WZ SAMSTAG, 9. JUNI 2018 SEITE 15 -...

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„Schreiben ohne Grenzen“ und die Lokalredaktion der WZ (von links): Sarah Jansen, Jan Wiefels, Julia Koch, Thomas Frank, Maren Jungclaus, Ajmal Mayel, Nele Dohmen, Christian Herrendorf, Ersin Dalga, Salah Ngab, Loreleï Holtmann, Jan-Philip Clooth, Peter Littek, Albaraa Alsaadi, Karina Rodriguez und Alexander Esch. Fotos: Senner, Esch, Herrendorf, Frank, Koch Ersin Dalga und Sarah Jansen besuchten die Bezirksver- tretung 1. Mouayad Atfeh, Karina Rodriguez und Alexander Esch bei der Pressekonferenz zum Frankreichfest. Arbeit in der Redaktion: Albaraa Alsaadi und Nele Doh- men, Ajmal Mayel und Peter Littek (von links). Thomas Frank, Salah Ngab und Loreleï Holtmann bei einem Pressetermin in einer Flüchtlingsunterkunft. Schreiben ohne Grenzen Wie blicken geflüchtete Journalisten auf ihr neues Leben in ihrer neuen Heimat Deutschland? Die Mitglieder der Gruppe „Schreiben ohne Grenzen“ haben mit unserer Redaktion diese besondere Ausgabe gestaltet und schreiben in ihren Geschichten über Straßenkunst, Kitaplatz-Suche und das Lachen im Karneval. in Düsseldorf. „Obwohl wir hier in Sicherheit leben und al- les haben, was wir brauchen, ist das Leben nicht einfach. Wir müssen bei Null anfangen“, sagt er in seinem Brief an Deutschland, den er im Kurs geschrieben hat. Seine Kinder haben bereits Pläne: Der Sohn möchte Fußball spielen lernen, die dreijährige Tochter möchte Ärztin werden. Zabihullah Puya hofft ebenfalls auf eine Zukunft – als Journalist. „Lie- bes Deutschland, ich will ein vollwertiges Mitglied deiner Gesellschaft werden, meine Steuern zahlen wie jeder ande- re“, schreibt er. Viele müssen sich erst einmal von ihrem Traumberuf verabschieden Häufig sind es vor allem enga- gierte Journalisten, die vor Re- pressionen fliehen müssen. Für ihre kritische Berichterstat- tung werden sie drangsaliert, bedroht, verfolgt oder sogar getötet. Viele fürchten nicht nur um sich, sondern auch um ihre Familien. Und das leider zu Recht: Die Organisation „Re- porter ohne Grenzen“ zählte für das vergangene Jahr insge- samt 74 Morde an Medien- schaffenden, 53 wurden gezielt wegen ihrer Arbeit getötet. An- dere starben während eines Einsatzes. Die gefährlichsten Länder für Journalisten sind nach wie vor Syrien, Afghanis- tan, die Ukraine, der Irak und der Jemen. In diesen Ländern werden kritische und unab- hängige Medien nach und nach geschlossen, Reporter bedroht oder auch an der Ausreise ins Ausland behindert. Viele geflüchtete Journalis- ten müssen ganz von vorne an- fangen – und sich oftmals zu- nächst von ihrem Traumberuf verabschieden. Der Prestige- verlust wiegt schwer. „Das ist sicherlich frustrierend“, sagt Zabihullah Puya. In Deutsch- land hören wir oft die Frage nach der eigenen Identität. Wer sind wir? Was machen wir? Was haben wir für Stär- ken und Schwächen...? Man könnte meinen, dass wir uns entwickeln, doch gleichzeitig entwickeln wir uns zurück. Auch für die Mitglieder von „Schreiben ohne Grenzen“ ist die Zukunft ungewiss. Viel- leicht ist ihr „Redaktions- raum“ in der Volkshochschule ein erster Schritt auf dem Weg zurück in den Beruf als Journa- list. eine der sichersten Städte Af- ghanistans. Doch auch Bedro- hungen durch Regierungsmit- arbeiter sind nicht auszu- schließen. Für Journalisten ist die Provinzhauptstadt aller- dings seit Jahren ein schwieri- ges Pflaster.“ Zabihullah Puya floh nach Deutschland und lebt seit Fe- bruar 2016 mit seinen Kindern nach Deutschland beantragt mit der Begründung, dass sie bedroht werde. „Manche meiner Kollegen hatten angegeben, Drohungen von den Taliban erhalten zu haben, und jetzt sie sind hier, um in Deutschland ein neues Leben zu beginnen“, sagt Zabi- hullah Puya. „Die nördliche Provinz Mazar-i-Sharif gilt als diert und einen Masterab- schluss erworben hatte. Zwei Monate nach ihrer Heimkehr nach Afghanistan war Palwas- ha Tokhi tot. Sie wurde am Ein- gang ihres Hauses ermordet. Vor ihrem Tod hatte sich Tokhi nach Angaben ihres früheren Arbeitgebers „Radio Bayan“ an die Bundeswehr gewandt und eine Ausreisegenehmigung nischen Sender. Er berichtet: „Meine Kollegin Palwasha Tok- hi im afghanischen Mazar- i-Sharif wurde am helllichten Tag ermordet. Wie viele ihrer Kollegen wurde auch sie zuvor bedroht. Bis 2012 hatte Palwas- ha Tokhi in einem Bundes- wehrlager gearbeitet.“ Gerade erst war sie aus Thailand zu- rückgekehrt, wo sie Jura stu- produktiv sein zu dürfen“. Auch der 36-jährige afgha- nische Journalist Zabihullah Puya ist dankbar für sein neues Leben in Deutschland. Er hat für „Radio Bayan“ bei der Bun- deswehr in Afghanistan gear- beitet. Puya entschloss sich, mit zivilen Mitteln die Terror- herrschaft zu bekämpfen als Journalist beim größten afgha- Von Ajmal Mayel Viele geflüchtete Journalisten haben Glück, weil sie mit ihren Familien eine neue Heimat ohne Krieg gefunden haben. Aber manche geflüchtete Jour- nalisten sind deprimiert, weil sie merken, dass es hier sehr schwierig ist, als Journalist zu arbeiten. Und zu den materiel- len Problemen kommt der Wunsch, eine sinnvolle Aufga- be zu haben: „Frieden und Si- cherheit sind nicht alles.“ So wie ich, mussten auch viele andere Journalisten aus Syrien, Uganda, Afghanistan, Pakistan, Aserbaidschan und anderen Ländern in den ver- gangenen Jahren ihr Heimat- land verlassen. Sie kommen aus Kriegs- und Krisengebieten oder wurden in pressefeindli- chen Staaten wegen kritischer Berichterstattung verfolgt. Hoffnung auf ein neues „Redaktionsräume-Gefühl“ Deswegen haben das Literatur- büro NRW, die Heinrich-Hei- ne-Universität und die Volks- hochschule Düsseldorf ein Pro- jekt gestartet, das geflüchteten Schreibenden helfen soll, mit ihrem Beruf in Deutschland Fuß zu fassen. Die Gruppe heißt „Schreiben ohne Gren- zen – Writers’ Room“ und trifft sich ein Mal pro Woche in ei- nem Raum der Volkshoch- schule. Maren Jungclaus vom Literaturbüro, Julia Koch, Lisa Ringele, Anika Rühl, Sarah Jan- sen und Jan-Philip Clooth von der Heinrich-Heine-Universi- tät (Abteilung Bildungsfor- schung und Bildungsmanage- ment, geleitet von Heiner Barz) wie auch Redakteure oder andere Gäste unterstüt- zen uns, indem sie beim Satz- bau und Ausdruck helfen oder Übersetzungen von Artikeln aus einer fremden Sprache in gutes Deutsch und in die richti- ge Form bringen. Und nun hat unsere Gruppe die Texte für diese Ausgabe geschrieben. Themen bei den Treffen sind zum Beispiel diese: Wie denken Sie über Ihre neue Hei- mat? Was deprimiert Sie, wo- rauf hoffen Sie? Was wäre, wenn Sie einfach mal alles auf- schreiben könnten, einen Brief an Deutschland verfassen? Meine Hoffnung ist es, gemein- sam endlich wieder ein „Re- daktionsräume-Gefühl“ zu entwickeln und das Gefühl zu bekommen, „endlich wieder Anzeige WZ SAMSTAG, 9. JUNI 2018 SEITE 15 Düsseldorf A TE TE AM AM 0211 0211 WIR WIR MACHEN MACHEN B ÄDER! ÄDER! 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„Schreiben ohne Grenzen“ und die Lokalredaktion der WZ (von links): Sarah Jansen, Jan Wiefels, Julia Koch, Thomas Frank, Maren Jungclaus,Ajmal Mayel, Nele Dohmen, Christian Herrendorf, Ersin Dalga, Salah Ngab, Loreleï Holtmann, Jan-Philip Clooth, Peter Littek, AlbaraaAlsaadi, Karina Rodriguez und Alexander Esch. Fotos: Senner, Esch, Herrendorf, Frank, Koch

Ersin Dalga und Sarah Jansen besuchten die Bezirksver-tretung 1.

Mouayad Atfeh, Karina Rodriguez und Alexander Esch beider Pressekonferenz zum Frankreichfest.

Arbeit in der Redaktion: Albaraa Alsaadi und Nele Doh-men, Ajmal Mayel und Peter Littek (von links).

Thomas Frank, Salah Ngab und Loreleï Holtmann beieinem Pressetermin in einer Flüchtlingsunterkunft.

Schreiben ohne GrenzenWie blicken geflüchtete Journalisten auf ihr neues Leben in ihrer neuen Heimat Deutschland? Die Mitglieder der Gruppe „Schreiben ohne Grenzen“ haben mit unsererRedaktion diese besondere Ausgabe gestaltet und schreiben in ihren Geschichten über Straßenkunst, Kitaplatz-Suche und das Lachen im Karneval.

in Düsseldorf. „Obwohl wirhier in Sicherheit leben und al-les haben, was wir brauchen,ist das Leben nicht einfach. Wirmüssen bei Null anfangen“,sagt er in seinem Brief anDeutschland, den er im Kursgeschrieben hat. Seine Kinderhaben bereits Pläne: Der Sohnmöchte Fußball spielen lernen,die dreijährige Tochter möchteÄrztin werden. ZabihullahPuya hofft ebenfalls auf eineZukunft – als Journalist. „Lie-bes Deutschland, ich will einvollwertiges Mitglied deinerGesellschaft werden, meineSteuern zahlen wie jeder ande-re“, schreibt er.

Viele müssen sich erst einmal vonihrem Traumberuf verabschieden

Häufig sind es vor allem enga-gierte Journalisten, die vor Re-pressionen fliehen müssen. Fürihre kritische Berichterstat-tung werden sie drangsaliert,bedroht, verfolgt oder sogargetötet. Viele fürchten nichtnur um sich, sondern auch umihre Familien. Und das leiderzu Recht: Die Organisation „Re-porter ohne Grenzen“ zähltefür das vergangene Jahr insge-samt 74 Morde an Medien-schaffenden, 53 wurden gezieltwegen ihrer Arbeit getötet. An-dere starben während einesEinsatzes. Die gefährlichstenLänder für Journalisten sindnach wie vor Syrien, Afghanis-tan, die Ukraine, der Irak undder Jemen. In diesen Ländernwerden kritische und unab-hängige Medien nach und nachgeschlossen, Reporter bedrohtoder auch an der Ausreise insAusland behindert.

Viele geflüchtete Journalis-ten müssen ganz von vorne an-fangen – und sich oftmals zu-nächst von ihrem Traumberufverabschieden. Der Prestige-verlust wiegt schwer. „Das istsicherlich frustrierend“, sagtZabihullah Puya. In Deutsch-land hören wir oft die Fragenach der eigenen Identität.Wer sind wir? Was machenwir? Was haben wir für Stär-ken und Schwächen...? Mankönnte meinen, dass wir unsentwickeln, doch gleichzeitigentwickeln wir uns zurück.

Auch für die Mitglieder von„Schreiben ohne Grenzen“ istdie Zukunft ungewiss. Viel-leicht ist ihr „Redaktions-raum“ in der Volkshochschuleein erster Schritt auf dem Wegzurück in den Beruf als Journa-list.

eine der sichersten Städte Af-ghanistans. Doch auch Bedro-hungen durch Regierungsmit-arbeiter sind nicht auszu-schließen. Für Journalisten istdie Provinzhauptstadt aller-dings seit Jahren ein schwieri-ges Pflaster.“

Zabihullah Puya floh nachDeutschland und lebt seit Fe-bruar 2016 mit seinen Kindern

nach Deutschland beantragtmit der Begründung, dass siebedroht werde.

„Manche meiner Kollegenhatten angegeben, Drohungenvon den Taliban erhalten zuhaben, und jetzt sie sind hier,um in Deutschland ein neuesLeben zu beginnen“, sagt Zabi-hullah Puya. „Die nördlicheProvinz Mazar-i-Sharif gilt als

diert und einen Masterab-schluss erworben hatte. ZweiMonate nach ihrer Heimkehrnach Afghanistan war Palwas-ha Tokhi tot. Sie wurde am Ein-gang ihres Hauses ermordet.Vor ihrem Tod hatte sich Tokhinach Angaben ihres früherenArbeitgebers „Radio Bayan“ andie Bundeswehr gewandt undeine Ausreisegenehmigung

nischen Sender. Er berichtet:„Meine Kollegin Palwasha Tok-hi im afghanischen Mazar-i-Sharif wurde am helllichtenTag ermordet. Wie viele ihrerKollegen wurde auch sie zuvorbedroht. Bis 2012 hatte Palwas-ha Tokhi in einem Bundes-wehrlager gearbeitet.“ Geradeerst war sie aus Thailand zu-rückgekehrt, wo sie Jura stu-

produktiv sein zu dürfen“.Auch der 36-jährige afgha-

nische Journalist ZabihullahPuya ist dankbar für sein neuesLeben in Deutschland. Er hatfür „Radio Bayan“ bei der Bun-deswehr in Afghanistan gear-beitet. Puya entschloss sich,mit zivilen Mitteln die Terror-herrschaft zu bekämpfen alsJournalist beim größten afgha-

Von Ajmal Mayel

Viele geflüchtete Journalistenhaben Glück, weil sie mit ihrenFamilien eine neue Heimatohne Krieg gefunden haben.Aber manche geflüchtete Jour-nalisten sind deprimiert, weilsie merken, dass es hier sehrschwierig ist, als Journalist zuarbeiten. Und zu den materiel-len Problemen kommt derWunsch, eine sinnvolle Aufga-be zu haben: „Frieden und Si-cherheit sind nicht alles.“

So wie ich, mussten auchviele andere Journalisten ausSyrien, Uganda, Afghanistan,Pakistan, Aserbaidschan undanderen Ländern in den ver-gangenen Jahren ihr Heimat-land verlassen. Sie kommenaus Kriegs- und Krisengebietenoder wurden in pressefeindli-chen Staaten wegen kritischerBerichterstattung verfolgt.

Hoffnung auf ein neues„Redaktionsräume-Gefühl“

Deswegen haben das Literatur-büro NRW, die Heinrich-Hei-ne-Universität und die Volks-hochschule Düsseldorf ein Pro-jekt gestartet, das geflüchtetenSchreibenden helfen soll, mitihrem Beruf in DeutschlandFuß zu fassen. Die Gruppeheißt „Schreiben ohne Gren-zen – Writers’ Room“ und trifftsich ein Mal pro Woche in ei-nem Raum der Volkshoch-schule. Maren Jungclaus vomLiteraturbüro, Julia Koch, LisaRingele, Anika Rühl, Sarah Jan-sen und Jan-Philip Clooth vonder Heinrich-Heine-Universi-tät (Abteilung Bildungsfor-schung und Bildungsmanage-ment, geleitet von HeinerBarz) wie auch Redakteureoder andere Gäste unterstüt-zen uns, indem sie beim Satz-bau und Ausdruck helfen oderÜbersetzungen von Artikelnaus einer fremden Sprache ingutes Deutsch und in die richti-ge Form bringen. Und nun hatunsere Gruppe die Texte fürdiese Ausgabe geschrieben.

Themen bei den Treffensind zum Beispiel diese: Wiedenken Sie über Ihre neue Hei-mat? Was deprimiert Sie, wo-rauf hoffen Sie? Was wäre,wenn Sie einfach mal alles auf-schreiben könnten, einen Briefan Deutschland verfassen?Meine Hoffnung ist es, gemein-sam endlich wieder ein „Re-daktionsräume-Gefühl“ zuentwickeln und das Gefühl zubekommen, „endlich wieder

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„Heimat ist ein Menschenrecht. Heimat lächelt“Was es bedeutet, in Düsseldorf zu leben, beschreiben zwei Afghanen und zwei Deutsche.

wohl zu fühlen dort, wo manist. Heimat kann man sich ma-chen – egal wo. Und Heimat istein Menschenrecht.“

Was ist Heimat für Dirk Sau-erborn? Der Ansprechpartnerfür interkulturelle Angelegen-heiten im Polizeipräsidiumwohnt mit seiner Lebensge-fährtin und seiner Tochter (na-türlich) in Düsseldorf. „Heimatist für mich, mich nicht recht-fertigen zu müssen, einfach dazu sein, Vertrautheit, das Ge-fühl, ich bin willkommen, sowie ich bin, ich muss michnicht verstellen, keine Rollespielen, ich darf einfach ichsein. Heimat ist ein Gefühl,kein Aggregatzustand. Einwarmes Gefühl. Heimat istGrün, nicht Blau. Warm, nichtkalt. Heimat ist Umarmung, dieWelt um mich umarmt mich,trägt mich, tröstet mich. Freutsich mit mir. Heimat lächelt.“

Ajmal Mayel wurde 1979 in Mazar iSharif, Afghanistan, geboren.Der Journalist lebt mitseiner Frau, einerGynäkologin, undseinen dreiKindern seit April2016 inDeutschland.Er musste vorden Talibanfliehen.

gut vorstellen, auch in anderenTeilen von Deutschland zu le-ben, am liebsten im hohenNorden. Dort gibt es so viele in-teressante Gegenden undLandschaften. Die Unkompli-ziertheit und Offenheit derRheinländer würde ich ver-mutlich vermissen. Und auchnoch wichtig ist für mich: Mei-ne Heimat ist ein grünes Landmit einem angenehmen Klimaund viel Natur. Zur Heimatlie-be gehört für mich auch die Be-wahrung der Natur und derSchöpfung.“

Abdulqahar Qahar ist seitdrei Jahren in Düsseldorf, ermusste vor den Taliban aus Af-ghanistan fliehen. Er sagt: „Fürmich bedeutet HeimatlandTradition. Heimat ist Goßel-tern. Heimat ist Ahnen. Heimatwird vererbt. Heimat sind Ge-schichten. Heimat ist für vieleHaus und Hof. Heimat ist Ver-trautes. Heimat ist Beziehun-gen. Heimat ist Mentalität. Hei-mat bedeutet: Gesetze. Und ja,Heimat kann verortet werdenund zwar auch physisch. Hei-mat ist eben auf gar keinen Fallnur Gefühl. Alles nicht Physi-sche hängt mit einem odermehreren Orten zusammenund umgekehrt. Heimat ohnephysischen Ort gibt es nicht.Heimatland entsteht, wennman die Fähigkeit hat, sich

Charakter, Mentalität, Einstel-lungen und Weltauffassungenprägen. Der Begriff „Heimat-land“ befindet sich in ständi-ger Diskussion und Verände-rung.

Was Heimat für eine Deut-sche bedeutet, sagt Ulrike Gla-esle, Marketingleiterin desVDI-Verlages. Sie lebt mit ih-rem Mann und zwei Kindern inDüsseldorf: „Heimat ist dort,wo ich lebe und nicht weg will,und wo die Menschen sind, dieich liebe: meine Familie undFreunde. Es ist der Ort, dasLand, wo die Gerüche, das Es-sen, die Sprache, die Kulturund die Geschichte mir ver-traut sind: Deutschland. DieseVertrautheit spendet mir inne-re Wärme, Sicherheit undschenkt mir Zufriedenheit,hier gehöre ich hin. Es ist eineHeimat, die mir sehr viel Frei-heiten gibt: frei zu denken, freizu sprechen und zu leben. Esist ein sehr großzügiges Hei-matland. Je älter ich werde,desto wichtiger ist es mir, dieseFreiheiten auch für die nach-folgenden Generationen zu be-wahren. Denn was es bedeutet,unfrei zu sein, musste die Ge-neration meiner Elternschmerzhaft erfahren. Die Ver-ortung meiner Heimat endetfür mich nicht am Ortsschildvon Düsseldorf. Ich kann mir

kommen aus Kriegs- und Kri-sengebieten oder wurden inpressefeindlichen Staaten we-gen ihrer kritischen Berichter-stattung verfolgt. Für alle kannman sagen: Heimatland ist Ge-fühl, das Gefühl ist subjektiv, esist privat wie intim, individuellist es auch. Es hat eine Farbe,einen Geruch, es hat Bilder, diekeines Retro-Filters bedürfen.Streiten lässt sich darübernicht – dazu ist es zu persön-lich. Aber eines ist sicher: Hei-mat ist ein Menschenrecht.

Der Begriff Heimatland ver-weist zumeist auf eine Bezie-hung zwischen Mensch undRaum. Im allgemeinen Sprach-gebrauch wird er auf den Ortangewendet, in den einMensch hineingeboren wirdund in dem die frühesten So-zialisationserlebnisse stattfin-den, die zunächst Identität,

Von Ajmal Mayel

Tag und Nacht prägen dieseFragen meine Gedanken undmeine Gespräche: Woher kom-men wir und warum kommenwir? Wohin gehen wir – undwann sehen wir endlich unsereHeimat wieder? Atahullah Ho-seeni, der aus Afghanistan ge-flüchtet ist, sagt: „Heimatlandist mehr. Mehr als Heimat,mehr als Heimstatt. Heimat-land ist eigen, konturlos, ver-schwimmend in Farben undFormen, ausufernd und un-greifbar wie ein Traum.“

Hoseeni ist verheiratet undhat drei Kinder. Er ist seit dreiJahren in Düsseldorf und lerntim Moment Deutsch. Ist Hei-mat ein Haus, ein Ort, einLand? Muss das Zuhause in derHeimat liegen? Darf das Hei-matland einem fremd sein?Auf jeden Fall gilt: Heimatbraucht keine Definition. Hei-mat ist schwarz-weiß, und sieist grau, aber sie ist nicht die-ses Grau, das aus der Mischungvon Schwarz und Weiß ent-steht. Sie ist subjektiv und siebraucht keine Definition, weilsie kein Begriff ist: Sie ist einGefühl.

So wie Atahullah musstenauch viele andere Flüchtlingein den vergangenen Jahren ihrHeimatland verlassen. Sie

Das Lachen während des KarnevalsBeobachtungen einer Peruanerin: Was Satire und Humor gegen Terror ausrichten können und ein Vergleich zwischen dem Karneval in Düsseldorf und Peru.

die Art, wie Menschen die Weltsehen und verstehen.

Lachen wir also währendunserer Karnevals -und ande-rer Festlichkeiten im Februar,seien diese düsseldorferischoder peruanisch, aber lasst unseinfach lachen, ohne jedochdie Emotion zu vergessen, die-ser grundlegende Bestandteil,den ich entdeckt habe, der unsim Lachen eint und charakteri-siert. Ganz gleich ob wir nunkritisieren oder danken, essind Emotionen, die beides inBewegung setzen.

Karina Rodriguez (41)stammt aus Peru und ist mit

ihrem deutschen Mann2014 nach

Düsseldorfgekommen, umhier als Soziologinund

Modedesignerin zu arbeiten.

– oder Opfer, wie er sie nennt–erlaubt sogar demjenigen, dernoch unter dem gestrigen „Ka-ter“ leidet, die Botschaft zuverstehen und zu fühlen, wasuns der Künstler damit erzäh-len möchte. Eine Botschaft, diegenau wie die gesamte StadtDüsseldorf, kein Blatt vor denMund nimmt; wo das Lachenwährend des Karnevals, ge-wollt oder ungewollt, aber im-mer revolutionär, Humorlosig-keit in Spott, Angst in Kühn-heit und Terror in Freiheit ver-wandelt.

Jedes dieser Lachen, wel-ches Jacques Tilly Jahr für Jahrdurch seine Kunst provoziert,erweicht, verändert und ver-wandelt Stück für Stück die ge-lähmten Kiefer derer, denendas Lachen keine Gewohnheitist. So wie der stete Wasser-tropfen den Stein aushöhlt, soverändert der Künstler auch,obwohl er das so nicht für sichin Anspruch nehmen möchte,

es für mich ganz klar, dass erseit mehr als 30 Jahren ge-konnt die politische Satire undden kritischen Humor als seineWaffen einsetzt, damit wir unstotlachen. Um diese Traditionjeden Februar am Leben zu er-halten, zeigt er sein Talent, in-dem er uns seine Kreationen in3-D zeigt, diese Szenarien inBewegung, diese Kurzge-schichten, deren komplexe so-ziale, politische und religiöseZusammenhänge sich nichtnur auf Düsseldorf, sondernauf die ganze Welt beziehen.Wo seine Figuren nicht mehrnur aus Pappmaché sind, son-dern zu Schauspielern werden,deren Aufgabe es ist, uns dasraue Leben mit wenigen Wor-ten, aber mittels einer einzig-artigen Emotion, die nurJacques Tilly in diesen Festta-gen vermitteln kann, vor Au-gen zu führen. Diese über-schäumende und übertriebeneDarstellung seiner Charaktere

senmontag, sollte mir dasSchicksal die Möglichkeit ge-ben, von Jacques Tilly, demSchöpfer von derlei Kühnheit,darauf eine Antwort zu erhal-ten.

Und nach dem unterhaltsa-men und interessanten Ge-spräch, das ich mit dem Künst-ler hatte, verstand ich, dass dasLachen während des Karnevalsin Düsseldorf frech, unhöflich,respektlos, ohne Tabus undohne Zensur ist. Gestützt aufdie Tradition seit dem Mittelal-ter, hat der Narr während desKarnevals die Macht, seineWahrheit klar zu sagen, denMächtigen oder der Obrigkeitden Spiegel vorzuhalten, damitdiese ihre Fehler darin wider-gespiegelt sehen können. Undobwohl Jacques Tilly, einer derSchöpfer und Provokateuresolchen Lachens, sich von Na-tur aus eher nicht als Spaßvo-gel, sondern mehr als introver-tierten Menschen versteht, ist

unterschiedliche Gründe fürdas Lachen haben. Wo ich her-komme, sind der Karneval unddie Feste im Februar eine Mi-schung zwischen dem Dank andie Mutter Erde („Pachama-ma“ in Quechua) oder an man-che Gottheit wie z.B. die „Ma-mita Candelaria“, nicht nur fürdie Ernte, die der Boden unsgegeben hat, sondern auch füralle weiteren Wohltaten, diewir während des Jahre erhal-ten haben. Durch Musik, Tanzund Spiel geben wir etwas zu-rück und danken für derenGroßzügigkeit. So wie das Was-ser, das eine Pflanze brauchtum Früchte zu tragen, sind dasLachen und die Freude derMenschen das Mittel, damit dieNatur und die Götter ihre Ar-beit machen können. Es gefälltihnen, wenn wir lachen. Wieaber klingt eigentlich das La-chen während des Karnevals inDüsseldorf? Drei Karnevalszei-ten nach meinem ersten Ro-

rend ich den Beifall und das ab-gehackte Lachen der Mengehörte, die immer noch weitereMottowagen begeistert erwar-tete, dachte ich, dass Lachenund Humor die Angst und denTerror getötet haben.

„Wer ist der Künstler hinterdiesen Mottowagen?“ fragteich eine sympathische Frau,die neben mir stand. „UnserJacques Tilly!“ kam die Ant-wort mit offensichtlichemStolz wie aus der Pistole ge-schossen. Nach diesem Karne-val habe ich mich gefragt, obwir bei ähnlichen Traditionen

Von Karina Rodriguez

Ich erinnere mich, dass es amMorgen eines Donnerstags imFebruar 2015 war, als mich derDüsseldorfer Karneval über-rascht hat. Das war plötzlichein lautes „Helau!“ einesClowns, der mit mir an der Hal-testelle Graf- Adolf-Platz aus-gestiegen war und weswegenich lauthals loslachen musste.Was für eine schöne Überra-schung schon am frühen Mor-gen. Vier Monate vorher warich aus meiner Heimat Perunach Düsseldorf umgezogenund hatte wegen des Umzugsund meines Deutschkursesgänzlich vergessen, dass dieKarnevalszeit schon lange an-gefangen hatte und schon fastwieder zu Ende war. Wie habeich mich gefreut, auf den Stra-ßen verkleidete, fröhliche undlärmende Menschen zu sehenund zu hören, die die ganzeStadt Düsseldorf fröhlich ver-ändert haben. Plötzlich hatteich das Gefühl, nochmal inPeru zu sein, wo wir im Febru-ar auch die Tradition des Kar-nevals haben. Ich habe michvoller Farben, Lärm aber be-sonders voller Leben gefühlt.

Im Vergleich zu dem Land,aus dem ich komme, ist mirbeim Düsseldorfer Karnevalbesonders das Lachen, ja dasLachen aufgefallen, dem ichwährend meines ersten Rosen-montagszugs überall begegnetbin. Obwohl einem seit Anfangdes Jahres wegen des An-schlags in Frankreich eigent-lich das Lachen vergangenwar, waren mein Erstaunenund meine Freude groß, als ichim Rosenmontagszug einenMottowagen sah, auf dem eineTerrorszene als Karikatur ge-zeigt wurde, die in klarer Formeine direkte Botschaft hatte,nämlich: „Satire kann mannicht Töten!“ Wow! Unglaub-lich! Im diesem Moment, wäh-

Nach den Anschlägen auf das Satiremagazin Charlie Hebdo griff Jacques Tilly 2015 das heikle Thema Terror mit einem Mottowagen im Rosenmontagsumzug auf. Archiv-Foto: David Young

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Folgende Prospekte findenSie in Teilen der heutigenWZ-Auflage:

CampanaTrendtours

WZ SAMSTAG, 9. JUNI 201816 Düsseldorfer Meinung & Service A

IMPRESSUM

Düsseldorfer NachrichtenDüsseldorfer GeneralanzeigerLokalredaktion:Telefon: 0211/8382-2366, E-Mail: [email protected] Herrendorf (verantw.), Alexander Esch (stellv.), Nadine Diab, Nele Dohmen, Thomas Frank (Kultur), Christian Oscar Gazsi Laki (Kultur), Norbert Krings (Sport), Peter Littek, Alexander Schulte, Dieter Sieckmeyer, Annic Völkel.Verlagsleitung und verantwortl. für Anzeigen:Christian KokeTelefonischer Anzeigenverkauf:Telefon: 0211/8382-1, Telefax: 0211/8382-2215;E-Mail: [email protected] (für die o.g. Verantwortlichen):Verlag: Westdeutsche Zeitung GmbH & Co. KGGirardethaus, Königsallee 27, 40212 Düsseldorf,Telefon: 0211/8382-0.Leser-ServiceTelefon: 0800/1452452 (kostenlose Service-Hotline)

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12. Juni 2018, 18.00 – 19.30 UhrVeranstaltungsraum | EGUrdenbacher Allee 8340593 Düsseldorf

Das Kreuz mit dem Kreuz:Hilfe bei Rückenschmerzen

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Thomas Eichenhofer LLttdd.. AArrzztt NNeeururoocchihirrururggiieeKKlliiniknik ffürür OOrrtthhooppädädiiee,, UUnnffaallll-- uunnddWWiieeddererherhersstteelllluungsngscchhiirruurrggiieeClaudiu-Liviu PaladeSSaannaa MMVVZZ BBeennrraatthh -- NNeeuurroocchhiirruurrggiieePhilipp Voit AAssssiissttenenzzaarrzzttKKlliiniknik ffürür OOrrtthhooppädädiiee,, UUnnffaallll-- uunnddWWiieeddererherhersstteelllluungsngscchhiirruurrggiiee

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Düsseldorf in fremden AugenManch irritierendes Gebäude am Stadtrand, die fremden Nachbarn oder einfach Hunde auf der Straße: Wie die Stadt auf einen neuen Bewohner wirkt.

Die politische Schicht Auffäl-lig für Fremde ist die Normali-tät, mit der du bei einem Eventoder auch einer kleinen Veran-staltung auf einen Staatsmannoder mehrere treffen kannst –und vielleicht sogar neben ei-nem sitzt! Für viele ist dieseEgalität unglaublich, und gera-de in Düsseldorf als Hauptstadtdes Bundeslandes wird sie ganzdeutlich: Bürgermeister, Mi-nisterpräsident, der Haupt-kommissar und Parlamentsab-geordnete leben hier. Staats-männer führen hier ein ganznormales Leben – im Gegen-satz zu vielen anderen Län-dern, wo diese Leute verrück-terweise wahnsinnig ausgerüs-tet und abgeschirmt werdenmüssen. Hier in Düsseldorf er-kennt man sie oft nicht, weilsie reden, ausgehen und aufFahrräder steigen. Das ist sehrauffällig und spannend für dieNeuankömmlinge, vor allemfür die aus der arabischenWelt, wo die Verherrlichungsolcher Menschen total normalund Teil des alltäglichen Le-bens ist. Das ist spürbar wegender Bodyguards und den Stra-ßensperren – und das bei je-dem noch so kleinen Staats-mann, der wie ein großer Im-perator auftritt: der Echte-Konvoi, dann die Lockvogel-Konvois etc. Man wird dortnach und nach gezwungen,diese Haltung anzunehmen.

Das Phänomen der Staats-flagge In Düsseldorf sieht mandie deutsche Flagge selten. DasFlaggenhissen ist in vielen Län-dern üblich, um nicht zu sagen,gang und gäbe. Einmal dachteich, es sei gesetzlich verbotenzu flaggen! Man denkt, die Lie-be zu ihrem Land muss bei derBevölkerung sehr gering sein,oder ihr Patriotismus fragil.Nach einiger Zeit merkte ich,dass genau das Gegenteil rich-tig ist: Patriotismus ist keineFrage einer Plakette oder Flag-ge. Denn unter der Flaggeherrscht oft die Herzlosigkeit,die Härte der Heimat! Und dasnicht nur in Deutschland. Aberder Staat kämpft gegen dieseMenschen. Und mit Sicherheitist der Schutz der Bürger wich-tiger als eine Flagge. Man fühltdas landesweit in allen Städtender 16 Bundesländer inDeutschland – und eine davonist definitiv meine Lieblings-stadt – Düsseldorf!

Albaraa Alsaadi kommtaus Daraa in Syrien undhat in Damaskus alsArchitekt in einemIngenieurbüro gearbeitet.

In Düsseldorf arbeitet erauch als Architekt.

isst, trinkt, weint. Jemanden ei-nen Hund zu nennen, gilt inunserer Kultur als Beschimp-fung. Irgendwann sagte ichdann spaßeshalber zu meinenFreunden: „Schämt ihr euchnicht!? Schaut ihn euch an,dieser strubbelige Hund ver-steht jedes deutsche Wort undvielleicht redet er! Und zwarbesser als ihr!“ Irgendwannsollte sich jeder Neuankömm-ling an diesen Anblick gewöh-nen.

Buchhandel Es ist eines derschönsten Kulturdenkmäleram Düsseldorfer Hauptbahn-hof. Wenn man hineingeht,empfindet man unbedingt die-sen Rausch! Sie beinhaltet vie-les, von jedem Meer einenTropfen und von jedem Landeinen Song. In der Heimat ver-misst jeder Neuankömmlingdiesen Ort, denn dieser Ort be-findet sich dort nur in den Unisund weniger in den Städten.Das ist tatsächlich ein Zeichenfür die Begeisterung für das Le-sen und die Liebe dazu, vomhohen geistigen Reifegrad unddem großen Interesse an Bil-dung. Heute haben viele mitder Bibliothek Freundschaftgeschlossen, und ich bin einerdavon. Fast täglich kommeich vorbei, schaue über dieRomane, Geschichtsbücher,Architekturbände, Wissen-schaftsmagazine, und im-mer gehe ich an den Standmit den Weltzeitungen, woes politische Nach-richten in allenSprachen gibt.Dort besorge ichmir öfter etwaszum Lesen.

gen – nur als Beispiel. Nach fastzwei Jahren hatte ich endlichgelernt, dass, wenn du ge-zwungenermaßen eine Frageauf der Straße stellen möch-test, sofort eine weitere Fragehinterhergeschoben wird –und du dann ganz direkt mitdem Smalltalk beginnen musst– und das meine ich nicht iro-nisch! Denn: Nur mit der kur-zen Frage „Entschuldigung,eine kurze Frage. . .“ machst dudich verdächtig. Irgendwannging mir auf, dass ich einfachnur als Bettler betrachtet wur-de und der Angesprochene le-diglich darauf wartete, wie vielEuro ich fordern würde! Unddabei habe ich doch nur darü-ber nachgedacht, welches Mo-dalverb ich nutzen soll: wollenoder möchten? Konjunktiv 1oder besser Konjunktiv 2? Erdenkt werweißwas, und dudenkst nur über eine möglichsthöfliche Formulierung nach!Was für ein Missverständnis!

Hunde Mehrmals sprang ichmeterweit weg aus Ehrfurchtvor diesem Wesen. Es ist für je-den Neuankömmling aus Nah-ost etwas sehr Fremdes, dieseHunde auf der Straße – auchwenn es so etwas bei uns gibt,aber dann nur Polizeihundeoder Diensthunde oder imschlimmsten Fall Raubtiere.Hier hingegen änderte sichmein Eindruck schnell: Jetztseht man dieses Wesen mitMilde, auf eine nette, liebeWeise und mit liebevollemBlick. Was ist denn mit diesemWesen! Seine Augen, Lippen,sein Fell, die Bewegungen, dassman Gedichte darüber schrei-ben könnte. Er fühlt, versteht,

wenn man in einer sozial offe-nen Gesellschaft wohnte, undsich dann plötzlich mit einergeschlossenen, zurückhalten-den Gesellschaft abfindenmuss. Eines Tages beschlossich, selbst die Initiative zu er-greifen und eine von den Nach-barinnen anzusprechen: DieFrau, die neben mir wohnt, istalleine – soll ich sie zum Kaf-feetrinken einladen? Nein, dasist komisch als erster Schritt!Besser, ich bereite zunächstein arabisches Essen vor undbringe es ihr – ja, so machte iches, genau! Stopp! Das ist nichtso einfach – denn leider miss-glückte dieser Versuch einerAnnäherung, die Reaktion warnegativ. Obwohl sie so freund-lich aussah. Man erwartet esnicht, dass jemand ein Essen soablehnt. Diese Eiswand mussgebrochen werden, sagte ichnachher zu mir. Als ich späterzufällig die andere Nachbarinsah, ebenfalls eine allein woh-nende Seniorin, wechselte ichmit ihr einige Wörter, lud siezum Kaffee ein und brachte ihrkurz danach ein leckeres arabi-sches Essen – das sie nett undgerne annahm. Ich konnte diestarke Barriere brechen. Undsie fragte mich sogar, warumich sie sieze! Ja, das freutemich. Sie begegnet mir jetztmit schönem Lächeln und fragtmich gerne, wie es mir geht –oder meiner Familie.

Fragen stellen Es ist ganz nor-mal, dass man sich hier in die-sem komplizierten Land, indieser schraubenförmigenStadt verliert, sowohl in denstacheligen Gesetzen als auchbei den Verkehrsverbindun-

täglich zwischen Wohnung,Arbeitsplatz und der Gebets-stätte hin und her – und trotz-dem gibt es immer Zeit für diewichtigen Menschen. Fragtman hier: „Warum hast dunicht jeden Tag Kontakt mitVater, Mutter, mit deiner Fa-milie? Das stiehlt keine Zeitund kostet tatsächlich nur einpaar Minuten“, so heißt es:„Ich habe keine Zeit.“ Ist diedeutsche Gesellschaft da viel-leicht anderer Natur? Häufigfindest du viele Meter zwi-schen den Menschen: Nichtnur in der Schlange vor derBank oder der Supermarktkas-se, sondern auch in den sozia-len Beziehungen. Es ist auffäl-lig: Wer die soziologischen Ty-pen recherchiert, findet hierüberall Singles, die durch dieStadt laufen.

Nachbarn „Nachbar“ ist einAusdruck, der zu verschwin-den scheint. In den zwei Jah-ren, in denen ich in Deutsch-land bin, habe ich die Bedeu-tung des Wortes fast verges-sen. In meiner Heimat ist derNachbar immer anwesend. Icherinnere mich gut daran, wäh-rend ich in Düsseldorf lebe.Doch erst als ich schon ein Jahrund acht Monate in meinerDüsseldorfer Wohnung lebte,fing eine meiner Hausbewoh-nerinnen an, mich zu grüßenund mir mit einem angeneh-men Lächeln zu begegnen,wenn wir uns zufällig trafen.Vielleicht ist ein Lächeln derSchlüssel für die trennendeTür? Für mich war dieser Vor-behalt, diese Angst, auch Fana-tismus so schwer zu erleben, sostörend und so heftig! Störend,

Hauptbahnhof Die meistengroßen HauptbahnhöfeDeutschlands präsentieren dirsofort einen Panorama-Schnappschuss der Stadt,wenn du den Ausgang verlässt.Ein Foto, das die Stadt bündelt– nur in Düsseldorf ist es an-ders: Die Stadt versteckt ihrePerlen! Da fühlt man sich wiein einer ganz anderen Welt,während man in dem Gedrän-ge läuft und von dort auf denoffenen Bahnhofsvorplatztritt. Auf den ersten Blickscheint die Stadt leer und ödezu sein – ganz im Gegensatzzum Gedränge im Bahnhofsin-neren. Der Neuankömmlingwird sich später wundern, wieschön und gigantisch Düssel-dorf ist.

Der soziologische AutismusEs ist ganz normal, dass manals Neuankömmling in Einsam-keit lebt, weil das soziale Lebenin Deutschland etwas träge zusein scheint. Viele begründendas mit dem Mangel an Zeit –die Zeit reicht nicht aus, umdiese soziale glatte Mauer auf-zubrechen. Ich bin aber ande-rer Auffassung, denn wennman die Gesellschaften mitei-nander vergleicht – also bei-spielsweise Düsseldorf undeine orientalisch-arabischeStadt oder Köln und eine orien-talisch-arabische Stadt –, dannentdeckt man am BeispielKölns, dass die fehlende Zeitnicht der Grund sein kann. Inder Levante, der Region, ausder ich stamme, haben diemeisten Menschen mindestenszwei erschöpfende Jobs, küm-mern sich um vier oder fünfKinder und pendeln mehrmals

Von Albaraa Alsaadi

Düsseldorf ist in meinen Augendie Stadt der Schönheit undder Vollkommenheit. Nichtnur der längste Fluss Deutsch-lands, der Rhein, liegt dort undschenkt dem Ort eine natürli-che Magie. Schon währendmeines Architektur-Studiumsin Damaskus hatte diese Stadteinen besonderen Klang fürmich. Mehrmals begegnete ichihr, mit ihren wundervollenarchitektonischen Pionierta-ten, die als einzigartige Bei-spiele weltweit berühmt sind:Zum Beispiel gibt es dort dieIkone Frank Gehry, der kana-disch-US-amerikanische Ar-chitekt, Vordenker der dekon-struktivistischen Architektur.Er ist der Designer der Gebäudeim Medienhafen, die in vielenUniversitäten weltweit als Pa-radebeispiele moderner de-konstruktivistischer Architek-tur präsentiert werden. Sie wa-ren das Erste, was ich von Düs-seldorf sah und die meinenEindruck von der Stadt – undmeine Erwartung an diese – ge-prägt haben.

Am Stadtrand Wenn du vomStadtrand kommst, etwa mitdem Zug von Krefeld über dieEisenbahnbrücke am Hafen, ei-len deine Augen voraus zurSchönheit der Natur und zudem alles beherrschendemWasser. Es geht weiter auf denGleisen. Du empfindest die Ge-bäude von weitem als eintönig,überall das gleiche Material,die gleichen Fenster und Tü-ren, alles ist perfekt geplant. . .Kommst du jedoch näher, fin-dest du die zerlumpten Bautenrechts und links in ständigerWiederholung – und du fragstdich: Echt?! Ist das die Zivilisa-tion? Ist das der Fortschritt, dieindustrielle städtebaulicheEntwicklung, von denen ichvorher so viel hörte?

Ja, das alles frage ich micherstaunt, denn im Kopf jedesMenschen aus Nahost nistetdas Stereotyp über die westli-che Welt und besondersDeutschland als Mitglied derEU. Dort, wo die technologi-sche Entwicklung ihren Ur-sprung hatte, wo es weder alteSteine noch altes Holz gibt.Dort, wo alle Gebäude aus Goldgebaut wurden, wo Steine undStaub verschwunden sind, undjede Stadt wie ein Gemälde vonDisneyland-Palästen aussieht.

Im Laufe der Zeit ändertsich dieser Eindruck, dann be-weist das Leben in dieser Stadt,dass der Fortschritt nicht indiesen stummen Mauern lebt,und die westliche Zivilisationweder in sichtbaren Farben,noch in konkreten Dingenruht.

In der Realität findest du dieZivilisation in der staatlichenOrdnung, in der Güte, in denRegeln und Gesetzen, die alleMenschen in ihrer Unter-schiedlichkeit respektieren.

Die Gehry-Bauten sind das, was Albaraa Alsaadi als erstes von Düsseldorf sah – und zwar noch damals in Damaskus. Sie waren Thema an der Universität. Fotos: Albaraa Alsaadi

Der Bahnhofsvorplatz vermittelt ein ganz anderes Bild der Stadt, als es daseigentliche Düsseldorf vermag.

Der Buchhandel im Hauptbahnhof hat für unseren Autor eine besondere Faszination: Hier gibt es literarisch fast alles,was das Leseherz begehrt. In seiner Heimat war das eher auf die Universitäten beschränkt.

A Düsseldorfer Nachrichten 17WZ SAMSTAG, 9. JUNI 2018

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Die schwierige Suche nach einem KitaplatzHerr M. möchte seiner dreijährigen Tochter nicht vorenthalten, einen ganz normalen Kindergarten zu besuchen. Aber da gibt es viele Hindernisse.

deutschsprachige! – Kinder-garten 1856 von Friedrich Frö-bel und Margarethe Schurz inWatertown gegründet, der ers-te englischsprachige eröffnete1860 in Boston. Als Datum derEinschulung wird in den meis-ten amerikanischen Familiennicht der Beginn der erstenKlasse, sondern der Eintritt desKindes in den Kindergarten ge-feiert. So hoch ist hier der Stel-lenwert des Kindergartens.

Mouayad Atfeh ist 36 Jahre alt undhat in Damaskus als Buchhaltergearbeitet. Er lebt seit zwei Jahrenin Düsseldorf.

der höchsten Einkommens-gruppe.

Am 1. August hoffen rund27 500 Kinder unter Schulein-tritt auf einen Kindergarten-platz. Besonders angespanntist die Lage in den innerstädti-schen Gebieten wie in Ober-bilk, wo auch Herr M. zuhauseist. Trotz der Eröffnung von elfneuen Kindergärten im letztenJahr gibt es auch in diesem Jahrganze zwölf neue Kindergär-ten, die 2018/2019 rund 950neue Plätze für Kinder schaf-fen – ein Hoffnungsschimmer,aber dennoch keine Gewiss-heit. Weil die Registrierungs-zahlen stetig steigen. Und eswird eine Erhöhung der Anzahlder jährlich erforderlichenPlätze um 1200 bis zum Jahr2025 erwartet.

Können wir von anderenLändern lernen? In Frankreichist es obligatorisch, alle Kinderaufzunehmen, die einen Platzin den Kindergärten habenmöchten. Derzeit existiert einneues Gesetz, das die Kinder-gartenzeit als Teil der Grund-ausbildung anerkennt. In denUSA wurde der erste –

sind Kindergartenplätze inDüsseldorf kostenlos. Düssel-dorf will sich als Familienstadtprofilieren und für junge Fami-lien attraktiv sein. KostenloseKitaplätze sind da ein zusätzli-cher Anreiz und ein weicherStandortfaktor für die Stadt.Man versuche, jedem Kind, daseinen Kitaplatz in Düsseldorfbenötigt, auch einen Platz an-bieten zu können. Dazu passt,dass entgegengesetzt zumTrend im Ruhrgebiet, in Düs-seldorf die Einwohnerzahlensteigen und die Geburtenraterelativ hoch ist.

Die Kosten für einen Kita-platz waren bislang stark nachBuchungszeit und Einkommengestaffelt. Trotzdem waren gut70 Prozent der Eltern von denKitagebühren befreit, weil siedie Einkommensuntergrenzevon 24 542 Euro Brutto-Ein-kommen im Jahr unterschrit-ten haben. Die kostenlosenKindergartenplätze kosten dieStadt im Jahr ungefähr 20 Mil-lionen Euro. Eltern sparen sichheute zwischen 33 Euro im Mo-nat bis hin zu 370 Euro im Mo-nat für einen Ganztagsplatz in

Kinder, die in Deutschland dasdritte und in der Schweiz dasvierte Lebensjahr vollendethaben und in Österreich einJahr mindestens.

Derzeit besuchen 93,6 Pro-zent der Kinder zwischen dreiund fünf Jahren eine Kinderta-gesbetreuung in Deutschland.Dies gilt als eine der wichtigs-ten Stufen in der Bildung derPersönlichkeit des Kindes undder Entwicklung seines Den-kens und bestimmt seine Ten-denzen im Allgemeinen.

Unterhalten werden dieKindergärten in Deutschlandvon den verschiedensten Stel-len: Es gibt freie, kommunale,kirchliche oder privatwirt-schaftliche Träger, Institutio-nen der Freien Wohlfahrtspfle-ge, Vereine und Elterninitiati-ven. Insgesamt gibt es inDeutschland 55 293 Tagesein-richtungen für Kinder. Davonbieten 19 657 eine integrativeBetreuung von Kindern mitund ohne Behinderung an. Nurnoch 251 Kindertageseinrich-tungen richten sich allein anKinder mit Behinderungen.

Seit dem Kitajahr 2009/2010

gen Lebensstandards bliebendie meisten Kinder also zuHause und wurden von derMutter oder Großmutter be-treut, was durch die großen Fa-milien und die geringe Zahlvon erwerbstätigen Frauen(wenn die auch in den letztenJahren stark anstieg) auch eini-germaßen funktionierte.

Deutschland als Erfinder desKindergartens – mit wenig PlätzenNie hätte Herr M. mit solchenProblemen gerechnet. InDeutschland, dem „Erfinderdes Kindergartens“: Am28. Juni 1840 gründete Fried-rich Wilhelm in Blankenbergnach der Industriellen Revolu-tion den ersten „Deutschen öf-fentlichen Kindergarten“ alsReaktion auf die verändertenfamiliären und sozialen Um-stände: Frauen wurden mehrund mehr in die industriellenProduktionsprozesse einbezo-gen, besonders in den schnellwachsenden Städten. Der Be-darf an Kinderbetreuungwuchs also.

Heute ist die Einrichtungganz selbstverständlich für

lien, an solche, die bereits Ge-schwister in der Einrichtunghaben, deren Eltern arbeitenoder an die Kinder, die schonim letzten oder vorletzten Jahrnicht berücksichtigt wurden.

Wie sollte Herr M. diese Be-dingungen erfüllen, der vor ge-rade eineinhalb Jahren mit sei-ner Familie aus Syrien nachDeutschland gekommen war,und demzufolge weder katho-lisch war noch Arbeit hatte –geschweige denn andere Kin-der in der Einrichtung. Wo-chen vergingen mit vielen Be-suchen und Versuchen in zahl-reichen Kindergärten – leiderohne Ergebnis. Bald beginntdas neue Schuljahr und bishergibt es keinen Platz in einemKindergarten, der seinenTraum und den seiner Tochtererfüllen könnte.

In Herrn M.s Heimat Syriengibt es bereits seit 1944 Kinder-gärten – allerdings stehen diemeisten nur Angehörigen be-stimmter, staatlicher Berufs-gruppen zur Verfügung und80 Prozent der Einrichtungensind privat und dementspre-chend teuer. Wegen des niedri-

Von Mouayad Atfeh

Der Beginn des Traumes vonHerrn M. und seiner Tochterbegann vor anderthalb Jahren,als Herr M. sich erstmalig umeinen Kindergartenplatz fürseine Tochter bemühte. Nachseiner Vorstellung musste erseine Tochter nur bei der zu-ständigen Stelle registrierenlassen – ein Jahr vor deren drit-ten Geburtstag, dem Stichtagfür ein Leben als Kindergarten-kind in Düsseldorf. Aberschnell musste er feststellen,dass der Prozess sehr viel lang-wieriger und komplexer ist, alser angenommen hatte: Mehrals ein ganzes Jahr wartete erauf die erste Einladung zu ei-nem Termin in einem der Kin-dergärten.

Auf die Freude folgte derSchreck: „Oh mein Gott!“, 400Familien sind außer ihm einge-laden, die um 16 freie Plätzekonkurrieren! Aber nicht nurdie Konkurrenz, auch die Hür-den sind gewaltig bei diesemKindergarten: Bevorzugt ver-geben werden die Plätze anKinder aus katholischen Fami-

Wenn ich den Geist der Stadt suche…Düsseldorf hat das Zeug dazu, auch für seine Street-Art Bekanntheit zu erlangen. Dafür müsste man lernen, die Stadt auch in ihrer Hässlichkeit zu lieben.

nommen zu werden, links lie-gen lässt. Die Kiefernstraßeschreit quasi mit ihren buntenWänden „Ich bin ganz an-ders!“, im Gegensatz zu denübrigen Teilen der Stadt. DieStraße trägt eine Spur von Pro-testgeschichte als Kunst auf ih-ren Wänden. Die Straße istheute sehr populär, und auchviele Touristen besuchen sie,um dort zu fotografieren. Düs-seldorf ist noch nicht als„Street-Art-City“ bekannt,aber dieses Potential blitzt aufund scheint zu sagen: „Ich binda, ich bin die Wahrheit“.

Die Wände haben eine Spra-che, sie sprechen mit Men-schen. Nur von den Höhlen-wänden bis zu den heutigenGebäudewänden änderte sichder Dialekt der Sprache. DieWände sind Zeitzeugen. Wennman nach Kreuzberg in Berlinoder nach Beyoglu in Istanbulreist, begrüßen einen hässlicheStraßen und Gebäude, aber siehaben einen solchen Geist,dass man sich in diese Städteverlieben kann. In der Türkeigibt es eine sehr bekannte Ge-schichte: „Leyla und Mecnun“.Einmal wurde Mecnun gefragt:„Leyla ist eigentlich hässlich,wie kannst du sie so lieben?“Mecnun antwortete: „Ihrmüsstet sie einmal mit meinenAugen sehen, dann könntet ihrmich verstehen.“ Also: Umeine Stadt zu lieben und um beiihr einen Geist zu finden, sollteman sie vielleicht wie Mecnunsehen.

Als Fazit zitiere ich den be-kannten türkischen Autor Ah-met Hamdi Tanpinar: „EineStadt zu lieben, ist die Suchenach einem Grund, um zu lie-ben.“ Haben Sie einen Grund?Dann ist der Geist der Stadt beiIhnen! Lieben Sie ihn!

Ersin Dalga hat in Istanbul alsJournalist und in derUnternehmenskommunikationgearbeitet und ist vor einem Jahrnach Düsseldorf gekommen.

Worüber soll man Düssel-dorf definieren? Manche Städ-te gewinnen an Bedeutung mitihrer Geschichte, manche mitihrer Natur, manche mit einem(oder mehreren) Gebäude(n),andere mit einer bestimmtenAktivität: Und womit soll manDüsseldorf assoziieren? Mitder Kö? Mit dem Karneval?Oder mit einer Überraschung –der Kiefernstraße?

Ich weiß nicht, ob Düssel-dorf die Bezeichnung „Mode-stadt“ von Paris oder Mailandübernehmen kann. Oder ob dieStadt sich als eine der wichtigs-ten Messestädte weltweit etab-lieren kann. Ich habe den Ein-druck, dass Düsseldorf dieMöglichkeit, als eine Stadt derfreien Straßenkunst wahrge-

sie auch auf Wände.Ist Wandkunst nicht auch

ein Ausdruck von Protestkul-tur?“, fragte ich, „Ja, auch“,antwortete Klaus. „Es ist nichtnur Protest, aber es ist auchProtest gegen bestehende Bor-niertheit. Gegen Rassismus, ge-gen den Krieg gegen die globa-le Erwärmung und und und.Das war lange Zeit so, Malereiwar ein Ausdruck von sozialenBewegungen.“ Mittlerweilehabe sich das geändert: WeilStreet-Art gerade in Mode sei,kämen aktuell viele Künstlerauch aus der Graffiti-Szene. Diesei eher nicht politisch, wassich auch in ihren Bildern zei-ge. Man sehe eher schöneFrauen auf den Hauswändenund alles Mögliche.

schreiben wollte. Wir hattendie Gelegenheit, hierüber undüber Wandkunst in unsererStadt Düsseldorf zu sprechen.

Die Sprache der Straße:Wandbild-Klaus und seineFreunde beschäftigen sich seit40 Jahren mit Wandkunst, umden Straßen und den drecki-gen, seelenlosen Wänden inder Stadt einen Sinn zu geben.Sie haben dafür Farbfieber e.V.gegründet. Klaus hat nicht nurin Düsseldorf die Wände be-malt, sondern auch weltweit.Als Student hat er mit seinenFreunden begonnen, Wandbil-der zu machen. Noch immerwürden er und seine Freundeeine Antwort zur zentralenFrage „Wem gehört Stadt?“ su-chen: Und diese Frage malen

Fassaden der Häuser in der Kie-fernstraße. Sobald ich dieseStraße kennengelernt hatte,war ich fasziniert, weil mir alldie bunten Darstellungen einso anderes Bild von Düsseldorfvermittelt haben: Die Frage,„Wem gehört die Stadt?“ fin-det sich auf Wänden an vielenOrten in der Stadt. Eine Ant-wort wird eigentlich nicht nurin Düsseldorf, sondern überallauf der Welt gesucht. Ich habedie Frage verfolgt und wollteirgendwann wissen: „Wem ge-hört die Frage?“.

Eine besondere Bekanntschaftwar die von Klaus Klinger

Künstler Klaus Klinger habeich kennengelernt, als ich et-was über die Seele der Stadt

starke Spektakel hat Düssel-dorf allerdings zu bieten: ZuKarneval bekommt die Stadtein lustiges und buntes Ge-sicht. Und in den Sommermo-naten geben die Junggesellen-abschiede, die am Wochenen-de in der Altstadt zu sehen undfür die Einheimischen mittler-weile sicher langweilig undunattraktiv sind, eine schrilleAbwechslung.

Mein Abenteuer in Düssel-dorf hat so begonnen: Nach-dem ich mich zunächst wie einTourist in der Stadt bewegthabe, wollte ich auch die ande-ren Seiten entdecken. In denverschiedenen Stadtteilen sindmir immer wieder Wandbilderins Auge gefallen. Konzentriertfindet man diese Bilder auf den

Von Ersin Dalga

Alle Städte haben eine Identi-tät, einen Geist und ein Ge-dächtnis; sie alle sind sehrwichtig, um die Stadt kennen-zulernen und zu verstehen.Städte haben einen besonde-ren Charakter, wie Menschen.Die Natur, das Klima, die Leutedie Geschichte, die Bauten, allegeben der Stadt einen Charak-ter, der den Geist der Stadt re-präsentiert. Die Bedeutung, dieder Mensch der Stadt hinzu-fügt, stellt die Identität undden Geist der Stadt dar. Zwi-schen beiden gibt es eineWechselbeziehung.

Ich bin vor zwei Jahren zumersten Mal nach Düsseldorf ge-kommen. Damals habe ich da-rüber nachgedacht, in Düssel-dorf zu leben, deshalb wollteich Düsseldorf erst kennenler-nen. Der Anfang war tatsäch-lich nicht schön. Düsseldorfhat mich im April mit anorma-ler Kälte begrüßt. Eigentlichhatte ich niemals vor dem kal-ten Wetter Angst, sondern vorder Kälte der Menschen, als ichdarüber nachdachte, nachDeutschland zu ziehen.

Jetzt lebe ich seit fast einemJahr hier. Nachdem ich nachDüsseldorf gezogen bin, wollteich diese Stadt entdecken. Wiesieht Düsseldorf aus meinerPerspektive aus? Ich erzähle eseuch . . .

Ich komme aus Istanbul.Man verbindet die extremstenGefühle mit Istanbul. ZwischenLiebe und Hass besteht nureine dünne Linie und man fragtsich oft: „Soll ich Istanbul lie-ben oder hassen?“ Das fühltman in Düsseldorf nicht. Düs-seldorf ist eine „Slow City“. Dasmacht Düsseldorf jedoch nichtunbeliebt, im Gegenteil: Düs-seldorf wird im internationa-len Vergleich als eine Stadt mitsehr hoher Lebensqualitätwahrgenommen, das kannman leicht verstehen, wennman nur kurz in Düsseldorflebt. Düsseldorf hat seine eige-ne Ruhe. Ich meine nicht nurdie Ruhe oder Stille. Am Rheinweht diese Ruhe einem alsWind ins Gesicht. Der Grafen-berger Wald, wenige Kilometervom Zentrum entfernt, lädtzum entspannten Spazierenein. Selbst am Rhein kann man– obwohl Düsseldorf das Meerfehlt – unter seinen FüßenSandstrand spüren. Man hatdas Gefühl, nur das Heulen ei-nes Martinshorns kann dieseStille durchbrechen. Zwei laut-

Die Häuser auf der Kiefernstraße beeindrucken mit ihren bunten Fassaden. Und was sollte buntsein, wenn nicht ein Kinderclub?

Ein gewöhnliches Wandbild in einem anatolisch geprägten Stadtteil von Istanbul. Es zeigt zweiFrauen, die auf einer Brücke die Autos in der Stadt beobachten.

Dieses Haus steht ebenfalls auf der Kiefernstraße. Ein Ort, der für unseren Autor ein sehr beson-derer ist – und wo man den Geist der Stadt vorbeifliegen sehen könnte.

Ein sehr bekanntes Bild in Istanbul, das im Stadtteil Kadiköy gemalt wurde: Ein Ufo sammelt dieAutos ein – versteckte Kritik an dem starken Autoverkehr in der Stadt.

WZ SAMSTAG, 9. JUNI 201818 Düsseldorfer Nachrichten A

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A Düsseldorfer Kultur 19WZ SAMSTAG, 9. JUNI 2018

Warum bist du gekommen?Eine blonde Frau fragte michWarum bist du gekommen?

Eine vage FrageEine rote Frageihre Antwort ist gefährlicher als sie

Warum bist du gekommen?Ich antwortete: zufälligIch kam in diese Welt zum ersten MalZufälligDer Fluch meines Geburtsortes betraf michMeine Hautfarbe und Muttersprache auchZufälligUnd hierWo die Zugzeiten nur manchmal verfehlenUnd die Armen regelmäßig das Steuergeld erhaltenUnd die Leute ihre Freizeit mit Arbeit füllenHierWo die Leute die Sprache der Rätsel sprechenUnd nur lachen, wenn sie betrunken sindIch kam hierher auchZufälligUnd zwischen den zwei Zufällen lag die Suche nach einem Vater-landDas keinen offiziellen Anzug trägtUnd keinen nationalistischen AnzugEin Vaterland wie der Traum eines Kindes vom Spielzeugoder die Lust eines Jugendlichen auf einem Kuss

Ein Vaterland, dessen Namen keine Definition in den Wörterbü-chern hatEin Vaterland, wo es keine Götter gibt, außer einer Frau vollerSündeGrößer als ein ApfelOder eine zügellose Nacht in der Hölle oder dem Himmel

Warum bist du gekommen?Fragt sie

Ich antworteteIch kam auf der Suche nach einem Vaterland, wo nichts verbotenistUnd auch nichts erlaubt istEin Vaterland, wo der Himmel die Köpfe der Kinder berührtUnd wo die Wolken die Herzen der Jungfrauen küssen

Ein Vaterland, wo die Sonne und der MondIm Parlament sitzenUnd nur das Licht regiert

Zwischen den zwei Zufällen lebte ich eine vergebliche ZeitAuf der Suche nach einem Vaterland ohne landschaftliche HöhenAußer dem Körper einer FrauIn dem ich jeden Tag mit Vergnügung ertrinken könnteUm dannein verdienstvoller Bürger zu seinAber ich entdeckte, dass der Mensch kein Vaterland hatAußer seinem Mutterleib

Mein MutterlandDie Heimat ist eine BedeutungDie keine Grenzen hatUnd keine Tore, die die Besitzer der farbigen Reisepässe über-schreiten könnenMit einem Einreisvisum, dessen Frist das Sterbedatum istEine IdeeDie sinnlos zu erklären istOder in einer offiziellen Sprache zu suchen

Ich bin der Sohn des Zufalls der heiligen Geburt vom Sohn GottesUnd die ganze Erde ist meine Heimat

Ich bin der Sohn eines Landes, das liegtWeit entfernt von den Gaskammern der NazisUnd von den Fatwas des Hassrechts oder den Flüchen der ImamsDie andere Götter verehren

Der Sohn eines Landes, das von den Kreuzzügen’Nicht überrannt wurdeUnd auch von der Hagana oder Boko Haram

Meine Heimat ist kein dürres GrundstückDas keine Gefühle hatAußer Stapel von BargeldUnd Quellen von schwarzem GoldUnd die Flüche der BürgerkriegeUnd die Opfer der Minen

Mein Mutterland istWo die Erinnerungen der Kindheit zu einem Ende kamenAls ich zehn warWo meine Arbeit warZu spielenWo es mich nur ein Lächeln kosteteUm einen Freund zu kaufenEs wurde heute, wo meine Kinder schlafen könnenOhne Angst vor dem Lärm der Propaganda zu habenUnd vor GlaubenskriegenUnd vor Dieben der Kinderspielzeuge

Heimat hat keinen NamenAuch der Dichter Salah ali Ngab gehört zu „Schreiben ohne Grenzen“ und plädiert in seinen Gedichten für ein menschliches Miteinander über alle Grenzen hinweg.Von Lorelei Holtmann

Vor über drei Jahren floh Salahali Ngab von Libyen über Tune-sien nach Deutschland. Als kri-tischer Autor und Politikerwurde er in seiner Heimat vonzahlreichen islamistischenGruppen verfolgt und verhaf-tet. Er gründete eine Partei,mit der er sich ein Jahr lang füreine liberale Demokratie ein-setzte und rebellierte mit sei-nen Zeitungsartikeln gegen is-lamistische und nationalisti-sche Gesinnungen. Erschwertwurde ihm dieses Vorhabendurch das Verbot seiner Mut-tersprache. Für einen seinerArtikel wurde er 2015 mit demOpen Eye Award des Literari-schen Colloquiums Berlin aus-gezeichnet und blieb dort eini-ge Monate, bis er nach Hildenzog. Dort lebt er nun mit seinerFamilie. Ngab verfasst aberauch Gedichte. Sie ermögli-chen ihm, seine Ansichten undErfahrungen in komprimier-ter, aber dennoch aussagekräf-tiger Form wiederzugeben. Inseinen Gedichten „Mein Mut-terland“ und „Warum bist dugekommen?“ verarbeitet Ngabseine Wahrnehmung des Hei-matbegriffs und stellt klar,dass er sich selbst weniger miteinem einzigen Land, einereinzigen Religion oder einzi-gen Kultur, sondern eher mituniversellen, menschlichenWerten identifiziert. Er selbstbezeichnet sich deswegen als„Weltbürger“. Der 36-jährigeDichter bringt außerdem seinin Deutschland wiedergefun-denes Gefühl von Sicherheitund Freiheit zum Ausdruck,spricht aber auch Vorurteileund Ängste bezüglich seinerneuen, zufällig entdeckten„Heimat“ an. In „Hier undDort“ betont Ngab die Gleich-heit aller Menschen, die erstdurch die politischen und ge-sellschaftlichen Begebenhei-ten ihres Landes zu dem wer-den, was sie sind. Im Zuge des-sen stellt er die jetzige Situati-on Libyens kritisch dem NS-Re-gime gegenüber. Trotz seinerpersönlichen Erfahrungen gibtNgab die Hoffnung nicht auf,dass auch die Lage Libyens sicheines Tages zum Besserenwenden wird. Salah ali Ngab hat die Gedichte auf dieser Seite geschrieben. Foto: Dalga

Hier und DortZwischen hierUnd dortgibt es keinen Unterschied, glaube mirDer Mensch ist der MenschIn meinem Land füllen die Nationalisten die Straßenmit HassredeUnd hier vor sechzig, siebzig oder achtzig JahrenFüllten die Nationalisten die Straßenmit Hassrede

Dort hassen alle die Juden und die NachbarnUnd die DunkelhäutigenUnd die Frühgeburten

Hier auch, vor sechzig, siebzig oder achtzig Jahrenhassten alle die Juden und die NachbarnUnd die DunkelhäutigenUnd die Frühgeburten

Dort zerstörten die Nachbarn ganze StädteTausende starbenUnd alle kämpften gegeneinander auf den heiligen TrümmernUnd vor den Türen der KrankenhäuserUm die Welt zu beherrschenOder was übrig davon bleibtSie sind das beste Volk der Welt aufgrund des Zufalls ihres Ge-burtsortesUnd ein bisschen wegen des Öls und wegen einer Erbschaft, dereneine Hälfte heilig ist und deren andere Hälfteaus Tagträumen gebaut wurde

Hier auch, vor sechzig, siebzig oder achtzig JahrenZerstörten die Nachbarn ganze StädteTausende starbenUnd alle kämpften gegeneinander auf den heiligen TrümmernUnd vor den Türen der KrankenhäuserUm die Welt zu beherrschenOder was übrig davon bleibtSie sind das beste Volk der Welt aufgrund des Zufalls ihres Ge-burtsortesUnd ein bisschen wegen des Öls und wegen einer Erbschaft, dereneine Hälfte heilig ist und deren anderen Hälfteaus Tagträumen gebaut wurde

Dort gibt es Kinder, die vom Sieg der FußballnationalmannschaftträumenUnd Mädchen, die vom Tag träumen, an dem sie fliegen dürfenOhne die Überwachung durch den Bart ihres jüngeren BrudersOder eines religiösen Oberhauptes, das von Verbot- und Bannfat-was umgeben ist

Aber hierJubeln die Kinder wegen des Siegs der NationalmannschaftUnd fliegen die Mädchen zwischen KontinentenAuf der Suche nach einem anderen LebenOhne Angst zu haben, vor einem religiösen OberhauptOder der Überwachung durch den Bart eines jüngeren Bruders

Und das ist der Unterschied zwischen hier und dortGlaub mir, mein FreundNur sechzig, siebzig oder achtzig Jahre