Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden...

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Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und O Ein Beitrag von Dr. Christoph Kaaden, München Diagnostik und Therapie von Zahnverletzun- gen gehören nicht zu den Routinearbeiten einer zahnärztlichen Praxis. Da es sich hierbei zumeist um Notfälle mit sofortigen Interventionsnotwen- digkeiten handelt, stellen diese besondere Anfor- derungen an das Behandlerteam. Wie bei jeglicher Art von medizinischem Notfall ist es daher sinnvoll, sich in regelmäßigen Abstän- den mit den unterschiedlichen Verletzungsarten und deren Behandlungsformen auseinanderzuset- zen und das Wissen hierüber aufzufrischen. Be- handlungen, die beim Erwachsenen richtig oder zumindest akzeptabel sind, können bei Kindern Folgen herbeiführen, die zu einem späteren Zeit- punkt nicht oder nur noch schwer beherrschbar sind (Abb. 1). Vor diesem Hintergrund gilt es, in der zahnärzt- lichen Traumatologie vorausschauend zu behan- deln, um zum richtigen Zeitpunkt die korrekten und notwendigen Entscheidungen treffen zu kön- nen. Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick der aktuell gültigen Therapiekonzepte von Zahnverlet- zungen der zweiten Dentition auf Basis der aktuel- len S2k-Leitlinie zur Therapie des dentalen Traumas bleibender Zähne sowie der Richtlinien der Inter- national Association of Dental Traumatology (IADT) zu geben. Bezüglich der Behandlung traumatisier- ter Milchzähne wird auf die Arbeit von Dr. Anna- Kristina Pelka (BZB 1-2/2013, S. 55 ff.) verwiesen. Definition Als Zahntrauma oder dentales Trauma wird die akute mechanische Verletzung von Zähnen und deren benachbarten Strukturen bezeichnet. Nach der aktuellen WHO-Klassifikation erfolgt hierbei eine Einteilung in Frakturen und Dislokationsverlet- zungen (Abb. 2). Da die aktuelle Nomenklatur die verschiedenen Traumata anatomisch treffender beschreibt, sollten die vormals gebräuchlichen Be- zeichnungen der „Luxationsverletzungen“ nicht mehr verwendet werden. Während Zahnfraktu- ren entsprechend ihrer Lokalisation eingeteilt werden, erfolgt die Einordnung von Dislokatio- nen nach Ausmaß und Richtung der traumatisch bedingten Auslenkung des Zahns aus seiner ursprünglichen Position. Epidemiologie Die Prävalenz des dentalen Traumas wird weltweit mit circa 25 bis 30 Prozent angegeben. Am häu- figsten kommt es hierbei zur unkomplizierten Kro- nenfraktur am oberen mittleren Incisivus. Patien- ten mit Zahnfehlstellungen, vor allem bei deutlich protrudierten Oberkieferfrontzähnen in Kombina- tion mit einer Unterkieferrücklage (Angle-Klasse II/1), sind davon häufiger betroffen. Die durch Verletzungen der Zähne bedingten Krankheits- und Folgekosten werden für Deutschland auf etwa 200 bis 550 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Abb. 1: Zustand nach Avulsion der Zähne 12 bis 21. Alio loco erfolgten eine Replantation, flexible Schienung und Mini- Osteosynthese(-Plattenent- fernung) bei Alveolarfortsatz- fraktur. Sechs Wochen nach dem Unfall zeigten sich aus- geprägte, infektionsbedingte Wurzelresorptionen sowie Wurzelperforationen durch die vormals eingebrachten Mini-Osteosyntheseschrauben. Abb. 2: Klassifikation des dentalen Traumas | BZB Juni 18 | Wissenschaft und Fortbildung 60

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Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieStrukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und O

Ein Be i t rag von Dr. Chr i s toph K aaden, München

Diagnostik und Therapie von Zahnverletzun-gen gehören nicht zu den Routinearbeiten einer zahnärztlichen Praxis. Da es sich hierbei zumeist um Notfälle mit sofortigen Interventionsnotwen- digkeiten handelt, stellen diese besondere Anfor-derungen an das Behandlerteam.

Wie bei jeglicher Art von medizinischem Notfall

ist es daher sinnvoll, sich in regelmäßigen Abstän-

den mit den unterschiedlichen Verletzungsarten

und deren Behandlungsformen auseinanderzuset-

zen und das Wissen hierüber aufzufrischen. Be-

handlungen, die beim Erwachsenen richtig oder

zumindest akzeptabel sind, können bei Kindern

Folgen herbeiführen, die zu einem späteren Zeit-

punkt nicht oder nur noch schwer beherrschbar

sind (Abb. 1).

Vor diesem Hintergrund gilt es, in der zahnärzt-

lichen Traumatologie vorausschauend zu behan-

deln, um zum richtigen Zeitpunkt die korrekten

und notwendigen Entscheidungen treffen zu kön-

nen. Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick der

aktuell gültigen Therapiekonzepte von Zahnverlet-

zungen der zweiten Dentition auf Basis der aktuel-

len S2k-Leitlinie zur Therapie des dentalen Traumas

bleibender Zähne sowie der Richtlinien der Inter-

national Association of Dental Traumatology (IADT)

zu geben. Bezüglich der Behandlung traumatisier-

ter Milchzähne wird auf die Arbeit von Dr. Anna-

Kristina Pelka (BZB 1-2/2013, S. 55 ff.) verwiesen.

DefinitionAls Zahntrauma oder dentales Trauma wird die

akute mechanische Verletzung von Zähnen und

deren benachbarten Strukturen bezeichnet. Nach

der aktuellen WHO-Klassifikation erfolgt hierbei

eine Einteilung in Frakturen und Dislokationsverlet-zungen (Abb. 2). Da die aktuelle Nomenklatur die

verschiedenen Traumata anatomisch treffender

beschreibt, sollten die vormals gebräuchlichen Be-

zeichnungen der „Luxationsverletzungen“ nicht

mehr verwendet werden. Während Zahnfraktu-

ren entsprechend ihrer Lokalisation eingeteilt

werden, erfolgt die Einordnung von Dislokatio-

nen nach Ausmaß und Richtung der traumatisch

bedingten Auslenkung des Zahns aus seiner

ursprünglichen Position.

EpidemiologieDie Prävalenz des dentalen Traumas wird weltweit

mit circa 25 bis 30 Prozent angegeben. Am häu-

figsten kommt es hierbei zur unkomplizierten Kro-

nenfraktur am oberen mittleren Incisivus. Patien-

ten mit Zahnfehlstellungen, vor allem bei deutlich

protrudierten Oberkieferfrontzähnen in Kombina-

tion mit einer Unterkieferrücklage (Angle-Klasse

II/1), sind davon häufiger betroffen. Die durch

Verletzungen der Zähne bedingten Krankheits-

und Folgekosten werden für Deutschland auf etwa

200 bis 550 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.

Abb. 1: Zustand nach Avulsion der Zähne 12 bis 21. Alio loco

erfolgten eine Replantation, flexible Schienung und Mini-

Osteosynthese(-Plattenent-fernung) bei Alveolarfortsatz-

fraktur. Sechs Wochen nach dem Unfall zeigten sich aus-

geprägte, infektionsbedingte Wurzelresorptionen sowie

Wurzelperforationen durch die vormals eingebrachten

Mini-Osteosyntheseschrauben.

Abb. 2: Klassifikation des dentalen Traumas

| BZB Juni 18 | Wissenschaft und Fortbildung60

Page 2: Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und

Diagnostik und DokumentationDiagnostik und Dokumentation von Zahnverlet-

zungen basieren auf einer Anamnese sowie klini-

schen und radiologischen Befundaufnahme. Da bei

Zahnunfällen häufig Versicherungsansprüche ent-

stehen können, ist eine umfassende Dokumentation

unerlässlich. Es empfiehlt sich, die wesentlichen Be-

funde aus Gründen der Sorgfalts- und Dokumenta-

tionspflicht in vorgefertigten Befundblättern (z. B.

Erfassungsformular Frontzahntrauma der DGZMK)

zusammenzufassen. So kann sichergestellt werden,

dass keine relevanten Punkte vergessen werden und

der zurückliegende Unfall auch nach Jahren noch

nachvollziehbar bleibt.

AnamneseDie anamnestische Befragung des Patienten (bei

Kindern auch der Eltern) beginnt mit Fragen zum

Unfallhergang. Von Interesse sind dabei Ort, Zeit-

punkt, Ursache und Ablauf des Unfalls, die Betei-

ligung von Dritten sowie eventuelle Zeugen. Bei

Hinweisen auf eine Gehirnerschütterung muss der

Patient in eine entsprechende Fachklinik über-

wiesen werden.

Intraorale UntersuchungDie intraorale Untersuchung beinhaltet neben

der Abklärung der betroffenen Zähne auch die

Analyse von Nachbarzähnen und Antagonisten.

Ebenso müssen die Untersuchung benachbarter

Strukturen von Hart- und Weichgewebe integra-

ler Bestandteil des Vorgehens sein. Möglicherweise

existierende Weichteilwunden sollten klinisch und

gegebenenfalls radiologisch auf eingedrungene

Fremdkörper oder Zahnfragmente kontrolliert wer-

den, da diese zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise

einfach entfernt werden können (Abb. 3). Nicht zu-

letzt sollte auch an die Überprüfung der Okklusion

gedacht werden.

Radiologische UntersuchungDie Erstellung von Röntgenbildern ist in der

Zahntraumatologie unabdingbar. In erster Linie

sollten Zahnfilmaufnahmen der traumatisier-

ten, aber auch der (vermeintlich) unverletzten

Nachbarzähne angefertigt werden. Panorama-

schichtaufnahmen können bei Verdacht auf eine

Kieferfraktur zusätzlich sinnvoll sein. Volumen-

tomografieaufnahmen können je nach Art der

Verletzung ebenfalls von großem Nutzen sein, da

sie eine dreidimensionale Darstellung der dento-

alveolären Strukturen bei geringer Strahlendosis

ermöglichen. Wichtig hierbei zu beachten ist ein

adaptiertes Volumen (= kleines Field of view =

FOV) mit hoher Ortsauflösung. So können Umfang

und Ausmaß ansonsten gegebenenfalls verborge-

ner oder falsch eingeschätzter Verletzungen sicher

identifiziert werden. Dies gilt insbesondere für die

Beurteilung möglicher horizontaler Wurzel- und

Alveolarfortsatzfrakturen (Abb. 4 bis 6).

TherapieFolgende Allgemeingrundsätze sollten in der Akut-

situation beachtet werden:

· minimalinvasives Vorgehen mit gegebenenfalls

notwendiger Reposition/Ruhigstellung und Weich-

teilversorgung

· Vorgehensweise nach chirurgischen Grundsätzen:

· Hartgewebe vor Weichgewebe

· von innen nach außen

· Sofortmaßnahme für avulsierte Zähne: Überfüh-

rung in Zahnrettungsbox (weitere Alternativen in

nachfolgendem Text)

Frakturen von ZahnhartsubstanzDie Frakturen von Zahnhartsubstanzen lassen sich

in Kronen-, Wurzel- beziehungsweise kombinierte

Kronen- und Wurzelfrakturen einteilen. Haupt-

ursache für diese Verletzungsarten sind „spitze“

Krafteinwirkungen aus labialer Richtung, das

heißt, durch Auftreffen relativ kleiner Massen mit

hoher Geschwindigkeit (z. B. Steinwurf).

KronenfrakturenEntsprechend ihrer Ausdehnung wird zwischen

unkomplizierter und komplizierter Kronenfraktur

(= mit Eröffnung des Pulpakavums) unterschie-

den. Unkomplizierte Formen können darüber hi-

naus entweder als reine Schmelzinfrakturen oder

Schmelz-Dentin-Frakturen vorliegen.

Therapie der unkomplizierten KronenfrakturWenn eine definitive Versorgung nicht sofort

möglich ist, sollte bei exponiertem Dentin auch

Abb. 3: Radiologische Darstellung multipler Zahnfragmente und Fremdkörper nach penetrieren-der Verletzung der Unterlippe

Wissenschaft und Fortbildung | BZB Juni 18 | 61

Page 3: Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und

ohne visuelle Eröffnung der Pulpa zu deren Schutz

eine Abdeckung (z. B. mittels Glasionomerzement)

erfolgen. So soll eine bakterielle Infektion über die

sehr weitlumigen Dentintubuli verhindert werden.

Neben einer Kompositrestauration als definitive

Therapie ist auch die Wiederbefestigung des Frag-

ments bei gesicherter Repositionierbarkeit eine sehr

gute Option. Ein gegebenenfalls ausgetrocknetes

Bruchstück kann zur schnelleren Rehydrierung für

kurze Zeit in einen Drucktopf gelegt werden.

Zähne mit unkomplizierter Kronenfraktur sollten

im ersten Jahr nach dem Unfall mindestens ein-

mal nachkontrolliert werden. Die Prognose für das

Überleben der Pulpa ist bei adäquater Versorgung

gut und führt in maximal sechs Prozent zu einer

Nekrose. Sollte jedoch auch gleichzeitig eine Dis-

lokation vorgelegen haben, ergibt sich ein deutlich

höheres Risiko einer späteren Nekrose (Abb. 7 und 8).

Therapie der komplizierten KronenfrakturDurch die Eröffnung des Pulpagewebes kommt es

zunächst immer zu einer superfiziellen Pulpitis.

Ohne weitere beziehungsweise mit unzureichender

Therapie wäre nachfolgend eine Pulpanekrose das

Resultat. Das primäre Ziel muss daher die Vital-

erhaltung der Pulpa durch eine möglichst suffi-

ziente Restauration sein. Die partielle Pulpotomie

ist hierbei in der Regel die Therapie der Wahl.

Studien zeigen, dass die Prognose nach einer

partiellen Pulpotomie deutlich besser ist als nach

einer direkten Überkappung (94 bis 96 % versus

72 bis 88 %). Dies gilt sowohl für Zähne mit ab-

geschlossenem als auch nicht abgeschlossenem

Wurzelwachstum. Bei begleitenden Dislokations-

verletzungen muss durch eine kompromittierte

Blutzirkulation von einer reduzierten pulpalen

Heilung ausgegangen werden.

Da die Entzündungsreaktion auch einige Tage nach

Exposition auf die oberflächlichen Pulpaareale be-

schränkt bleibt, sollten nur die oberflächlichen

2 mm der Pulpa mittels diamantierten Instrumenten

abgetragen werden. Nach Blutstillung erfolgt dann

die Überkappung mit einem pulpaverträglichen

und bakteriendichten Material (beispielsweise

Ca(OH)2 oder biokeramischer Zement).

Bei längeren Expositionszeiten sollte die voll-

ständige Pulpotomie einer partiellen Pulpotomie

oder einer Pulpektomie vorgezogen werden. Hierfür

dürfen jedoch keine Symptome einer irreversiblen

Pulpitis vorliegen. Anderenfalls ist eine vollständige

Pulpektomie angezeigt.

Soweit vorhanden, kann das abgebrochene Zahn-

fragment anschließend wieder adhäsiv befestigt

werden. Ansonsten sollte eine adhäsive Komposit-

restauration erfolgen.

WurzelfrakturenMit nur 0,5 bis 7 Prozent aller Zahnverletzungen

kommt eine horizontale Wurzelfraktur relativ sel-

ten vor. Der Altersgipfel liegt hierbei zwischen dem

11. und 20. Lebensjahr. Entgegen weit verbreiteter

Abb. 4: Alio loco angefertigte Einzel-zahnröntgenaufnahme nach

Trauma mit den Diagnosen unkomplizierte Kronenfraktur

des Zahns 21, komplizierte Kronenfraktur des Zahns 11 und laterale Dislokation der

Zähne 12, 11 und 21Abb. 5: Zustand nach alio loco durchgeführter Erstbehandlung mit Reponierung und flexibler Schienung der beschriebenen Zähne

Abb. 6: Ausschnitt des aufgrund der multiplen Befunde angefer-tigten kleinvolumigen DVT. Es zeigen sich multiple knöcherne Frak-turen des Alveolarfortsatzes und der Spina nasales. Diese Befunde beeinflussen die Therapie (u. a. Schienungsart/Dauer) erheblich.

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Page 4: Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und

Meinungen haben wurzelfrakturierte Zähne eine

gute Prognose. Die Erhaltbarkeit wird mit nahezu

80 Prozent angegeben.

Wurzelfrakturen werden entsprechend ihrer Loka-

lisation dem apikalen, mittleren oder zervikalen

Wurzeldrittel zugeordnet, wobei die Frakturlinie

sehr selten rein horizontal verläuft. Ferner gilt es

gegebenenfalls zu unterschieden, ob eine Disloka-

tion des koronalen Fragments vorliegt oder nicht.

Auch eine Avulsion des koronalen Fragments kann

bei dieser Traumaform möglich sein.

Je sulkusnäher die Fraktur verläuft, desto schlech-

ter ist die Prognose einzuschätzen, da es zu einer

Infektion über den Parodontalspalt kommen kann.

Bei günstigem Verlauf besteht die Therapie in der

Regel aus einer vierwöchigen Schienung nach

gegebenenfalls vorausgegangener notwendiger

Repositionierung des koronalen Fragments. Die

tatsächliche Schienungsdauer hängt von dem

Verlauf des Bruchspalts ab und kann bis zu zwölf

Wochen betragen (Abb. 9 und 10).

In nur circa 25 Prozent dieser Traumaform wird

nachfolgend noch eine endodontische Therapie

notwendig. Dies kann dann der Fall werden,

wenn die Dislokation mehr als circa 1 mm be-

trug. Größere Verlagerungen verdoppeln die

Wahrscheinlichkeit einer Nekrose und reduzie-

ren eine Ausheilung signifikant. Je besser die Re-

position erfolgen konnte, desto wahrscheinlicher

ist ein optimales Heilungsergebnis. Im seltenen

Fall einer entstehenden Nekrose sollte die Wurzel-

kanalbehandlung/-füllung ausschließlich bis

zum Bruchspalt erfolgen. Der „Neoapex“ kann

hierbei zum Beispiel mit einem biokeramischen

Material (z. B. MTA) orthograd verschlossen wer-

den (Abb. 11 bis 13).

Der Versuch, das apikale Fragment in die Therapie

zu integrieren, würde zu einem sicheren Misserfolg

führen. Auch eine chirurgische Entfernung des (in

der Regel vital bleibenden) apikalen Fragments

ist nicht angezeigt, da dies die Prognose auch ver-

schlechtern würde.

Kombinierte Kronen- und WurzelfrakturenHierunter versteht man Schmelz-Dentin-Frakturen

unter Beteiligung von Zahnkrone und Wurzel mit

und ohne Pulpaeröffnung. Diese Kombinationen

kommen relativ selten vor. Da die Fragmente in

der Regel subgingival noch durch Parodontal-

fasern gehalten werden, besteht meist nur eine ge-

ringe Dislokation. In 2-D-Röntgenaufnahmen ist

der Frakturverlauf nicht immer in seiner gesam-

ten Ausdehnung sicher darstellbar. Demnach ist

die bessere Beurteilung des Verlaufs erst möglich,

nachdem das koronale Fragment entfernt wurde

(Abb. 14 und 15). Folgende Schritte können gege-

benenfalls zusätzlich indiziert sein:

· chirurgische Freilegung gegebenenfalls subkrestaler

Bruchflächen im Sinne einer Kronenverlängerung

zur Etablierung der biologische Breite

· orthodontische Extrusionstherapie

· chirurgische Extrusionstherapie

Abb. 7: Einzelzahnröntgenaufnahme nach Trauma mit unkompli-zierten Kronenfrakturen an

den Zähnen 11 und 21 sowie zusätzlicher lateraler Dis-

lokation von Zahn 11Abb. 8: Insuffiziente Abdeckung der Dentinwunden mit weiterhin großflächiger Dentinexposition und erhöhter Infektionsgefahr

Abb. 9: Alio loco angefertigte Einzelzahnröntgenaufnahme nach Trauma mit horizontaler Wurzelfraktur

Abb. 10: Die hochauflösende DVT-Aufnahme zeigt den tat- sächlichen Bruchverlauf mit ungünstiger Prognose.

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Page 5: Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und

Ist der Zahn als erhaltbar einzustufen, entspricht

das weitere Prozedere dem der unkomplizierten be-

ziehungsweise komplizierten Kronenfraktur.

Bei sehr weit nach apikal reichenden Kronen-Wur-

zel-Frakturen muss der Zahnerhalt kritisch hinter-

fragt werden. Als therapeutische Möglichkeiten soll-

ten dann insbesondere bei nicht abgeschlossenem

Kieferwachstum unter anderem folgende Möglich-

keiten erwogen werden:

· orthodontischer Lückenschluss

· autogene Transplantation (Milcheckzähne im

frühen Wechselgebiss, Prämolaren im späten

Wechselgebiss)

· Dekoronation

· prothetische Versorgung (z. B. mit einflügeliger

Adhäsivbrücke)

Verletzungen des ZahnhalteapparatsDiese Art der Zahnverletzungen entsteht durch eine

plötzliche Dislokation des Zahns in seiner Alveole

und wird häufig durch ein „stumpfes“ Trauma (z. B.

Sturz zu Boden) verursacht. Die resultierenden

Schäden treten in unterschiedlichem Ausmaß auf

und betreffen primär das Parodont. Je nach Schwere-

grad können aber auch Endodont, Alveolarknochen

und Gingiva involviert sein.

Die durchzuführende Repositionierung und Schie-

nung (siehe Tab. 3) sollen einen möglichst langfristi-

gen Zahnerhalt mit Regeneration der parodontalen

Gewebe sowie einen bestmöglichen Heilungsverlauf

aller beteiligten Gewebe sichern.

KonkussionBei der Konkussion liegt eine Verletzung des Zahn-

halteapparats ohne Lockerung und Verlagerung

des Zahns vor. In der Regel treten keine Kau- und

Perkussionsempfindlichkeiten auf. Sensibilitätstest

und röntgenologische Untersuchung zeigen keine

Besonderheiten. Das Risiko von Folgeschäden ist

sehr gering.

LockerungZusätzlich zu den Befunden einer Konkussion findet

sich in solchen Fällen ferner eine erhöhte Beweglich-

keit (Grad I bis III) des Zahns. Eine geringe Blutung

aus dem Sulkus ist möglich. Der Sensibilitätstest

kann verzögert oder negativ sein und bis zu drei

Monate Auffälligkeiten zeigen. Nur bei starker

Lockerung ist röntgenologisch eine Erweiterung des

Parodontalspalts sichtbar. Zur Komfortverbesserung

kann eine flexible Schienung erfolgen.

Laterale DislokationZu dieser Traumaform gehören alle nicht in axia-

ler Richtung verlagerten Zähne, wobei zumeist

Abb. 14: Verdacht auf Kronen- Wurzel-Fraktur mit unklarem Ausprägungsgrad

Abb. 15: Zustand nach Entfer-nung des koronalen Fragments mit ungünstigem Bruchverlauf

Abb. 11: Zustand nach Fahrradsturz mit horizontaler Fraktur der Zähne 21 und 11 (inkl. komplizierter Kronenfraktur)

Abb. 13: Fünf Jahre nach Trauma zeigen sich radiologisch keinerlei pathologischen Be- funde an den vormals betroffenen Zähnen.

Abb. 12: Erkennbare radiologische Entzün-dungszeichen im Bruchspalt fünf Monate nach Trauma

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Page 6: Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und

eine Dislokation nach oral anzutreffen ist. Oftmals

besteht eine „Verkeilung“ in dieser Position, was

dann zu einem hohen metallischen Klang bei Per-

kussion führt. Die Dislokation in labio-lingualer

oder mesio-distaler Richtung ist häufig mit einer

Fraktur oder einem Einriss des Alveolarknochens

verbunden. Die Röntgenuntersuchung kann, je

nach Einstellung, eine Erweiterung des Parodon-

talspalts zeigen. Bei einer traumatisch erweiterten

Alveole zeigt sich hingegen eine deutlich erhöhte

Mobilität des Zahns. Eine flexible Schienung von

einer bis vier Wochen wird empfohlen.

IntrusionDie Verletzungsart „Intrusion“ ist durch eine mas-

sive Krafteinwirkung in zentraler Achsenrichtung

des Zahns bedingt, wodurch er in den Alveolar-

knochen hineingetrieben wird. Charakteristisch

sind dabei Infraktionen der Alveolenwand und die

Quetschung des Gefäßnervenstrangs. Die Zahn-

krone kann klinisch nur noch teilweise oder gar

nicht mehr sichtbar sein. Der Parodontalspalt lässt

sich röntgenologisch nicht darstellen. Die meisten

intrudierten Zähne reagieren aufgrund ihrer Eintrei-

bung in die Alveole unempfindlich auf Perkussion.

Der Perkussionsklang ist ähnlich wie bei einem

ankylotischen Zahn hell und metallisch. Tabelle 1

gibt eine Übersicht über das empfohlene Vorgehen

in Abhängigkeit des Intrusionsgrades.

ExtrusionBei der Extrusion wird der Zahn aus seiner Al-

veole herausbewegt. Extrudierte Zähne erschei-

nen länger, weisen abnorme Lockerung auf und

sind häufig mit Okklusionsstörungen verbunden.

Darüber hinaus treten Blutungen aus dem Des-

modont auf. Der Perkussionsklang ist dumpf. Im

Röntgenbild ist der erweiterte Parodontalspalt

deutlich evident. Die Therapieempfehlung sieht

eine langsame, axiale Reponierung und anschlie-

ßende Schienung vor. Als häufigste (Spät-)Folge

gilt die Pulpanekrose.

AvulsionBei einer Avulsion liegt die vollständige Ablösung

des Zahns aus seinem Knochenfach vor. Für die Ab-

wägung der weiteren Therapie und Einschätzung

der Prognose des Zahns ist es von entscheidender

Wichtigkeit zu eruieren, wie lange sich der Zahn in

unphysiologischer (z. B. trockener) Lagerung außer-

halb der Alveole befand. Als entscheidender Zeit-

raum dafür wurden 60 Minuten definiert. Danach

muss von einer Nekrose der desmodontalen Zellen

auf der Wurzeloberfläche ausgegangen werden.

Dieser Umstand entscheidet daher maßgeblich

über das weitere Prozedere. Folgende Sofortmaß-

nahmen sollten beachtet werden:

· Vermeidung einer weiteren Austrocknung/Schä-

digung der Wurzelhaut

· physiologische Lagerung in einer Zahnrettungsbox

(Alternativen: H-Milch, isotone Kochsalzlösung,

Frischhaltefolie, Ringerlösung)

· Spülung und „Reinigung“ der Wurzeloberfläche

mit physiologischer Kochsalzlösung (siehe Tab. 2)

· drucklose Replantation

· Tetanusschutz abklären

Die Indikation zu einer systemischen antibiotischen

Therapie sollte zurückhaltend gestellt werden und

kann gegebenenfalls bei umfangreichen Begleit-

verletzungen indiziert sein.

Nach Abschluss der Akutmaßnahmen entscheiden

zwei Einflussfaktoren über das weitere Prozedere

(Tab. 2):

1. Liegt ein abgeschlossenes oder nicht abgeschlos-

senes Wurzelwachstum vor?

2. War die extraorale unphysiologische Lagerung

des Zahns länger als 60 Minuten?

Hervorzuheben bleibt, dass avulsierte Zähne mit

abgeschlossenem Wurzelwachstum nach Replan-

tation immer eine endodontische Behandlung be-

nötigen. Da eine Revaskularisierung nie möglich

ist, würde eine abwartende Haltung die Prognose

(ggf. drastisch) verschlechtern.

geringgradige Intrusion (< 3 mm) bei offenem Apex

mittelgradige Intrusion(3 – 6 mm)

starke Intrusion (> 6 mm)

begleitende Fraktur des Alveolarfortsatzes

spontane Reeruption in den nächsten drei Wochen abwarten; danach gege- benenfalls wie mittlere Intrusion

chirurgische oder kieferorthopädische Reposition

sofortige chirurgische oder kieferorthopädische Reposition

sofortige Reposition von Fragment und Zahn; rigide Schienung bis zu sechs Wochen

Tab. 1: Empfohlenes Vorgehen in Abhängigkeit des Intrusionsgrades

Wissenschaft und Fortbildung | BZB Juni 18 | 65

Page 7: Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und

SchienungIm Anschluss an eine Repositionierung beziehungs-

weise Replantation findet zur Lagestabilisierung des

Zahns und als Aspirationsschutz eine Schienung

statt. Eine Empfehlung zur Schienungsdauer kann

Tabelle 3 entnommen werden.

Für die flexible Schienung empfiehlt sich ein Tita-

nium Trauma Splint (TTS), der mithilfe der Säure-

Ätz-Technik jeweils punktförmig pro Zahn fixiert

wird. Neben dem reponierten Zahn sollte jeweils

zusätzlich ein benachbarter Zahn rechts und links

miteinbezogen werden. Um die spätere Entfernung

der Schienung nicht unnötig zu komplizieren, sollte

ein weißes oder wenig zahnfarbenes Komposit ge-

wählt werden. Zur Entfernung empfehlen sich rotie-

rende Hartmetallinstrumente aus der Kieferortho-

pädie (z. B. H23RA, Komet Dental).

Es gilt zu beachten, dass die physiologische Beweg-

lichkeit des Zahns nicht durch eine rigide Schienung

einschränkt wird. Außerdem darf keine Zwangs-

position herbeigeführt werden. Die Schiene muss

parodontienfreundlich sein und eine suffiziente

Mundhygiene ermöglichen (Abb. 16).

Nachsorge und (Spät-)FolgenDie Bedeutung regelmäßiger Nachkontrollen er-

schließt sich aus den möglichen Spätfolgen, die

auch bei adäquater initialer Therapie nicht sicher

vermieden werden können. Art und Schweregrad

möglicher Komplikationen sind eng mit dem Aus-

maß der pulpalen Schädigung, dem Umfang der

parodontalen Verletzung sowie der einsetzenden

Infektion des Wurzelkanalsystems verknüpft.

Die (Spät-)Folgen nach dentalem Trauma können

zum Teil erst Monate oder Jahre nach dem Ereignis

auftreten. Grundsätzlich bleibt oberster Grundsatz

zur Prävention von Spätfolgen, dass die notwen-

digen Therapieschritte zum richtigen Zeitpunkt

Wurzelwachstum abgeschlossen

Wurzelwachstum nicht abgeschlossen

extraorale unphysiologische Lagerung < 60 Minuten

· flexible Schienung für sieben bis zehn Tage

· Beginn der endodontischen Therapie vor Schienenentfernung –> keine Revaskularisierung möglich!

· medikamentöse Einlage (Ca(OH2)) für mindestens eine Woche

· flexible Schienung für sieben bis zehn Tage

· primär keine Wurzelkanal- behandlung –> Revaskularisierung in circa 50 Prozent der Fälle möglich!

· engmaschiges Recall zur Erkennung möglicher pathologischer Befunde

extraorale unphysiologische Lagerung > 60 Minuten

· Entfernung des parodontalen Ligaments vor Replantation

· flexible Schienung bis zu vier Wochen

· Beginn der endodontischen Thera-pie nach sieben bis zehn Tagen

· Wurzelkanalbehandlung mit bioresorbierbaren Materialien

· Entfernung des parodontalen Ligaments vor Replantation

· flexible Schienung bis zu vier Wochen

· Beginn der endodontischen Thera-pie nach sieben bis zehn Tagen

· Wurzelkanalbehandlung mit bioresorbierbaren Materialien

Traumaart Dauer Art

Konkussion ein bis drei Wochen (bei Bedarf) flexibel

Lockerung ein bis drei Wochen (bei Bedarf) flexibel

laterale Dislokation ein bis vier Wochen flexibel

Extrusion ein bis drei Wochen flexibel

Intrusion ein bis drei Wochen (nach chirurgischer Reponierung)

flexibel

Avulsion sieben bis zehn Tage flexibel

horizontale Wurzelfraktur vier bis zwölf Wochen (je nach Frakturverlauf) flexibel

(begleitende) Alveolarfortsatzfraktur bis zu sechs Wochen rigide

Tab. 2: Empfohlenes Vorgehen nach Avulsion in Abhängigkeit entscheidender Parameter

Tab. 3: Empfohlene Schienungsdauer in Abhängigkeit der Traumaart

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Page 8: Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und

eingeleitet und sachgemäß durchgeführt werden

müssen. Insbesondere eine rechtzeitige endodon-

tische Intervention soll hierbei die Infektion des

Wurzelkanalsystems mit nachfolgender apikaler

Parodontitis verhindern.

Apikale ParodontitisDie Pulpa kann durch das Trauma so geschädigt

worden sein, dass diese eintretenden Mikroorga-

nismen nicht mehr entscheidend entgegentreten

kann. Bei ausbleibender Therapie kommt es all-

mählich zur vollständigen mikrobiellen Infektion

des Wurzelkanalsystems und Pulpanekrose. Da

zunächst nicht zwingend klinische Symptome

vorliegen müssen, wird die Diagnose zumeist (als

Zufallsbefund) radiologisch gestellt. Eine apikale

Parodontitis gehört zu den häufigsten Spätfolgen

nach Trauma (Abb. 17 bis 19).

Infektionsbedingte Wurzelresorptionen Mit einsetzender bakterieller Infektion des Endo-

donts und gegebenenfalls existierender Schädigung

des Wurzelzements sind infektionsbedingte Resorp-

tionen die Folge. Röntgenologisch finden sich trans-

luzente Zonen unterschiedlicher Größe entlang

einer unregelmäßigen Wurzelaußenkontur. Als

Hauptreiz gilt die Infektion des Wurzelkanalsystems

durch Mikroorganismen. Deren Toxine gelangen

über weitlumige Dentintubuli in das entzündlich

veränderte Gewebe und initiieren beziehungsweise

unterhalten die resorptiven Prozesse. Demnach sind

infektionsbedingte Wurzelresorptionen häufig Folge

einer zu spät eingeleiteten endodontischen Thera-

pie und weitgehend vermeidbar. Das sehr schnelle

Fortschreiten dieser Resorptionsform kann insbe-

sondere bei Kindern eine vollständige Zerstörung

der Wurzel innerhalb von Wochen und Monaten

verursachen (Abb. 20).

ErsatzresorptionenErsatzresorptionen sind Wurzelresorptionen mit

gleichzeitiger „reparativer“ Knochenneubildung

nach ausgedehnten Nekrosen des parodontalen

Ligaments. Sind mehr als 20 Prozent des Wurzel-

zements betroffen, ist davon auszugehen, dass die

Zahnwurzel allmählich von Dentinoklasten resor-

biert wird. Da die resorbierten Bereiche gleichzei-

tig durch Knochen ersetzt werden, kommt es zu

einer Ankylose. Klinisch sind solche Zähne an der

fehlenden Beweglichkeit zu erkennen. Die axiale

Perkussion resultiert in einem hellen, metallähn-

lichen Klang. Röntgenologisch erkennt man die

ankylotischen Bezirke am Fehlen des Desmodon-

talspalts und an einem unregelmäßigen Erschei-

nungsbild der Wurzelaußenkontur.

Die mittlere Fünf-Jahres-Überlebensrate für re-

plantierte Zähne nach unphysiologischer Lagerung

über 60 Minuten liegt bei circa 50 Prozent. Deshalb

sollte in Fällen mit entsprechend zu erwartender

Ersatzresorption eine Wurzelkanalbehandlung

mit bioresorbierbaren Materialien wie Kalzium-

hydroxid durchgeführt werden. Damit kann das

Risiko für einen Verbleib von Wurzelfüllresten im

Knochen beziehungsweise eine mögliche Fremd-

körperreaktion verringert werden.

Abb. 16: Zustand nach Frontzahnavulsion mit insuffizienter Schienung

Abb. 17: Zustand nach Avulsion und Replantation von Zahn 11 (2014)

Abb. 18: Zustand zwei Jahre nach Trauma ohne weitere Therapie (2016)

Abb. 19: DVT-Aufnahme zwei Jahre nach Trauma mit erkennbarer ausgeprägter apikaler Osteolyse

Wissenschaft und Fortbildung | BZB Juni 18 | 67

Page 9: Zahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren TherapieZahnverletzungen der bleibenden Dentition und deren Therapie Strukturiertes und vorausschauendes Vorgehen ist das A und

Bei jungen Patienten führen ankylotische Areale

zur Infraposition des Zahns. Sollte diese mehr als

1 mm betragen, kann eine Dekoronation in Be-

tracht gezogen werden, um ein Kollabieren des

Alveolarkamms zu verhindern (Abb. 21).

Derzeit sind die therapeutischen Möglichkeiten bei

vorliegenden Ersatzresorptionen sehr beschränkt.

Ein möglicher Ansatz zur Verzögerung oder Ver-

meidung besteht darin, alternative Medikamente

im Wurzelkanalsystem einzusetzen. Im Zuge der

Erstbehandlung wird versucht, mit der Applikation

von Antibiotika-Kortikosteroid-Pasten (z. B. Leder-

mix), die via Dentintubuli in Richtung Parodont

diffundieren, auch vom Wurzelkanal aus Einfluss

auf den Resorptionsprozess zu nehmen. Klinische

Untersuchungen, die den tatsächlichen Nutzen

hiervon sicher belegen, sind bisher allerdings rar.

SchlussfolgerungenDie Behandlung von Zahntraumata erfordert ein

strukturiertes Vorgehen:

· Anamnese,

· extraorale/intraorale Untersuchung,

· Röntgendiagnostik,

· Diagnosestellung und

· Therapie.

Die Befunde und Diagnose sollten durch eine

vielseitige und umfassende Untersuchungs-

methodik verifiziert werden. Insbesondere in der

zahnärztlichen Traumatologie gilt es, voraus-

schauend zu behandeln, um ungewünschte Folgen

durch inadäquate Erstbehandlungen zu vermei-

den. Regelmäßige Nachkontrollen zur Erkennung

von gegebenenfalls auftretenden Spätfolgen sind

unerlässlich.

Korrespondenzadresse:Dr. Christoph Kaaden

Praxis für Endodontologie & dentale TraumatologieBriennerstraße 5, 80333 München

[email protected], www.endokaaden.de

Literatur beim Verfasser

Abb. 20: Ausgeprägte infektionsbedingte Resorptionen bei insuffizientem

TraumamanagementAbb. 21: Deutlich erkennbare Infraposition bei Ankylose des vormals avulsierten Zahns 21 nach unphysiologischer Lagerung

Zum vierten Mal schreibt die Deutsche Gesellschaft für

Ästhetische Zahnmedizin (DGÄZ) ihren mit 3.000 Euro

dotierten Claude-Rufenacht-Promotions-Preis aus. Aus-

gezeichnet wird die beste wissenschaftliche Promotions-

arbeit auf dem Gebiet der Ästhetischen Zahnmedizin.

Der Preis wird seit 2014 jährlich vom Vorstand der Ge-

sellschaft verliehen. Der Namensgeber der Auszeich-

nung, Dr. mult. Claude Rufenacht, ist ein Pionier der

Ästhetischen Zahnmedizin. Verliehen wird der Preis im

Rahmen der Jahrestagung Interna der DGÄZ.

Einsendeschluss ist der 31. August 2018. Die Arbeiten

müssen anonym und mit einem Kennwort versehen in

fünf Exemplaren in deutscher oder englischer Sprache

bei der Geschäftsstelle der DGÄZ eingereicht werden.

In einem mit dem Kennwort versehenen verschlosse-

nen Umschlag werden Name und Adresse des Autors

angegeben. Dieser Umschlag ist der eingereichten

Arbeit beizufügen. Allen Exemplaren der Arbeit muss

zusätzlich eine mit dem Kennwort versehene Zusam-

menfassung von maximal zwei Seiten beigelegt sein,

in der die wissenschaftliche Bedeutung für die Ästheti-

sche Zahnmedizin klar hervorgehoben wird.

Weitere Informationen zur Bewerbung sind auf der Web-

site der Gesellschaft verfügbar:

www.dgaez.de

Redaktion

DGÄZ schreibt Rufenacht-Promotions-Preis 2018 aus

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