Y Belletristik: Essays oko Tawada 2016/herbst 16/yoko akzentfrei.pdf · Yoko Tawada Das...

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4 konkursbuch Verlag PF 1621 72006 Tübingen Tel.0049(0) 7071 66551 Fax +63539 • office@konkursbuch.com konkursbuch Verlag PF 1621 72006 Tübingen Tel.0049(0) 7071 66551 Fax +63539 • office@konkursbuch.com 5 Yoko Tawada »akzentfrei« Literarische Essays YOKO TAWADA Das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, Alltagserfahrungen mit Missverständnissen, sprachliche Verwirrungen und die Begegnung mit unscheinbaren fremden Dingen (zum Beispiel Joghurt) in einem neuen Land führen zu überraschenden Erkenntnissen. Vergnügt folgen wir den Beobachtungen Yoko Tawadas, die in ihrer Leichtigkeit die Leser auch auf „abgründig mehrdeutige imaginäre“ Reisen mitnehmen. Nach der Lektüre lässt sich, wie es ein Rezensent formulierte, „plötzlich wieder auf den Klang bestimmter Wörter hören, das, was man schon lange nicht mehr ansah, mit neuen Augen sehen.“ (Die Welt) Aus dem Inhalt In einem neuen Land: Setzmilch – Zehn Tipps für eine „gelungene Integration“ – Transsibirische Rosen – Akzent- Freiheit – Ein ungeladener Gast – Brief an Olympia – Jeder Fisch mit Flossen hat auch Schuppen (Die Esskultur, das Fremde und die Moral) – Schreiben im Netz der Sprachen u.a. Nicht vergangen: Die unsichtbare Mauer – Wort, Wolf und Brüder Grimm – Ein Loch in Berlin – Halbwertzeit – Namida u.a. Klappenbroschur mit Fadenheftung, ca. 160 Seiten, ca. 12,-, ISBN 978-3-88769-557-6, erscheint auch als E-Book, August 2016. „... Es gibt auch sanftere Konsonanten. Das heißt aber nicht, dass ich sie ohne meinen Akzent aussprechen könnte. Die Konsonanten „r“ und „l“ zum Beispiel bringe ich durcheinander. Sie sind für mich eineiige Zwillingsschwestern. Hier einige Übungen für einen besseren Umgang mit ihrer Verwechselbarkeit: „Durch das lustvolle Wandern in der Natur wandelt Herr Müller seine Gesinnung.“ „Der Rücken eines Ponys ist niedrig und deshalb niedlich. Wäre er doppelt so hoch, wäre er halb so niedlich.“ „Kein Bücherregal ist illegal, egal welche Bücher da stehen, genau so wie kein Mensch illegal ist, selbst wenn er mit einem Akzent spricht.“ Der Akzent bringt unerwartet zwei Wörter zusammen, die normalerweise nicht ähnlich klingen. In meinem Akzent hören sich die „Zelle“ und die „Seele“ ähnlich an. Es ist nicht meine Aufgabe, eine regionale Färbung, einen ausländischen Akzent, einen Soziolekt und einen Sprachfehler medizinischer Art voneinander zu unterscheiden. Stattdessen schlage ich vor, jede Abweichung als eine Chance für die Poesie wahrzunehmen. Es kommt mir komisch vor, dass ich von einer „Abweichung“ spreche, denn, ich bin nicht sicher, ob es überhaupt den „Standard“ gibt. Im Sprachunterricht in Japan habe ich gelernt, dass das reinste Hochdeutsch in Hannover zu finden sei, und zwar auf einer Theaterbühne und nicht irgendwo auf der Straße. Aber es gibt keinen Menschen, der in einem Hannoveraner Theater geboren wurde und nie das Theatergebäude verlassen hat. Also gibt es keinen Menschen ohne Akzent, so wie es keinen Menschen ohne Falten im Gesicht gibt. Der Akzent ist das Gesicht der gesprochenen Sprache, und ihre Falten um die Augen und in der Stirn zeichnen jede Sekunde eine neue Landschaft ...“ (Ausschnitt aus dem Text „Akzent-Freiheit“) Leseprobe „... freue mich auf all das, was ich bald, durch dieses Buch, anders werde sehen können.“ (Wim Wenders’ Schlusssatz in sei- nem Text über „Talisman“) Talisman Yoko Tawadas erster Band mit literarschen Essays: 8. Aufl. 2015,10,50 ISBN 978-3-88769-096-0 Belletristik: Essays Yoko Tawada erhält den Kleist-Preis 2016

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Yoko Tawada»akzentfrei«Literarische Essays

Yoko Tawada

Das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, Alltagserfahrungen mit Missverständnissen, sprachliche Verwirrungen und die Begegnung mit unscheinbaren fremden Dingen (zum Beispiel Joghurt) in einem neuen Land führen zu überraschenden Erkenntnissen. Vergnügt folgen wir den Beobachtungen Yoko Tawadas, die in ihrer Leichtigkeit die Leser auch auf „abgründig mehrdeutige imaginäre“ Reisen mitnehmen.Nach der Lektüre lässt sich, wie es ein Rezensent formulierte, „plötzlich wieder auf den Klang bestimmter Wörter hören, das, was man schon lange nicht mehr ansah, mit neuen Augen sehen.“ (Die Welt)

Aus dem InhaltIn einem neuen Land: Setzmilch – Zehn Tipps für eine „gelungene Integration“ – Transsibirische Rosen – Akzent-Freiheit – Ein ungeladener Gast – Brief an Olympia – Jeder Fisch mit Flossen hat auch Schuppen (Die Esskultur, das Fremde und die Moral) – Schreiben im Netz der Sprachen u.a. Nicht vergangen: Die unsichtbare Mauer – Wort, Wolf und Brüder Grimm – Ein Loch in Berlin – Halbwertzeit – Namida u.a.

Klappenbroschur mit Fadenheftung, ca. 160 Seiten, ca. 12,-, ISBN 978-3-88769-557-6, erscheint auch als E-Book,August 2016.

„... Es gibt auch sanftere Konsonanten. Das heißt aber nicht, dass ich sie ohne meinen Akzent aussprechen könnte. Die Konsonanten „r“ und „l“ zum Beispiel bringe ich durcheinander. Sie sind für mich eineiige Zwillingsschwestern. Hier einige Übungen für einen besseren Umgang mit ihrer Verwechselbarkeit: „Durch das lustvolle Wandern in der Natur wandelt Herr Müller seine Gesinnung.“ „Der Rücken eines Ponys ist niedrig und deshalb niedlich. Wäre er doppelt so hoch, wäre er halb so niedlich.“ „Kein Bücherregal ist illegal, egal welche Bücher da stehen, genau so wie kein Mensch illegal ist, selbst wenn er mit einem Akzent spricht.“Der Akzent bringt unerwartet zwei Wörter zusammen, die normalerweise nicht ähnlich klingen. In meinem Akzent hören sich die „Zelle“ und die „Seele“ ähnlich an.Es ist nicht meine Aufgabe, eine regionale Färbung, einen ausländischen Akzent, einen Soziolekt und einen Sprachfehler medizinischer Art voneinander zu unterscheiden. Stattdessen schlage ich vor, jede Abweichung als eine Chance für die Poesie wahrzunehmen.Es kommt mir komisch vor, dass ich von einer „Abweichung“ spreche, denn, ich bin nicht sicher, ob es überhaupt den „Standard“ gibt. Im Sprachunterricht in Japan habe ich gelernt, dass das reinste Hochdeutsch in Hannover zu finden sei, und zwar auf einer Theaterbühne und nicht irgendwo auf der Straße. Aber es gibt keinen Menschen, der in einem Hannoveraner Theater geboren wurde und nie das Theatergebäude verlassen hat. Also gibt es keinen Menschen ohne Akzent, so wie es keinen Menschen ohne Falten im Gesicht gibt. Der Akzent ist das Gesicht der gesprochenen Sprache, und ihre Falten um die Augen und in der Stirn zeichnen jede Sekunde eine neue Landschaft ...“

(Ausschnitt aus dem Text „Akzent-Freiheit“)

Leseprobe

„... freue mich auf all das, was ich bald, durch dieses Buch, anders werde sehen können.“ (Wim Wenders’ Schlusssatz in sei-nem Text über „Talisman“)

Talisman Yoko Tawadas erster Band mit literarschen Essays: 8. Aufl. 2015,10,50 ISBN 978-3-88769-096-0

Belletristik: Essays

Yoko Tawada erhält den Kleist-Preis 2016