NN ⋅= &&

dxdxy~dNy~NN 2A

2Adxx,A&&& +⋅=+

( )1A2A2A y~y~nn −⋅⋅β=&

( ) dAy~y~ny~dN 1A2A2A ⋅−⋅⋅β−=⋅& (3.47b)

&,NA x &

,NA x dx+

&nA

~yA2~yA1

z

x

~yA2

x

dx

dA

Page 143: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 123

M~MN&

& =

TR~

pn⋅

=

Die mittlere Molengeschwindigkeit kann in z-Richtung vernachlässigt werden, so dass Gl. (3.47a) aus (Bsp. 3.4) benutzt werden kann:

AB1

2A1A Dsk1

y~y~⋅+

= ′′

dADsk1

11y~TR~py~d

M~M

AB12A2A ⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⋅+−⋅⋅

⋅⋅β

−=⋅ ′′

& (3.47c)

s

DAB=β

dAk1k

TR~p

y~y~d

M~M

1

1

2A

2A ⋅β+

⋅⋅

−= ′′

′′&

Ak1k

TR~MM~py~lny~ln

1

1E,2AA,2A β+

⋅⋅⋅

⋅=− ′′

′′

&

( )A,2A

E,2A

1

1

y~y~

lnkpM~

k1MTR~A ⋅⋅⋅

β+⋅⋅⋅=

′′

′′&

2m 65,7A =

Page 144: WS Skript 181007

124 3 Diffusion

3.5.5 Diffusion mit chemischer Reaktion in einer Schicht Beispiel 3.6: Aufgabe: Organischer Abfall soll mit Bakterien aufbereitet werden. Die Bakterien werden dem Abfall zugesetzt und benötigen für den Zersetzungsprozess Sauerstoff (Index A). Betrachtet wird eine Abfallschicht der Dicke s, die auf einem Bodenfundament ruht. Auf der Oberseite befindet sich Luft mit bekannter Sauerstoffkonzentration. Die Reaktionsrate der Bakterien beträgt:

A1A n'''kr~ −=& [ ] s'''k 11

−= (3.48) Wie ist die Konzentrationsverteilung und die Stoffstromdichte in der Schicht? Lösung: (1) Bekannt: Schichtdicke s Konzentration an der Oberseite n 1A Reaktionsrate der Bakterien A

'''1A nkr~ −=&

Reaktionskonstante ''' 1k

(2) Gesucht: Konzentrationsverteilung )z(nA Stoffstromdichte )z(nA& (3) Skizze:

s

z

Beton

r

n

nn (z=0)

n (z=s)=0A2

A

A

A1A

.

.

.

Page 145: WS Skript 181007

3.5 Beispiele für stationären Stofftransport (eindimensional) 125

(4) Annahmen: • eindimensionale, stationäre Diffusion • konstante Stoffwerte ABDn, • mittlere Molengeschwindigkeit 0=w* • homogene Reaktion erster Ordnung • Betonschicht undurchlässig (5) Stoffwerte:

Diffusionskoeffizient ABD Molendichte n Reaktionsrate '''

1k (6) Analyse: • aus Gl. (3.22a) folgt Differentialgleichung (DGL):

A1A2A

2

AB n'''kr~dz

ndD −==− & (3.49)

• Randbedingungen (RB):

z = 0: 1AA nn =

z = s: 0dz

dnDn AABA =−=& (Betonschicht undurchlässig)

• Konzentrationsverteilung:

Aus DGL und RB folgt:

( )( )( )[ ]( )[ ]sDs'''kcosh

zsD'''kcoshn

)msexp(msexp)mzexp()msexp()mzexp()msexp(n)z(n

AB2

1

AB11A

1AA

−=

+−⋅−+−⋅⋅

=

(3.50)

( )[ ][ ]smcosh

zsmcoshn)z(n 1AA ⋅−⋅

=

mit 21

AB

1

D'''km ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛=

Page 146: WS Skript 181007

126 3 Diffusion

• Diffusionsstromdichte:

( )[ ][ ]smcosh

zsmsinhmDndz

dnD)z(n AB1AA

ABA ⋅−

⋅⋅⋅=−=& (3.51)

(7) Bemerkungen:

Der Stoffstrom ist hier nicht konstant, da die Stoffkomponente A durch Bakterien im Inneren der Schicht verringert wird. Beachte, dass Gl. (3.50) formal mit der DGL (Gl. (2.29)) für die Temperaturverteilung in einem Stab übereinstimmt. Auch die RB stimmen für SÜ und WÜ überein, so dass die Lösung direkt übernommen werden kann.

3.6 Instationärer Stofftransport Für eindimensionalen Transport der Komponente A in z-Richtung reduziert sich die binäre Diffusionsgleichung (3.21a) mit den Annahmen:

• kleine Konzentration der Komponente A 0w1x~A =→<< ∗ • keine chemische Reaktion 0rA =& • konstante Stoffwerte .konstD,n AB = auf

0znD

tn

2A

2

ABA =

∂∂

−∂

∂ (3.52)

Die möglichen Anfangs- und Randbedingungen sind in Abschnitt 3.4 erläutert. Die Lösung der DGL wird von der speziellen Geometrie und den Anfangs- und Randbedingungen (vgl. 3.4) bestimmt. Wenn die unten aufgeführten Substitutionen durchgeführt werden, sind die dimensionslosen DGL identisch mit denen der instationären Wärmeleitung. Wenn ebenfalls die dimensionslosen AB und RB übereinstimmen, stimmen auch die dimensionslosen Lösungen überein.

Page 147: WS Skript 181007

3.6 Instationärer Stofftransport 127

1ref2ref

1ref

w0

w*

TTTT

TTTTT

−−

=−−

=

≅ 1ref,A2ref,A

1ref,AA

w,A0A

w,AA*A nn

nnnnnn

n−

−=

−−

=

2R s

taFottt ⋅

===∗ ≅ 2AB

mR s

tDFottt ⋅

===∗

szz* = oder

ta2zz*

⋅= ≅ s

zz* = oder tD2

zzAB

*

⋅=

λ⋅α

=sBi 2 ≅

AB

2Am D

sBi ⋅β=

Eine Korrespondenz zwischen den Variablen bei instationärer Wärmeleitung und Diffusion gilt nur, wenn beim Diffusionsproblem die obigen Annahmen erfüllt sind und beim Wärmeleitungsproblem gilt

• keine Wärmequellen 0q ''' =& • konstante Stoffwerte )c,,( pρλ

Bemerkung:

n (z = 0) n

n

n

nz

A

A1,Ph

A2,Ph

A2,

A

.

Phase 1 Phase 2n A

.

β ( n - n )A2, ∞A2,Ph

An Phasengrenzen Ph gilt allgemein: 1c;ncn PhPh,2APhPh,1A ≤⋅=

A2A1A nnn &&& == (3.53)

Page 148: WS Skript 181007

128 3 Diffusion

Bei konvektiver Stoffübertragung in Phase 2 gilt außerdem :

( ) ( )∞−β=−= ,2APh,2AAPh,1AAAB n)t(n)t(n)0z,t(ns

D (3.54)

dabei ist s eine äquivalente Schichtdicke. Analog zur instationären Wärmeleitung Gl. (2.48a) und (2.48a) folgt für sehr kleine und große Biotzahlen:

(1) .konstnn1D

sBi ,2APh,2AAB

Am ==→>>

⋅β= ∞

.konstncn Ph,2APhPh,1A == (3.55)

(2) )t(n)t(n)0z,t(n1D

sBi APh,1AAAB

Am ===→<<

⋅β= (3.56)

Die Lösungen für gleiche Biotzahlen können also von der Wärmeleitung übernommen werden.

Page 149: WS Skript 181007

3.6 Instationärer Stofftransport 129

z

Bi >> 1m

n (t = t ,z )

n (t = t ,z )

n (t = t ,z )

A1

A1

A1

0

1

2

n (t ,z = s/2 ) = n = konst.A1 A,Ph

A AB z=s/2n ( t ) = - D. n

z

A2,Ph

∂∂ A1

n = nA2, ∞s/2

a)

Bi << 1m

z

n (t = t )

n (t = t )

n (t = t )

A1

A1

A1

0

1

2

A2,∞

n (t) = (n (t) - n ) A2,Ph A2,∞A β

A2,Phn ( t )2n ( t )A2 2

ns/2

n (t) = n ( t )A1 A1,Ph

b)

.

Abb. 3.3: Instationäre Diffusion in einer Platte für a) Bim >> 1 u.

b) Bim << 1. (Vgl. entsprechende Abb. zur instationären Wärmeleitung nach Gl. (2.48a) und (2.55))

Page 150: WS Skript 181007

130 3 Diffusion

Beispiel 3.7: Befeuchtung von Luftblasen Aufgabe: Eine übliche Methode zur Luftbefeuchtung ist es, Luft durch eine Wasser-schicht sprudeln zu lassen. Wie lauten unter den Annahmen

• Luftblasen sind Kugeln mit dem Durchmesser m10d 3−= • thermisches Gleichgewicht für Luftblasen und Wasser bei C25T o= • trockene Luft beim Einleiten in das Wasser

die Differentialgleichungen, Anfangs- und Randbedingungen (dimensions-behaftet und dimensionslos) und das analoge Wärmeleitungsproblem? Wie groß ist der anfängliche Molenstrom von Wasserdampf in die Luftblasen? Bis zu welcher Zeit gilt diese Beziehung? Welche Beziehung gilt für große Zeiten? p = 1bar s/m1025.0DD 24

ABLuft,OH2

−⋅==

bar035.0)C25(p oOH,D 2

= Wasserdampfdruck an der Phasengrenze Lösung: (1) Bekannt: Wasserdampf diffundiert bei C25T o= instationär in Luftblasen des Durch-messers d = 1mm s/m1025.0DD 24

ABLuft,OH2

−⋅== bar035.0)C25(p o

OH,D 2=

A ≅ Wasserdampf, B ≅ Luft. Wenn keine Verwechslungen auftreten können, kann auf die Indizierung verzichtet werden.

Page 151: WS Skript 181007

3.6 Instationärer Stofftransport 131

(2) Gesucht:

• Differentialgleichung • Anfangs- und Randbedingungen • analoges Wärmeleitungsproblem • 1Fo für )t(N mA <<& • 1Fo für )t(N mA >>&

(3) Skizze:

r x (t )

x (t >> t )

x (t )

x

x (t,r = d/2) = konst.=A

A

A

A

A

~

~

~

~

~

0

12

→ ∞

xA,S~

x (t > t )A

~01

(4) Annahmen:

• instationäre Diffusion (Kugelsymmetrie)

0w 1035,0p

px~ 1A

1A →→<<== ∗

• konstante Stoffwerte • ideale Gase, Luft TR~np AA = • kein Stoffübergangswiderstand in der Flüssigkeitsphase (reines

Wasser) ∞→∞→β m2A Bi , , kein äußerer Widerstand )R,t(x~x~ ASAD =

Page 152: WS Skript 181007

132 3 Diffusion

(5) Analyse:

• Differentialgleichung: 0r

nrrr

1Dt

n A22AB

A =⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂

∂∂∂

⋅−∂

• Anfangsbedingung: 0AA n)0t(n ==

• Randbedingungen: 0r

n

0r

A =∂

=

( )TR~

)C25(pn

p)C25(p

n2/dr,tno

OH,Do

OH,DPhAA

22 =⋅===

• dimensionslos: Bezugskonzentrationen 0A0APhA n)t(n ;n =

APh0A

APhA*A nn

nnn−−

= ; drr =∗ ; 2

AB*

dtDt ⋅

=

• Differentialgleichung: 0rnr

rr1

tn *

A22

*A =⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

∂∂

∂∂

−∂∂

∗∗

∗∗∗

• Anfangsbedingung: 1)0t(n **

A ==

• Randbedingung: 0rn

0r

*A =

∂∂

=∗

0)21r(n **

A == • Analoges Wärmeleitungsproblem (Bi >> 1) Bei einer Kugel mit 0TT = für 0tt ≤ wird zur Zeit 0tt = plötzlich die Wand-temperatur auf wT erhöht. Was ist der anfängliche Wärmestrom, wie lang gilt die Beziehung zu seiner Bestimmung und welche Beziehung gilt später?

Page 153: WS Skript 181007

3.6 Instationärer Stofftransport 133

Analogie:

ANˆQ && =

( ) ( )2/1r

*

*A

0APhAAB

A

2/1r*

*

0w ** rn

nnADdNSh ˆ

rT

TTAdQNu

== ∂∂

=−⋅⋅

⋅==

∂∂

=−⋅⋅λ

⋅=

&&

PhA0A

PhAA*A

w0

w*

nnnn

n ˆ TTTTT

−==

−−

= ;

2AB

m*m2 d

tDFot ˆ d

taFo*t ⋅===

⋅==

AB : T*(t = 0, r*) = 1

RB : 0*r

T

0r

*

*

=∂∂

=

; T*(r* = ½ ) = 0

Differentialgleichung: 0rTr

*r*r1

*tT

*

*2*2

*

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

∂∂

∂∂

−∂∂

DGL, AB und RB sind dimensionslos identisch für *

An und T*. Es ergeben sich gleiche dimensionslose Werte der abhängigen Veränderlichen *

An , T* für gleiche Werte von ∗∗ r undt , den dimensionslosen unabhängigen Veränderlichen. Fom << 1: Kugellösung ≅ Plattenlösung, (Gl (2.62))

( ) ( )w0 TTt

cAtQ −⋅ρ⋅λ

π=&

Fo

1t

1Nu* ⋅π

=⋅π

= ( )w0 TTFod

A)t(Q −⋅π⋅

⋅λ=&

Page 154: WS Skript 181007

134 3 Diffusion

analog:

( ) ( )Ph,A0,AAB

ABA nn

tDDAtN −

⋅π=&

Fo1Sh⋅π

=

( ) ( )Ph,A0,Am

ABA nn

FodADtN −

⋅π⋅⋅

=&

Grenze der Gültigkeit (typische ingenieurmäßige Annahme) 1.0Fom =

s104DFodt 3

AB

m2

−⋅==→

Fom >> 1: siehe (Gl. (2.65)) für die Platte

( ) ( ) ( ) ( )0APh,AFoAB

A0wFo nne

dD4AtN ˆ TTe

d4AtQ m

22

−⋅⋅⋅

==−⋅λ⋅

= π−π− &&

( ) TTTTe4

TTAd)t(QNu

w

w0Fo

w0

2

−−

⋅⋅=−⋅⋅λ

⋅= π−

&

( ) nnnn

e4nnAD

d)t(NSh ˆPh,AA

Ph,A0,AFo

Ph,A0,AAB

A m2

−−

⋅⋅=−⋅⋅

⋅== π−

&

(Dies ist eine Näherungslösung für die Kugel, da der Vorfaktor 4 nur für die Plattengeometrie exakt gilt) (7) Bemerkungen

• Für Analogien ist es wichtig, die DGL (abhängige und unabhängige Veränderliche), AB und RB geeignet dimensionslos zu definieren. Der Auswahl günstiger Bezugsgrößen kommt hohe Wichtigkeit zu. Es sollten die dimensionslosen Veränderlichen, DGL, AB, RB explizit aufgeschrieben werden.

Page 155: WS Skript 181007

3.7 Zusammenfassung 135

3.7 Zusammenfassung Die globale und die Komponentenmassenbilanz wurden aufgestellt. Dabei wurden verschiedene Konzentrationen, Geschwindigkeiten und Diffusions-stromdichten diskutiert. Für das Fick´sche Gesetz für binäre Diffusion wurden äquivalente Formulierungen angegeben und auf die Ähnlichkeit mit dem Fourier´schen Gesetz hingewiesen. Für ruhende Systeme und konstante Gesamtdichte ergeben sich aus Kombinationen von Massenbilanz und Fick´schem Gesetz die Differential-gleichungen für die Partialdichten. Für äquimolare Diffusion bei konstanter Temperatur und konstantem Diffusionskoeffizienten ist die Differentialgleichung für die Partialdichte identisch mit der des Temperaturfeldes, wenn man den Diffusions-koeffizienten D durch die Temperaturleitfähigkeit )c(a p⋅ρλ= ersetzt. Bei gleichen Randbedingungen ergeben sich dann gleiche Lösungen für Temperatur- und Partialdichtefeld. Bei konstantem Diffusionsstrom lassen sich die Lösungen für stationäre Wärmeleitung daher direkt auf äquivalente Diffusionsprobleme übertragen. Für einseitige Diffusion entsprechen sich dagegen Wärmeleitung und Diffusion nicht mehr. Ist die Partialdichtedifferenz klein gegenüber der Gesamtdichte, so sind in erster Näherung die Lösungen für einseitige und äquimolare Diffusion identisch. Auch bei großen Partialdichtedifferenzen lässt sich die einseitige Diffusion durch Multiplikation des Stoffübergangs-koeffizienten bei äquimolarer Diffusion mit einer Korrekturfunktion beschreiben. Treten Temperatur- und Partialdichtefelder zusammen auf, sind Temperatur- und Partialdichtefeld gekoppelt. Wärmeleitung und Diffusion beeinflussen sich gegenseitig. Es sind keine einfachen analytischen Lösungen mehr möglich.

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Page 157: WS Skript 181007

4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kenn-zahlen und Ähnlichkeit

4.1.1 Differentialgleichungen Verbal lauten die Erhaltungsgleichungen für ein Kontrollvolumen: Massenerhaltungssatz: Die zeitliche Änderung der Masse im Kontrollvolumen ist gleich der Differenz zwischen einströmender und ausströmender Masse. Impulserhaltungssatz: Die zeitliche Änderung des Impulses im Kontroll-volumen ist gleich der Differenz zwischen einströmendem und ausströmendem Impuls plus der Summe der angreifenden Oberflächenkräfte (Druck und Schubspannung) und Volumenkräfte (z.B. Schwerkraft). Energieerhaltungssatz: Die zeitliche Änderung der inneren und kinetischen Energie im Kontrollvolumen ist gleich der Differenz zwischen einströmender und ausströmender innerer und kinetischer Energie plus der Summe der eintretenden Wärme- und Arbeitsströme (Leistung der angreifenden Kräfte). Massenerhaltungssatz einer Komponente A (Bei Betrachtung von zwei Komponenten A und B): Die zeitliche Änderung der Masse einer Komponente A im Kontrollvolumen ist gleich der Differenz zwischen dem einströmenden und ausströmenden Massenstrom der Komponente A plus dem durch chemische Umwandlung im Innern des KV erzeugten Massenstromes an A. Diese aus der Erfahrung gewonnenen, allgemeingültigen (stoff- und problem-unabhängigen) Erhaltungssätze sind Bilanzgleichungen.

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138 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Die Bilanzgleichungen für

• die Masse

• die Massenkomponente A*

• den Impuls (3 Komponenten)

• die Energie koppeln die Zustandsgrößen ρ, ρA, zyx wwww ,,=

r und innere Energie u

bzw. T mit den Prozessgrößen rel,Aij m,q,r&

r&τ und innere Energiezufuhr sowie

Reaktionen. Die stoffabhängigen aber problemunabhängigen Transportgleichungen (kinetischen Ansätze) für • die Diffusionsstromdichte )x,,D(m AABrel,A ρ

r&

• den viskosen Spannungstensor )w,( iij ητ

• die Wärmestromdichte )T,(q λr&

koppeln die Prozessgrößen mit den Zustandsgrößen über die stoffabhängigen Transportkoeffizienten η, DAB, λ. Die Transportgleichungen in die Erhaltungsgleichungen eingesetzt liefern (4 + n) Differentialgleichungen, nämlich • 1 Kontinuitätsgleichung • (n - 1)Konzentrationsgleichungen n = Anzahl der Komponenten, hier n = 2 • 3 Bewegungsgleichungen (für kartesische Komponenten) • 1 Energiegleichung

* wegen ρA+ρB=ρ gibt es nur eine Gleichung bei zwei Komponenten

Page 159: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 139

Diese (4 + n) Gleichungen enthalten aber (6 + n) Unbekannte • die Dichte ρ • die (n - 1) Konzentrationen hier n = 2, d.h. ρA oder nA

• den Druck p • die 3 Geschwindigkeitskomponenten yx w,w und zw • die Temperatur T • die innere Energie u, sowie die Transportkoeffizienten, die als Stoffwerte (Funktion des Stoffes und von T, p) theoretisch oder experimentell bestimmbar sind und vorliegen, also bekannt sind. Dies sind die • Viskosität η (Stoffgemisch , p, T) (Newtonsche Fluide) • Wärmeleitfähigkeit λ (Stoffgemisch, p, T) • Diffusionskoeffizienten DAB (Stoffgemisch, p, T) Eventuell sind noch Wärmequellen und chemische Bildung von Komponenten vorhanden. Zur Lösung werden somit noch 2 weitere Gleichungen benötigt. Diese sind die thermische und die kalorische Zustandsgleichung, die bekannt sein müssen. • thermische Zustandsgleichung: ρ ρ= (Stoffgemisch, p, T) • kalorische Zustandsgleichung: u = u (Stoffgemisch, p, T) Die kalorische Zustandsgleichung gibt in Verbindung mit thermodynamischen Beziehungen den Zusammenhang zwischen der inneren Energie u und der Temperatur T an. Als zusätzliche Stoffgröße tritt dabei die spezifische Wärmekapazität auf. Mit der thermischen Zustandsgleichung ist die Dichte ρ als Funktion von Druck und Temperatur bekannt. Auf die Aufstellung dieser (4 + n) Gleichungen kann hier nicht eingegangen werden. Hier werden die Gleichungen in kartesischer Tensorschreibweise angegeben. Dabei werden folgende Einschränkungen gemacht:

- es werden nur ideale Flüssigkeiten und Gase betrachtet; - als Volumenkraft (äußere Kraft) wirkt nur die Schwerkraft; - es werden nur Newtonsche Fluide (vgl. Kap. 1) betrachtet; - Energieströme aufgrund von Diffusion sind vernachlässigbar; - nur zwei Komponenten sind vorhanden. 1xx BA =+ , so dass

1Konzentrationsgleichung ausreicht; - Diffusion tritt nur aufgrund von Konzentrationsunterschieden auf;

Page 160: WS Skript 181007

140 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

- keine inneren Wärme-/Stoffquellen; - keine Strahlung.

Im 2. Kapitel wurde für ruhende ideale Fluide und ruhende ideale Festkörper (w = 0) mit ρ = konst. und == pcc konst. die Wärmeleitungsgleichung aus Energiesatz, Fourierschem Gesetz und kalorischer Zustandsgleichung hergeleitet. Ebenso wurde im 3. Kapitel die Diffusionsgleichung aus der Stoff-bilanz und dem Fickschen Gesetz hergeleitet. Wesentlich für die Lösung war, dass (1) keine makroskopische Geschwindigkeit auftrat, so dass die 3 Impuls- bzw. Bewegungsgleichungen nicht berücksichtigt werden mussten und (2) keine Kopplung zwischen Wärme- und Stoffübertragung auftrat. (Hinweis: Bei Tensorschreibweise wird über gleiche Indizes in einem Term von 1 bis 3 summiert. 1, 2, 3 sind dabei die drei Richtungen x, y, z.) Kontinuitätsgleichung:

( ) 0

xw

t i

i =∂ρ∂

+∂ρ∂

(4.1)

ρρ = (Stoffgemisch, p, T); (ρ = const. oder ( )TR~/M~p ⋅⋅=ρ ) Bewegungsgleichungen:

ij

ij

ij

ij

i gxx

pxww

tw

ρ+∂

∂τ+

∂∂

−=∂∂

⋅ρ+∂

∂ρ (4.2)

Schubspannungstensor (Newtonsches Fluid):

i

iij

i

j

j

iij x

w32)

xw

xw(

∂∂

δ⋅η−∂

∂+

∂∂

⋅η=τ (4.3)

Kronecker Delta: ⎩⎨⎧

=≠

=δji wenn,1ji wenn,0

ij

η = η (Stoffgemisch, p, T) Energiegleichung:

Φxw

TpT

x q

xTw

tTcρ Diss

i

i

i

i

iip +

∂∂

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

−=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

+∂∂

⋅ρ

& (4.4)

Page 161: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 141

Wärmeleitungsansatz nach Fourier:

i

i xTq

∂∂

λ−=& (4.5)

Dissipation: irreversible Umwandlung von kinetischer in innere Energie durch Reibung in der Strömung

i

jijDiss x

w∂

∂τ=Φ (4.6)

pp cc = (Stoffgemisch, p, T) λλ = (Stoffgemisch, p, T)

Konzentrationsgleichung:

irel,Aii

Ai

A )m(xx

xwt

x &∂∂

−=∂∂

⋅ρ+∂

∂ρ (4.7)

Diffusionsansatz nach Fick:

i

AABirel,A x

xD)m(∂∂

ρ⋅−=& (4.8)

DD ABAB = (Stoffgemisch, p, T) Die Komplexität der gekoppelten, nichtlinearen, partiellen DGL´n macht das Gleichungssystem (4.1) - (4.8) für praktische Fälle oft unlösbar. Bei Annahme konstanter Stoffwerte =λη ABp D,,c, konst., inkompressibler Strömung ρ = konst. und vernachlässigbarem Schwerkrafteinfluss reduziert sich das Gleichungssystem im zweidimensionalen Fall (Geschwindigkeits-komponenten u, v, kartesische Koordinaten x, y) zu:

Page 162: WS Skript 181007

142 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Für ρ = konst., konst. Stoffwerte: Kontinuitätsgleichung:

0yv

xu

=∂∂

+∂∂

(4.1a)

Bewegungsgleichungen:

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

+∂∂

η+∂∂

−=∂∂

⋅ρ+∂∂

⋅ρ+∂∂

ρ 2

2

2

2

yu

xu

xp

yuv

xuu

tu

(4.2a)

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

+∂∂

η+∂∂

−=∂∂

⋅ρ+∂∂

⋅ρ+∂∂

ρ 2

2

2

2

yv

xv

yp

yvv

xvu

tv

Energiegleichung:

Diss2

2

2

2

p yT

xT

yTv

xTu

tTc Φ+⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

+∂∂

λ=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

+∂∂

+∂∂

⋅ρ (4.4a)

⎪⎭

⎪⎬⎫

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

+⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

⋅+⎩⎨⎧

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

+∂∂

η=Φ222

Diss yv

xu2

xv

yu

(4.6a)

Konzentrationsgleichung:

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂

ρ∂+

∂ρ∂

=∂ρ∂

+∂ρ∂

+∂

∂ρ2A

2

2A

2

ABAAA

yxD

yv

xu

t (4.7a)

Folgende wichtige Schlüsse lassen sich für konstante Stoffwerte ziehen, die auch bei 3D-Strömungen gelten: (1) Kontinuitäts- und Bewegungsgleichungen sind von der Energie- und

Konzentrationsgleichung entkoppelt. (1a) Damit folgt: Geschwindigkeit und Druck können unabhängig von der

Temperatur und Konzentrationsverteilung berechnet werden. (2) Energie- und Konzentrationsgleichung sind untereinander nicht

gekoppelt. (2a) Damit folgt: Wenn die Geschwindigkeit bekannt ist, kann die

Temperatur- und /oder Konzentrationsverteilung berechnet werden.

Page 163: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 143

(3) Die Bewegungsgleichungen sind nicht-linear in den Geschwindigkeiten

(u und v), d.h. (4.2a) ist numerisch schwer zu lösen und analytisch nur in einfachen Spezialfällen.

4.1.2 Anfangs- (AB) und Randbedingungen (RB) Bis auf die Kontinuitätsgleichung sind die DGL’n (4.1a), (4.2a), (4.4a) und (4.7a) so wie die Wärmeleitungsgleichung und die Diffusionsgleichung, 1. Ordnung in der Zeit und 2. Ordnung im Ort. Für T und Ax~ treten die schon diskutierten AB und RB auf, siehe Kap. 2.1 und 3.4. Es genügt daher, hier die AB und RB für Geschwindigkeit und Druck zu diskutieren. AB: Zur Zeit 0t müssen Geschwindigkeit und Druck (und natürlich auch

A,,T ρρ ) im ganzen Kontrollvolumen bekannt sein. RB: An Phasengrenzen muss die Geschwindigkeit auf beiden Seiten gleich

sein. Daraus ergibt sich die Haftbedingung 0w =r

an ruhenden Wänden. Die Temperatur muss aus Gleichgewichtsgründen, außer bei Kontakt-widerständen, ebenfalls auf beiden Seiten einer Phasengrenze gleich sein.

Die Konzentration kann dagegen auf beiden Seiten einer Phasen-grenze unterschiedlich sein (Henrysches Gesetz).

Neben oder statt dem Wert der Geschwindigkeit kann auch der Gradient oder eine gemischte Bedingung vorgegeben sein. Eine Ausnahmestellung nimmt der Druck ein. Er tritt nur mit der ersten Ableitung auf und ist in der Kontinuitätsgleichung gar nicht enthalten. Es muss das Druckniveau festgelegt sein, d.h. der Druck muss zumindest auf einem Teil des Randes des Kontrollvolumens bekannt sein. Auf dem Rest des Randes reichen dann erste Ableitungen.

Page 164: WS Skript 181007

144 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Beispiel 4.1: Aufgabe: In einem Gleitlager, das als eben angesehen werden kann, beträgt die Geschwindigkeit an der Oberfläche der Welle s/m 10uw = . Bei einer Spalt-höhe von mm3s = beträgt die Temperatur der Welle C30T 0

w = und die Temperatur der Lagerschale C10T 0

L = . Das verwendete Öl besitzt folgende als konstant anzusehende Stoffdaten: ( C20T 0

m = ): s/m10900),mK/(W145.0,m/kg900 263 −⋅=ν=λ=ρ . Wie groß ist die in innere Energie umgesetzte kinetische Energie (Dissipation)? Wie lautet die Temperaturverteilung T(y)? Welche Temperatur wird maximal erreicht und wo befindet sich dieses Maximum? Lösung: (1) Bekannt:

• ebene Spaltströmung (Couette - Strömung) mit mm3s = und s/m10uw = ;

• C30T 0w = ; C10T 0

L = (2) Gesucht:

a) DissΦ b) ( )yT c) mmmax y);y(T

(3) Skizze:

y

s = 3mm

T = 30°C, u = 10m/sW

T = 10°C, u = 0L L

W

Page 165: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 145

(4) Annahmen: • stationär • Couette - Strömung p → = konst., da die Strömung nicht durch

Druckunterschiede, sondern die Bewegung der oberen Platte hervorgerufen wird.

• inkompressible Strömung mit konstanten Stoffwerten (5) Stoffdaten: s/m10900),mK/(W145.0,m/kg 900 263 −⋅=ν=λ=ρ (6) Berechnung:

a) Kontinuitätsgleichung (4.1a): 0yv

xu

=∂∂

+∂∂

mit p = konst. → v ≡ 0 in (4.1a): 0xu

=∂∂

Gl. (4.6a): 2

Diss yu

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

η=Φ

Gl. (4.2a): 212

2

CyC)y(u0yu

+⋅=→=∂∂

RB: 0C0uu : 0y 2L =→===

s/uCuu : sy w1W =→==

22w

21

2

Diss s/uCyu

⋅ν⋅ρ=⋅η=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

η=Φ→

22

22

36

6

msm

sm

mkg

10910010900900

⋅⋅⋅⋅⋅

= −

36 m/W109 ⋅=

b) =LW T,T konst. 0xT

≡∂∂

Gl. (4.4a): 0yT

Diss2

2

=Φ+∂∂

λ

43

2Diss CyC

2y)y(T +⋅+

λΦ

−=→

Page 166: WS Skript 181007

146 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

RB: L4L TCTT: 0y =→==

λ⋅⋅Φ

+−

=→==2

ss

TTCTT: sy DissLW3W

( )syTT

sy

sy

2sT)y(T LW

22Diss

L ⋅−+⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛−⋅

λ⋅⋅Φ

+=

c) sTT

sy21

2s

dydT LWDiss −

+⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛⋅−⋅

λ⋅⋅Φ

=

0dydT

= su

)TT(21y 2

W

LWm ⋅⎥

⎤⎢⎣

⎡⋅ν⋅ρ

λ⋅−+=→

mm607,1s54,0 =⋅=

Maximum0yT Diss2

2

→<λ

Φ−=

∂∂

C18.90)y(T 0m =

y

T L

T max

T w

(7) Bemerkungen

• Für die gegebene Geschwindigkeit der Welle kommt es als Folge der Dissipation zu einer Aufheizung von Welle und Lagerschale. Dieser Effekt hängt stark von der Geschwindigkeit der Welle ab.

• Die Stoffdaten wurden bei einer mittleren Temperatur C20T 0m =

gewählt, eine offensichtlich falsche Wahl. Die Rechnung sollte mit Stoffdaten bei einer mittleren Temperatur von C55T 0

m ≅ wiederholt werden, um zu sehen, wie weit sich das Ergebnis ändert.

Page 167: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 147

4.1.3 Kennzahlen und Ähnlichkeit

4.1.3.1 Erzwungene Konvektion Im vorherigen Abschnitt wurde für den zweidimensionalen Fall unter der Annahme konstanter Stoffwerte .konstD , ,c , ABp =λη und inkompressibler Strömung .konst=ρ das Gleichungssystem (4.1a) - (4.7a) abgeleitet. Durch Einführung der dimensionslosen unabhängigen Veränderlichen s/xx =∗ s/yy =∗ s : charakteristische Länge

(4.9)

abhängigen Veränderlichen

∞∗ = w/uu

v v w∗∞= /

:w ∞ konstante Referenzgeschwindigkeit

(4.10a)

)w/()pp(p 2∞∞

∗ ⋅ρ−= (4.10b) :p∞ konstanter Referenzdruck

)TT/()TT(T WW −−= ∞∗ (4.10c)

∞T,TW : konstante Referenztemperaturen )/()( W,A,AW,AAA ρ−ρρ−ρ=ρ ∞

∗ (4.10d)

∞ρρ ,AW,A , : konstante Referenzpartialdichten

Page 168: WS Skript 181007

148 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

ergibt sich das folgende (dimensionslose) Differentialgleichungssystem: Kontinuitätsgleichung:

0yv

xu

=∂∂

+∂∂

für konst. Stoffwerte (4.1b)

Bewegungsgleichungen:

∗∗

∇⋅+∂∂

−=∂∂

⋅+∂∂

⋅+∂∂ u

Re1

xp

yuv

xuu

tu 2**

(4.2b) ∗

∇⋅+∂∂

−=∂∂

⋅+∂∂

⋅+∂∂ v

Re1

yp

yvv

xvu

tv 2**

Energiegleichung: ∗

∇⋅⋅

=∂∂

⋅+∂∂

⋅+∂∂ T

PrRe1

yTv

xTu

tT 2** (4.4b)

(Annahme 0Diss =Φ ) (4.6b) Konzentrationsgleichung:

∗∗

ρ∇⋅⋅

=∂∂ρ

⋅+∂ρ∂

⋅+∂∂ρ

A2A*A*A

ScRe1

yv

xu

t (4.7b)

In den Gleichungen (4.2b) - (4.7b) treten drei dimensionslose Kennzahlen auf:

(1) Re ∼ TrägheitskraftReibungskraft

: Reynoldszahl ν⋅

= ∞ swRe (4.11)

(2) Pr ∼ ImpulsdiffusivitätEnergiediffusivität

: Prandtlzahl aPr ν

= (4.12)

(3) Sc ∼ ImpulsdiffusivitätMassendiffusivität

: Schmidtzahl ABD

Sc ν= (4.13)

ABD ,a ,ν werden auch als molekulare Austauschkoeffizienten bezeichnet.

Je größer der Austauschkoeffizient ist, desto effektiver findet ein Austausch statt und desto dicker ist die zugehörige Austausch- bzw. Grenzschicht.

Page 169: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 149

Werte für die Prandtl- und Schmidtzahl für Gase und Flüssigkeiten zeigen Tab. 4.1 bis Für Gase sind Pr und Sc der Größenordnung eins. Für Flüssigkeiten variieren Pr und Sc um mehr als drei Zehnerpotenzen, weil die thermische Diffusivität a und die Massendiffusivität DAB sehr unterschiedlich von der molekularen Impulsdiffusivität ν sein kann. Tab. 4.1: Prandtlzahl Pr für Flüssigkeiten bei 20°C

Flüssigkeit

Hg Benzol Ethanol Ethylen-glycol

Rizinusöl

Pr

0,026 7,79 19,1 188 10500

Tab. 4.2: Prandtlzahl Pr und Temperaturleitfähigkeit a für Wasser in Abhängigkeit der Temperatur

T in °C

0 10 20 40 80 100

a ×10-6 m2/s

0,131 0,138 0,143 0,151 0,164 0,169

Pr

13,5 9,5 7,03 4,3 2,23 1,75

Tab. 4.3: Prandtlzahl Pr für Gase gleicher Atomzahl im Molekül

Gas

einatomig zweiatomig dreiatomig vier- und mehratomig

Pr

0,67 0,72 0,80 ≈1,0

Tab. 4.4: Schmidtzahl Sc einiger Gase und Dämpfe in verdünnten

Gemischen mit Luft nach T. K. Sherwood und R. L. Pigford Gas

Dampf H2 H2O CH4 NH3 Ethanol Cl2 Benzol CCl4

Sc

0,22 0,60 0,84 0,61 1,30 1,42 1,71 2,13

Tab. 4.5: Schmidtzahl Sc einiger Stoffe als verdünnte Lösungen in Wasser von 20°C nach J. H. Perry Stoff H2 O2 NH3 H2S Cl2 Ethanol Phenol MannitolSc

196 558 570 712 824 1005 1200 1730

Page 170: WS Skript 181007

150 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Die Lösung des (dimensionslosen) Differentialgleichungssystems für die abhängigen Veränderlichen ∗∗∗ ρA,T,w ist abhängig von den dimensionslosen Randbedingungen (RB) und den dimensionslosen Geometriekennzahlen (Geo). Die Lösung liefert auch die dimensionslosen Gradienten an den Rändern (Phasengrenzen) Ai ,T,wˆf,n/f ρ=∂∂ . Die Bereitstellung dieser dimensionslosen Gradienten als Funktion von Re, Pr, Sc, Geo, RB ist eine wesentliche Aufgabe der IWS einphasiger Strömungen. Diese dimensionslosen Gradienten sind direkt mit den Kennzahlen Reibungsbeiwert cf (4.15), Nusseltzahl (4.16) und Sherwoodzahl (4.17) verknüpft. • Impulsübertragung (Beschränkung auf 2D) - Geschwindigkeitsfeld ∗∗ v,u )RB,GeoRe,,y,x(uu ∗∗∗∗ =

)RB,GeoRe,,y,x(vv ∗∗∗∗ = - Druckverlustbeiwert ξξ ,x (in Kanälen; x = Kanalachsenrichtung)

)RB,GeoRe,,x(dxdp2

xx∗

ξ=⋅

)RB,Geo(Re,dxs1 s

0x ξ=ξ=ξ ∫

(4.14)

- Reibungsbeiwert ffx c,c

)RB,GeoRe,,x(cyu

Re2

w2

c fxW

*

*

2

Wfx

=∂∂

=ρτ

=

)RB,Geo(Re,cdxcs1c f

s

0fxf == ∫

(4.15)

Page 171: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 151

• Wärmeübertragung - Temperaturfeld ∗T )RB,GeoPr,Re,,y,x(TT ∗∗∗∗ = - Nusseltzahl Nu,Nux

)RB,GeoPr,Re,,x(NuyT

)TT(xqxNu x

Ww

Wxx

∗∗

=∂∂

=−⋅λ⋅

=λ⋅α

=&

1

)RB,GeoPr,(Re,NudxNus1sNu

s

0x ==

λ⋅α

= ∫ (4.16)

• Stoffübertragung - Partialdichtefeld ∗ρA ( )RB,Geo,ScRe,,y,xAA

∗∗∗∗ ρ=ρ - Sherwoodzahl Sh,Shx

)(Dxm

DxSh

AAwAB

A

AB

Axx

∞ρ−ρ⋅⋅

=⋅β

=&

)RB,Geo,ScRe,,x(Sh)(D

xwy x

AAwAB

A

W

A ∗

∞∗

=ρ−ρ⋅

⋅⋅ρ+

∂∂ρ

=

)RBGeo,Sc,(Re,ShdxShs1

DsβSh

s

0x

AB

A ==⋅

= ∫ 2

(4.17)

1 Nu und Sh werden immer positiv angegeben; die Wärme-, Massenströme und Gradienten sind die

Absolutwerte. 2 für kleine Partialdruckdifferenzen bzw. Molenbruchdifferenzen oder äquimolare Diffusion wird

( )W

*

*A

AAwAB

rel,A

yDxm

Sh∂ρ∂

=ρ−ρ

⋅=

&

Page 172: WS Skript 181007

152 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Beispiel 4.2: Aufgabe: Experimentelle Untersuchungen an einer mit /sm 160 = w 1∞ und

C1150 =T o∞ angeströmten Turbinenschaufel der Sehnenlänge =1l 40mm

ergaben eine Wandtemperatur der Turbinenschaufel C800 =T ow1 und einen

durch Wasserkühlung im Inneren der Schaufel abgeführten Wärmestrom .kW/m 95= q 2

w1& Welches w2q& müsste abgeführt werden, um die Wand-temperatur auf C700 =T o

w2 zu senken? Wie groß ist der Wärmestrom w3q& für eine Sehnenlänge mm80 = l3 und eine Anströmgeschwindigkeit

m/s 80= w 3∞ ? Lösung: (1) Bekannt:

Turbinenschaufel mit Innenkühlung C1150 =T o

∞ 2

1w1o

1w1 m/kW95q; s/m160w; C800T; mm40l ==== ∞&

12o

2w12 ww; C700T;ll ∞∞ === 2/ww ;TT;l2l 131w3w13 ∞∞ ==⋅=

(2) Gesucht:

3w2w q ,q && (3) Skizze:

Wq.

TW

l

w , T∞ ∞

1

Page 173: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 153

(4) Annahmen: • stationär, konstante Stoffwerte • geometrische Ähnlichkeit der Schaufeln bei Sehnenverlängerung

(5) Stoffwerte:

Werden nicht benötigt, da in allen Fällen als gleich angenommen. (6) Berechnung:

)RB,GeoPr,(Re,NuNu =

2Nu1Nu

0*2T*

1T

;1*2wT

TwT

T1wT*1wTda1RB2RB

hnlicha hgeometrisc da1Geo2Geo2a1ada1Pr2Pr

2l1l ,2w1w ,21da1Re2Re

=⇒

=∞=∞

==∞−∞−

==

=

==

=∞=∞ν=ν=

⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥

&&

Gl.(4.16): 11w

11w

2w

22w2 Nu

)TT(lq

)TT(lqNu =

−⋅λ⋅

=−⋅λ⋅

=∞∞

&&

21w1w1w

2w1w2w m

kW122350450q

80011507001150q

TTTTqq =⋅=

−−

⋅=−−

⋅=∞

∞ &&&&

1Nu3Nu

1RB3RB1Geo3Geo

1Pr3Pr1Re3Re

=⇒

====

⎥⎥⎥

Gl.(4.16): 11w

11w

3w

33w3 Nu

)TT(lq

)TT(lqNu =

−⋅λ⋅

=−⋅λ⋅

=∞∞

&&

Page 174: WS Skript 181007

154 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

2m

kW5,471wq3l1l

3wq =⋅= &&

(7) Bemerkungen:

• Wenn ,ReRe 13 ≠ dann auch 13 NuNu ≠ , und eine Ähnlichkeit der Probleme besteht nicht mehr.

4.1.3.2 Freie Konvektion

x

y

T

T

w

w

w = 0

a) p (x+dx)

τ

y+dy

x+dx= p0 - ρ g

px = p

0- ρ g x

p

y+dyρg dV

τ y

py

∂∂

>> ∂y ∂ xdV = A dx

b)

Abb. 4.1: a) Temperatur- und Geschwindigkeitsfeld an der senkrechten

Platte bei freier Strömung b) Oberflächen- und Volumenkräfte an einem Volumenelement

bei freier Strömung; Anm.: hydrostatischer Druck xgp)x(p 0 ∞ρ−= herrscht überall

Die durch Temperatur- oder Partialdichteunterschiede hervorgerufene Änderung der Dichte eines Strömungsmediums kann oftmals nicht mehr vernachlässigt werden ( .konst≠ρ ). Wird Strömung durch Dichtegradienten hervorgerufen, so spricht man von freier bzw. natürlicher Konvektion. Sind erzwungene und freie Konvektion von etwa gleicher Bedeutung, spricht man von gemischter Konvektion.

Page 175: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 155

Bei freier Konvektion folgt damit unmittelbar

• die Kopplung von Impuls- und Wärme-/Stoffübertragung • die Kopplung von Wärme- und Stoffübertragung bei gleichzeitigem

Vorliegen von Temperatur- und Partialdichtegradienten • das Fehlen einer aufgeprägten Geschwindigkeit bzw.

charakteristischen Reynoldszahl Re Die Bilanz der Druck- und Volumenkräfte für die senkrechte Platte bei freier Strömung liefert (Abb. 4.1b):

dVg)(dVgA)pp( dxxx ⋅⋅ρ−ρ=⋅⋅ρ−⋅− ∞+ (4.18) Aus der Taylorreihenentwicklung folgt für

:)x()T,p,x( .bzw )T()T,p( AA ρ≅ρ=ρρ≅ρ=ρ

)TT(...)TT(T

)T( Tp

∞∞∞∞∞ −⋅β⋅ρ−ρ=+−∂

ρ∂+ρ=ρ

)xx(...)xx(x

)x( AAxAAT,pA

A A ∞∞∞∞∞ −⋅β⋅ρ−ρ=+−∂

ρ∂+ρ=ρ

[ ]1

pT K

T1 −

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂

ρ∂ρ

−=β : volumetrischer Ausdehnungskoeffizient bei p = konst.

[ ]−⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂

ρ∂ρ

−=βT,pA

x x1

A : volumetrischer Ausdehnungskoeffizient bei

p, T = konst. Damit folgt für die Auftriebskraft pro Volumenelement dV: g)TT(g)( WT ⋅−⋅β⋅ρ=⋅ρ−ρ ∞∞∞ (4.19a)

g)xx(g)( AWAxA⋅−⋅β⋅ρ=⋅ρ−ρ ∞∞∞ (4.19b)

Page 176: WS Skript 181007

156 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Aus einer Dimensionsanalyse folgt die Grashofzahl Gr:

Gr ~ 2raft)(Reibungsk raftTrägheitskraftAuftriebsk ⋅

: Grashofzahl

2

3lg

2A2

sw

Vs

wVg2

ν

⋅⋅∞ρρ∆=

η

∞ρ⋅⋅⋅ρ∆=

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

Gr ~ 2

aftReibungskrtgheitskrafaTr

tgheitskrafaTrraftAuftriebsk

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅

&&

&&

∞ρρ∆⋅

ν

⋅=2

3lgGr (4.20)

Wärmeübertragung mit (4.19a):

)TT(lgGr wT2

3

∞−⋅β⋅ν⋅

= (4.20a)

Stoffübertragung mit (4.19b):

)xx(lgGr AAwx2

3

m A ∞−⋅β⋅ν⋅

= (4.20b)

Da nur ein Teil der Auftriebskraft in Bewegung umgesetzt wird, lässt sich eine äquivalente Reynoldszahl Reäqdefinieren mit: GrCRe2

äq ⋅= ; mit C < 1 (4.21) Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass für viele Fälle gilt: C = 0,4. Damit lassen sich Vorgänge der freien Konvektion in erster Näherung auf ein äquivalentes erzwungenes Konvektionsproblem zurückführen, wenn aus der Grashofzahl die äquivalente Reynoldszahl gebildet wird.

Page 177: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 157

4.1.3.3 Ähnlichkeit Die spezielle Lösung einer Differentialgleichung hängt allgemein ab von der Form der Differentialgleichung sowie den Anfangs- und Randbedingungen. Aufgrund der Ähnlichkeit der DGL und RB der Impuls-, Wärme- und Stoff-übertragung lassen sich deshalb unter gewissen Voraussetzungen analoge Vorgänge erkennen.

4.1.3.3.1 Analogie zwischen Wärme- und Stoffübertragung Betrachtet man die (dimensionslose) Energie- und Konzentrationsgleichung (4.4b) und (4.7b), so erkennt man, dass die DGL’n identisch sind für Pr = Sc und gleiches Strömungsfeld. Wenn auch die dimensionslosen Rand-bedingungen und die dimensionslose Geometrie identisch sind, dann sind die Lösungen für die dimensionslose Temperatur und Partialdichte identisch, und es gilt auch Nu = Sh. Das nennt man die Analogie zwischen konvektiver Wärme- und Stoffübertragung. Analogie zwischen Wärme- und Stoffübertragung

)RB,Geo,Sc,GrRe,,x(Sh)RB,GeoPr,,GrRe,,x(Nu m** = (4.22)

Nu und Sh haben die gleiche Abhängigkeit von den Parametern. Nu und Sh sind identisch unter folgenden Voraussetzung:

• Pr = Sc • geometrische Ähnlichkeit Geo = Geo • gleiche dimensionslose Randbedingungen RB = RB • gleiches Strömungsfeld Re = Re; Gr = Grm • ρ = konst. • =λη pAB c,,D, konst. • Ax~ << 1 • 0rq AV == && (keine Wärmequellen und Reaktionen) • 0Diss =Φ (vernachlässigbar)

Ist für ein Wärmeübertragungsproblem (Geo, RB) die Beziehung Nu (Pr, Re, Gr) bekannt, kann für das Stoffübertragungsproblem mit analogen (Geo, RB) die gleiche Funktion für Sh(Sc, Re, Grm ) angesetzt werden.

Page 178: WS Skript 181007

158 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

In vielen Fällen gilt für eine bestimmte dimensionslose Geometrie und festgelegte dimensionslose Randbedingungen:

nPr)Gr(Re,fNu ⋅= (4.23a) n

m Sc)Gr(Re,fSh ⋅= 3000ScPr,5.0 für 3/1n ≤≤≅ (4.23b) Beachte: Gleiche dimensionslose Geo und RB!

Für das Verhältnis von konvektivem Wärme- zu Stoffaustausch gilt dann für gleiche Re und Gr = Grm

nLen

aABDn

ScPr

ShNu −===

⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛ meist n = 1 3/ (4.24)

)n1(p

A

Lec −⋅⋅ρ=βα

PrScLe = : Lewiszahl =

ABDa

Gleichung (4.24) ist eine erweiterte Analogie, da jetzt ScPr ≠ sein kann. Bei gleicher Reynoldszahl und Grashofzahl, konst. =ρ und bekannten (konstanten) Stoffwerten ABp D,c,λ kann somit z. B. die Bestimmung eines konvektiven Wärmeüberganges auf einen bereits bekannten konvektiven Stoffübergang zurückgeführt werden oder umgekehrt.

Page 179: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 159

4.1.3.3.2 Analogie zwischen Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung Beziehen wir die (dimensionslosen) Bewegungsgleichungen (4.2b) in die Betrachtungen ein, so erkennt man eine Analogie zwischen Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung:

• Reynoldsanalogie

2c

ScReSh

PrReNu f=

⋅=

⋅ (4.25)

Zusätzliche Voraussetzung über die für Gl. (4.22) hinaus:

0dxdp

= z.B. laminare Plattenströmung

Pr = Sc = 1

• Colburnanalogie (erweiterte Reynoldsanalogie)

2cjSc

ScReShPr

PrReNuj f

m3/23/2 ==⋅

⋅=⋅

⋅= (4.26)

Bemerkung: Nährungsweise gültig solange keine Ablösung Pr = Sc ≅ 1 oder 3/13/1 Sc(Re)fSh;Pr(Re)fNu ⋅=⋅= .

Page 180: WS Skript 181007

160 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Beispiel 4.3: Aufgabe: Ein Behälter, der mit einem Tuch umwickelt ist, das kontinuierlich mit einem leicht flüchtigen Stoff (Index A) getränkt wird, wird oft in heißen trockenen Zonen zum Kühlen von Getränken benutzt. Angenommen, der Behälter befindet sich in trockener Luft (Index B) mit C40T o=∞ , p = 1bar, ρ = 1.16 kg m/ 3, )Kkg/(kJ007.1cp ⋅= und s/m105.22a 26−⋅= . Die mittlere

Temperatur betrage C27T om = . Nusselt- und Sherwoodzahl sind

proportional zu Pr und Sc hoch ein Drittel. Die Stoffdaten der Komponente A seien

kmol/kg 200M~ A = , ,s/m1020D 26AB

−⋅= ,kg/kJ100hV =∆ =⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

wTp s,A5000Pa.

Welche Temperatur nimmt das Getränk an? Lösung: (1) Bekannt:

C40T o=∞ ; p = 1 bar 3/1

ScPr

ShNu

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛=

Komponente A (flüchtiger Stoff): Komponente B (Luft): kmol/kg 200M~ A = C27T o

m = kg/kJ 100hV =∆ 3m/kg 16.1=ρ Pa5000)T(p Ws,A = )Kkg/(kJ007.1cp ⋅=

s/m1020D 26AB

−⋅= s/m105.22a 26−⋅= (2) Gesucht: Wandtemperatur WT

Page 181: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 161

(3) Skizze:

Tuch

mA.

Tw

U , T

.

∞ ∞

(4) Annahmen:

• Analogie zwischen Wärme- und Stoffübertragung anwendbar, d.h. die Strömung ist die gleiche. Das ist der Fall, da Stoff- und Wärme-übertragung gekoppelt sind (ein Problem).

• Dampf verhält sich wie ein ideales Gas • Strahlungseffekte vernachlässigbar • Stoffdaten der Komponente B können bei mittlerer Temperatur

C27T om = gewählt werden.

(5) Stoffdaten: VpAB h,c,,D,a ∆ρ bekannt (6) Berechnung: Energiebilanz: verdkonv qq && =

hv)(hvm)TT( ,AW,AAAW ∆⋅ρ−ρβ=∆⋅=−α ∞∞&

Analogie: W

W,A

A TThv

−ρ

⋅∆=βα

mit Gl.(4.24): 3/2

pA

Lecρ=βα

⇒ 3/2

p

W,AW Le

chv)TT( −

∞ ⋅⋅ρ

ρ⋅∆=−

W

WS,AAW,A T

)T(pR~

M~⋅=ρ (ideale Gasgleichung)

⇒ 0CTTT W2W =+⋅− ∞

mit: 2K95183/2

ABDa)WT(S,Ap

R~AM~

pcVh

C =−

⋅⋅⋅⋅ρ

∆=

⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

Page 182: WS Skript 181007

162 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

2C4TT

T2

W 2/1

⋅−±= ∞∞

Vorzeichen: wenn C = 0, keine Kühlung und ∞= TTW

⎟⎠

⎞⎜⎝

⎛ ⋅−∞+∞=⇒ C42TT21TW

= C9.5 o (7) Bemerkungen:

• Das Ergebnis ist unabhängig von der Gestalt des Körpers (im Rahmen der Gültigkeit der Analogie zwischen Wärme- und Stoffübertragung).

• Ohne Kenntnis von Aβ oder α ist es hier möglich, die Wand-temperatur zu bestimmen. Die Stoff- und Wärmeübertragung sind gekoppelt. Es muss aber )T(p WS,A bekannt sein. Wäre nur die Dampf-druckkurve von )T(p WS,A allgemein bekannt, müsste eine iterative Lösung erfolgen.

Page 183: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 163

4.1.3.4 Turbulenz Zur Turbulenz wird auf die Vorlesung Strömungsmechanik verwiesen. Hier nur einige Fakten und Hinweise: Man unterscheidet laminare und turbulente Strömungen für Re < Rekr ist die Strömung laminar, für Re > Rekr wird sie turbulent Die kritische Reynoldszahl ist abhängig von der speziellen Strömung Kreisrohr: 2300/duRekr =ν⋅= , siehe Abb. 4.2 Plattenströmung: 5

kr 10/xuRe ≥ν⋅= , siehe Abb. 4.3

Abb. 4.2: Vergleich zwischen laminarer und turbulenter vollentwickelter

Rohrströmung. (a) Geschwindigkeitsprofil und Weg eines Massenelementes

(Farbkleckses) (b) Geschwindigkeit up(t) an einem Ort, nach Gersten.

Page 184: WS Skript 181007

164 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Abb. 4.3: Entwicklung der Grenzschicht an der ebenen Platte Die turbulente Strömung ist instationär und unregelmäßig, Abb. 4.2 Die unregelmäßigen Schwankungen werden durch die Instabilität der Strömung gegenüber Störungen verursacht. Die turbulenten Schwankungsbewegungen verursachen im zeitlichen Mittel zusätzlichen Impuls-, Energie- und Stofftransport, Abb. 4.4 Im Vergleich zu laminarer Strömung ist bei Turbulenz die Impuls-, Wärme- und Stoffübertragung größer, d.h. die Wandgradienten von Geschwindigkeit, Temperatur und Konzentration sind größer, Abb. 4.2, Abb. 4.3 und Abb. 4.4. Die Geschwindigkeitskomponenten, der Druck sowie die Temperatur und Partialdichte lassen sich in einen zeitlichen Mittelwert und in einen von der Zeit abhängigen Schwankungswert aufteilen. Für Ai ,T,p,w ρ=Φ gilt in Tensorschreibweise:

( ) ( ) ( )t,ix'ΦixΦt,ixΦ += (4.27)

zeitlicher Mittelwert für t0 genügend groß:

( ) ( )dtt,xt1x

0t

0i

0i ∫ φ=φ (4.28)

Schwankungsgröße ( ) )x(t,x)t,x( iii

' φ−φ=φ :

( ) ( ) 0dtt,xt1x

0t

0i

'

0i

' =φ=φ ∫ (4.29)

Page 185: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 165

Nach zeitlicher Mittelwertbildung der Transportgleichungen (4.1b), (4.2b), (4.4b) und (4.7b) bleiben schwankungsgrößenbehaftete Terme in den Gleichungen erhalten, die den Transport an Impuls, Energie und Masse der Komponente A beschreiben. Dies sind:

- der symmetrische Spannungstensor der turbulenten Impulsstrom-dichten, auch Reynoldsspannungen oder turbulente Schein-spannungen genannt:

)ww()( jiturbij

′′ ⋅⋅ρ−=τ (4.30)

- die turbulente Wärmestromdichte:

)wT(c)q( 'ipturbi ⋅⋅⋅ρ−= ′& (4.31)

- und die turbulente Massenstromdichte der Komponente A:

)w()m( '

Ai'Aturbi,rel,A ⋅ρ−=& (4.32)

Im dreidimensionalen Fall lauten die einzelnen Gleichungen dieses Systems: turbulente Normalspannungen (turb. Druckspannungen) ''

turb,xx uuρ−=τ turbulente x-Impulsstromdichte in x-Richtung

''turb,yy vvρ−=τ turbulente y-Impulsstromdichte in y-Richtung

''turb,zz wwρ−=τ turbulente z-Impulsstromdichte in z-Richtung

(4.30a) turbulente Tangentialspannungen (turb. Schubspannungen) ''

turb,yxturb,xy vuρ−=τ=τ turb. x-Impulsstromdichte in y-Richtung

''turb,zxturb,xz wuρ−=τ=τ turb. x-Impulsstromdichte in z-Richtung

''turb,zyturb,yz wvρ−=τ=τ turb. y-Impulsstromdichte in z-Richtung

Page 186: WS Skript 181007

166 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

turbulente Wärmestromdichten ''

pturb,x uTcq ρ−=& in x-Richtung

''pturb,y vTcq ρ−=& in y-Richtung (4.31a)

''pturb,z wTcq ρ−=& in z-Richtung

turbulente Massenstromdichten ''

Aturb,x,rel,A um ρ−=& in x-Richtung

''Aturb,y,rel,A vm ρ−=& in y-Richtung (4.32a)

''Aturb,z,rel,A wm ρ−=& in z-Richtung

Zur Verdeutlichung des turbulenten Impuls-, Energie- und Stofftransports betrachten wir eine im Mittel zeitlich konstante Strömung, bei der die Mittel-werte von u, T, ρA nur von y abhängen, Abb. 4.4

x

y

z c.) dz

dx

dy dV

u,v,w

dAr

u y

yT y

A

( )

( )( )

ρ

u t'( )

v t'( )

w t'( )

u

v w= = 0 b.)

a.)

y

t

dAdI v v dAyy& ' '= −ρ

dI v u dAyx& ' '= −ρ

dI v w dAyz& ' '= −ρ

Abb. 4.4: a.) zeitliche Mittelwerte T,,u Aρ in Abhängigkeit von y bei

turbulenter Strömung b.) zeitliche Schwankungen der Strömungskomponenten c.) Volumenelement dV mit Fläche dA und turbulenten

Impulsstromdichten.

Page 187: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 167

Wir führen die Betrachtungen für die Stoffdichte der Komponente A ρA durch. Das Volumenelement besitzt das obere Flächenelement dA bei (y + dy) mit der in y-Richtung weisenden Flächennormalen Ad

r.

Bei turbulenter Strömung mit )t,y(u)y(u)t,y(u '+= , )t,y(v)t,y(v '= und )t,y(w)t,y(w '= gilt für die Stoffdichte:

)t,y()y()t,y( '

AAA ρ+ρ=ρ Der momentane Strom der Stoffdichte ρA durch die schraffierte Fläche dA in das Volumenelement lautet:

dAvdAvdAv)(vdA ''A

'A

''AAA ρ−ρ−=ρ+ρ−=ρ−

Der zeitliche Mittelwert ist der turbulente Stoffstrom der Komponente A in y-Richtung:

dAvdAv0dAvdAvdAvMd ''A

''A

''A

'AAAty ρ−=ρ−=ρ−ρ−=ρ−=& (4.32a)

Entsprechendes ergibt sich für jedes Flächenelement von dV. Die analogen Beziehungen für das gleiche Flächenelement lauten für die turbulente Energiestromdichte und die drei Komponenten der turbulenten Impuls-stromdichte:

dAvTcQd ''pyt ρ−=& mittl. turb. Energiestrom in y-Richtung (4.31a)

dAuvId ''yxt ρ−=& mittl. turb. y-Impulsstrom in x-Richtung

dAvId2'

yyt ρ−=& mittl. turb. y-Impulsstrom in y-Richtung (4.30a)

dAvwId ''zyt ρ−=& mittl. turb. z-Impulsstrom in y-Richtung

Page 188: WS Skript 181007

168 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Bei Beschränkung auf im Mittel stationäre, inkompressible, zweidimensionale Grenzschichten mit konstanten Stoffwerten und ohne innere Wärme- oder Stoffquellen lauten die dimensionslosen Grenzschichtgleichungen mit

∞∗ = u/uu ; ∞

∗ = u/Revv ; l/xx =∗ ; lyRey ⋅=∗ ;

2u2

ppp∞

∞∗

ρ−

= ;

W

W

TTTTT

−−

=∞

∗ ; AWA

AWAA ρ−ρ

ρ−ρ=ρ

∗; 2

''''

uRevuvu

∗ ⋅= ;

⋅ρ⋅ρ

=ρu

Revv''

A''A ;

∞∞

∗ ⋅=

uTRevTvT

''''

Grenzschichtgleichungen ( ∞→Re ) mit den Koordinaten x, y entlang und senkrecht zur Körperoberfläche Kontinuitätsgleichung

0yv

xu

=∂∂

+∂∂

(4.1c)

Bewegungsgleichungen:

⎟⎟

⎜⎜

∂∂

−∂∂

+∂∂

−=∂∂

⋅+∂∂

⋅ ∗

∗∗

∗∗

yvu

yu

xp

yuv

xuu

''

2

2

(4.2c)

0yp

=∂∂

Energiegleichung:

⎟⎟

⎜⎜

∂′′∂

−∂∂

=∂∂

+∂∂

∗∗

∗∗

yvT

yT

Pr1

yTv

xTu 2

2

(4.4c)

Konzentrationsgleichung:

⎟⎟

⎜⎜

∂′′ρ∂

−∂

ρ∂=

∂ρ∂

+∂ρ∂

∗∗

∗∗

yv

ySc1

yv

xu A

2A

2AA (4.7c)

Page 189: WS Skript 181007

4.1 Grundgleichungen, Randbedingungen, Kennzahlen und Ähnlichkeit 169

Die Erhöhung durch den turbulenten Transport lässt sich nach Boussinesq (1877) auch als eine Erhöhung der molekularen Austauschkoeffizienten auffassen: turbulenter Impulstransport:

• Schubspannung

yu)(vu

yu

turb''

turblam ∂∂

ν+ν⋅ρ=⋅ρ−∂∂

⋅η=τ+τ=τ (4.33a)

• turbulente kinematische Viskosität

yuvu ''

turb

∂∂

−=ν (4.34a)

turbulenter Energietransport:

• Wärmestromdichte

yT)aa(cvTc

yTqqq turbp

''pturblam ∂

∂+⋅⋅ρ−=⋅⋅ρ−

∂∂

⋅λ−=+= &&& (4.33b)

• turbulente Wärmeleitfähigkeit

yTvTa

''

turb

∂∂

= (4.34b)

turbulenter Stofftransport:

• Diffusionsstromdichte

''A

AABturbrel,Alamrel,Arel,A v

yD)m()m(m ρ−

∂ρ∂

⋅−=+= &&&

y)DD( A

turbAB ∂ρ∂

+−= (4.33c)

• turbulenter Diffusionskoeffizient

y

vDA

''A

turb

∂ρ∂

ρ= (4.34c)

Page 190: WS Skript 181007

170 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Die turbulenten Austauschkoeffizienten turbturbturb D,a,ν sind nicht nur vom Stoff, sondern auch vom Problem abhängig. Sie sind z.B. bei der Umströmung eines Zylinders völlig anders als bei der Durchströmung eines Rohres. Die Problemabhängigkeit der turbulenten Schubspannung, Wärme-stromdichte und Diffusionsstromdichte ist die Ursache dafür, dass man turbulente Strömungen außer in den einfachsten Fällen immer noch nicht vollständig berechnen kann. Allgemein gilt jedoch, dass der turbulente Austausch von Impuls, Energie und Stoff sehr viel größer als der molekulare Austausch ist. Daraus folgt, dass die dimensionslosen Gradienten an der Wand (Phasengrenze) bei turbulenter Strömung sehr viel größer sind als bei laminarer. An der Wand (Phasen-grenze) selbst verschwinden die turbulenten Schwankungen, der Gradient an der Wand wird aber stark durch die Schwankungen im Inneren der Strömung vergrößert. Das heißt, Nu, Sh und cf sind weiter durch die dimensionslosen Wandgradienten von T, xA und u bestimmt, Gl (4.15), (4.16), (4.17).

lamturb )Nu()Nu( >> (4.35a)

lamturb )Sh()Sh( >> (4.35b) aber auch:

lamfturbf )c()c( >> (4.36a)

Page 191: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 171

4.2 Außenströmungen

4.2.1 Das Grenzschichtkonzept für erzwungene Konvektion, große Reynoldszahlen (Prandtl 1904)

Der Einfachheit halber betrachten wir eine ebene Platte (Abb. 4.5):

Ist die Reynoldszahl groß, dann werden sich die Reibungseffekte durch die Haftbedingung an der Wand auf eine kleine Schicht der Dicke δw(x), die Geschwindigkeitsgrenzschicht, beschränken. Außerhalb der Grenzschicht sind Reibungseffekte vernachlässigbar und es gilt die Bernoulligleichung entlang Stromlinien. Ähnlich wird es bei großen Pecletzahlen (kleiner Wärme-leitfähigkeit) hinsichtlich der Wärmeleitungseffekte sein (Abb. 4.6); die Temperaturgrenzschicht ist auf einen kleinen Bereich beschränkt.

viskose Unterschicht

Abb. 4.5: Schema zum Grenzschichtkonzept

Abb. 4.6: Temperaturprofile in der laminaren Grenzschicht

Page 192: WS Skript 181007

172 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Allgemein gilt für Grenzschichten:

• die Geschwindigkeit in Hauptströmungsrichtung ist sehr viel größer als in Querschnitten senkrecht dazu, z.B. yx ww >> ,

• die Ableitungen in Hauptströmungsrichtung sind sehr viel kleiner als senkrecht dazu , z.B. y/Tx/T ∂∂<<∂∂ ,

• der Druck variiert nur in Hauptströmungsrichtung , z.B. p = p(x) .

4.2.1.1 Abschätzung der Grenzschichtdicken bei laminarer Strömung

4.2.1.1.1 Geschwindigkeitsgrenzschicht Wir betrachten ein Kontrollvolumen (Abb. 4.7):

Für stationäre, zweidimensionale Strömungen und für das Kontrollvolumen nach Abb. 4.7 gilt folgende Massenbilanz: Die einströmende Masse pro Breiteneinheit ( )0w xw δρ ∞ ist gleich der ausströmenden Masse pro Breiten-einheit ( )0wx0y xwxw δρ+ρ und damit

( ) ( ) 0xwxww oyowx =⋅ρ−δ⋅−ρ ∞ (4.37) Für Abb. 4.7 ist die stationäre Impulsbilanz in x-Richtung bei Vernachlässigung des molekularen Impulsstromes in x-Richtung:

Abb. 4.7: Geschwindigkeitsgrenzschicht mit Kontrollvol. an der ebenen Platte

Page 193: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 173

Einströmender konvektiver x-Impuls pro Breiteneinheit ( )0w xww δρ ∞∞ minus ausströmender konvektiver x-Impuls pro Breiteneinheit

( )0wxx0y xwwxww δρ+ρ ∞ plus der in x-Richtung angreifenden Kräfte pro

Breiteneinheit (Schubspannung 0w xτ , Druckkräfte in x-Richtung heben sich auf) ist gleich null. Somit gilt:

( ) ( ) 0xxwwxww 0w0y0w22

x =τ−ρ−δ⋅−ρ ∞∞ (4.38) Kombiniert man die Massenbilanz mit der Impulsbilanz, so erhält man:

( ) ( )0wxx0w xwwwx δ−ρ=τ ∞ ∼ )x(w 0w2 δρ ∞ (4.39)

Mit der Abschätzung der Schubspannung wτ :

w

xw y

w∂

∂η=τ (4.39a)

durch den mittleren Gradienten zwischen Wand und Außenströmung

wτ ∼ ( )xw

wδη ∞ (4.39b)

folgt mit (4.39) die Grenzschichtdicke zu:

( )02 xδ ∼ ηρ ∞ /w

x0

Da diese Beziehung an jeder beliebigen Stelle x gültig ist, folgt

( )xwδ ∼ xRe

x ; η

ρ= ∞xwRex

für laminare Grenzschichten (4.40)

Aus der Impulsgleichung in y Richtung folgt für Re >> 1

0wCRe

1)0y(p)y(p 2

x≈ρ==−δ= ∞ ⇒ p = p(x) (4.41)

Page 194: WS Skript 181007

174 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Außerdem folgt aus (4.38) mit (4.39) und xww −∞ ∼ ∞w

yw ∼ 0

w

xw δ

∞ ∼ xRe

w∞ (4.42)

Turbulente Grenzschicht Bei turbulenter Strömung ist keine einfache Abschätzung der Grenzschicht-dicke möglich, da zwar formal

w

xw dy

dwη=τ (4.39a)

gilt, aber die Wandschubspannung von der Turbulenzstruktur entscheidend bestimmt wird und die Abschätzung (4.39b) nicht mehr gilt.

4.2.1.1.2 Temperaturgrenzschicht Machen wir die entsprechenden Betrachtungen für die Temperatur-grenzschicht (Abb. 4.8):

x

y

z c.) dz

dx

dy dV

u,v,w

dAr

u y

yT y

A

( )

( )( )

ρ

u t'( )

v t'( )

w t'( )

u

v w= = 0 b.)

a.)

y

t

dAdI v v dAyy& ' '= −ρ

dI v u dAyx& ' '= −ρ

dI v w dAyz& ' '= −ρ

Abb. 4.8: Schema zur Temperaturgrenzschicht

δT(x0

Page 195: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 175

Für das Kontrollvolumen nach Abb. 4.8 lautet die stationäre Energiebilanz (pro Breiteneinheit der Platte): Der eintretende konvektive Strom an Energie (spez. innere Energie u und kinetische Energie w2/2) ( ) T

2 2/wuw δ+ρ ∞∞∞ minus austretendem konvektiven Strom an Energie

0

2y

2x

yT

2y

2x

x x2

wwuw

2ww

uw ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ ++ρ−δ⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ ++ρ− ∞

plus zugeführtem Wärmestrom 0w xq& und der Leistung der Druckkräfte

( )0yTxT xwwwp −δ−δ∞ ist gleich null. Die Wärmeströme am Eintritt und am

äußeren Grenzschichtrand sind null wegen 0y/T,0x/TTy0x

=∂∂=∂∂δ== und

wegen y/Tx/T ∂∂<<∂∂ am Austritt vernachlässigbar. Somit folgt:

0

2y

2x

yT

2y

2x

xT

2

x2

wwuw

2ww

uw2

wuw ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ ++ρ−δ⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ ++ρ−δ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛+ρ ∞

∞∞∞

( ) 0xwwwpxq 0yTxT0 =ρ−δρ−δρ⋅ρ

+⋅+ ∞&

(4.43)

Für Pr ≈ 1 ist im 3. Term von Gl. (4.43) 22

x ww ∞= . Für Pr >> 1 (ν >> a) ist Tw δ>>δ und am Temperaturgrenzschichtrand ist ∞<< wwx , dann folgt aus

einer Reihenentwicklung: Twxx y/ww δ⋅∂∂= . Mit der Definition der Gesamtenergie 2/)ww(/puh 2

y2xg ++ρ+= und der

Massenbilanz folgt bei Vernachlässigung von Gliedern mit 2yw ∼ Re−1:

( ) 0wTggx xqhhw &−=δ−ρ ∞ (4.44)

Page 196: WS Skript 181007

176 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Mit den Zustandsgleichungen für das ideale Gas und die ideale Flüssigkeit gilt wegen ( ) 0p/h T ≡∂∂

yTc

yp

ph

yT

Th

yh

p

0

Tp ∂∂

=∂∂

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

+∂∂

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

∂∂

=∂∂

≡321

Mit dem Fourierschen Gesetz ergibt sich:

w

w yTq

∂∂

λ=− & ∼ Tp

hc δλ ∞

Mit gg hh −∞ ∼ ∞h und xw ∼ ∞w in (4.44) ergibt sich:

2Tδ ∼

∞ρλ

wx

c0

p

Da diese Beziehung an jeder Stelle x gilt, folgt mit

λ

η= pc

Pr ; ηρ

= ∞xwRex

Tδ ∼ RePr

x⋅

(Pr ≈ 1); Tδ ∼ 2/13/1 RePrx⋅

(Pr >> 1)

Für Pr >> 1 (ν >> a) gilt xw ∼ ∞w nicht mehr, sondern

xw ∼ Tw

x

yw

δ⋅∂

∂ ∼ T

w

wδ⋅

δ∞ ∼ TRe

xw

δ⋅∞

(4.45)

Page 197: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 177

was zu Tδ ∼ 2/13/1 RePrx⋅

führt.

Tδ ∼ wδ für Pr ∼ 1 Gase Tδ < wδ für Pr > 1 Flüssigkeiten (z.B. Öl) Tδ > wδ für Pr < 1 flüssige Metalle (z.B. Quecksilber, Alkalimetalle)

4.2.1.1.3 Die Konzentrationsgrenzschicht Für die laminare Konzentrationsgrenzschicht Aδ lässt sich eine analoge Abschätzung für 1xA << wie für die Temperaturgrenzschicht vornehmen, mit dem Ergebnis:

Aδ ∼ ReSc

x⋅

(Sc ≈ 1); Aδ ∼ 2/13/1 ReScx⋅

(Sc >> 1) (4.45a)

Zusammenfassung Für laminare Grenzschichten gilt: Das Verhältnis von Geschwindigkeitsgrenzschichtdicke zur Lauflänge ist umgekehrt proportional zur Wurzel der Reynoldszahl x/wδ ∼ 2/1Re− . Das Verhältnis von Konzentrations- bzw. Temperaturgrenzschichtdicke zur Lauf-länge ist ebenfalls umgekehrt proportional zur Wurzel der Reynoldszahl.

xwδ

∼ xRe

1; x

Tδ ∼

( )PrRe

PrC

x ⋅ ; x

Aδ ∼

( )xReSc

ScC⋅

Pr = Sc ≈ 1 C = 1 Pr = Sc >> 1 C ∼ Pr1/6 bzw. Sc1/6

(4.46)

Page 198: WS Skript 181007

178 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.2.2 Die ebene Platte bei erzwungener Strömung

4.2.2.1 Laminare Strömung Bei laminarer Strömung ergibt sich aus den Grenzschichtgleichungen für ρ = konstant und für konstante Stoffwerte folgende Korrelation für den Reibungsbeiwert und die Nusseltzahl: Für den Reibungsbeiwert gilt folgende Korrelation:

xfx2

wx

Re664,0c

w2 lam==

⋅ρτ

; Re328,1c

lamf = ; 510wlRe <η

ρ= (4.47)

Tab. 4.6: Nusselt- und Sherwoodzahlkorrelation für die ebene Platte bei

erzwungener, laminarer Strömung Re < 105 , konstanter Wandtemperatur bzw. konstanter Wandkonzentration und

1x A << oder BA nn && −=

Korrelation Bemerkung

Pr = Sc → 0 2/1

x2/1lam,x

2/1lam,x Re1

PrNu

ScSh

⋅π

== exakte Lösung

(4.48)

Pr = Sc = 1 2/1

xlam,fx

xlam,xlam,x Re332,02

cReNuSh ⋅=⋅==

exakte Lösung Reynoldsanalogie

(4.49) ∞<=≤ ScPr6,0

2/1x

lam,fx3/1

x

lam,x3/1

x

lam,x Re332,02

cPrRe

NuScRe

Sh −===

Colburnanalogie oder erweiterte Reynoldsanalogie (gute Näherung)

(4.50) ∞→= ScPr

2/1x3/1

x

lam,x3/1

x

lam,x Re339,0PrRe

NuScRe

Sh −==

exakte Lösung Reynoldsanalogie (fast exakt erfüllt)

(4.51)

Page 199: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 179

Für mittlere Nusseltzahlen bzw. Schmidtzahlen gelten die gleichen Beziehungen mit

52/1lam,f 10lwRe ;Re328,1c ≤

ν⋅

== − (4.52)

Bei anderen Randbedingungen als Tw = konst. bzw. xw = konst. gelten die angegebenen Korrelationen nicht. Für .konstqw =& bzw. .konstnAW =& und Pr = Sc ≈ 1 ergibt sich

2/1

x3/1x

lam,x3/1

x

lam,x Re453,0ScRe

ShPrRe

Nu −⋅== (4.53)

Die Sherwood- bzw. Nusseltzahl ist also bei .konstnA =& bzw.

.konstqw =& ≈ 1/3 größer als bei .konstTW =

lam,AA xlam,Tlam,qlam,n Sh35,1Nu35,1NuSh ⋅=⋅≈= &&

4.2.2.2 Turbulente Strömung Bei mit der Lauflänge gebildeten Reynoldszahlen von ungefähr 105 wird jede Grenzschicht turbulent. Für turbulente Strömung gibt es empirische Korrelationen, die die Analogie zwischen Impuls-, Stoff- und Wärme-übertragung berücksichtigen. Aus der Analogie folgt für die Sherwood- und Nusseltzahl bei turbulenter Plattenströmung:

( )1Pr2

c7,121

PrRe2

c

Nu3/2

2/1turb,f

turb,f

turb

−⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

= ; turbturb NuSh = für Pr = Sc (4.54)

Page 200: WS Skript 181007

180 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Die Analogie verlangt analoge RB, d.h. konstante Wandtemperatur oder konstante Konzentration. Bei turbulenter Strömung ist allerdings der Einfluss der Randbedingungen wesentlich geringer als bei laminarer Strömung. Da jede Plattenströmung zunächst laminar ist, ergibt sich für die mittlere Nusseltzahl mit der Beziehung

( ) 2/12turb

2lam NuNuNu += 10 < Re < 107 (4.55)

( ) 2/12

turb2lam ShShSh += 0,6 < Pr, Sc < 3000 (4.55b)

eine recht gute Übereinstimmung mit Messergebnissen (VDI-WA Ga2). In Gl. (4.54) muss der entsprechende turbulente cf - Wert eingesetzt werden. In Abhängigkeit von der Rauhigkeit der überströmten Platte, der Reynoldszahl und des Strömungsprofils kann dieser durch unterschiedliche Korrelationen bestimmt werden. Für den Reibungsbeiwert der ebenen Platte gelten bei turbulenter Strömung die Beziehungen in Tab. 4.7 bzw. Abb. 4.9. Für den laminaren Teil von (4.55) müssen die Korrelationen aus Tab. 4.6 verwandt werden. Tab. 4.7: Reibungsbeiwerte für die ebene Platte bei erzwungener Strömung

Korrelation Geltungsbereich

2,0turb,f Re074,0c −⋅=

von Anfang an turbulent, hydraulisch glatt (Prandtl)

(4.56)

ReCRe074,0c 2,0

turb,f −⋅= −

C=1700 für 5105Re ⋅=

turbulent mit laminarem Anlauf, hydraulisch glatt (Schlichting)

(4.57)

.konstk1,Cc 1turb,f == ∗

turbulent, rau 310Re

kl −⋅< (Prandtl, Schlichting)

(4.58a)

∗ k ist die äquivalente Sandrauhigkeit

Page 201: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 181

.konstkw,ReCc n

2turb,f =

ν= ∞

turbulent, rau 310Re

kl −⋅> (Prandtl, Schlichting)

(4.58b)

So ergibt sich z.B. nach Prandtl für die Überströmung einer glatten Platte, von Anfang an turbulent mit 2,0

turb,f Re074,0c −⋅= :

( )1PrRe443,21PrRe037,0Nu 3/21,0

8,0

turb −⋅+⋅⋅

= − ;

( )1ScRe443,21ScRe037,0Sh 3/21,0

8,0

turb −⋅+⋅⋅

= − für 1xA << (4.59)

Veränderliche Stoffwerte Bei großen Temperaturunterschieden muss die Temperaturabhängigkeit der Stoffwerte berücksichtigt werden. Dies kann bei der Nusseltzahl durch die folgende Korrekturgleichung gut erfasst werden.

m

25,0

m

Wand NuPr

PrNu ⋅⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛=

Die Stoffwerte sind bei der mittleren Temperatur 2TTT AE

m+

= zu bilden.

Page 202: WS Skript 181007

182 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Abb. 4.9a zeigt den Widerstandsbeiwert der Platte als Funktion der Reynolds-zahl mit Einschluss von Rauhigkeitseffekten.

Abb. 4.9a: Reibungsbeiwert von glatten und rauen Platten, Prandtl,

S. 266 Bild 4/72 1. Blasius Gl. (4.47);2. Schlichting Gl (4.57) 3. Prandtl Gl. (4.56); 4a. Prandtl - Schlichting Gl .(4.58a); 4b. Prandtl - Schlichting Gl. (4.58b)

Page 203: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 183

Die entsprechenden Nusseltzahlen zeigt Abb. 4.9b.

Abb. 4.9b: Wärmeübergang bei der Strömung längs einer ebenen Wand

(4.55)

Page 204: WS Skript 181007

184 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.2.3 Verschiedene Einzelkörper bei erzwungener Strömung

4.2.3.1 Widerstand von Kugeln und Zylindern In der Ingenieurpraxis treten viele Körper auf, die dem Zylinder oder der Kugel verwandt sind. Während für längs angeströmte Zylinder in guter Näherung die Korrelationen für die Platte angewendet werden können, sind die Strömungsverläufe bei quer angeströmten zylinderförmigen Körpern oder bei kugelförmigen Körpern sehr komplex. Im Bereich des Druckanstiegs tritt hier eine Ablösung der Grenzschicht ein. Der Ablösepunkt und der Umschlag laminar/turbulent wird wesentlich von dem Turbulenzgrad der Strömung beeinflusst. Der Widerstand eines solchen Körpers besteht im wesentlichen aus dem Druck- oder Formwiderstand und nur zu einem kleinen Teil (~10%) aus dem Reibungswiderstand. Bei einem Stromlinienkörper sind die Anteile etwa umgekehrt. Nur bei Reynoldszahlen Re < 1 (Stokesche Strömung) tritt keine Ablösung auf und der Widerstand ist ein reiner Reibungswiderstand.

Page 205: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 185

Abb. 4.10 zeigt den Widerstandsbeiwert von glatten Kugeln und Zylindern. Der Widerstandsbeiwert ist dabei durch

(Re)fAw

2

Wcf

2w =

ρ=

; ηρ

= ∞dwRe (4.60)

definiert, wobei Af die Querschnittsfläche senkrecht zur Anströmung ist. Dass der Widerstandsbeiwert bei inkompressibler Strömung nur eine Funktion der Reynoldszahl ist, folgt aus der Dimensionsanalyse. Für die Kugel ergibt sich für Re << 1

Re24c w = (Stokessche Lösung; schleichende Strömung) (4.61)

100

10

1

0.1

0.01

Kugel

glatter Zylinder

c =24

Rew

laminar

turbulent

Übergang vonlaminarer zuturbulenterStrömung

10 1 10-1 10 10 10 102 3 4 65 10Re

cw

Abb. 4.10: Widerstandsbeiwert f

2w

Aw2

Wc∞⋅

ρ= von Kugel und Zylinder

Gl. (4.60)

Page 206: WS Skript 181007

186 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Der starke Abfall des Widerstandsbeiwertes beim Umschlag laminar/turbulent hat seine Ursache darin, dass bei turbulenter Strömung die Strömung später ablöst. Aufgrund des höheren Geschwindigkeitsgradienten kann die Strömung länger gegen einen Druckanstieg anlaufen, bevor sie ablöst. Die Abb. 4.11 verdeutlicht dies. Sie zeigt die unterschiedlichen Ablösegebiete bei einer Kugel.

gemesseneDruckverteil.

laminareGrenzsch.

1.00.80.60.40.2

0-0.2-0.4-0.6-0.8-1.0-1.2-1.4

0 40 80 120 160

turbulenteGrenzsch.

theoretischeDruckverteil.

θ Grad

p- p∞1

2ρw∞

2

Abb. 4.11: Gemessene und theoretische Druckverteilung bei der Kugel bei laminarer und turbulenter Grenzschicht.

4.2.3.2 Wärme- und Stoffübertragung an Kugeln und Zylindern Für den Wärmeübergang an Zylindern und Kugeln ergeben sich keine analogen Beziehungen zum Widerstandsbeiwert wie bei der Platte. Dies liegt daran, dass die bestimmenden Differentialgleichungen nicht mehr übereinstimmen. Es besteht in der Energiegleichung kein Analogon zum Druckterm der Bewegungsgleichung. Außerdem gibt es bei der Temperatur keinen der Ablösung und Rückströmung verwandten Vorgang.

Page 207: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 187

Für die Kugel ergibt sich für die Nusseltzahl, ähnlich wie für cwRe, ein Grenzwert für Re <<1. Für den querangestellten Zylinder existiert solch eine Stokessche Lösung nicht. Allgemein gilt für Nu und Sh mit 1x A << die Analogie, wenn die RB analog sind. Nu (Re, Pr) = Sh (Re, Sc)

Dabei ist die charakteristische Länge bei der Kugel der Durchmesser und

beim Zylinder die Überströmlänge 2/dπ . Allgemein gilt für die Überströmlänge l: PrU/Al = PrU = Umfang der

Projektionsfläche

Für den laminaren Bereich 5102Re ⋅≤ gilt näherungsweise für die Kugel

3/12/1 PrRe72,02Nu += 10ScPr,2/1 4≤≤ 3/12/1 ScRe72,02Sh +=

(4.62)

Für den querangestellten Zylinder gilt die gleiche Formel wie für die ebene Platte mit l = π⋅d/2. Bei turbulenter Strömung gelten für Kugel und Zylinder die Korrelationen für die Platte.

l = a + b

a b

l = 2π

d

d

Abb. 4.12: Zur Definition der Überströmlänge l bei quer angeströmten

Körpern

Page 208: WS Skript 181007

188 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Da jeder umströmte Körper einen laminaren Bereich hat und auch durch reine Wärmeleitung oder Diffusion schon eine Wärmeübertragung bzw. Stoff-übertragung auftritt, ist folgende Korrelation in Anlehnung an die Platte nach Schlünder zu empfehlen. 2/12

turb2lammin )NuNu()Nu(Nu ++=

Kugel, Zylinder 10 < Re < 107; 1/2 < Pr < 104

2)Nu( Kugelmin = siehe Kapitel 2

3,0rDurchmesse

ngeaLf)Nu( Zylindermin ≈⎟⎠⎞

⎜⎝⎛=

&& für l/d ≈10

(4.63)

4.2.3.3 Einfluss des Turbulenzgrades der Anströmung Der Einfluss des Turbulenzgrades der Anströmung

w/www31T 2

z2

y2

xu ⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ′+′+′=

ist vor allem bei laminarer Grenzschicht von Bedeutung. Es werden durch die Turbulenz der Anströmung instationäre Schwankungen in die Grenzschicht hineingetragen, die die Gradienten an der Wand (Schubspannung, Wärme-übergang, Stoffübergang) im zeitlichen Mittel erhöhen. Die turbulente Grenz-schicht ist schon instationär, zusätzliche Schwankungen haben nur noch geringen Einfluss. Eine empirische Formel für den Einfluss von Tu für den querangeströmten Zylinder wird von Brauer angegeben.

16,0

w3/12/1

d

d 4763,0PrRe

Nu⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛νν

=⋅

6/12/16

u

u3 PrRe10220,113,0T

T10162,7 ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅+

+⋅+ −−

(4.64)

Page 209: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 189

Sie ist in Abb. 4.13 dargestellt. In (4.64) werden die Nusseltzahl und die Reynoldszahl mit dem Durchmesser d gebildet. Wν ist die kinematische Viskosität des Fluides bei Oberflächentemperatur des umströmten Körpers. Alle anderen Stoffwerte, Kennzahlen und Geschwindigkeiten sind auf das anströmende Fluid bezogen.

Beispiel 4.4: Aufgabe: Bestimme die mittlere Nusseltzahl für eine senkrechte Platte der Länge l = 0,25m, wenn die Oberfläche der Platte die Temperatur C90T o

W = besitzt und die Umgebungstemperatur C10T o=∞ beträgt. Lösung: (1) Bekannt:

l = 0.25 m

C10T;C90T ooW == ∞

*

Abb. 4.13: Wärmeübertragung am quer angeströmten Zylinder für verschiedene Werte des Turbulenzgrades, nach Brauer

Abb. 7.5, S. 339 mit Nu Nu* =2π

Page 210: WS Skript 181007

190 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

(2) Gesucht:

Nu = Nu(Gr,Pr) (3) Skizze:

u

T = 10°C

T = 90°CW

l = 0.25m

(4) Annahmen:

• stationär, konstante Stoffwerte • freie Konvektion äquivalent zu erzwungener Konvektion mit

Gr4,0Re2äq ⋅=

(5) Stoffwerte von Luft bei 2/)TT(T Wm ∞+= : s/m1018 26−⋅=ν )mK/(W028,0=λ

ρ ~ T1 (ideales Gas)

Pr = 0.69 (6) Berechnung:

ρρ−ρ

⋅ν⋅

=)(lgGr W

2

3

(4.20)

)TT(lgGr WT2

3

∞−⋅β⋅ν⋅

= (4.20a)

für ideale Gase gilt: ∞

=βT1

T

∞−⋅

ν⋅

=T

)TT(lgGr W2

3

81004.1 ⋅=

Page 211: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 191

( ) laminar 1056572Gr4.0Re 52/1äq ⇒⋅≤=⋅=

Wärmeübertragung an der senkrechten Platte bei erzwungener laminarer Konvektion: ( ) 2/12

turb2lam NuNuNu += (4.55a)

mit 57.47PrRe664.0Nu 3/12/1

lam =⋅⋅= (4.52)/(4.50)

und 12.37)1(PrRe443.21

PrRe037.0Nu 3/21.0

8.0

turb =−⋅+

⋅⋅= − (4.59)

ergibt sich: Nu = 60.34

4.2.4 Verschiedene Einzelkörper bei freier Strömung Für Einzelkörper wie Zylinder und Kugel gilt bei freier Strömung das gleiche wie bei der erzwungenen Konvektion. Bei Verwendung von Korrelationen zur Berechnung der Nusseltzahl ist darauf zu achten, dass die Überströmlänge l zu verwenden ist (siehe Abb. 4.12). Weiterhin ist der Grenzwert zu berücksichtigen, der sich bei reiner Wärmeleitung ergibt.

Page 212: WS Skript 181007

192 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.2.5 Überlagerung von erzwungener und freier Strömung Bei Überlagerung von freier und erzwungener Strömung ist zwischen Gegen- und Gleichstrom zu unterscheiden (Abb. 4.14).

T

T

w

freie Strömung

erzwungene Strömungw

freie Strömung

erzwungene Strömung (a) Gleichstrom (b) Gegenstrom Abb. 4.14: Überlagerung von erzwungener und freier Strömung Aus Ähnlichkeitsbetrachtungen ergibt sich

( )2Re/GrPr,Re,fNu = oder ( )Gr/RePr,,GrfNu 2=

(4.65)

In erster Näherung kann man aber mit einer effektiven Reynoldszahl arbeiten und wiederum die Korrelationen für erzwungene Konvektion benutzen. Für Gleichstrom ergibt sich die effektive Reynoldszahl in guter Näherung zu:

Gr4,0ReRe 2erzwungeneff += (4.66)

Bei Gegenstrom ist nach Churchill (VDI WA Fa 5/6) das Resultat aus der Überlagerung sehr komplex. Eine gute Näherung ergibt hier für die Nusselt-zahl

3frei

3erzwungen

3 NuNuNu −= (4.67)

Page 213: WS Skript 181007

4.2 Außenströmungen 193

4.2.6 Zusammenfassung der Wärme- und Stoffübertragung an Körpern bei freier und erzwungener Konvektion

Die mitgeteilten Ergebnisse lassen sich zu einer Formel zusammenfassen, die für die meisten technischen Bedürfnisse genau genug ist.

2turb

2lammin NuNuNulNu ++=

λα

=

2turb

2lammin

AB

ShShShD

lSh ++=β

= PrU/Al = (4.68)

Dabei ist

2ShNu minmin ≤= je nach Körperform (4.69)

2/1eff3/1

lam3/1

lam Re664,0PrNu

ScSh

== (4.70)

( ) 10/1eff

3/2

8,0eff

turb Re1Pr443,21PrRe037,0Nu −−+

⋅⋅= bzw.

( ) 10/1eff

3/2

8,0eff

turb Re1Sc443,21ScRe037,0Sh −−+

⋅⋅=

(4.71)

Gr4,0ReRe 2erzweff += (4.66)

/lwReerzw ν= ∞ (4.72)

TglGr v2

3

∆βν

= (4.73)

ρρ−ρ

⋅ν⋅

= w2

3

mglGr (4.73b)

Die Stoffwerte sind bei ( )∞+= TT21T wm zu nehmen.

Der Gültigkeitsbereich ist 7eff 10Re10 <<

410Pr5,0 << Die Formeln sind in Abb. 4.15 nach Schlünder dargestellt.

Page 214: WS Skript 181007

194 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Abb. 4.15: Nusseltzahl über der resultierenden Reynoldszahl bei überlagerter freier und erzwungener Strömung für verschiedene Körper bei unterschiedlichen Prandtlzahlen. Aus den Formeln erkennt man: α, d.h. der Wärmestrom pro Flächeneinheit und ein Grad Temperatur-differenz, steigt mit zunehmender Anströmgeschwindigkeit und mit abnehmender Länge l. Wir werden sehen, dass sich die Wärme- und Stoff-übertragung bei Innenströmungen nicht grundsätzlich anders verhält. Innenströmungen nicht grundsätzlich anders verhält.

Page 215: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 195

4.3 Innenströmungen

4.3.1 Laminare Kanalströmungen

4.3.1.1 Geschwindigkeitsfeld und Druckabfall im zylindrischen Rohr

4.3.1.1.1 Vollentwickelte Strömung ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ =≡∞→⋅ .konst

dxdp;0

dxdu,

dl

Re1

Genauso wie bei der Außenströmung bilden sich auch bei Innenströmungen von der Vorderkante fester Wände an Grenzschichten aus. Mit fortlaufender Länge dieser festen Wände wachsen die Grenzschichtdicken an. Das Anwachsen der Grenzschichtdicken ist bei Innenströmung, etwa bei der Durchströmung eines zylindrischen Kreisrohres, dadurch begrenzt, dass die Grenzschicht auf der Rohrachse "an sich selbst stößt". Das ganze Rohr wird dann von der Grenzschicht ausgefüllt. Die Grenzschicht kann auch bei weiter fortlaufender Rohrlänge nicht mehr anwachsen, siehe Abb. 4.16. Schließlich gibt es in Strömungsrichtung gar keine Änderung mehr. Man spricht dann von einer voll entwickelten Rohrströmung.

d

u(r)

r xR

(r)

τ

Voraussetzungen

• Newtonsches Fluid ( ) τ ηr dudr= −

⎛⎝⎜ ⎞

⎠⎟

• rotationssymmetrisch • stationär • konstante Stoffwerte Abb. 4.16: Voll entwickelte Kanalströmung, Geschwindigkeits- und

Schubspannungsprofil

Page 216: WS Skript 181007

196 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Die Impulsbilanz reduziert sich wegen u = u (r) zu einer Kräftebilanz von Druck- und Reibungskräften am Kontrollvolumen (KV):

( ) 0rdpdxr2r 2 =π⋅−⋅π⋅τ−

( )2r

dxdpr ⋅−=τ

(4.74)

Annahme: Newtonsches Fluid:

( )drdur η−=τ (4.75)

Integration zwischen r und R mit der Haftbedingung u(R) = 0:

( )∫∫ =⋅

η⋅

0

ru

R

r

dudrrdxdp

21

(4.76)

Abb. 4.17: Kräftegleichgewicht der Rohrströmung

Page 217: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 197

Geschwindigkeitsprofil (Hagen - Poiseuille Profil):

( ) ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−

η⋅⋅−= 2

22

Rr1

4R

dxdpru (4.77)

( )η⋅

⋅−===4R

dxdp0ruu

2

max (4.78)

( ) max

R

02 u

21drrru

R2u == ∫ (4.79)

w

2

4R

dxdp

8Ru τ

η⋅=

η⋅−= (4.80)

Reibungsbeiwert: (Def (4.15))

Re16c lam,f = ν

duRe ⋅= (4.81)

Widerstandsbeiwert:

lam,fc4Re64

⋅==ξ (4.82)

Der dimensionslose Geschwindigkeitsgradient an der Wand Rec21

lam,f ⋅⋅ ist

konst!

Page 218: WS Skript 181007

198 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.3.1.1.2 Einlaufeffekte Im Einlauf von Kanälen, dem Einlauf bis zur vollentwickelten Strömung, treten zwei Einflüsse auf, die den Druckabfall erhöhen. 1. Die Wandschubspannung ist höher als bei der voll entwickelten Strömung. 2. Die Profilform ändert sich und damit auch der Impulsstrom. Dies verursacht

einen zusätzlichen Druckabfall.

dRr

u(r)u(r,x)

x

u = u0

Einlauf Voll entwickelt

Wandschubspannung τwe > τwv Impulsstrom in x-Richtung &Ix ; Impulsdichte in x-Richtung, ρ⋅ ux

&I u dAxe x

A

f

f

= ⋅∫ ρ 2

0 < &I u r

R r drxv

R= ⋅ ⋅ −

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟∫ ⋅ ⋅ ⋅4 1 22

2

20

2

ρ π

= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅43 4

22

ρ πu d

Index e: Einlauf Index v: voll entwickelt Abb. 4.18: Schema zu Einlaufeffekten beim Rohr Für den Reibungsbeiwert lässt sich für das Rohr aus Ähnlichkeits-betrachtungen ableiten, dass der lokale Reibungsbeiwert von der Reynolds-zahl ( /udRe ν= ) und der dimensionslosen Lauflänge (x/d) abhängt.

( )d/xRe,fcfx = (4.83) Für große Re (Grenzschichtnäherung) reduziert sich die Abhängigkeit auf eine Kennzahl ( d/xRe 1⋅− ):

( )d/xRefRec 1lam,fx ⋅=⋅ − (4.84)

Page 219: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 199

Man kann einen scheinbaren oder äquivalenten mittleren Reibungsbeiwert cfäq definieren, der die Impulsstromänderung mit erfasst und dem Druckabfall die Waage hält.

dl4c

w2

päqf

2

⋅=

ρ∆

(4.84a)

cfäq lässt sich aus drei Anteilen zusammengesetzt darstellen: 1. dem Reibungsbeiwert der voll entwickelten Strömung 16/Re 2. dem zusätzlichem Reibungsbeiwert im Einlauf cf, lam − 16/Re 3. der normierten Impulsstromänderung im Einlauf die einen Druckabfall

hervorruft.

l4d

d4

u2

IIRe16c

Re16c

22

xexfqaf ⋅

⋅π

⋅ρ

−+⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ −+=

&&&& (4.85)

In Abb. 4.19 sind cfx , cf und cfäq dargestellt:

cfäq,lam ⋅Recf,lam⋅Recfx,lam ⋅Re

Abb. 4.19: Reibungsbeiwert im Einlauf eines Kreisrohres bei laminarer

Strömung nach Handbook of Heat Transfer Fig. 7.1 Aus Abb. 4.19 lässt sich auch die auf den Durchmesser bezogene Länge der Einlaufstrecke l/d abschätzen, die bis zur Ausbildung des voll entwickelten Profils benötigt wird.

Page 220: WS Skript 181007

200 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Als Einlauflänge wird die Länge festgelegt, nach der die Geschwindigkeit auf der Achse 99 % der Geschwindigkeit des voll entwickelten Profils erreicht hat. Für die Einlauflänge gilt:

( )⎥⎦⎤

⎢⎣

⎡⋅+

+⋅=Re035,01Re

6,0056,0dRele (4.86)

Im Einlauf ergibt sich für den Grenzfall 0Re1

dl

→⋅ die asymptotische Lösung

für die längs angeströmte Platte:

dlRe

328,1c:0dlRe lam,f

1

⋅=→⋅−

(4.87)

dxRe

664,0c:0dxRe lam,fx

1

⋅=→⋅−

(4.88)

Für die Pumpleistung VpP &⋅∆= bezogen auf die Wärmeübertragungsfläche (z.B. dlA π= für das Kreisrohr) erhält man A/AupA/P F⋅⋅∆= . Für die Einlaufströmung ist die bezogene Pumpenleistung proportional zu u5/2 und für die voll entwickelte Strömung proportional zu u2 (siehe Gl. (4.87), (4.82), mit (4.14), (4.84a).

Page 221: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 201

4.3.1.2 Temperaturfeld und Wärmeübergang Wie schon bei den Außenströmungen sind auch Temperaturfeld und Wärme-übergang im laminar durchströmten Rohr und allgemein bei Innenströmungen vielfältiger als Geschwindigkeitsfeld und Druckabfall. Im Gegensatz zur Geschwindigkeit an der Wand, die immer gleich der Wandgeschwindigkeit ist (meist gleich null), sind unterschiedliche thermische Randbedingungen an der Rohrwand möglich. Diese ergeben dann unterschiedliche Temperatur-verteilungen und damit auch unterschiedliche Nusseltzahlen. Standardrand-bedingungen sind Tw = konst. oder wq& = konst.

Abb. 4.20: Mittlere Temperatur und Wärmestromdichte an der Wand für eine Kanalströmung mit konstanter Wandtemperatur Tw > TE

Aus der Energiebilanz folgt für konstante Wandtemperatur TW mit der Eintritts-temperatur TE für die mittlere Fluidtemperatur T eine exponentielle Abnahme der Temperaturdifferenz ( )TTw − , siehe Abb. 4.20.

Page 222: WS Skript 181007

202 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Vernachlässigt man die Wärmeleitung in Strömungsrichtung sowie Änderungen der potentiellen und kinetischen Energie, lautet die Energie-bilanz:

( )TdTMcQdTMc pp +=+ &&&

TdMcQd p&& =

Mit der Wärmeübergangsgleichung

( ) ( ) ( )xdATTxQd w −⋅α=&

dQ = ( T - T) dAα w

.

c M T c M ( T+dT )pp

. .

x x+ ∆ x

folgt ( ) ∫∫α

=− Mc

dAxTT

Td

pw&

( )( ) ( )( ) ( )

( )

( )xxA

xAp

xxT

xTw McxAxTTln

∆+∆+

⋅α⋅

−=−&

Am Eintritt ist x = 0 und ( ) ETxT = . Dann folgt für α=konst. die mittlere Temperatur ( )xT an einer Stelle x*: *

( )( )( )

( )⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅

−=⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⋅⋅α

−=−−

hpwE

w

dx4

PrReNuexp

McxAexp

TTTxT

&

[ ]*x

xh

NTUexpGzNu4exp

dx4Stexp −=⎥

⎤⎢⎣

⎡−=⎥

⎤⎢⎣

⎡−=

* siehe Abschnitt 4.4, Gl. (4.130) mit ( ) uAM,xUxA f ⋅⋅ρ=⋅= & und den allgemeinen Definitionen:

(4.89)

Af : mittlerer freier Strömungsquerschnitt

xUxA4

AV4d f

h ⋅⋅⋅

=⋅

= : hydraulischer Durchmesser (4.90)

PrReNuSt

⋅= : Stantonzahl (4.91)

* Diese Annahme ist in der Nähe des Einlaufes nicht erfüllt.

Page 223: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 203

x4dPrRe

Fo1Gz h

xx ⋅

⋅== : Graetzzahl

= inverse dimensionslose Kontaktzeit t*; t = l/u

(4.92)

( )McxANTU

px &⋅

⋅α= : Anzahl der Übertragungseinheiten (4.93)

Wenn die Fläche A bekannt ist, kann man bei bekanntem Nu, Re, Pr und dh für eine gegebene Wand- und Eintrittstemperatur die Austrittstemperatur bestimmen, oder wenn die Austrittstemperatur vorgegeben ist, kann man die benötigte Fläche bestimmen. Für konstante Wärmestromdichte wq& = konst. ergibt die Energiebilanz:

McdxUq

McdAqTd

p

w

p

w&

&&

&

⋅=

⋅=

( )Mc

xUqTxTp

w0 &

&

⋅⋅

+=

dQ = q dAw

.

c M T c M ( T + dT )pp

. .

.

x x+ x∆

Die mittlere Fluidtemperatur steigt linear (Abb. 4.21). Die Wandtemperatur steigt linear bei voll entwickeltem thermischen Profil. Für den Einlauf kann eine quantitative Aussage nur gemacht werden, wenn α(x) bekannt ist, z.B. für die ebene Platte (Gl (4.49), (4.95b)).

Page 224: WS Skript 181007

204 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Der Grenzfall für Fo→0 ist der thermische Einlauf, und der Grenzfall Fo→∞ ist die thermisch voll entwickelte oder ausgebildete Strömung. Tab. 4.8 veranschaulicht die unterschiedlichen Fälle für konstante Wand-temperatur und gibt asymptotische Lösungen für die mittlere Nusseltzahl an. Global gilt: Bei thermischem Einlauf sind die Nusseltzahlen sehr viel größer als bei thermisch voll entwickelter Strömung. Das Geschwindigkeitsprofil hat nur geringere Bedeutung, wobei bei Pfropfenströmungen (Pr → 0) größere Nusseltzahlen als bei hydrodynamischer Einlaufströmung oder voll entwickelter Strömung auftreten.

Abb. 4.21: Mittlere Temperatur und Wandtemperatur in einer Kanalströmung mit konstanter Wärmestromdichte an der Wand

Page 225: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 205

Tab. 4.8: Mittlere Nusseltzahl bei laminarer Strömung im Kreisrohr mit konstanter Wandtemperatur, dh = d, l = Länge des Rohres

Geschwindig-keits-

verteilung w

Temperatur-verteilung

TTw −

Prandlzahl

aPr ν

=

Fourierzahl

PrRed/lFo⋅

=

Temperaturverteilung

dxNul1Nu

l

0x∫=

Pfropfenströmung thermisch Voll entwickelt

0Pr → ∞→

⋅PrRed/l

78.5Nu =

(4.94a)

hydrodynamisch thermisch voll voll entwickelt entwickelt

∞→Pr ∞→

⋅PrRed/l

66.3Nu =

(4.94a)

Pfropfenströmung thermischer Einlauf

0Pr → 0PrRed/l

→⋅

2/12/1

Prd/l

Re2Nu ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

π=

(4.95)

hydrodynamischer thermischer Einlauf Einlauf

310Pr21

<<

0

PrRed/l

→⋅

1/31/2

Prl/dRe0.664Nu ⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛≅

(4.95b)

hydrodynamisch thermischer voll entwickelt Einlauf

∞→Pr 0PrRed/l

→⋅

3/13/1

Prd/l

Re62.1Nu ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛≅

(4.95c)

Page 226: WS Skript 181007

206 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Für hydrodynamisch und thermisch voll entwickelte Strömungen gibt Tab. 4.9 Werte für den Reibungsverlust und die Nusseltzahl an. Man erkennt wesentliche Unterschiede: Bei laminarer Strömung ist die Übertragung von Ergebnissen auf andere Querschnitte mit gleichem hydraulischen Durchmesser keine gute Näherung. Tab. 4.9: Nusseltzahlen NuT (für Tw=konst.) und qNu & (für wq& =konst.) und

Reibungsbeiwerte für laminare Strömung bei voll entwickelten la-minaren Geschwindigkeits- und Temperaturprofilen, nach Kays und London, Tab.6.1. (Beachte: cf = ξ/4)

Form qNu & NuT cf⋅Re qNu & / NuT

3.00 2.35 13.33 1.28

3.63 2.89 14.2 1.26

4.364 3.66 16 1.19

5.35 4.65 18.3 1.15

6.5 5.95 20.5 1.09

8.235 7.54 24 1.09

5.385 4.86 24 1.10

Für laminare Strömungen einschließlich thermischem und hydrodynamischem Einlauf können aus Abb. 4.22 und Abb. 4.23 die Nusselt-zahlen für den ebenen Kanal und das Kreisrohr mit konstanter Wand-temperatur entnommen werden.

Page 227: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 207

Näherungen für den Kanal und das Kreisrohr geben die folgenden Gleichungen, die wie bei der instationären Wärmeleitung durch Kombination von Einzellösungen gewonnen wurden. Pfropfenströmung Pr → 0

thermischer Einlauf bis thermisch vollentwickelt ∞<⋅

=<dl

PrRe1Fo 0

Kanal Fo4

2Nu

22

s ⋅π+⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ π= (4.96)

Rohr ( )Fo478,5Nu 2

d ⋅π+= (4.97)

Vollentwickelte Strömung Pr → ∞ thermischer Einlauf bis thermisch vollentwickelt ∞<< Fo0

Kanal 33

3s Fo

)47,1()77,3(Nu += (4.98)

Rohr 33

3d Fo

)62,1()66,3(Nu += (4.99)

Alle Strömungs- und thermischen Zustände ∞<<∞<< Fo0;Pr0

Kanal ( )

3/12/133

s Fo1

FoPr221247,177,3Nu

⎪⎭

⎪⎬⎫

⎪⎩

⎪⎨⎧

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

++= (4.100)

Rohr ( )

3/12/133

d Fo1

FoPr221262,166,3Nu

⎪⎭

⎪⎬⎫

⎪⎩

⎪⎨⎧

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

++= (4.101)

Page 228: WS Skript 181007

208 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Die Beziehungen (4.96) - (4.99) sind in Abb. 4.22 und Abb. 4.23 dargestellt.

Abb. 4.22: Wärmeübergang im laminar durchströmten ebenen Kanal nach Schlünder

Abb. 4.23: Wärmeübergang im laminar durchströmten Rohr nach Schlünder

(4.96)

(4.98)

(4.97)

(4.99)

Gz ud

al=2

Page 229: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 209

Zusammenfassend erkennen wir für laminare Kanalströmungen: Für sehr große Kontaktzeiten Fo → ∞, (l/d)/(Re⋅Pr) → ∞ wird q& und auch Nu unabhängig von der Geschwindigkeit. Für kleine Kontaktzeiten und große Prandtlzahlen wird q& und Nu ∼ u1/3, und für sehr kleine bis mittlere Prandtl-zahlen und kleine Kontaktzeiten wird q& und Nu ∼ u1/2. Maximal kann die Wärmeübertragung bei laminarer Strömung also proportional mit der Wurzel der Geschwindigkeit ansteigen. Die Reibungsverluste, d. h. der Druckabfall, nehmen für Fo → ∞ proportional u zu und für kleine Fo proportional zu u3/2. Zu bemerken ist noch, dass die Proportionalität von q& zu ( )TTT w −=∆ und dh

-1 immer vorhanden ist. Für Fo → ∞ ist q& ∼ 1

hd− unabhängig von u (voll entwickelt)

Für Fo << 1 (Einlauf) 1/2 < Pr < ∞ ist q& ∼ 2/12/1 lu −⋅ l – Lauflänge

Pr → 0 ist q& ∼ 2/12/1 lu −⋅ Pr → ∞ ist q& ∼ )ld/(u 3/13/1

h3/1 ⋅

4.3.2 Turbulente Kanalströmungen Ab einer bestimmten Reynoldszahl wird jede Strömung instationär und turbulent. Für das glatte Rohr ist diese kritische Reynoldszahl, gebildet mit dem Rohrdurchmesser, Rekrit = 2300. Bei laminarer Strömung ändern sich Reibungsbeiwert und Stantonzahl stark mit der Reynoldszahl. Bei turbulenter Strömung ist diese Abhängigkeit geringer, da die Viskosität eine geringere Rolle spielt. Für turbulente Strömungen ist es nicht möglich, Ansätze für die turbulente Schubspannung und die turbulente Wärmestromdichte zu finden, die unabhängig vom betrachteten Strömungsproblem sind. Die Struktur der Turbulenz wird durch das Strömungsproblem beeinflusst. Das heißt, es gibt keine Transportgleichungen, die problemunabhängig sind wie bei laminaren Strömungen. Es gibt eine Reihe von Ansätzen für unterschiedliche Strömungsprobleme, die jeweils empirische Konstanten oder Funktionen enthalten, die aus dem Experiment , für die der Ansatz gelten soll, bestimmt

Page 230: WS Skript 181007

210 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

werden müssen. Eine Ausnahme bildet die direkte numerische Simulation. Sie ist für technische Probleme jedoch zu rechenintensiv. Turbulente Strömungen bilden an Wänden eine sehr dünne viskose Unter-schicht. In dieser Unterschicht gehen die turbulenten Schwankungen zu null. Die Rauhigkeit k der Wand besitzt bei turbulenten Strömungen einen großen Einfluss, während sie bei laminarer Strömung keine Rolle spielt. Rauhigkeit ist strömungstechnisch so definiert, dass sie bei laminarer Strömung das

Druckfeld nicht beeinflusst. Die Wand ist also hydraulisch glatt, wenn eine weitere Glättung bei laminarer Strömung keinen Einfluss mehr auf den Druckabfall im Rohr hat. Bei turbulenter Strömung kann die Rauhigkeit solch einer (laminar) hydraulisch glatten Wand den Druckabfall beeinflussen. Abb. 4.21 zeigt experimentell ermittelte Reibungsbeiwerte für Rohre mit unterschiedlicher relativer Rauhigkeit in Abhängigkeit von der Reynoldszahl. Wenn die Rauhigkeit so groß ist, dass sie in die vollturbulente Strömung ragt, hat die Reynoldszahl keinen Einfluss mehr auf den Reibungsbeiwert.

Abb. 4.24: Widerstandsbeiwert ξ = 4⋅cf von Rohren in Abhängigkeit von der Reynoldszahl und relativen Rauhigkeit k/d, nach VDI Wärmeatlas

Page 231: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 211

4.3.2.1 Vollentwickelte turbulente Rohrströmung Für Kreisrohre gelten bei voll entwickelter Strömung die Korrelationen aus Tab. 4.10. Turbulente Einlaufströmungen haben sehr viel geringere Bedeutung als laminare Einlaufströmungen. Jede Strömung ist zunächst laminar und wird ab einer bestimmten Reynoldszahl turbulent. Dabei vollzieht sich der Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung in einem Übergangsgebiet, dem Transitionsgebiet, welches Gegenstand intensiver Forschung ist. Tab. 4.10: Widerstandsbeiwerte für voll entwickelte Kreisrohrströmung Korrelation Reynoldszahl Bemerkung

4/1Re3164,0

=ξ 510Re3000 ≤≤turbulent, glatt

(Blasius) (4.102)

( )ξ+−=ξ

Relog28,01 Re105 ≤ turbulent, glatt

(Prandtl, v. Karman)

(4.103)

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

ξ+−=

ξ Re7,18

dk2log274,11 Re105 ≤

turbulent, rau (Colebrook)

(4.104)

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛−=

ξ dk2log274,11 Re105 ≤

turbulent, sehr rau

(v. Karman) (4.105)

Die Korrelationen gelten näherungsweise auch für turbulente Strömungen mit anderen Querschnittsformen, wenn für d der hydraulische Durchmesser dh = 4 V/A eingesetzt wird. Auch die thermischen Randbedingungen haben bei turbulenter Strömung einen sehr viel geringeren Einfluss als bei laminarer Strömung.

Page 232: WS Skript 181007

212 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.3.2.2 Nusselt-Zahl im Übergangsbereich zwischen laminarer und voll ausgebildeter turbulenter Strömung bei 2300 < Re < 104

Die Entwicklung der Turbulenz nach Überschreiten der kritischen Reynolds-Zahl ist von zahlreichen Einflussgrößen abhängig, so z.B. von der Gestalt des Rohreinlaufs, von der Art der Zuströmung und von Störungen in Form von Geschwindigkeitsschwankungen. Rotta hat experimentell gefunden, dass beim Ausströmen von Wasser aus einem Behälter durch ein Rohr im Übergangsbereich in kurzen Zeitintervallen hintereinander laminare abwechselnd mit turbulenter Strömung auftrat. Er hat die zeitliche Abfolge mit einem Intermittenzfaktor γ beschrieben, wobei γ = 1 dauernd turbulente und γ = 0 dauernd laminare Strömung bedeutet. Gnielinski hat in Anlehnung an diese Beobachtungen eine Interpolations-gleichung angegeben, nach der sich die im Übergangsbereich von zahlreichen Autoren gemessenen Nusselt-Zahlen wiedergeben lassen:

( ) 4T,10m,L,2300m,m NuNu1Nu ⋅γ+⋅γ−= (4.106) mit

10 und 2300102300Re

4 ≤γ≤−

−=γ (4.107)

Num,L,2300 ist die Nusselt-Zahl, die sich für die jeweilige Randbedingung – konstante Wandtemperatur oder konstante Wärmestromdichte – bei Re = 2300 bei laminarer Strömung ergibt. Bei konstanter Wandtemperatur ergibt sich:

( ) ( )[ ] 3/13,3,2300m,

3,2,2300m,L,2300m, Nu7,0Nu371,49Nu ϑϑ +−+= (4.108)

mit

( ) 3/1i,2,2300m, l/dPr2300615,1Nu ⋅⋅⋅=ϑ (4.109)

und

Page 233: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 213

( ) 2/1i

6/1

,3,2300m, l/dPr2300Pr221

2Nu ⋅⋅⋅⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

⋅+=ϑ (4.110)

Bei konstanter Wärmestromdichte gilt:

( ) ( )[ ] 3/13q,3,2300m,

3q,2,2300m,L,2300m, Nu6,0Nu326,83Nu +−+= (4.111)

mit

( ) 3/1iq,2,2300m, l/dPr2300953,1Nu ⋅⋅⋅= (4.112)

und

( ) 2/1i

3/1q,3,2300m, l/d2300Pr924,0Nu ⋅⋅⋅= (4.113)

Num,T,10

4 ist die Nusselt-Zahl, die sich bei Re = 104 aus Gleichung (4.106) ergibt. Es gilt demnach nach Einsetzen der zutreffenden Zahlenwerte

( )

( ) ⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠

⎞⎜⎝

⎛+⋅−⋅⋅+

⋅⋅=

3/2i

2/3

4

T,10m, ld1

1Pr8/0308,07,121Pr108/0308,0Nu 4 (4.114)

Erläuterungen und Gültigkeitsbereiche:

1l/d 1000;Pr0,6

;10Re2300 ;dwRe ;dαNu

i

4iim

≤≤≤

≤≤ν⋅

=λ⋅

= (4.115)

Die Stoffwerte sind auf mittlere Flüssigkeitstemperatur ϑm = (ϑE - ϑA)/2 zu beziehen. Mit der Interpolationsgleichung Gl. (4.106) wird eine durchgehende Berechnung der Nusseltzahl vom laminaren bis zum voll ausgebildeten Strömungsbereich ermöglicht

Page 234: WS Skript 181007

214 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.3.2.3 Zusammenhang zwischen Wärmeübergang, Wand-schubspannung und Druckverlust (Prandtl)

Prandtl hat die Modellvorstellung entwickelt, dass bei turbulenter Strömung "Turbulenzballen" für den Transport von Energie und Impuls verantwortlich sind. Diese Turbulenzballen führen regellose Schwankungsbewegungen aus, ähnlich wie Moleküle. Die turbulente Strömung besteht nach Prandtl nun aus einer voll turbulenten Kernströmung und einer dünnen viskosen Wandschicht der Dicke ε. Der Strom an Turbulenzballen rm& der in r-Richtung in die viskose Unterschicht eindringt, muss aus Kontinuitätsgründen auch wieder herausge-worfen werden. Der Strom an rm& hat in der Kernschicht die Axialimpuls-stromdichte umr

& 1 . Beim Eindringen in die viskose Wandschicht werden sie gebremst auf die Impulsstromdichte 2rum& . Diese Änderung der Impulsstrom-dichte entspricht einer scheinbaren turbulenten Schubspannung τt, Abb. 4.25.

T1 T2

u1 u2

Abb. 4.25: Geschwindigkeits- und Temperaturprofile in durchströmten Kanälen (Rohren)

( )τ t rm u u= −& 1 2 (4.116) Diese Schubspannung wird an die Wand durch molekularen Impulstransport

τ η εtu

= 2 (4.117)

übertragen. Das Temperaturprofil sieht ähnlich wie das Geschwindigkeitsprofil aus. Im Kern herrscht 1T , an der viskosen Wandschicht 2T und an der Wand wT . Die

Page 235: WS Skript 181007

4.3 Innenströmungen 215

Turbulenzballen dringen mit 1T in die viskose Wandschicht ein und werden mit 2T wieder herausgeworfen. Der turbulente Energietransport tq& in die Wandschicht ist

( )21prt TTcmq −= && (4.118) Er wird an die Wand weitergeleitet durch molekularen Energietransport.

ε−

λ= w2 TTq& (4.119)

rm& und ε sind unbekannte Parameter. Eliminiert man sie, folgt mit aPr ν

=

( )w1

2p

21TT

uc

uuq −

λη

+−

τ=& (4.120)

( )

( )w1

1

2

p

1

TT

uu1Pr1

cu

q −

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡−+

τ=& (4.121)

Mit ( )w1

h

TTdqNu−λ

=&

(4.122)

und f22

4c4u

2ρτ

ld

u2ρ∆pξ =⋅== (4.123)

folgt

( )

1

2

uu1Pr1

1PrRe8

Nu−+

ξ= (4.124)

Dies ist die Grundbeziehung von Prandtl.

Page 236: WS Skript 181007

216 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Mit Pr = 1 folgt die Reynoldsanalogie

82c

ReNu f ξ

== (4.125)

Für Pr ≠ 1 spielen 12 u/u und d/l eine Rolle. Weiterentwicklungen berücksichtigen diese Effekte. Die Erfahrung von 50 Jahren fließt in die Formel von Gnielinski für glatte Rohre (siehe VDI-Wärmeatlas) ein, die als eine dieser Weiterentwicklungen anzusehen ist.

( )

( ) ⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

−⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

−=

3/2

3/22/1

f

f

ld1

1Pr2c7,121

Pr1000Re2c

Nu

mit ( ) 2

f 64,1Relog82,1c4 −−= gültig für 610Re2300 << 410Pr5,0 << 1l/d0 <<

(4.126)

Wenn die laminaren Werte lamNu , Gl. (4.99), größer sind als die Werte von Gl. (4.106), dann ist lamNu zu nehmen. Gleichung (4.106) liefert auch 3/1Pr(Re)fNu = für Pr >> 1, was ja schon bei laminaren Strömungen für 0,5 < Pr < 3000 galt.

Page 237: WS Skript 181007

4.4 Einheitliche Darstellung der Wärmeübertragung an durchströmten Kanälen bei laminarer und turbulenter Strömung (Schlünder) 217

Tab. 4.11: Mittlere Nusseltzahl für den Wärmeübergang im glatten Kreisrohr bei laminaren und turbulenten Strömungen und konstanten Wandtemperaturen.

Korrelation Geltungsbereich

2/13/1

ldRePr664,0Nu ⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛=

hydrodynamischer und thermischer Einlauf, laminar (4.127)

3/1

33

ldPrRe62,166,3Nu ⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ +=

( )

( ) ⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

−⎟⎠⎞

⎜⎝⎛+

−=

3/2

3/22/1

f

f

ld1

1Pr2c7,121

Pr1000Re2c

Nu

mit ( ) 2f 64,1Relog82,1c4 −−=

hydrodynamisch voll entwickelt,

thermischer Einlauf, laminar (4.99)

turbulent (4.126)

610Re2300 << 410Pr5.0 <<

1l/d0 << Die turbulenten Korrelationen können mit U/A4A/V4d fh ⋅=⋅= auch für andere Kanalquerschnitte benutzt werden. Der Einfluss der Kanalform ist bei turbulenten Strömungen sehr viel geringer als bei laminaren Strömungen.

Page 238: WS Skript 181007

218 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

4.4 Einheitliche Darstellung der Wärmeübertragung an durchströmten Kanälen bei laminarer und turbulenter Strömung (Schlünder)

Bei voll entwickelten laminaren Strömungen ist die Wärmeübertragung analog der instationären Wärmeleitung, weil keine Querbewegung vorhanden ist. Der Wärmeübergang, ausgedrückt durch den dimensionslosen Temperaturgradienten an der Wand, der Nusseltzahl Nu, ist nur Funktion der Graetzzahl Gz = Re⋅Pr⋅d/l oder der Fourierzahl Fo = Gz-1 mit t = l/ u . Handelt es sich um eine Einlaufströmung, bei der noch Quergeschwindigkeiten auftreten, tritt in der Grenzschichtdicke die Prandtlzahl Pr = ν/a als zusätzlicher Parameter auf. Bei turbulenter Strömung spielt das Verhältnis von Kanaldurchmesser zur Länge noch eine separate Rolle. Eine einheitliche Darstellung muss die Gestalt

( )l/dPr,,GzNuNu = (4.128) haben. Da Pr für ganze Stoffgruppen gleich ist, ist in Abb. 4.26 a - d

( ).konstPr

l/d,GzNuNu=

= (4.129) dargestellt.

Nud

=αλ

Gzudal

=2

Page 239: WS Skript 181007

4.4 Einheitliche Darstellung der Wärmeübertragung an durchströmten Kanälen bei laminarer und turbulenter Strömung (Schlünder) 219

Abb. 4.26 a - d: Nusseltzahl über der Graetzzahl bei laminarer und turbu-

lenter Kanalströmung für verschiedene Prandtlzahlen

Nud

=αλ

Gzudal

=2

Nud

=αλ

Gzudal

=2

Nud

=αλ

Gzudal

=2

Page 240: WS Skript 181007

220 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Die Anzahl der Übertragungseinheiten NTU, die für Wärmeübertrager eine wichtige Rolle spielt, ist definiert zu

McANTU

p&⋅

⋅α= (4.130)

Durch Erweiterung folgt:

dl4St

GzNu4

l4dRePr

Nu

ud4

c

dlNTU

2p

⋅=

⋅=

⋅⋅⋅

=⋅

πρ

λ

⋅⋅πλα

= (4.131)

In den Abbildungen Abb. 4.26 sind daher auch Linien NTU = konst. eingetragen, die unter 45° verlaufen. Die NTU ist ein Maß, wie stark der Wärmeübertragungsvorgang sich dem Gleichgewicht genähert hat. Für die Abkühlung des Fluides in einem Rohr mit Tw = konst. hatten wir schon gefunden:

( ) NTU

wEin

w eTTTlT −=

−−

(4.132)

Für NTU = 3 beträgt die Austrittstemperaturdifferenz nur noch 5% der Temperaturdifferenz am Eintritt. Die Nusseltzahl Nu, das ist die Ordinate in den Abb. 4.26 a - d, ist ein Maß für die Intensität der Wärmeübertragung. Die Anzahl der Übertragungseinheiten NTU, die identisch mit einer dimensionslosen Verweilzeit ist (NTU = α⋅A/cM& = α⋅A⋅t/c⋅M) und die als Diagonalen in den Abb. 4.26 a – d eingetragen sind, ist ein Maß für die Effektivität der Wärmeübertragung. Bemerkenswert ist, dass bei laminarer Strömung eine hohe Intensität immer mit einer niedrigen Effektivität erkauft werden muss. Nur bei turbulenter Strömung lässt sich eine hohe Intensität bei gleichzeitig hoher Effektivität erreichen, wenn man relativ lange Rohre vorsieht. Lässt sich laminare Strömung nicht vermeiden (sehr heiße Gase, Gase im Vakuum, sehr zähe Flüssigkeiten), so sollte man die Wärmeaustauschfläche nach Möglichkeit immer wieder unterbrechen, um immer wieder eine Anlaufströmung zu erzeugen, bei der der Wärmeübergang immer höher ist als bei ausgebildeter Strömung. Die Abb. 4.26 a – d zeigen ferner, dass die Kurven für turbulente Wärme-übertragung die für laminare, insbesondere bei kurzen Rohren, unterschneiden.

Page 241: WS Skript 181007

4.4 Einheitliche Darstellung der Wärmeübertragung an durchströmten Kanälen bei laminarer und turbulenter Strömung (Schlünder) 221

Bei hohen Prandtlzahlen und gleichzeitig relativ langen Rohren schließen die Kurven für turbulenten Wärmeübergang nicht unmittelbar an diejenigen für laminaren Wärmeübergang an. Der Wärmeübergang sollte bei erreichen der kritischen Reynoldszahl (2300 beim Rohr) sprungartig ansteigen, vorausgesetzt, dass nicht oberhalb der kritischen Reynoldszahl die (dann an sich instabile) Laminarströmung noch künstlich aufrechterhalten wird. In zahlreichen Büchern und Publikationen findet man nicht Nu in Abhängigkeit von Gz, Pr und d/l, sondern in Abhängigkeit von Re, Pr und d/l dargestellt. Beide Darstellungen unterscheiden sich nur in formaler Hinsicht, da zu jedem Wertetripel Re, Pr, d/l auch nur ein Wertetripel Gz, Pr, d/l gehört. Indessen kann man bei der Darstellung Nu (Re, Pr, d/l) nicht die Linien NTU = konst. einzeichnen. Die Abb. 4.27 zeigt eine solche Darstellung für Pr = 0,7 (Luft und andere zweiatomige Gase).

Abb. 4.27: Nusseltzahl über der Reynoldszahl in Abhängigkeit von d/l bei laminarer und turbulenter Kanalströmung

Page 242: WS Skript 181007

222 4 Konvektion: Impuls- Wärme- und Stoffübertragung in einphasigen Strömungen

Im englischen Schrifttum findet man den von Colburn eingeführten j - factor in Abhängigkeit von der Reynoldszahl Re dargestellt. Der j - factor ist definiert durch

2/31/3 PrSt

PrReNuj ⋅=⋅

= (4.133)

Der Vorteil dieses j - factors beruht darauf, dass bei vollturbulenter Strömung und hohen Prandtlzahlen

( ) 3/1t PrRefNu = (4.134)

wird, wie man aus Gl. (4.126) ersieht, wenn man dort den Nenner ( )1Pr/2c12,71 2/3

f −⋅+ durch 3/2

f Pr2/c7,12 ⋅⋅ ersetzt. Auch bei laminarer Anlaufströmung ist

( ) 3/1l PrRefNu = (4.135)

wie man aus Tab. 4.8 sieht. Daraus folgt, dass im gewissen Bereichen der j - factor im wesentlichen eine Funktion der Reynoldszahl ist. Die Abb. 4.28 zeigt den j - factor über Re, für Pr = 0,7; die Abb. 4.29 zeigt ihn für Pr = 700.

Page 243: WS Skript 181007

4.4 Einheitliche Darstellung der Wärmeübertragung an durchströmten Kanälen bei laminarer und turbulenter Strömung (Schlünder) 223

Abb. 4.28: j-Faktor über der Reynoldszahl für verschiedene d/l bei Pr = 0,7 nach Schlünder

Abb. 4.29: j-Faktor über der Reynoldszahl für verschiedene d/l bei Pr = 700 nach Schlünder

Page 244: WS Skript 181007
Page 245: WS Skript 181007

5 Kondensation und Verdampfung Die Verdunstung einer Flüssigkeit an der Grenzfläche zwischen Flüssigkeit und Gas in ein ruhendes Medium wurde im Rahmen der einseitigen Diffusion behandelt, ebenso die Sublimation eines Gases an der Grenzfläche Gas-Feststoff aus einem ruhenden Medium. Bei freier oder erzwungener Konvektion gehören Verdunstung und Sublimation zum einphasigen konvektiven Wärme- und Stoffübergang, da die Strömung einphasig ist. Die Phasenumwandlung tritt nur an der Berandung auf und äußert sich nur in den Randbedingungen, aber nicht in den Differentialgleichungen. Bei vielen wichtigen Prozessen der Energie- und Verfahrenstechnik spielen Kondensation und Verdampfung an Wänden die entscheidende Rolle. In Kraftwerken wird Wasser bei hohem Druck verdampft und der Dampf nach der Entspannung in der Turbine bei niedrigem Druck kondensiert. In Kälte-, Kompressions- bzw. Absorptionsanlagen und Wärmepumpen sind Verdampfer und Kondensatoren unerlässlich. In der Verfahrenstechnik ist die Stofftrennung von Gemischen entscheidend. Oft macht man sich dazu die unterschiedliche Gleichgewichtszusammensetzung des Gemisches in der Flüssig- und Gasphase (im Zusammenspiel mit Verdampfung und Kondensation) zunutze. Beispiele hierfür sind: Eindampfung, Kondensation, Destillation und Rektifikation. Alle diese Prozesse beruhen auf Kondensation und Verdampfung. Die zweckmäßige und immer effizientere Auslegung dieser Prozesse und ihr optimaler Betrieb erfordert ein weitreichendes Verständnis der dabei auftretenden Phasenumwandlungsprozesse. Die Grundlagen dafür sowie einige wichtige Prozesse wollen wir in diesem Kapitel behandeln. Kondensation ist der Übergang eines Dampfes in die flüssige Phase, wenn er mit einem anderen Medium (fest, flüssig, gasförmig) in Berührung kommt, dessen Temperatur unterhalb der Sattdampftemperatur liegt, oder wenn der Dampf sehr stark unterkühlt wird, Abb. 5.1a. Abb. 5.1: Kondensation und Verdampfung an einer festen Oberfläche

(a)

feste Oberfläche feste Oberfläche

(b)

Tropfen

Tw < Ts

Dampf Tl ≥ Ts

Kondensatfilm Blasen

Flüssigkeit Tl ≤ Ts

Tw > Ts

.q .

q

Page 246: WS Skript 181007

226 5 Kondensation und Verdampfung

Weitere Mechanismen der Kondensation zeigt Abb. 5.2. Abb. 5.2: Kondensationsmechanismen

(a) Film- und (b) Tropfenkondensation an einer Oberfläche (heterogene Kondensation)

(c) homogene Kondensation (Kondensation an Aerosolen, Kondensationskeimen) oder Nebelbildung (Tröpfchen im Gas) bei starker Unterkühlung, z.B. durch schnelle Expansion eines Gases mit Dampfgehalt,

(d) Kontaktkondensation bei Kontakt eines Dampfes mit einer kalten Flüssigkeit, die z.B. versprüht wird.

Verdampfung ist der umgekehrt verlaufende Prozess, also der Übergang einer Flüssigkeit in die dampfförmige Phase, wenn sie mit einem anderen Medium in Berührung kommt, dessen Temperatur oberhalb der Sattdampf-temperatur liegt, Abb. 5.1b. Kondensation und Verdampfung sind konvektive Prozesse, da sie immer mit Strömung verbunden sind. Technisch ist die Kondensation an festen und flüssigen Grenzflächen besonders wichtig, die hier behandelt wird. Die bei der Phasenänderung dampf - flüssig bzw. flüssig - dampf freigesetzte bzw. aufzubringende Verdampfungsenthalpie ∆hv spielt dabei die entscheidende Rolle. Verdampfung und Kondensation laufen praktisch bei konstanten Temperaturen ab, es wird nur ein sehr kleine treibende Temperaturdifferenz ∆T für die Richtung des Phasenüberganges benötigt. Die Verdampfungs

Tw < Ts Nebel

Tw < Ts

Film

(a) (b)

Tropfen Dampf

(c

Flüssigkeit

Tröpfchen

Dampf

flüssiger Film

Dampf

Flüssigkeit

(d)

Page 247: WS Skript 181007

227

enthalpien ∆hv sind im allgemeinen sehr hoch und es treten bei Verdampfung und Kondensation im Vergleich zum Wärmeübergang ohne Phasenänderungen sehr hohe Wärmeübergangs-koeffizienten auf. Neben den schon bekannten physikalischen Parametern für den konvektiven Wärme- und Stoffübergang spielen bei Verdampfung und Kondensation neben der schon erwähnten Verdampfungsenthalpie ∆hv die Dichtedifferenz zwischen Flüssigkeit und Gas (ρl - ρg) und die Oberflächenspannung flüssig – gas σlg eine Rolle für die Wärmeübertragung. Daraus ergeben sich drei neue

Kennzahlen: 1. Phasenumwandlungs- oder Jakobszahl Ja:

v

lwp

h)TT(c

JaPh∆

−== (5.1)

Die Jakobszahl ist das Verhältnis der fühlbaren oder sensiblen Energie )TT(c lwp − , die maximal von der Flüssigkeit (Dampf) absorbiert werden kann,

zur latenten Energie Verdampfungsenthalpie ∆hv, die von der Flüssigkeit freigesetzt wird. Meist ist die latente Energie sehr viel größer als die sensible Energie, daher ist Ja << 1, z.B. für Wasser mit (Tw - Tl) = 6 K, cp ≈ 4 kJ/(kg K) und ∆hv ≈ 2400 kJ/kg: Ja ≈ 0.01. 2. Bondzahl Bo:

Bolg

2l

l

gl

lg

2gl LgL)(g

σρ

ρ

ρ−ρ=

σ

ρ−ρ= (5.2)

Die Bondzahl ist das Verhältnis der Auftriebskraft 3gl Lg)( ρ−ρ , die z.B. an

einer Dampfblase mit dem Volumen 3L angreift, zur Kraft der Oberflächen-

spannung σlg L, die z.B. an einer Dampfblase mit dem Umfang L angreift. Für

Wasser bei Umgebungsbedingungen mit σlg ≈ 0.072 N/m, L ≈ 10-3 m, ρl ≈ 103 kg/m3 ist Bo ≈ 0.14. 3. Archimedeszahl Ar:

( )

( )GaLg

LwLwLg

Arl

gl2

l

3

l

gl2

l

22ll

3gl ⋅

ρ

ρ−ρ=

ν⋅

ρ

ρ−ρ=

⋅⋅η

⋅⋅ρ⋅⋅⋅ρ−ρ= (5.3)

Die Archimedeszahl ist der Grashofzahl sehr ähnlich und das Produkt aus relativer Dichteänderung und Gallileizahl. Sie ist die Auftriebskraft

Page 248: WS Skript 181007

228 5 Kondensation und Verdampfung

( ) 3gl Lg ⋅⋅ρ−ρ mal dem Impulsstrom 22

ll Lw ⋅⋅ρ dividiert durch die Reibungs-kraft zum Quadrat (η wl L)2. Sie ist im allgemeinen sehr groß gegen eins. Natürlich haben die Prandtlzahl und bei erzwungener Konvektion die Reynoldszahl ihre Bedeutung. Die Nusseltzahl ist wie üblich der dimensions-lose Temperaturgradient an der Wand.

5.1 Kondensation

5.1.1 Film- und Tropfenkondensation An festen Oberflächen bildet das Kondensat entweder einen zusammen-hängenden Film, auch Haut genannt, dann spricht man von Film- oder Haut-kondensation, oder es entstehen an der Oberfläche einzelne Tropfen, dann handelt es sich um Tropfenkondensation. Die Bedingung für Film- und Tropfenkondensation folgt aus dem Kräfte-gleichgewicht an einem Tropfen, siehe Abb. 5.3. βσ=σ−σ cosglffgf (Young’sche Beziehung) Wenn β = 0 ist, kann sich kein Tropfen ausbilden. Man spricht von voll be-netzter Oberfläche, es bildet sich ein Film, z.B. Öl auf regennasser Straße. β = 0: glffgf σ≥σ−σ Filmkondensation 0 < β < π: glffgf σ≥σ−σ Tropfenkondensation Abb. 5.3: Oberflächenspannungen bei Tropfenkondensation

σls

σgl= Oberflächenspannung

Dampf - Flüssigkeit

σls= Oberflächenspannung

Flüssigkeit - Wand

σgs = Oberflächenspannung

Wand - Dampf β

σgl

σg

Page 249: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 229

Jeder Kondensatfilm oder Tropfen stellt einen Widerstand für den Wärme-übergang zwischen Dampf und Wand dar. Daher ist der Wärmeübergang bei Tropfenkondensation im allgemeinen höher als bei Filmkondensation, und dünne Filme bzw. kleine Tropfen sind wünschenswert. Das bedeutet kurze, möglichst senkrechte Flächen. Ein guter Kompromiss sind dünne Rohre mit äußerer Kondensation. Bei technischen Oberflächen lässt sich Tropfen-kondensation nur durch besondere Vorkehrungen eine Zeitlang aufrechterhalten, z.B. durch schlecht benetzte Beschichtungen, Teflon, Silikone, Wachs und Abziehen des Kondensates. Sie unterliegen alle einer Abnutzung, und es tritt schließlich Filmkondensation auf. Bei technischen Oberflächen rechnet man mit Filmkondensation, um auf der sicheren Seite zu liegen. Für geringere Temperaturdifferenzen K1TTT SW ≤−=∆ (z.B. beim Kondensieren von Kältemitteln) ist jedoch Vorsicht geboten. Film-kondensation kann dann einen höheren Wärmeübergang ergeben als Tropfenkondensation. Es wird jedoch wahrscheinlich Tropfenkondensation auftreten.

5.1.2 Filmkondensation reiner, ruhender Dämpfe

5.1.2.1 Nusseltsche Wasserhauttheorie (Laminare Filmkondensation an der senkrechten Wand)

Nusselt hat 1916 eine einfache Theorie zur Berechnung des Wärme-überganges bei Kondensation an einer senkrechten, ebenen Wand bei laminarer Filmströmung angegeben, Abb. 5.4. Das Problem stellt sich dann wie folgt: Für eine senkrechte Wand mit einer konstanten Temperatur, die geringer ist als die Stoffdampftemperatur, ist der lokale und globale Wärmeübergangskoeffizient, der lokale und globale Kondensatfilm, die Reynoldszahl des abfließenden Kondensatstromes sowie der Gesamtkondensatstrom gesucht, wenn reiner Sattdampf als Film kondensiert. Bei systematischer Vorgehensweise ergibt sich die Lösung wie folgt:

Page 250: WS Skript 181007

230 5 Kondensation und Verdampfung

Abb. 5.4: Schema zur Ableitung der Wärmeübertragung bei Film-

kondensation für laminare Kondensatströmung und glatte Film-oberfläche bei ruhendem Sattdampf

Lösung: 1. Bekannt: Länge L und Breite b der vertikalen Wand mit der konstanten Temperatur

TW, bei der auf der einen Seite Filmkondensation eines Reinstoffdampfes mit der konstanten Temperatur TS auftritt, dessen Stoffwerte bekannt sind.

2. Gesucht:

lokale und mittlere Wärmestromdichten )x(q& , _q& , Nusseltzahlen Nu(x), Nu,

Reynoldszahlen Rex, ReL und Kondensatmenge )x(M& , M& . 3. Skizze: siehe Abb. 5.4

TW

dyy

)dyy( yy ∂

∂τ+τ=+τ

w(x,y)

L

bdxyTQd L ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

λ−=&

z

y δ(x)

x

&M

MdM && +

MdhQd v&& ⋅∆=

bdxmMd && =

T(x,y) TS

dy

τ(y)

dFx = (ρl-ρg)gdV

dx

dxdxdpp +

p(x) = p0+ρggx

p(x)

Sattdampf, Ts

Page 251: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 231

4. Annahmen: 1. Thermischer Widerstand liegt nur im Kondensatfilm

2. Kondensat ist Newtonsche Flüssigkeit dydwη=τ , haftet an der Wand und strömt stationär als glatter, laminarer Film mit konstanten Stoff-werten und vernachlässigbarer Schubspannung an der Phasengrenze flüssig - gas.

3. Die Unterkühlungswärme ist vernachlässigbar gegenüber der Verdampfungswärme; Wärmeleitung in Strömungsrichtung und konvektiver Energietransport sind vernachlässigbar gegenüber der Wärmeleitung über die Filmdicke.

4. Trägheitskräfte sind vernachlässigbar gegenüber der Auftriebs- und Schwerkraft.

5. Stoffwerte Stoffwerte des Kondensats: ⎨ηl, λl, ρl, cpl⎬ = konst 6. Analyse 6.1 Energiebilanz, Abb. 5.4: Wegen Annahmen 1. und 3. ist nur Wärmeleitung über die Filmdicke zu berücksichtigen. Mit dem Fourierschen Gesetz folgt für den lokalen Wärme-strom yT)x(q lL ∂∂λ−=& = konstant für x = konst. und nach Integration

y)x(TTTT Ws

W δ−

+= (5.4)

)x(

TT)x(q WslL δ

−λ=&

Da der lokale Wärmestrom gleich dem lokalen Kondensatstrom m& (x) mal der Verdampfungswärme ist, vL h)x(mq ∆= && , folgt:

)x(T

)x(WTsT

)x(mvh ll δ∆

λ=δ

−λ=∆ & (5.5)

Page 252: WS Skript 181007

232 5 Kondensation und Verdampfung

6.2 Impulsbilanz (Kräftebilanz): Mit Annahme 2. und 4. bleibt bei der Impulsbilanz nur die Kräftebilanz zwischen den an einem Volumenelement angreifenden Schubspannungs-kräften, der Scher- und der Druckkraft, Abb. 5.4:

VdggVdxdpdVdgly

ρ==⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ρ+

∂τ∂

mit yw

l ∂∂

η=τ

g)(yw

l gl2

2

ρ−ρ−=∂∂

η

mit 0yw

y

=∂∂

δ= ; 0)0y(w ==

⎟⎟

⎜⎜

δ−

δδ

η

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ρ−ρ

= 22

2yy2)x(l

ggl)y,x(w (5.6)

Für die mittlere Geschwindigkeit folgt:

∫δ

δ⋅η

ρ−ρ=

δ=

0

2)x(l3

g)gl(ydw1)x(mw (5.7)

6.3 Massenbilanz, Abb. 5.4: Für den Kondensatstrom an der Stelle x folgt:

3)x(

l3

bggll)x(bmwl)x(M δ⋅η

⋅⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ρ−ρρ

=δ⋅⋅⋅ρ=& (5.8)

und für den Kondensatstrom pro Breiteneinheit b und Länge dx:

( )xd

)x(d)x(gxdMd

b1)x(m 2

lgll

δδ

ηρ−ρρ==

&& (5.9)

Page 253: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 233

Kombination der Teilergebnisse; aus (5.9) und (5.5) folgt:

( )

ggl

ll

vhwTsT

xd)x(d3)x(

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ρ−ρ

νλ⋅

−=

δδ

Aus einer Integration folgt für die lokale Filmdicke:

( ) 4

1

x

vhggl

wTsTll4)x(

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

∆⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ρ−ρ

−ν⋅λ=δ (5.10)

lokaler Wärmeübergangskoeffizient:

( )4

1

x1

wTsTl4vhggl

3l

)x(l)x(

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

⋅−ν

∆⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ρ−ρλ

λ=α (5.11)

mittlerer Wärmeübergangskoeffizient:

( )4

1

L1

wTsTl

3lvhggl

322)L(

L

0 34dx

L1

m⎥⎥⎥

⎢⎢⎢

⋅−ν

λ∆⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ρ−ρ

=α∫ =α=α

943.0322 =⋅

(5.12)

Bei der Kondensation ruhenden Dampfes gibt es keine aufgeprägte Geschwindigkeit. Aus den Differentialgleichungen folgt als charakteristische Geschwindigkeit ( )ν/gx2 oder ( )ν2gL und als charakteristische

Länge ( ) 312

l gν .

Page 254: WS Skript 181007

234 5 Kondensation und Verdampfung

Mit ( ) 312

l gν folgt für

4

1

l

gl3

12l

l

mm PhGa

Pr943.0g

Nu3

1 ⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ρ

ρ−ρ=⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ νλα

=

3

1

l

gl313

4

Re3

22⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ρ

ρ−ρ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ ⋅=

−;

(5.13)

925.03

22 34

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ ⋅ (5.13a)

mit den folgenden Kennzahlen, basierend auf den Stoffwerten des Kondensats

lal

l

lplcPr

ν=

λ

η= Prandtlzahl

( )

2

3Lg

Lg2w

2lLw

Fr

2LRe

Gam

m

ν=

ν== Galileizahl (5.3)

vpl h/TcPh ∆∆= Phasenumwandlungszahl (5.1) (Jacobszahl) erhält man:

( )PrPhL

hTTLLmwRe

vl

ws

ll

m ⋅λ

α=

∆⋅η−α

=η⋅

δ⋅=

&

( ) 41

3

3

l

gl31

PrGaPh943.0PrPhGaNu ⎥

⎤⎢⎣

⎡⋅

ρρ−ρ

=⋅⋅=

Reynoldszahl

(5.14)

Die Reynoldszahl ergibt sich erst mit der Kondensation, ist also keine unabhängige Größe. Das gilt nicht für Pr, Ga, Ph, die durch das Problem gegeben sind.

Page 255: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 235

Beispiel 5.1: Aufgabe: An einer senkrechten Wand kondensiert gesättigter Wasserdampf mit dem Druck 9,58⋅10-3 MPa. Die Wandtemperatur liegt 5 K unter der Sättigungs-temperatur. Man berechne folgende Größen in einer Entfernung von L = 0,08 m von der Wandoberkante: Die Filmdicke δ(L), die mittlere Geschwindigkeit wm des abfließenden Kondensats, dessen Massenstrom b/M& je m Platten-breite, den örtlichen und den mittleren Wärmeübergangskoeffizienten. An welcher Stelle L1 ist der Massenstrom b/M& doppelt so groß wie an der Stelle L? Lösung: (1) Bekannt: Wandtemperatur Tw = Ts - 5K gesättigter Wasserdampf bei p = 9.58 ⋅ 10-3 Mpa (2) Gesucht: Bei L = 0,08 m: Filmdicke δ(L), mittlere Geschwindigkeit wm des abfließenden Kondensats Massenstrom b/M& je m Plattenbreite, α (L); αm(L) Stelle L1 mit Massenstrom b/)L(M 1

& = 2 b/)L(M& (3) Skizze:

Kondensatfilm

Tw = Ts -5K

L δ (L)

Page 256: WS Skript 181007

236 5 Kondensation und Verdampfung

(4) Annahmen: • Dichte des Dampfes ρG << ρL. (5) Stoffwerte: • Sättigungstemperatur bei 9.58⋅10-3 MPa: Ts = 45,4°C • Verdampfungsenthalpie ∆hν =2392 kJ/(kg) • Dichte der Flüssigkeit ρl = 991 kg/m3

• Wärmeleitfähigkeit λl = 0,634 W/(Km) • dynamische Viskosität ηl = 6,54 ⋅ 10-4 kg/(sm) (6) Analyse: Nach (5.10) ist die Filmdicke

4/1

32622

4

kgK/J102392s/m81,9m/kg991m08,0K5sm/kg1054,6Km/W634,04)L( ⎥

⎤⎢⎣

⎡⋅⋅⋅

⋅⋅⋅⋅⋅=δ

mm073,0m10325,7)L( 5 ≈⋅=δ − Die mittlere Geschwindigkeit ist nach (5.7)

s/m0266,0m)10325,7(sm/kg1054,63

s/m81,9m/kg991w 2254

23

m =⋅⋅⎥⎦

⎤⎢⎣

⋅⋅⋅

= −−

Nach (5.8) ist

sm/kg31093,1m510325,73m/kg991s/m0266,0lmwb/M −⋅=−⋅⋅⋅=δρ=&

Der lokale Wärmeübergangskoeffizient an der Stelle L ist nach (5.11)

)Km/(W8655m10325,7

Km/W634,0)L(

)L( 25

l =⋅

=δλ

=α −

Aus (5.12) folgt der mittlere Wärmeübergangskoeffizient

)Km/(W11540)L(34)L( 2

m =α=α

Page 257: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 237

Weiter soll sein

)sm/(kg1086,3b

)L(M2b

)L(M 31 −⋅==&&

Dazu gehört nach (5.8) eine Filmdicke

3/1

2622

433/1

2l

L11 s/m81,9m/kg991

sm/kg1054,63sm/kg1086,3bg3)L(M)L( ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅

⋅⋅⋅⋅=⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ρ

η⋅=δ

−−&

m1023,9)L( 51

−⋅=δ Aus (5.10) folgt mit x = L1:

)TT(4hgL

wsll

2l4

1 −ηλ∆ρ

δ= ν

m202,0K5sm/kg1054,6Km/W634,04kgK/J102392s/m81,9m/kg991m)1023,9( 4

32622445 =

⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅

⋅⋅= −−

(7) Anmerkung: Auf der Strecke L < x ≤ L1 ist der Film dicker als auf der Strecke

x ≤ L, daher ist der Wärmeübergangskoeffizient kleiner.

5.1.2.2 Neigungswinkel einer Platte γ gegen die Senkrechte, αγ

In den Gleichungen (5.11) und (5.12) wird die Erdbeschleunigung g durch die zur Wand parallele Komponente γ⋅cosg ersetzt. Für αγ erhält man:

( ) 41

cos γα=αγ ; ( ) 41

mm cos γα=α γ (5.15)

Page 258: WS Skript 181007

238 5 Kondensation und Verdampfung

5.1.2.3 Waagerechtes Rohr (nach Nusselt) Mit dem Rohrdurchmesser d ergeben sich die Mittelwerte zu:

( )

( )4

13l

ws

v

l

glwaag,m dTT

hg728.0 ⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡ λ−∆⋅

νρ−ρ

=α (5.16)

31

l

gl313

12

l

waag,mwaag,m Re959.0

gNu ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ρ

ρ−ρ⎟⎠⎞⎜

⎝⎛=⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ νλ

α=

− (5.16a)

Ein Vergleich von (5.16) und (5.12) liefert:

( ) 41

m

waag,m dL772.0=α

α (5.17)

Bei mehreren übereinander liegenden Rohren gilt näherungsweise:

41

1mn,m n−=αα (5.18)

5.1.2.4 Kugeln Es ist lediglich in (5.16) 0.728 durch 0.815 zu ersetzen.

5.1.2.5 Welliger Film Ab einer Re von etwa 5 wird der Film wellig, obgleich der Film noch laminar ist. Eine genauere Angabe zur Bestimmung der kritischen Reynoldszahl dafür liefert (5.19). Die Gleichung stellt allerdings nur für wenige Flüssigkeiten wie Wasser oder das Kältemittel R12 eine gute Näherung dar:

( )4

33

1

2l

21

lllmkr

gg

392.0bMwRe⎥⎥

⎢⎢

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ν⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ρσ

=η=νδ= & (5.19)

Page 259: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 239

Die Bondzahl (5.2) spielt hier die entscheidende Rolle! Die wellige Filmoberfläche ist größer als beim glatten Film, entsprechend ist der Wärmeübergang größer:

α=α fwell , mit 15.1f ≅ (5.20) Beispiel 5.2: Aufgabe: Ein Dampfkondensator besteht aus einem quadratischen Feld von 400 waagerechten Rohren mit je 6 mm Durchmesser. Die Rohre befinden sich in gesättigtem Dampf mit einem Druck von p = 0,15 bar. Die Wandtemperatur der Rohre wird bei 250C konstant gehalten. Wie groß ist die Kondensations-rate pro Längeneinheit der Rohre ?. Lösung: (1) Bekannt: Konfiguration und Oberflächentemperatur der Kondensatorrohre, die sich im gesättigtem Dampf mit einem Druck von 0,15 bar befinden. (2) Gesucht: Kondensationsrate pro Längeneinheit der Rohre.

Page 260: WS Skript 181007

240 5 Kondensation und Verdampfung

(3) Skizze:

quadratisches Feld, 400 Rohre

D = 6 mm, TW = 250C

gesättigter Dampf, p = 0,15 bar

(4) Annahmen:

Reiner Dampf; Laminare Filmkondensation an den Rohren.

(5) Stoffwerte: Tabelle 7, gesättigter Dampf (p = 0.15 bar), Ts = 327K =540C, ρg = 1/vg = 0,098 kg/m3, ∆hv = 2373 kJ/kg,

gesättigtes Wasser (Tl = 312,5 K): ρl = 1/vl = 992 kg/m3, ηl = 663.10-6 N.s/m2, λl = 0,631 W/m.K, cp,l = 4178 J/kg.K.

Page 261: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 241

(6) Analyse: Die Kondensationsrate für ein einzelnes Rohr aus dem Feld kann mit der umgeformten Gl. (5.5) pro Längeneinheit berechnet werden:

v

Ws

v1 h

)TT()D(hqm

∆−⋅π⋅α

=∆

=&

&

Aus den Gl. (5.16) und (5.18) folgt (Ja = 0.051):

4/1

WslR

v3lgll

D)TT(nh)(g

728,0⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⋅−⋅η⋅∆⋅λ⋅ρ−ρρ⋅

⋅=α

und mit der Rohranzahl in einer Reihe nR = 20,

4/1

mskg6

kgJ63

KmW

mkg

mkg

sm

m006,0K)2554(106632010373,2)631,0()098,0992(9928,9

728,0 332

⎪⎭

⎪⎬⎫

⎪⎩

⎪⎨⎧

⋅−⋅⋅⋅

⋅⋅−⋅⋅=α

⋅−

α = 5188 W/(m2.K) Es ergibt sich für ein einzelnes Rohr:

mskg1016,1

10373,2K)2554)(m006,0(5188

m 3

kgJ6

KmW

12

⋅⋅=

−⋅π= −&

Für das komplette Feld beträgt die Kondensationsrate pro Längeneinheit dann: m& = n m& 1 = 400.1,16.10-3 = 0,464 kg/s.m. (7) Anmerkung: Da Ja < 0,1 ist, liefert Gl. (5.16) zusammen mit (5.18) einen

verlässlichen Wert für den gemittelten Wärmeübergangskoeffizienten.

Page 262: WS Skript 181007

242 5 Kondensation und Verdampfung

5.1.2.6 Turbulente Filmkondensation Bei einer Reynoldszahl zwischen 100 und 400 wird der Film turbulent. Die Umschlagsreynoldszahl ist umso größer, je kleiner die Prandtlzahl ist. Abb. 5.5 zeigt den Verlauf der mittleren Nusseltzahl in Abhängigkeit von der Reynoldszahl für verschiedene Prandtlzahlen.

Abb. 5.5: Mittlere Nusseltzahl in Abhängigkeit von der Reynoldszahl bei

Kondensation an einem senkrechten Rohr oder an einer senkrechten ebenen Wand

Eine Korrelation für den turbulenten Bereich Re > 400 von Isashenko ist:

( ) 2

14

1

l

312

l Pr)xRe(0325.0g)x(Nu ⋅⋅=λ

να= (5.21)

( )3

4

2300)x(Z4

1

wPrPr2

1Pr024.089)xRe(

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

−⎟⎟

⎜⎜

⎛+= (5.21a)

( )3

1g2

l

xPr1

vh

WTsTipc

)x(Z

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ν

⋅⋅∆

−= (5.21b)

Page 263: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 243

Im Gegensatz zum laminaren Bereich nimmt Nu aufgrund der besseren Durchmischung mit Re zu. Im Übergangsbereich gilt in guter Näherung

( ) ( ) 41

4turb

4lamf ⎟

⎠⎞⎜

⎝⎛ α+α=α (5.22)

mit f nach (5.20), αlam nach der Nusseltschen Wasserhauttheorie (5.12) und αturb nach (5.21).

5.1.3 Kondensation strömender, reiner Dämpfe

5.1.3.1 An Wänden und Rohren Schon Nusselt hat den Einfluss der Dampfströmung auf den Wärmeübergang untersucht. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Dampfströmung in Richtung der Schwerkraft oder entgegengesetzt wirkt. Abb. 5.6 und Abb. 5.7 zeigen den Einfluss bei laminaren und turbulenten Strömungen. Als Kurven-parameter ist die entdimensionierte an der Phasengrenze dampf-flüssig auftretende Schubspannung τδ* eingetragen:

g)(L gl

*

ρ−ρτ

=τ δδ (5.23)

L ist hierbei wieder die charakteristische Länge (νL

2/g)1/3.

Page 264: WS Skript 181007

244 5 Kondensation und Verdampfung

6

Abb. 5.6: Einfluss der Schubspannung des Dampfes auf die laminare

Filmkondensation

Abb. 5.7: Filmkondensation von abwärts strömendem Sattdampf; Pr = 5.0

Page 265: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 245

5.1.3.2 In Rohren Bei der Kondensation in Rohren verzögert sich die Dampfgeschwindigkeit mit zunehmenden Kondensatanteil.

5.1.3.2.1 Vertikale Rohre Eine aus Experimenten gewonnene Näherungsgleichung von Shah, die eine Formel für turbulente Rohrströmungen mit Modifikation für den Zweiphasen-anteil darstellt, ist:

⎪⎪⎭

⎪⎪⎬

⎪⎪⎩

⎪⎪⎨

+

∗⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ∗−

+⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ∗−⋅⋅=

λα

= 38.0p

76.0x

04.0x18.38.0

x14.0Pr8.0Re023.0l

dNu

(5.24)

mit:

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ π⋅η

=

4d

l

MRe&

; lalPr

ν= ; crppp =+ ; MMx g

&&=∗ (5.24a)

Dabei sollte das Rohr in Abschnitte mit ∗∆x < 0.4 geteilt werden.

Page 266: WS Skript 181007

246 5 Kondensation und Verdampfung

5.1.3.2.2 Horizontale Rohre In horizontalen Rohren gibt es bei kleinen Dampfgeschwindigkeiten eine Ungleichverteilung des Dampfes über dem Querschnitt: Abb. 5.8: Filmkondensation in einem horizontalen Rohr.

a) Querschnitt der Kondensatströmung bei niedrigen Dampf-geschwindigkeiten b) Längsschnitt der Kondensatströmung bei hohen Dampf-geschwindigkeiten

Für kleine Dampfgeschwindigkeiten gilt:

4

1

2l

3

l

gllm 'Ph

Prdgd

555.0 ⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛ν

⋅ρ

ρ−ρλ=α (5.25)

mit ( )wslpv'v TTc

83hh −+∆=∆ ;

( )lp

v

ws ch

TT'Ph ⋅′∆

−= (5.25a)

Ph

831

1PhPh'

⋅+⋅=

Dampf

Kondensat

Dampf

Kondensat

(a) (b)

Page 267: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 247

5.1.4 Kondensation von Dampf mit Inertgasanteil Bei vielen verfahrenstechnischen Prozessen geht es um die Kondensation von Gemischen. Bei allen wärmetechnischen Anwendungen sind Inertgas-anteile im Dampf enthalten. Entweder ist der Inertgasanteil ungewollt, wie bei der Kraftwerkskondensation bei kleinen Drücken, oder zwangsläufig vorhanden, wie bei der Kondensation von Wasser aus Wasserdampf/Luft-Gemischen oder Ammoniak NH3 aus NH3/ Luft -Gemischen. Der Einfluss von Gemischanteilen auf die Kondensation einer Komponente muss dafür berücksichtigt werden.

5.1.4.1 Einfluss nicht kondensierender Anteile (inerter Gase) bei der Kondensation ruhender Dämpfe

Der Wärmeübergang wird stark verschlechtert, wenn der Dampf inerte Gase, z.B. Luft enthält. Die Verschlechterung wird verursacht durch das Auftreten eines zusätzlichen Wärmeübergangswiderstandes zwischen Gas- und Flüssigkeitsphase. Der kondensierende Dampf muss durch das inerte Gas an die Phasengrenze (Filmoberfläche) transportiert werden. Dafür muss der Dampfpartialdruck an der Filmoberfläche pgI kleiner sein als im übrigen Dampfraum. Folglich ist auch die Kondensations- oder Sättigungstemperatur an der Filmoberfläche TI kleiner als im übrigen Dampfraum. Für den Transport der Kondensationswärme durch den Kondensatfilm ist somit die treibende Temperaturdifferenz kleiner als ohne Inertgasanteil, siehe Abb. 5.9.

Abb. 5.9: Zur Filmkondensation von Dampf mit Inertgasanteil

Page 268: WS Skript 181007

248 5 Kondensation und Verdampfung

Es handelt sich um ein Problem, bei dem Wärme- und Stoffübertragung ge-koppelt sind, da der sinkende Partialdruck mit einer sinkenden Kondensationstemperatur einhergeht. Wird der Wärmeübergangskoeffizient mit der vorhandenen Temperatur-differenz Tg - Tw definiert

T - Tq

wg

&=α , (5.26)

dann erhält man mit dem Wärmeübergangskoeffizienten des Kondensat-filmes, I steht für Phasengrenze "Interphase":

T - Tq

wII

&=α , (5.27)

den relativen Wärmeübergangskoeffizienten

T - TT - T

wg

wI

I

=αα

(5.28)

Da TW und Tg bekannt sind, kann α/αI bestimmt werden, wenn TI bekannt ist. Bestimmung von TI: Die Filmoberflächentemperatur lässt sich bestimmen, wenn der Stoff-übergangskoeffizient bekannt ist. Bei dem Stoffübergangsvorgang handelt es sich um einseitige Diffusion des Dampfes durch das inerte Gas. Wir bezeichnen den Stoffübergangskoeffizienten für stationäre, einseitige Diffusion mit β1. Für einseitige Diffusion ohne erzwungene Konvektion gilt bei konstanten Temperaturen:

Blm

AB1 p

ps

D=β (5.29)

Für äquimolare Diffusion gilt

sDAB

ä =β (5.30)

Page 269: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 249

Mit Komponente B gleich der Inertgaskomponente (Index i) folgt

ilmä

1

pp

=ββ

(5.31)

Die Beziehungen (5.29) und (5.30) wurden unter den Annahmen abgeleitet, dass nicht nur der statische Druck p, sondern auch die Temperatur T und der Diffusionskoeffizient DAB konstant sind. Die letzten beiden Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Verhältnis β1/βä wird dadurch jedoch nicht be-einflusst, wenn in (5.29) der geeignete mittlere Diffusionskoeffizient DAB und in (5.30) das äquimolare Diffusionsproblem (gleicher Diffusionskoeffizient) betrachtet wird. Für äquimolare Diffusionsprobleme gilt die Analogie zwischen Wärme- und Stoffübertragung sowohl bei reiner Diffusion als auch in freier und erzwungener Strömung

Sh)Geo,Sc,Gr(f)GeoPr,,Gr(f

)Geo,Sc(Re,f)GeoPr,(Re,fNu

m22

11 =⎭⎬⎫

⎩⎨⎧

==

=

Mit den Definitionen für die Übergangskoeffizienten folgt für analoge Probleme und (Pr = Sc; Re identisch)

p

ABä c

Dρα

α=β (5.32)

Ist Pr ≠ Sc gilt näherungsweise:

3/2

pä Le

c−

ρα

=β (5.32a)

Kehren wir zur Abb. 5.9 zurück. Die Energiebilanz lautet

)TT(hmq Iggv −α+∆= && (5.33) Mit der Definition des Stoffübergangskoeffizienten g1m ρ∆β=& sowie (5.31)und (5.32) folgt, wenn für das analoge Wärmeübergangsproblem das gleiche Medium betrachtet wird:

)p/pln(pp

p;D

aeL;pp

cm

iiI

gIgilm

ABg

ilmp

g −==ρ∆⋅

ρα

=&

Page 270: WS Skript 181007

250 5 Kondensation und Verdampfung

Wird gρ∆ durch gp∆ mit einer geeigneten mittleren Temperatur ersetzt, so

folgt mit M~ der Molmasse des Dampf – Inertgasgemisches

).p/pln(M~M~

cm iiI

g

p

g ⋅α

=& (5.34)

Mit (5.33), (5.34) und )TT(q WII −α=& ergibt sich

⎟⎟

⎜⎜

⎛−+⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

−⋅

∆αα

=− )TT(pppp

lnM~M~

chTT Ig

g

gIg

p

v

I

gWI (5.35)

Für kleine Inertgasanteile 1p/)pp( g <<− ist cp = cpg und M~M~g ≈ . Es dominiert dann der erste Term in der äußeren Klammer der Gl.: (5.35) Der Wert von pIvg c/h α∆α hängt sehr von der Bauart des Kondensators ab. Typische Werte dürften in der Größenordnung von 1K liegen, da etwa

,10/10 2Ig

3 −− <αα< K10c/hK10 3pgv

2 <∆< gilt. Die Abbildungen Abb. 5.10

und Abb. 5.11 veranschaulichen den Einfluss des Inertgasanteils p/pig und

pgIg c/h α∆α ν auf den Wärmeübergang in Abhängigkeit von (Tg -TW), dabei

wurde Le = 1, gM~M~ ≈ , cp = cpg angenommen. Bei K1c/h pgIvg =α∆α , einem Inertgasanteil von 1% und der Temperaturdifferenz Tg -TW = 10 K reduziert sich der Wärmeübergangskoeffizient um ungefähr 70%. Ist dagegen

K5c/h pgIvg =α∆α , so beträgt die Erniedrigung nur etwa 13%.

Page 271: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 251

Abb. 5.10: Einfluss von Inertgas auf den Wärmeübergangskoeffizienten bei

der Kondensation als Funktion der Temperaturdifferenz für unterschiedlicher Inertgasanteile und K1c/h pgIg =α∆α ν , Le = 1,

gM~M~ ≈ , cp = cpg .

Abb. 5.11: Einfluss von 1% Inertgas auf den Wärmeübergangskoeffizienten

bei der Kondensation als Funktion der Temperaturdifferenz für unterschiedliche pgIg c/h α∆α ν und Le = 1, gM~M~ ≈ , cp = cpg .

Page 272: WS Skript 181007

252 5 Kondensation und Verdampfung

Beispiel 5.3: Aufgabe: Gesättigter Wasserdampf mit dem Druck 0,101325 MPa kondensiert an einem waagerechten Rohr von 25 mm Außendurchmesser und einer Wand-temperatur von 60°C. Man schätze ab, um welchen Faktor die abgeführte Wärmestromdichte abnimmt, wenn dem Wasserdampf 10 Gew.-% = 6,47 Mol % Luft bei gleichem Gesamtdruck von 0,101325 MPa beigemischt wird. Lösung: (1) Bekannt: Gesättigter Wasserdampf mit p = 0,101325 MPa waagerechtes Rohr mit d = 25 mm Außendurchmesser Rohrwandtemperatur Tw = 60°C Luftanteil im Wasserdampf 10 Gew.-% = 6,47 Mol-% bei p = konst. (2) Gesucht:

Verhältnis der Wärmestromdichten: Luft.m

Luft.oq

q&

&

(3) Skizze: s. Abb. 5.9 (4) Annahmen: • Der Wärmeübergangskoeffizient zwischen Wasserdampf-Luft-

Gemisch und Kondensatfilm sei =αg 30 W/(m2K). (5) Stoffwerte: Stoffwerte von Wasser bei der Sättigungstemperatur von 100°C: Dichte des flüssigen Wassers ρl = 958,1 kg/m3

Dichte des Dampfes ρg = 0,597 kg/m3

Verdampfungsenthalpie ∆hν = 2257,3 kJ/kg Wärmeleitfähigkeit λl = 0,677 W/(Km) dynamische Viskosität ηl = 0,2822⋅ 10-3 kg/(sm) spez. Wärmekapazität des Wasserdampfes cpg = 1,93 kJ/(kgK).

Page 273: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 253

(6) Analyse: Nach (5.16) ist

41

27

3323

waag,m m025.0K40s/m10945.2)K/W(677.0kg/kJ3.2257s/m81.9m/kg)5974.01.958(728.0 ⎥

⎤⎢⎣

⋅⋅⋅

⋅⋅⋅−=α

αm,waag = 8900 W/(m2K) Die Temperatur an der Kondensatoberfläche ergibt sich näherungsweise aus (5.35)

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⋅α

∆⋅α=−

g

gI

pI

vgwI pp

ppln

ch

TT

0948,0101325,0p101325,0

lnkgK/kJ93,1Km/W8900kgK/kJ3,2257Km/W30 gI

2

2

⋅⋅

=

Hierin ist

MPa0948,0101325,0)0647,01(p)y~1(p igg =−=−= Zur Bestimmung von TI aus obiger Gleichung schätzt man zunächst TI und prüft mit dem Wert piI(TI) aus der Wasserdampftafel nach, ob der Schätzwert richtig war. Man findet TI = 342.7 K, hierfür ist piI = 0,0293 Mpa und obige Gleichung recht gut erfüllt. Die Umformung von (5.28) ergibt:

19.4K55.9

K40TTTT

qq

wI

ws

I==

−−

=&

&

Die abgeführte Wärmestromdichte sinkt auf 24% der Wärmestromdichte, die abzuführen wäre, wenn reiner Sattdampf vorhanden wäre. (7) Anmerkung Die Fläche muss also rund um den Faktor 4.19 vergrößert werden, wenn die Kondensatorleistung gleich groß bleiben soll.

Page 274: WS Skript 181007

254 5 Kondensation und Verdampfung

5.1.4.2 Einfluss nicht kondensierender Anteile (inerter Gase) bei der Kondensation strömender Dämpfe

Bei erzwungener Konvektion gilt z.B. für die ebene Platte bei laminarer Strömung (5.26):

2cSc

ScReShPr

PrReNu f3/23/2 ==

Bei gleicher Re - Zahl für das analoge Wärmeübergangsproblem und gleichem Medium folgt mit der Definition der Übergangskoeffizienten

)Sc(PrLec

3/2

p

gä ≠

ρα

=β − (5.32a)

und mit (5.31)

ilm

m3/2

p

g1 p

1M~TR~Le

c−α

=β (5.36)

Mit (5.33) und g1m ρ∆β=& ergibt sich

⎟⎟

⎜⎜

⎛−+⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

−−

⋅∆

αα

=− −ν )TT(pppp

lnM~M~

LechTT Ig

g

gIg3/2

pI

gWI (5.37)

Der einzige Unterschied zu (5.35) besteht in der Abhängigkeit von der Lewis-zahl. Für Le = 1 sind (5.35) und (5.37) identisch. Auch für turbulente Strömungen gilt noch nach experimenteller Erfahrung in guter Näherung

3/23/2 ScScRe

ShPrPrRe

Nu=

Somit können Abb. 5.10 und Abb. 5.11 auch für laminare und turbulente Dampf-Gasgemischströmung in Zusammenhang mit (5.37) verwandt werden.

Page 275: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 255

5.1.5 Kondensation von Dampfgemischen16 In technischen Apparaten werden häufig Dampfgemische verflüssigt, deren Komponenten sich alle in der flüssigen Phase wiederfinden, oder die Dampf-gemische enthalten Beimengungen von Inertgasen, die nicht kondensieren. Deren Einfluss auf den Wärmeübergang bei der Kondensation wurde schon in Abschnitt 5.1.4 behandelt. Hier soll untersucht werden, wie sich der Wärmeübergang ändert, wenn alle Komponenten in mehr oder weniger starkem Maße kondensieren. Je nach Anwendungszweck kann der Dampf vollständig oder nur teilweise kondensiert werden, so dass ein Restdampf von im allgemeinen anderer Zusammensetzung als der anfängliche Dampf den Kondensator verlässt. Man bezeichnet solche Apparate als Teil- oder Partialkondensatoren und in Rektifizierkolonnen auch als Dephlegmatoren. Ihr Zweck besteht darin, aus einem Dampf die höher siedenden Komponenten durch Kondensation abzutrennen. Sie arbeiten mit geringerer Temperaturdifferenz zwischen Dampf und Kühlmittel als ein Kondensator, in dem der Dampf möglichst vollständig kondensiert werden soll. Da bei der Kondensation von Dampfgemischen die Komponenten mit dem höheren Siedepunkt in der Regel zuerst kondensieren und der Restdampf an diesen Komponenten verarmt, baut sich ein mit dem Strömungsweg veränderliches Konzentrationsprofil auf, das den Wärmeübergang maß-geblich beeinflusst.

16 Der Abschnitt 5.1.5 entspricht wörtlich dem gleichen Abschnitt bei Baehr & Stephan [22], S. 444-456.

Page 276: WS Skript 181007

256 5 Kondensation und Verdampfung

Dies führt dazu, dass man zur Berechnung des Wärme- und Stoffübergangs den Strömungsweg in einzelne Abschnitte unterteilt, und für jeden Abschnitt die Mengenbilanzen der Komponenten und die Energiebilanzen unter Beachtung der Gesetze des Wärme- und Stoffübergangs lösen muss. Eine derartige Berechnung ist selbst für die Kondensation von Zweistoffgemischen nur mit Hilfe eines PC möglich. Wir wollen uns hier darauf beschränken, die grundlegenden physikalischen Vorgänge zu erörtern und die maßgebenden Bilanzgleichungen bereit zu stellen. Da die Vorgänge bei der Kondensation von Vielstoffgemischen mit mehr als zwei Komponenten ähnlich ablaufen wie bei Zweistoffgemischen, beschränken wir die Betrachtungen auf Zweistoff-gemische.

Abb. 5.12: Temperatur-Konzentrationsdiagramm für ein binäres Gemisch sowie Temperatur- und Konzentrationsverlauf in Dampf und Kondensat. Indizes: W-Kühlwand, I-Phasengrenze, G-Kernströmung im Dampf (G Gas). a - Verlauf der Siede- und Taulinie; b - Kondensat und Dampfgrenzschicht; c - Temperaturverlauf; d - Konzentrationsverlauf

Page 277: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 257

Kondensiert ein Zweistoffgemisch, dessen Siede- und Taulinie in Abb. 5.12a dargestellt sind, an einer gekühlten Wand der Temperatur TW , so bildet sich ein Kondensat, Abb. 5.12b, an das der Dampf grenzt. An der Phasengrenze stellt sich eine Temperatur TI ein, die zwischen der Temperatur TG des Dampfes weitab von der Wand und der Wandtemperatur TW liegt. Ist der Dampf gesättigt, so beträgt seine Temperatur TG = TS entsprechend Abb. 5.12a. Den Temperaturverlauf im Dampf und Kondensat zeigt Abb. 5.12c. Die Komponente mit dem höheren Siedepunkt geht an der Phasengrenze in der Regel bevorzugt vom Dampf in das Kondensat über. Infolgedessen enthält das Dampfgemisch an der Phasengrenze im allgemeinen mehr von der leichter flüchtigen Komponente als in größerer Entfernung davon. Es baut sich, wie in Abb. 5.12d dargestellt, ein Konzentrationsprofil auf. Die Konzentration der leichter flüchtigen Komponente nimmt zur Phasengrenze hin zu. Im stationären Zustand werden so die an der Kondensatoberfläche nicht kondensierten Moleküle der leichter flüchtigen Komponente durch Diffusion wieder in den Dampf zurücktransportiert. Im Kondensat kann man meistens wegen der im Vergleich zum Dampf kleinen Strömungsgeschwindigkeit den Impuls-, Wärme- und Stoffaustausch durch Konvektion im Vergleich zu dem durch Leitung und Diffusion vernachlässigen, falls nicht die Prandtl- oder Schmidt-Zahl sehr klein ist. Daher gelten im Kondensatfilm weiterhin die Nusseltschen Annahmen, wonach die Strömung nur durch Reibungs- und Feldkräfte (Schwerkraft), das Temperaturprofil hingegen durch Wärmeleitung bestimmt wird. Die Konzentration ist über einen Querschnitt des Kondensatfilms konstant, da die Wand für Materie undurchlässig und konvektiver Stoff-transport im Flüssigkeitsfilm vernachlässigbar ist. Dies sieht man leicht ein, denn unter den genannten Voraussetzungen lautet die Gleichung für die Diffusion, das sogenannte zweite Ficksche Gesetz,

0ycD

y=⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

∂∂

wenn y die Koordinate senkrecht zur Wand, D der Diffusionskoeffizient und c = N/V die Konzentration einer der beiden Komponenten des Zweistoff-gemischs ist. Integriert man diese Gleichung unter Beachtung der Rand-bedingungen

I0y

c)y(cund 0yc

=δ==⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

=

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258 5 Kondensation und Verdampfung

so folgt unmittelbar c = cW = cI = const. Es ist daher auch, wie in Abb. 5.12d eingezeichnet, x~ = x~W = x~I = const.

Abb. 5.13: Kondensation bei a Gleich- und b Gegenstrom. Im Fall a

enthält die nach unten rieselnde Flüssigkeit mehr an leichter flüchtigen Bestandteile (LS) als im Fall b. Im Fall b treten LS-Moleküle in den Dampf über, weil aufsteigende schwerer flüchtige Bestandteile kondensieren und dabei LS-Moleküle austreiben

Der Konzentrationsverlauf wird maßgeblich durch die Strömung und die Art der Strömungsführung beeinflusst. Bei der in Abb. 5.13a gezeichneten, üblichen Gleichstromführung von Dampf und Kondensat geht die schwerer siedende Komponente bevorzugt aus dem Dampf in das Kondensat über. Der Anteil der leichter siedenden Komponente nimmt daher stromab im Dampf zu von der anfänglichen Zusammensetzung αy~ zur Endzusammen-setzung wy~ . Die im Eintrittsquerschnitt anfallende Kondensatmenge ist groß, und infolgedessen wird dem Dampf auch viel von der schwerer siedenden Komponente entzogen. Anders sind die Verhältnisse bei Gegenstrom, Abb. 5.13b, wie sie in Rieselfilmkolonnen oder in den Rücklaufkondensatoren von Rektifizier-anlagen vorkommen. Dort trifft der Dampf von der anfänglichen Zusammen-setzung αy~ , auf eine dickere Kondensathaut. Die kondensierende Menge ist geringer, und es wird dem Dampf weniger von der schwerer siedenden Komponente entzogen als im Fall des Gleichstroms. Der aufsteigende Dampf kommt nun in Kontakt mit einem dünner werdenden Kondensatfilm der herabrieselnden Flüssigkeit. Die anfallende Kondensatmenge nimmt zu, und es kondensieren vorzugsweise die schwerer siedenden Komponenten des Dampfes. Die frei werdende Kondensationsenthalpie bewirkt gleichzeitig eine Verdampfung der leichter siedenden Komponenten, was durch die waagerechten Pfeile in

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5.1 Kondensation 259

Abb. 5.13b angedeutet ist: Zwischen Flüssigkeit und Dampf findet ein Stoff-austausch durch “Rektifikation“ statt, wodurch der austretende Dampf mehr, das unten austretende Kondensat entsprechend weniger an leichter flüchtigen Bestandteilen enthält als im Fall des Gleichstroms nach Abb. 5.13b. Will man daher ein an schwer flüchtigen Stoffen stärker angereichertes Kondensat erhalten, so ist die Gegenstromführung vorzuziehen, ein Effekt, auf den Claude schon vor mehr als 50 Jahren hinwies. Der abströmende Dampf enthält bei Gegenstrom mehr leichter flüchtige Stoffe als bei Gleichstrom. Allerdings wird infolge der vom Dampf ausgeübten Schubspannung das Kondensat bei Gegenstrom aufgestaut und der Wärmeübergang verschlechtert. Offenbar ist die Strömungsführung für den Stoffaustausch und damit auch für den Wärmeübergang maßgebend. Ganz allgemein gilt, dass sich infolge des Konzentrationsfelds an der Phasengrenze ein Stoffaustauschwiderstand aufbaut, der den Stoffstrom zur Phasengrenze hin behindert. Als Folge ist der Wärmeübergang kondensierender Gemischdämpfe bei gleichem treibenden Temperaturgefälle geringer als der kondensierender reiner Dämpfe. Diese Verringerung kann beträchtliche Werte annehmen. Als Beispiel dafür zeigt Abb. 5.14a die bezogene Wärmestromdichte 0q/q && über der Temperatur ∞T aufgetragen, die in diesem Fall gleich der Sättigungstemperatur entlang der Taulinie sein soll. Wie man erkennt, ist die übertragene Wärmestromdichte q& deutlich kleiner als die Wärmestromdichte 0q& , die übertragen würde, wenn kein Widerstand für den Stoffaustausch im Dampf zu überwinden wäre und daher an der Kondensatoberfläche die Sättigungstemperatur ∞T herrschte. Die ausgezogenen Kurven gelten für die Kondensation eines Dampfgemischs aus Methanol (CH30H) und Wasser (H20) bei vernachlässigbarem Einfluss der Schwerkraft, also an einer waagrechten Platte oder dann, wenn die Dampfgeschwindigkeit hinreichend groß und somit die Froude - Zahl

gx/wFr 2∞= sehr groß wird. Die gestrichelten Kurven gelten für die

Kondensation bei kleinen Froude - Zahlen, also beispielsweise an einer senkrechten Wand mit freier Konvektion des Dampfes.

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260 5 Kondensation und Verdampfung

a) b) Abb. 5.14: Verminderung des Wärmestroms bei der Kondensation von

Methanol/Wasser. a) bezogene Wärmestromdichte 0q/q && in Abhängigkeit von der

Temperatur ∞T ; b) Siedediagramm

Ähnlich wie nach der Nusseltschen Wasserhauttheorie nimmt auch bei der Kondensation von Gemischdämpfen die übertragene Wärmestromdichte mit der treibenden Temperaturdifferenz 0TT −∞ zu. Nach der Nusseltschen Wasserhauttheorie nahm der Wärmeübergangskoeffizient mit der treibenden Temperaturdifferenz entsprechend 4/1

0 )TT(~ −∞ −α ab, Gl. (5.16). Die

Wärmestromdichte nahm gemäß 4/30 )TT(~q −∞& zu. Darüber hinaus erkennt

man in Abb. 5.14a ein Minimum der übertragenen Wärmestromdichte bei einer bestimmten Temperatur ∞T . Dieses kommt dadurch zustande, dass die für den Wärmeübergang maßgebende Temperaturdifferenz 0TT −∞ zwischen Kondensatoberfläche und Wand bei einer bestimmten Sättigungstemperatur

∞T ebenfalls ein Minimum annimmt. was sich anhand des Siedediagramms, Abb. 5.14, erklären lässt. Wir setzen dazu eine hinreichend große Temperaturdifferenz WTT −∞ voraus, so dass der Dampf vom Anfangs-zustand A vollständig kondensiert und ein Kondensat anfällt, das durch Punkt B in Abb. 5.14b gekennzeichnet ist. Die Temperatur TI an der Phasengrenze ist dann gleich der Siedetemperatur des Flüssigkeitsgemischs und die Zusammensetzung des anfallenden Kondensats identisch mit der des Dampfes. Man bezeichnet dies als örtliche Totalkondensation. Die als

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5.1 Kondensation 261

konstant angenommene Wandtemperatur sei durch Punkt C charakterisiert. Die Strecke BC entspricht dann der Temperaturdifferenz WI TT − , die für die übertragene Wärmestromdichte q& entscheidend ist. Würde die Nusseltsche Wasserhauttheorie auch für die Kondensation von Gemischdämpfen gelten, so wäre 3/4

W1 ) T- T( ~ q& . Hält man WTT −∞ konstant und erhöht man die Temperatur ∞T , verfolgt also in Abb. 5.14a den Verlauf einer Kurve

WTT −∞ = const in Richtung wachsender Temperatur ∞T , so kann man in Abb. 5.14b wieder die Strecke BC abgreifen, wenn man durch Punkt C eine Parallele zur Taulinie legt. Die Strecke AC = WTT −∞ bleibt damit voraussetzungsgemäß unverändert, während BC zunächst kleiner, dann wieder größer wird. Im gleichen Verhältnis ändert sich auch die bezogene Wärmestromdichte 0q/q && Hält man andererseits die Dampftemperatur

∞T = konstant und verringert man die Temperaturdifferenz WTT −∞ , indem man die Wandtemperatur erhöht, so muss man in Abb. 5.14b die durch Punkt C gehende 0T -Kurve nach oben verschieben. Damit erhält man auch kleinere Werte der Wärmestromdichte q& und der bezogenen Wärmestrom-dichte 0q/q && .

5.1.5.1 Die Temperatur an der Phasengrenze Wie die vorherigen Überlegungen zeigten, muss man zur Berechnung des Wärmeübergangs bei Filmkondensation von Gemischen die Temperatur IT an der Phasengrenze kennen. An der Phasengrenze eines Kondensations-films herrscht thermodynamisches Gleichgewicht zwischen Flüssigkeit und Dampf. Die Temperatur IT ist leicht zu berechnen, wenn die anfallende Kondensatmenge an jeder Stelle die gleiche Zusammensetzung wie der Dampf hat. Sie stimmt dann mit der jeweiligen Temperatur auf der Siedelinie überein und ist beispielsweise durch Punkt B in Abb. 5.14b bestimmt. Um diese Temperatur zu erreichen, muss die Wandtemperatur CW TT = nach Abb. 5.14b hinreichend weit unter der Siedetemperatur BT der leichter flüchtigen Komponente liegen. Als Regel gilt, dass )TT(2TT BAWB −>− sein soll. Die Kondensationsrate muss demnach hinreichend groß sein, weswegen man von örtlicher Totalkondensation spricht. In technischen Kondensatoren ist diese Bedingung zwar erfüllt, allerdings gibt es auch Fälle, wie bei der Partialkondensation, wo man die Wandtemperatur bewusst höher wählt, damit die leichter flüchtige Komponente im Kondensat nur in geringer Menge oder gar nicht vorkommt. Um zu zeigen, wie man dann die Temperatur an der

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262 5 Kondensation und Verdampfung

Phasengrenze ermittelt, betrachten wir ein Zweistoffgemisch und stellen für dieses eine Massenbilanz an der Kondensatoberfläche auf. Der senkrecht zur Phasengrenze fließende Massenstrom GM& des Dampfes wird dort kondensiert und als Kondensat LM& abgeführt. Es ist MMM LG

&&& == . Wir setzen nun der Einfachheit halber die Gültigkeit der Filmtheorie voraus wonach Geschwindigkeits- und Konzentrationsprofil nur von der wandnormalen Koordinate y abhängen. Mit dieser Annahme lautet die Kontinuitätsgleichung für die betrachtete Komponente

0y

M1 =∂

∂ &

wobei y die wandnormale Koordinate bezeichnet. Für diese Gleichung kann man wegen 111 NM~M && = mit der Molmasse 1M~ und dem Stoffmengenstrom 1N& (SI-Einheit mol/s) auch schreiben

0y

N1 =∂∂ &

(5.38)

Der Stoffstrom im Gas setzt sich aus dem Diffusionsstrom j1 A (SI-Einheit von j1 mol/m2s) und dem Konvektionsstrom 11Ny~ & zusammen, wenn N& der gesamte Stoffmengenstrom und 1y~y~ = ist:

Ny~AjN 11&& += (5.39)

Hierin ist nach dem Fickschen Gesetz

yy~Dcj1 ∂

∂−= (5.40)

mit c = N/V. Die Koordinate y läuft senkrecht zur Kondensatoberfläche und zeigt von der Kondensatoberfläche in den Dampfraum. Mit (5.39) kann man (5.40) nach Division durch N& auch schreiben

y~N/Ny/y~Dc

y~N/Nj

AN

11

1

−∂∂

−=−

= &&&&

& (5.41)

Da die Stoffmengenstromdichte jeder der beiden Komponenten unabhängig von der Ortskoordinate y sein soll, sind die gesamte Stoffmengenstromdichte

Page 283: WS Skript 181007

5.1 Kondensation 263

N& /A und ebenso auch der Quotient N/N2&& unabhängig von y. Man kann

daher (5.41) leicht integrieren. Die Integration soll sich von der Kondensat-oberfläche (Index I) bis in den Dampfraum (Index G) er- strecken. Die Dicke der Dampfgrenzschicht sei δ. Wir setzen dabei konstante Werte von Druck und Temperatur voraus. Unter der Annahme, dass sich die Gasphase ideal verhält, sind dann der Diffusionskoeffizient und die molare Konzentration c = N/V = P/(Rm T) ebenfalls unabhängig von der Orts-koordinate y. Die Integration ergibt

I1

G1

y~N/Ny~N/NlnDc

AN

−−

−=ρ⋅ &&

&&&

und nach Einführen eines Stoffaustauschkoeffizienten βG = D/P.

I1

G1G y~N/N

y~N/NlncnAN

−−

β== &&

&&&

& (5.42)

Nun ist in (5.42) der Stoffmengenstrom an der Phasengrenze I gegeben durch L11G111 )wc()wc(N ==& und LG )cw()cw(N ==& . Damit ist das

Verhältnis LL111 )cw/()wc(N/N =&& . Da in der Flüssigphase aber keine Diffusion stattfindet, ist dort w1 = w, und infolgedessen gilt auch

1111 x~n/nc/cN ===& . Dieser Wert ist an der Phasengrenze zu nehmen, so dass wir schreiben können

II11 x~x~

NN

==&

&.

Kondensiert ein Dampf aus einem Gemisch mit einem Inertgas, so ist 1x~I = und man erhält aus (5.42) die zu (5.34) analoge Beziehung für den Stoff-übergang. Da der Quotient )y~- x~)/(y~-x~( IIGI in (5.42) kleiner als eins ist, wird die Stoff-mengenstromdichte negativ: Der Stoffstrom des kondensierenden Dampfes ist der von uns gewählten Oberflächenkoordinate y entgegen gerichtet. Da es uns nur auf den Betrag der Mengenstromdichte ankommt, schreiben wir

IG

IIG x~y~

x~y~lncn−−

β=& (5.43)

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264 5 Kondensation und Verdampfung

In (5.43) sind nun zwei Grenzfälle enthalten: a) Bei örtlicher Totalkondensation ist die Zusammensetzung der Flüssigkeit identisch mit der des Dampfes GI y~x~ − . Man erhält dann ∞→n& für die Mengenstromdichte des zur Kondensatoberfläche strömenden Dampfes. Um örtliche Totalkondensation zu erreichen, muss die Wandtemperatur hinreichend weit unter der Siedetemperatur aller Komponenten liegen, damit diese alle kondensieren und das Kondensat dieselbe Zusammensetzung wie der Dampf aufweist. b) Für verschwindend kleine Mengenstromdichten des entstehenden Kondensats 0n →& ist nach (5.43) die Dampfzusammensetzung IG y~y~ = . Es wird praktisch kein Kondensat gebildet und infolgedessen bildet sich im Dampfraum auch kein Konzentrationsprofil aus.

Abb. 5.15: Grenzfälle der Kondensation

Abb. 5.16: Molanteil und Temperatur an der Kondensatoberfläche

Beide Grenzfälle sind in Abb. 5.15 eingezeichnet. Tatsächliche Kondensationsraten liegen zwischen beiden Extremfällen. Die Temperatur Tl an der Phasengrenze liegt, wie in Abb. 5.15 zu sehen, zwischen der Temperatur der Taulinie (Fall b) und der Temperatur der Siedelinie (Fall a). Die zugehörige Dampf- und Flüssigkeitszusammensetzung liest man auf der Abszisse, Punkte A und B in Abb. 5.15 ab. Zur Berechnung der Temperatur TI an der Phasengrenze benötigt man noch als weitere Bilanzgleichung die Energiegleichung an der Kondensat-oberfläche

ν∆+= h~nqq GL&&& (5.44)

worin Lq& dem Betrage nach die durch Konvektion vom Kondensat abgeführte, Gq& die durch Konvektion vom Dampf der Kondensatoberfläche zugeführte Wärmestromdichte und ν∆h~ die molare Verdampfungsenthalpie des Gemisches sind.

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5.1 Kondensation 265

Es ist

( )WILL TTq −α=& (5.45) Andererseits wird diese Wärmestromdichte auch durch die Wand an das Kühlmittel übertragen, dessen Temperatur TK sei. Der Wärmedurchgangs-koeffizient zwischen Wand und Kühlmittel sei k'. Dann ist

( )KWL TT'kq −=& (5.46) Mit Hilfe von (5.45) kann man hieraus T0 eliminieren und erhält

( ).TT1)'k/(

q KIL

LL −

+αα

=& (5.47)

Im Fall eines sehr großen Wärmedurchgangskoeffizienten ∞→'k ist die Wandtemperatur TW konstant und gleich der Kühlmitteltemperatur TK. Die vom Dampf an die Kondensatoberfläche übergehende Wärmestrom-dichte ist

( )IGGG TTq −α= ∗& (5.48) Sie enthält den Anteil für den Wärmeübergang an die Phasengrenze infolge des Temperaturgefälles (TG - TI) und den Anteil für die Energie, die durch den Dampf zur Kondensatoberfläche transportiert wird. Setzt man die Wärmestromdichte Gq& nach (5.48) zusammen mit der Wärmestromdichte Lq& nach (5.47) in die Energiebilanz (5.45) ein und beachtet, dass die Mengenstromdichte des Kondensats durch (5.43) gegeben ist, so erhält man für die Energiebilanz

=−+′α

α )TT(1)k/( KI

L

L +−α∗ )TT( IGGIG

IIG x~y~

x~y~lnc−−

β vh~∆ (5.49)

Aus dieser Gleichung kann man die unbekannte Temperatur TI berechnen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Molanteile II y~,x~ von der Temperatur TI abhängen, wie Abb. 5.16 für ein Zweistoffgemisch zeigt. Außerdem ist der Wärmeübergangskoeffizient La von der Temperatur TI abhängig. Da sich im Dampf zumindest freie Konvektion einstellt, ist der Term

)TT( IGG −α∗ oft nicht vernachlässigbar, sondern kann von gleicher Größenordnung wie die übrigen Ausdrücke in (5.49) sein, insbesondere wenn

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266 5 Kondensation und Verdampfung

die Temperatur der Phasengrenzfläche Tl nahe bei der Wandtemperatur liegt, so dass das treibende Temperaturgefälle (TI - T0) im Kondensat klein, dasjenige im Dampf (TG - T1) dagegen groß wird. Die praktische Berechnung der Temperatur TI an der Kondensatoberfläche ist recht aufwendig und selbst im Fall des hier besprochenen Zweistoffgemischs kaum ohne Rechen-anlage zu bewältigen.

5.1.5.2 Die Mengen- und die Energiebilanz des Dampfes Zur Berechnung der Temperatur TI an der Phasengrenze unterteilt man die Fläche des Kondensators in Abschnitte ∆A. Jedem Abschnitt ordnet man einheitliche (mittlere) Werte der Temperatur TI, TG und der Zusammen-setzung Gy~ . Mit Hilfe von (5.49) erhält man die Temperatur TI für vorgegebene Werte GG y~,T . Um die Werte GG y~,T eines jeden Abschnitts aus den Werten des vorhergehenden Abschnitts zu berechnen, sind die Mengen- und Energiebilanzen zu lösen.

Abb. 5.17:

Zur Mengenbilanz in einem Abschnitt des Kondensators

Abb. 5.18: Zur Energiebilanz in einem Abschnitt des Kondensators

Zur Aufstellung der Mengenbilanzen betrachten wir nach Abb. 5.17 rechts einen Flächenabschnitt dA. Die Mengenbilanz für die leichter flüchtige Komponente lautet ( )( ) IGGGGG x~Ndy~dy~NdNy~N &&&& +++= Der Molanteil der leichter flüchtigen Komponente ist hierbei, wie in (5.49), ein integraler Mittelwert über einen Querschnitt des Dampfraums. Man erhält aus der letzten Beziehung mit GNdNd && −= die sogenannte Rayleigh-Gleichung

IG

G

G

G

x~y~y~d

NNd

−−

=&

& (5.50)

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5.1 Kondensation 267

Diese liefert nach Integration zwischen den Querschnitten 1 und 2, Abb. 5.17 links, den Ausdruck

∫ −−

=2G

1G

y~

y~ IG

G

2G

1G

x~y~y~d

NNln &

&

woraus sich der im Flächenabschnitt ∆A anfallende Kondensatmengenstrom berechnet

⎟⎟

⎜⎜

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

−−−=−=∆ ∫

2G

1G

y~

y~ IG

G1G2G1G x~y~

y~dexp1NNNAn &&&& (5.51)

Hat man die Temperatur TI an der Phasengrenze mit Hilfe von (5.49) ermittelt, so kennt man nach (5.43) den Kondensatmengenstrom. Aus (5.51) kann man dann den Molanteil 2Gy~ des Dampfes im nächsten Abschnitt ∆A berechnen. Die Energiebilanz ergibt sich aus dem in Abb. 5.18 gezeigten Flächen-abschnitt zu .dAqh~Nd)h~dh~)(NdN(h~N GGIGGGGGG

&&&&& ++++= Mit GNdNd && −= folgt .dAqh~dN)h~h~(Nd0 GGGGIG

&&& ++−= Nun ist dAnNd && = mit n& nach (5.43). Damit wird

( ) dAqdAh~h~nh~dN GIGGG&&& +−=− (5.52)

mit ( )IGpGGIGGpGG TTc~h~h~,dTc~h~d −=−= und ( ).TTq IGGG −α= &

& Diese Gleichung lässt sich nicht geschlossen integrieren, da die Enthalpien

Gh~ und Ih~ ihrerseits von der längs des Strömungswegs veränderlichen Temperatur und dem Molanteil abhängen. Falls der Flächenabschnitt ∆A nicht zu groß gewählt wird, kann man in guter Näherung mit Vorwärts-differenzen arbeiten. Dann ist

( ) .AqAh~h~n)h~h~(N GI1G1G2G1G ∆+∆−=−− &&& (5.53)

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268 5 Kondensation und Verdampfung

Aus dieser Beziehung erhält man die Enthalpie 2Gh~ des folgenden Flächen-abschnitts und damit auch dessen Temperatur, denn es ist

)y~1()T(h~y~)T(h~h~ GG02GG01G −+= und )y~1()T(h~y~)T(h~h~ II02II01I −+=

(5.54)

wenn 01h~ und 02h~ die von der Temperatur abhängigen molaren Enthalpien der reinen Stoffe 1 und 2 sind. Da wir die Gasphase als ideal voraussetzten, entfällt die Druckabhängigkeit der Enthalpien. In (5.53) ist in der von der Gas-phase abgegebenen Wärmestromdichte ( )IGGG TTq −α= ∗& der Wärme-übergangskoeffizient ∗αG vom Gas an die Phasengrenze verschieden von dem einer Dampfströmung ohne Kondensation, Gα . Es ist durch

GGG ςα=α∗ worin der Korrekturfaktor ς durch die "Ackermann-Korrektur"

G

pGG A

cMmit,

1)(exp α=Φ

−Φ−Φ−

=ς&

gegeben ist.

5.1.5.3 Die Berechnung der Fläche eines Kondensators Die praktische Berechnung für Zweistoffgemische aufgrund der vorstehenden Gleichungen ist nun in verschiedener Weise möglich. Empfehlenswert ist das folgende Vorgehen. - Man gibt einen Flächenabschnitt ∆A vor und schätzt die Temperatur TI an der Kondensatoberfläche dieses Abschnitts. Es ist TG <TI < TK wenn TG die Temperatur des Dampfes und TK die des Kühlmittels ist. Mit dieser Vorgabe von TI liegen aufgrund des Phasengleichgewichts die Molanteile : Ix~ und Iy~ an der Kondensatoberfläche fest. - Man schätzt weiter die Änderung Gy~∆ der Dampfzusammensetzung in dem betreffenden Abschnitt und setzt näherungsweise ( ) 2/y~y~y~ 2G1GG += mit ,y~y~y~ G1G2G ∆+=

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5.1 Kondensation 269

worin 1Gy~ die Dampfzusammensetzung im Eintrittsquerschnitt l und 2Gy~ die im Austrittsquerschnitt 2 des betrachteten Abschnitts sind. - Mit diesen Schätzwerten kann man den dampfseitigen Wärmeübergangs-

koeffizient ∗αG und den Stoffübergangskoeffizienten ßG berechnen. Ebenso kennt man den Wärmeübergangskoeffizienten Lα des Kondensatfilms, der sich bei laminarer Filmkondensation aus der Nusseltschen Wasserhaut-theorie (5.13) und bei turbulenter Filmkondensation aus (5.21) ergibt. Aus (5.49) berechnet man damit eine Temperatur TI an der Kondensat-oberfläche. Stimmt diese mit dem Schätzwert nicht überein, so muss man die Temperatur TI erneut schätzen, bis Schätz- und Rechenwert genügend genau genug übereinstimmen.

- Im nächsten Schritt berechnet man nun mit Hilfe von (5.51) den anfallenden Mengenstrom n& des Kondensats. Stimmt dieser mit dem aus (5.43) ermittelten überein, so war die anfängliche Schätzung hinsichtlich der Änderung Gy~ der Dampfzusammensetzung richtig. Andernfalls muss man die Rechnung solange wiederholen, bis Schätz- und Rechenwert genau übereinstimmen.

- Erst dann können Temperaturen und Zusammensetzung des folgenden Abschnitts ermittelt werden.

- Solange der Dampf überhitzt ist, TG >TT (TT ist die Tautemperatur), wie dies Abb. 5.19 zeigt, berechnet man zweckmäßigerweise zuerst mit Hilfe von (5.53) die Dampftemperaturen des folgenden Flächenabschnitts und dann wie zuvor erörtert alle übrigen Größen. Ist der Dampf auf Tautemperatur TT abgekühlt, so braucht man die Energiegleichung (5.53) nicht mehr zu lösen, da dann die Dampftemperatur TG = TT wie aus Abb. 5.19 hervorgeht, nur vom Molanteil Gy~ abhängt.

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270 5 Kondensation und Verdampfung

Abb. 5.19: Temperaturen TG, TI und Zusammensetzung x~ ,y~ ,y~ IIG

längs eines Kondensators. e = Eintrittszustand a = Austrittszustand des Dampfes

Wie sich Dampftemperatur TG und Molanteile Gy~ , Iy~ und die Temperatur TI längs eines Kondensators ändern können, zeigt schematisch Abb. 5.19.

5.2 Verdampfung (Sieden) Verdampfen und Sieden werden als Synonyme benutzt. Bei der Verdampfung können wie bei der Kondensation sehr hohe Wärmestromdichten erreicht werden. Wärmeübertragung mit Verdampfung ist daher besonders dort von Interesse, wo große Kühlleistungen auf kleinem Raum erzielt werden sollen, z.B. Kühlung von Reaktorbrennelementen, Hoch-leistungselektronik, Hochleistungsrechnern. Bei der Dampferzeugung in der Energie, - Kraftwerks- und Verfahrenstechnik spielt die Verdampfung natürlich die entscheidende Rolle.

Page 291: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 271

5.2.1 Arten der Verdampfung Wie bei der Kondensation unterscheidet man die Verdampfung ruhender und strömender Flüssigkeiten, reiner Flüssigkeiten und Flüssigkeitsgemische.

5.2.2 Verdampfung von ruhenden, reinen Flüssigkeiten (Behältersieden)

5.2.2.1 Arten des Behältersiedens Beim Erhitzen einer Flüssigkeit tritt Verdampfung auf, wenn die Wand-temperatur TW die Siedetemperatur TS bei gegebenem Druck überschreitet, Abb. 5.20. Verdunstung tritt an der Flüssigkeitsoberfläche, nicht an der Heiz-fläche, auf. Hier spielt nicht der Druck der Gas-/Dampfphase sondern der Dampfpartialdruck die wesentliche Rolle. Abb. 5.20: Verdampfung einer ruhenden Flüssigkeit beim Blasensieden, z.B.

am Boden eines Kochtopfes. Wenn (Tw - Ts ) kleiner ≈ 5 K (Wasser) bilden sich keine Dampfblasen an der Heizfläche.

Dampfblasen

TS

&m

Heizelement

Dampf

Flüssigkeit

Heizfläche

Behälter TW > TS

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272 5 Kondensation und Verdampfung

Abb. 5.21: Temperaturverlauf zwischen Heizfläche und Phasengrenze

Flüssigkeit Dampf bei (a) Konvektionssieden und (b) Blasen-sieden

Drei Formen des Wärmeübergangs sind zu unterscheiden und in Abb. 5.22 dargestellt:

Abb. 5.22: Wärmeübergangskoeffizient beim Sieden in Abhängigkeit von

der Differenz zwischen Wand- und Siedetemperatur für Wasser bei 1 bar

TT

viskose Grenzschicht als Folge der Oberflächenspannung

viskose Grenzschicht als Folge der Wandhaftung

(a) y

TW

T(y)

Ts

(b)

TW

y

Ts

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5.2 Verdampfung (Sieden) 273

I. Konvektionssieden (Oberflächenverdampfung): Für (TW - TS)/ TS << 1 er-folgt die Verdampfung nur an der freien Flüssigkeitsoberfläche. Die überhitzte Flüssigkeit wird durch freie Konvektion an den Flüssigkeitsspiegel transportiert. Es gelten näherungsweise die Gesetze der freien einphasigen Konvektion. Bei laminarer und turbulenter freier Konvektion liegen die thermischen Haupt-widerstände und damit Temperaturunterschiede in den viskosen Grenz-schichten nahe der Heizfläche und nahe der freien Oberfläche, siehe Abb. 5.21 (a). Sie sind durch die Haftbedingung an der Heizfläche und die Oberflächenspannung an der flüssig/gas Phasengrenze bedingt. Für laminare freie Konvektion ist 4/1

SW )TT(~ −α Für turbulente freie Konvektion gilt 3/1

SW )TT(~ −α II. Blasensieden: Für etwas größere (TW - TS) bilden sich Blasen an der Heiz-fläche. Die aufsteigenden Dampfblasen erhöhen die Flüssigkeitsbewegung und damit den Wärmeübergang dramatisch. Zu Beginn des Blasensiedens erreichen die Blasen nicht die Oberfläche, sie kondensieren in der noch unterkühlten Flüssigkeit wieder. Das Maximum des Wärmeübergangs-koeffizienten wird bei der höchsten Blasendichte erreicht. Der thermische Hauptwiderstand liegt weiter in der viskosen Unterschicht in der Nähe der Heizfläche, siehe Abb. 5.21 (b). Der Temperaturgradient nahe der freien Oberfläche verschwindet praktisch. Die Dampfblasen, die die Energie als latente Wärme transportieren, treten einfach aus der Flüssigkeit aus. Die Dampfblasendynamik (Bildung, Wachstum, Abreißvolumen und Frequenz) hängen komplex von der Überhitzung (TW - TS), Art und Oberfläche der Heizfläche (λ, Rauhigkeit) und den thermophysikalischen Eigenschaften des Fluids (ρ, λ; η, ∆hv, σ, cp) ab. Die Blasendynamik beeinflusst wiederum die Flüssigkeitsbewegung nahe der Oberfläche und damit den Wärmeübergangskoeffizienten. Aufgrund der Komplexität des Vorgangs gibt es bisher nur empirische Beziehungen. In erster Näherung ist, ( )3

sw TT~ −α siehe Abb. 5.22. III. Filmsieden: Bei weiterer Erhöhung von ( )3

sw TT − bilden sich in einzel-nen Bereichen der Heizfläche instabile Dampffilme, die dann als große Blasen zur Oberfläche steigen. Wegen der schlechten Wärmeleitfähigkeit des Dampfes verringert sich der Wärmeübergang stark. Schließlich bildet sich ein stabiler Dampffilm über der Heizfläche. Der Wärmeübergang steigt erst wieder merklich an, wenn ( )sw TT − so groß ist, dass der Strahlungswärmeübergang

Page 294: WS Skript 181007

274 5 Kondensation und Verdampfung

eine merkliche Rolle spielt. Die drei Gebiete sind durch Übergangsgebiete verbunden.

5.2.2.2 Siedekennlinie Als Siedekennlinie bezeichnet man die Abhängigkeit der Wärmestromdichte q& von )TT( SW − , siehe Abb. 5.23. Heizt man einen Draht elektrisch und trägt die Wärmestromdichte q& über der Überhitzung )TT( SW − auf, dann erhält man für Wasser bei der Verdampfung an einem geheizten Platindraht das in Abb. 5.23 gezeigte Bild, das von Nukiyama aufgenommen wurde.

Abb. 5.23: Nukiyama’s Siedekennlinie für Wasser Bis zum Wert q& max steigt )TT( SW − kontinuierlich mit q& . Bei einer weiteren kleinen Steigerung über q& max um δq& springt )TT( SW − um mehr als eine Zehnerpotenz. Meist ist die sich dann einstellende stabile Temperatur so hoch, dass es zur Zerstörung der Heizfläche kommt (Burnout). Deshalb wird die maximale Wärmestromdichte q& max auch kritische Wärmestromdichte q& krit genannt. Sie liegt für Wasser bei Umgebungsdruck oberhalb von 1 MW/m². Erhöht man q& weiter, so steigt ( )sw TT − monoton. Senkt man dann q& , so

Page 295: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 275

verringert sich auch ( )sw TT − stetig bis zu einem Minimalwert bei q& min (Leidenfrostpunkt). Bei einer weiteren q& -Verringerung springt zu einem sehr viel kleineren Wert. Danach fällt ( )sw TT − mit q& weiter stetig entlang der Siedekennlinie bis 0 q →& . Das Gebiet des instabilen Filmsiedens (gestrichelter Teil der Siedekennlinie) lässt sich also bei elektrischer Heizung nicht anfahren. Wenn man dagegen statt q& den Wert von ( )sw TT − kontrolliert, z.B. durch Kondensation von Dampf bei unterschiedlichen Drücken, lässt sich auch der Bereich mit negativer Steigung von q& in Abhängigkeit von ( )sw TT − anfahren.

5.2.2.3 Wärmeübergangskorrelationen

5.2.2.3.1 Konvektionssieden Es gelten die Beziehungen für freie Konvektion, siehe Kapitel 4.1.3.2. Da häufig horizontale Heizflächen vorkommen, die von unten geheizt werden, hierfür noch die Korrelation von McAdams (1954):

7102PrGr510;4/1Pr)Gr(54.0Nu ⋅<⋅<⋅⋅= (5.55a)

10103PrGr7102;3/1Pr)Gr(14.0Nu ⋅<⋅<⋅⋅⋅= (5.55b) (horizontale Platten von unten geheizt) Die wirklichen Nusseltzahlen liegen beim Konvektionssieden etwas höher als bei der freien Konvektion, da sich immer einige Dampfblasen bilden und davon einige bis zur Oberfläche aufsteigen.

Page 296: WS Skript 181007

276 5 Kondensation und Verdampfung

5.2.2.3.2 Blasensieden Das Blasensieden kann immer noch nicht theoretisch befriedigend quantitativ beschrieben werden. Technisch interessiert das Gebiet bis zum Wärmestrommaximum, das Gebiet des stabilen Blasensiedens. Messwerte verschiedener Autoren weisen starke Abweichungen auf, was vor allem auf die unterschiedlichen Heizflächen zurückzuführen ist. Formale empirische Darstellungen besitzen die Formen:

n1qC &=α mit 0.6 < n < 0.8 (5.56a)

msw2 )TT(C −=α mit 1.5 < m < 4 (5.56b)

asw3 )TT(Cq −=& mit 2.5 < a < 5 (5.56c)

1ma;n1

nm;CCC n11

123 +=−

=== − (5.56d)

Die Konstanten müssen experimentell bestimmt werden. Die Konstanten sind von der Flüssigkeit, dem Druck und von der Heizfläche abhängig; n nimmt mit zunehmendem Druck ab. Beim Blasensieden interessiert meist α oder Nu als Funktion von q& , da die Wandtemperaturen meist nicht bekannt sind. Für Wasser bei Drücken von 0,5 < p < 20 bar hat Fritz die einfache Zahlenwertgleichung aufgestellt

24.0p72.0q95.1 ⋅=α & (5.57) mit α in W/m²K; q& in W/m² und p in bar. Gorenflo berechnet den Wärmeübergangskoeffizienten aus einem tabellierten Bezugswert 0α bei der Bezugswärmestromdichte ²m/W00020q0 =& . Den gesuchten Wärmeübergangskoeffizienten α bei dem Druck krp9.0p ⋅< und der Wärmestromdichte q& erhält man aus

1.0pbei0,0q;krp/pp;n

0qq)p(FC

00w =α=+

⎟⎟

⎜⎜

⎛+=αα +&

&

&

Index ‘0’ - Bezugswert Cw erfasst der relativen Einfluss der Heizflächen- eigenschaften

(5.58)

Page 297: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 277

organische Flüssigkeiten:

+

+−+++=+ p)

p1

15.2(27.0

p2.1)p(F (5.58a)

Wasser:

2

p)p1

68.01.6(27.0

p73.1)p(F ++−

+++=+ (5.58b)

15.0

p3.09.0n +⋅−= Eine allgemeine Gleichung hat Stephan aufgestellt:

l

AdNuλ

α=

162.0lPr

350.0

dl

2la

371.0

2la

2Adh

156.0

l

g674.0

STl

qAd0871.0

A

−⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

σ

ρ⋅

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛ ⋅ν∆

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

ρ

ρ

⎟⎟

⎜⎜

⋅λ

⋅=

&

(5.59)

mit dem Blasenabreißdurchmesser

)gl(g2

0851.0Adρ−ρ

σβ= (5.60)

Der Blasenrandwinkel β0 beträgt für Wasser ca. 45°, für Kältemittel etwa 35° und ist im Bogenmaß einzusetzen.

Page 298: WS Skript 181007

278 5 Kondensation und Verdampfung

5.2.2.3.3 Maximale oder kritische Wärmestromdichte Für die maximale Wärmestromdichte gibt Kutateladse folgende Beziehung an, die auf einer Stabilitätsanalyse von Suber basiert:

4/1))g1(g(2/1)g(hCkrqmaxq ρ−ρσρν∆== && (5.61)

mit C = 0.149 als Mittelwert vieler Versuchsergebnisse. Einen Verdampfer möchte man kurz unterhalb der maximalen Wärmestrom-dichte betreiben. Die maximale Wärmestromdichte ist stark druckabhängig, im wesentlichen wegen der Druckabhängigkeit der Oberflächenspannung σ, der Verdampfungswärme ν∆h und der Dichtedifferenz )( g1 ρ−ρ . Zunächst steigt maxq& mit dem Druck, ab etwa p < 0,3 pkr fällt q& mit steigendem p und wird Null am kritischen Punkt da )( g1 ρ−ρ , σ und ν∆h gegen Null streben.

5.2.2.3.4 Minimale Wärmestromdichte Die minimale Wärmestromdichte ergibt sich nach Zuber aus einer Stabilitäts-analyse zu

4/1

2gl

glghCq g

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ρ+ρ

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ρ−ρσ

ν∆ρ=&

C = 0.08

(5.62)

Page 299: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 279

5.2.2.3.5 Filmsieden Nach dem Punkt minimaler Wärmestromdichte bedeckt ein stabiler Film die Heizfläche. Die Verhältnisse sind der laminaren Filmkondensation ähnlich. Für Filmsieden an Zylinder oder Kugel erhält man

Zylinder: C = 0.62 ; Kugel: C = 0.67 (5.63)

Bei Temperaturen oberhalb 300°C muss Strahlung berücksichtigt werden (vergl. Kap. 6), z.B.

⎥⎥

⎢⎢

αα++

α+α=α

s/g3114

5s

gges

4/1

H1

)STwT(

3ghglg

32

gg ⎥

⎥⎥

⎢⎢⎢

⋅−⋅η

λν∆⋅⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ρ−ρρ

=α H = dπ/2

sTwT

4sT4

wT

1l

1

w

1s

s −

−ε

σ=α

(Kondensation ≡ Filmverdampfung) Dabei sind H die Überstromlänge 2/dH π= , σS = 5,67 10-8 W/m²K4 die Stefan - Boltzmann Konstante, εw und εl der Emissionsgrad der Wand und der Flüssigkeitsoberfläche.

Page 300: WS Skript 181007

280 5 Kondensation und Verdampfung

5.2.2.4 Stabilität beim Behältersieden und stabile Betriebspunkte Betrachten wir eine Verdampferheizfläche nach Abb. 5.24: Für die von der Wand der siedenden Flüssigkeit zugeführte Wärmestrom-dichte gilt:

0q)wTfT(kqzu&& +−= (5.64)

mit dem spez. Wärmedurchgangswiderstand zwischen Heizmedium und

Verdampferoberfläche λ+

α=

s1ki

1- und der in der Wand erzeugten

Wärmestromdichte 0q& . Führt man in (5.64) die Überhitzung der Wand )TT( sw − ein, so gilt:

)sTfT()sTwT(wTfT −+−−=− (5.65) und man erhält

0sfswzu q)TT(k)TT(kq && +−+−−= (5.66) Diese Beziehung stellt für konstante Werte von k, Tf, TS, und 0q& eine Gerade im )TT( ,q sw −& - Diagramm dar. Sie wird als Widerstandskennlinie des Verdampfers bezeichnet. Dabei ist allerdings anzumerken, dass die Kombination einer konvektiven Heizung mit einer elektrischen Heizung (der Wärmestromdichte 0q& ) technisch wenig sinnvoll ist. In der Praxis wird man entweder eine Fluidheizung oder eine elektrische Heizung ausführen. Abb. 5.24: Schema einer Verdampferheizfläche

S λ

&q

αi

&q0

Ti

Tw

siedende Flüssigkeit , Ts

Heizmedium , Tf

Page 301: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 281

Die der Wand zugeführte Wärmestromdichte zuq& wird in Abhängigkeit von der Wandüberhitzung (Tw - Ts) dargestellt; die Heizung wird durch die sogenannte Widerstandskennlinie charakterisiert, siehe Gl. (5.66). Die von der Wand beim Sieden abgegebene Wärmestromdichte abq& wird in Abhängigkeit von der Wandtemperatur Tw bzw. der Wandüberhitzung Tw - Ts durch die Siedekennlinie dargestellt. In einem stationären Betriebspunkt eines Verdampfers müssen abgeführter Wärmestrom (Siedekennlinie) und zugeführter Wärmestrom (Widerstands-kennlinie) übereinstimmen, siehe Abb. 5.25.

Abb. 5.25: Siedekennlinie, verschiedene Widerstandskennlinien und Betriebspunkte eines Verdampfers

In Abb. 5.25 sind 3 Widerstandskennlinien für Heizung durch ein Wärme-trägerfluid bzw. elektrische Heizung eingezeichnet. Die Schnittpunkte einer Siedekennlinie mit der Widerstandskennlinie sind mögliche Arbeitspunkte des Verdampfers ( )TT( sw − ; q& ) von Widerstands- und Siedekennlinie müssen im stationären Arbeitspunkt identisch sein). Die Widerstandskennlinien I und II unterscheiden sich nur im Wert der z.B. elektrisch zugeführten Wärmestromdichte 0q& .

Page 302: WS Skript 181007

282 5 Kondensation und Verdampfung

Für Widerstandskennlinie III ist q& = konstant; dies gilt für elektrische Heizung oder für Reaktorstäbe, wo kein Heizfluid vorhanden ist. Diesen Fall haben wir im Zusammenhang mit der Erzeugung der Siedekennlinie behandelt. Wir betrachten die Widerstandskennlinie II und die Schnittpunkte mit der Siedekennlinie in Bezug auf instationäre Störungen. Nehmen wir an, eine Störung sei so, dass eine kleine zeitliche Erhöhung )TT( SW −∆ die Folge ist. Da die Widerstandskennlinie negative Steigung besitzt, bedeutet das, dass durch die Störung eine kleine Verringerung der zugeführten Wärmestrom-dichte zuq& eintritt. Für den Betriebspunkt ergeben sich daraus in unmittelbarer Nähe der Schnittpunkte mit der Siedekennlinie folgende Konsequenzen: Punkt 1II: Der Wärmestrom, der von der siedenden Flüssigkeit abgeführt

wird, erhöht sich momentan mit )TT( SW −∆ . Aufgrund des verringerten Angebotes an q& zu sinkt die Wandtemperatur bzw.

)TT( SW − . Der Verdampfer kehrt zu Punkt 1II zurück. Punkt 1II ist ein stabiler Betriebspunkt.

Punkt 2II: Der Wärmestrom, der von der siedenden Flüssigkeit abgeführt werden kann, nimmt stärker ab als das zugeführte Angebot q& zu.

)TT( SW − erhöht sich weiter und weiter. Punkt 2II ist ein instabiler Betriebspunkt. Der Verdampfer rutscht nach Punkt 3II.

Punkt 3II: Der Wärmestrom, der von der siedenden Flüssigkeit abgeführt werden kann, vergrößert sich mit )TT( SW − . Da der angebotene Wärmestrom kleiner wird, sinkt )TT( SW − . Der Verdampfer kehrt zu Punkt 3II zurück. Punkt 3II ist ein stabiler Betriebspunkt.

Als allgemeines Kriterium für Stabilität ergibt sich

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛− )TT(dqd

Sw

&Widerstandskennlinie < ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛− )TT(dqd

Sw

&Siedekennlinie (5.67)

Page 303: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 283

Ergänzung: Dieses Stabilitätskriterium lässt sich ebenfalls bei der Betrachtung eines einzelnen Flächenelementes an der Heizwand herleiten, siehe Skizze. Skizze: Flächenelement an der Heizwand Bei stationärem Betrieb gilt in jedem Betriebspunkt:

stat,abstat,zu qq && = (5.67) Jede momentane Abweichung )t(qzu

&∆ bzw. )t(qab&∆ der aktuellen

zugeführten oder abgeführten Wärmestromdichte vom stationären Betrieb bewirkt eine instationäre Änderung der Heizwandtemperatur

stat,www T)t(T)t(T −=∆ . Mit dem Energiesatz für ein Flächenelement stat,abstat,zu qq && = und

dA))t(q)t(q(dtdU

abzu ⋅−= &&

& ( )q tabT tw( )

s

& ( )q tzu

dA

Tw

Page 304: WS Skript 181007

284 5 Kondensation und Verdampfung

gilt:

ww

ab

w

zuwww T

Tq

Tq

dt)T(dsc ∆⎥

⎤⎢⎣

⎡∂∂

−∂∂

=∆

ρ&&

(5.68)

bzw. nach Trennung der Veränderlichen:

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡∂∂

−∂∂

ρ=

∆∆

w

ab

w

zu

www

w

Tq

Tq

cs1

dtT)T(d &&

(5.69)

Ein Betriebspunkt ist stabil, wenn die Wandtemperatur nach einer kleinen Abweichung von der stationären Temperatur Tw,stat (Kennlinien-Schnittpunkt) automatisch dorthin zurückkehrt, d.h. wenn der Absolutwert der Abweichung

)T)t(T( stat,ww − mit der Zeit abnimmt, oder wenn gilt:

0Tq

Tq

cs1

dt)T(lnd

dtT)T(d

w

ab

w

zu

ww

w

w

w <⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡∂∂

−∂∂

ρ=

∆=

∆∆ &&

(5.70)

Bei konstanten Temperaturen Tf und Ts des Heizmediums und des wärmeabführenden, siedenden Fluids gilt dabei: )T(d)TT(d)TT(ddT wstat,wwsww ∆=−=−= Ein Betriebspunkt ist also nach Ungleichung (5.70) stabil, wenn die Steigung der Siedekennlinie ( )abq& größer als die der Heizkennlinie ( )zuq& ist. Damit wird die zeitliche Ableitung in Ungleichung (5.70) zu Null; die partiellen Ableitungen werden gleich den vollständigen:

w

zu

w

ab

dTqd

dTqd &&

> (5.71)

Für Heizung durch ein Fluid ist ein Betriebspunkt demnach stabil, siehe Schnittpunkte der Widerstandskennlinie mit der Siedekennlinie in Abb. 5.25, wenn gilt:

kdTqd

dTqd

w

zu

w

ab −=>&&

(5.72)

Betriebspunkte auf dem fallenden Ast der Siedekennlinie (Übergangssieden oder instabiles Filmsieden) sind normalerweise instabil, siehe Abb. 5.25.

Page 305: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 285

Stabile Betriebspunkte sind hier nach Ungleichung (5.70) nur bei sehr hohem Wärmedurchgangskoeffizienten k (z.B. bei Heizung durch kondensierenden Dampf) möglich. Elektrische Heizung lässt stabile Betriebspunkte nur auf den steigenden Ästen der Siedekennlinie zu, siehe Abb. 5.25:

0dTqd;0

dTqd

w

ab

w

zu >=&&

(5.73)

Eine Elektrische Heizung zeigt bei einer stufenweisen Änderung von 0zu qq && = die bereits in Abb. 5.25 skizzierte Hysterese. Um instabiles Verhalten zu vermeiden, wird eine steile Widerstandskennlinie angestrebt. Aus Sicherheitsgründen muss ein Verdampfer in genügendem Abstand von der maximalen Wärmestromdichte betrieben werden, weil sonst eine kleine Störung genügt, das System aus dem stabilen Betriebspunkt 1 in den instabilen Betriebspunkt 2 zu überführen. Von diesem wird er bis zum Punkt 3 weiterwandern, der wieder stabil ist. Bei den meisten Verdampfern entspricht Punkt 3 einer Wandtemperatur, die oberhalb der Schmelz-temperatur der Heizfläche liegt, so dass diese wegschmilzt, bevor ein neuer Zustand erreicht ist. Um dies zu vermeiden, muss die Widerstandskennlinie so steil werden, dass sie die Siedekennlinie in der Nähe des Maximums kein zweites Mal schneidet. Eine steile Widerstandskennlinie erfordert großes αi und kleinen thermischen Widerstand der Wand. Dann kann der Verdampfer auch in der Nähe von maxq& betrieben werden.

Page 306: WS Skript 181007

286 5 Kondensation und Verdampfung

5.2.3 Verdampfung strömender, reiner Flüssigkeiten

5.2.3.1 Überströmte Platten Im Bereich des Konvektionssiedens gelten die Beziehungen für den Wärme-übergang an ebenen Platten. Für Blasensieden sind die Übergänge etwas höher als bei ruhenden Flüssigkeiten.

5.2.3.2 Durchströmte Rohre Die Verhältnisse entlang einem vertikalen Verdampferrohr sind schematisch in Abb. 5.26 gezeigt. Die Abb. 5.27 und Abb. 5.28 zeigen die Strömungs-formen und die Wärmeübergangskoeffizienten im horizontalen Verdampfer-rohr. In beiden Fällen ist die Wärmestromdichte entlang dem Verdampferrohr konstant. Die Strömungsformen und der Wärmeübergang sind komplexer als beim Behältersieden. Es lassen sich aber einige Charakteristika herausarbeiten. Unterkühltes Sieden und Blasensieden Die Flüssigkeit tritt unterkühlt T1 < Ts in das Verdampferrohr ein. Zunächst tritt lokales Sieden auf. Die Kernströmung ist dabei noch unterkühlt. Im Gebiet des unterkühlten Siedens (Flüssigkeitstemperatur T1 < gesättigte Temperatur TS < TW) lässt sich der Wärmeübergang aus der Kombination des konvektiven Wärmeübergangs Kq& mit dem Wärmeübergang Bq& des Blasen-siedens darstellen. Denn es entstehen Blasen, die im Kern wieder kondensieren und es herrscht Blasenströmung.

)TT(q SW −α=& (5.74)

2/12

SW

1W

B

KB )TT(

)TT(1⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−−

⋅αα

+α=α (5.75)

Der Wärmeübergangskoeffizient nimmt also stark zu.

Page 307: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 287

Abb. 5.26: Strömungsgebiete im vertikalen Verdampferrohr; M/Mx g

&&= Dampfgehalt und Wärmeübergangskoeffizient

Abb. 5.27: Strömungsformen im waagerechten Verdampferrohr

Page 308: WS Skript 181007

288 5 Kondensation und Verdampfung

Abb. 5.28: Verlauf des Wärmeübergangskoeffizienten im horizontalen

Verdampferrohr für =q& konstant Gesättigtes Sieden Hat die Flüssigkeit die Sättigungstemperatur erreicht, dann beginnt der Dampfgehalt stromab zu steigen. Der Wärmeübergangskoeffizient nimmt weiter zu und die Strömung beschleunigt sich mehr und mehr. Schließlich wachsen die Blasen zu Pfropfen zusammen. Es kommt zur Pfropfen-strömung. Steigt der Dampfgehalt weiter kommt es zur Ringströmung, bei der sich ein dünner Flüssigkeitsring am Rohrumfang ausbildet. Der Wärmeübergangskoeffizient nimmt weiter zu. Es bleibt beim Blasensieden. Sieden bei hohen Dampfgehalten Bei höheren Dampfgehalten x und damit höheren Strömungs-geschwindigkeiten tritt wieder Konvektionssieden auf, wenn die Massen-stromdichte hoch genug ist. Der Flüssigkeitsfilm an der Wand ist so dünn, dass die Wandtemperatur unterhalb der notwendigen Temperatur zum

Page 309: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 289

Blasensieden bleibt und die Verdampfung an der Flüssigkeits-Dampfgrenzfläche auftritt. Der Wärmeübergangskoeffizient wird maximal. Der Wärmeübergang lässt sich jedoch nicht nach den Formeln für den konvektiven Wärmeübergang einphasiger Strömungen berechnen. Der Hauptgrund dafür ist, dass die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der beiden Phasen den turbulenten Austausch wesentlich beeinflussen. Treten dann die ersten Austrocknungsstellen auf, sinkt der Wärmeübergangs-koeffizient schnell. Schließlich kommt es nach einem Transitionsgebiet zur Nebelströmung, wo nur noch einzelne Tropfen im Strömungskern vorhanden sind. Am Ende ist gesättigter und später überhitzter Dampf vorhanden. Die Gesetze der einphasigen erzwungenen Strömung gelten wieder. Der Unterschied zwischen der Verdampfung im horizontalen und vertikalen Rohr ist, dass im horizontalen Rohr früher asymmetrische Strömung und Trockenstellen auftreten, siehe Abb. 5.27. Es wurden vielfältige empirische Korrelationen entwickelt, die hier aber nicht angegeben werden. Wie Abb. 5.28 zeigt, überwiegt bei kleinen Dampfgehalten das Blasensieden. Der Massenstrom spielt keine wesentliche Rolle für α, das von q& bestimmt wird. Für Strömungssieden mit etwas größerem Dampfgehalt hat der Massenstrom den Haupteinfluss auf α, q& wird relativ unbedeutend; α steigt stark mit dem Dampfgehalt. Bei sehr großen Dampfgehalten sinkt α aufgrund der auftretenden Trockenstellen wieder. Beispiel 5.4: Aufgabe: Die Bodentemperatur einer wassergefüllten Kupferpfanne mit einem Durch-messer von 0,3 m wird von einer elektrischen Heizplatte bei 118 0C konstant gehalten. Berechnen Sie: 1. den Leistungsbedarf der Heizplatte, um das Sieden des Wassers in der

Pfanne aufrecht zu halten; 2. die Verdampfungsrate; 3. die maximale oder kritische Wärmestromdichte. Lösung: (1) Bekannt: Siedetemperatur des Wassers Ts = 1000C.

Page 310: WS Skript 181007

290 5 Kondensation und Verdampfung

(2) Gesucht:

• Leistungsbedarf Q& der elektrischen Heizplatte, um das Sieden auf-recht zu erhalten;

• Verdampfungsrate M& durch das Sieden; • Maximale oder kritische Wärmestromdichte krq& .

(3) Skizze: (4) Annahmen:

• Stationäre Bedingungen. • Auf der Wasseroberfläche herrscht der Umgebungsdruck, 1 bar. • Gleichmäßig verteilte Wassertemperatur. • Pfannenboden aus poliertem Kupfer. • isolierte Pfannenwand.

(5) Stoffwerte: Tabelle 7, gesättigtes Wasser (1000C): ρl = 1/vl = 957.9 kg/m3,

cp,l = 4,217 kJ/kg.K,

µl = 279.10-6 N.s/m2,

Prl = 1.76, ∆hv = 2257 kJ/kg, σ = 58.9.10-3 N/m,

Dampf(1000C): ρg = 1/vg = 0.5955 kg/m3

mit Wasser gefüllteKupferpfanne

Q, elek. Energiezufuhr

oder Wärmeübergang

.

elek. Heizplatte

T =118 Cw 0

T =100 CS 0

isoliert

&M

Page 311: WS Skript 181007

5.2 Verdampfung (Sieden) 291

(6) Analyse: 1.Die Differenz der Siedetemperatur TS und der Temperatur der beheizten Kupferoberfläche TW ist: ∆T = TW - TS = 1180C -1000C = 180C Nach der Siedekennlinie für das ruhende Wasser, Abb. 5.22, Abb. 5.23 tritt Blasensieden auf. Aus Abb. 5.22 lässt sich der Wärmeübergangskoeffizient näherungsweise bestimmen zu α ≈ 18000 W/(m2K) Unter Verwendung der Näherung von Fritz, Gl. (5.57), lässt sich daraus die Wärmestromdichte berechnen zu

224.0

272.01

24.0 m/KW6,321bar195.1

)Km/(W18000p95.1

q =⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅α

=&

Daher ist der Wärmestrom:

Q& =q& ⋅A=q& ⋅(π.D2/4)=3,216.105 W/m2 ⋅ π.(0,3 m)2 /4 = 22,7 kW 2. Unter stationären Bedingungen ohne Verlust wird die gesamte der Pfanne zugeführte Energie zur Verdampfung von Wasser benutzt. So gilt:

vhMQ ∆= && wobei M& die Verdampfungsrate an der freien Wasseroberfläche ist. Es folgt:

h/kg2,36s/kg01,0kg/J102257

W107,22hQM 3

3

v

==⋅⋅

=∆

=&

&

3. Die kritische Wärmestromdichte für ruhendes Blasensieden kann mit der Gleichung (5.61) berechnet werden:

4/1

2g

glgvmax

)(gh149,0q

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

ρρ−ρ⋅⋅σ

ρ⋅∆⋅=&

( )

4/1

2

mkg2

mkg

sm

mN3

mkg

kgJ3

max3

32

3

5955,0

)5955,09,957(8,9109,585955,0102257149,0q

⎥⎥

⎢⎢

⎡ −⋅⋅⋅⋅⋅⋅=

&

q& max=1,26 MW/m2

Page 312: WS Skript 181007

292 5 Kondensation und Verdampfung

(7) Anmerkung: 1. Beachten Sie, dass die kritische Wärmestromdichte q& max = 1.26

MW/m2 die maximale Wärmestromdichte für das Sieden von Wasser unter normalem atmosphärischen Druck darstellt. Der Betrieb des Heizgerätes mit q& = 0.322 MW/m2 liegt daher unterhalb der kritischen Bedingung.

2. Nach Gl. (5.62) ist die minimale Wärmestromdichte am Leidenfrost-punkt q& = 18.9 kW/m2. Laut Abb. 5.23 ist für diese Bedingung ∆T ≈ 1200C.

Page 313: WS Skript 181007

6 Wärmestrahlung Wärmestrahlung ist elektromagnetische Strahlung. Wärmestrahlung ist abhängig von der Wellenlänge, von der Richtung und der Temperatur des strahlenden Körpers. Jeder Körper emittiert Strahlung (Emission) und absorbiert Strahlung (Absorption). Strahlungsgrößen sind also gerichtete, spektrale und temperaturabhängige Größen. Das macht Strahlung schwierig. In der Technik verwendet man im allgemeinen über alle Richtungen und Wellenlängen integrierte Größen. Die Übertragung von Wärme durch Strahlung unterscheidet sich in zwei wichtigen Punkten von der Wärmeübertragung durch Leitung oder Konvektion: 1) Materie wird als Übertragungsmedium der Strahlung nicht benötigt.

Materie zwischen zwei Körpern verringert oder verhindert im allgemeinen die Wärmeübertragung durch Strahlung zwischen den Körpern. Ausgenommen sind nichtabsorbierende Gase.

2) Der übertragene Wärmestrom hängt nicht nur - wie bei der Wärme-

leitung und Konvektion - von der Temperaturdifferenz zwischen den Körpern ab, sondern von den absoluten Temperaturen der Körper.

Strahlung ist bei vielen industriellen Prozessen von Bedeutung, wie Material-gewinnung, Heizen, Kühlen, Trocknen, Verbrennung, Solarenergienutzung. Ferner wird durch die thermische Strahlung (Sonnenstrahlung) die gesamte Energie für das Leben auf der Erde bereitgestellt.

6.1 Grundsätzliches Die Umwandlung von innerer Energie in Strahlung über alle Wellenlängen und den gesamten Halbraum bezeichnet man als Gesamtemission oder einfach als Emission. Das Wort „Gesamt“ wird bei Strahlungsgrößen wie Emission, Einstrahlung oder Bestrahlung weggelassen, wenn keine Verwechslung auftreten kann. Die Emission von thermischer Strahlung entsteht durch die Übergänge von gebundenen Elektronen auf niedrigere Energieniveaus. Durch diese sogenannten Quantensprünge wird Energie in

Page 314: WS Skript 181007

294 6 Wärmestrahlung

Form von Photonen freigesetzt, bzw. elektromagnetische Strahlung. Je mehr innere Energie die Materie besitzt (je höher die Temperatur ist) desto wahr-scheinlicher und häufiger sind Quantensprünge. Den umgekehrten Vorgang, die Umwandlung von Strahlung in innere Energie bezeichnet man als Gesamtabsorption oder einfach Absorption. Dabei springen Elektronen auf energiereichere Niveaus. Elektromagnetische Strahlung breitet sich im Vakuum mit Licht-geschwindigkeit aus; sie besitzt Wellen- und Teilcheneigenschaften (Doppel-spaltversuch!). Die Wellenlänge λ kann je nach Art der Strahlung 10-6 bis 106 µm betragen. Der Bereich zwischen 10-1 µm ≤ λ ≤ 102 µm wird als Wärme-strahlung oder thermische Strahlung bezeichnet. Die optischen Eigen-schaften der Wärmestrahlung sind im wesentlichen die des sichtbaren Lichtes.

Blue, green Yellow Red

Wellenlänge λ [µm], Lichtgeschwindigkeit c = 2.998·108 m/s Frequenz ν = c/λ Abb. 6.1: Elektromagnetisches Strahlungsspektrum Bei technischen Problemen tritt meist thermische Strahlung auf. Bei vielen Prozessen ist sie nicht zu vernachlässigen. Dies gilt immer dann, wenn die zugrundeliegenden Prozesse bei hohen Temperaturen ablaufen (z.B. Verbrennungsprozesse).

Page 315: WS Skript 181007

6.1 Grundsätzliches 295

Für den auf eine Fläche pro Flächeneinheit aus dem Halbraum über alle Wellenlängen auftreffenden Strahlungsenergiestrom H [W/m2] gilt die Strahlungsbilanz (Abb. 6.2). Strahlung wird durch Materie reflektiert, absorbiert und transmittiert (durchgelassen):

H = ρ H + α H +τ H 1 = ρ + α + τ

(6.1)

einfallendeStrahlungpro Flächenelement

diffusreflektierte Strahlung

absorbierte Strahlung

durchgelassene Strahlung

H

ρ

τ

α

H

H

HH

HH τ

α

ρ H

spiegelndreflektierteStrahlung

Abb. 6.2: Zur Wechselwirkung einfallender Strahlung mit einem Körper

Page 316: WS Skript 181007

296 6 Wärmestrahlung

Dabei bedeuten:

ρ Bruchteil der auftreffenden Strahlung die reflektiert wird, Reflexionsverhältnis, -grad, -zahl, α Bruchteil der auftreffenden Strahlung die absorbiert wird, Absorptionsverhältnis, -grad, -zahl, τ Bruchteil der auftreffenden Strahlung die durchgelassen wird, Durchlass- oder Transmissionsverhältnis, -grad, -zahl.

Die globalen Größen ρ, α, und τ hängen nicht nur von dem Stoff ab (Material-größen), der reflektiert, absorbiert und transmittiert, sondern auch von der Bestrahlung (Einstrahlung). Die gerichteten, spektralen Größen αλ’(λ, T, β, ϕ), ρλ’(λ, T, β, ϕ) und ελ’(λ, T, β, ϕ) sind dagegen reine Material- oder Stoffeigenschaften. Reflexion tritt an der Oberfläche auf. Die Oberfläche wird spiegelnd genannt, wenn die einfallende Strahlung unter dem gleichen Winkel zur Flächen-normalen reflektiert wird. Die Oberfläche wird diffus genannt, wenn sie die einfallende Strahlung in alle Richtungen entsprechend dem Kosinus des Polarwinkels β reflektiert (siehe Abb. 6.5). Reale Oberflächen können oft durch eine der beiden Reflektionsarten angenähert werden. Wärmestrahlung wird von vielen Festkörpern in einer endlich dicken Schicht absorbiert. Je dünner diese Schicht ist, um so größer ist die Absorptions-fähigkeit des Stoffes. Bei elektrischen Leitern beträgt die Schichtdicke s ∼ 1 µm, bei Nichtleitern ist s ∼ 1 mm. Ist die Körperdicke größer als die absorbierende Schichtdicke, so ist der Körper undurchlässig gegenüber thermischer Strahlung. Solche Körper werden opaque genannt (τ = 0). Strahlung anderer Wellenlängen (Radiowellen, kosmische Strahlung) kann mühelos durch viele Festkörper durchtreten. Mikrowellen werden aufgrund ihrer größeren Eindringtiefe zum nahezu gleichmäßigen Erwärmen von Speisen in Mikrowellenöfen eingesetzt.

Page 317: WS Skript 181007

6.1 Grundsätzliches 297

Man teilt Körper nach ihrem Reflexions- und Absorptionsverhalten ein: α = 1: schwarze Körper - alle einfallende Strahlung wird

absorbiert ρ = 1: weiße Körper - alle einfallende Strahlung wird reflektiert α < 1 = konst.: graue Körper - die Absorption ist unvollständig,

aber unabhängig von der Wellenlänge

α(λ) < 1 : farbige Körper - die Absorption ist wellenlängen- abhängig (realer Körper) Alle wirklichen Körper sind farbig. In bestimmten Wellenlängenbereichen können jedoch viele Körper als grau angesehen werden, das heißt, sowohl die Emission, als auch die Absorption sind unabhängig von der Wellenlänge. Der schwarze Körper ist eine wichtige Idealisierung. Er hat die Eigenschaft, die gesamte auftreffende Strahlung zu absorbieren und zu emittieren. Ein schwarzer Körper oder Strahler kann durch einen Hohlraum mit kleiner Öffnung realisiert werden (Abb. 6.3). Einfallende Strahlung wird dann sehr, sehr oft reflektiert. Bevor sie wieder austreten kann, ist sie durch Mehrfach-reflexion praktisch vollständig absorbiert. Die Qualität der Annäherung hängt von der Größe des Spaltes und des Hohlraumes ab.

α = 0,9

1

-1

-2

-3

-4

-5

-6

10

10

1010

10

10

Abb. 6.3: Hohlraum = angenäherter schwarzer Körper

Page 318: WS Skript 181007

298 6 Wärmestrahlung

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grund-begriffe

6.2.1 Koordinatensystem und Abhängigkeiten Die von einer Oberfläche ausgehende Strahlung wird in alle Richtungen emittiert (Abb. 6.4). Alle Strahlungsvorgänge sind im Allgemeinen richtungs-, wellenlängen- und temperaturabhängig.

Abb. 6.4: Von einem Flächenelement ausgesandte Strahlung Aus der Richtungsverteilung der emittierten Strahlung muss die gesamte emittierte Strahlung eines Flächenelements dA berechnet werden. Die Definition des Koordinatensystems ist der Abb. 6.5 und Abb. 6.6 zu entnehmen.

Page 319: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 299

x

y

z

r, , β ϕ

β

ϕ

r

Abb. 6.5: Definition des Kugelkoordinatensystems

cos β dA

d ϕ

dω = dA n/r2 r sin

r

β

β d

ϕ

β

A

βd A

Abb. 6.6: Winkel und Flächenbezeichnungen in der Einheitskugel

Page 320: WS Skript 181007

300 6 Wärmestrahlung

Das Flächenelement dω der Einheitskugel kann über die Winkel β und ϕ beschrieben werden (siehe Abb. 6.6):

dω = sin β · dβ · dϕ (6.2)

6.2.2 Gerichtete, spektrale Strahlungsintensität 'Iλ Die gerichtete, spektrale Strahlungsintensität Iλ’ ist definiert als der vom Flächenelement dA ausgehende Strahlungsstrom d3Φ’ pro Wellenlängen-einheit dλ in Richtung β, φ in das Raumwinkelelement dω bezogen auf das projizierte Flächenelement dAP = cos β dA. Der Strahlungsstrom d3Φ’, der in den Halbraum emittiert wird, besitzt die Einheit Watt [W]. Die Strahlungsintensität pro Wellenlängeneinheit Iλ’ besitzt die Einheit [W/m3]. Die gerichteten Größen werden im folgenden mit einem oberen Index (‘) gekennzeichnet, während der untere Index (λ) auf eine auf die Wellenlänge bezogene Größe hinweist.

⎥⎦⎤

⎢⎣⎡

βωλΦ

=λ 3

3

mW

dAcosddd'I (6.3)

Für diffuse Strahler ist Iλ’ unabhängig von ω.

Page 321: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 301

Beispiel 6.1 Von der Fläche A1 = 10-3 m2 wird diffus Strahlung emittiert. Aus Messungen ist bekannt, dass die gerichtete Strahlungsintensität in normaler Richtung In = 7000 W/(m2rad) beträgt. Ein Teil der von der Fläche A1 emittierten Strahlung trifft auf die drei 0,5m entfernten Flächen A2 = A3 = A4 = 10-3m2, die wie in der Skizze dargestellt angeordnet sind. Skizze

A

A

A

A

60 45 o o

1

2

3

4

0,5m

0,5m

0,5m

a) Wie groß ist die gerichtete Strahlungsintensität I2,3,4 von A1 auf die

Flächen A2, A3 und A4? b) Wie groß sind die Raumwinkel, unter denen die drei Flächen von der

Fläche A1 bestrahlt werden? c) Wie groß ist der Strahlungswärmestrom, den die Flächen A2, A3 und A4

von der Fläche A1 erhalten? Gegeben: Diffus emittierte Intensität normal zur Fläche A1 und Positionsangabe dreier weiterer Flächen in Bezug zur Fläche A1 in Form der Neigung der Flächen-normalen zum Radius der Einheitskugel. δ2=30° δ3=0° δ4=0° In = 7000 W/(m2rad) A1 = A2 = A3 = A4 = 10-3m2

Page 322: WS Skript 181007

302 6 Wärmestrahlung

Gesucht: a) Gerichtete Strahlungsintensität I2, I3, I4 der Fläche A1 in Richtung der

übrigen drei Flächen. b) Raumwinkel ω2, ω3, ω4, unter denen die drei Flächen von der Fläche A1

bestrahlt werden. c) Strahlungswärmeströme Φ1, Φ2, Φ3, den die Flächen A2, A3, und A4 von der

Fläche A1 erhalten. Annahmen: 1. Die Fläche A1 emittiert diffus ⇒ A1 = diffuser Strahler 2. Die Flächen A2 - A4 sind klein gegenüber der Kugelfläche im Abstand r

Page 323: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 303

Skizze:

δ = 30 2 o

I = 7000 W/(m rad)

A

A

A

A

r = 0,5m

r = 0,5m

r = 0,5m

1

2

3

4 n 2

2

3

4 β = 60

β = 45

1

4

o

o

A

A = A cos

ω

2

2n 2 δ 2

δ 2

2

n

= 30 o

Lösung: a) Nach Gl. (6.3) ist die Strahlungsintensität gleich dem Strahlungsfluss (Energiestromdichte) pro Raumwinkelelement senkrecht zum emittierenden Flächenelement cosβ dω, das die Strahlung emittiert. Für diffuse Strahler ist die Strahlungsintensität jedoch konstant, so dass mit Annahme (1) gilt

Page 324: WS Skript 181007

304 6 Wärmestrahlung

I2 = I3 = I4 = 7000 W/(m2rad) für alle drei Richtungen. b)

Mit Annahme (2) gilt: 2n

rdAd =ω

hierbei ist dAn die in normal zur Einstrahlrichtung projizierte Fläche. Für die Fläche A2 gilt demnach (siehe auch Skizze):

°⋅= 30cosAA 2n2 Die Flächen A3 und A4 sind mit der normal zur Einstrahlung projizierten Fläche identisch. Für die einzelnen Raumwinkel gilt nach obiger Beziehung:

rad1046,3rcosA 3

222

2−⋅=

δ⋅=ω

rad104rA

rA 3

24

23

43−⋅===ω=ω

d) Mit Gl. (6.3) entsprechend Teil (1) gilt:

ii1

i2

i dcosdAdI

ω⋅βΦ

=

⇒ ii1ii cosAI ω⋅β⋅⋅=Φ

Page 325: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 305

Damit ergibt sich für die einzelnen Teilflächen:

W101,12rad1046,360cosm10radm

W7000 33o2322

−−− ⋅=⋅⋅⋅⋅=Φ

W1028rad1040cosm10radm

W7000 33o2323

−−− ⋅=⋅⋅⋅⋅=Φ

W108,19rad10445cosm10radm

W7000 33o2324

−−− ⋅=⋅⋅⋅⋅=Φ

6.2.3 Gerichtete, spektrale Emission 'Eλ Den pro Flächenelement dA und Wellenlängeneinheit emittierten gerichteten Strahlungsstrom nennt man gerichtete, spektrale Emission Eλ’.

⎥⎦⎤

⎢⎣⎡β⋅=

Φ= λ

λλ 3

'

mWcosI

dA'd'E (6.4)

Die gerichtete, spektrale Emission Eλ’ hat die gleiche Dimension wie die gerichtete spektrale Strahlungsintensität Iλ’ und ist ebenfalls eine Funktion der Temperatur, der Wellenlänge und des Raumwinkels (siehe 6.2.1) Sie ist eine Material- oder Stoffeigenschaft des betrachteten Körpers. Die Raumwinkel-, Wellenlängen- und Temperaturabhängigkeit von verschiedenen Körpern ist unterschiedlich., z.B. absorbiert und emittiert Glas im sichtbaren Bereich 0.4 µm < λ < 0.8 µm nur geringfügig und ab dem infraroten sehr stark.

Eλ’ = f(λ,T,β,ϕ) (6.5) Die Emission E eines Oberflächenelementes ist abhängig von dem Raum-winkel, der Wellenlänge und der Temperatur, so dass die temperatur-abhängige Gesamtemission E(T) durch Integration über den Halbraum und die Wellenlänge ermittelt werden muss. Je nach Reihenfolge der Integration ergeben sich insgesamt vier Strahlungs-größen (siehe auch Tab. 6.1):

Page 326: WS Skript 181007

306 6 Wärmestrahlung

1. Die spektrale gerichtete Emission Eλ’(λ,T,β,ϕ) beschreibt die Verteilung des ausgesandten Strahlungsflusses auf das Spektrum der Wellenlängen und die Raumwinkel des Halbraumes (gerichtete spektrale Größe)

2. Die gerichtete Emission E’(T,β,ϕ) beschreibt die Richtungsabhängigkeit

(Verteilung auf die Raumwinkel des Halbraumes) der bei allen Wellen-längen ausgestrahlten Energie (gerichtete Gesamtgröße)

Spektrale gerichtete Emission und gerichtete Emission sind über folgenden integralen Zusammenhang miteinander verbunden:

λϕβλ=ϕβ ∫∞

λ d),T,,('E),,T('E0

(6.6)

3. Die spektrale Emission Eλ(λ,T) in den Halbraum ergibt sich durch

Integration der spektralen gerichteten Emission Eλ’(λ,T,β,ϕ) über den gesamten Halbraum ω.

ϕβββϕβλ=ωϕβλ=λ ∫∫∫

π

=βλ

π

=ϕλλ ddcossin),,T,('Id),,T,('E)T,(E

2

0

2

0 (6.7)

4. Die spezifische Emission E(T) fasst den bei allen Wellenlängen und in

den ganzen Halbraum ausgesandten Strahlungsfluss zusammen (hemisphärische Gesamtgröße).

Spektrale Emission und spezifische Emission sind über folgenden

integralen Zusammenhang miteinander verbunden:

λλ= ∫∞

λ dT),(E)T(E0

(6.8)

Page 327: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 307

Nach Integration von (6.7) ergibt sich für diffus strahlende Oberflächen (da Iλ keine Funktion von β und ϕ ist):

Eλ(λ,T) = π · Iλ(λ,T) (6.9) Für diffuse und auch schwarze und graue Körper ist die Strahlungsintensität Iλ’ = f(T) und nicht abhängig von den Raumwinkeln β und ϕ. Sie werden in Anlehnung an das Lambertsche Cosinusgesetz auch Lambertsche Körper genannt. Hieraus ergibt sich, dass die Strahlintensität I’(T,β,ϕ) nur geometrisch abhängig von der Strahldichte E(T) ist, da die projizierte Fläche sich proportional zum Kosinus des Raumwinkels β verhält:

β=β cos)T(I),T(E' (Lambertsches Cosinusgesetz) (6.10)

Bezeichnung Schreibweise Abhängigkeit Herleitung

gerichtet, spektral Xλ’ f(λ,T,β,ϕ) -

gerichtet X’ f(T,β,ϕ) λ∫∞

λ d'X0

spektral Xλ f(λ,T) ω∫ λ d'X

spezifisch X f(T) λω∫∫ λ

dd'X0

Tab. 6.1: Zusammenstellung der Abhängigkeiten der verschiedenen

abgeleiteten Strahlungsgrößen (X = E, I, Φ)

Page 328: WS Skript 181007

308 6 Wärmestrahlung

Beispiel 6.2 zu Abschnitt 6.2.3: Berechnung der Emission E(T) aus der spektralen Emission Eλ(λ,T) Die spektrale Verteilung der Emission einer Oberfläche bei einer gegebenen Temperatur ist wie folgt:

Frage: Wie groß ist die spezifische Emission E(T)? Gegeben: spektrale Verteilung der Emission einer Oberfläche Gesucht: spezifische Emission E(T) Lösung: Die gesamte spezifische Emission lässt sich aus folgender Gleichung bestimmen:

nach Gleichung (6.8): λ∫∞

λ= λ d0

)T,(E)T(E

Die Integration der spektralen Emission lässt sich durch abschnittsweise Integration über λ durchführen:

Page 329: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 309

∫∞

µλλ+∫

µ

µλλ+

∫µ

µλλ∫

µ+λλ=⇒

λλ

λλ

m25d)T,(E

m25

m20d)T,(E

m20

m5d)T,(E

m5

0d)T,(E)T(E

Mit der gegebenen Verteilung folgt:

2m

W20000)T(E

0m)2025(m2m

W100021

m)520(m2m

W1000m)05(m2m

W100021)T(E

=

+µ−⋅µ⋅

⋅+

µ−⋅µ⋅

+µ−⋅µ⋅

⋅=

Kommentar: Allgemein erzeugen Strahlungsquellen keine so regelmäßige spektrale Emission. Die Berechnungsprozedur zur Bestimmung der gesamten spezifischen Emission bei bekannter spektraler Verteilung ist aber prinzipiell die Gleiche.

6.2.4 Emissionsverhältnis 'λε Das Emissionsverhältnis ε ist definiert als das Verhältnis der Emission des realen betrachteten Körpers zu der Emission des idealen schwarzen Körpers. Das Emissionsverhältnis stellt die Beziehung zwischen der Emission des betrachteten Körpers und der des schwarzen Körpers her. Der Emissions-grad ist eine Funktion von Wellenlänge, Temperaturniveau und der Richtung, da dies für die Emission ebenfalls gilt (Eλ’ = f(λ,T,β,ϕ)). Zur Berechnung des Energieverlustes eines Körpers wird die Emission in alle Richtungen benötigt, deshalb benutzt man für solche Berechnungen einen über alle Richtungen und Wellenlängen integrierten Emissionsgrad. Ist der

Page 330: WS Skript 181007

310 6 Wärmestrahlung

spektrale Emissionsgrad unabhängig von der Wellenlänge, handelt es sich um einen grauen Körper. Gerichteter spektraler Emissionsgrad

Körpers schwarzen des EmissionKörpers enbetrachtet des Emission

)T,(E),,T,('E),,T,('

s

ϕβλ=ϕβλε

λ

λλ (6.11)

ελ’(λ,T,β,ϕ) beschreibt Richtungs- und Wellenlängenverteilung des emittierten Strahlungsflusses durch das Verhältnis der spektralen gerichteten Emission von betrachtetem Körper und der Schwarzkörperemission. Spektraler Emissionsgrad

)T,(E)T,(E)T,(

s λλ

=λελ

λλ und ∫

ωλλ ωβ⋅ϕβλε

π=λε dcos),,T,('1)T,( (6.12)

ελ(λ,T) beschreibt die Wellenlängenverteilung des in den Halbraum emittierten Strahlungsflusses durch das Verhältnis der spektralen spezifischen Emission Eλ von betrachtetem und schwarzem Körper. Gerichteter Gesamtemissionsgrad

),,T('ET)T(E

),,T('E),,T(' 4s

ϕβ⋅σ

π=

ϕβ=ϕβε und

λλ⋅ϕβλε=ϕβε λ

λ∫ d)T,(E),,T,(')T(E

1),,T(' s0s

(6.13)

ε’(T,Ψ,Φ) beschreibt die Richtungsverteilung des emittierten Strahlungs-flusses aller Wellenlängen durch das Verhältnis der gerichteten Emission von betrachtetem Körper und der Schwarzkörperemission.

Page 331: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 311

Gesamtemissionsgrad

4s T

)T(E)T(E)T(E)T(

σ==ε und ∫

λλ λλ⋅λε=ε0

ss

d)T,(E)T,()T(E

1)T( (6.14)

ε(T) beschreibt das Verhältnis der spezifischen Emission E von betrachtetem und schwarzem Körper. Die zuvor aufgeführten Beziehungen für Emissionsgrade ((6.10) - (6.14)) lassen sich alle in gleicher Form auch für Absorptionsgrade ableiten. Der gerichtete spektrale Absorptionsgrad αλ’ ist ein Stoffwert und gibt für jede Wellenlänge λ, jede Temperatur T und für jede Richtung ϕ, β den absorbierten Teil des auftreffenden Strahlungsflusses (Index b) d3Φb an, der aus einem Raumwinkelelement dω in Richtung der Winkel β und ϕ auf das Flächenelement dA trifft und nur die Strahlung in einem Wellenlängenintervall dλ enthält. Der einfallende Strahlungsfluss wird von den Strahlungseigen-schaften der Quelle bestimmt.

6.2.5 Plancksches Strahlungsgesetz des schwarzen Körpers Max Planck hat die Intensitätsverteilung pro Wellenlängeneinheit des schwarzen Körpers experimentell bestimmt, wobei seine dazu durchgeführten Untersuchungen und Hypothesen schließlich zur Grundlage der Quanten-theorie wurden.

( ) ⎥⎦⎤

⎢⎣⎡

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡−⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛

λλ

=λλ 35

2

s mW

1Tk

chexp

hc2T,I

mit: h = 6,6256 · 10-34 Js Plancksches Wirkungsquantum c = 2,99793 · 108 m/s Lichtgeschwindigkeit im Vakuum k = 1,38054 · 10-23 J/K Boltzmann - Konstante 2hc2 = C1 = 1,19 · 10-16 Wm2 ch/k = C2 = 1,438 · 10-2 mK

(6.15)

Page 332: WS Skript 181007

312 6 Wärmestrahlung

Da der schwarze Strahler ein diffuser Strahler ist, folgt mit (6.9)

( ) ( )⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡−⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛

λλ

π=λπ=λ λλ

1T

Cexp

CT,IT,E25

1ss

(6.16)

Daraus ergibt sich die in Abb. 6.7 gezeigte Abhängigkeit von Emission des schwarzen Körpers, Wellenlänge und Temperatur.

Eλs

Abb. 6.7: Strahlungsintensität pro Wellenlängeneinheit des schwarzen Körpers in logarithmischer Auftragung

Page 333: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 313

Auffallend ist: 1) Die spektrale, spezifische Emission Eλs ändert sich stetig mit der

Wellenlänge. 2) Für jede Wellenlänge nimmt die Emission mit zunehmender Temperatur

zu. 3) Die spektralen Wellenlängenbereiche, in dem die höchsten Strahlungs-

intensitäten auftreten, hängen von der Temperatur des schwarzen Strahlers ab. Mit zunehmender Temperatur wird mehr und mehr Strahlung in kleineren Wellenlängen konzentriert.

Die Strahlungsintensitätsverteilung des Schwarzkörpers ist auch für technische und biologische Systeme von Bedeutung. Einige Beispiele dafür sind: Die Sonne, deren Temperatur einer Schwarzkörpertemperatur von etwa 5800 K entspricht, strahlt vor allem im sichtbaren Bereich. Dabei fällt der Wellenlängenbereich höchster Strahlungsintensität mit dem der Empfindlichkeit des menschlichen Auges zusammen. Dies gilt nicht für alle Lebewesen, so sehen z.B. Bienen im ultravioletten Bereich und Schildkröten überwiegend im infraroten. Für Glühfäden in Lampen muss eine möglichst hohe Temperatur erreicht werden, damit der Großteil der Strahlung im sichtbaren Bereich freigesetzt wird. Jedoch arbeiten die meisten Wolframfäden bei einer Temperatur von ungefähr 3000 K, wobei die meiste elektrische Energie in nicht sichtbarer Infrarotstrahlung umgesetzt wird. Grund dafür ist die mit der Temperatur steigende Abdampfrate, welche die Lebensdauer der Fäden beschränkt. Es gibt zur Zeit keine Materialien die bei 5800K nicht geschmolzen werden. Ab 798 K erscheint dem menschlichen Auge ein erwärmtes Objekt in ab-gedunkelter Umgebung dunkelrot. Dagegen ist Strahlung bei einer Temperatur T < 800 K für das Auge nicht sichtbar, da die Emission vor-wiegend im Infraroten liegt.

6.2.6 Bandenstrahlung Einige Stoffe, wie z.B. Gase, emittieren und absorbieren nur in bestimmten Wellenlängenbereichen. Für diese Wellenlängenbereiche, auch Banden genannt, kann bei gegebener Temperatur T und bekanntem Wellenlängen-bereich das Verhältnis von Bandenemission und Schwarzkörperemission bestimmt werden.

Page 334: WS Skript 181007

314 6 Wärmestrahlung

Dafür wird zunächst die Schwarzkörperemission über das Spektralband 0 - λ integriert (Abb. 6.8).

0

λEs,

λ

λλ

Abb. 6.8: Emission des schwarzen Körpers der Temperatur T in das Spektralband 0-λ Danach kann das Verhältnis von Bandenemission zu Gesamtemission gebildet werden:

∫∫

∫ λλ

λ

λ

λ

λ

λ

λ− λ=λσ

λ=

λ

λ=

T

05s

40

s

0s

0s

0 )T(f)T(dT

ET

dE

dE

dEF (6.17)

Da 5s

TEσ

λ nun Funktion von λT ist, siehe (6.15), kann (6.17) als Funktion von

λT ausgewertet werden. Das Ergebnis zeigt Abb. 6.9.

Page 335: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 315

Abb. 6.9: Verhältnis von Bandenemission zu Gesamtemission F im Spektralband 0-λ als Funktion von λT Mit der Funktion F0-λ(λ) kann die Bandenstrahlung zwischen zwei beliebigen Wellenlängen λ1 und λ2 berechnet werden.

12

12

21 0040

s0

s

FFT

dEdEF λ−λ−

λ

λ

λ

λ

λ−λ −=σ

λ−λ=

∫∫

(6.18)

6.2.7 Wiensches Verschiebungsgesetz Abb. 6.7 zeigt, dass sich das Maximum der Intensität mit zunehmender Temperatur zu kürzeren Wellenlängen verschiebt. Analytisch kann die Abhängigkeit durch Differenzieren der Planckschen Intensitätsverteilung (6.15) hergeleitet werden. Somit ergibt sich für die Maxima der Intensität folgende Bedingung:

( ) 0T,E s =λ∂λ∂

λ (6.19)

Die sich daraus ergebende Gleichung kann nach dem Produkt von Temperatur und Wellenlänge aufgelöst werden.

Page 336: WS Skript 181007

316 6 Wärmestrahlung

( ) [ ]mK2900Tmax,sE µ=⋅λ

λ (6.20)

Das ist eine Form des Wienschen Verschiebungsgesetzes. Es zeigt, dass sich das Maximum der Emission mit zunehmender Temperatur zu kürzeren Wellenlängen verschiebt.

6.2.8 Stefan - Boltzmann Gesetz Integration von (6.16) über λ liefert mit der Beziehung Es(T) = π Is(T)

( ) ( ) ( )4

0 2

51

ss Td1T/Cexp

/CTITE ⋅σ=λ−λ

λπ=π= ∫

mit

⎥⎦⎤

⎢⎣⎡⋅=

π=σ −

428

32

45

KmW1067,5

hc15k2

(6.21)

Das ist das Stefan - Boltzmann Gesetz. Es ist die allgemeine Transport-gleichung für die Strahlung eines schwarzen Körpers. In technischen Hand-büchern findet man oft folgende Schreibweise:

( ) 42s2

4

s4

s KmW67,5C

mW

100TCTTE =⎥⎦

⎤⎢⎣⎡

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛=σ= (6.22)

Boltzmann hat diese Beziehung aus der Thermodynamik mit Hilfe des zweiten Hauptsatzes abgeleitet. Stefan hatte sie experimentell 5 Jahre vorher gefunden. Stefan war der Lehrer von Boltzmann.

Page 337: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 317

Beispiel 6.3 zu den Abschnitten 6.2.5 - 6.2.8: Aufgabe Gegeben sei eine große, isotherme Einschließung, welche auf einer gleichmäßigen Temperatur von 2000 K gehalten wird.

a) Berechnen Sie die Emission E(T), die aus einer kleinen Öffnung in der

Einschließung tritt. b) Wie groß ist die Wellenlänge λ1, wenn 10% der emittierten Strahlung

durch das Wellenlängenband kleiner λ1 erzeugt wird ? c) Wie groß ist die Wellenlänge λ2, wenn 10% der emittierten Strahlung

durch das Wellenlängenband größer λ2 erzeugt wird ? d) Bestimmen Sie das Maximum der spektralen Emission Eλs und die

Wellenlänge λmax bei der sie auftritt ! e) Wie groß ist die gesamte Bestrahlungsstärke auf ein innerhalb der

Einschließung befindliches kleines Objekt ? Gegeben: T = 2000 K h = 6,6256 ⋅ 10-34 Js [Planck-Konstante] c = 2,99793 ⋅ 108 m/s [Lichtgeschwindigkeit] k = 1,38054 ⋅ 10-23 J/K [Boltzmann - Konstante] σ = 5,67051 ⋅ 10-8 W/(m²K4) [Stefan – Boltzmann - Konstante] Gesucht: a) spez. Emission ES(T) b) Wellenlänge λ1 c) Wellenlänge λ2

d) Max. der spektralen Emission Eλ, zugeh. Wellenlänge λmax e) gesamte Bestrahlungsstärke E

Page 338: WS Skript 181007

318 6 Wärmestrahlung

Annahmen: Die Öffnung und die Fläche des Objekts sind klein gegenüber der Fläche der Einschließung. Lösung: a) Die Emission aus einer Öffnung einer isothermen Einschließung hat die Charakteristik eines Schwarzkörperstrahlers. Daher folgt aus Gleichung (6.22):

2m

W510072,9)K2000(E

4

100K2000

4K2m

W67,5)K2000(E

4

100TC4T)T(E)T(E

s

s

ss

⋅=⇒

⎟⎟

⎜⎜

⎛⋅

⋅=⇒

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛⋅=⋅σ==

b) Die Wellenlänge λ1 stellt die obere Grenze des spektralen Bandes dar, dessen Emission 10% der Gesamtemission darstellt: 1,0F

10 =λ− Aus Gleichung (6.17) folgt:

)T(dT

0 5T

E4T

0dE

0dE

0dE

F1

s

1

s

s

1

s

0 1λ∫

⋅λ

⋅σ=

⋅σ

∫λ

λ

=

∫∞

λ

∫λ

λ

= λ

λ

λ

λ

λ−

Page 339: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 319

aus Abb. 6.9 mit 10F λ− folgt:

m1,1

310K2000

Km2,2

Km2,2310T

1

1

1

µ=λ⇒

−⋅

⋅µ=λ⇒

⋅µ=−⋅⋅λ

Bemerkung:

Der Integrand 5TE s

⋅σλ ist eine Funktion des Produktes aus Wellenlänge

und Temperatur ! c) Die Wellenlänge λ2 stellt die untere Grenze des spektralen Bandes (λ2 → ∞) dar, dessen Emission 10% der Gesamtemission darstellt:

9,0F

1,0F1F

1,0F

2

22

2

0

0

=⇒

=−=

=

λ−

λ−∞−λ

∞−λ

Analog zu

10F λ− , Aufgabenteil b), lässt sich 10F λ− , bzw. λ2 bestimmen:

m69,42 µ=λ

Page 340: WS Skript 181007

320 6 Wärmestrahlung

d) Die Wellenlänge λmax, bei der die maximale Emission auftritt, lässt sich mittels des Wien’schen Verschiebungsgesetzes ermitteln. Aus Gleichung (6.20) folgt:

( )

m45,1

K2000

mK2900

mK2900T

max

max

max.sM

µ=λ⇒

µ⋅=λ⇒

µ⋅=⋅λ λ

Die Intensität pro Wellenlängeneinheit des schwarzen Körpers lässt sich nach Gleichung (6.15) berechnen:

³mW5103,1

1K2000m61045,1

KJ231038054,1

Js34106256,6sm81099793,2

exp5m5)61045,1(

²s²m281099793,2Js34106256,62

)K2000,m61045,1(I

1Tk

hcexp5

2ch2)T,(I

s

s

⋅=

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

−⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

⋅−⋅⋅−⋅

−⋅⋅⋅⋅−⋅

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ ⋅⋅−⋅⋅

=

⋅⇒

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡−⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛

⋅λ⋅⋅

⋅λ

⋅⋅=λ

λ

λ

Page 341: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 321

Handelt es sich bei dem schwarzen Strahler um eine diffuse Strahlungsquelle folgt aus Gleichung (6.16):

3λsλs mW5104,1T)(λλIπT)(λλE ⋅=⋅=

e) Die Bestrahlung eines kleinen Objektes innerhalb einer Einschließung kann näherungsweise der Emission eines schwarzen Körpers mit der Temperatur der einschließenden Wände gleichgesetzt werden. Aus dem Stefan - Boltzmann Gesetz (Gl. (6.22)) folgt:

²mW510072,9E

4

100TC4TE

)T(EE

s

s

⋅=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛⋅=⋅σ=

=

6.2.9 Kirchhoffsches Gesetz (1878) Kirchhoff hat eine Beziehung zwischen ελ’(λ,T,β,ϕ) und αλ’(λ,T,β,ϕ) bewiesen. Es besagt: Ein beliebiger Körper mit der Temperatur T emittiert in jedes Raumwinkel-element dω und in jedem Wellenlängenintervall dλ soviel Strahlungsleistung, wie er dort von der Strahlung eines schwarzen Körpers der gleichen Temperatur erhält. Mit Gleichung (6.6) folgt dann im thermodynamischen Gleichgewicht:

ελ’(λ,T,β,ϕ) = αλ’(λ,T,β,ϕ) Kirchhoffsches Gesetz (6.23)

Page 342: WS Skript 181007

322 6 Wärmestrahlung

Für einen grauen und diffusen Strahler gilt sogar im thermodynamischen Nichtgleichgewicht exakt:

ε = α (6.23a)

Ferner folgt aus (6.23), dass der schwarze Körper mit α = 1 der Strahler mit der größten Emission ist. Beweis des Kirchhoffschen Gesetzes nach der Netto-Strahlungsmethode (Abschnitt 6.3.3):

I d e a l e r S p i e g e l ρ =1

b e l i e b i g e r K ö r p erτ = 0

1 − α = ρ 0 < α < 1

I dealer Spiegelρ = 1

S c h w a r z e r K ö r p e r τ s = 0 α s = 1 q

ab

q zu = E s Q

Abb. 6.10: Adiabates System zum Beweis des Kirchhoffschen Gesetzes Im thermodynamischen Gleichgewicht muss für das System der Abb. 6.10 aufgrund der Erhaltung der Energie Q = 0 gelten.

( )( ) SabSzu

abzuabzubelbel

Eα-1Eq und Eqqq 0qqAQ

⋅+==

=⇒=−⋅=&&

&&&&&

⇒ Es = E + Es - α Es = ε Es + Es - α Es ⇒ α = ε Für den beliebigen Körper gilt E = ε · Es da Ts = T. Damit gilt für jede Temperatur T und für jede Wellenlänge λ: ε (λ,T) = α (λ,T) Dieser Beweis lässt sich auch für die gerichteten, spektralen Absorptions-koeffizienten durchführen.

Page 343: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 323

6.2.10 Emission realer Körper Abb. 6.11 zeigt den Vergleich der spezifischen Emissionen von schwarzen und realen Körpern über der Wellenlänge; Abb. 6.12 vergleicht das Verhältnis von Gesamtemissionsgrad ε zum Emissionsgrad ε’n in Richtung der Flächen-normalen einiger Leiter und Nichtleiter; Abb. 6.13 und Abb. 6.14 zeigen die Richtungsverteilung von ε’ für einige ausgewählte Leiter und Nichtleiter. Die Tab. 6.2 zeigt am Beispiel verschiedener Stoffe die Gesamtemission ε und die Emission ε’n in Richtung der Flächennormalen. Vorwiegend wurden nur ε’n-Werte gemessen. Eine Umrechung ist mit Abb. 6.11 näherungsweise möglich.

Eλs(T)

Eλ(T)

E(T)

Abb. 6.11: Vergleich der spezifischen Ausstrahlung eines schwarzen und eines realen (farbigen) Körpers über der Wellenlänge

ε ε ’n

ε ’ n Abb. 6.12: Verhältnis von Gesamtemissionsgrad ε zum Emissionsgrad ε’n in

Richtung der Flächennormalen einiger Leiter und Nichtleiter

Page 344: WS Skript 181007

324 6 Wärmestrahlung

ε’ ε’

Abb. 6.13: Richtungsverteilung der Wärmestrahlung einiger Nichtleiter: a feuchtes Eis, b Holz, c Glas, d Papier, e Ton, f Kupferoxid, g rauer Korund

ε’ ε’ Abb. 6.14: Richtungsverteilung der Wärmestrahlung einiger Metall

Page 345: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 325

Oberfläche T K ε , n ∈ Oberfläche T

K ε , n ∈

1. Metalle Aluminium, walzblank - , hochglanzpoliert

- , poliert - , vorpliert - , oxidiert bei 872 K - , stark oxidiert

Aluminiumoxid Blei, grau oxidiert - , nicht oxidiert - , oxidiert bei 422 K Bronze, 4 bis 7 % Al, - , poliert - , oxidiert Chrom, poliert Cobalt, poliert - , oxidiert Gold, hochglanzpoliert Kupfer, poliert - , leicht angelaufen - , schwarz oxidiert - , oxidiert - , geschabt Inconel, gewalzt - , sandgestrahlt

Eisen und Stahl, hoch- glanzpoliert - , poliert - , geschmirgelt Gusseisen, poliert Stahlguss, poliert

443 773 500 850 373 373 472 872 366 777 550

1100 297 400 500 472

422

1089 422

1089 423

1089 422

1089 589

1089 500 900 293 293 293 403 293

1089 1089

450 500 700

1300 293 473

1044 1311

0,039 0,05 0,039 0,057 0,095 0,18 0,11 0,19 0,2 0,31 0,63 0,26 0,28 0,057 0,075 0,63 0,03 0,052 0,08 0,144 0,058 0,36 0,1 0,225 0,15 0,3 0,018 0,035 0,03 0,037 0,78 0,76 0,07 0,052 0,064 0,144 0,377 0,242 0,21 0,52 0,56

0,049 0,071 0,69 0,79

Eisen, vorpoliert oxidierte, Oberflächen: Eisenblech - , rot angerostet - , stark verrostet - , Walzhaut Gusseisen, oxidiert bei 866 K Stahl, oxidiert bei 866 K Stahlblech, dicke rauhe Oxidschicht Gusseisen, rauhe Ober- fläche, stark oxidiert geschmolzene Ober-flächen: Gusseisen

Stahl mit 0,25 % bis 1,2 % C, leicht

oxidierte Oberfläche reines Eisen Magnesium, poliert Magnesiumoxid Messing, nicht oxidiert - , oxidiert Molybdän Nickel, nicht oxidiert - , oxidiert Niob, nicht oxidiert Palladium

373

293 292 294

472 872 472 872

297

311 bis 522

1572

1833 1983 1789 2044 311 811 550

1100 298 373 473 873

1000 2866 373

1673

298 373 473 873

1089 1366 422

1089

0,17 0,612 0,685 0,657 0,64 0,78 0,79 0,79 0,8 0,95 0,29 0,27 0,39 0,42 0,45 0,07 0,18 0,55 0,2 0,035 0,035 0,61 0,59 0,096 0,292 0,026 0,094

0,071 0,17 0,045 0,06 0,37 0,478 0,19 0,24

Tab. 6.2: Emissionsgrade (Teil 1)

Page 346: WS Skript 181007

326 6 Wärmestrahlung

Oberfläche T K ε , n ∈

Platin Quecksilber, nicht oxidiert

Rhodium, poliert Silber, poliert Tantal, poliert - , oxidiert Thoriumoxid Titan, oxidiert Uranoxid (U3O8) Wismut, blank Wolfram Zink, rein poliert Verzinktes Eisenblech - , blank - , grau oxidiert Zinn, nicht oxidiert verzinntes Eisen, blank

422 1089

298 373 422

1089 311 644 422

1089 422

1089 716

1100 644

1089 1300 1600 353 298 773

1273 1773 500 600

301 297 298 373 297

0,022 0,123 0,1 0,12 0,012 0,068 0,022 0,031 0,03 0,07 0,42 0,42 0,58 0,21 0,34 0,045 0,055 0,228 0,276

0,54 0,59 0,79 0,78 0,366 0,024 0,071 0,15 0,23 0,043 0,05 0,06

Tab. 6.2 Emissionsgrade (Teil 2)

Page 347: WS Skript 181007

6.2 Strahlungsgrößen und physikalische Grundbegriffe 327

Oberfläche T

K ε , n ∈

2. Nichtmetalle Asbest, Pappe - , Papier Beton, rauh Dachpappe Gips Glas Quarzglas (7mm dick) Gummi Holz, Eiche gehobelt - , Buche Keramik, feuerfest, weißes Al2O3 Kohlenstoff, nicht oxidiert - , Fasern - , graphitisch Korund, Schmirgel, rauh Lacke, Farben: Ölfarbe, - , schwarz - , grün - , rot - , weiß Lacke, weiß - , matt schwarz Bakelitlack Menningeanstrich Heizkörper (nach VDI-74) Emaille, weiß auf Eisen Marmor, hellgrau poliert Papier Porzellan, weiß Ton, glasiert - , matt Wasser Eis, glatt mit Wasser - , rauher Reifbelag Ziegelstein, rot

296 311 644

273 bis 366 294 293 293 555

1111 293

273 bis 366 343

366 298 773 533 373 773 353

366 366 366 366 373 353 353 373

373 292

273 bis 366 273 366 295 298 298 273 373 273 273

273 bis 366

0,96 0,93 0,94 0,91 0,8 bis 0,9 0,94 0,93 0,47 0,92 0,94 0,85 0,925 0,97 0,935 0,93 0,925 0,897 0,95 0,96 0,966 0,985

0,94 0,90 0,91 0,9 0,81 0,79 0,95 0,76 0,71 0,84 0,92 0,95 0,97 0,94 0,90 0,92 0,94 0,924 0,9 0,93 0,92 0,93

Die Tabelle enthält nur Messwert. Die überwiegend in Richtung der Normalen gemessenen Wert ∈n lassen sich näherungsweise nach Bild 4 in die auf den Halbraum (Gesamtemission) bezogenen ∈-Werte umrechnen. Weitere Angaben finden sich in [6 bis 8].

Tab. 6.2: Emissionsgrade (Teil 3)

Page 348: WS Skript 181007

328 6 Wärmestrahlung

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurch-lässigen Körpern

6.3.1 Einstrahlzahlen (Sichtfaktoren, Formfaktoren) Zur Berechnung des Strahlungsaustausches zwischen zwei Flächen wird eine rein geometrische Größe benötigt, die für die Strahler das Verhältnis der von der Fläche A1 auf die Fläche A2 fallenden Strahlung zur gesamten ausgesandten Strahlung von A1 beschreibt.

21A

221

A112 dAdA

scoscos

A1

21

∫∫ββ

π=ϕ (6.24)

Umgekehrt von A2 auf A1 gilt:

21A

221

A221 dAdA

scoscos

A1

21

∫∫ββ

π=ϕ (6.24a)

Dabei ist ϕ21 das Verhältnis der Strahlung, die A1 von A2 erhält, zur Ge-samtstrahlung von A1. ϕ12 und ϕ21 sind folglich immer kleiner gleich eins.

A 2

d A1

β 1

dA2

s

n2

β 2

A 1

n 1

Abb. 6.15: Geometrische Größen zur Bestimmung der Einstrahlzahlen

Page 349: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 329

Allgemein gilt: (1) Die Einstrahlzahl ist eine reine geometrische Größe (2) Ai ϕik = Ak ϕki (Reziprozitätsbeziehung) (6.25) (3) Für eine einen Raum umschließende Fläche aus n Teilflächen gilt:

∑=

=ϕn

1kk,1 1(Summationsregel) (6.26)

Einstrahlzahlen für verschiedene Geometrien sind in Tab. 6.3 zu finden. Tab. 6.3: Einstrahlzahlen (F12 = ϕ12) für verschiedene Geometrien. In der

anglo - amerikanischen Literatur wird ϕ12 mit F12 bezeichnet.

2 1

Page 350: WS Skript 181007

330 6 Wärmestrahlung

2 1

Page 351: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 331

6.3.2 Strahlungsaustausch zwischen schwarzen Körpern Für die Wärmeübertragung, den effektiven Wärmestrom zwischen zwei schwarzen Körpern der Temperatur T1 und T2 erhält man, siehe Abb. 6.16

[ ] ( )2s1s1211214

24

112 EEAATTQ −ϕ=ϕ−σ=& (6.27)

Gleichung (6.27) hat die Form des Ohmschen Gesetzes I = RU

, wenn

I = 12Q& ; R = 121A

1ϕ ; U = Es1 - Es2 gesetzt wird. In Abb. 6.12 ist das

elektrische Ersatzschaltbild mit eingezeichnet.

Page 352: WS Skript 181007

332 6 Wärmestrahlung

n

n

1

2

β

β

1

2

Q 12

A

A 2

1 ·

E S1 S2 E

R = 12 I

A 1 ϕ 12

s

(a) (b)

Abb. 6.16: (a) Strahlungsaustausch zwischen zwei schwarzen Körpern und (b) elektrisches Ersatzschaltbild Beweis von (6.27): Für den Wärmestrom dQ& 1→2 von dem Flächenelement dA1 auf das Flächen-element dA2 gilt mit (6.3) nach Integration über die Wellenlänge λ und Abb. 6.16. 211121 dcosdAIQd ωβ=→

& dω2 ist der Raumwinkel unter dem das Flächenelement dA2 von dA1 aus erscheint:

222

2 scosdAd β⋅

Mit (6.9) und (6.21), da der schwarze Körper ein diffuser Strahler ist

( ) ( )π

σ=

π=

411s

1TTETI

und Integration über A1 und A2 folgt:

1214

121A

221

A11

4121 ATdAdA

scoscos

A1ATQ

21

ϕσ=ββ

πσ= ∫∫→

&

Page 353: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 333

Analog folgt für

2124

221A

221

A22

4212 ATdAdA

scoscos

A1ATQ

21

ϕσ=ββ

πσ= ∫∫→

&

Und für die Wärmeübertragung zwischen A1 und A2 Gleichung (6.27):

[ ] ( )2s1s1211214

24

1122112 EEAATTQQQ −ϕ=ϕ−σ=−= →→&&&

6.3.3 Strahlungsaustausch zwischen grauen Körpern nach der Netto-Strahlungsmethode

Wenn die am Strahlungsaustausch beteiligten Größen nicht als schwarze Körper betrachtet werden können, so sind auch die reflektierten Strahlungs-flüsse zu berücksichtigen. An allen beteiligten Körpern bzw. Strahlern finden dann mehrfache Reflexionen verbunden mit Teil - Absorption der auftreffenden Strahlung statt. Einfache Lösungen können sich ergeben, wenn sich die Strahler wie graue Strahler verhalten und als isotherm angenommen werden können. Jeder Strahler wird dann durch seinen Gesamtemissions-grad εi gekennzeichnet. Aufgrund des Kirchhoffschen Gesetzes gilt αi = εi, für den Reflexionsgrad gilt dann ρi = 1 - αi = 1- εi. Zur Aufstellung einer Energiebilanzgleichung eines Körpers wird eine neue Größe Bi eingeführt, welche die emittierte Strahlung Ei und den reflektierten Anteil der einfallenden Strahlung Hi zusammenfasst:

iiiii H)1(EHEB ii ε−+=ρ+= mit 4ii TE σε= (6.28)

Der von außen zugeführte Wärmestrom Qi muss der Differenz zwischen dem von der Fläche Ai ausgehenden Strahlungsfluss Bi und dem auf die Fläche Ai einfallenden Strahlungsfluss Hi entsprechen.

)HB(A.Q iiii −= (6.29)

Die wahrgenommene Helligkeit Hi ist die Summe der Strahlungen aller n am Strahlungsaustausch beteiligten Flächen, wobei nicht ausgeschlossen wird, dass die zu bilanzierende Fläche auf sich selbst strahlt (ϕii ≠ 0).

Page 354: WS Skript 181007

334 6 Wärmestrahlung

∑∑==

ϕ=ϕ=n

1jjijjji

n

1jj

ii BBA

A1H (6.30)

In dieser Formel wurde die Reziprozitätsbeziehung (6.25) aus Abschnitt 6.3.1 benutzt. Für jede der n am Strahlungsaustausch teilnehmenden Flächen können nun die drei Gleichungen (6.28) - (6.30) aufgestellt werden. Bei bekannten Einstrahlzahlen ϕij, Emissionskoeffizienten εi Flächen Ai und Temperaturen Ti erhält man dann ein geschlossenes Gleichungssystem, dass z.B. nach Qi aufgelöst werden kann. Abb. 6.17 zeigt die Bilanzierung für eine beliebige Fläche Ai.

H i =

Qi

A i

ρ iHi Ei = ε i σ T 4

Bi = Ei+ρ iH i

ϕij Bj

Abb. 6.17: Bilanzierung nach der Nettostrahlungsmethode für eine

beliebige Fläche Ai Nachfolgend wird die Netto – Strahlungsmethode für einige Sonderfälle angewandt.

Page 355: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 335

6.3.3.1 Strahlungsaustausch zwischen grauen Körpern nach der Netto-Strahlungsmethode

Beispiel 6.4: Strahlungsaustausch zwischen zwei unendlichen, parallelen Platten Skizze: zwei unendliche, parallele Platten Gegeben: A1, ε1, T1, A2, ε2, T2 Annahmen: A1 = A2 A3, A4 vernachlässigbar klein ϕ11, ϕ22 = 0 keine Rückstrahlung der Platten auf sich selbst ϕ12 = ϕ21 = 1

ϕ13 = ϕ14 = ϕ23 = ϕ24 << 1 Gesucht: der Fläche A1 durch Strahlung zugeführte Wärmestrom 1Q& Lösung: Gl. (6.28) B1 = E1 + (1-ε1)H1 mit ρ1 = 1 - ε1 B2 = E2 + (1-ε2)H2 mit ρ2 = 1 - ε2 Gl. (6.30) H1 = ϕ12 B2 = B2 H2 = ϕ21 B1 = B1 zugeführter Wärmestrom (Gl. (6.29)) 1Q& = (B1 - H1)A1

A1, ε1, T1

A2, ε2, T2

Page 356: WS Skript 181007

336 6 Wärmestrahlung

Umformungen: B1 = E1 + (1 - ε1)B2

B2 = E2 + (1 - ε2)B1 B1 = E1 + (1 - ε1)(E2 + (1-ε2)B1)

B1 = )1)(1(1E)1(E

21

211

ε−ε−−ε−+

B2 = )1)(1(1E)1(E

21

122

ε−ε−−ε−+

1Q& = (B1 - B2)A1

1Q& = 121

122211 A)1)(1(1

E)1(EE)1(Eε−ε−−

ε−−−ε−+

1Q& = 12121

2112 AEEεε−ε+ε

ε−ε

mit den Emissionen E1 = ε1σT1

4 und E2 = ε2σT24 ergibt sich für den

Strahlungsaustausch zwischen zwei unendlichen Platten:

⇒ 1Q& = 21Q →& =

1111

21

−ε

σA1(T14 - T2

4) (6.31)

Page 357: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 337

Beispiel 6.5: Strahlungsaustausch zwischen zwei unendlich langen, konzentrischen Zylindern Skizze: zwei unendlich lange konzentrische Zylinder Gegeben: A1, ε1, T1, A2, ε2, T2 Annahmen: ϕ11 = 0

ϕ12 = 1 ⇒ A1 ϕ12 = A2 ϕ21 ϕ21 = 2

1

AA

ϕ21 + ϕ22 = 1 ⇒ ϕ22 = 1 - 2

1

AA

Gesucht: der Fläche A1 durch Strahlung zugeführte Wärmestrom 1Q& Lösung: Gl.(6.28) B1 = E1 + (1-ε1)H1 B2 = E2 + (1-ε2)H2 Gl. (6.30) H1 = B1 ϕ11 + B2 ϕ12 = B2 ϕ12 H2 = B1 ϕ21 + B2 ϕ22

A1, ε1, T1

A2, ε2, T2

Page 358: WS Skript 181007

338 6 Wärmestrahlung

Gl. (6.29) 1Q& = (B1 - H1)A1 Umformungen: B1 = E1 + (1 - ε1)B2 ϕ12

B2 = E2 + (1 - ε2)(B1 ϕ21 + B2 ϕ22)

B2 = 222

21122

)1(1B)1(Eϕε−−

ϕε−+

B2 = 212221

122112122 )B)1(E()1(Eϕε−ε+ϕ

ϕε−+ϕε−+

B2 = 21121212

12122 E)1(Eϕε+εεϕ−ε

ϕε−+

1Q& = (E1 - ε1H1)A1

1Q& = (E1 - ε1B2ϕ12)A1

1Q& = (E1 - 121121212

1212121 A)E)1(Eϕε+εεϕ−ε

ϕε−ε+ε

1Q& = 121121212

2112 A)EE(ϕε+εεϕ−ε

ε−ε

mit den Emissionen E1 = ε1σT1

4 und E2 = ε2σT24 ergibt sich für den

Strahlungsaustausch zwischen zwei unendlich langen konzentrischen Zylindern:

1Q& = 121121212

42

4121 A))TT((

ϕε+εεϕ−εσ−σεε

1Q& = )TT(A

AA1

AA1

1 42

411

2

1

22

1

1

−σ

ε+−

ε

(6.32)

Page 359: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 339

Beispiel 6.6: Strahlungsschild Ein nicht absorbierendes Gas strömt durch ein Rohr mit dem Durchmesser D1 = 20 mm. Die Außenfläche des Rohres kann hinsichtlich ihres Strahlungs-verhaltens als diffus und grau angesehen werden und besitzt den Emissions-grad ε1 = 0,02 und die Temperatur T1 = 77 K. Dieses Rohr befindet sich wiederum konzentrisch positioniert in einem größeren Rohr mit dem Durchmesser D2 = 50 mm, dessen innere Fläche ebenfalls diffus und grau ist und den Emissionsgrad ε2 = 0,05 und die Temperatur T2 = 300 K besitzt. Der Raum zwischen den Rohren wurde evakuiert. 1. Berechnen Sie den Wärmestrom, der pro Längeneinheit des Rohres an

das Gas übergeht. 2. Berechnen Sie die prozentuale Änderung des Wärmestromes, wenn ein

dünnes Strahlungsschild mit dem Durchmesser Ds = 35 mm und beidseitigem Emissionsgrad εs = 0,02 zwischen den beiden Rohren konzentrisch angeordnet ist.

Gegeben: Ineinander konzentrisch positionierte Rohre mit diffus und grau

strahlenden Oberflächen mit verschiedenen Emissions-koeffizienten und Temperaturen.

D1=20 mm ε1=0,02 T1=77 K D2=50 mm ε2=0,05 T2=300 K Ds=35 mm εs=0,02 Gesucht: a) Wärmeübergang an das durch das innere Rohr strömende Gas 12Q& b) Prozentuale Änderung des Wärmestromes bei Einsatz eines

Strahlungsschildes Annahmen: 1. Oberflächen strahlen diffus und grau 2. Raum zwischen den Oberflächen ist evakuiert 3. Leitungswiderstände des Strahlungsschildes und der Rohre sind

vernachlässigbar 4. 2-dimensionales Problem ⇒ Einflüsse der Flächen am Rohranfang und

-ende sind vernachlässigbar

Page 360: WS Skript 181007

340 6 Wärmestrahlung

Skizze:

D2=50 mm, T2=300 K, ε2=0,05

D1=20 mm

T1=77 K

ε1=0,02

Ds=35 mm, εs=0,02

Lösung: a) Nach Gl. (6.32) kann der übertragene Wärmestrom zwischen zwei konzentrischen, grauen Zylindern angegeben werden mit.

)42T4

1T(

12

1

2A1A

1

11A

12Q −⋅

⎟⎟

⎜⎜

⎛−

ε⋅+

ε

⋅σ=&

mit L1D1A ⋅⋅π= ergibt sich

mW5,012Q −=&

b) Um den Strahlungsaustausch zwischen den Rohrwänden zu verringern wird zwischen ihnen ein Strahlungsschild installiert. Der Strahlungswärmestrom zwischen der Oberfläche 1 und dem Strahlungs-schild ist gleich dem zwischen Strahlungsschild und Oberfläche 2, so dass gilt:

)4sT4

1T(1s

1

sA1

1A1

1Q −⋅σ=⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎟⎟

⎜⎜

⎛−

ε⋅+

⋅ε⋅&

Page 361: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 341

und )42T4

sT(12

1

2A1

sAs

1Q −⋅σ=⎟⎟

⎜⎜

⎟⎟

⎜⎜

⎛−

ε⋅+

⋅ε⋅&

Die Aufaddierung dieser beiden Gleichungen und eine Umstellung ergibt für den gesuchten Wärmestrom:

)42T4

1T(

sA1A

1s

212

1

2A1A

1

11A

s12Q −⋅

⋅⎟⎟

⎜⎜

⎛−

ε+⎟

⎜⎜

⎛−

ε⋅+

ε

⋅σ=&

Zahlenmäßig ergibt sich somit für den Wärmestrom pro Längeneinheit:

mW25,0)4

2T41T(

sD1D

1s

212

1

2D1D

1

11D

Ls12Q

−=−⋅

⋅⎟⎟

⎜⎜

⎛−

ε+⎟

⎜⎜

⎛−

ε⋅+

ε

⋅π⋅σ=

&

Damit beträgt die prozentuale Änderung des Wärmestroms durch Einsatz eines Wärmeschildes:

%50%10012Q

12Qs12Q−=⋅

−&

&&

Kommentar: Um den Wärmestrom weiter zu senken, würde man n Strahlungsschilde verwenden. Durch Aufaddierung der einzelnen Gleichungen, wie oben beschrieben, ergibt sich dann bei n Strahlungsschilden mit beidseitig konstanten εs für alle Schilde.

)42T4

1T(n

1i siA1A

1s

212

1

2A1A

1

11A

12Q −⋅

∑=

⋅⎟⎟

⎜⎜

⎛−

ε+⎟

⎜⎜

⎛−

ε⋅+

ε

⋅σ=&

Page 362: WS Skript 181007

342 6 Wärmestrahlung

Beispiel 6.7: Die Herstellung einer Spezialbeschichtung für eine ebene Oberfläche eines solaren Absorbers A2 = 10 m² wird durch Bestrahlung mittels eines Infrarot-(IR)-Heizgerätes der Breite B = 1 m erreicht. Absorber und Heizgerät sind jeweils L = 10 m lang und sind H = 1 m voneinander getrennt.

Gegeben:

T1 = 1000 K ϕ12 = 0,39 T2 = 600 K ε1 = 0,9 T3 = 300 K ε2 = 0,5

Das Gerät befindet sich in einem großen Raum mit T3 = 300 K. Gesucht: Netto-Wärmestrom auf den Absorber 2Q

Annahmen: - stationäres Problem - Wärmetransport durch Konvektion ist vernachlässigbar - Umgebung wird als schwarzer Strahler angenommen ⇒ ε3 = 1

Page 363: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 343

- Absorber- und Heizoberfläche sind graue, diffuse Strahler - Die Umgebung wird durch die das Kontrollvolumen begrenzende Fläche A3

beschrieben. Die Fläche A3 sei ein schwarzer Körper mit T3 = 300K Skizze:

Lösung: Mit Gleichung (Gl. (6.29))

2222 A)HB(Q ⋅−=

0mit BBBH 222332222112 =ϕϕ⋅+ϕ⋅+ϕ⋅= (Gl. (6.30)) ( ) 2332112 BBHI ϕ⋅+ϕ⋅=⇒ (Gl. (6.30))

( )

( )

0mitBBBH

6.28) (Gl.H)1(EBIII

)Strahlerschwarzer(100TCEBII

111111331221

1111

43

s33

=ϕϕ⋅+ϕ⋅+ϕ⋅=

⋅ε−+=

⎟⎠

⎞⎜⎝

⎛⋅==

( ) 1331221 BBHIV ϕ⋅+ϕ⋅=⇒ (Gl. (6.30)) ( ) 2222 H)1(EB V ⋅ε−+= (Gl. (6.28))

Page 364: WS Skript 181007

344 6 Wärmestrahlung

Zur Bestimmung von Q2 werden B2 und H2 benötigt. Für H2 wird B1 benötigt. B1 muss über H1 berechnet werden. Zur Berechnung von H1 fehlt B2. (IV) in (III) eingesetzt:

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ϕ⋅⋅ε−+ϕ⋅⋅ε−+=⇒

ϕ⋅+ϕ⋅⋅ε−+=⇒

VIB)1(B)1(EB)BB()1(EB

1331122111

133122111

(I) in (V) eingesetzt:

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ϕ⋅⋅ε−+ϕ⋅⋅ε−+=⇒

ϕ⋅+ϕ⋅⋅ε−+=⇒

VIIB)1(B)1(EB)BB()1(EB

2332211222

233211222

[ ]

[ ]

[ ] ( )VIII)1()1(1

B)1(B)1(E)1(EB

B)1(B)1(E)1(EB)1()1(B

B)1(B)1(B)1(E)1(EB

:eingesetzt )VI( in )VII(

212121

13312332212111

1331

23322121121121211

1331

23322112212111

ϕ⋅ε−⋅ϕ⋅ε−−ϕ⋅⋅ε−+ϕ⋅⋅ε−+⋅ϕ⋅ε−+

=⇔

ϕ⋅⋅ε−+

ϕ⋅⋅ε−+⋅ϕ⋅ε−+=ϕ⋅⋅ε−⋅ϕ⋅ε−−⇔

ϕ⋅⋅ε−+

ϕ⋅⋅ε−+ϕ⋅⋅ε−+⋅ϕ⋅ε−+=⇒

²mW3,459

100TCEB

²mW5,3674

100TCE

²mW6,51034

100TCE

43

s33

42

s22

41

s11

=⎟⎠

⎞⎜⎝

⎛⋅==

=⎟⎠

⎞⎜⎝

⎛⋅⋅ε=

=⎟⎠

⎞⎜⎝

⎛⋅⋅ε=

Page 365: WS Skript 181007

6.3 Strahlungsaustausch zwischen undurchlässigen Körpern 345

Bestimmung der Einstrahlzahlen:

39,0

1AA;

AA

AA

39,0

21

2

112

2

121

121212

12

=ϕ⇒

=ϕ⋅=ϕ⇒

ϕ⋅=ϕ⋅

61,0

1

olgtf 1 mit

13

1213

1312

=ϕ⇒

ϕ−=ϕ⇒

=ϕ+ϕ

277,0

61,0²m22²m10

AA

AA

:giltweiterhin

31

31

133

113

131313

=ϕ⇔

⋅=ϕ⇔

ϕ⋅=ϕ⇒

ϕ⋅=ϕ⋅⇒

Page 366: WS Skript 181007

346 6 Wärmestrahlung

277,0

:gilt ründenSymmetrieg aus

32

3231

=ϕ⇒

ϕ=ϕ

322

323

323232

AA

AA

:gilt weiterhin

ϕ⋅=ϕ⇒

ϕ⋅=ϕ⋅

61,0

277,0²m10²m22

23

23

=ϕ⇔

⋅=ϕ⇔

Alle Werte in Gleichung VIII einsetzen:

²mW8,51603B1 =⇒

Page 367: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 347

²mW55,65283

.Q

²m10m²W20405,7)-(13877,3=

.Q

:berechnen Q sich läßt Hierdurch

m²W20405,7=H

:einsetzen (I) Gleichung in Ergebnis

m²W13877,3=B

:einsetzen (VII) Gleichung in Ergebnis

2

2

2

2

2

−=⇔

⋅⇒

6.4 Gasstrahlung A. Schack hat 1924 wohl mit als erster die technische Bedeutung der Strahlung von Gasen erkannt. Er vermutete, dass die Strahlung des in den Verbrennungsgasen enthaltenen CO2 und H2O zum Wärmeübergang in Industrieöfen und in den Feuerungen wesentlich beiträgt. Für technische Anwendungen ist nur die Gasstrahlung im Infraroten, also bei Wellenlängen über 1 µm von Bedeutung. In diesen Bereich strahlen vor allem CO2 und H2O, aber auch andere Gase wie z.B. CO, SO2, NH3, CH4 und weitere Kohlenwasserstoffe. Dagegen lassen elementare Gase wie z.B. N2 und O2, die Hauptbestandteile der Luft, und Edelgase Strahlung ungeschwächt hindurch; sie absorbieren nicht und senden daher nach dem Gesetz von Kirchhoff auch keine Strahlung aus. Gase absorbieren und

Page 368: WS Skript 181007

348 6 Wärmestrahlung

emittieren Strahlung nur in engen Wellenlängenbereichen, den sogenannten Banden. Deshalb können Gase nicht als graue Strahler idealisiert werden.

[W/m3]

Abb. 6.18: Strahlungsbanden von Wasserdampf und Kohlendioxyd,

aufgetragen in der Strahlungsintensität pro Wellenlängeneinheit des schwarzen Körpers

6.4.1 Volumetrische Absorption Die spektrale Strahlungsabsorption in einem Gas (oder halbdurchlässigen Medium) ist eine Funktion des Absorptionskoeffizienten κλ [m-1] und der Dicke der Schicht s, Abb. 6.18a.

)

s

I λ , 0 = Ι λ ( 0 ) Ι λ ( x)

x

dx

Abb. 6.18a: Absorption in einer Gas-, Flüssigkeits- oder einer

semitransparenten Schicht Wenn ein monochromatischer Strahl der Intensität Iλ,0 in das Medium eindringt, wird seine Intensität durch Absorption reduziert. In einem Element dx gilt das Gesetz von Bouguer:

dxI)x(dI λλλ κ−= (6.33)

Page 369: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 349

Mit κλ unabhängig von x ergibt sich ein exponentieller Abfall:

s

0,

L, eII ⋅κ−

λ

λ λ= (6.34)

Mit der gerichteten Transmission

s

0,

L, eII

' ⋅κ−

λ

λλ

λ==τ (6.35)

ergibt sich der gerichtete Absorptionskoeffizient

se1'1' ⋅κ−λλ

λ−=τ−=α (6.36) Wenn das Kirchhoffsche Gesetz gilt, folgt '' λλ ε=α und aus (6.36) ergibt sich auch der Emissionskoeffizient.

6.4.2 Emission und Absorption Ingenieure benötigen den Strahlungswärmestrom eines Gases auf eine angrenzende Fläche. Trotz der komplexen spektralen und richtungs-abhängigen Effekte in solch einem Fall ist es Hottel gelungen ein einfaches Verfahren anzugeben, das relativ zuverlässige Ergebnisse liefert. Man betrachtet die Strahlung eines Gases der Temperatur TG in einer Halbkugel auf das Flächenelement dA im Mittelpunkt der Basis.

s g l

dA

r

dA Abb. 6.19: Einfluss der geometrischen Gestalt des Gasraumes bei

Strahlungsaustausch zwischen Wand und Gas (VDI - Wärmeatlas).

Page 370: WS Skript 181007

350 6 Wärmestrahlung

Die Gasemission wird durch Gl. (6.37) ausgedrückt.

4GGG TE σε= (6.37)

Der Emissionskoeffizient wird durch Korrelation von Messdaten bestimmt, insbesondere gilt

)s,p,p,T( GGGε (6.38) TG ist die Gastemperatur, p ist der Gesamtdruck, pG der Partialdruck des absorbierenden Gases und s ist der Radius der Halbkugel. Mit Gleichung (6.44a) und den Abb. 6.20 - Abb. 6.24 ist der Wärmestrom eines Gases auf eine schwarze Oberfläche Aw.

4GwGw TA

.Q σε= (6.39)

Wenn die Oberfläche schwarz ist, wird die gesamte vom Gas emittierte Strahlung absorbiert. Die von der Fläche emittierte Strahlung wird teilweise vom Gas absorbiert:

4wwGG TA

.Q σα= (6.40)

Der ausgetauschte Nettowärmestrom ergibt sich somit zu

)TT(A.Q 4

WG4

GGWGW α−ε⋅σ= (6.41) Die Diagramme von Hottel und Egbert der Gesamtemissionsgrade von CO2 und H2O sind seit über 50 Jahren die Basis der Gasstrahlungsberechnung für diese beiden Gase. Die Unsicherheiten der Diagramme werden mit 5% angeben. Die Emissionsgrade εH2O und εCO2 (Abb. 6.20 und Abb. 6.21) gelten für die Berechnung der Strahlung einer Gashalbkugel mit dem Radius R auf das Flächenelement im Kugelmittelpunkt, wobei die Partialdrücke der Gase gegen Null gehen. Mit der Einführung der gleichwertigen Schichtdicke sgl können die Emissionsgrade auf andere Gasraumgeometrien übertragen werden, wenn angenommen wird das für diesen Fall R = sgl gilt (siehe Abschnitt 6.4.3).

Page 371: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 351

Abb. 6.20: Emissionsgrad εH2O von Wasserdampfes bei 1 bar Gesamtdruck

in Abhängigkeit von der Temperatur und dem Produkt pH2O · sgl Die Abb. 6.20 und Abb. 6.21 zeigen die Emissionsgrade von Wasserdampf und Kohlendioxyd für den Gesamtdruck von 1 bar als Funktion der Temperaturen und dem Produkt von Druck p und gleichwertiger Schichtdicke sgl.

Page 372: WS Skript 181007

352 6 Wärmestrahlung

Abb. 6.21: Emissionsgrad εCO2 von Kohlendioxid bei 1 bar Gesamtdruck in

Abhängigkeit von der Temperatur und dem Produkt pCO2 · sgl Für Gesamtdrücke ungleich 1 bar müssen die Emissionsgrade εH2O’ und εCO2’ mit Hilfe der Abb. 6.22 und Abb. 6.23 korrigiert werden.

)bar1p('f)bar1p( O2HO2HO2H =ε⋅=≠ε (6.42) )bar1p('f)bar1p( 2CO2CO2CO =ε⋅=≠ε (6.43)

Page 373: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 353

Abb. 6.22: Korrekturfaktor f für εH2O’ (Gesamtdruck p, Partialdruck pH2O)

Abb. 6.23: Korrekturfaktor f für εCO2’ (Gesamtdruck p, Partialdruck pCO2)

Page 374: WS Skript 181007

354 6 Wärmestrahlung

Treten wie in Verbrennungsgasen CO2 und H2O gleichzeitig auf, so ist der resultierende Emissionsgrad des Gemisches εG etwas kleiner als die Summe εH2O und εCO2. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich einige Banden von CO2 und H2O überlappen, siehe Abb. 6.18. Durch die Korrektur der Summe mit ∆ε kann εG bestimmt werden.

G2COO2HG )( ε∆−ε+ε=ε (6.44a) W2COO2HG )( ε∆−α+α=α (6.44b) Werte für die Korrektur von CO2 - H2O Gemischen finden sich in Abb. 6.24. ( )Wε∆ kann nach Abb. 6.24 bei TW ermittelt werden.

Abb. 6.24: Korrektur ∆ε bei Gasmischungen aus Kohlendioxid und Wasser-

dampf bei a) 130°C, b) 540°C und c) 920°C und darüber

Page 375: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 355

6.4.3 Berechnung der Emissionsgrade durch die Verwendung gleich-wertiger Schichtdicken

Die Emission von Gasstrahlung hängt von der Größe und der Gestalt des Gasraumes ab. Um die experimentell bestimmten Emissionsgrade für die Gashalbkugel auch auf anders geformte Gasräume übertragen zu können, wird die gleichwertige Schichtdicke sgl eingeführt. Durch die Bestimmung der gleichwertigen Schichtdicke sgl können die Ergebnisse der Diagramme von Hottel und Egbert (Abb. 6.20 und Abb. 6.21) auf andere Gasraumgeometrien übertragen werden. In Tab. 6.4 sind gleichwertige Schichtdicken für die optische Dicke τ = 0.2 aufgeführt. Für die nicht enthaltenen Gasraumgeometrien kann Beziehung (6.45) näherungsweise angenommen werden.

AV6.3sgl ⋅= (6.45)

6.4.4 Strahlungsaustausch in einem gasgefüllten Hohlraum mit grauen isothermen Wänden

Wird ein gasgefüllter Hohlraum von grauen Wänden mit dem Emissionsgrad εW begrenzt, so muss auch die von den Wänden reflektierte Energie berücksichtigt werden. Raue, oxidierte oder verschmutzte Wände haben Emissionsgrade, von nur wenig kleiner als eins. In diesem Fall, der bei Feuerungen meistens zutreffend ist, wird der reflektierte Strahlungsanteil vernachlässigbar klein. Bei genügend großem εW, etwa bei εW > 0.8 ist die Näherung (6.46) hinreichend genau und bei εW = 1 exakt (siehe (6.47)).

)TT(A2

1Q 4WG

4GGW

WGW α−ε⋅σ⋅

+ε=& (6.46)

αG ist der Absorptionsgrad des Gases für Strahlung, die von einem schwarzen Körper der Temperatur Tw ausgesandt wird. Da Gase keine grauen Strahler sind, ist GG ε≠α außer für wG TT = .

Page 376: WS Skript 181007

356 6 Wärmestrahlung

Zur Berücksichtigung der von den Wänden reflektierten Strahlung kann der Strahlungsaustausch nach der Netto-Strahlungsmethode berechnet werden.

)HB(A.Q WWWGW −=

Die einfallende Strahlung Hw setzt sich aus dem von der Gasstrahlung erzeugten Strahlungsanteil 4

GG Tσε und aus dem von den Wänden ausgehenden, im Gas nicht absorbierten Strahlungsanteil wG B)1( α− zusammen. WG

4GW B)1(TH

G⋅α−+σε=

Die Ausstrahlung der Wand Bw umfasst die spezifische Emission der Wand-flächen 4

WTW

σε und den von ihnen reflektierten Anteil der Bestrahlungs-stärke wW H)1( ε− . WW

4WW H)1(TB

W⋅ε−+σε=

Aufgelöst nach GW

.Q ergeben die drei Gleichungen eine Beziehung, welche

die Reflexion der grauen isothermen Wände berücksichtigt.

)TT(A)1()1(1

.Q 4

WG4

GGWWG

WGW α−ε⋅σ⋅

ε−⋅α−−ε

= (6.47)

Da Gase keine grauen Strahler sind, stimmt αG nicht mit εG überein (außer im Grenzfall TW = TG). Mit Hilfe der Ergebnisse von Messungen kann αG mit εG analytisch verknüpft werden.

)TTps,T(

TT

G

WCOglw2CO

65.0

W

G2CO 2

⋅⋅ε⋅⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛=α (6.48)

)TTps,T(

TT

G

WO2HglwO2H

45.0

W

GO2H ⋅⋅ε⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛=α (6.49)

Für p ≠ 1 bar werden die Gleichungen (6.48) bzw. (6.49) mit den Gleichungen (6.42) bzw. (6.43) korrigiert.

Page 377: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 357

Beispiel 6.8: Eine zylinderförmige Brennkammer mit dem Durchmesser D = 0,4 m und der Länge L = 0,95 m enthält ein Verbrennungsgas mit der Temperatur TG = 2000 K und dem Druck p = 1,1 bar. Die Partialdrücke von CO2 und H2O sind pCO2 = 0,1 bar und pH2O = 0,2 bar. Die Wände der Brennkammer haben die Temperatur TW = 900 K und den Emissionsgrad εW = 0,75. Es soll der Wärmestrom bestimmt werden, der vom Gas an die Oberfläche der Brennkammer übertragen wird. Gegeben: Zylinder mit Durchmesser D = 0,4 m, Länge L = 0,95 m und Wandtemperatur TW = 900 K Verbrennungsgas mit TG = 2000K und p = 1,1 bar Partialdrücke: pCO2 = 0,1 bar und pH2O = 0,2 bar Gesucht: Wärmestrom vom Gas an die Wand GWQ& Skizze: Annahmen 1. Das Gas ist im lokalen thermodynamischen Gleichgewicht

L

D

Tw TG, p, pCO2,

Page 378: WS Skript 181007

358 6 Wärmestrahlung

Lösung: Nach Gl. (6.47) gilt für den Strahlungsaustausch eines umschlossenen Gas-körpers:

GWQ& = ( )( ) ( )4WG

4GG

GW

W TT111

A ⋅α−⋅εα−ε−−

ε⋅σ⋅ (6.47)

gleichwertige Schichtdicke: sgl = AV6,3 ⋅ (6.45)

m297,0L

2DD

L4

D

6,3

2

=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +π

⋅π⋅=

Bestimmung des Gas-Emissionskoeffizienten εG : εG = OH2

ε +2COε - (∆ε)G (6.44a)

OH2ε (p = 1,1 bar) = OH2

f ⋅ 'OH2

ε (TG, OH2p ⋅sgl) (6.42)

'

OH2ε (TG, OH2

p ⋅sgl) aus Abb. 6.20 mit TG = 2000 K OH2

p ⋅sgl = 0,06 bar⋅m

⇒ 'OH2

ε (TG, OH2p ⋅sgl) = 0,036

Dieses '

OH2ε (TG, OH2

p ⋅sgl) gilt für p = 1 bar. Da hier der Druck höher ist, muss

der Wert mit dem Korrekturfaktor OH2f multipliziert werden.

OH2

f aus Abb. 6.22 mit ( OH2p + p)/2 = 0,65 bar

OH2p ⋅sgl = 0,06 bar⋅m

⇒ OH2

f ≈ 1,2

OH2ε (p = 1,1 bar) = 0,043

Page 379: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 359

2COε (p = 1,1 bar) = 2COf ⋅ '

CO2ε (TG,

2COp ⋅sgl) (6.43) '

CO2ε (TG,

2COp ⋅sgl) aus Abb. 6.21 mit TG =2000 K

2COp ⋅sgl = 0,03 bar⋅m

⇒ 'CO2

ε (TG, 2COp ⋅sgl) = 0,036

Auch dieses '

CO2ε (TG,

2COp ⋅sgl) gilt für p = 1 bar und muss deshalb noch mit

2COf multipliziert werden.

2COf aus Abb. 6.23 mit p = 1,1 bar

2COp ⋅sgl = 0,03 bar⋅m ⇒ OH2

f ≈ 1

2COε (p = 1,1 bar) = 0,036 Der gesamte Emissionskoeffizient des Gases ergibt sich aus εG = OH2

ε +2COε - (∆ε)G

(∆ε)G aus Abb. 6.24c) mit TG = 2000 K > 920°C OH2

p /(2COp + OH2

p ) = 2/3

2COp ⋅sgl + OH2p ⋅sgl = 0,09 bar⋅m

⇒ (∆ε)G ≈ 0,004 ⇒ εG = 0,075 Bestimmung des Gas-Absorptionskoeffizienten αG : αG = OH2

α +2COα - (∆ε)W (6.44b)

OH2α (p = 1,1 bar) = OH2

f ⋅(TG/TW)0,45⋅'

OH2ε (TW, OH2

p ⋅sgl⋅TW/TG) (6.49) '

OH2ε (TW, OH2

p ⋅sgl⋅TW/TG) aus Abb. 6.21 bei TW = 900 K

Page 380: WS Skript 181007

360 6 Wärmestrahlung

OH2p ⋅sgl⋅TW/TG = 0,027 bar⋅m

⇒ 'OH2

ε (TW, OH2p ⋅sgl⋅TW/TG) = 0,06

Dieser Wert gilt wiederum nur für p = 1 bar. Er muss mit OH2

f multipliziert werden.

OH2f aus Abb. 6.22 mit ( OH2

p + p)/2 = 0,65 bar OH2

p ⋅sgl⋅TW/TG = 0,027 bar⋅m ⇒ OH2

f ≈ 1,2

OH2α (p = 1,1 bar) = 0,103

2COα (p = 1,1 bar) = 2COf ⋅(TG/TW)0,65⋅ '

CO2ε (TW,

2COp ⋅sgl⋅TW/TG) (6.48) '

CO2ε (TW,

2COp ⋅sgl⋅TW/TG) aus Abb. 6.21 bei TW = 900 K

2COp ⋅sgl⋅TW/TG = 0,013 bar⋅m

⇒ 'CO2

ε (TW, 2COp ⋅sgl⋅TW/TG) = 0,06

Auch dieser Wert muss wieder mit

2COf korrigiert werden, damit er für p = 1 bar gilt.

2COf aus Abb. 6.23 mit p = 1,1 bar

2COp ⋅sgl⋅TW/TG = 0,013 bar⋅m ⇒

2COf ≈ 1,0

2COα (p = 1,1 bar) =0,101 Der gesamte Absorptionskoeffizient des Gases ergibt sich aus αG = OH2

α +2COα - (∆ε)W

(∆ε)W aus Abb. 6.24b), da TW = 900 K (626,85°C) am nächsten an 540°C der Abb. 6.24b) liegt OH2

p /(2COp + OH2

p ) = 2/3

Page 381: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 361

2COp ⋅sgl + OH2

p ⋅sgl = 0,089 bar⋅m ⇒ (∆ε)W ≈ 0,003 ⇒ αG = 0,201 Bestimmung des übertragenen Wärmestroms: A = πD(L + D/2) = 1,445 m2

GWQ& = ( )( ) ( )4WG

4GG

GW

W TT111

A ⋅α−⋅εα−ε−−

ε⋅σ⋅ (6.47)

= 82,02 kW

Page 382: WS Skript 181007

362 6 Wärmestrahlung

Tab. 6.4: Gleichwertige Schichtdicken sgl = δD für die optische Dicke τ = 0.2 (Teil 1)

Gaskörper und Art der Einstrahlung charakteristische Dimension D Äquivalenzfaktor δ Kugel Zylinder unendlich lang,

Strahlung auf den Mantel

Strahlung auf den Mittelpunkt der Grundfläche

Strahlung auf die Gesamtoberfläche Zylinder h = D,

Strahlung auf den Mittelpunkt der der Grundfläche

Strahlung auf Gesamtoberfläche Zylinder h = 0,5 D,

Strahlung auf eine Grundfläche

Strahlung auf Zylindermantel

Strahlung auf die Gesamtoberfläche Zylinder h = 2D,

Strahlung auf beide Endflächen

Strahlung auf Mantelfläche

Strahlung auf gesamte Oberfläche Zylinder mit halbkreisförmigem Querschnitt, unendlich lang

Strahlung auf Mittellinie der flachen Seite Würfel Rechtkant

Kantenlänge 1 x 1 x 4

Strahlung auf Fläche 1 x 4

1 x 1

Gesamtfläche Rechtkant

Kantenlänge 1 x 2 x 6

Strahlung auf Fläche 2 x 6

1 x 6

1 x 2

Gesamtfläche

Durchmesser

Durchmesser

Durchmesser

Durchmesser

Durchmesser

Radius Kantenlänge

kürzeste Kante

kürzeste Kante

0,63

0,94

0,9

0,65

0,71

0,6

0,43

0,46

0,45

0,6

0,76

0,73

1,26 0,6

0,82

0,71

0,81

1,06

1,06

1,06

1,06

Page 383: WS Skript 181007

6.4 Gasstrahlung 363

Tab. 6.4: Gleichwertige Schichtdicken sgl = δD für die optische Dicke τ = 0.2 (Teil 2)

Gaskörper und Art der Einstrahlung charakteristische Dimension D Äquivalenzfaktor δ Ebene Schicht zwischen parallelen Wänden, unendlich ausgedehnt Außenraum von Rohrbündeln, unendlich ausgedehnt

Rohrmittelpunkt auf gleichseitigen Dreiecken

äußerer Rohrdurchmesser = lichter Abstand

äußerer Rohrdurchmesser = ½ lichter Abstand

Rohrmittelpunkt auf Quadraten

Äußerer Rohrdurchmesser = lichter Abstand

Wandabstand

lichter Abstand

lichter Abstand

1,76

2,8

2,8

3,8

3,5