Zeitschrift für Germanistik · 2018. 8. 12. · VII–XI (Schwarze Hefte 1938/39), hrsg. v. Peter...

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Sonderdruck Zeitschrift für Germanistik Neue Folge XXVIII – 3/2018 Herausgeberkollegium Ulrike Vedder (Geschäftsführende Herausgeberin, Berlin) Mark-Georg Dehrmann (Berlin) Alexander Košenina (Hannover) Steffen Martus (Berlin) Gastherausgeberin Anne-Kathrin Reulecke (Graz) PETER LANG Internationaler Verlag der Wissenschaften Bern · Berlin · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien

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Sonderdruck

Zeitschrift für Germanistik

Neue FolgeXXVIII – 3/2018

Herausgeberkollegium

Ulrike Vedder (Geschäftsführende Herausgeberin, Berlin)Mark-Georg Dehrmann (Berlin)Alexander Košenina (Hannover)

Steffen Martus (Berlin)

Gastherausgeberin

Anne-Kathrin Reulecke (Graz)

PETER LANGInternationaler Verlag der Wissenschaften

Bern · Berlin · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien

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Schwerpunkt: Grenzen des Humanen. Biotechnologie und Medizin in der Gegenwartsliteratur

Anne-K Athrin reulecKe, ulriKe Vedder – Grenzen des Humanen. Biotechnologie und Medizin in der Gegenwartsliteratur. Vorwort 459

Anne-KAthrin reulecKe – Neue Patho graphien. Transplantation als Grenzerfahrung in David Wagners Text „Leben“ 465

irmelA mArei Krüger-FürhoFF – Körperliche Grenzerfahrungen und ‚künstliche Natürlichkeit‘ in literarischen Texten zu Parkinson und tiefer Hirnstimulation (Helmut Dubiel, Ute Schmidt, Richard Wagner) 486

JohAnnA Zeisberg – Zwischen Rettung und Unrettbarkeit. Biochemische Ich-Irritationen in Autopathographien der Gegenwart 502

christiAne Arndt – Das eigene Grab sehen. Narra tive Implikationen medizinischer Abbil-dungen in Wolfgang Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ im Vergleich mit Thomas Manns „Der Zauberberg“ 519

sAbine schönFellner – Erzählerische Distanzie-rung und scheinbare Zukünftigkeit. Die Ausein-andersetzung mit biomedizinischer Normierung in Juli Zehs Romanen „Corpus Delicti“ und „Leere Herzen“ 540

tAnJA nusser – „Die Buchstaben müssen neu kombiniert werden.“ Die Verhandlung der Tier-Mensch Dichotomie und der Kodifizierung der Genetik in Emma Braslavskys Roman „Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen“ 555

ulriKe Vedder – Grenzwertige Pflege: Literari-sche Care-Verhältnisse der Gegenwart 568

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reinhArd mehring – „Meines Vaters Schwanen-gesang“. Thomas Manns letzte Ganzschrift 587

Neue Materialien

thomAs nehrlich – Sensationsfund oder falsche Fährte? Über einen „Brief an Kleist“ in der ‚Ber ner Aus- gabe‘ von Alexander von Humboldts „Schriften“ 604

Dossier

imKe lAng-groth – Vom Theologen zum Lexi-kographen. Zum 200. Todestag von Joachim Heinrich Campe (1746–1818) 616

Miszellen

ulrich KAuFmAnn – „Ihr hochwohlweisen Phi-lanthropins“. Jakob Michael Reinhold Lenz zwi-schen Weimar und Dessau. Ein wenig bekanntes Kapitel 624

heinZ-Peter Preusser – Eine sachliche Apoka-lyptikerin. Juli Zeh als zeitdiagnostische Autorin der Gegenwart 630

Konferenzberichte

Historia Pragmatica. Der Roman des 18. Jahrhun -derts zwischen Gelehrsamkeitsgeschichte und Auto-nomieästhetik (Tagung in Siegen v. 26.–28.2.2018) (Anna Sebastian) 635

Kleists Anekdoten. Zur Größe der kleinen Formen (Tagung in Frankfurt [Oder] v. 12.–13.3.2018) (Barbara Gribnitz) 638

Cottas Journalpoetik. Forschung und Erschließung zwischen Globalgeschichte und digitaler Wende (Konferenz in Marbach v. 22.–23.2.2018) (Florian Schmidt) 639

„Ich sage nicht mehr, als was in meinen Büchern steht“. Gottfried Benn-Symposium 2018 zum Brief-wechsel mit F. W. Oelze (Internationale Tagung in Würzburg v. 1.−3.3.2018) (Katharina Wilske) 642

Inhaltsverzeichnis

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Besprechungen

AnniKA hildebrAndt, chArlotte KurbJuhn, steFFen mArtus (Hrsg.): Topographien der An tike in der literarischen Aufklärung ( Jost Eick­meyer) 645

stePhAn KAmmer: Überlieferung. Das phi lolo-gisch-antiquarische Wissen im frühen 18. Jahrhun-dert (Philipp Müller) 648

steFAnie retZlAFF: Observieren und Aufschrei-ben. Zur Poetologie medizinischer Fallgeschichten (1700–1765) (Alexander Košenina) 651

mArtin disselKAmP, FAusto testA (Hrsg.): Winckelmann-Handbuch. Leben – Werk – Wir kung; Fr iedr ich-Wilhelm Von hAse (Hrsg.): Die Kunst der Griechen mit der Seele su - chend. Winckelmann und seine Zeit (Daniel Ehr­mann) 653

steFAn hAJduK: Poetologie der Stimmung. Ein ästhetisches Phänomen der frühen Goethezeit (Friederike Reents) 656

dirK sAngmeister (Hrsg.): Johann Gottfried Seume: Mein Leben; Otto Werner Förster: Johann Gottfried Seume. Sein Leben, erzählt von einem Freund (Inge Stephan) 658

gAbr iele schneider, r enAte ster nAgel (Hrsg.): Ein Leben auf dem Papier. Fanny Lewald und Adolf Stahr. Der Briefwechsel 1846 bis 1852, Bd. 1: 1846/47, Bd. 2: 1848/49, Bd. 3: 1850–1852 (Ulrike Stamm) 660

christiAn demAndt, PhiliPP theisohn (Hrsg.): Storm-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung (Michae la Nowotnick) 662

PAtricK eiden-oFFe: Die Poesie der Klasse. Ro-mantischer Antikapitalismus und die Erfindung des Proletariats (Erika Thomalla) 664

hildegArd Ker nmAyer, erhArd schütZ (Hrsg.): Die Eleganz des Feuilletons. Literarische Kleinode (Pauline Selbig) 667

Jürgen egyPtien (Hrsg.): Stefan George-Werk-kommentar (Kai Kauffmann) 670

hAns rudolF VAget: „Wehvolles Erbe“. Richard Wagner in Deutschland. Hitler, Knappertsbusch, Mann (Reinhard Mehring) 672

sören FlAchoWsKy, rüdiger hAchtmAnn, FloriAn schmAltZ (Hrsg.): Ressourcenmobilisie-rung. Wissenschaftspolitik und Forschungspraxis im NS-Herrschaftssystem (Ralf Klausnitzer) 674

sVen hAnuscheK (Hrsg.): Erich Kästner: Das Blaue Buch. Geheimes Kriegstagebuch 1941–1945 (Erhard Schütz) 679

holger hoF (Hrsg.): Gottfried Benn: „Absinth schlürft man mit Strohhalm, Lyrik mit Rotstift“. Aus-gewählte Briefe 1904–1956 (Michael Braun) 681

thomAs bAntle, AlexAnder PscherA, detleF schöttKer (Hrsg.): Jünger Debatte 2017, Bd. 1: Ernst Jünger und das Judentum (Cord­Friedrich Berghahn) 683

FriederiKe FrAch, norbert bAAs (Hrsg.): Die Blaue Blume in der DDR. Bezüge zur Romantik zwischen politischer Kontrolle und ästhetischem Eigensinn (Thomas Möbius) 687

christiAn riedel: Peter Kurzecks Erzählkosmos. Idylle – Romantik – Blues (Jörg Döring) 690

corinA cAduFF, ulriKe Vedder (Hrsg.): Gegen-wart schreiben. Zur deutschsprachigen Literatur 2000–2015 (Andreas Erb) 693

Astrid hAcKel: Paradox Blindheit. Inszenierun-gen des Sehverlusts in Literatur, Theater und bil-den der Kunst der Gegenwart (Luisa Drews) 697

thomAs hecKe, mArcus s. Kleiner (Hrsg.): Handbuch Popkultur (Christian Hißnauer) 699

mAtthiAs WinZen (Hrsg.): Gediegener Spott. Bilder aus Krähwinkel (Alexander Košenina) 700

heidi rösch: Deutschunterricht in der Migrations-gesellschaft. Eine Einführung (Beate Lütke) 702

André meinunger, AntJe bAumAnn (Hrsg.): Franz Die Teufelin steckt im Detail. Zur Debatte um Gender und Sprache (Torsten Voß) 704

Informationen

In eigener Sache: Veränderungen im Herausgeberkollegium 707

Scherer-Preis 2018 verliehen 707

Eingegangene Literatur 708

Inhaltsverzeichnis

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raschendes Heft gelungen. Die farbigen Abbil-dungen der Autographen und Dokumente tragen zum Reiz dieses Periodikums ebenso bei wie die philologischen Informationen. Es ist zu hoffen, dass sich die Jünger Debatte als Konstante der Jünger-Forschung etablieren kann.

Anmerkungen

1 Vgl. beispielhaft den von Sven Olaf Berggötz her-ausgegebenen Band: Ernst Jünger: Zur Geiselfrage. Schilderung der Fälle und ihrer Auswirkungen, Stuttgart, Weimar 2011, die zahlreiche bislang unbekannte, in dem zahlreiche bislang unbekannte Dokumente zur Rolle Jüngers im besetzten Paris und zu seinem Engagement gegen die Erschießung von Geiseln abgedruckt sind.

2 Ernst Jünger: Das abenteuerliche Herz. Aufzeich-nungen bei Tag und Nacht (erste Fassung von 1929). In: SW (22 Bde.), Stuttgart 2015, hier Bd. XI, S. 134 (in der gebundenen Ausgabe der SW findet sich die Passage in Bd. IX, S. 134). In der zweiten Fassung des Abenteuerlichen Herzens aus dem Jahr 1934 findet sich die Passage nicht mehr.

3 Ernst Jünger: Politische Publizistik, hrsg. v. Sven Olaf Berggötz, Stuttgart 2001, S. 504.

4 Ebenda, S. 544 f.5 Ebenda, S. 592.6 Vgl. Tobias Wimbauer: Personenregister der Tage-

bücher Ernst Jüngers, 4., aktual. Aufl., Norderstedt, passim.

7 Vgl. etwa Tobias Wimbauers Lektüre der oft in-kriminierten ‚Burgunderszene‘ der Strahlungen als symbolischer Inszenierung dieser Liebe (Kelche sind Körper. Der Hintergrund der „Erdbeeren-in-Burgunder-Szene“). In: T. W. (Hrsg.): Anarch im Widerspruch. Neue Beiträge zum Werk und Leben der Gebrüder Jünger (Das Luminar 3), Schnellroda 2004, S. 23–69.

8 Ernst Jünger: SW (wie Anm. 2), Bd. II, S. 347 (die Angabe stimmt für die gebundene wie für die Taschenbuchausgabe).

9 Martin Heidegger: GA, Frankfurt a. M., Abt. IV: Hinweise und Aufzeichnungen, GA 94: Überle-gungen II–VI (Schwarze Hefte 1931–1938), hrsg. v. Peter Trawny (2014); GA 95: Überlegungen VII–XI (Schwarze Hefte 1938/39), hrsg. v. Peter Trawny (2014); GA 96: Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939–1941), hrsg. v. Peter Trawny (2014); GA 97: Anmerkungen I–V (Schwarze Hefte 1942–1948), hrsg. v. Peter Trawny (2015).

10 Die Reaktion auf die Publikation der ‚Schwarzen Hefte‘ war entsprechend heftig und hat eine bis heute nicht zum Stillstand gekommene Debatte entfacht, vgl. exemplarisch: Peter Trawny: Hei-degger und der Mythos der jüdischen Weltver-schwörung, 3., überarb. u. erw. Aufl., Frankfurt a. M. 2015; ders.: Martin Heidegger. Eine kritische Einführung, Frankfurt a. M. 2016; Donatella Di Cesare: Heidegger, die Juden, die Shoah, Frankfurt a. M. 2016; Hans-Helmuth Gander, Magnus Striet (Hrsg.): Heideggers Weg in die Moderne. Eine Verortung der „Schwarzen Hefte“, Frankfurt a. M. 2017.

11 In: SW (wie Anm. 2), Bd. II, S. 470 (die Angabe gilt für die gebundene wie für die TBA der SW).

12 Vgl. Christophe Fricker (Hrsg.): Ernst Jünger / André Müller: Gespräche über Schmerz, Tod und Ver zweiflung, Köln u. a. 2015.

13 Die vollständige Publikation ist für den Winter 2018 angekündigt.

Cord­Friedrich BerghahnTechnische Universität Braunschweig Institut für Germanistik Bienroder Weg 80 D–38106 Braunschweig<[email protected]>

FriederiKe FrAch, norbert bAAs (Hrsg.)Die Blaue Blume in der DDR. Bezüge zur Romantik zwischen politischer Kontrolle und ästhe­tischem Eigensinn, Quintus­Verlag, Berlin 2017, 224 S.

Peter Hacks teilte die DDR-Literatur in zwei Fraktionen: in die Klassiker – die Hacks-Morg-ner-Fraktion – und in die Romantiker – die Müller-Wolf-Fraktion. Hacks’ Polemik gegen die Romantik wird in dem von FriederiKe FrAch und norbert bAAs herausgegebenen Band zur

Rezeption der Romantik in der DDR immer wie-der als Ausdruck des kontroversen Verhältnisses zur Romantik zitiert. Der Band geht zurück auf ein Symposium 2015, veranstaltet vom Künstler-haus Schloss Wiepersdorf und dem Freundeskreis Schloss Wiepersdorf – Bettina und Achim von

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Arnim-Museum. Die Beiträge betrachten zum einen den „Perzeptionswandel der Romantik in der Literatur der DDR“ (S. 12) und fragen nach den Ursachen für deren „Renaissance“ unter DDR-Schriftstellern und -Künstlern ab Mitte der 1970er Jahre. Zum anderen widmen sie sich Schloss Wiepersdorf als Künstler- und Erinnerungsort, der Bezüge zur Romantik eröffnete: Ehemals Wohnsitz Bettina und Achim von Arnims, diente es bis 1989 als „Arbeits- und Erholungsstätte für Schriftsteller und Künstler“ und wurde auch nach 1990 – mit Unterbrechungen und wechselnden Trägern – als Künstlerhaus fortgeführt.

Der Band ist in drei thematische Kapitel ge -glie dert: erstens zu „Schloss Wiepersdorf als Ort mit Traditionen und Wirkungen“ und zum „lite-rarisch-politischen Erbe von Bettina von Arnim“; zweitens zur Romantik-Rezeption in der DDR- Literatur, und drittens werden Erinnerun gen von Schriftstellern an Wiepersdorf abgedruckt. Ergänzt wird der Band um Gedichte von Klaus Körner, Thomas Rosenlöcher und Peter Hacks, die sich auf Wiepersdorf beziehen.

FriederiKe FrAch beschreibt, wie in der DDR Schloss Wiepersdorf aufgrund seiner Geschichte für Schriftsteller und Künstler, die hier zu Gast waren, zum „Gesprächs-“ bzw. „Projektionsraum Romantik“ wurde und wie sich die „Schichten der Erinnerung“ auch architektonisch in mehrfachen Umbauten des Schlosses niederschlagen. Frach greift den Titel von Christa und Gerhard Wolfs Band Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Ge­sprächsraum Romantik von 1985 auf.1 Besondere Bezugs- und auch Identifikationsfigur war nahe-liegender Weise Bettina von Arnim.

WolFgAng bunZel zeichnet anhand der Aus gaben ihrer Schriften die Rezeption Bettina von Arnims in der frühen DDR nach. Er geht ausführlich auf die Editionspraxis und auf die Auseinandersetzungen ein, die aus dem Umstand resultierten, dass sich ein Teil des Nachlasses in der DDR befand – in der Akademie der Künste der DDR, die ihn 1953 an die Nationalen For-schungs- und Gedenkstätten in Weimar gab – und der andere Teil im Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am Main, das 1929 Teile des Nachlasses bei dessen Versteigerung durch die von Arnims er worben hatte. Schon sehr früh wurde eine zweigeteilte Rezeption konstatiert: Standen in der DDR die sozialkritischen und politischen Schrif-

ten im Zentrum, so erschien in der BRD Bettina von Arnim eher als „romantisches Kind“ (S. 65). „Vorstöße“ zu einer gemeinsamen Erschließung der Bestände „scheint es zu keinem Zeitpunkt gege-ben zu haben“ (S. 69), wohl, so legen es Bunzels Ausführungen nahe, nicht zuletzt aufgrund der divergenten Forschungsperspektiven.

Die Beiträge zu Schloss Wiepersdorf als Künst-lerheim werden ergänzt durch Auskünfte von Schriftstellern über ihre persönlichen Beziehungen zu Wiepersdorf und zur Romantik: Christa Koz. ik, Martin Jankowski sowie im Gespräch miteinan-der Annett Gröschner und Thomas Rosenlöcher. christA KożiK, die hier u. a. Anfang der 1980er Jahre das Drehbuch für den Hölderlin-Film Hälfte des Lebens schrieb, schildert Schloss Wiepersdorf als „Zauberberg für Kreative“ (S. 174), als „geliebte und produktive Schreibheimat“ (S. 178). Schön die Anekdote, dass ihr beim Stöbern in der Schloss-bibliothek die Idee zu dem Kinderfilm Gritta von Rattenzuhausbeiuns nach dem Märchenroman von Gisela und Bettina von Arnim kam.

Deutlich distanzierter ist dagegen der Blick von thomAs rosenlöcher: Wiepersdorf sei für „schon etablierte Schriftsteller gewesen“ (S. 181), ein Aufenthalt dort war ein Privileg. Ähnlich mArtin JAnKoWsKi, der allerdings vor 1989 nicht in Wiepersdorf war, sondern erst in den 2000er Jahren. Für ihn und seine Freunde des „li-terarischen Untergrunds“ sei Wiepersdorf nur ein „Gegenstand von Spott gewesen“: sozialistisches Biedermeier für „SED-Staatsdichter“ (S. 167 ff.). Der interessanteste Teil der Auskünfte sind die von Annett gröschner, die 2008 das erste Mal in Wiepersdorf war. Sie erläutert, dass sie für ihr Schreiben von der Romantik das Fragment übernommen habe: „Für mich ist das ziemlich bald die Form gewesen, die ich für das Leben, das mich umgab und umgibt, als die geeignete ansehe. Auch in der Aufarbeitung dessen, was in der DDR passiert ist.“ (S. 186) Ein Beispiel dafür ist Gröschners – auszugsweise abgedruckt – „Ge-schichte der Köchinnen und Reinigungskräfte“ von Schloss Wiepersdorf „als eine Geschichte ganz vieler verschiedener Stimmen in Fragmenten“ (S. 184).

Die Beiträge des zweiten Kapitels betrachten die Romantik-Rezeption in der DDR-Literatur und -Literaturwissenschaft aus literaturwissen-schaftlicher Sicht.

Besprechungen

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ilse nAgelschmidt geht am Beispiel von Christa und Gerhard Wolf, Johannes Bobrowski und Franz Fühmann dem Dialog mit der und über die Romantik in der DDR-Literatur nach. Sie sieht diesen als Fortführung der romantischen Vision eines „in der Kunst und Poetik geführten Dialogs“, der zum „Gegendiskurs zu den offiziel-len Mustern“ (S. 79) wurde. Nagelschmidt hebt hervor, dass es insbesondere die in der Romantik thematisierten Erfahrungen von Umbruch und Krise sowie der „Gespaltenheit der Menschen und der Gesellschaft“ (C. Wolf) waren, die die Autoren aufgriffen und auf die DDR-Gegenwart übertru-gen. therese hörnigK zeichnet ebenfalls Christa Wolfs Beschäftigung mit der Romantik nach und macht für sie den „Rückgriff“ auf diese als „Reflexionsraum und Problematisierungsmedium für die Artikulation erfahrener Desillusionierung“ (S. 103) stark.

Mit der im Auftrag des Kulturbundes der DDR zum 150. Todestag Goethes entstandenen Mappe Prometheus 1982 nimmt rAlF KlAusnitZer exem-plarisch den Gegenpol zur Romantik-Rezeption in den Blick: die Berufung auf die Weimarer Klassik als Erbe. Die Mappe vereint Graphiken, Texte und Kompositionen, die sich mit dem Prometheus-Mythos auseinandersetzen, u. a. von Adolf Endler, Rainer Kirsch und Heiner Müller (Texte) sowie Wolfgang Mattheuer, Nuria Quevedo und Werner Tübke (Graphiken). Klausnitzer rekonstruiert die Entstehung der Mappe im Spannungsfeld zwischen offiziellem Erbe-Umgang und den Aneignungen seitens der Literatur und Kunst. „Besondere Brisanz“ gewann das Prometheus-Thema, so Klausnitzer, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der widerspruchsreichen Bearbeitungen des My-thos in der DDR-Literatur seit Beginn der 1960er Jahre (vgl. S. 154). In einer Analyse ausgewählter Graphiken zeigt er, dass die beteiligten Künstler letztlich vielfach auf romantische Motive und Formen zurückgriffen, etwa in den „Strategien der Enigmatisierung“ und der Überfrachtung mit Zeichen und Symbolen, die auf Erfahrungen des Scheiterns und die Ohnmacht des Künstlers verweisen.

mAriA brosig untersucht äußerst informativ die Romantik-Rezeption in der DDR in literatur-wissenschaftlichen Überblicksdarstellungen und fragt „nach dominanten Tendenzen in der Dar-stellung […] sowie nach relevanten Differenzen“

(S. 90). Über „Datierungen und Zäsuren als auch über Schlüsselereignisse, -figuren und Initiato-ren“ (S. 93) bestehe weitgehend Einverständnis. Deutliche Differenzen zeigten sich jedoch in der „Frage nach den Gründen zur Aufwertung der Romantik“ (S. 94) in den 1970er Jahren und in der Erklärung und der Einordnung der DDR-Romantik-Rezeption.

Die Romantik-Rezeption der Literaturwissen-schaft thematisiert auch FrAnK hörnigKs Beitrag, der insbesondere die Ausgangskonstellationen re-flektiert: die mit Beginn der 1970er Jahre manifest werdende Kritik am von Georg Lukács begrün-deten Erbekonzept und dessen Verurteilung der Romantik als reaktionär, die Krise des Fortschritts-bewusstseins und die Kleist-Konferenz 1977 in Frankfurt (Oder), die einen Paradigmenwechsel in der Betrachtung der Romantik einleitete – u. a. mit der für Furore sorgenden Rede Franz Fühmanns zu E.T.A. Hoffmann – sowie die sich mit Bezug auf die Romantik formierende Gegenöffentlichkeit.

Der umfangreichste, anregendste und auch streitbarste Beitrag ist der von Friedrich diecK-mAnn, seine These: „Der vielfach bekundeten Zu-rückweisung der Romantik, die unter den Verdacht des Irrationalen und Antirevolutionären gestellt war, stand als Kehrseite der Medaille eine innere Bezogenheit gegenüber, die ganz unreflektiert blieb und bleiben mußte; sie ins Auge fassend, könnte man geradezu darauf kommen, daß die DDR der romantische deutsche Staat schlechthin war.“ (S. 117) Dieckmann zeigt, dass nicht nur die Au-toren der Romantik in der DDR durchgängig mit Editionen und im literaturgeschichtlichen Kanon „prägnant zur Stelle waren“ (S. 126), sondern die Romantik sowohl auf einer intellektuellen, geistes-geschichtlichen wie auch auf einer politischen Ebene prägend wirkte.

Dem Kapitel zur Romantik-Rezeption sind in haltlich auch der Beitrag von norbert bAAs zu zurechnen, der einen bis in die DDR reichenden Überblick zur „Wechselwirkung von Romantik und Politik“ (S. 195) gibt, sowie moniKA mel-cherts Aufsatz über romantische Motive im Werk von Anna Seghers.

Auch wenn nicht alle Aufsätze des Sammelban-des neue Einsichten über die Romantik-Rezeption in der DDR anbieten, werden doch die Konstel-lationen der Romantik-Renaissance in der DDR deutlich: die Ausgangspunkte mit der Abstoßung

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vom Lukács’schen Erbekonzept und den Krisener-fahrungen der 1970er Jahre, ebenso wie die Rah-menbedingungen und die sehr unterschied lichen Motivationen. Der Band legt den besonderen Fokus auf die politische Dimension: auf die Aus-prägung des „Gesprächsraums Romantik“ als Ge-gendiskurs und auch -öffentlichkeit zum offiziellen Erbediskurs, auf die Reflexion der Erfahrungen des Scheiterns gesellschaftlicher Hoffnungen, von Desillusionierungen und Ohnmacht. Nicht zuletzt wird der Suche nach neuen Individualitätskonzep-ten besonderer Raum gegeben. Und einmal mehr wird dabei deutlich, dass die Wiederentdeckung der Romantik in der DDR von der Literatur und Kunst ausging.

Im Mittelpunkt der behandelten Autoren stehen die zentralen Akteure: Christa und Gerhard Wolf, Franz Fühmann, Anna Seghers, also die von Hacks spöttisch benannte Romantiker-Fraktion. Es wäre

jedoch lohnend, wie Maria Brosig anmerkt, die Romantik-Rezeption in der DDR-Literatur auch jenseits dieser „literaturhistorischen Spitzenreiter“ (S. 101) zu untersuchen, über die direkten The-matisierungen und Bezugnahmen hinaus. Erst so ließe sie sich in ihrer Breite und Differenziertheit erfassen. Hacks’ Fraktionen sind eher als Teil der Feldkämpfe, denn als Beschreibung zu begreifen.

Anmerkung

1 In der überarbeiteten Neuauflage 2008 ist der Titel geändert zu: Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Projektionsraum Romantik.

Thomas MöbiusGleimstraße 36 D–10437 Berlin<[email protected]>

christiAn riedel

Peter Kurzecks Erzählkosmos. Idylle – Romantik – Blues, Aisthesis Verlag, Bielefeld 2017, 339 S.

Es ist sehr begrüßenswert, dass nun endlich eine erste große Studie zum Gesamtwerk von Peter Kurzeck (Jg. 1943) vorliegt. Die bisherigen galten einzelnen seiner Romane im Werkvergleich mit anderen Gegenwartsautoren1 und/oder waren von Theoriemühlsteinen dogmatisch derart beschwert, dass man ihren werkanalytischen Nutzen mit der Lupe suchen musste.2 Dabei gibt es allen Grund, dem 2013 überraschend verstorbenen Autor im Kontext der Gegenwartsliteraturforschung höchste Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, und das aus mindestens zwei Gründen:

Zum einen wegen seines seriell-autofiktionalen Romanwerks Das alte Jahrhundert, von dem zu Lebzeiten fünf Bände erschienen waren, das seither aus dem Nachlass sukzessive vervollständigt wird3 und das teils als Vorbild für andere autofiktionale Roman-Großprojekte in der internationalen Gegenwartsliteratur, teils in struktureller Ver-wandtschaft zu diesen gesehen werden muss (u. a. Andreas Maier, Gerhard Henschel, Karl Ove Knausgård, Elena Ferrante).4 Zum anderen, weil Kurzeck der einzige Autor der deutschsprachigen Literatur um 2000 ist, der seine Wirksamkeit gleichermaßen einem schriftlich verfassten (und im

traditionellen Druckmedium Buch zirkulierten) wie einem mündlich erzählten (im Tonträgerme-dium überlieferten) Werk verdankt.

Das Hörbuch Ein Sommer, der bleibt (2007), in dem Kurzeck seine Nachkriegskindheit als su-detendeutsches Flüchtlingskind im oberhessischen Dorf Staufenberg bei Gießen nacherzählt, ist bis heute Stapelware in den großen Buchhandelsket-ten. Wobei man es als Hörbuch im Wortsinne gar nicht bezeichnen darf, denn es besteht nicht aus der Lesung eines zuvor schriftlich verfassten Werkes, sondern ist spontan-freimündlich erzählt (wobei die vielgerühmte Eloquenz und Virtuosi-tät des Erzählers sich nicht zum wenigsten eines kunstvoll-editorischen Nachbearbeitung durch Schnitt und Regie verdankt5). Insgesamt sind von Kurzeck mehr als 11 Stunden freimündlich Erzähltes akustisch ediert – absolut singulär in der deutschsprachigen Literatur. Und die Hörer können selbst entscheiden, ob sie das Erzählte eher als akustische Literatur oder aber als oral history im Niethammer-Sound des alten BRD-Jahrhunderts verstehen möchten.

Zu diesem in jeder Hinsicht merkwürdigen Werk hat jetzt der 2015 damit in Flensburg promo-

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Besprechungen