ZEITSCHRIFf DES HISTORISCHEN VEREINES FUR STEIERMARK · Die.Riesenbibeln" und das Problem...

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IXC./XC. JAHRGANG ZEITSCHRIFf DES HISTORISCHEN VEREINES •• FUR STEIERMARK HERAUSGEGEBEN VOM VEREINSAUSSCHUSS GELEITET VON GERHARD PFERSCHY UND KARL SPREITZHOFER Gedruckt mit Unterstützung der Steiermärkischen Landesregierung und der Landeshauptstadt Graz Graz 1998/99 Im Selbstverlag des Historischen Vereines für Steiermark

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IXC./XC. JAHRGANG

ZEITSCHRIFf DESHISTORISCHEN VEREINES

••

FUR STEIERMARK

HERAUSGEGEBEN VOM VEREINSAUSSCHUSS

GELEITET VON

GERHARD PFERSCHY

UND

KARL SPREITZHOFER

Gedruckt mit Unterstützung der Steiermärkischen Landesregierungund der Landeshauptstadt Graz

Graz 1998/99

Im Selbstverlag des Historischen Vereines für Steiermark

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Die .Riesenbibeln" und das Problem des.Reformstils" in der Salzburger Buchmalereides späten 11. und frühen 12. Jahrhunderts:Uberlegungen zur Bedeutung der Admonter

Bibelhandschriften C - E und derSt. Florianer Riesenbibel

Von Werner Telesko

Die kunsthistorischen Fragestellungen der letzten Jahrzehnte in bezug auf die hoch-mittelalterliche Buchmalerei im Salzburger Einflußgebiet haben sich hauptsächlich aufdas Problem stilistischer Beziehungen konzentriert. Seit der Faksimile-Edition des Anti-phonars von St. Peter im Jahr 1974 und den damit verbundenen grundlegenden Unter-suchungen von Otto Demus' konnte als wesentlichstes Faktum die latente Abhängigkeitder Salzburger Buchkunst von Byzanz für den Zeitraum des späten II. und des gesam-ten 12. Jahrhunderts festgestellt werden.

In den Deckfarbenminiaturen und Federzeichnungen des Antiphonars von St. Peterfindet eine äußerst komplexe Vermengung von Komponenten des .byzanürusierenden''Zeitstils und des Reformstils, der mit Cluny und Hirsau zu verbinden ist, statt. Es exi-stieren im Antiphonar gleichzeitig mehrere Stilkomponenten nebeneinander, die wie-derum in unterschiedlicher Weise mit ikonographischen Schemata verbunden werden.Bereits in der Admonter Riesenbibel läßt sich - wie Karl M. Swoboda gezeigt hat' -dieses unvermittelte Nebeneinander von byzantinischen und westlichen Stiltendenzennachweisen; nach Otto Demus handelt es sich hierbei um "Bausteine eines Stils in statunascendi'",

Es stellt sich hier die grundsätzliche Frage, wie dieser "Mischstil" des 12. Jahrhun-derts vor dem Hintergrund der Salzburger Tradition zu bewerten ist und in weIcher Wei-se von einem spezifischen Einsatz von Stil und Ikonographie im II. und 12. Jahrhundertgesprochen werden kann. Dabei ist wichtig, daß das Nebeneinanderexistieren von ver-schiedenen Stilmodi, das in auffälliger Weise in der Admonter Riesenbibel und im Anti-phonar von St. Peter auftritt, nur eine Variante der Anwendung eines Stils ist. Otto Demushat interessanterweise diese Stilmischung als Hindernis zur Herausbildung eines "eige-nen" (Salzburger) Stils gesehen und die spezifische regionale und historische StellungSalzburgs im Hochmittelalter dafür verantwortlich gemacht, daß diese latente Situation,

I O. DEMUS,Kunstgeschichtliche Analyse, in: F. UNTERKIRCHER/ O. DEMUS.Kommentarband,Das Antiphonar von St. Peter (Wien. Osterreichische Nationalbibliothek, Cod. ser. nov. 2700[Codices Selecti XXI*]), Graz 1974, 191-295.K. M. SWOBODA,Die Bilder der Admonter Bibel, in: DERS.,Neue Aufgaben der Kunstge-schichte. Brunn-Prag-Leipzig-Wien 1935, 45--63, wiederabgedruckt in: DERS., Kunst undGeschichte - Vorträge und Aufsätze (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichts-forschung, Ergänzungsband XXII), Wien-Köln-Graz 1969,41-54, bes. 48.

, DEMUS(Anm. I). 270.

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"in der Bahn von sich kreuzenden Strömungen" zu stehen, das "Ausreifen" eines bestimm-ten Stils verhindert hätte".

Dieser Zustand - deutlich ablesbar in den Miniaturen und Zeichnungen des Anti-phonars - sollte aber m. E. im Gegensatz zu Demus nicht als das Suchen nach einembestimmten (einheitlichen) Stil angesprochen werden, sondern die spezifische Salzbur-ger Eigenheit besteht gerade in der gezielten Aufnahme verschiedener Traditionen in Stilund Ikonographie vor dem Hintergrund und der Möglichkeit einer Vielfalt von Anre-gungen. Die Aufgabe des Hauptverantwortlichen bei der Herstellung des Antiphonarsliegt in der Koordination und nicht in der Vereinheitlichung dieser stilpluralistischenErscheinungen.

Diese Problemstellung soll als Folie für eine Untersuchung des Auftretens der soge-nannten Riesenbibeln dienen, wobei die heute in der Stiftsbibliothek Admont befindli-chen Bibeln mit der Signatur C, D und E5 und die St. Florianer Riesenbibel (St. Florian,Augustiner-Chorherrenstift, Bibliothek, CSF XIlI)6 im Zentrum der Überlegungen ste-hen.

Die spezifische Aufgabe dieser durch ihre Größe besonders ausgezeichneten Rie-senbibeln besteht in ihrer Funktion als Exponenten des Reforrnpapsttums. Der histori-sche Hintergrund der Codices ist vor allem in ihrer Rolle, "cultivating the return to pre-scribed religious observances?", zu sehen. Buchproduktion und -malerei erhielten inZusammenhang mit den kirchenpolitischen Reforrnbestrebungen einen völlig neuen Stel-lenwert. Die gesamte Heilige Schrift und nicht nur einzelne Bücher des Alten und Neu-en Testaments (und hier besonders die Genesis, der Pentateuch, der Psalter, die Evange-lien oder die Apostelgeschichte) sollten wieder im Zentrum stehen und zum Endzweckhinführen, "das Studium der Gesamtbibel zu optimieren'?'. Diese neue Betonung derGesamtbibel muß mit Reforrnbestrebungen des II. Jahrhunderts - angeregt von Wilhelmvon Hirsau und Lanfrancus von Canterbury - in Verbindung gebracht werden". Ent-scheidend wurde die Propagierung beider Testamente, ähnlich wie später im Zusam-menhang mit der antimanichäischen Propaganda des 12. Jahrhunderts. In den Schriftender Ordensreforrner stellte die Bibel ein Mittel der inneren Erneuerung dar, das im litur-

4 Ebd., 269f.5 P. BUBERL,Die illuminierten Handschriften in Steiermark, Teil I: Die Stiftsbibliotheken zuAdmont und Vorau (Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in ÖsterreichIV), Leipzig 1911, 111-115, Nr. 103, 104; L. M. AYRES,A Fragment of a Romanesque Biblein Vienna (ONB, Cod. ser, nov. 4236) and its Salzburg Affilations, in: Zeitschrift für Kunstge-schichte 42 (1982), 130-144, bes. 140, 142, 144.

6 G. SWARZENSKI,Die Salzburger Malerei von den ersten Anfangen bis zur Blütezeit des roma-nischen Stils, Text- und Tafelbd., Stuttgart 1913 (Reprint: Stuttgart 21969); P. WIND,Aus derSchreibschule von St. Peter vom Anfang des II. Jahrhunderts bis Anfang des 14. Jahrhunderts,in: P.EDEROSB I J. KRONBICHLER(Hrsg.), Katalog: "HI. Rupert von Salzburg 69fr- I996", Salz-burg 1996,364-404, bes. 371.

7 L. M. AYRES,Gregorian Reform and Artistic Renewal in Manuscript Illumination: The "Bib-bia Atlantica" as an International Artistic Denomination, in: Studi Gregoriani per la Storia del-Ia Libertas EccJesiae 14 (1991), 145-152, bes. 145.

s H. HENSLE-WLASAK,Die sogenannten Riesenbibeln im Raum von Kärnten und Steiermark, in:Carinthia 1180 (1990), 255-273, bes. 259.

9 H.FICHTENAU,Neues zum Problem der italienischen .Riesenbibeln", in: Mitteilungen des Insti-tuts für Österreichische Geschichtsforschung 58 (1950), 50---67,bes. 60, wiederabgedruckt in:DERS., Beiträge zur Mediävistik. Ausgewählte Aufsätze, Bd. I, Stuttgart 1975, 163- I86;HENSLE-WLASAK,ebd., 260.

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gisehen Tagesablauf für die öffentliche Lesung im Konvent bestimmt war!", In diesemSinn spiegelt die Produktion von Riesenbibeln eine neue Betonung und wahrscheinlichauch eine innovative Form des gemeinsamen liturgischen Lebens, die in bezug auf die"Gregorianische Reform" schwer zu rekonstruieren ist. Beispiele für die praktischeAnwendung der .Jectio divina" sind nur ansatzweise nachzuweisen: In der Bibliothekvon Admont sind ein Psalterium (Cod. 513)11und ein Evangeliar (Cod. 511)12aus demII. Jahrhundert vorhanden. Da in den erwähnten Admonter Bibelhandschriften C - Dbzw. E das Psalterium nicht enthalten ist, wäre hier grundsätzlich an eine liturgische Ver-wendung der Riesenbibeln im frühen 12. Jahrhundert im Stift Admont - zusammen mitden Codices 511 und 513 - zu denken 13.

Zudem wurde die Bibel nicht nur liturgisch, sondern auch immer stärker in der aktu-ellen tagespolitischen Diskussion verwendet, etwa im Briefregister Papst Gregors VII.Aus Schriftstellen, deren Sinn eigentlich ein anderer war, stellte man .Regierungsaxio-me" her". Diese eminent kirchenpolitische Funktion der Gattung .Riesenbibel", die mitdieser Gattung verbundene "spiritual regeneration of the church during the ReformPapacy" (L. M. Ayres)", ist ein zusätzliches Argument, das Problem der Riesenbibelnnicht nur unter stilkritischen Aspekten zu sehen. Für den hochmittelalterlichen Benützerwar neben der unübersehbaren und monumentalen Ausprägung dieser Gattung die ver-wendete Textredaktion das entscheidendere Kriterium. In der Anwendung der touroni-sehen Vulgata- Textredaktion bzw. im Aufgreifen des Textes der Mailänder Kirche desII. Jahrhunderts" fand ein programmatischer Rückgriff aufkarolingische Vorbilder statt.Dieser Rückbezug auf das Karolingische muß zusammen mit einem Rückgriff auf dieottonische Zeit besonders hinsichtlich der Initialtypen betrachtet werden (z.B. Florenz,Biblioteca Laurenziana, Conv. Soppr. 344, fol. IIv)17(Abb. 1). Dieser Rückbezug könn-te auch in Zusammenhang mit der Einmischung deutseher Kaiser und Könige in Ange-

10 FICHTENAU1950 (Anm. 9), 60; J. LECLERCQ,Die Bibel in der Gregorianischen Reform, in: Con-cilium 2 (1966), 507-514, bes. 508; L. M. AYRES,The Bible of Henry IV and the Italian Roma-nesque Pandect in Florence, in: K. BIERBRAUERI P. K. KLEIN IW. SAUERLÄNDER(Hrsg.), Stu-dien zur mittelalterlichen Kunst 800-1250. Festschrift für Florentine Mütherich zum 70.Geburtstag, München 1985, 157-166, bes. 159; HENSLE-WLASAK, ebd., 272; zu der dem Kle-rus vorbehaltenen Lektüre der Bibel: E. CATTANEO,La Iiturgia nella riforma Gregoriana, in:Chiesa e Riforma nella Spiritual ita del sec. XI (ottobre 1963) [Convegni del Centro di Studisulla Spiritualitä Medievale VI], Todi 1968, 171-190, bes. I 86f.; L.M. AYRES,The Italian GiantBibles: Aspects of their Touronian Ancestry and Early History, in: R. GAMESON(Ed.), The Ear-ly Medieval Bible. Its Production, Decoration and Use, Cambridge (UK IUSA) 1994, 125-154,bes.126.

II BUBERL (Anm. 5), III, Nr. 102.12 Ebd., 13-17, Nr. I.13 Frdl. Mitteilung von Dr. Johann Tomaschek, Stiftsbibliothek Admont.14 LECLERCQ(Anm. 10),509-511.15 AYRES (Anm. 5), 130.16 FICHTENAU 1950 (Anm. 9), 57, 62; HENSLE-WLASAK (Anm. 8), 260; Es ist kennzeichnend in

dieser Hinsicht, daß die Verwendung des "Gallicanum" anstatt des .Romanum" in den Rie-senbibeln ihren Ursprung in Touronischen Pandekten des 9. Jahrhunderts besitzt, vgl. AYRES1994 (Anm. 10), 129.

17 L. M. AYRES,An Italian Romanesque Manuscript of Hrabanus Maurus' "De Laudibus SanctaeCrucis" and the Gregorian Reform, in: Dumbarton Oaks Papers 41 (1987) [Studies in Art andArcheology in Honor of Ernst Kitzinger on his 75th Birthday], 13-27, bes. 27; vgl. K. BERG,Studies in Tuscan Twelfth-Century Illumination, Oslo-Bergen- Tromsö 1968, fig. 32; zu denKopien nach karolingischen Werken im II. Jahrhundert: H. SWARZENSKI,The Role of Copiesin the Formation of the Styles of the Eleventh Century, in: Romanesque and Gothic Art - Stu-dies in Western Art, Acts of the Twentieth International Congress of the History of Art, Bd. I,Princeton (N]) 1963, 7-18, bes. II f.

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Abb. 1: Florenz, Biblioteca Laurenriana, Cony. Soppr. 344, fol. lIv

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legenheiten der römischen Kirche in der Zeit vor der "Gregorianischen Reform" stehen IR

und betrifft sowohl die Figurentypen als auch die Ornamentik. Ein gutes Beispiel für die-se konsequente Orientierung an karolingischen Initialtypen ist die Initiale "Q(VOD /FVIT)" auf fol. 141 r des Admonter Cod. D. Larry M. Ayres 19 hat zudem auf die Rezep-tion karolingischer Initialtypen in Adrnont, Cod. D, fol. 93v20, aufmerksam gemacht. Inähnlicher Weise ist dieses Phänomen auch in anderen italienischen Riesenbibeln (Flo-renz, Biblioteca Laurenziana, Conv. Soppr. 344, fol. B, frühes 12.Jahrhundert)" zu beob-achten.

Der textliche Rückgriff auf das 9. Jahrhundert findet somit eine Parallele in den Aus-stattungsformen, wo offensichtlich Illustrationsschernata, Figurentypen und Zierseitender karolingischen Buchmalerei imitiert werden. Die Orientierung an älteren karolingi-schen Vorbildern besitzt programmatischen Charakter und hat nichts damit zu tun, daß"keine anderen Vorlagen zur systematischen Bebilderung der über 70 Bücher des Altenund Neuen Testamentes existierten" (H. Hensle- Wlasak)". Auch die Art, wie der Evan-gelist Markus im Eferdinger Riesenbibelfragment (LinzID., Oberösterreichisches Lan-desarchiv, Fragmenten-Sammlung, ohne Signatur)23 (Abb, 2) die Hand zum Kinn hebt,ist vom Codex Millenarius Maior (Kremsmünster [OÖ.], Stiftsbibliothek. CC Cim. I)und vom Cutbercht-Codex (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 1224) abzu-leiten" und kann zudem in einem Matthäuskornmentar, dem Cod. C IV I der BibliotecaComunale in Mantua" sowie im Cod. 721, fol. 223r der Biblioteca Casanatense in Rom26

nachgewiesen werden.Textformat und Initialengestaltung stehen in der Gattung der Riesenbibeln in engem

Zusammenhang, da die Initialen - neben Randglossen und interlinearen Bemerkungen -

18 AYRES,ebd., 13f.; L. M. AYRES,An Early Christian Legacy in Italian Romanesque MiniaturePainting, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte (Beiträge zur mittelalterlichen Kunst I)46/47 (1993/1994), 37-44, bes. 40.

19 AYRES1985 (Anm. 10), 159.20 Ebd., fig. 9, dieser Typus für die Initiale "A" tritt auch in der Todi-Bibel, fol. 160v, auf, vgl, E.

B. GARRISON,Studies in the History of Medieval Italian Painting, Bd. IV, Florence 1960/1962(Reprint der Bände I-IV: London 1993), fig. 106.

21 GARRISON,ebd., Bd. III, Florence 1957/1958, fig. 136 bzw. BERG(Anm. 17), fig. 32; AYRES(1994 [Anm. 10], 130, fig. 7.1, 7.2) verweist in diesem Zusammenhang auf den karolingischenUrsprung von fol, 95v der Angelica-Bibel (Rom, Biblioteca Angelica, Cod. 1272).

'1 HENSLE-WLASAK (Anm, 8),260; die Orientierung der Riesenbibel-Illustrationen an karolingi-schen Vorbildern läßt sich besonders anschaulich in der Pantheon-Bibel (Vat. lat. 12958, fol,4v [GARRISON,ebd. Bd. IV. Florence 196011962, fig. 82, F. MÜTHERICH,Malerei im 12. Jahr-hundert, in: H. FIlLITZ,Das Mittelalter I (Propyläen-Kunstgeschichte N. F. 5), Berlin 1969(Reprint ebd. 1984),264-283. bes. 270, Taf. XLVI; AYRES(Anm, 17), fig. 12]) nachweisen.welche die Illustration in Registerform der karolingischen Bibeln (z.B. "Bibel von Grandval",London, The British Library, Ms. Add. 10546, fol. 5v) aufgreift.

2.1 K. HOLTER,Die mittelalterliche Buchkunst der Chorherrenstifte am Inn, in: Katalog ,,900 Jah-re Stift Reichersberg - Augustiner Chorherren zwischen Passau und Salzburg", LinzID. 1984,205-231, bes. 207, wiederabgedruckt in: K. HOLTER,Buchkunst - Handschriften - Bibliothe-ken: Beiträge zur mitteleuropäischen Buchkultur vom Frühmittelal!er bis zur Renaissance (hrsg.von G. HElLINGSETZER1W STELZER),Bd. I-II, LinzID. 1996, Bd. II, 887-913: Fragment der"Salzburger Entwicklung" zugeordnet; DERS.,Mittelalterliche Buchkunst in und aus dem StiftMichaelbeuem, in: Benediktinerabtei Michaelheuern. Eine Dokumentation (hrsg. von B.EGElSEDEROSB), Michaelbeuem 1985,249-262, bes. 250, wiederabgedruckt in: HOLTER1996,ebd., Bd. 11,995-1012: Provenienz der Eferdinger Riesenbibel zum verlorenen 2. Band derSt. Florianer Bibel vermutet.

,. FICHTENAU1950 (Anm. 9), 58.2.1 Ebd .• 58f., 64, Anm. 57.26 GARRISON(Anm. 20), Bd.Jl, Florence 1955/1956, fig. 134.

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Abb. 2: Eferdinger Riesenbibelfragment (Linz/Ti., Oberösterreichisches Landesarchiv,Fragmenten-Sammlung, ohne Signatur), Evangelist Markus

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als "Wegweiser" für den Benutzer dienen. Charakteristisch für die Ausstattung der Rie-senbibeln ist "ein Wiederholen des gleichbleibenden Schemas'?", Nicht nur die gleichenBuchstabentypen werden immer wieder verwendet - hier besonders "F(RATERAMBROSIUS)" und "I(N PRINCIPIO)"28 -, sondern auch die stilistische Gestaltung die-ser Buchstaben, die Flechtbandmuster und die Rosettenformen sind zumeist nur gering-fügig variiert. Der gleichsam uniforme Charakter dieser Handschriftengattung in For-mat, Textredaktion. Schrift und Ausstattung führt zu einem "standardised effect or insti-tutional character" (Ayres)?", der sich auch in der ausschließlichen Verwendung der "caro-lina" anstelle der gebräuchlichen "romanesca" in der Paläographie manifestiert. Supino-Martini spricht in diesem Zusammenhang von einer .amiformitä graflca'?".

Nicht die narrative Illustration in Registerform wird in den Vordergrund gestellt, son-dern die monumentalen Zier- und Schriftseiten sowie die ornamental und figural gepräg-ten Incipits dominieren die Codices. Die spartanisch anmutende Ausstattung mit beson-derer Bereitschaft zum ornamentalen Dekor sollte weniger unter qualitativen Maßstäbenoder unter dem Aspekt der Bilderfeindlichkeit" gesehen werden als vielmehr unter demGesichtspunkt, daß der sich in den Riesenbibeln manifestierende Reformgedanke ent-sprechend bildliehen Ausdruck gewinnen sollte. Die bewußte Abkehr von exzessiverPrachtentfaltung in der Ausstattung und die programmatische Rückkehr zu den Idealender "ecclesia antiqua" zeigen unmißverständlich das neue Reforrnziel an ".

Das Auftreten der Riesenbibeln muß in Zusammenhang mit der KunstentwicklungItaliens gesehen werden, wo vom II. Jahrhundert an eine große Anzahl von sogenann-ten .bibbie atlantiche" hergestellt wurden. Damit wird eine zentrale Frage der Entste-hung der Riesenbibeln berührt, die Frage des Ortes der Herstellung. Die auffällige stili-stische Gleichartigkeit der Bibeln hat bereits Albert Boeckler veranlaßt, von der "Schöp-fung eines oder zweier Klöster?" zu sprechen. Heinrich Fichtenau" hat in einem rich-tungweisenden Aufsatz im Anschluß an Albert Boeckler für die Existenz eines großenExport-Ateliers in Oberitalien, in San Benedetto di Polirone, südlich von Mantua, demHauskloster von Markgräfin Mathilde von Tuszien, votiert, eine Ansicht, der in jüngererZeit verstärkt widersprochen wurde". Fichtenau" hat sich zudem für eine italienischeEntstehung der Admonter und der St. Florianer Bibel ausgesprochen, wobei er annahm,daß die Admonter Bibel vor 107437 und die Florianer Bibel 1071 oder wenig später inden Norden gelangt seien. Larry M. Ayres glaubt, daß die Admonter Bibeln C - D in densiebziger Jahren des 11. Jahrhunderts in den Norden importiert wurden, und versucht,die Schenkung dieser Handschriften aufgrund des Exils Bischof Gebhards (1077-1086)

~7 FICIITENAU1950 (Anm. 9), 55.es AYRES1994 (Anm. 10), 136.29 Ebd., 125, 151.31' P. SUPINO-MARTlNI,Roma e l' Area grafica romanesca (secoli X-XII), [Biblioteca di Scrittura

e Civiltä I], Alessandria 1987, 21-33; AYREs,ebd., 128.)) HENSLE-WLASAK(Anrn. 8), 260, 264.12 A. GRABAR/C. NORDENFALK,Romanesque Painting, Geneve 1957, 181; DEMUS(Anm. 1),277;

AYRES(Anm. 5), 135; F. AVRIL,Malerei, in: X. BARRALI ALTET/ F. AVRIL/ D. GABORIT-CHOPIN,Romanische Kunst 1- Mittel- und Südeuropa 1060--1220 (Universum der Kunst),München 1983, 194.

1J A. BOECKLER,Abendländische Miniaturen bis zum Ausgang der romanischen Zeit (Tabulae inusum scholarum 10), Berlin-Leipzig 1930, 70f.

J4 FICHTENAU1950 (Anm. 9), 63--65; BOECKLER,ebd., 71; vgl. AYRES1994 (Anm, 10), 127, 151.J, HENSLE-WLASAK(Anrn. 8), 269.J" FICHTENAU1950 (Anrn. 9), 57, 61f.J7 SObereits BUBERL(Anrn. 5), 113.

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in die Zeit zwischen 1074 und 1077 zu datieren". Hinsichtlich der Entstehung der Rie-senbibeln wurden von Fichtenau'? auch personelle Beziehungen ins Spiel gebracht: Sofand Erzbischof Konrad L von Salzburg, Gebhards Nachfolger, durch Mathilde von Tus-zien (t 1115) in Ferrara eine Zuflucht. Sicherlich waren damit Möglichkeiten der Kennt-nis von italienischen Riesenbibeln verbunden. Demgegenüber sprach sich Garrison'? auf-grund der Regierungszeit Gebhards (1066-1088) für einen terminus ante von 1088 fürHerstellung bzw. Schenkung nach Admont aus.

Von der Entstehungszeit der Codices C und D deutlich zu differenzieren ist derAdmonter Cod. E. Von Hensle-Wlasak" wurde diese Handschrift der Admonter Stifts-bibliothek "als das jüngste Beispiel unserer Kerngruppe von Riesenbibeln bzw, Frag-menten in Kärnten und Steiermark" begriffen. Von Larry M. Ayres ist dieser Codex dennauch nicht mehr mit Erzbischof Gebhard, sondern mit Erzbischof Konrad I. (reg.1106-1147) und dessen Reformbemühungen nach dem Exil von 1112 bis 1121 in Ver-bindung gebracht worden". Bei Konrads Romreise in den Jahren 1110/1111 oder in denJahren des Protektorates unter Mathilde von Tuszien (t 1115) bzw. in den Jahren nachseinem Exil (nach 1121) könnte der Erzbischof eine Riesenbibel in der Art des Admon-ter Cod. E erworben haben". Hensle-Wlasak+' nimmt deshalb an, daß Codex E derAdmonter Bibliothek im I. Viertel des 12. Jahrhunderts entstanden sei und gleichsam ein"Bindeglied" zwischen den frühen Riesenbibeln der italienischen Produktion und denspäteren der heimischen Werkstätten, zu der auch die Riesenbibel von St. Florian zählt,darstelle. Auch Ayres" betont diese Verbindung, wenn er den Typus der "F'-Initiale imCod. E der Admonter Stiftsbibliothek in direkter Verbindung zu jenen der St. FlorianerRiesenbibel (fol. 114v) sieht. Die späteste Datierung des Admonter Cod. E dürfte aufGarrison" zurückgehen, der aufgrund stilistischer Indizien in der Gestaltung der Pal-metten auf eine frühestmögliche Datierung um 1130/1140 kommt.

In der St. Florianer Riesenbibel sind nicht nur großformatige Initialen, sondern auchviele historisierte Initialen vorhanden, die nach Otto Pächr" als .Zeichen eines wieder-erwachten Dranges zum bildliehen Ausdruck" gedeutet werden können. Aus diesemGrund hält Pächt die Entstehung der Bibel um 1120 in einer Salzburger Werkstätte - unterMitwirkung italienischer Kräfte - für wahrscheinlich. Ayres" glaubt in der - seiner Mei-nung nach in Salzburg entstandenen - St. Florianer Riesenbibel einen Reflex des italie-nischen Initialstils zu erkennen und sieht die St. Florianer Riesenbibel als ein Werk an,das eine "transformation of an Italian initial style" vollzieht. Die Initiale "V" auf fo1. 2SOrnimmt Anregungen auf, die Vorbildern der Admonter Bibel E nahestehen, aber der drei-eckig geformte Fuß verbindet die St. Florianer Initiale mit der "V"-Initiale des salzbur-

38 AYRES(Anm, 5), 130f., 142; AYRES1994 (Anm. 10), 127; AYRES1985 (Anrn. 10), 159.39 FICHTENAU1950 (Anm. 9), 65.40 GARRISON(Anm. 20), Bd.l, Florence 1953, 17; vgl. BERG(Anm. 17), 14f.41 HENSLE-WLASAK(Anm, 8), 270.42 AYRES(Anm. 5), 142, 144.43 Ebd., 144.44 HENSLE-WLASAK(Anm. 8), 270.45 AYRES(Anm. 7), 147, Abb, vgl. BUBERL(Anm. 5), Taf, XIII bzw, K. KOSHI,Über die ..Rie-

senbibel" von St. Florian (Cod. XI/I) - ein Salzburger Frühwerk des 12. Jahrhunderts, in: Biju-tsushi (Journal of the Japan Art History Society) 21 (1971), Nr, 3, 1-104, bes. Abb. 5.

"" GARRISON(Anm. 20), Bd.L Florence 1953, 17,87; auch WIND(Anm, 6), 371 rückt die SI. Flo-rianer Riesenbibel an das Ende des zweiten Jahrhundertviertels.

47 D. PÄCHT,Buchmalerei des Mittelalters. Eine Einführung (Hrsg. von D. Taoss / U. JENNI).München 1984, 130.

4X AYRES(Anm, 5),138; AYRES(Anrn. 7). 146f.

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gisehen Cod. 4236 der Öster-reichischen Nationalbibliothek(fol, 2r)49(Abb. 3). Wichtig füreine Bestimmung der Salzbur-ger Entstehung der Sr. Floria-ner Bibel ist die Tatsache, daßdie Sr. Florianer Riesenbibelneben den typisch italienischenInitialen mit Kastenteilungen,Flechtknoten auch genuin nor-dische Knollen-Rankeninitia-len enthält, die sich mit der"bayerischen Klosterschule"5overbinden lassen. Die Initiale"F" auf fol, 131v zeigt zumBeispiel die Kombination des"italienischen Ornamentsti Ismit den Salzburger SpiraJran-ken" (K. Holter)SI.

Argumentiert man miteiner Salzburger Entstehungder Sr. Florianer Riesenbibel",was neuerdings aufgrundpaläographischer Indizienzugunsten einer Sr. FlorianerEntstehung" wieder in Zweifelgezogen wurde, so trifft man inSalzburg auf einen breitenReflex der Initialomamentikder frühen italienischen Rie-senbibeln, wie sie durch dieAdmonter Bibeln C - E vertre-ten wird. Die Initialornamentikdieser Admonter Bibelnscheint demnach eine Basis füreine entsprechende Weiter- Abb. 3: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod.führung in Salzburger Werk- 4236,foL 2r.stätten geliefert zu haben. Dashistorische Umfeld für den Import der Admonter Riesenbibeln wird von Ayres" in denBestrebungen der Salzburger Erzbischöfe Gebhard (reg. 1060--1088) und Konrad L (reg.

49 AYRES (Anrn. 5), ebd., fig. 3.50 KOSHI (Anm. 45), 2; K. HOLTER, Romanische Buchkunst aus der Stiftsbibliothek Sc Florian,

in: Geschichte und ihre Quellen, Festschrift Fritz Hausmann (hrsg. von R. HARTEL), Graz 1987,545-578, bes. 548, wiederabgedruckt in: HOLTER 1996 (Anm. 23), Bd. II, 1055-1088.

51 HOLTER, ebd.52 So bereits: SWARZE SKI, BOECKLER, GARRISON und KOSHI; vgl. Literaturbericht bei: AYRES

(Anm. 5), 137f.53 WIND (Anrn. 6), 371.54 AyRES (Anrn. 7), 149.

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1106-1147) geortet. Deren Reformeifer sei ausschlaggebend für das Interesse an Rie-senbibeln gewesen. Auch die Entstehung der St. Florianer Bibel und des Fragments Cod.4236 in der Österreichischen Nationalbibliothek sieht Ayres55 im Lichte der erstarktenRolle Salzburgs als Zentrum der Bibelherstellung.

Die erste Phase des Auftretens der Riesenbibeln dokumentieren die von Heinrich IV.an das Kloster Hirsau geschenkte Bibel (München, Bayerische Staatsbibliothek. Clrn13001), die Admonter Bibeln C und 0 sowie die Cecila-Bibel (Rom, Biblioteca Apo-stolica Vatican a, Cod. Barb.lat. 587)56. Zu diesen Werken derersten Phase rechnetAyresauch das Wiener Fragment (Cod. 4236), die St. Florianer Riesenbibel. ein Einzelblatt imKloster Salzburg-Nennberg und die .Eferdinger Riesenbibel" . Neben der S1. FlorianerRiesenbibel, die hier bereits eine fortgeschrittene Stufe des 12. Jahrhunderts repräsen-tiert, muß hier vor allem die - wahrscheinlich bereits in den fünfziger Jahren des 12. Jahr-hunderts entstandene - sog. Ältere Bibel von St. Peter (Cod. a XII 18 - a X1l20) heran-gezogen werden, da sie in der I-Initiale am Beginn des Buches Genesis (St. Peter a XII18, fo1. 6r) die Rezeption einer jetzt in Genua befindlichen italienischen Riesenbibel(Biblioteca Civica Berio) zeigt'",

Auch Cod. ser, nov. 4236 der Österreichischen Nationalbibliothek wurde aufgrunddes Initialstils für Salzburg in Anspruch genommen". Ayres'" setzt insofern die Admon-ter Bibel E, fol. 123r (Abb. 4) und den Cod. 4236 der Österreichischen Nationalbiblio-thek, fol. 2r (Abb. 3) in eine direkte Beziehung, als er den Typus der "V"-Initiale derWiener Handschrift von einem Buchstabentypus übernommen sieht, der durch die "V"-Initiale der Admonter Handschrift repräsentiert wird.

AyresfIJ trennt die bestimmende Rolle Salzburgs in zwei Phasen, von denen die erstemit dem Import italienischer Riesenbibeln in den Norden verbunden, während die zwei-te Phase - charakterisiert durch die Walther-Bibe! (Michaelbeuern, Benediktinerstift,Bibliothek, Cod. Perg. I [Cod. Man. Perg. I]) und die Admonter Riesenbibel (Wien,Österreichische Nationalbibliothek, Cod. ser, nov. 270 I/2702) - durch das Auftreten figu-raler Illustrationen bestimmt sei. Vor der Phase, welche die Salzburger Weiterentwick-lung italienischer InitiaItypen ab dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts markiert, mußdie - nicht mit Sicherheit bestimmbare - Datierung der Admonter Bibel E angesiedeltwerden. Als charakteristisch für die spezifische Salzburger Entwicklung wäre demnachein Import von italienischen Riesenbibel- Traditionen und deren Weiterentwicklung abdem zweiten Jahrhundertviertel. Dieser Sachverhalt der Salzburger Förderung unter denErzbischöfen Gebhard und Konrad I.ist umso entscheidender, als für die Vermittlung derRiesenbibeln zumeist nicht die Diözesanherren. sondern vor allem die ReformordenBedeutung zu besitzen scheinen. Hier sei auf die Bedeutung der Hirsauer Reform im Klo-ster Weingarten und auf jene von Cluny hingewiesen" .

Die Bibeln C und 0 der Admonter Stiftsbibliothek können unmittelbar mit einemBibliotheksverzeichnis der Stiftes von 1380 (Adrnont, Stiftsbibliothek. Cod. 392, fol.

" AYRES(Anm. 5), 139.56 AYRES 1994 (Anm. 10). 127; AYRES (Anm, 5). 139.57 AYRES (Anm. 5),139. fig. 12; AYRES (Anrn. 7).147.'" AYRES(Anm. 5); HOLTER 1985 (Anrn, 23), 251 hat in diesem Zusammenhang aufParallelen in

der Michaelbeuemer Walther-Bibel (fo]. 205r, 206v. 214r) verwiesen; zur Walther-Bibelgrundsätzlich: R. JUfFINGER I P. WIND, Die Walther-Bibel aus Michaelbeuern - Eine Bestands-aufnahme, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 123 (1983), 131-142.

59 AYRES, ebd., 136."" Ebd., 139.61 L. M. AYRES, An Italianate Episode in Romanesque Bible Illumination at Weingarten Abbey.

in: Gesta 24 (1985), Nr. 2,121-128.

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Til ....q-:n. putUI"'Je. .

I

Abb. 4: Admont, Benediktinerstift, Bibliothek, Cod. E,fol. 123r

2ra) als Schenkung Erzbischof Gebhards in Verbindung gebracht werden'". Ayres siehtals charakteristisch für die Art der Illustration in den Admonter Bibeln C und D das Feh-len im Ursprung ottonischer- in den italienischen Typus der "white vine scrolls?" über-tragenen - Rankenornamenttypen ("rinceau types") an. In der Bibel Cod. E tritt dieser

62 Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs (hrsg. von der Österreichischen Akademie derWissenschaften), Bd. III (bearb. von G. MÖSER-MERSKY),Graz-Wien-Köln 1961,37, Z. 6f.:"BybLiatota induobus maximis voluminibus, quam dominus Gebhardus fundatorpredicti mona-sterii eidern contribuit"; AYRES(Anm. 5), 141f.

63 AYRES1985 (Anm. 10), 16If., 164.

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Abb. 5: Admont, Benedikiinerstift, Bibliothek, Cod. D,fol. 31r

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Rankentypus jedochhäufig auf (vgl. fol.55v, 113r)64. Die sti-listische Ausrichtungder Admonter BibelnC und 0 läßt sich ambesten iIII Vergleichmit der Riesenbibel(München, Bayeri-sche Staatsbiblio-thek, Clm 1300 I),die Heinrich IV.Hitsau im Jahr 1071oder 1075 schenk-te65, bestimmen.Die typenmäßigenBeziehungen, dieelm 1300 I,fol. 267vund Admont, Stifts-bibliothek, Cod. D,fol. 171r miteinanderverbinden'", sindoffenkundig. Der sti-listisch schemati-schere Charakter derAdmonter Initialetritt hinter der offen-sichtlichen Gleichar-tigkeit im Typuszurück, die beide - vor der Mitte der siebziger Jahre des II. Jahrhunderts - entstande-nen Codices miteinander in Beziehung setzt. Den Ranken in den Admonter Bibeln C, Dbzw. E eignet aber ein stärker flächenhafter Charakter. So ist im Cod. E, fol. 55v67 nichtmehr der klar akzentuierte Buchstabentypus an sich entscheidend, sondern der Buchsta-be und die weißen Ranken sind primär in die Flächigkeit der Hintergrundfärbelung ein-gebunden und ergeben somit zusammen einen ausgesprochen zweidimensionalen Cha-rakter.

Sämtliche Initialtypen der Codices C und D lassen sich durchwegs von italienischenRiesenbibeln ableiten. So geht etwa die Initiale "V" der Adrnonter Bibel D, fol. 21 v, 28rund 31 I' (Abb. 5)68 im Typus mit den charakterisrischen Schäften des Buchstabens "V"auf die Codices Vat. Pal. lat. 3, fol. I02v69, Vat. lat. 4217 A, fol. 106v70 und die Hand-

1::..0._ -1. o.•. _ •.J~ ......._..._f: __

Abb. 6: San Daniele del Friuli, Biblioteca Comunale, Cod. //11

6-l HENSlE-WlASAK (Anrn. 8). Abb. 7. 8.65 AYRES 1985 (Anm. 10), 157f., 164.66 Ebd, 159,fig. II. 12.67 HENSlE-WlASAK (Anm. 8), Abb. 7.68 Vgl. die im Typus ähnlichen Fragrneme: Schlierbach, Zisterzienserstift. Fraglllentesammiung,

XVI2-6 (HOLTER 1984 [Anrn. 23], 284, NI'. 3.01).69 GARRISON (Anm. 20), Bd. I. Florence 1953, fig. 62.70 Ebd., fig. 66.

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Abb. 7: Graz, Universiuitsbibliothek, Cod. 1703/1 b, Einzelb/att, Prophet Amos

schrift San Daniele del Friuli, Biblioteca Comunale, Cod. l/IF' (Abb. 6) zurück und wirddurch die Hinzufügung des thronenden Propheten Amos im Fragment Graz, Univer-sitätsbibliothek, Cod. 170311 b72 (Abb. 7) figural erweitert; dort möglicherweise eben-

71 BERG (Anrn. 17), fig. 489.72 HENSLE- WLASAK (Anrn. 8), Abb. 5.

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falls in Anregungvon italienischenBeispielen (SantaCecilia-Bibel, fol.182r, vor 108T3; Par-ma-Bibel, fol. IIOr74;Todi-Bibel, fol.282v75; Genua-Bi-bel, fol. IIOr76). Ge-wisse in den Admen-ter Bibeln C und Dauftretende Buchsta-bentypen gehörengleichsam zum Stan-dardrepertoire derital ienischen Riesen-bibeln. In besondererWeise muß hier aufden Buchstabenty-pus "H", der im Cod.C, fol. 24v77 und fol.58r78 auftritt, hinge-wiesen werden. Die-ser findet in exern-plarischer Weise imCod. Barb. lat. 587,fol. 20v aus demersten Viertel des 12.Jahrhunderts" (Abb.8) eine Parallele. Bisin Details der Flecht-bandfüllungen desBuchstabenstammessind hier enge Über-

C}l..p f 1: \.1 1~"Pl'''run' ~J"" E.x P 1.1 CI" N 1:

J N Cl j H f Ll.[5~\.o-rbEXO DVS,

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lTLa:tYvW (um L.lcob.fmgutl cum dcnu.b?. ~t.nrrvu=:n.mr .R.uhen .Simeon. Leur- Iud.,.\...:5.'\buLm. er bcruarmn , cL"ln . er nqnb~\.l.tmerA(er . £pnr tgrrur oriit 41UIJlf,etn;: qur

einstimmungennachweisbar. Der im Abb. 8: Rom, BibliotecaApostolica vaticana, Cod. Barb. lat. 587,Admonter Codex D fol. 20vauffällig oft vertrete-ne "P"_ Typus (fol. 170r)80 kann in Vat. lat. 4217 A, fol. 55v81

, in der Parma-Bibel (fol.

73 GARRISON (Anm. 20), Bd. I, Florence 1953, fig. 88; fo!. 33v; GARRISON (Anm. 20), Bd. III, Flo-rence 1957/1958, fig. 13; AYRES 1994 (Anm. 10), 152.

7~ GARRISON 1957/1958, ebd., fig. 98.75 GARRISON (Anm. 20), Bd. I, Florence 1953, fig. 95; GARRISON (Anm. 20), Bd. IV, Florence

1960/1962, fig. 107.76 GARRISON (Anm. 20), Bd. III, Florence 1957/1958, fig. 98.77 HENSLE- WLASAK (Anm. 8), Abb. I.78 BUBERL (AHIll. 5). fig. 114.79 BERG (Anm. 17), fig. S03; GARRISON (Anm. 20), Bd. III, Florence 1957/1958, fig. 12.80 HENSLE-WLASAK (Anrn. 8), Abb. 10.81 GARRISON (Anm. 20). Bd. I, Florence 19S3, fig. 67.

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66r)82, in der Hand-schrift Mantua,Biblioteca Cornuna-le,Cod. 131 A. V. I,fol. I69v83 und in der

• "Zweiten Angelica-Bibel" (fol. 63r)8~belegt werden. Diemarkante "F(RATERAMBROSIVS)"-Initiale auf fol. I v desAdmonter Cod. ES5

tritt in Mailand.Biblioteca Arnbrosi-ana, Cod. B. 47 inf.,fol. IV86, im Vat. lat.10405, Fol. IV87 undbesonders im Vat. Iat.12958, fol. Iv, der"Pantheon-Bibel"aus dem zweitenViertel des 12. Jahr-hunderts'", auf.

Auch der Initial-stil des Cod. E (z.B.Fol. 55v) mit demcharakteristischendichten Rankennetz.den "white vinescrolls" (L. M.Ayres), welche dasBinnenfeld überzie-

Abb. 9: Florenz, Biblioteca Laurenriana, Cod. Mugel. J,fol. 75v hen, läßt sich gut mititalienischen Riesen-

bibeln verbinden (Florenz, Biblioteca Laurenziana, Edili 127, fol. 116r89 oder Rom,Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. San Pietro A. I, fol. 60v90). Dieses dichte Ranken-netz ist auch im Fragment Klagenfurt, Universitätsbibliothek Fragm. Ill, Initiale "E"91 _in erstaunlich enger Beziehung zur Mugellano-Bibel (Florenz, Biblioteca Laurenziana,

82 Ebd., fig. 82.83 G. Z. ZANICHELLI, Le bibbie atlantiche e il monastero di San Benedetto al Polirone, in: Arte

medievale II. ser. 7 (1993), Nr. 1,43-59. fig. 6.84 GARRISON(Anm. 20), Bd. Ill, Florence 1957/1958, fig. 144.85 BUBERL(Anm. 5), Taf. XIII; HENSLE-WLASAK (Anm. 8), Abb. II.86 GARRISON(Anm. 20), Bd. I, Florence 1953, fig. 68.8? Ebd., fig. 92.88 Ebd., fig. 108, eine Ähnlichkeit, die bereits von GARRISON,ebd., 87, bemerkt wurde.89 BERG(Anm. 17), fig. 38.90 AYRES(Anm. 17), fig. 6.91 HENSLE-WLASAK(Anm. 8), Abb. 9.

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Cod. Mugel. I, fol. 75v)92(Abb. 9) oder zum Cod. 24, fol. 103r der Biblioteca Capitola-re in Lucca?' - nachzuweisen. Der Rankentyp "I(N AN[N]O S[E]C[UN]DO)" auf fol.191v des Admonter Cod. E läßt sich hingegen als Paraphrase auf Florenz, Biblioteca Lau-renziana, Cod. Mugel. 13, foJ. 87r94 bzw. auf Bologna, Biblioteca Universitaria, Cod.2247, fol. 9V95 verstehen.

Die Admonter Bibeln C, D und E sind somit in Typus und Stil eindeutig italieni-schen Ursprungs. Dies kann durch eine Vielzahl an Vergleichen nachgewiesen werden.Die Ausstattung besitzt aber durchwegs nicht das künstlerische Niveau der stilistischführenden italienischen RiesenbibeIn, sondern bleibt in der Qualität der Zeichnung undder Präzision der Farbgebung eindeutig hinter den italienischen Erzeugnissen zurück.Diese in der Ausstattung zu konstatierende Nachlässigkeit besitzt eine gewisse Paralle-le in der Ausführung der Erstfassung des Bibeltextes, deren zum Teil gravierende Fehleran vielen Stellen - durch einen zweiten Schreiber - korrigiert wurden.

Im Gegensatz zur Stufe des italienischen Imports, der vor allem durch die Adrnon-ter Bibeln C und D bestimmt wird, stellt die St. Florianer Riesenbibel eine grundsätzli-che Neuorientierung und Weiterentwicklung der Gattung und der künstlerischen Pro-blemstellung .Riesenbibel" dar. Entscheidend ist dabei die Beantwortung der Frage, inwelchem Verhältnis die St. Florianer Riesenbibel zur Tradition der italienischen Riesen-bibeln (z.B. jenen in Admont) steht. Der Akzent in der buchkünstlerischen Ausstattungverschiebt sich von der Betonung der reinen Initialornamentik zur figuralen IlIustration.Der hochrechteckige Zierrahmen, der sich in Admont, Cod. E, fol. Ir96 zeigt und in häu-figer Weise auch in italienischen Riesenbibeln auftritt?', geht letzten Endes auf touroni-sehe Anregungen zurück" und wird in der St. Florianer Riesenbibel mit dem Autoren-bild dekoriert: Auf fol. Ir (Zierblatt zur "epistola Hieronyrni" mit gerahmtem Bild desschreibenden Hieronymus in der unteren rechten Ecke) und besonders auf fol. 3l8v (ganz-seitiges Bild mit dem Evangelisten Johannes, im Rahmen die Brustbilder von zehn Apo-steln) [Abb. 10]. Die ornamentale Rahmenstruktur bildet die strukturelle Grundlage; inder St. Florianer Riesenbibel wird diese durch das "Einsetzen" von Autorenbildernfigural überformt.

Die auffällige Integration von Figuren in das Binnenfeld der Initialen ist zum Teilmit italienischen Riesenbibeln99 zu verbinden, der Faltenstil hingegen muß mit dem Peri-kopenbuch des Custos Berthold (New York, The Pierpont Morgan Library, Ms. 780)zusammengesehen werden 100. Die schematische Typik der in die Binnenfelder der Initia-len integrierten Figuren mit der parallelen SchrittsteIlung der Füße kann in Verbindungmit italienischen Riesenbibeln gesehen werden \Ill . Der "italienische" Charakter der Hand-

92 AYRES 1994 (Anm. 10), fig. 7.24.0' Ebd., fig. 7.25.94 BERG (Anrn. 17), fig. 74.95 Ebd .. fig. 90.% K. HOLTER. Bibliothek und Archiv: Handschriften und Inkunabeln, in: V. BIRKE u.a. (Bearb.),

Die Kunstsammlungen des Augustiner-Chorherrenstiftes SI. Florian (Österreichische Kunst-topographie XLVIII), Wien 1988,29-92, Abb. 42.

97 Padua, Biblioteca del Seminario. Cod. 531, foL Iv (ZANICHELLI[Anrn. 83), fig. 23); Cod. Vat.lat. 10404, fol. Ir(GARRlsoN [Anm. 20). Bd. I, Florence 1953. fig. 45); Lucca, Biblioteca Capi-tolare, Cod. 18. foL Ir (GARRISON. ebd .. fig. 46).

08 AYRES 1994 (Anm. 10), 146."" GARRISON(Anm, 20), Bd. I, Florence 1953. fig. 30, III, 112; GARRISON, ebd., Bd, II, Floren-

ce 1955/1956. fig. 241.100 KOSHI (Anm. 45).3.101 GARRISON(Anm. 20). Bd. III, Florence 195711958, fig. 14,249.

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Abb. /0: St. Florian, Augustiner-Chorherrenstiji, Bibliothek, CSF X/I/Ja/. 3/8v, Evan-gelist Johannes

schrift als .Reformzeugnis" bleibt in der Typik der Figuren und der lnitialen erhalten,die stilistische Ausrichtung der Figuren hingegen wird in zunehmendem Maße von loka-len Traditionen (Custos Berthold-Gruppe, .Iiayerische Klosterschule") bestimmt.

Dieses Nebeneinander italienischer und lokaler Traditionen, das in der St. FlorianerRiesenbibel deutlich wird, ist in der Geschichte der Buchmalerei des 12, Jahrhundertsnördlich der Alpen nicht vereinzelt. Larry M. Ayres konnte nachweisen, daß bei der Ent-stehung der heute auf mehrere Sammlungen verstreuten "Weingartner Bibel" (London,

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The British Library, Ms. 14791; New York, The Pierpont Morgan Library, Ms. M. II;Fulda, Hessische Landesbibliothek, Ms. Aa 16) sowohl der Einfluß italienischer Initia-len als auch Traditionen der ottonisches Erbe verkörpernden .bayerischen Klosterschu-le" wirksam waren'F. Die "historisierte" Initiale, wie sie im Stuttgarter Passionale mitder Kreuzigung und Grablegung des hl, Andreas (Stuttgart, Württembergische Landes-bibliothek, Cod. BibI. fol. 57, fol. 4r; Zwiefalten, um 112011125)exemplarisch auftritt!"und den Buchstabentypus der italienischen Riesenbibeln verbunden mit einem figuralenGeschehen zeigt, ist auch in der S1.Florianer Riesenbibel anzutreffen (fol. 85r, 97v)'04.Sie kann als ein Charakteristikum von figuralen Illustrationen nördlich der Alpen ange-sprochen werden. Offensichtlich ist in beiden Fällen der "italienische" Anteil nur auf denBuchstabenstamm als solchen konzentriert.

Die Kombination von Buchstabentypus mit der in das Binnenfeld integrierten Ein-zelfigur, die in der S1.Florianer Bibel (fol. 329v)105auftritt, ist mit italienischen Vorbil-dern in der Art der "Pantheon-Bibel" (Cod. Vat.Iat, 12958, fol. 69v)'06zu verbinden. Dasszenische Geschehen, das sich im Binnenfeld der Initiale selbst entfaltet, muß hingegenals innovativer Anteil der Buchkunst nördlich der Alpen betrachtet werden, auch wennin der S1. Florianer Riesenbibel die Szenen der Initiale gleichsam "aufgeklebt" (0.Pächt)"? erscheinen, also ein stimmiges Verhältnis zwischen Rahmen und Füllung (noch)nicht erreicht ist. Das dargestellte Geschehen nimmt im Stuttgarter Passionale auf diegeschilderten Martyrien und in der S1.Florianer Riesenbibel auf das biblische Gesche-hen Bezug. Die Aufnahme der szenisch-historisierten Initiale markiert in dieser Ent-wicklung demnach die Stufe der Emanzipation vom italienischen Typus der Riesenbi-beln. In der italienischen Ausprägung der Riesenbibel werden Formen der Monumental-malerei gleichsam äußerlich in das Buch übertragen, ein enger Kontakt zwischen Bildund Text findet - im Gegensatz zur Buchmalerei im Norden - nicht stattlO8•

Das Problem der Riesenbibeln kann demnach nicht bloß auf die Frage des Importsoder des Auftretens von Wanderkünstlern reduziert werden, sondern muß als eine sichim Laufe der Zeit wandelnde AufgabensteIlung unter unterschiedlichen regionalen Rah-menbedingungen gesehen werden. Die Veränderungen, die, ausgehend von den italieni-schen Riesenbibeln. in der S1. Florianer Riesenbibel im Sinne einer "transformation ofan Italian initial style" (L.M. Ayres}'?' ablesbar sind, können als grundsätzlich signifi-kant bezeichnet werden: Die St. Florianer Riesenbibel, die durch die Anwendung derhistorisierten Initiale einen "Drang zum bildlich-figuralen Ausdruck"!'? manifestiert,stellt deshalb charakteristisch die Weichen für die Salzburger und österreichischeBuchmalerei des 12. Jahrhunderts. Dies betrifft einerseits die Rezeption einer VielzahlvonAnregungen inTypus und Stil (italienische Riesenbibeln, "bayerische Klosterschule",

102 AYRES (Anm, 61). fig. 2-4. 6: London. The British Library, Add. Ms. 14791, fol. ör, fol. 198v;New York. The Pierpont Morgan Library, Ms. M. II. fol. 81r.

10J A. BOECKLER. Das Stuttgarter Passionale, Augsburg 1923. 43. Abb. I; S. v. BORRIES-SCHULTEN. Die Romanischen Handschriften der Württembergischen LandesbibliothekStuttgart (Katalog der illuminierten Handschriften der Württembergischen LandesbibliothekStuttgart 2/1). Stuttgart 1987.58, Nr. 34. Abb. 71.

104 KOSHI (Anm. 45). Abb. 32, 34.105 Ebd .•Abb. 27.106 GARRISON(Anm. 20), Bd. I. Florence 1953. fig. 30; vgl. auch: Florenz. Biblioteca Laurenzia-

na, Cod. 125. fol. 27Or: BERG (Anm. 17). fig. 103.107 PÄCHT (Anm.47). 130.108 Ebd., 129.109 AYRES (Anm, 5), 138."0 PÄCHT (Anm, 47). 130.

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Custos-Berthold-Gruppe), andererseits die große Bedeutung der "historisierten" Initia-le, die in den Admonter Handschriften 10 (58),11 (62) und 33 (16) aus der zweiten Hälf-te des 12. Jahrhunderts deutlich werden wird.

Die Möglichkeiten und Spannweiten, die mit dem Begriff einer .Reformkunst" ver-bunden sein können, sind demnach zu differenzieren. Ausgehend vom augustinischenBegriff .revocare" 1II, der auf die uranfangliche Bindung an Gott und die damit verbun-dene ununterbrochene Kette von schöpferischen Formungen und erneuernden Umfor-mungen hinweist, ist der Terminus "Reform" in Augustins Sinn eng mit dem Begriff"Schöpfung", als eine Wendung zu Gott, zu betrachten. .Reformatio-renovatio" bezeich-net in diesem Zusammenhang eine neue Schöpfung als Überwindung von Sünde undTod'". Die offensichtliche Betonung des Schöpfungsgeschehens in den Illustrationen deritalienischen Riesenbibeln des II. und 12. Jahrhunderts ("Paiatina-BibeI", Rom, BibIio-teca Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 3~.Perugia-Bibel", Perugia, Biblioteca Augusta,Cod. L. 59; "Pantheon-Bibel", Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod.lat. 12958)113,die von den frühchristlichen Schöpfungszyklen römischer Basiliken'!' abgeleitet werdenkönnen, zeigt, daß dieser Ausprägung der "Gregorianischen Reformkunst" ein zutiefstaugustinisches Gedankenkonzept zugrunde liegt: .Reform ist also nicht ein Ungesche-henmachen körperlicher Schöpfung, sondern eher eine Fortsetzung der gesamten Schöp-fung" (G. Ladner)!". Der programmatische Rückbezug auf das Frühchristenturn und dasDenkmodell des "antiquarianism" (E. Kjtzinger)!", das verehrte Archetypen in der bil-denden Kunst aktualisiert, verbinden sich in der figuralen Ausstattung der italienischenRiesenbibeln mit der augustinischen Betonung der Schöpfung.

In der nördlichen Variante des Typs der Riesenbibeln. für welche die "St. FlorianerRiesenbibel" als beispielhaft herangezogen werden kann, vollzieht sich - ausgehend vonitalienischen Vorbildern - eine dynamische und für den weiteren Verlauf der Kunstent-wicklung nördlich der Alpen charakteristische Entwicklung der Formgelegenheit .Rie-senbibel": Die enge Bindungjedes figuralen Geschehens an die rahmende Initiale ist ver-bunden mit einem deutlichen Zurückdrängen"? einer näher zu spezifizierenden und mitden Gedanken der Reform in direktem Zusammenhang stehenden Ikonographie (Schöp-fungsthematik). Das Nichtvorhandensein der rahmenlosen Autonomie des Bildes undeine offensichtliche Präferenz für ein .fruchtbares, schöpferisches Zusammenleben von

III De Genesi ad litteram I, 3f., vgl. G. LADNER,Die mittelalterliche Reform-Idee und ihr Ver-hältnis zur Idee der Renaissance, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichts-forschung 60 (1952), 31-59, bes. 45f., wiederabgedruckt in: DERS.,Images and Ideas in theMiddle Ages. Selected Studies in History and Art, Bd. II (Storia e Letteratura, Raccolta diStudi e Testi 156), Roma 1983, 559-593; vgl. auch: DERS.. St. Augustine's Conception of theReformation of Man to the Image of God, in: Augustinus Magister, Congres InternationalAugustinien, Paris, 21.-24. September 1954, 867-878, wiederabgedruckt in: LADNER,ebd ..1983, 595-608, bes. 600.

112 LADNER1983, ebd., 601.III AYRES(Anm. 17), 16, fig. 10-12.114 C. BERTELLI,Bibbia, Breviario, Messale nella Cui lura della Chiesa milanese dall' XI al XII seco-

10, in: Centro italiano di studi sui\' alto medioevo, Alii dell' II. Congresso intemazionale distudi sull'alto medioevo, Bd. II, Spoleto 1987.815-853, bes. 816; zur Aufnahme des "Romaniconographical type" vgl. AYRES(Anm, 17), 16.

115 LADNER1952 (Anm. II 1),48.116 E. KITZINGER,AVirgin's Face: Antiquarianism in Twelfth-Century Art, in: The An Bulletin 62

(1980), Nr. 1,6-19, bes. 19.117 Zum Beispiel in der Walther-Bibel (fol. 6r) und in der Adrnonter Riesenbibel (Cod. ser, nov.

2701, fol. 3v), vgl. SWARZENSKI(Anm. 6). Abb. 82,92.

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Wort und Bild"IIH im Sinne einer stärker initialgebundenen Illustration werden wesent-lich die weitere Entwicklung der österreichischen Klosterskriptorien im 12. Jahrhundert,insbesondere der Reformklöster, bestimmen'!". In der Entwicklung der Riesenbibel wirdsomit ein grundlegender Gegensatz im mittelalterlichen Kunstwollen nördlich und süd-lich der Alpen aktualisiert, ausgedruckt mit den Worten Herbert von Einems: "Die sinn-liche Bildeinheit (der Antike) wich dem gedanklich verknüpfenden, dem symbolischenSchriftbild"!".

Abb. I:Abb. 2:Abb. 3:Abb. 4:Abb. 5:Abb. 6:Abb. 7:

Abb. 8:Abb. 9:Abb.lO:

Abbildungsnachweis:

Reproduktion nach: Berg (Anm. 17), fig. 32LinzID., Oberösterreichisches LandesarchivReproduktion nach: Ayres (Anm. 5), fig. 3Reproduktion nach: Ayres (Anrn. 5), fig. 8Admont, Benediktinerstift. BibliothekReproduktion nach: Berg (Anm. 17), fig. 489Österreichische Akademie der Wissenschaften,Kommission für KunstgeschichteReproduktion nach: Berg (Anm. 17), fig. 503Reproduktion nach: Ayres 1994 (Anm. 10), fig. 7.24KremsID., Studio Brunner

IIX PÄCHT (Anm. 47),27; vgl. auch: O. PÄCHT. The Pre-Carolingian Roots of Early RomanesqueArt, in: Romanesque and Gothic Art (Anrn, 17),67-75, bes. 71: "The figure initial is one ofseveral instances in which the submission and adaptation of representational elements to non-representational structures ... results in the creation of new entities or compounds" (auch PächtsDefinition der .Figureninitiale'' vermag die Entstehung dieser neuen Bildeinheiten anschau-lich zu beschreiben).

119 Ein gutes Beispiel hiefür bilden hier einige Miniaturen der Admonter Riesenbibel (Wien, Öster-reichische Natonalbibliothek, Cod. ser, nov. 2701, fol. 242v, 244r, 246r), die in ihrer Gestal-tung direkt mit Initialen verbunden sind: T. WEHLI, Az Admonti Biblia (Wien, ÖNB, Cod. s.n.2701-2) [Müveszettörteneti Füzetek, Cahiers d'Histoire de I'Art II], Budapest 1977, fig. 25,27,29.

I~() H. von EINEM, Das Problem des Mythischen in der christlichen Kunst, in: Deutsche Viertel-jahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 13 (1935),260-279, bes. 264, wie-derabgedruckt in: DERS., Stil und Uberlieferung - Aufsätze zur Kunstgeschichte des Abend-landes (Hrsg. Th. W. GAEHTGENSI R. HAUSSHERR),Düsseldorf 1971, 50-65.

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