Yak-Fleisch aus Embd Warum tibetische Grunzochsen die ... · ROTI FLÜO oder «Yak Tsang Ling» –...

3
GESUNDHEIT Sprechstunde 18 | 2008 | 33 Yak-Fleisch aus Embd Warum tibetische Grunzochsen die gesünderen Walliser sind Im Tibet sah er die Yaks zum ersten Mal, seither ist er nicht mehr von ihnen losge- kommen. Daniel Wismer, 43, züchtet seit 12 Jahren Hoch- landrinder, auch Grunzoch- sen genannt. Die zotteligen Tiere sind nicht nur genüg- samer als hiesige Milchkühe – ihr Fleisch und der Käse sind auch gesünder. VON SONJA LEISSING Er ist anstrengend, der Marsch hinauf nach Embd, dem steilstgelegenen Dorf im Ober- wallis, 1650 Meter über Meer. Wir sind da- rum mit dem Auto hochgefahren. Ein paar wenige Häuser, ein Parkplatz, eine Beton- wand, die gegen Lawinen schützen soll. Aber hier ist Schluss mit Strasse. Nur ein steiler, fussbreiter Pfad führt auf den unerschlosse- nen Berghof Roti Flüo. Da brauchts festes Schuhwerk. Geübte Wanderer schaffen den Aufstieg in einer guten halben Stunde, Unge- übte brauchen da schon einiges länger. ROTI FLÜO oder «Yak Tsang Ling» – was über- setzt Ort der Yaks heisst – liegt an der Son- nenseite des Mattertales. Der Blick Richtung Nadelhorn, Riedgletscher und Dirruhorn ist einfach traumhaft. Die Spätsommersonne lässt den Schnee auf den Viertausendern leuchten. Kleine tibetische Gebetsfahnen wehen im Wind – für jeden Yak-Ochsen und jede Yak-Kuh ein Fähnchen. Hier oben weit ab von Luxus und Schwelgerei leben seit 14 Jahren Daniel Wis- mer und Sonja Mathis. Die beiden Individua- listen besitzen 55 tibetische Hochlandrinder und bewirtschaften zirka 30 Hektar Land. Die gesamte Fläche liegt in der Bergzone vier: schwierigster Bewirtschaftungsgrad! Menschen können hier kaum eben stehen, das Gelände ist abschüssig und mit Felsen durchsetzt. In dieser Höhe und Abgeschie- denheit ist «chrampfen» angesagt, da wird einem nichts geschenkt. Schwarze, braune, weisse und gefleck- te zottelige Yaks mit ihren schmalen, spitzen und furchteinflössenden Hörnern hüpfen beinahe wie Gazellen durch das steil abfal- lende Gelände. Die Rindviecher sehen zwar robust und schwerfällig aus. Sie sind aber EIGENWILLIGE RINDVIECHER. Yak-Züchter Daniel Wismer kennt jedes seiner 55 Tiere beim Namen. > ERNÄHRU Fotos: Thomas Andenmatten

Transcript of Yak-Fleisch aus Embd Warum tibetische Grunzochsen die ... · ROTI FLÜO oder «Yak Tsang Ling» –...

  • GESUNDHEIT Sprechstunde 18 | 2008 | 33

    Yak-Fleisch aus Embd

    Warum tibetische Grunzochsendie gesünderen Walliser sind

    Im Tibet sah er die Yaks zumersten Mal, seither ist ernicht mehr von ihnen losge-kommen. Daniel Wismer, 43,züchtet seit 12 Jahren Hoch-landrinder, auch Grunzoch-sen genannt. Die zotteligenTiere sind nicht nur genüg-samer als hiesige Milchkühe– ihr Fleisch und der Käsesind auch gesünder.VON SONJA LEISSING

    Er ist anstrengend, der Marsch hinauf nachEmbd, dem steilstgelegenen Dorf im Ober-wallis, 1650 Meter über Meer. Wir sind da-rum mit dem Auto hochgefahren. Ein paarwenige Häuser, ein Parkplatz, eine Beton-wand, die gegen Lawinen schützen soll. Aberhier ist Schluss mit Strasse. Nur ein steiler,fussbreiter Pfad führt auf den unerschlosse-nen Berghof Roti Flüo. Da brauchts festesSchuhwerk. Geübte Wanderer schaffen denAufstieg in einer guten halben Stunde, Unge-übte brauchen da schon einiges länger.

    ROTI FLÜO oder «Yak Tsang Ling» – was über-setzt Ort der Yaks heisst – liegt an der Son-nenseite des Mattertales. Der Blick RichtungNadelhorn, Riedgletscher und Dirruhorn isteinfach traumhaft. Die Spätsommersonnelässt den Schnee auf den Viertausendernleuchten. Kleine tibetische Gebetsfahnenwehen im Wind – für jeden Yak-Ochsen undjede Yak-Kuh ein Fähnchen.

    Hier oben weit ab von Luxus undSchwelgerei leben seit 14 Jahren Daniel Wis-mer und Sonja Mathis. Die beiden Individua-listen besitzen 55 tibetische Hochlandrinderund bewirtschaften zirka 30 Hektar Land.Die gesamte Fläche liegt in der Bergzonevier: schwierigster Bewirtschaftungsgrad!Menschen können hier kaum eben stehen,das Gelände ist abschüssig und mit Felsendurchsetzt. In dieser Höhe und Abgeschie-denheit ist «chrampfen» angesagt, da wirdeinem nichts geschenkt.

    Schwarze, braune, weisse und gefleck-te zottelige Yaks mit ihren schmalen, spitzenund furchteinflössenden Hörnern hüpfenbeinahe wie Gazellen durch das steil abfal-lende Gelände. Die Rindviecher sehen zwarrobust und schwerfällig aus. Sie sind aber

    EIGENWILLIGE RINDVIECHER. Yak-Züchter Daniel Wismer kennt jedesseiner 55 Tiere beim Namen.

    >

    ERNÄHRUNG

    Foto

    s: T

    hom

    as A

    nden

    mat

    ten

  • 34 | GESUNDHEIT Sprechstunde 18 | 2008

    Yak-Fleisch ist besonders wertvoll und behältüber mehrere Jahre seinen Nährwert

    «Yak-Fleisch verfügt über einen hohen Myoglobingehalt. Das bedeu-tet, dass das Fleisch in der Farbe noch dunkler ist als Rindfleisch. DasMyoglobin bindet und speichert Sauerstoff. Dies garantiert eine guteSauerstoffversorgung des Muskelgewebes. Das Fleisch istgeschmackvoll, zart und sehr mager, weil das wenige intramuskuläreFett nur in den äusseren Hautschichten eingelagert ist und deshalbleicht abgetrennt werden kann. Es zeichnet sich zudem durch seinenhohen Protein- und Vitamingehalt aus; es enthält beispielsweise dieVitamine B1, B2, B6 sowie Eisen und Zink. Einen wichtigen Beitragleistet Yak-Fleisch aber auch bei der Vitamin-B12-Versorgung.Vitamin B12 kommt in nennenswerten Mengen nur in tierischenLebensmitteln vor. Infolge seiner Zusammensetzung behältgetrocknetes Yak-Fleisch über Jahre seinen Nährwert.Zudem ist Yak-Fleisch wie das Wildfleisch cholesterinarmund reich an Spurenelementen. KanadischeForscher haben kürzlich herausgefunden, dassKäse von den tibetischen Hochlandrindern gut

    fürs Herz sein soll. Denn im Vergleich zu Käse aus der herkömmli-chen Kuhmilch enthält Yak-Käse (Bild) deutlich mehr herzfreundli-che Fettsäuren. Die Wissenschafter führen dies auf den hohen Anteilkonjugierter Linolsäure zurück. Linolsäure ist eine zweifach ungesät-tigte Fettsäure. Sie gehört zur Gruppe der Omega-6-Fettsäuren. Auchandere mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die das Herz schützen, sind inYak-Käse vorhanden. Gemäss dieser Studie verzögern sie Diabetes und Arterien-verkalkung, fördern die Mineralisierung der Knochen, senken den Körperfettgehalt undwirken sogar krebshemmend.»

    von einem deutschen Zoo. Die Tiere direktaus Tibet, dem Hochland von Kaschmir, derMongolei oder aus Bhutan einzuführen, istaufgrund der Maul- und Klauenseuche ver-boten.

    DIE ASIATISCHEN HOCHLANDRINDER sindeine perfekte Alternative zu einheimischemVieh. Sie sind im Unterhalt viel genügsamer:Fünf grosse Yaks fressen so viel wie eineMilchkuh. Sie verursachen in dieser steilenGegend keine Erdabtragung und sind somitlandschaftsschonender. Ausserdem sind siehier oben besser als jeder High-Tech-Rasen-mäher. Und sie brauchen auch im tiefstenWinter keinen Stall: Yaks können bis zu mi-nus 40 Grad Kälte aushalten.

    Hier im Oberwallis geniessen sie feins-te Alpenluft, fressen Kräuter, Gräser undHeu. Kraftfutter und Mais sind absolut tabu.Antibiotika werden nur im äussersten Not-fall eingesetzt. «Und ganz wichtig ist: Nochnie ist eines meiner Yaks an Rinderwahnsinn(BSE) erkrankt», betont Daniel Wismer.

    Auf dem Hof tummelt sich ein kunter-buntes Gemisch von Perlhühnern, Pfauen,Brieftauben, Himalaja-Fasanen, Mini-Pigs.Und über alle wacht ein tibetischer Hirten-hund. Alle seine Tiere haben einen Namen,auch jedes Yak. Sie heissen Ying und Yung,Sitara, Mönlam oder wie das jüngste Kälb-lein Solongo – was auf Mongolisch Regenbo-gen bedeutet.

    «Der kleine Solongo wurde von derMutterkuh verstossen. In den 14 Jahren pas-sierte uns dies noch nie. Wir mussten daskleine Kälblein bei uns im Haus unterbrin-gen. Mit Schafsbriestmilch-Schoppen undInfusionen päppelten wir ihn auf. Die schlaf-losen Nächte sind vorbei, und ich bin jetzt soetwas wie das Ersatzmami», sagt Sonja Ma-this. Ihren einst erlernten Beruf als medizini-sche Laborantin kann die 33-Jährige im Um-gang mit den Tieren gut gebrauchen.

    Dani und Sonja leben zwar bescheidenhier oben, weit weg von Luxus und beque-mem Lebensstil. Doch die beiden haben al-les, was sie brauchen, um glücklich zu sein.Sonja vermisst ausser einer Badewannenichts. «Natürlich würden wir gerne zusam-men mal wieder auf Reisen gehen, doch dasliegt nicht drin. Schon der Tiere wegen.»

    Die Aussteiger verdienen ihr Geld mittäglicher harter Arbeit. Die Subventionszula-gen gehen für den Ausbau des Hofes draufund um drei- bis viermal im Jahr einen Heli-kopter zu bestellen. «Den brauche ich für dieschwierigsten und steilsten Stellen, um dieUnmengen von Heu für den Winter einzula-gern – oder für schweres Baumaterial», sagtWismer. Sonst buckeln die beiden alles zuFuss hinauf ins Roti Flüo.

    SEIT VIER JAHREN können bis zu 20 Wande-rer im angebauten Gästehaus für wenigeFranken absteigen. Gegen ein bisschen Auf-preis sind Halbpension und freundliche Be-wirtung inklusive. Weitere Einnahmen ne-ben Übernachtungen bringt der Verkauf von

    PROF. PAULWALTER ist Experte derSchweizerischenGesellschaft fürErnährung inBern.

    überaus trittsicher undviel leichter als Milchkü-he. Wegen der komischenLaute, die sie dauerndvon sich geben, nenntman sie auch Grunzoch-sen. Eigentlich würdeman die grossen Woll-knäuel mit ihrem boden-

    langen Fell am liebsten an sich drücken.Doch aufgepasst! Yaks gegenüber muss manRespekt zeigen – und man sollte ihnen nie-

    mals den Rücken kehren. Denn sie sind nichtnur intelligent, genügsam und stark, sie kön-nen ebenso launisch, störrisch, eigensinnigund sogar aggressiv sein.

    «Willkommen in der Freiheit», ruftuns Daniel Wismer entgegen und lacht. «Esgibt für mich nichts Schöneres, als hoch überder Zivilisation zu leben», sagt er. Der ge-lernte Forstwart aus dem Zugerland be-schloss 1994, mit Tieren aus dem Himalajadie Schweizer Berglandschaft zu beleben.Für die Züchtung kaufte er die ersten Yaks

    SerieMEDIZINFERNOST

    Yak-Burger vom Grill.Daniel Wismer bereitetfür eine WalliserWandergruppe einenwährschaften Zmittagmit Yak-Burgern zu.

  • lebenden Yaks an andere Züchter. Und na-türlich der Verkauf von Fleisch. Yaks liefernneben Fleisch auch Milch, Wolle, Leder undBrennmaterial – die getrockneten Kotfladensind in Tibet für die Energieversorgung not-wendig. Die Tiere eignen sich aber auch alsLast- und Reittiere. Dani Wismer errichtetein Zusammenarbeit mit Törbel Tourismusvor fünf Jahren einen einmaligen Yak-Pfad.

    Der «Grüezeni» – wie die WalliserWismer bezeichnen – ist kein tibetischer Gu-

    katesshäuser mit seinen Spezialitäten versor-gen. Immerhin: Seit Juli liefert er etwas vonseinem Yak-Trockenfleisch ins 5-Sterne-Ho-tel «Mont Cervin Palace» in Zermatt, undauch die «Moosalp» in Törbel serviert Yak-Würstchen und -Trockenfleisch vom Hof«Yak Tsang Ling». «Entweder empfindetman es hier als Paradies – oder man fühltsich eingeengt», sagt Dani. «Nur ein biss-chen hier sein – das geht nicht. Für uns istund bleibt es das Paradies. Auch wenn dasLeben hier täglich ein Chrampf ist.»

    ru oder gar ein Spinner. Er steht mit beidenBeinen fest im Leben. So erhielt er im letztenJahr den Innovationspreis für Yak-Trocken-fleisch. Dieses hat eine dunkelrote Farbe, istwürzig und geschmacklich am ehesten mitWild- oder Bisonfleisch vergleichbar. DasTrockenfleisch behält über Jahre seinenNährwert. Sonja Mathis isst sonst keinFleisch, ausser eben vom Yak. «Hier weissich, dass die Tiere in einer gesunden Umge-bung aufwachsen und keine Zusatzstoffe ge-füttert bekommen.»

    Nur gerade mal drei bis vier Grunzoch-sen jährlich gibt Wismer zum Metzger insNachbardorf Stalden. Die Nachfrage nachYak-Fleisch mit seinem geringen Fettgehaltwäre gross: Für das Kilo bezahlen Liebhaberbis zu 200 Franken. Es eignet sich besondersgut zur Herstellung von Trockenfleisch undWürstchen. Diese verkauft Dani direkt abHof. Gourmets schwärmen: Das Filet istwunderbar zart, und auch die Entrecôtessind ein Genuss. Doch Wismer möchte sei-nen Hof nicht vergrössern und Luxus-Deli-

    IDYLLE AUF 1650 METERN. Jedem Yaksein Fähnchen und Schaf-milch fürs jüngste, das vonSonja Mathis geschöppeltwird. Von Daniel Wismergibts Brot für die Grossen,damit sie zum Fototerminerscheinen.

    ADRESSEN UND INFOS> «Yak Tsang Ling», Berghof Roti Flüo,

    Daniel Wismer und Sonja Mathis, 3926 Embd, Tel. 027 952 14 22. Wer im Gästehaus über-nachten und bei Daniel und Sonja verpflegtwerden möchte, sollte sich bitte telefonischvoranmelden. Infos unter: www.yaks.ch

    > Schweizerische Yak-Halter-Vereinigung SYV:www.syv.ch

    ERNÄHRUNG