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Kolumne 2020 Es wird nicht langweilig! (S. 1) Anwaltsmagazin Restschuldbefreiung künftig nach drei Jahren (S. 3) EU verschärft Verbraucherschutzvorschriften (S. 4) Änderungen beim beA (S. 5) Aufsätze Brändle, Die Rechtsmittelbeschwer im Immobilienund Wohnungseigentumsrecht (S. 31) Viefhues, Basiswissen: Was der anwaltliche Berufsanfänger vom Unterhaltsrecht wissen muss (S. 43) Rödel, Rechtsschutzmöglichkeiten in kommunalabgabenrechtlichen Streitigkeiten (S. 55) Rechtsprechung BGH: Inkassodienstleistung durch LegalTechPortal wenigermiete.de(S. 25) BGH: Behindertentestament (S. 28) BAG: Eigenbeitrag zur betrieblichen Altersversorgung (S. 30) In Zusammenarbeit mit der Bundesrechtsanwaltskammer ZAP Zeitschrift für die Anwaltspraxis 1 2020 6. Januar 32. Jahrgang ISSN 0936-7292 Herausgeber: Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer Rechtsanwalt beim BGH Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Karlsruhe Rechtsanwalt Martin W. Hu, Köln Prof. Dr. Martin Henssler, Institut für Anwaltsrecht, Universität zu Köln Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren, Köln Begründet von: Rechtsanwalt Dr. Egon Schneider } Mit dem ZAP Berufsrechtsreport (Deckenbrock/Markworth) AUS DEM INHALT D e t a i l s u n t e r : w w w . z a p - z e it s c h r i f t . d e / A p p Inklusive ZAP App!

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Kolumne

2020 – Es wird nicht langweilig! (S. 1)

Anwaltsmagazin

Restschuldbefreiung künftig nach drei Jahren (S. 3) • EU verschärft Verbraucherschutzvorschriften (S. 4) •Änderungen beim beA (S. 5)

Aufsätze

Brändle, Die Rechtsmittelbeschwer im Immobilien‑ und Wohnungseigentumsrecht (S. 31)

Viefhues, Basiswissen: Was der anwaltliche Berufsanfänger vom Unterhaltsrecht wissen muss (S. 43)

Rödel, Rechtsschutzmöglichkeiten in kommunalabgabenrechtlichen Streitigkeiten (S. 55)

Rechtsprechung

BGH: Inkassodienstleistung durch Legal‐Tech‐Portal „wenigermiete.de“ (S. 25)

BGH: Behindertentestament (S. 28)

BAG: Eigenbeitrag zur betrieblichen Altersversorgung (S. 30)

In Zusammenarbeit mit der

Bundesrechtsanwaltskammer

ZAPZeitschrift für die Anwaltspraxis

1 2020

6. Januar

32. Jahrgang

ISSN 0936-7292

Herausgeber: Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer • Rechtsanwalt beimBGH Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Karlsruhe • Rechtsanwalt Martin W. Huff, Köln • Prof. Dr. Martin Henssler, Institut fürAnwaltsrecht, Universität zu Köln • Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins •Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg • Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen • RechtsanwaltDr. Hubert W. van Bühren, Köln Begründet von: Rechtsanwalt Dr. Egon Schneider

}Mit dem ZAP Berufsrechtsreport (Deckenbrock/Markworth)

AUS DEM INHALT

Details unter: www.zap-zeitschrif

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InklusiveZAP App!

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BerufsrechtsreportVon Akad. Rat Dr. CHRISTIAN DECKENBROCK und Akad. Rat Dr. DAVID MARKWORTH, Universität zu Köln

I. Einleitung

Das Anwaltsrecht fristet schon lange kein Nischen-dasein mehr. Auch wenn nach wie vor das anwalt-liche Berufsrecht nicht Gegenstand der juristischenAusbildung ist (vgl. DECKENBROCK NJW 2017, 1425,1430), ist es für die Anwaltschaft unverzichtbar, überdie aktuellen Entwicklungen der sie betreffendenBerufsregeln informiert zu sein. Welche Dynamikdas Anwaltsrecht aktuell hat, ist auch im vergan-genen Berichtsjahr wieder deutlich geworden. In2019 wurden nicht nur rechtspolitische Vorhabenwie die Reform des anwaltlichen Gesellschafts-rechts und der Entwurf eines Gesetzes zur Verbes-serung des Verbraucherschutzes im Inkassorechtangestoßen (dazu II.), sondern es sind erneutzahlreiche Gerichtsentscheidungen zu den verschie-denen Teilbereichen des Anwaltsrechts ergangen.Im Mittelpunkt der Diskussion vor den Gerichten, inAnwaltschaft, Forschung und interessierter Öffent-lichkeit stand aber der neue „Megatrend“ LegalTech und die Frage, inwieweit nichtanwaltlicheDienstleister auf den Rechtsberatungsmarkt drän-gen. Die lange erwartete Entscheidung des BGH inSachen „wenigermiete.de“ (dazu IX. 2.) hat hier zwarwichtige Fragen klären können, die Zulässigkeit vonVertragsgeneratoren und anders organisierter On-line-Portale bleibt aber weiter unklar.

Auch die diesjährige Ausgabe des Berufsrechts-reports, die an die Ausführungen in ZAP 2019, 115anknüpft, gibt wieder einen Überblick über we-sentliche rechtspolitische Entwicklungen und diewichtigste Rechtsprechung im anwaltlichen Be-rufsrecht im vergangenen Jahr (ein weiterer Über-blick findet sich bei GRUNEWALD NJW 2019, 3620;speziell zur Entwicklung des Anwaltshaftungs-rechts von Mitte 2018 bis Mitte 2019 s. BORGMANN

NJW 2019, 3557; zur Entwicklung der Rechts-anwaltsvergütung 2019 s. MAYER NJW 2019, 3426).

II. Rechtspolitische Entwicklungen

1. Anwaltliches GesellschaftsrechtDas Bundesministerium der Justiz und für Ver-braucherschutz (BMJV) hat Ende August 2019insgesamt 20 Eckdaten der geplanten Reformdes anwaltlichen Gesellschaftsrechts vorgestellt.In dem Eckpunktepapier bekräftigt das Ministe-rium, dass reine Kapitalbeteiligungen von Gesell-schaftern, die nicht in der Gesellschaft tätig sind,zum Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeitweiterhin verboten bleiben sollen. Allerdings hatdas BMJV angekündigt, gewisse Lockerungendieses sog. Fremdkapitalverbots für eng be-grenzte Fälle zu erwägen. So will es eineAusnahme etwa für Beteiligungen nicht mehraktiver Berufsangehöriger mit der Maßgabeprüfen, dass die Einhaltung des anwaltlichenBerufsrechts – beispielsweise durch eine Höchst-grenze für Beteiligungen und neue Berufspflich-ten der Rechtsanwälte – besonders abgesichertwird. Zudem steht die Überlegung im Raum,reine Kapitalbeteiligungen auch mit dem Zielzu erlauben, alternative Finanzierungswegedurch sog. Wagniskapital für solche Rechts-anwälte zu eröffnen, die sich z.B. im Legal-Tech-Bereich hohen Anfangsinvestitionen ge-genübersehen. Ob diese Ausnahmen vom„Fremdbesitzverbot“ tatsächlich Gesetz werden,darf allerdings angesichts des von BRAK undDAV bereits deutlich artikulierten Widerstandsbezweifelt werden.

Auch im Übrigen birgt das EckpunktepapierSprengstoff. Nach den Vorstellungen des BMJVsoll der Kreis der sozietätsfähigen Berufe, dersich bislang im Wesentlichen auf Steuerberaterund Wirtschaftsprüfer begrenzt, i.R.d. anstehen-den Reform deutlich erweitert werden. Künftigsollen Angehörige aller „vereinbaren“ Berufe Ge-

ZAP Berufsrechtsreport

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sellschafter von Berufsausübungsgesellschaftensein dürfen. Hierunter fallen alle Berufe, dieRechtsanwälte bereits jetzt als Zweitberuf aus-üben dürfen. Eine solche Öffnung würde bedeu-ten, dass Anwälte sich mit beinahe jedem Berufs-tätigen zur gemeinschaftlichen Berufsausübungzusammenschließen dürften. Im Wesentlichenwäre ihnen nur die berufliche Zusammenarbeitmit Maklern verwehrt, deren Provisionsinteressesich anerkanntermaßen nicht mit der anwalt-lichen Unabhängigkeit verträgt (vgl. HENSSLER inHENSSLER/PRÜTTING, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 7 Rn 105).

Im Übrigen dürfte es gegen die Vorstellungendes BMJV, die in vielerlei Hinsicht dem Gesetzes-vorschlag folgen, den der Kölner Universitäts-professor MARTIN HENSSLER 2018 im Auftrag desDAV (AnwBl Online 2018, 564; vgl. auch DAV-Stellungnahme Nr. 8/2019, AnwBl Online 2019,257) ausgearbeitet hat, keine grundsätzlichenVorbehalte geben. Festgeschrieben werden solletwa, dass einer Berufsausübungsgesellschaftalle nationalen und europäischen Rechtsfor-men zur Verfügung stehen. Erst im Rahmen desfür diese Legislaturperiode ebenfalls vorgesehe-nen Gesetzesvorhabens zur Modernisierung desPersonengesellschaftsrechts soll allerdings ent-schieden werden, ob den Anwälten künftig sogar– wie von vielen Seiten gefordert – die GmbH &Co. KG als Rechtsform eröffnet wird. Dagegensoll erstmals in der BRAO das Schicksal aus-ländischer Berufsausübungsgesellschaften, die(auch) auf dem deutschen Markt auftretenwollen, geregelt werden.

Allgemein sollen für die Berufsausübungsgesell-schaften rechtsformneutrale und soweit wiemöglich einheitliche berufsrechtliche Regelungengeschaffen werden. Teil dieses rechtsformneu-tralen Ansatzes ist es, dass künftig für sämtlicheBerufsausübungsgesellschaften auf Mehrheits-erfordernisse für Gesellschafter sowie Geschäfts-führer verzichtet werden soll, wie sie die BRAObislang für die interprofessionelle Zusammen-arbeit in einer GmbH formuliert. Das BMJV willzudem der Berufsausübungsgesellschaft selbstund nicht mehr nur den in ihr zusammen-geschlossenen Anwälten eine berufsrechtlicheStellung zubilligen. So sollen in Zukunft auchBerufsausübungsgesellschaften samt der Namender in ihnen tätigen Rechtsanwälte in einem vonder BRAK geführten elektronischen Verzeichniserfasst werden. Auf diese Weise soll Transparenz

für den Rechtsverkehr geschaffen werden. Au-ßerdem soll im Gesetz verankert werden, dassBerufsausübungsgesellschaften jeder Rechtsformselbst befugt sind, Rechtsdienstleistungen zuerbringen, sowie dass solche Gesellschaften vorGericht postulationsfähig sind, soweit sie durchpersönlich befugte Personen handeln. Schließlichsollen Berufsausübungsgesellschaften selbst Trä-ger von Berufspflichten und Adressaten berufs-rechtlicher Sanktionen werden können. Wieeine Berufsausübungsgesellschaft die Einhaltungdes Berufsrechts sicherstellt, soll ihr dabei selbstüberlassen werden. Der zum Teil geäußerteVorschlag, einen gesonderten Berufsrechtsbe-auftragten oder „Compliance Officer“ zu benen-nen, wurde vom BMJV nicht aufgegriffen. Zu-dem sollen Berufsausübungsgesellschaften künftigeine eigenständige Berufshaftpflichtversicherungabschließen und unterhalten müssen.

Hiermit verbunden werden soll eine eigenstän-dige berufsrechtliche Zulassung aller anwalt-lichen Berufsausübungsgesellschaften, die dasGesetz bislang nur für die Rechtsanwaltsgesell-schaft mbH vorsieht. In unproblematischenFällen wie etwa bei der Bildung monoprofessio-neller Berufsausübungsgesellschaften soll aberzur Vermeidung unnötiger bürokratischer Hür-den ein Anzeigeverfahren genügen.

2. Verbraucherschutz im InkassorechtIm Bereich des Inkassowesens hat der Gesetz-geber zuletzt das Gesetz gegen unseriöse Ge-schäftspraktiken vom 1.10.2013 (BGBl I 2013,S. 3714) erlassen, mit dem für Rechtsanwältesowie Inkassodienstleister Darlegungs- und In-formationspflichten eingeführt wurden, die ge-währleisten sollten, dass Schuldner die gegen sieerhobenen Forderungen vollständig nachvollzie-hen können. Zudem wurden die Aufsichtsbefug-nisse gegenüber Inkassodienstleistern erweitert.Nachdem das Gesetz im Jahr 2018 evaluiertworden ist, hat das BMJV vor, weiterhin beste-hende Missstände durch das geplante Gesetz zurVerbesserung des Verbraucherschutzes im Inkas-sorecht abzustellen. Dem BMJV ist v.a. die Höheder Inkassokosten ein Dorn im Auge. Insbeson-dere bei geringen Forderungen werde das ak-tuelle Missverhältnis augenfällig. Der Referenten-entwurf (s. dazu auch JÄCKLE VuR 2019, 443) siehtin Ergänzung der in Nr. 2300 VV RVG bereitsbestimmten allgemeinen Schwellengebühr aucheine besondere Schwellengebühr für die Ein-

Berufsrechtsreport ZAP

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ziehung unbestrittener Forderungen vor. DieSchwelle soll dabei bei einem Gebührensatz von0,7 liegen. Zudem soll die bislang unterschiedlichekostenrechtliche Behandlung von Inkassodienst-leistern und Rechtsanwälten im gerichtlichenMahnverfahren aufgehoben werden. Darüberhinaus sollen Schuldner über die beim Abschlussvon Zahlungsvereinbarungen entstehenden Kos-ten und die Rechtsfolgen von Schuldanerkennt-nissen aufgeklärt werden müssen. Die Anforde-rungen an die Eignung und Zuverlässigkeit nachdem RDG zu registrierender Personen will maneindeutig im RDG selbst festschreiben. Im Bereichder Aufsicht sollen die Bedeutung von Untersa-gungsverfügungen sowie die Transparenz für dieBürger gestärkt und weitere Zentralisierungengefördert werden.

Das Vorhaben stößt bei BRAK und DAV auf großeKritik (vgl. Anwaltsmagazin ZAP 2019, 1214). Diegeplanten Regelungen bei der Rechtsanwalts-vergütung, die zu einer Herabsetzung des an-waltlichen Honorars führen würden, seien v.a. ineiner Zeit, in der die Anwaltschaft für eine längstüberfällige Anpassung der gesetzlichen Rechts-anwaltsgebühren streite, völlig inakzeptabel. Diebeabsichtigte Gleichstellung von Rechtsanwalt-schaft und Inkassodienstleistern sei vor demHintergrund, dass Inkassodienstleistern andersals Rechtsanwälten die Vereinbarung eines Er-folgshonorars erlaubt ist, fragwürdig. Die erwei-terten Hinweispflichten gegenüber der Gegen-partei würden gegen das Verbot der Vertretungwiderstreitender Interessen verstoßen und denAnwalt zum „Diener zweier Herren“ machen.Weitere Kritik kommt aus der Legal-Tech-Bran-che. Vonseiten des Branchenverbands „Bundes-verband Start-Up-Unternehmen“ wird behaup-tet, die Neuregelungen sollten die Zulassung undRegistrierung der oftmals als Inkassodienstleisterregistrierten Legal-Tech-Anbieter erschweren.

3. SonstigesIn der jüngeren Vergangenheit wurden weitererechtspolitische Forderungen erhoben. Neben derüberfälligen Erhöhung der RVG-Gebühren, diezurzeit noch von Bundesländern angesichts zuerwartender Mehrausgaben für Beratungs- undProzesskostenhilfe blockiert wird, wird etwa dieReform der BGH-Anwaltschaft und des kom-plizierten Wahlverfahrens diskutiert (dazu DECKEN-

BROCK ZRP 2018, 106). Auch sind Forderungen lautgeworden, für Insolvenzverwalter ausführlichere

berufsrechtliche Regelungen zu schaffen und sieeiner Kammeraufsicht zu unterwerfen. Währendmanche die Einführung einer Insolvenzverwalter-kammer befürworten (VALLENDER NZI 2017, 641),verweist etwa die BRAK darauf, dass 95 % derInsolvenzverfahren derzeit von Mitgliedern derRechtsanwaltskammern betreut werden und esdeshalb sinnvoll sei, die Berufsaufsicht über dieInsolvenzverwalter von den Rechtsanwaltskam-mern vornehmen zu lassen und sie so in eineffektives und etabliertes Selbstverwaltungssys-tem zu integrieren.

Dagegen ist das auch für die Anwaltschaftwichtige (vgl. bereits DECKENBROCK/MARKWORTH Be-rufsrechtsreport ZAP 2019, 115, 117 f.; UWER AnwBlOnline 2019, 327, 329 f.) Gesetz zum Schutz vonGeschäftsgeheimnissen (GeschGehG) bereits am26.4.2019 in Kraft getreten (BGBl I, S. 466). Es hateinen in sich stimmigen Schutz vor rechtswidrigerErlangung, Nutzung und Offenlegung von Ge-schäftsgeheimnissen zum Ziel (dazu DANN/MARK-

GRAF NJW 2019, 1774).

Auch auf der Ebene der Satzungsversammlungwurden wichtige Entscheidungen getroffen. Seitdem 1.7.2019 ist es Anwälten infolge einerErgänzung der FAO (vgl. § 5 Abs. 1 Buchst. x,§ 14q) möglich, die Verleihung einer Fach-anwaltsbezeichnung für das Sportrecht zubeantragen (zu Einzelheiten DECKENBROCK/MARK-

WORTH Berufsrechtsreport ZAP 2019, 115, 117).

Zum 1.1.2020 (vgl. BRAK-Mitt. 2019, 245) trateine Änderung des § 2 BORA in Kraft (dazuGASTEYER/HERMESMEIER BRAK-Mitt. 2019, 227). Aus§ 2 Abs. 2 BORA ergibt sich nunmehr explizit,dass zwischen Rechtsanwalt und Mandant dieNutzung eines elektronischen oder sonstigenKommunikationswegs, der mit Risiken für dieVertraulichkeit dieser Kommunikation verbun-den ist, jedenfalls dann erlaubt ist, wenn derMandant ihr zustimmt. Von einer Zustimmungist dabei auszugehen, wenn der Mandant diesenKommunikationsweg vorschlägt oder beginntund ihn, nachdem der Rechtsanwalt zumindestpauschal und ohne technische Details auf dieRisiken hingewiesen hat, fortsetzt. Allerdingsbringt die Ergänzung des § 2 BORA nur inberufsrechtlicher Hinsicht Klarheit, das BMJVhat im Rahmen der Billigung der Änderungklargestellt, dass § 2 Abs. 2 BORA die Regelungender DSGVO nicht verdränge.

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III. Zulassungsrecht

1. Eintragung eines Mönchs als RechtsanwaltDer EuGH hatte sich in seinem Urt. v. 7.5.2019 (C-431/17 – Monachos Eirinaios m. Anm. POHL BRAK-Mitt. 2019, 191) mit einem Mönch zu befassen,dessen Eintragung in das besondere Verzeichnisder Rechtsanwaltskammer Athen (Griechenland)als Rechtsanwalt, der seine Berufsqualifikation ineinem anderen Mitgliedstaat, nämlich in Zypern,erworben hatte, abgelehnt worden war. Proble-matisch an dem Antrag war, dass die Eigenschaftals Mönch und die Ausübung des Rechtsanwalts-berufs zwar in Zypern unproblematisch, in Grie-chenland jedoch als unvereinbar angesehen wer-den. Der EuGH kam jedoch zu dem Schluss, dassdie Eintragung nicht hätte versagt werden dürfen.Denn die Niederlassungs-Richtlinie für Rechts-anwälte (RL 98/5/EG) mache die Zulassung inihrem Art. 3 Abs. 2 lediglich von der Vorlage einerBescheinigung aus dem Herkunftsstaat abhängigund erlaube es nicht, zusätzliche Voraussetzun-gen in Bezug auf die Einhaltung von berufs- undstandesrechtlichen Anforderungen aufzustellen(vgl. u.a. bereits EuGH, Urt. v. 17.7.2014 – C-58/13,C-59/13 – Torresi). Für das deutsche Recht folgtaus der Entscheidung, dass die in § 4 EuRAGenthaltene Verweisung auf die Zulassungsgründeder BRAO voraussichtlich als europarechtswidriganzusehen ist (GRUNEWALD NJW 2019, 3620, 3622;POHL BRAK-Mitt. 2019, 191, 194 f.).

2. Widerruf der Rechtsanwaltszulassungeines verbeamteten Hochschullehrers

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zurRechtsanwaltschaft u.a. dann zu widerrufen,wenn der Rechtsanwalt zum Beamten auf Le-benszeit ernannt wird und nicht auf die Rechteaus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ver-zichtet. Der Anwaltssenat des BGH hat – durchdas BVerfG gebilligt (vgl. Beschl. v. 30.6.2009 –

1 BvR 893/09; Beschl. v. 15.3.2007 – 1 BvR 1887/06)– bereits entschieden, dass diese Regelung nichtgegen das Grundgesetz verstößt (vgl. Beschl. v.10.10.2011 – AnwZ [B] 10/10; Beschl. v. 6.7.2009 –

AnwZ [B] 52/08). Es war daher absehbar, dass dendurch eine Rechtsanwältin, die eine Stelle alsProfessorin angenommen und deshalb Beamtin(zunächst auf Probe, später auf Lebenszeit)geworden war, unternommenen erneuten An-strengungen zur verfassungsrechtlichen Missbil-ligung des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO kein Erfolg

beschieden sein würde. In seinem Beschl. v.26.2.2019 (AnwZ [Brfg] 49/18 m. Anm. RING DStR2019, 2334) stellte der Anwaltssenat insb. fest,dass die Vorschrift mit dem allgemeinen Gleich-heitssatz in Einklang stehe. Es sei nicht gleich-heitswidrig, dass Rechtsanwälte als Lehrbeauf-tragte und als Prüfer an Hochschulen tätig seindürften, ihnen die Tätigkeit als beamtete Hoch-schullehrer jedoch verschlossen sei.

3. Zulassungswiderruf wegen Vermögens-verfalls

Verfahren, die den Widerruf der Zulassung zurRechtsanwaltschaft wegen eingetretenen Ver-mögensverfalls zum Gegenstand haben, machentraditionell den Hauptanteil der Entscheidungendes Anwaltssenats aus. Dies gilt auch für 2019.Dass Anwälte, die sich gegen den Zulassungs-widerruf wenden, regelmäßig keinen Erfolg haben,liegt v.a. daran, dass nach der Rechtsprechung desAnwaltssenats maßgeblicher Zeitpunkt für dieBeurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsder Abschluss des behördlichen Verfahrens, alsoder Zeitpunkt des Ausspruchs der Widerrufsver-fügung bzw. – wenn das Landesrecht ein Wider-spruchsverfahren vorsieht – des Erlasses desWiderspruchsbescheids ist. Eine danach eintre-tende Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhält-nisse ist nur in einem Wiederzulassungsverfahrenzu berücksichtigen (grundlegend BGH, Beschl. v.29.6.2011 – AnwZ [Brfg] 11/10 Rn 9ff.; s. dazuDECKENBROCK AnwBl 2015, 365, 373 f. sowie jetztzudem etwa BGH, Beschl. v. 5.4.2019 – AnwZ [Brfg]3/19; Beschl. v. 18.2.2019 – AnwZ [Brfg] 65/17 unddazu JURETZEK DStR 2019, 2382).

Mit dem Vermögensverfall ist wiederum grds.eine Gefährdung der Interessen der Recht-suchenden verbunden (vgl. etwa BGH, Beschl. v.5.4.2019 – AnwZ [Brfg] 3/19). Diese Gefährdung zuwiderlegen, wird i.d.R. nicht gelingen. So betontder BGH, dass eine Widerlegung nur in Ausnah-mefällen in Betracht komme und den Rechts-anwalt insofern die Feststellungslast treffe. Dafürmüsste der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tä-tigkeit mindestens insofern beschränkt haben,dass er sie nur noch für eine Rechtsanwalts-sozietät ausübe und mit dieser rechtlich ab-gesicherte Maßnahmen verabredet habe, dieeine Gefährdung der Mandanten effektiv verhin-dern. Die Anstellung des in Vermögensverfallgeratenen Rechtsanwalts bei einem Einzel-

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anwalt reiche dagegen grds. nicht aus, da eineausreichende Überwachung der notwendigenSicherungsmaßnahmen dann nicht gewährleistetsei. Insbesondere während der Urlaubszeit oderbei einer etwaigen Erkrankung des Einzelanwaltswerde eine Gefährdung der Rechtsuchendennicht wirksam verhindert.

4. Wiederzulassung trotz früherer StraftatenNach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zurRechtsanwaltschaft zu versagen, wenn die antrag-stellende Person sich eines Verhaltens schuldiggemacht hat, das sie unwürdig erscheinen lässt,den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Imvergangenen Jahr hatte der BGH wiederum Gele-genheit, diesen auslegungsbedürftigen Tatbestandauszufüllen (Urt. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 70/17 m.Anm. RING DStR 2019, 895). Unter Berücksichti-gung der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v.22.10.2017 – 1 BvR 1822/16; dazu DECKENBROCK/MARKWORTH Berufsrechtsreport ZAP 2018, 57, 62 f.)hebt der Anwaltssenat hervor, dass die Versagungder Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegenUnwürdigkeit voraussetze, dass der Bewerber einVerhalten gezeigt hat, dass ihn bei Abwägung allererheblichen Umstände nach seiner Gesamtper-sönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbarerscheinen lässt. Auch eine durch ein besondersschwerwiegendes Fehlverhalten begründete Un-würdigkeit könne allerdings durch Zeitablauf undWohlverhalten des Bewerbers derart an Bedeu-tung verloren haben, dass sie der Zulassung desBewerbers nicht mehr im Wege stehe. Dies sei beiStraftaten, die im Zusammenhang mit der frühe-ren Tätigkeit als Rechtsanwalt begangen wurden,30 Jahre nach ihrer Begehung regelmäßig der Fall.Im Streitfall konnte daher dem Antragsteller, der1992 wegen in den Jahren 1987 bis 1989 begange-ner Straftaten der Untreue in acht Fällen sowie desBetrugs und der Gebührenüberhebung zu einerGesamtfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahrenverurteilt worden war, sein früheres Fehlverhaltennicht entgegengehalten werden. Da hinsichtlichdieser strafgerichtlichen Verurteilung die Tilgungs-frist nach §§ 36 S. 1, 46 Abs. 3 BZRG abgelaufen ist,habe sich der Anwalt in dem Fragebogen zumAntrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwalt-schaft gem. § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG zudem alsunbestraft bezeichnen dürfen. Schließlich seienauch einzelne Verstöße des Antragstellers gegendas Rechtsdienstleistungsgesetz nicht geeignet,

ihm die Zulassung zu versagen, wenn und da ihnenkein besonderes Gewicht beizumessen ist, dieWiederzulassung des Antragstellers zu oder vordem Zeitpunkt der Verfehlungen auf einen ent-sprechenden Antrag hin bereits ernstlich in Be-tracht gekommen wäre und seit ihrer Begehungwieder ein Zeitraum von fünf Jahren vergangen ist.

5. Verkürzung der WiederzulassungsfristWurde ein Rechtsanwalt durch rechtskräftigesUrteil aus der Anwaltschaft ausgeschlossen, soist ihm gem. § 7 Nr. 3 BRAO für acht Jahrenach Rechtskraft des Urteils die Wiederzulas-sung zu versagen. Offen war bislang jedoch,ob das über den Ausschluss befindende Ge-richt mit bindender Wirkung für das erneuteZulassungsverfahren die Wiederzulassungsfrist„kompensatorisch“ verkürzen kann, insb. umrechtsstaatswidrigen VerfahrensverzögerungenRechnung zu tragen. Der Anwaltssenat hat diesin seinem Urt. v. 30.9.2019 (AnwZ [Brfg] 32/18)bejaht, wobei er Parallelen zur sog. Vollstre-ckungslösung der Strafgerichte, bei der diegerichtliche Sanktion in Ansehung der Verfah-rensdauer minimiert wird, gezogen hat. Auchberufsgerichtliche Disziplinarverfahren nach derBRAO unterlägen dem Gebot der Durchführungdes Verfahrens in angemessener Zeit. Zudem seidas Recht der Ahndung von Pflichtverletzungendurch Anwälte an das Straf- und das Straf-prozessrecht angelehnt.

6. SyndikusrechtsanwälteInzwischen ist das vierte Jahr nach Inkrafttretendes Gesetzes zur Neuordnung des Rechts derSyndikusanwälte und zur Änderung der Finanz-gerichtsordnung am 1.1.2016, durch das die berufs-rechtliche Stellung der Syndikusrechtsanwälte inden §§ 46 ff. BRAO neu geregelt wurde, zu Endegegangen (vgl. zur anstehenden Evaluation desGesetzes FREUNDORFER AnwBl Online 2019, 646sowie zur Frage, ob Regelungsbedarf bei derrückwirkenden Befreiung von Syndikusrechts-anwälten von der Rentenversicherungspflicht be-steht, BT-Drucks 19/13808 sowie AnwaltsmagazinZAP 2019, 1215). Auch in diesem Jahr wurden vieleFragen, die die Reform aufgeworfen hat, höchst-richterlich geklärt (vgl. auch den neuen Überblicks-beitrag von KILIAN DStR 2019, 1094 sowie zuvorbereits WALLNER BRAK-Mitt. 2019, 58 und POSEGGA

DStR 2018, 1372).

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a) Anwaltliche PrägungNach § 46 Abs. 3 BRAO setzt die Zulassungeines Unternehmensjuristen zur Syndikusrechts-anwaltschaft voraus, dass das Arbeitsverhältnisdurch fachlich unabhängig und eigenverant-wortlich auszuübende anwaltliche Tätigkeitengeprägt ist. Der Anwaltssenat hat diese gesetz-liche Vorgabe nun insoweit präzisiert, als es fürdie anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnissesentscheidend darauf ankommen soll, dass dieanwaltliche Tätigkeit den Kern oder Schwer-punkt der Tätigkeit darstellt, mithin dass dasArbeitsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeitbeherrscht wird (Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ [Brfg]63/17, ZAP EN-Nr. 744/2019; s. auch Anwalts-magazin ZAP 2019, 1278 f.). Dabei soll ein Anteilvon 65% anwaltlicher Tätigkeit am unterenRand des für eine anwaltliche Prägung desArbeitsverhältnisses Erforderlichen liegen. Be-merkenswert ist auch die Feststellung desSenats, dass die Darlegung der quantitativenPrägung des Arbeitsverhältnisses grds. genüge.Da anwaltliche Tätigkeit grds. keine gering-wertige Tätigkeit darstelle, könne für die quali-tative Prägung regelmäßig keine andere Beur-teilung gelten. In einer anderen Entscheidunghat der Senat „mindestens 60 %, zeitweise eher

70 %“ anwaltliche Tätigkeit als ausreichend er-achtet (BGH, Urt. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 25/18m. Anm. FREUNDORFER NJW 2019, 930; vgl. auchBGH, Beschl. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 29/17).Später hat er diese Ausführungen noch dahin-gehend präzisiert, dass 67% anwaltliche Tätigkeitgenüge (BGH, Beschl. v. 27.2.2019 – AnwZ [Brfg]36/17). Damit dürfte eine lediglich knapp einenUmfang von 50% übersteigende anwaltlicheTätigkeit (vgl. insoweit TEMMING/DALMER AnwBlOnline 2018, 916) für eine Zulassung nichtgenügen.

b) Fachliche UnabhängigkeitDarüber hinaus hatte sich der Anwaltssenat auchwiederum mit dem Kriterium der fachlichenUnabhängigkeit zu beschäftigen. Nach § 46 Abs. 4S. 1 BRAO übt eine fachlich unabhängige Tätigkeitgem. § 46 Abs. 3 BRAO nicht aus, wer sich anWeisungen zu halten hat, die eine eigenständigeAnalyse der Rechtslage und eine einzelfallorien-tierte Rechtsberatung ausschließen. Dem stehtnicht entgegen, wenn ein SyndikusrechtsanwaltVorlagen zur rechtlichen Prüfung zu erstellen hat,von denen der Arbeitgeber nach eigener Ent-scheidung abweichen kann (BGH, Beschl. v.

26.6.2019 – AnwZ [Brfg] 29/19). Unschädlich solles zudem jedenfalls sein, wenn die Entscheidungs-befugnis des Antragstellers bei einem Teil seineranwaltlichen Tätigkeit (20–30%), durch einWeisungsrecht eingeschränkt ist (BGH, Beschl.v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 29/17). Eine die Syndikus-zulassung verhindernde Weisungsunterworfenheitkann sich – wie der Anwaltssenat bereits zuvorfestgestellt hat – insb. aus innerbetrieblichenVorschriften ergeben. Unternehmensinterne reineCompliance-Vorschriften ohne fachlichen Bezugspielen insofern aber keine Rolle (BGH, Beschl. v.26.6.2019 – AnwZ [Brfg] 29/19; Beschl. v. 29.1.2019– AnwZ [Brfg] 16/18). Auch die Tatsache, dass diefachliche Unabhängigkeit und Weisungsfreiheitfaktisch durch die Möglichkeit der – missbräuch-lichen – Versetzung oder der Drohung mit ihreingeschränkt sein könne, schließt die Zulassungnicht aus (BGH, Beschl. v. 26.6.2019 – AnwZ [Brfg]29/19).

c) Keine Vertretungsbefugnis erforderlichIn seinem hier bereits angesprochenen Urt. v.30.9.2019 ist der Anwaltssenat auch darauf einge-gangen, was unter der für die Syndikuszulassunggem. § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO erforderlichenBefugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten,zu verstehen ist. Bereits zum Jahresanfang hatteder Anwaltssenat entschieden, dass zur Erfüllungdes Merkmals das Vorliegen einer Alleinvertre-tungsbefugnis nicht zu fordern sei (Urt. v. 14.1.2019– AnwZ [Brfg] 25/18 m. Anm. FREUNDORFER NJW2019, 930; Beschl. v. 14.1.2019 – AnwZ [Brfg] 29/17;BGH, Beschl. v. 27.2.2019 – AnwZ [Brfg] 36/17).Nunmehr hat er ergänzend ausgeführt, dassdie Syndikuszulassung auch eine Gesamtvertre-tungsbefugnis nicht zwingend voraussetze (Urt.v. 30.9.2019 – AnwZ [Brfg] 63/17). Die Befugnis,nach außen verantwortlich aufzutreten, könnesich im Einzelfall auch bereits aus der selbst-ständigen Führung von Verhandlungen im Au-ßenverhältnis oder der wesentlichen Teilhabe anAbstimmungs- und Entscheidungsprozessen imInnenverhältnis ergeben. Dieses Ergebnis leitetder Senat aus einem Vergleich mit den typischenHandlungsbefugnissen eines externen Rechts-anwalts ab, der mit der Führung außergerichtlicherVerhandlungen beauftragt werde. Auch dessenTätigkeit werde nicht danach bewertet, ob erschlussendlich die ausgehandelte Vereinbarungals Vertreter seines Auftraggebers verbindlichabschließe, sondern nach Umfang und Qualitätseines Handelns im Vorfeld.

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d) Angelegenheiten des ArbeitgebersIn einem weiteren Beschl. v. 16.8.2019 hat derAnwaltssenat wieder einmal Stellung zumMerkmal der „Tätigkeit in Angelegenheiten desArbeitgebers“ genommen (AnwZ [Brfg] 58/18).Der Senat sieht § 46 Abs. 5 BRAO nicht lediglichals Beschränkung der Rechtsdienstleistungs-befugnis, sondern neben § 46 Abs. 2–4 BRAOals weitere tatbestandliche Voraussetzung fürdie Zulassung als Syndikusrechtsanwalt an. Imkonkreten Fall lässt der Senat die Zulassungdeshalb daran scheitern, dass in Rechtsangele-genheiten des Arbeitgebers nach § 46 Abs. 2 S. 1,Abs. 5 S. 1, 2 BRAO nicht tätig sei, wer alsSchadenanwältin von einem Versicherungsmak-ler für die Abwicklung von Großschäden einge-setzt werde. Denn der Schadenanwalt nehme(wie der externe Datenschutzbeauftragte undder Rentenberater) Angelegenheiten der Kundenund nicht solche seines Arbeitgebers wahr. Nachdieser zweifelhaften Auffassung (vgl. HUFF NJW2019, 3456) soll es daher keine Rolle spielen, dasssich der Versicherungsmakler schuldrechtlichgegenüber seinen Kunden zur Durchführungder Schadensfallbearbeitung verpflichtet habe.

e) Arbeitsverhältnis im öffentlichen DienstAuch im Jahr 2019 hatte sich der Anwaltssenatmit der Frage zu befassen, inwiefern die Zulas-sung als Syndikusrechtsanwalt auch für einArbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst möglichist. Nach Auffassung des Anwaltssenats (zuletztUrt. v. 30.9.2019 – AnwZ [Brfg] 38/18 m. Anm.OFFERMANN-BURCKART NJW 2019, 3648; Urt. v.6.5.2019 – AnwZ [Brfg] 31/17) gelte der Zulas-sungsversagungsgrund nach § 7 Nr. 8 BRAOgem. § 46a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BRAO auch für dieBeantragung der Zulassung als Syndikusrechts-anwalt. Jedoch könnten für die Beurteilung derFrage, ob und unter welchen Voraussetzungeneine Tätigkeit im öffentlichen Dienst einerZulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegen-stehen kann, die strengen Grundsätze derRechtsprechung des Senats zu einem mit demBeruf des Rechtsanwalts nicht zu vereinbaren-den Zweitberuf nach § 7 Nr. 8 BRAO nichtuneingeschränkt übertragen werden. Im Rah-men der Prüfung nach §§ 46a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 7Nr. 8 BRAO sei ein großzügigerer Maßstabanzulegen.

So erfülle eine nicht hoheitlich tätige Angestellteeiner Krankenkasse (Körperschaft des öffentlichen

Rechts) die Voraussetzungen für eine Zulassungals Syndikusrechtsanwältin (Urt. v. 30.9.2019 –

AnwZ [Brfg] 38/18). Es stehe der Zulassungnicht entgegen, dass sie die Entscheidungen desWiderspruchsausschusses der Krankenkasse imMitgliedschafts- und Beitragsrecht als „rechtliche

Prüfstelle“ vorbereitet habe, da sie nicht internverbindlich über die Widersprüche entscheide undweder für den Erlass der Bescheide zuständig nochgegenüber der entscheidenden Stelle weisungs-befugt war. Die Vorbereitung hoheitlicher Maß-nahmen durch Stellungnahmen, Rechtsgutach-ten, mündliche oder schriftliche Beratungensowie Fertigung von Entscheidungsentwürfenstelle kein Zulassungshindernis dar, ohne dass esdarauf ankomme, wie häufig einem Entschei-dungsvorschlag gefolgt wird. Auch im Rahmender Vertretung ihrer Arbeitgeberin vor den Sozial-gerichten habe die Antragstellerin nicht hoheitlichgehandelt. Dementsprechend war zuvor aucheiner Angestellten im Rechtsamt eines Land-kreises die Syndikuszulassung nicht versagt wor-den (Urt. v. 6.5.2019 – AnwZ [Brfg] 31/17).

Demgegenüber scheidet eine Syndikusrechts-anwaltszulassung aus, wenn der Antragstelleram Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Ent-scheidungsbefugnis beteiligt ist, wobei es wederauf den Umfang der hoheitlichen Tätigkeit imVerhältnis zur Gesamttätigkeit noch darauf an-kommen soll, ob der Antragsteller als Entschei-dungsträger nach außen auftritt oder erkennbarist (Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ [Brfg] 38/18; sog.„Infektionstheorie“, vgl. OFFERMANN-BURCKART NJW2019, 3648).

f) ElternzeitIn einem Beschl. v. 18.3.2019 (AnwZ [Brfg] 6/18;dazu MARKWORTH WuB 2019, 415) hatte sich derAnwaltssenat nach seiner aufsehenerregendenBetriebsrat-Entscheidung (Urt. v. 29.1.2018 –

AnwZ [Brfg] 12/17; dazu DECKENBROCK/MARKWORTH

Berufsrechtsreport ZAP 2019, 115, 118 f.) erneutmit der Frage zu beschäftigen, inwiefern sichTätigkeitsunterbrechungen auf die Zulassungs-fähigkeit auswirken. Ein Ruhen der die Syndikus-rechtsanwaltszulassung vermittelnden Tätig-keit aufgrund einer Elternzeit i.S.d. BEEG stehteiner positiven Zulassungsentscheidung nachAuffassung des Anwaltssenats nicht entgegen,zumindest solange keine mit der Zulassungunvereinbare Teilzeittätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 4BEEG aufgenommen werde. Bei dieser Gelegen-

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heit stellte der Senat auch klar, dass ein Erho-lungsurlaub i.S.d. BUrlG oder eine Erkrankungi.S.d. EZFG als rein vorübergehende und damitunschädliche Tätigkeitsunterbrechungen anzu-sehen seien. Weiterhin offen bleibt, wie Fälle zuhandhaben sind, in denen die Syndikuszulassungdoch einmal temporär zu versagen bzw. zuwiderrufen ist (der Anwaltssenat hat dies imHinblick auf die Betriebsratstätigkeit angenom-men, weitere Fälle könnten eine länger andau-ernde Erkrankung oder ein Sabbatjahr sein).Der BGH hat zwar die Auffassung vertreten,dass Betroffene „keine rentenversicherungspflichti-

gen Nachteile zu befürchten“ hätten, es bleibt aberabzuwarten, ob die Sozialgerichte diese Meinungteilen werden.

IV. Berufspflichten und -rechte

1. Vertretung widerstreitender InteressenEin Anwalt, der mehrere an einem Rechtsstreitbeteiligte Parteien vertritt, spielt mit dem Feuer.Dies hatte bereits eine letztes Jahr vorgestellte(DECKENBROCK/MARKWORTH Berufsrechtsreport ZAP2019, 115, 120 f.) Entscheidung des 4. Strafsenats(Beschl. v. 21.11.2018 – 4 StR 15/18 m. Anm.DECKENBROCK NJW 2019, 318) illustriert (vgl. zudemBGH, Urt. v. 12.3.2019 – VI ZR 277/18). Der IX.Zivilsenat (Urt. v. 10.1.2019 – IX ZR 89/18 m. Anm.DECKENBROCK EWiR 2019, 467) versagte nun einemAnwalt knapp 1,6 Mio. € Anwaltshonorar, weil erwiderstreitende Interessen vertreten habe. Dennein Rechtsanwalt, der mehrere Gesamtschuld-ner vertrete, handele berufsrechtswidrig, wenndas Mandat nicht auf die Abwehr des Anspruchsim gemeinsamen Interesse der Gesamtschuldnerbeschränkt sei und nach den konkreten Um-ständen des Falls ein Interessenkonflikt tatsäch-lich auftrete. Dies sei regelmäßig zu bejahen,wenn ein Anwalt in einem zwischen Bauherrnund Bauunternehmer wegen eines Schadensfallsgeführten selbstständigen Beweisverfahren dasunbeschränkte Mandat zur Vertretung mehrererals Streithelfer beigetretener Sonderfachleute,die teils mit der Planung, teils mit der Bau-überwachung beauftragt wurden, übernommenhabe. Insoweit sei zu bedenken, dass der beauf-tragte Sachverständige, wie in § 485 Abs. 2 ZPOvorgesehen, nicht nur das Schadensbild fest-halten, sondern auch Feststellungen zu denUrsachen des Schadensbilds treffen sollte. Die

Antragsteller hätten die Streitverkündungengegenüber den Planungsgemeinschaften damitbegründet, dass als Schadensursache nebenAusführungsfehlern des Antragsgegners auchHandlungen der Fachplaner und Ingenieure inBetracht kämen. Weil das Ergebnis des selbst-ständigen Beweisverfahrens nach § 493 ZPO ineinem späteren Hauptsacheverfahren berück-sichtigt werden könne, sei den Planungsgemein-schaften, die in unterschiedlichen Stadien derPlanung verantwortlich gewesen seien, darangelegen gewesen, möglichen Feststellungen zueigenen Verursachungsbeiträgen bereits jetztentgegenzuwirken.

In seiner Entscheidung hat der Senat nochmalsbekräftigt, dass ein Anwaltsvertrag, der eine Ver-tretung widerstreitender Interessen begründet,nichtig sei. Er hat hinzugefügt, dass ein Bereiche-rungsanspruch für Leistungen des Rechtsanwaltsausgeschlossen sei, wenn der Anwalt vorsätzlichgegen das Verbot verstoßen oder sich der Einsichtin das Verbotswidrige seines Handelns leichtfertigverschlossen habe.

2. FremdgeldGemäß § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO und § 4 BORAhaben Rechtsanwälte Fremdgelder, die sie imMandatsverhältnis erhalten, unverzüglich an denEmpfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf einAnderkonto einzuzahlen. Bei diesem Vorgang darfnach Auffassung des OLG Düsseldorf ein Zeitraumvon ca. zwei bis drei Wochen regelmäßig nichtüberschritten werden (Beschl. v. 15.5.2019 – I-24U 171/18). Eine zwei Wochen nach Zahlungseingangan den Mandanten versendete „Abschlusskosten-

note“, welche die Zahlung nicht aufführt, sei somitfalsch und irreführend, da sie den Eindruck her-vorrufe, mit dem Schreiben sei eine endgültigeAbrechnung erfolgt.

Um Fremdgeld handelt es sich insb. dann, wennder unterlegene Prozessgegner die von ihm zutragenden Kosten des Rechtsstreits auf ein An-waltskonto überweist. Die Rechtsschutzversiche-rung des Mandanten kann immer dann die Aus-kehrung des überwiesenen Betrags verlangen,sofern der Kostenersatzanspruch des Mandantengem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf sie übergangen ist. Ineinem vom VI. Senat entschiedenen Fall (Urt. v.23.7.2019 – VI ZR 307/18 m. Anm. WACKER DStR2019, 2559) war der Versicherung erst mehr als

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zwei Jahre nach Beendigung des Rechtsstreitsaufgefallen, dass sie die von ihr vorgestrecktenKosten des Rechtsstreits bislang nicht zurücker-halten hatte, da die Gelder von anwaltlicher Seiteversehentlich an den Mandanten ausgezahlt wor-den waren. Nach Aufklärung des Sachverhalts ließder Mandant der Versicherung den fehlendenBetrag zukommen. Die Versicherung gab sichdamit aber nicht zufrieden, sondern verlangtezusätzlich vom Anwalt Zinsen i.H.v. mehr als1.000 €. Der VI. Senat lehnte dieses Ansinnen ab.Ein verzugs- und verschuldensunabhängiger Zins-anspruch der Versicherung bestehe nicht. Ins-besondere seien die Voraussetzungen des § 688BGB nicht erfüllt, weil der Anwalt mit der ver-sehentlichen Weiterleitung der vom Prozessgegnergeleisteten Zahlungen an den Mandanten das Geldnicht „für sich“ verwendet habe. Ein Verzinsungs-anspruch unter dem Gesichtspunkt des Schuld-nerverzugs scheitere an der fehlenden Mahnung.Für einen deliktischen Verzinsungsanspruch (§ 849BGB) fehle es an einem deliktischen Ersatzanspruchder Versicherung. § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO und § 4BORA seien keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2BGB zugunsten der Rechtsschutzversicherung.§ 43a Abs. 5 S. 2 BRAO schütze zwar das allgemeineVertrauen in die Korrektheit und Integrität derAnwaltschaft in allen finanziellen Fragen und damitzugleich die Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft inder Rechtspflege, entfalte jedoch keinen Indivi-dualschutz zugunsten der Empfangsberechtigtenvon Fremdgeldern.

3. Vereinbarung von ErfolgshonorarenGeklärt ist nun, dass es sich bei dem Verbot derVereinbarung eines Erfolgshonorars um eineMarktverhaltensregelung handelt und das Verbotdaher wettbewerbsrechtlich relevant ist (BGH, Urt.v. 6.6.2019 – I ZR 67/18, ZAP EN-Nr. 516/2019). DieEntscheidung ist insoweit zutreffend, als die ein-schlägige Vorschrift des § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO –

neben der anwaltlichen Unabhängigkeit – nichtnur die „Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung

durch überhöhte Vergütungssätze“ schützt, sondernzudem gleiche rechtliche Voraussetzungen für alleWettbewerber auf dem Markt schafft und damitauch einem fairen Wettbewerb dient (DECKENBROCK

NJW 2019, 3071, 3072).

4. WerberechtDer BGH hat sich erneut mit den Grenzen dergrundgesetzlich geschützten anwaltlichen Wer-befreiheit befassen müssen. Im Streitfall hatte

sich ein Anwalt und Diplomingenieur, dem dieErlaubnis verliehen war, Fachanwaltsbezeichnun-gen im Arbeitsrecht und gewerblichen Rechts-schutz zu führen, und der in seiner Kanzlei zweiFachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz be-schäftigte, in einem Branchenverzeichnis unter„Patentanwälte in O.“ eintragen lassen. Weder derAnwalt noch die angestellten Berufsträger sindzugelassene Patentanwälte. Der Anwaltssenat(Beschl. v. 25.4.2019 – AnwZ [Brfg] 57/18) hatdies als nicht mehr berufsrechtskonform angese-hen. Aus dem Sachlichkeitsgebot folge für dieRechtsanwaltschaft, dass sie nicht sämtlicheWerbemethoden verwenden dürfe, die im Bereichder werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch)hinzunehmen wären (vgl. bereits BGH, Urt. v.27.10.2014 – AnwZ [Brfg] 67/13); jedenfalls sei abereine Werbung, die gegen § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWGverstoße, nicht nur wettbewerbs-, sondern auchberufsrechtswidrig. Nach Auffassung des Senatsist der Brancheneintrag als irreführende Wer-bung, die geeignet ist, bei einem erheblichen Teilder angesprochenen Verkehrskreise Fehlvorstel-lungen hervorzurufen und so die Entschließungder Rechtsuchenden im Wettbewerb in rechtlichrelevanter Weise zu beeinflussen, anzusehen.Denn eine anwaltliche Selbsteinschätzung dürfenicht den Eindruck erwecken, eine Qualifikationsei durch ein förmliches Verfahren erworbenoder werde durch eine dritte Stelle gebilligt. Mitder Schaltung der Anzeige werde aber aus Sichteines Rechtsuchenden der Eindruck erweckt, dassder Anwalt selbst oder zumindest ein in seinerKanzlei beschäftigter Berufsträger Patentanwaltsei. Insoweit sei entscheidend, dass nach § 18Abs. 4 PAO die Berufsbezeichnung „Patentanwalt“

nur nach der Zulassung geführt werden dürfe.Eine Irreführung sei auch nicht deshalb zu ver-neinen, weil Anwälte grds. berechtigt seien,Rechtsuchende in den Angelegenheiten zu ver-treten, in denen Patentanwälte tätig sind. Wernach einem Patentanwalt suche, erwarte spezielldessen Qualifikation. Diese unterscheide sich voneinem normalen Rechtsanwalt erheblich, weilVoraussetzung für den Erwerb der Zulassung alsPatentanwalt neben der rechtlichen Befähigungdie technische Befähigung nach § 6 PAO sei.

Auch wenn der Anwaltssenat dies in Abrede stellt(Rn 25ff.), steht seine Entscheidung in Konfliktmit einem Judikat des für das Wettbewerbsrechtzuständigen und als liberaler geltenden I. Zivil-senats (Urt. v. 18.10.2012 – I ZR 137/11). Dieser hatte

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2012 die Angabe „Steuerbüro“ in der Kanzleibezeich-nung eines Anwalts nicht als irreführend bean-standet, wenn dieser zu einem überwiegenden Teilseiner Berufstätigkeit Hilfeleistungen in Steuersa-chen erbringe. Daran ändere auch der Umstandnichts, dass ein Teil der an diesen Dienstleistungeninteressierten Verbraucher aus der Angabe „Steu-

erbüro“ den unrichtigen Schluss ziehen könnte, inder Kanzlei sei auch ein Steuerberater oder einFachanwalt für Steuerrecht tätig.

Eine liberale Auffassung hat der I. Senat auchin einem zuletzt vor dem KG Berlin geführtenVerfahren vertreten. Das KG hatte einemRechtsanwalt untersagt, im Wettbewerb als„Anwaltsforum Patientenanwälte im Geburtsscha-

densrecht“ aufzutreten, da der beworbene Zu-sammenschluss über ein Vorbereitungsstadiumnicht hinausgekommen sei und letztlich nur ausdem Beklagten und seinen freien Mitarbeiternbestanden habe (Urt. v. 24.8.2018 – 5 U 134/17).Allerdings hatte der Beklagte im Verfahren nochandere vermeintliche Mitglieder seiner Arbeits-gemeinschaft benannt, bei denen es sich nichtum seine Mitarbeiter handelte. Hieran knüpftedie Kritik des I. Senats an (Beschl. v. 14.3.2019 –

I ZR 167/18, ZAP EN-Nr. 359/2019). Für dasBestehen der Arbeitsgemeinschaft sei nicht derBeklagte beweisbelastet. Die Darlegungs- undBeweislast für die Irreführung, also auch für dasNichtbestehen der Arbeitsgemeinschaft, treffevielmehr den Kläger als Anspruchsteller. Ange-sichts der Benennung angeblicher Mitglieder derArbeitsgemeinschaft durch den Beklagten sei essomit Sache des Klägers gewesen zu beweisen,dass die Mitgliedschaft nicht bestand.

5. Handakte und AbwicklerJüngst kam es wiederholt zu Streitigkeiten um dieHerausgabe der anwaltlichen Handakte (§ 50BRAO). Auch 2019 hatte sich der BGH mit derReichweite dieser Herausgabepflicht zu beschäfti-gen (Urt. v. 7.2.2019 – IX ZR 5/18 m. Anm. UEBERFELDT

DStR 2019, 1111). Im Streitfall machte wie so oft einInsolvenzverwalter den Herausgabeanspruch gel-tend. Der beklagte Praxisabwickler einer Einzel-anwaltskanzlei berief sich darauf, die Mandate, aufwelche sich die Akten bezogen, im Rahmen seinerBefugnisse auf sich selbst und andere Rechts-anwälte überführt zu haben. Damit stehe der

Schuldnerin auch das Eigentum an den Handaktennicht mehr zu. Der IX. Senat stimmte dem zu. Eskönne offen bleiben, ob eine vom Abwicklerveranlasste Überführung laufender Verfahren aufsich selbst oder andere Anwälte dem Sinn undZweck der Abwicklung entspreche, jedenfalls hät-ten die Mandanten als Herren des Verfahrens dieEntscheidungsbefugnis darüber, wer ihre Mandatekünftig fortführe. Anlässlich der Mandatswechselhabe der Abwickler gem. §§ 53 Abs. 10 S. 1, 55 Abs. 3S. 1 BRAO die Befugnis gehabt, im Namen derehemaligen Rechtsanwältin über die in ihremEigentum stehenden Teile der zum Mandat gehö-renden Handakten zu verfügen. Dem ist zuzustim-men. Der Fall illustriert jedoch erneut, wie pro-blematisch das Verhältnis von Insolvenzverwalterund Abwickler ist.

6. Verbot der Umgehung des GegenanwaltsDas Anwaltsgericht Köln (Beschl. v. 16.8.2019 –

3 AnwG 15/19 R) konnte zur Reichweite desVerbots der Umgehung des Gegenanwalts (§ 12BORA) Stellung nehmen. Der Vermieter einerWohnung war zugleich Gesellschafter einer An-walts- und Steuerberaterkanzlei. Er hatte dieKanzlei in einem Rechtsstreit mit seiner Mieterinmandatiert. Die Mieterin war ihrerseits anwalt-lich vertreten. Gleichwohl wandte sich der Ver-mieter/Anwalt unmittelbar an sie. Im Schreibennahm er Bezug auf einen Schriftsatz des Prozess-bevollmächtigten der Mieterin aus dem laufen-den Prozess und forderte sie auf, diesen Vortragzu widerrufen, nicht mehr zu wiederholen unddiesbezüglich eine strafbewehrte Unterlassungs-erklärung abzugeben.

Dieses Verhalten wertete das AnwG als Verstoßgegen das Verbot der Umgehung des Gegen-anwalts, obwohl der Anwalt nicht den Kanzlei-briefbogen verwendete, sondern einen Briefbo-gen, der seine Privatadresse, seine akademischeQualifikation und seine Berufsbezeichnungen ent-hielt. Entscheidend sei, dass die Kontaktaufnahmesich auf einen Bereich bezogen habe, für den derGegenanwalt mandatiert gewesen sei. DurchVerwendung eines Briefbogens, der ausdrücklicheinen Hinweis auf seine Tätigkeit als Anwaltenthalten habe, habe die Mieterin davon aus-gehen müssen, dass ihr Vermieter insoweit (auch)anwaltlich tätig sein wollte.

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V. Fachanwaltschaften

1. Vertretung in mehreren InstanzenDer Anwaltssenat hat in einem Beschl. v.25.2.2019 (AnwZ [Brfg] 80/18) seine bisherigeRechtsprechung (vgl. Beschl. v. 27.4.2016 – AnwZ[Brfg] 3/16) bekräftigt, nach der ein anwaltlichesMandat, das sich über mehrere Instanzenerstreckt, nur einen Fall i.S.d. Fachanwaltsord-nung darstellt. Unter einem „Fall“ sei jedejuristische Aufarbeitung eines einheitlichen Le-benssachverhalts zu verstehen, der sich vonanderen Lebenssachverhalten dadurch unter-scheidet, dass die zu beurteilenden Tatsachenund die Beteiligten verschieden sind. Ebenso wieAngelegenheiten, die ein Anwalt sowohl außer-gerichtlich als auch gerichtlich bearbeite, nurals ein Fall zählten, scheide eine Doppelzählungbei einem Mandat aus, das sich auf mehrereGerichtsinstanzen erstrecke. Auch führe derUmstand, dass ein Fall in eine höhere Instanzgelangt, nicht zwingend zu einer höherenGewichtung nach § 5 Abs. 4 FAO. Da diezusätzliche Fallbearbeitung in einem Berufungs-oder sonstigen Rechtsmittelverfahren nichtschon für sich genommen eine Gewähr dafürbiete, dass der Rechtsanwalt hierbei in dembetreffenden Fachgebiet besondere praktischeErfahrungen erwerbe, die über diejenigen eines„durchschnittlichen“ Falls hinausgehen, kommeeine schematische Aufwertung nicht in Betracht.Anlass für eine Höhergewichtung bestünde insb.nicht, wenn die Sache in zweiter Instanz nichtrechtlich auf „neue Beine“ gestellt werde. We-sentlich sei vielmehr, ob sich aus dem Vortragdes jeweiligen Antragstellers ergebe, dass derFall durch seine Bearbeitung in mehreren In-stanzen eine höhere Gewichtung verdiene.

2. Keine mehrfache Anrechnung ein und der-selben Fachanwaltsfortbildung

In einer aktuellen Entscheidung musste der BGH(Beschl. v. 28.10.2019 – AnwZ [Brfg] 14/19) dieFrage beantworten, ob die Teilnahme an einerKombinations- bzw. fachgebietsübergreifendenVeranstaltung i.R.d. § 15 Abs. 3 FAO („Die Gesamt-

dauer der Fortbildung darf je Fachgebiet 15 Zeitstunden

nicht unterschreiten.“) gleichzeitig vollständig aufmehrere Fachanwaltsbezeichnungen angerech-net werden darf. Nach Ansicht des Anwalts-senats ergibt sich aus dem Wortlaut („je Fach-gebiet“), dass in jedem Fachgebiet jeweils das

volle Stundenkontingent zu erbringen ist, d.h.,dass bei zwei oder drei Fachanwaltsbezeichnun-gen insgesamt mindestens 30 bzw. 45 Fort-bildungszeitstunden erbracht und nachgewiesenwerden müssen. Eine solche Auslegung sei auchzum Schutz des rechtsuchenden Publikumsgefordert. Verfüge ein Rechtsanwalt über dieErlaubnis, mehrere Fachanwaltsbezeichnungenzu führen, nehme er nicht nur im Vergleich zuanderen Anwälten ohne Fachanwaltsbezeich-nung eine besondere Qualifikation auf denjeweiligen Gebieten in Anspruch, sondern auchgegenüber Anwälten mit nur einer Fachan-waltsbezeichnung. Die berechtigte Erwartung ineine weitergehende Qualifikation des Rechts-anwalts mit mehreren Fachanwaltsbezeich-nungen aufgrund seiner dauerhaften intensivenBefassung mit jedem der betreffenden Spezial-gebiete wäre im Fall einer Mehrfachanrechnungein und derselben Fortbildung nicht mehr erfüllt.Vielmehr sei eine für den Rechtsuchenden nichterkennbare und von ihm auch nicht erwarteteAngleichung des Qualitätsstandards am denjeni-gen eines Rechtsanwalts mit nur einem Fach-anwaltstitel zu fürchten. Die Ausführungen zumSchutzzweck des § 15 FAO klingen angesichts derTatsache, dass durch die formalisierte Nachweis-pflicht ohnehin allenfalls ein Mindeststandard derfachlichen Qualifizierung geschaffen wurde, et-was hochtrabend. Gleichwohl ist die Entschei-dung des BGH vor dem Hintergrund der in derEntscheidung ebenfalls ausführlich dargelegtenEntstehungsgeschichte und des eindeutigen Re-gelungswillens der Satzungsversammlung zwin-gend.

VI. Anwaltliches Gesellschaftsrecht

1. Kein beA für RechtsanwaltsgesellschaftenDas besondere elektronische Anwaltspostfach(beA) sorgte bei seiner Einführung Anfang 2018für viel Wirbel (vgl. DECKENBROCK/MARKWORTH Berufs-rechtsreport ZAP 2018, 57, 58), der sich inzwischenweitgehend gelegt hat. Stieß es zunächst nochauf breite Ablehnung, geht es jetzt sogar umdie Frage, wem die Einrichtung eines eigenenelektronischen Anwaltspostfachs zu versagen ist.So musste sich der Anwaltssenat des BGH damitbefassen, ob auch für eine Rechtsanwalts-AG einbeA einzurichten ist (Urt. v. 6.5.2019 – AnwZ [Brfg]69/18). Er hat dies verneint. §§ 31a Abs. 1 S. 1, 31

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Abs. 1 S. 1 BRAO sähen die Einrichtung desbeA nur zugunsten von Mitgliedern einer Rechts-anwaltskammer, die natürliche Personen sind, vor.Rechtsanwaltsgesellschaften das beA zu versagen,obschon sie ebenfalls Kammermitglieder sind,verletze insb. auch nicht deren Berufsausübungs-freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Dem ist de lege latazuzustimmen. Es ist aber zu begrüßen, dass de legeferenda erwogen wird (vgl. Nr. 19 des Eckpunkte-punktepapiers des BMJV; dazu II. 1.), allen Berufs-ausübungsgesellschaften die Möglichkeit zu eröff-nen, i.R.d. beA ein Kanzleipostfach zu erhalten(optionales Kanzleipostfach). Hierdurch würdennicht nur aus „Umwegen“ über empfangsbefugtenatürliche Personen resultierende zeitliche Ver-zögerungen verhindert, sondern es würde auch derTatsache Rechnung getragen, dass die GesellschaftPartei des geschlossenen Anwaltsvertrags ist.

2. Haftung des Mandatsbearbeiters in derPartnerschaftsgesellschaft (PartG)

In einem Urt. v. 12.9.2019 (IX ZR 190/18 m. Anm.MARKWORTH NJW 2019, 3521; HIRTZ EWiR 2019, 679)hatte der IX. Zivilsenat endlich wieder einmal dieGelegenheit, sich zur Gesellschafterhaftung inder PartG zu äußern. In seiner letzten einschlägi-gen Entscheidung aus dem Jahr 2009 (Urt. v.19.11.2009 – IX ZR 12/09 m. krit. Anm. HENSSLER/DECKENBROCK EWiR 2010, 89) hatte der IX. Senat dieAuffassung vertreten, dass die nach § 8 Abs. 2PartGG haftungsauslösende Befassung mit der„Bearbeitung eines Auftrags“ nicht voraussetzt, dassder einzelne Partner einen Verursachungsbeitragzum eingetretenen Schaden geleistet habenmuss. Dementsprechend solle ein eintretenderPartner, wenn er in die Mandatsbearbeitungeingeschaltet wird, auch für irreparable Fehlereines anderen Berufsträgers aus der Zeit vorseinem Eintritt haften müssen. Von einer „Han-delndenhaftung“ im engeren Sinne konnte in Bezugauf § 8 Abs. 2 PartGG seitdem nicht mehr dieRede sein. Wenig überraschend blieb der IX. Senatim neuen Urteil seiner strengen Linie treu. Eineinmal befasster Partner vermag danach seinerHaftung nicht mehr zu entgehen, obschon er dasMandat abgegeben hat, bevor es zum haftungs-auslösenden Fehler kam. Weitere Aspekte desUrteils betrafen die Begriffe „Befassung“ und„Auftrag“ i.S.d. § 8 Abs. 2 PartGG (näher MARKWORTH

NJW 2019, 3521). Absehbar ist, dass die Entschei-dung den Bedeutungsverlust der „einfachen“ PartGgegenüber der PartG mbB weiter befeuern wird.

VII. Anwaltshaftung

Auch in diesem Jahr ergingen einige Entschei-dungen, die sich mit den Voraussetzungen einerWiedereinsetzung in den vorigen Stand beiVersäumung der Frist zur Begründung einesRechtsmittels auseinandersetzten. Nach § 233ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Standu.a. zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihrVerschulden verhindert war, die Begründungs-frist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden ihresProzessbevollmächtigten der Partei zuzurech-nen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

1. Elektronischer FristenkalenderIn einem vom III. Zivilsenat zu entscheidendenFall (Beschl. v. 28.2.2019 – III ZB 96/18, ZAP EN-Nr. 250/2019) beruhte die Versäumung derBegründungsfrist darauf, dass Frist und Vorfristnicht in dem von der Kanzlei des bevollmächtig-ten Anwalts verwendeten elektronischen Fris-tenkalender gespeichert worden waren. DerAnwalt brachte zu seiner Entlastung vor, dieversäumte Speicherung habe nicht auf einemOrganisationsverschulden beruht, da in seinerKanzlei eine automatisierte programmseitigeEingabekontrolle praktiziert werde. Dies reichtedem BGH jedoch nicht aus. Die Verwendungeiner elektronischen Kalenderführung dürfe keinehinter der manuellen Führung zurückbleibendeÜberprüfungssicherheit bieten. Deshalb sei dieFertigung eines Kontrollausdrucks erforderlich,um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder-versäumnisse mit geringem Aufwand recht-zeitig zu erkennen und zu beseitigen. Eine reinelektronische Kontrolle sei deutlich anfälliger alseine Kontrolle mittels eines Ausdrucks, insb. fürein sog. Augenblicksversagen der mit ihr beauf-tragten Mitarbeiter. Auch wenn diese Recht-sprechung wenig zeitgemäß ist, müssen Kanz-leien, die derartige Programme verwenden, ihrePraxis umstellen. Es liegt nun an den Anbieternelektronischer Fristenkalender, überzeugendetechnische Lösungen zu entwickeln, die eine derPapierlösung äquivalente Fristenkontrolle ge-währleisten.

2. Verwendung des beAGleich mehrmals hatten sich Gerichte im ver-gangenen Jahr mit den Sorgfaltspflichten, dieeinen Anwalt bei Versendung fristwahrender

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Schriftsätze über das beA treffen, zu befassen.Wie bei einem Faxgerät hat der Anwalt nach demBAG das zuständige Personal auch bei Nutzungdes beA dahingehend zu belehren, dass stets derErfolg des Sendevorgangs zu kontrollieren ist(Beschl. v. 7.8.2019 – 5 AZB 16/19; ebenso OVGMagdeburg, Beschl. 28.8.2019 – 2 M 58/19). Hierzumuss der Erhalt der automatisierten Eingangs-bestätigung überprüft und nicht nur der „Gesen-det“-Ordner aufgerufen werden. Der Anwalt hatzudem zumindest stichprobenweise Überprüfun-gen durchzuführen, ob seine Anweisungen einge-halten werden. Allerdings gibt das beA Versandund Zugang eines Schriftsatzes nicht immerrichtig an, wie eine Entscheidung des BFH (Beschl.v. 5.6.2019 – IX B 121/18) zeigt. Im zugrundeliegenden Fall war ein über das beA versendeterSchriftsatz wegen in der Dateibezeichnung ent-haltener unzulässiger Zeichen in ein für dasGericht unzugängliches Verzeichnis für „korrupte“Nachrichten verschoben wurden. Da das Postfachdem Anwalt aber signalisiert hatte, es sei alles inOrdnung, gewährte der BFH Wiedereinsetzung.

3. Probleme rund um das FaxgerätNach Auffassung des VIII. Senats (Beschl. v.20.8.2019 – VIII ZB 19/18) können bei Übermitt-lung des Begründungsschriftsatzes per Fax Stö-rungen des Empfangsgeräts im Gericht grds. keinAnwaltsverschulden begründen. Denn mit derWahl einer Telefaxübertragung habe der Anwaltbei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktions-fähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabeder Empfängernummer das seinerseits Erforder-liche zur Fristwahrung getan, zumindest wenn erso rechtzeitig mit der Übermittlung beginne, dassunter normalen Umständen mit ihrem Abschlussbis zum Fristablauf zu rechnen sei. Im Ausgangs-punkt zutreffend hat der Senat aber weiterge-hend ausgeführt, dass der Anwalt seine Versen-dungsbemühungen nicht vorschnell weit vorFristablauf abbrechen dürfe. Daran anknüpfendstellt sich aber die Frage, wie umfangreich dieseitens des Anwalts geschuldeten Bemühungenund die einzuplanende Zeitreserve sein muss. DerVIII. Senat legt insofern einen zweifelhaftenMaßstab an und überdehnt das anwaltlichePflichtenprogramm: So soll die Gewährung vonWiedereinsetzung in den vorigen Stand auchdann ausscheiden, wenn ein Anwalt nach mehrals 54 (!) infolge der Überlastung oder einerbeschränkten technischen Störung des Emp-fangsgeräts gescheiterten Übermittlungsver-

suchen ab etwa 20 Uhr am Tag des Fristablaufsweitere Sendeversuche unterlassen hat.

Weniger angreifbar ist eine Entscheidung des IX.Senats (Beschl. v. 14.11.2019 – IX ZB 18/19) zu denAnstrengungen, die bei der Ermittlung der rich-tigen Faxnummer zu unternehmen sind. Danachmuss ein Anwalt den Abgleich der auf demSendeprotokoll ausgedruckten Faxnummer an-hand einer zuverlässigen Quelle, aus der dieFaxnummer des Gerichts hervorgeht, für das dieSendung bestimmt ist, anweisen. Dabei kann derVergleich mit einer bereits zuvor schriftlich nie-dergelegten Faxnummer genügen, wenn sicher-gestellt ist, dass diese ihrerseits aus einer seriösenQuelle ermittelt worden ist. Darüber hinaus mussauch noch überprüft werden, ob die in den Aktenbefindliche Nummer auch tatsächlich dem Ge-richt zuzuordnen ist und nicht etwa – wie im zuentscheidenden Fall – dem gegnerischen Anwalt.

4. Erkrankung eines EinzelanwaltsIn drei weiteren, ähnlich gelagerten Fällenhatten sich auch unterschiedliche andere Senatedes BGH mit Wiedereinsetzungsanträgen imAnschluss an versäumte Rechtsmittelbegrün-dungsfristen auseinanderzusetzen. Nach ständi-ger BGH-Rechtsprechung gilt insofern, dass einRechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafürtreffen muss, dass das zur Wahrung von FristenErforderliche auch dann unternommen wird,wenn er unvorhergesehen ausfällt. Sei er alsEinzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, müsseer ihm zumutbare Vorkehrungen für einenVerhinderungsfall treffen, z.B. durch Absprachemit einem vertretungsbereiten Kollegen. DiesenGrundsatz konnte der BGH nunmehr nichtunwesentlich präzisieren. So führte der VI. Senatin einem Beschl. v. 19.2.2019 (VI ZB 43/18, ZAPEN-Nr. 379/2019) aus, dass sich die Obliegenhei-ten eines Einzelanwalts ohne eigenes Personal,wenn er zuvor allgemeine Vorkehrungen fürVerhinderungsfälle getroffen habe, bei einerunvorhergesehenen Erkrankung darin erschöp-fen können, diese Vertretung zu kontaktierenund um die Beantragung einer Fristverlängerungzu bitten. Komme er sogar diesen Maßnahmennicht nach, sei der Wiedereinsetzungsantragaber nur dann begründet, wenn er die näherenUmstände darlegt und glaubhaft macht, dassselbst sie ihm nicht möglich waren. Es reichenicht aus vorzubringen, aufgrund hohen Fieberssei „gar nichts mehr möglich“ gewesen.

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Die skizzierte Obliegenheit, allgemein Vorkehrun-gen für eine anwaltliche Vertretung zu treffen,trifft den Einzelanwalt selbst. Er darf es, wie derXII. Zivilsenat in einem Beschl. v. 31.7.2019 (XII ZB36/19) ausgeführt hat, weder einem mit ihmkooperierenden (aber im konkreten Verfahrennicht postulationsfähigen) Rechtsbeistand nocheiner bei diesem beschäftigten Rechtsanwalts-fachangestellten überlassen, an seiner statt einenzur Vertretung und damit auch zur eigenver-antwortlichen Unterzeichnung der Rechtsmittel-begründung bereiten Rechtsanwalt zu suchen.

In einem weiteren Fall hatte sich der XII. Zivilsenat(Beschl. v. 21.8.2019 – XII ZB 93/19, ZAP EN-Nr. 676/2019) mit einem Wiedereinsetzungsantrag imAnschluss an eine versäumte Beschwerdebegrün-dungsfrist in einem familiengerichtlichen Verfah-ren zu befassen. Im zugrunde liegenden Fall ginges ausnahmsweise um eine sich selbst vertre-tende Rechtsanwältin. Auch insofern kam es abernicht zu einer Wiedereinsetzung, da nach demBGH hier dieselben Grundsätze wie bei der Ver-tretung Dritter gelten.

VIII. Vergütungsrecht

1. Kündigung des anwaltlichen MandatsMit Urt. v. 7.3.2019 (IX ZR 221/18, ZAP EN-Nr. 287/2019; zust. JURETZEK DStR 2019, 1375) widmete sichder IX. Senat den Folgen der Kündigung einesanwaltlichen Mandats für den Honoraranspruch.Im Streitfall war der klagende Anwalt von derbeklagten Mandantin damit beauftragt worden,zwei Vertragsentwürfe zu fertigen, durch welchezwei der Beklagten gehörende Grundstücke imWege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihreKinder übertragen werden sollten. Dabei sollte derBeklagten jeweils ein lebenslänglicher Nießbrauchvorbehalten werden. In der Folgezeit kündigte dieBeklagte den Anwaltsvertrag mit der Begründung,sie benötige noch Bedenkzeit und wolle den Wertder Häuser schätzen lassen. Daraufhin übersandteder Kläger der Beklagten zwei Vertragsentwürfe,welche er vor der Kündigung als „erste grobe“

Entwürfe gefertigt habe, und zwei Kostenrech-nungen über insgesamt mehr als 25.000 €. DieBeklagte trat den Rechnungen entgegen undberief sich nunmehr auf den Wegfall der Ver-gütungspflicht wegen einer steuerschädlichenVertragsgestaltung.

Der Senat hielt den Vergütungsanspruch fürgerechtfertigt. Zwar stehe dem Anwalt, wenn erdurch vertragswidriges Verhalten die Kündigungdes Mandanten veranlasst habe, gem. § 628 Abs. 1S. 2 BGB ein Anspruch auf die Vergütung insoweitnicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolgeder Kündigung für den anderen Teil nicht vonInteresse sind (dazu HENSSLER/DECKENBROCK NJW2005, 1). Allerdings sei die Kündigung des Dienst-verhältnisses nur dann durch ein vertragswidrigesVerhalten veranlasst, wenn zwischen dem ver-tragswidrigen Verhalten und der Kündigung einunmittelbarer Zusammenhang besteht. Diessetze aber voraus, dass die VertragsverletzungMotiv für die außerordentliche Kündigung gewe-sen sei und sie diese adäquat kausal verursachthabe (vgl. bereits BGH, Urt. v. 13.9.2018 – III ZR294/16 m. krit. Anm. DECKENBROCK MedR 2019, 142).In dem der Entscheidung zugrunde liegendenSachverhalt fehlte es offensichtlich an der not-wendigen Kausalität. Zu beachten ist indes, dassdie jederzeit mögliche Mandatskündigung gem.§ 627 BGB auch ohne Angabe eines Grundesmöglich ist. Einem Mandanten, der auf einenähere Begründung verzichtet hat, bleibt es indiesem Fall noch möglich, die Voraussetzungendes § 628 Abs. 1 S. 2 BGB (nachträglich) dar-zulegen und zu beweisen.

Im Übrigen können nach Ansicht des Senats aberVorarbeiten eines Anwalts, welche noch zukeinem Arbeitsergebnis geführt haben, das anden Mandanten oder einen Dritten herausgege-ben werden sollte, ohnehin keine Pflichtwidrig-keit begründen, selbst wenn sie Fehler aufweisen.Denn der klagende Anwalt hatte mit der Ent-wurfsbearbeitung erst begonnen, die Entwürfehatten vor der Vertragskündigung den internenBereich der Kanzlei aber noch nicht verlassen. Zuihrer Vorlage an die Beklagte kam es nur, weildiese das Mandat gekündigt hatte und der Klägerihr zur Begründung seines Honoraranspruchsnachweisen wollte, mit der Erstellung der Ver-tragsentwürfe bereits begonnen zu haben.

2. Abrechnung von VorschüssenEin weiteres, ebenfalls am 7.3.2019 ergangenesUrteil des IX. Zivilsenats (IX ZR 143/18, ZAP EN-Nr. 285/2019) beschäftigte sich mit der Frage, wieein Rechtsanwalt Vorschüsse bei Kündigung desMandats abzurechnen hat. Nach Ansicht des BGHist ein Anwalt in entsprechender Anwendung von

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§§ 675, 667 BGB vertraglich verpflichtet, erhalteneund nicht verbrauchte Vorschüsse nach Kündi-gung des Mandats an den Mandanten zurück-zuzahlen. Allerdings schulde der Anwalt nichtallein deshalb die Rückzahlung geforderter underhaltener Vorschüsse, weil er pflichtwidrig keineden gesetzlichen Anforderungen genügendeRechnung erstellt und dem Mandanten mitgeteilthat. Zwar könne der Rechtsanwalt gem. § 10RVG die Vergütung nur aufgrund einer von ihmunterzeichneten und dem Auftraggeber mit-geteilten Berechnung einfordern. Diese Berech-nung sei aber nur Voraussetzung für das Ein-fordern einer noch nicht gezahlten Vergütung.Fehle sie, habe der (frühere) Mandant nicht ohneWeiteres einen Anspruch auf Rückzahlung dergeleisteten Vorschüsse. Wer glaube, Rückerstat-tungsansprüche zu haben, müsse diese notfallsgerichtlich geltend machen und seine Forderunginsoweit genau beziffern. Falls erforderlich, könneder Auftraggeber zunächst gesondert oder imWege der Stufenklage einen Anspruch auf Aus-kunft und Rechnungslegung (§§ 675, 666 BGB)geltend machen. Auch wenn dem Urteil imErgebnis zuzustimmen ist, bleibt unklar, warumder Senat nicht auch in diesem Fall auf § 628Abs. 1 S. 3 BGB als Anspruchsgrundlage fürden Rückzahlungsanspruch abgestellt hat. DieEntscheidung des BGH beurteilt die Abrech-nungspflicht von Vorschüssen zudem nur inzivilrechtlicher Hinsicht. Berufsrechtlich ist gem.§ 23 BORA zu beachten, dass der Rechtsanwaltspätestens mit Beendigung des Mandats gegen-über dem Mandanten und/oder Gebührenschuld-ner über Honorarvorschüsse unverzüglich abzu-rechnen und ein von ihm errechnetes Guthabenauszuzahlen hat (vgl. OFFERMANN-BURCKART NJW2019, 1460).

3. Vergütungsvereinbarung eines Pflichtver-teidigers

Eine weitere Entscheidung des IX. Zivilsenats (Urt.v. 13.12.2018 – IX ZR 216/17) betraf die Vergütungs-vereinbarung eines Pflichtverteidigers. Zwar seiein gerichtlich zum Verteidiger bestellter Rechts-anwalt grds. nicht gehindert, eine Honorarver-einbarung zu treffen. Allerdings müsse ein zumPflichtverteidiger bestellter Anwalt vor Abschlusseiner Vergütungsvereinbarung dem Beschuldig-ten einen eindeutigen Hinweis erteilen, dass erauch ohne den Abschluss der Honorarverein-barung zu weiterer Verteidigung verpflichtetwäre (vgl. § 49 BRAO). Andernfalls stehe dem

Beschuldigten ein auf § 311 Abs. 2 i.V.m. § 280Abs. 1 BGB gestützter Anspruch auf Rückzahlungdes Honorars, soweit es über die gesetzlicheVergütung hinausgehe, zu. Letztlich kann derAnwalt nur dann in den Genuss einer höherenVergütung gelangen, wenn der Beschuldigte zueiner freiwilligen Leistung bereit ist.

4. Erstattung vorgerichtlicher AnwaltskostenIn einem Urt. v. 24.10.2018 (VIII ZR 66/17, ZAPEN-Nr. 228/2019) hat der VIII. Zivilsenat erstmaligdie Auffassung vertreten, dass dem Käufer über§ 439 Abs. 2 BGB ein verschuldensunabhängigerAnspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechts-anwaltskosten, die ihm entstehen, um das Ver-tragsziel der Lieferung einer mangelfreien Sachezu erreichen, zustehen könne. Der Käufer mussalso, sofern der Verkäufer einen behebbarenMangel nicht zu vertreten hat, seinen Ersatz-anspruch nicht mehr aus dem Schadenersatz-recht herleiten. In der Konsequenz ist er nichtdarauf angewiesen, den Verkäufer vor Einschal-tung eines Anwalts in Schuldnerverzug zu setzen,vielmehr genügt eine vorherige erfolglose Män-gelrüge. Dieses Ergebnis vermag nicht zu über-zeugen, da es weder von § 439 Abs. 2 BGB nochvon der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie getragenwird (näher MARKWORTH ZIP 2019, 941). Zudemsteht zu befürchten, dass zur Geltendmachungder Kaufmängelgewährleistung zukünftig ver-mehrt eigentlich überflüssige Anwaltskostenproduziert werden.

Weiterhin hat der VI. Zivilsenat am 22.1.2019 (VI ZR402/17, ZAP EN-Nr. 227/2019; dazu RÖMERMANN

GRUR-Prax 2019, 173) zutreffend geurteilt, dass imHinblick auf den Erstattungsanspruch für vor-gerichtliche Anwaltskosten ein Zusammenhangzwischen dem Innenverhältnis des Mandantenzu seinem Rechtsanwalt und dem Außenverhält-nis des Mandanten zu seinem Prozessgegnerbestehe. Ein Erstattungsanspruch sei nur danngegeben, wenn der Geschädigte im Innenver-hältnis zur Zahlung der in Rechnung gestelltenKosten verpflichtet und die konkrete anwaltlicheTätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeb-lichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht aufseine spezielle Situation zur Wahrnehmung seinerRechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sei.Dementsprechend sinkt der Erstattungsanspruch,wenn der eingeschaltete Anwalt im Innenver-hältnis zu einer geringeren Vergütung tätig war,als es das RVG zugelassen hätte. Auch wenn dies

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verlockend erscheint, darf dann kein Ersatz unterAnlegung des RVG-Maßstabs gefordert werden.

5. Unzulässigkeit einer ZeittaktklauselVerschiedene Instanzgerichte hatten sich mitder Wirksamkeit von Klauseln einer Vergütungs-vereinbarung zu befassen (dazu BLATTNER AnwBl2019, 534 ff.). Als unzulässig wurde insb. eineKlausel angesehen, die eine Abrechnung im 15-Minuten-Takt vorsieht, wobei für jede angefan-gene Viertelstunde jeweils ein Viertel des Stun-densatzes berechnet werden soll (OLG Mün-chen, Urt. v. 5.6.2019 – 15 U 318/18 Rae und 15 U319/18 Rae; beim BGH sind gegen beide Urteileunter den Az. IX ZR 140/19 und IX ZR 141/19Revisionen anhängig; s. dazu auch N. SCHNEIDER

Kolumne ZAP 2019, 939 f; daneben LG Köln, Urt.v. 24.1.2018 – 26 O 453/16; die gegen letzteresUrteil eingelegte Berufung wurde zurück-genommen, vgl. OLG Köln, Beschl. v. 4.11.2019 –

17 U 44/18). Eine Zeittaktklausel, die zur Auf-rundung des Zeitaufwands für jede Tätigkeit führe,sei strukturell geeignet, das dem Dienstver-tragsrecht zugrundeliegende Prinzip der Gleich-wertigkeit von Leistung und Gegenleistung (Äqui-valenzprinzip) empfindlich zu verletzen.

IX. Rechtsdienstleistungsrecht

1. Durchgriffshaftung auf OrganwalterIm Streitfall hatte eine AG Inkassodienstleistun-gen erbracht, ohne über eine Erlaubnis als Inkas-sodienstleister i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG zuverfügen. Der BGH hat nunmehr festgestellt, dassOrganwalter einer juristischen Person, die uner-laubt Rechtsdienstleistungen erbringt, bei Vorsatznicht nur gem. §§ 2 Abs. 2; 3, 10 Abs. 1 S. 1; 20 Abs. 1Nr. 2 RDG; § 9 OWiG ein Ordnungswidrigkeiten-verfahren, sondern über § 823 Abs. 2 BGB aucheine zivilrechtliche Schadenersatzhaftung droht(Urt. v. 30.7.2019 – VI ZR 486/18). Der VI. Zivilsenathat in diesem Zusammenhang zu Recht heraus-gearbeitet, dass ein Täter, dem sämtliche tat-sächlichen Umstände bekannt sind und der denBedeutungssinn des Inkassogeschäfts als norma-tives Tatbestandsmerkmal zutreffend erfasst hat,der aber dennoch über die Registrierungspflichtnach § 10 Abs. 1. S. 1 Nr. 1 RDG irrt, einemVerbotsirrtum i.S.v. § 11 Abs. 2 OWiG und keinemTatbestandsirrtum i.S.v. § 11 Abs. 1 OWiG unterliegt(dazu DECKENBROCK EWiR 2019, 755).

2. Mietpreisrechner und Legal TechMit Spannung erwartet wurde das Urteil des BGHzur Zulässigkeit sog. Legal-Tech-Anbieter. Der VIII.Zivilsenat hatte das Geschäftsmodell der LexfoxGmbH, die gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG alsInkassodienstleisterin registriert ist, zu beurteilen(BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, ZAPEN-Nr. 2/2020 [in dieser Ausgabe]; dazu auchHUFF Kolumne ZAP 2019, 1275). Lexfox stellt aufder von ihr betriebenen Internetseite www.weniger

miete.de einen für Besucher kostenlos nutzbaren„Online-Rechner“ („Mietpreisrechner“) zur Verfügung.Die Gesellschaft wirbt damit, Rechte von Wohn-raummietern aus der Mietpreisbremse „ohne Kos-

tenrisiko“ durchzusetzen; eine Vergütung in Höheeines Drittels „der ersparten Jahresmiete“ verlange sienur im Falle des Erfolgs. Im Streitfall beauftragteein Wohnungsmieter aus Berlin Lexfox mit derGeltendmachung und Durchsetzung seiner Forde-rungen und etwaiger Feststellungsbegehren imZusammenhang mit der „Mietpreisbremse“ (§ 556dBGB) und trat seine diesbezüglichen Forderungenan Lexfox ab. Anschließend machte Lexfox – nachvorherigem Auskunftsverlangen und Rüge gem.§ 556g Abs. 2 BGB – gegen die beklagte Woh-nungsgesellschaft Ansprüche auf Rückzahlungüberhöhter Miete sowie auf Zahlung von Rechts-verfolgungskosten geltend.

Im Mittelpunkt der Entscheidung stand die Frage,welche Tätigkeiten einem Unternehmen auf-grund einer Registrierung als Inkassodienstleisternach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubtsind. Nach Ansicht des Senats ist der BegriffInkassodienstleistung eher weit zu verstehen.Die Rechtsberatung durch ein Inkassounterneh-men beinhalte grds. die umfassende und voll-wertige substanzielle Beratung der Rechtsuchen-den im Bereich der außergerichtlichen Einziehungvon Forderungen. Es sei nicht erkennbar, dassdamit eine Gefahr für den Rechtsuchenden oderden Rechtsverkehr verbunden sein könnte. Daherseien sowohl der Einsatz des schon vor dereigentlichen Beauftragung durch den Kundenseitens Lexfox eingesetzte „Mietpreisrechners“ alsauch die Erhebung der Rüge gem. § 556g Abs. 2BGB sowie das Feststellungsbegehren bezüglichder höchstzulässigen Miete noch als zulässigeInkassodienstleistungen anzusehen. Zwar wärees einem Rechtsanwalt, wenn er anstelle vonLexfox für den Mieter tätig geworden wäre,berufsrechtlich grds. weder gestattet gewesen,

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mit seinem Mandanten ein Erfolgshonorar zuvereinbaren (§ 49b Abs. 2 S. 1 BRAO, § 4a RVG),noch möglich gewesen, dem Mandanten im Falleeiner Erfolglosigkeit der Inkassotätigkeit eine Kos-tenübernahme zuzusagen (§ 49b Abs. 2 S. 2 BRAO).Hierin könne jedoch angesichts der für die Tätigkeiteines registrierten Inkassodienstleisters geltendenbesonderen kosten- und vergütungsrechtlichenVorschriften (§ 4 Abs. 1, 2 RDGEG) ein Wertungs-widerspruch, der Anlass und Berechtigung zu einerengeren Sichtweise hinsichtlich des Umfangs derInkassodienstleistungsbefugnis hätte geben kön-nen, nicht gesehen werden. Die zwischen demMieter und Lexfox getroffene Vereinbarung einesErfolgshonorars und einer Kostenübernahme führeauch nicht zu einer Interessenkollision i.S.d. § 4RDG und einer daraus folgenden Unzulässigkeit dervon der Klägerin für den Mieter erbrachten Inkas-sodienstleistungen. Bei der vereinbarten Kosten-übernahme handele es sich schon nicht um eine„andere Leistungspflicht“ der Klägerin i.S.d. § 4 RDG,sondern vielmehr um einen Bestandteil der von ihrfür den Mieter zu erbringenden Inkassodienstleis-tung (insoweit noch a.A. AG Köln, Urt. v. 2.9.2019 –

142 C 448/18). Im Übrigen bewirke das vorliegendvereinbarte Erfolgshonorar, das sich nach der Höheder durch ihre Tätigkeit ersparten Miete richte, einbeträchtliches eigenes Interesse von Lexfox aneiner möglichst erfolgreichen Durchsetzung derAnsprüche des Mieters. Der damit – jedenfallsweitgehend – vorhandene (prinzipielle) Gleichlaufder Interessen der Klägerin und des Mieters steheder Annahme einer Interessenkollision entgegen.

Infolge der Entscheidung des BGH dürften diemeisten Legal-Tech-Anbieter aufatmen. Aller-dings sind die Besonderheiten der jeweiligenGeschäftsmodelle zu beachten. Der Senat ver-weist darauf, dass es einer Gesamtwürdigungbedürfe, ob die vom Anbieter erbrachten Tätig-keiten (noch) als Inkassodienstleistung gem. § 2Abs. 2 S. 1 RDG anzusehen und deshalb von dererteilten Erlaubnis gedeckt seien. Diese nichteinfache Grenzziehung ist für Anbieter und ihreKunden von besonderer Bedeutung: Denn solltenim Einzelfall die aufgezeigten Grenzen der Inkas-soerlaubnis überschritten worden sein, führe dieslaut dem Senat regelmäßig nach § 134 BGB zurNichtigkeit der zwischen dem Rechtsdienstleis-tenden und dessen Kunden getroffenen Inkasso-vereinbarung einschließlich einer vereinbartenForderungsabtretung.

Rechtspolitisch wird diskutiert, inwieweit das RDGkünftig explizit die neuartigen Geschäftsmodelleregeln sollte. So hat die Bundestagsfraktion derFDP den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisie-rung des Rechtsdienstleistungsrechts (BT-Drucks19/9527) vorgestellt und darin vorgeschlagen, denBegriff der Rechtsdienstleistung an das Zeitalterder automatisierten Prozesse anzupassen. Gleich-zeitig soll es Dienstleistern nach den Vorstellungender FDP-Fraktion künftig möglich sein, sich imRechtsdienstleistungsregister aufgrund besondererSachkunde für den Bereich „automatisierte Rechts-

dienstleistungen“ registrieren zu lassen (vgl. zu demVorschlag REMMERTZ BRAK-Mitt. 2019, 219, 221 f.).Der enorm gestiegenen Bedeutung von Legal Techhat auch die 7. Satzungsversammlung Rechnunggetragen. Sie hat in ihrer konstituierenden Sitzungam 4.11.2019 die Einrichtung eines neuen Aus-schusses für das Thema Legal Tech beschlossen.

3. Zulässigkeit von VertragsgeneratorenFür großes Aufsehen hat eine Entscheidung des LGKöln (Urt. v. 8.10.2019 – 33 O 35/19, Brfg. anhängigbeim OLG Köln – 6 U 263/19) in der Legal-Tech-Szene gesorgt. Danach soll das Angebot einesVerlags, Rechtsuchenden (Endnutzern) „Rechts-dokumente in Anwaltsqualität“ per Computer zuliefern, als unzulässige Rechtsdienstleistung zuqualifizieren sein. Denn der Vertragsgeneratorerbringe Tätigkeiten in konkreten fremden An-gelegenheiten, weil der Nutzer ein konkret aufden von ihm im Rahmen des Fragen-Antwort-Katalogs geschilderten Sachverhalt zugeschnitte-nes Produkt erhalte. Insoweit sei entscheidend,dass das vom Verlag verwandte Produkt, das auchspezifische Fragen zum Gegenstand und zurReichweite des zu erstellenden Vertrags stelle,einen hohen Grad der Individualisierung aufweise.Zudem erfordere das mit dem Vertragsgeneratorverbundene Angebot eine rechtliche Prüfung i.S.v.§ 2 Abs. 1 RDG. Entscheidend sei, dass die vombeklagten Verlag angebotenen Rechtsdokumenteeine Komplexität aufweisen würden, die erkenn-bar über eine bloß schematische Anwendung vonRechtsnormen hinausgehe. Die vorgenommenestandardisierte Fallanalyse schließe den notwen-digen Subsumtionsvorgang nicht aus. Die Vor-gehensweise unterscheide sich nicht grundlegendvon dem Vorgehen eines Rechtsanwalts, sondernerfolge lediglich zeitlich vorgelagert und aufgrundder Standardisierung in einem mehrfach repro-duzierbaren Format.

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Page 19: ZAP-0120 Titel 1.€¦ · Dienstleister auf den Rechtsberatungsmarkt drän-gen. Die lange erwartete Entscheidung des BGH in Sachen„wenigermiete.de“(dazu IX. 2.)hathierzwar wichtige

Die auch in mehreren Literaturbeiträgen (s. etwaDEGEN/KRAHMER GRUR-Prax 2016, 363; FRIES ZRP2018, 161; REMMERTZ BRAK-Mitt. 2017, 55) vertre-tene Ansicht, dass Vertragsgeneratoren unzuläs-sig seien, überzeugt nicht: Letztlich kombiniertdas Programm auf Basis von Nutzereingabenund mithilfe von Entscheidungsbäumen Text-bausteine lediglich so miteinander, dass einSchriftstück entsteht. Die „fremde“ Leistung desGenerators ist letztlich nur das „Addieren“ derausgewählten oder eingegebenen Texte zu ei-nem einheitlichen Dokument. Dies ist allerdingstatsächlich keine Subsumtion, sondern eineschematische Zuordnung mithilfe des Fragenka-talogs (so im Ergebnis auch WEBERSTAEDT AnwBl2016, 535; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIIIZR 285/18 Rn 148 zum „Mietpreisrechner“, LSs. ZAP EN-Nr. 2/2020 [in diesem Heft]). Ins-gesamt betrachtet gleicht ein VertragsgeneratorMusterformularbüchern, die unzweifelhaft alszulässig angesehen werden.

Eine andere Frage betrifft freilich die Zulässigkeitder vom Verlag verwandten Werbeaussagen.Insoweit hat die 33. Zivilkammer des LG Köln zuRecht Formulierungen wie „rechtssichere Verträge

in Anwaltsqualität“ und „individueller und sicherer als

jede Vorlage und günstiger als ein Anwalt“ als wett-bewerbswidrig irreführend beanstandet. Dennsolche Aussagen lassen den Nutzer vermuten,dass man eine vergleichbare Rechtsdienstleis-tungsqualität wie bei einem Anwalt erhalte. Eineindividuelle Einzelfallprüfung, die auch die Be-rücksichtigung von Sonderfällen umfasst, kannein Vertragsgenerator aber überhaupt nicht er-bringen.

X. Rechtsschutzversicherung

Entscheidungen, welche die Rolle der Rechts-schutzversicherungen im Berufsrecht betreffen,lassen sich nicht unter die üblichen Kategorieneinordnen. Dass sie nichtsdestotrotz von Interessesein können, zeigt eine Entscheidung des IV. Senats(Urt. v. 14.8.2019 – IV ZR 279/17, ZAP EN-Nr. 693/2019 m. Anm. GRAMS NJW 2019, 3587). Im zugrundeliegenden Fall war gegen den Versicherungsneh-mer ein Bußgeldbescheid ergangen. Gegenüberdem mit seiner Verteidigung betrauten Rechts-

anwalt hatte der Rechtsschutzversicherer i.R.d.Kostendeckungszusage die Anweisung erteilt,mit dem erforderlichen Sachverständigengutach-ten eine bestimmte Gesellschaft zu betrauen.Dem war der Anwalt nicht nachgekommen. Statt-dessen hatte er zu höheren Kosten einen anderenSachverständigen beauftragt. Der Versicherer ver-weigerte daraufhin i.H.d. Mehrkosten die Frei-stellung des Versicherungsnehmers. Der IV. Senatkam zu dem Schluss, dass die Schadensmin-derungsklausel (§ 17 Abs. 1 c) bb) ARB 2010), aufdie sich die Versicherung im Rahmen ihrer Weisungberufen hatte, intransparent sei. Der um Verständ-nis bemühte Versicherungsnehmer könne nichterkennen, welches bestimmte Verhalten von ihmverlangt werde, um seinen Anspruch auf dieVersicherungsleistung nicht zu gefährden. Ermüsse in seine Überlegungen verschiedene alter-native Vorgehensweisen einbeziehen und derenjeweilige Auswirkungen in rechtlicher Hinsichtbewerten und gegeneinander abwägen, um beur-teilen zu können, ob sich mit einer kostengünsti-geren Vorgehensweise das angestrebte Rechts-schutzziel erreichen lasse oder ob das höhereKosten auslösende Vorgehen derart gewichtigeVorteile biete, dass ihn der Versicherer ohne unbil-lige Beeinträchtigung seiner – des Versicherungs-nehmers – Interessen nicht auf die kostengünsti-gere Alternative verweisen könne.

Auch ein zur Leistungsfreiheit führendes schuld-haftes Verhalten sei dem Versicherungsnehmernach Auffassung des IV. Senats nicht vorzuwer-fen. Das Verhalten seines Rechtsanwalts müsseer sich nicht über § 17 Abs. 7 ARB 2010 zurechnenlassen, da die Klausel ebenfalls unwirksam sei. Siewiderspreche den wesentlichen Grundgedankender gesetzlichen Regelung, zu der auch alle vonder Rechtsprechung durch Auslegung, Analogieoder Rechtsfortbildung aus einzelnen gesetzli-chen Bestimmungen hergeleiteten Rechtssätzegehörten. Der bisherigen Rechtsprechung zufolgesei dem Versicherungsnehmer das Handeln undWissen eines Dritten nur in engen Grenzenzuzurechnen. Damit sei die in § 17 Abs. 7 ARB2010 vorgesehene uneingeschränkte Zurechnungder Kenntnisse und des Verhaltens eines durchden Versicherten zur Abwicklung des Rechts-schutzfalls gegenüber dem Versicherer einge-schalteten Rechtsanwalts unvereinbar.

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