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Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters Herausgegeben von S. Brather, U. Müller und H. Steuer Jahrgang 34 - 2006 DR. RUDOLF HABELT GMBH· BONN

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Zeitschrift für Archäologiedes Mittelalters

Herausgegeben vonS. Brather, U. Müller und H. Steuer

Jahrgang 34 - 2006

DR. RUDOLF HABELT GMBH· BONN

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ZAM Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, Jahrgang 34, 2006, Seite 85-100Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn

GEWERBEPOLITIK IN DEN HANSISCHEN STÄDTEN LÜBECK, HAMBURG UND KÖLN

IM SPÄTEN MITTELALTER

Ein Vergleich

K nut Sc h u l z , Berlin

von

1. Einleitung2. Ehe li chke i tun d Eh rlich k e i t3. Vermögensnachweis4. Bürgerrecht, Amts- oder Zunftrecht

und Aufnahmebeschränkungen4.1. Erwerb des Bürgerrechts4.2. Erwerb des Amts- oder Zun/trechts

5. Norm und Praxis6. Demographie7. Fazit8. Quellenanhang: Lübecker Ratsent-

scheidungen zum Gewerberecht1460-1500

1. Einleitung

Dieser Beitragwird versuchen, auf der Grundla-ge der Statuten der Zünfte bzw. Ämter (Gewerbe)sowiedamit korrespondierender Quellen denWandelder Gewerbepolitik von etwa der Mitte des 14.bis zurMitte des 16.Jahrhunderts im überblick zu erfassen.

Zu der Begrifflichkeit sei einleitend darauf hin-gewiesen, dass das, was man gemeinhin als "Zünfte"bezeichnet, in Hamburg und Lübeck "Ämter" undin Köln "Bruderschaften", "Gaffeln" und "Haupt-ämter" hieß. Letztere waren in "Ämter" unterglie-dert. Der Quellenbegriff "Ämter" wird also im er-sten Fall auf die ganze Gewerbegruppe im Sinne ei-ner Zunft angewandt, während er in Köln nur einEinzelgewerbe innerhalb der jeweils größeren Gaf-fel bzw. Zunft meint. Der Begriff des Gewerbes istunspezifisch und neutral und daher besonders geeig-net für die Erläuterung allgemeiner wirtschaftspoli-tischer Aspekte.

Die Untersuchung konzentriert sich auf diebeiden großen und zentralen Hansestädte Ham-

burg' und Lübeck' und wird Köln im Vergleich be-rücksichrigen', Maßgeblich für die Auswahl sind ei-nerseits die für diese wichtigen Hansestädte vorlie-genden Editionen der Zunft- und Amtsbriefe undvor allem andererseits die unterschiedlichen politi-schen Voraussetzungen gewesen. Während in Kölnseit dem Umsturz von 1396/97 mit der Verabschie-dung des sog.Verbundbriefes die Beteiligung aller inGaffeln (Zünften) und Ämtern organisierten Ge-werbegruppen an Rat und Stadtregiment geregeltwurde" bestand in den zentralen Hansestädten

O. Rüdiger (Hrsg.), Die ältesten Hamburger Zunftrollenund Bruderschaftsstatuten (Hamburg 1874, Nachdruck Glas-hütten 1976); ders. (Hrsg.), Ältere hamburgische und hanse-städtische Handwerksgesellendokumente. Zeitschrift des Ver-eins für Hamburgische Geschichte 6,1875,526-592.2 C. Wehrmann (Hrsg.), Die älteren lübeckischen Zunft-rollen (Lübeck 18742).

3 W. Stein (Hrsg.), Akten zur Geschichte der Verfassung undVerwaltung der Stadt Köln im 14. und 15.Jahrhundert, 2 Bde.Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde10 (Bonn 1893-1895);H.von Loesch (Hrsg.), Die Kölner Zunft-urkunden nebst anderen Kölner Gewerbeurkunden bis zum Jahr1500,2 Bde. Ebd. 22 (Bonn 1907,Nachdruck Düsseldorf 1984).4 F. Lau, Entwicklung der kommunalen Verfassung und Ver-waltung der Stadt Köln bis zum Jahre 1396 (Bonn 1898,Nach-druck Amsterdam 1969);F. Irsigler, Die wirtschaftliche Stellungder Stadt Köln im 14.und 15.Jahrhundert. Strukturanalyse einerspätmittelalterlichen Exportgewerbe- und Fernhandelsstadt.Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beih.65 (Wiesbaden 1979);ders., Kölner Wirtschaft im Spätmittelalter.In: H. Kellenbenz (Hrsg.), Zweijahrtausende Kölner Wirtschaft,Bd.l (Köln 1975)217-319; K. Schulz (unter Mitarb. vonRobert Giel), Die politische Zunft. Eine die spätmittelalterlicheStadt prägende Institution? In: W. Ehbrecht (Hrsg.), Verwaltungund Politik in Städten Mitteleuropas. Beiträge zu Verfassungs-norm und Verfassungswirklichkeit in altständischer Zeit. Städte-forschung A34 (Köln, Weimar, Wien 1994) 1-20; W. Herborn,Kölner Verfassungswirklichkeit im Ancien Regime (1396-1795/96). In: Ebd. 85-113; K. Militzer, "Gaffeln, Ämter, Zünfte".Handwerker und Handel vor 600Jahren. Jahrbuch des Kölni-schen Geschichtsvereins 67, 1996,41-59; R. Giel, Politische Öf-fentlichkeit im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Köln (1450-1550).Berliner Historische Studien 29 (Berlin 1998).

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Hamburg' und Lübeck" - von zwei Unterbrechun-gen abgesehen/ - eine kaufmännisch-oligarchischeRatsherrschaft ohne direkte Einflussnahme oder Be-teiligung der Zünfte und Gewerbe an den Entschei-

R. Rosenbohm, Der Hamburger "Liber officiorummechanicorum". Studien zur Hamburger Zunftverfassung ins-besondere zu Ausgang des 14. Jahrhunderts (Phi!. Diss. Univ.Hamburg 1952); W. JochmannlH.-D. Loose (Hrsg.), Ham-burg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. 1 Von den An-fängen bis zur Reichsgründung (Hamburg 1982); H. Reincke,Hamburg. Ein Abriss der Stadtgeschichte von den Anfängenbis zur Gegenwart (Bremen 1926); ders., Hamburg am Vor-abend der Reformation (Hamburg 1966); ders., Forschungenund Skizzen zur Hamburgischen Geschichte (Hamburg 1951);B. Fiedler, Die gewerblichen Eigenbetriebe der Stadt Hamburgim Spätmittelalter (Phi!. Diss. Univ. Hamburg 1974); H.-P.Baum, Hochkonjunktur und Wirtschaftskrise im spät-mittelalterlichen Hamburg. Hamburger Rentengeschäfte 1371-1401. Beiträge zur Geschichte Hamburgs 11 (Hamburg 1976);H. Stoob, Rat und Bürgerschaft in Hamburg am Ausgang desMittelalters. In: W. Ehbrecht (Hrsg.), Städtische Führungs-gruppen und Gemeinde in der werdenden Neuzeit. Städte-forschung A9 (Köln, Wien 1980) 357-368.• A. Graßmann (Hrsg.), Lübeckische Geschichte (Lübeck198<J2); R. Hammel, Räumliche Entwicklung und Berufs-topographie Lübecks bis zum Ende des 14.Jahrhunderts. In:Ebd. 63-76; E. Hoffmann, Lübeck im Hoch- und Spätmittelal-ter: Die große Zeit Lübecks. In: Ebd. 313-321; 348-350; W.-D.Hauschild, Frühe Neuzeit und Reformation: Das Ende derGroßmachtstellung und die Neuorientierung der Stadtgemein-schaft. In: Ebd. 387f.; A. Graßmann, Lübeck im 17. Jahrhundert:Wahrung des Erreichten. In: Ebd. 471-474; C. Wehrrnann, Dieobrigkeitliche Stellung des Raths in Lübeck. Hansische Ge-schichtsblätter 5, 1884, 52-73; J. Höhler, Die Anfänge des Hand-werks in Lübeck. Archiv für Kulturgeschichte 1, 1903,129-194;J. Wamcke, Handwerk und Zünfte in Lübeck (Lübeck 1912);ders., Die Zinngießer zu Lübeck. Veröffentlichungen zur Ge-schichte der Freien und Hansestadt Lübeck 6 (Lübeck 1922); G.Fink, Die Wette und die Entwicklung der Polizei in Lübeck.Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alter-tumskunde 27, 1934,209-237; R. Hammel-Kiesow, Vermögens-verhältnisse und Absatzmöglichkeiten der Bäcker in hansischenSeestädten am Beispiel Lübecks. Ein Beitrag zur hansischenGewerbegeschichte des späten 14. Jahrhunderts. HansischeGeschichtsblätter 99, 1981, 3~0; K.A. Vogel, Herrschaft undAutonomie. Die Beziehungen zwischen Rat und Handwerks-ämtern im spätmittelalterlichen Lübeck. Zeitschrift des Vereinsfür Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 66,1986,57-89; T. Jaschkowitz, Das Lübecker Schuhmacheramt vom 14. biszum 16.Jahrhundert. Zeitschrift des Vereins für LübeckischeGeschichte und Altertumskunde 79,1999,164-195.7 C. Wehrmann, Der Aufstand in Lübeck bis zur Rückkehrdes Alten Rats 1408-1416. Hansische Geschichtsblätter 3,1878,103-156; A. von Brandt, Die Lübecker Knochenhauerauf-stände von 1380/84 und ihre Voraussetzungen. Studien zurSozialgeschichte Lübecks in der zweiten Hälfte des 14.Jahr-hunderts. In: K. FriedlandIR. Sprandel (Hrsg.), Lübeck, Han-se, Nordeuropa. Gedächtnisschrift für Ahasver von Brandt(Köln, Wien 1979) 129-208; R. Barth, Argumentation undSelbstverständnis der Bürgeropposition in städtischen Ausein-andersetzungen des Spätmittelalters (Köln, Wien 1974) 25-120;R.A. Rotz, The Lubeck Uprising of 1408 and the Decline of theHanseatic League. Proceedings oft the American PhilosophicalSociety 121 (Philadelphia 1977).

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dungen", Unterschiede-eventuell auch Gemeinsam-keiten oder Ähnlichkeiten -, die sich bei der verglei-chenden Betrachtung der Entwicklung herausstellen,dürften die Gewerbepolitik dieser Städte deutlicherhervortreten und an Aussagekraft gewinnen lassen",Es wird also eher um Krisen und Schrumpfungsvor-gänge als um expansive Entwicklungen gehen, an dieman bei Stichworten wie ,.Innovation" oder" T ech-nologietransfer" stärker denken mag. Schließlichsind wir angesichts der aktuellen politischen Debat-te um die Hartz-IV-Gesetze heutzutage relativ gutgeschult, um das Verhältnis von Regierung(en) zuden Gewerbetreibenden! Arbeitnehmern, von Ar-beitslosigkeit zu Fremdenpolitik oder von Konjunk-turkrise und Besitzstandswahrung sowie die Abhän-gigkeit gewerblicher Entfaltung von Start- und Ne-benkosten besser zu verstehen.

• A. von Brandt, Die gesellschaftliche Struktur des spät-mittelalterlichen Lübeck (1966). In: FriedlandlSprandel, Lübeck,Hanse, ~ord~opa (Anm: 7) 209-232; W. Ehbrecht, Bürgertumund Obrigkeit m den hansischen Städten des Spätmittelalters. In:W. Rausch (Hrsg.), Die Stadt am Ausgang des Mittelalters. Bei-träge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 3 (Linz 1974) 275-294; K. Fritte, Bürgervertretungen in wendischen Hansestädtenvom 14. bis zum 16.Jahrhundert. In: Ehbrecht, Verwaltung undPolitik (Anm. 4) 147-158; R. Hammel-Kiesow, Die Hanse(München 2000); E. Pitz, Bürgereinung und Städteeinung. Studi-en zur Verfassungsgeschichte der Hansestädte und der deutschenHanse. Quellen und Darstellungen zur hansischen GeschichteN.F.52 (Köln, Weimar, Wien2oo1).9 W. Stieda, Hansische Vereinbarungen über städtische Ge-werbe im 14. und 15.Jahrhundert. Hansische Geschichtsblätter15, 1886, 101-155; F. Techen, Etwas von der mittelalterlichenGewerbeordnung insbesondere der wendischen Städte. Hansi-sche Geschi~htsblätter 25, 1897, 21-104; F. Frensdorff, DasZunftrecht msbesondere Norddeutschlands und die Hand-werksehre. Hansische Geschichtsblätter 34,1907, 1-89; E. Pitz,Die WIrtSChaftskrise des Spätmittelalters. Vieneljahresschrift fürSozial- und WIrtSChaftsgeschichte 52, 1%5,347-357; ders., Wirt-schaftliche und soziale Probleme der gewerblichen Entwicklungim 15. und 16.Jahrhundert nach den hansisch-niederdeutschenQuellen. Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1791966, 200-227 [erneut in: C. Haase (Hrsg.), Die Stadt des Mittel~alters, Bd.3. Wege der Forschung 245 (Darmstadt 1976) 137-176]; R. Sprandel, Die Handwerker in den nordwestdeutschenStädten des Sparmittelalters. Hansische Geschichtsblätter 861%8, 37~2; W. von Stromer, Der innovatorische Rückstand de:hansischen WIrtSChaft. In: K. Schulz (Hrsg.), Beiträge zurW irtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters. Festschrift fürHerben Helbig zum 65. Geburtstag (Köln, Wien 1976) 204-217'L. Remling, Formen und Ausmaß gewerblicher Autonomic ~nordwestdeutschen Städten (14.-16.Jahrhundert). In: B. Kirch-gässnerlE. Naujoks (Hrsg.), Stadt und wirtschaftliche Selbstver-waltung. Stadt in der Geschichte 12 (Sigmaringen 1987) 60-76;G. Schmidt, .Frühkapitalismus· und Zunftwesen. Monopol-bestrebungen und Selbstverwaltung in der frühneuzeitlichenWIrtSChaft. In: Ebd. S. 77-114; F. Irsigler, Desiderata der hansi-schen Gewerbe- und Produktionsgeschichte. In: R. Hammel-Kiesow (Hrsg.), Vergleichende Ansätze der hansischen Ge-schichtsforschung. Hansische Studien 13 (Trier 2002) 209-219.

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Insgesamt handelt es sich also um ein »ehrgeizi-ges" Unterfangen, das jeder Kenner der Materie undder Materialien mit Recht als kaum einlösbar ein-schätzen wird, jedenfalls nicht im Rahmen einesTagungsbeitrags. Einschränkungen und kurze Er-läuterungen zu der An des Vorgehens sind deshalbvonnöten.

Der Beitrag wird sich darauf beschränken, aufder Grundlage und im Vergleich der unterschiedli-chen gewerbepolitischen Voraussetzungen einige re-lativ exakt messbare und zugleich relevante Weneoder Kriterien gewerbepolitischer An statistisch zuerheben und somit Entwicklungsprozesse oder Ein-schnitte zu erfassen.Tabellen mit bloßen Daten wer-den dabei vergleichsweise umfangreiche Erörterun-gen ersetzen und Anmerkungen teilweise verzicht-bar machen. Auf diesem Wege wird es hoffentlichmöglich sein, einige allgemeine Probleme knapp zuskizzieren.

Dabei kann nur am Rande die viel diskutierteFrage nach Nahrungsprinzip oder Gewinnstreben,also die sog. Sembart-Kelter-Kontroverse, in dieAnalyse einbezogen werden" .Vielmehr wird es um

10 G. Schönberg, Zur wirtschaftlichen Bedeutung des deut-schen Zunftwesens im Mittelalter, Jahrbücher für Nationalöko-nomie und Statistik 9, 1865, 1-72,97-196; W. Sornbart, Die ge-werbliche Arbeit und ihre Organisation. Archiv für soziale Ge-setzgebung und Statistik 14, 1899, 1-52,310-405; ders., Der mo-deme Kapitalismus (Leipzig 1902); ders., Der moderne Kapita-lismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäi-schen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart(München, Leipzig 1916/19272, Nachdruck München 1987);ders., Der Bourgeois. Zur Geistesgeschichte des modernen Wirt-schaftsmenschen (München, Leipzig 1913); E. Kelter, Die Wirt-schaftsgesinnung des mittelalterlichen Zünftlers. SchmollersJahrbuch für Gesetzgebung und Verwaltung 56:2, 1932,749-755;ders., Geschichte der obrigkeitlichen Preisregelung. 1 Die obrig-keitliche Preisregelung in der mittelalterlichen Stadtwirtschaft.Banner Staatswissenschaftliche Untersuchungen 1 (Jena 1935);G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Zünfte und ihre Bedeu-tung bei der Entstehung des Zunftwesens. Eine Studie in spät-antiker und minelalterlicher Wirtschaftsgeschichte (Helsingfors,Leipzig 1936); K.F. Wernet, Wettbewerbs- und Absatzverhält-nisse des Handwerks in historischer Sicht (Berlin 1967); R.Ennen, Zünfte und Wettbewerb. Möglichkeiten und Grenzenzünftiger Wettbewerbsbeschränkungen im städtischen Handelund Gewerbe des Spätmittelalters (Köln,Wien 1971); H. Hof,Wettbewerb und Zunftrecht. Zur Verhaltensgeschichte derWettbewerbsregelung durch Zunft und Stadt, Reich und Lan-desherr bis zu den Stein-Hardenbergsehen Reformen (Köln1983); R. Holbach, Formen des Verlags im Hanseraum vom 13.bis zum 16.Jahrhunderr. Hansische Geschichtsblätter 103, 1985,41-73; ders., Frühformen von Verlag und Großbetrieb in der ge-werblichen Produktion (13.-16.Jahrhundert) (Stuttgarr 1994)102ff.; 367ff.; 424ff.; 506ff.; R. Brandt!fh. Buchner (Hrsg.), Nah-rung, Markt oder Gemeinnutz. Werner Sombart und das vor-industrielle Handwerk (Bielefeld 2004) [mit ausführlichemLiteraturverzeichnis ].

die Chronologie der Entwicklung gehen, denn wasin dieser Forschungsdiskussion über die Gewerbe-politik und zünftige Winschaftspolitik im Spätmit-telalter fehlt, ist eine klareVorstellung von zeitlichenAbläufen und Zusammenhängen. Oft ist nicht ein-mal erkennbar, welches Jahrhunden überhaupt ge-meint ist, von räumlichen Unterschieden ganz zuschweigen, was selbstverständlich nicht für Spezial-studien und Regionaltagungen gilt". Ebenso wichtigerscheint es,von den illustrativen Einzelbeispielen alsBelegen für die eine oder andere Tendenz wegzu-kommen und statt dessen zu einer statistischen Aus-wenung zu gelangen, die auch die Negativdatenerfasst, also verzeichnet, für welche Gewerbe oderZünfte keine Anhaltspunkte entsprechender Art unddamit in aller Regel auch die Sache selbst nicht vor-handen gewesen sind. Die Fragen nach den Motivenund Zielsetzungen der Politik, nach Bevölkerungs-entwicklung, Winschaftskrisen und Sicherung dessozialen Friedens werden zwar wiederholt angespro-chen werden, aber nur bedingt thematisiert werdenkönnen.

Die Daten, die aus der Auswenung der Ham-burger und Lübecker und vergleichend auch derKölner Zunfturkunden vorzustellen sind, lassen sichin vier Gruppen untergliedern:1. über die persönlichen Voraussetzungen, unter

den Stichworten »echt" und »recht", "deutsch"und "frei", unterschieden je nachdem, ob dies aufder Ebene des Bürgerrechtserwerbs und derZunftaufnahme zur Bedingung gemacht oder be-reits für die Lehrlingsannahme gefordert wurde;

2. über die finanziellen Anforderungen einerseitsbei der Aufnahme in das Bürgerrecht, ein-schließlich des Verfügens über einen Harnischsowie, und zwar besonders für die Eneilung desGewerbe- und Zunftrechts, der Ausrichtung ei-nes Zunftschmauses und andererseits betreffsdes Vermögensnachweises;

3. über die nur am Rand zu behandelnden Bestim-mungen zur beruflichen Qualifikation, die hin-haltende und ausschließende Absichten verfolg-ten, etwa über die Ausbildungsdauer, dieWanderpflicht oder dieMuthzeit sowie dasMei-sterstück und die Ausgrenzung des Land-handwerks;

11 Siehe die in Anm. 5 und 6 und zum Teil in Anm. 9 ge-nannten Titel.

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Tab. 1a »Echtund recht" - Ehelichkeitund Ehrlichkeit(deutschund frei).

10 von 19 Gewerben verlangen einen _Geburtsbrief- (= 52,6 %)weitere 3 in Verbindung mit der Erteilung des Bürgerrechts; also 13 von 19fordern den Nachweis ehelicher Geburt (= 68,4 %)Zwei Zünfte verlangen auch bereits die Echtschaft für die Ehefrau:Leineweber und KannengießerMehr als die Hälfte der Zunftordnungen enth~lt bereits die Forderung derehelichen Geburt, dann zunehmend auch die Uberprüfung des .rechten-Standes sowie derdeutschen und freien Herkunft, zum Teil bei derGewährung des Bürgerrechts und/oder bei der Lehrlingsannahme.So gut wie keine Persönlichkeitsnachweise, Ausnahme: Goldschmiede (trotzzahlreicher Amtsordnungen). Im 15.Jahrhundert treten nur noch dieTuchscherer und Riemenschneider (1482) hinzu, bei denen elf Jahre späterdiese Forderung wieder verschwindet (!). 1469 erlauben dieSeidenspinnerinnen ausdrücklich die Aufnahme von unehelich geborenenLehrtöchtern.

Hamburg 1350-1400

Lübeck bis 1400

Köln bis 1400

1494 Basel

Tab. 1b VergleichOberrhein.

1506 Basel1512 Freiburg

Ratsmandat an alle Zünfte, die Norm der Ehelichkeit zu beachten;Zulassungsverbot für Uneheliche nur zu den EhrenämternErneuerung der ForderungRatsmandat beklagt die Zunftaufnahme von Unehelichen und fordertkünftighin die ÜberprüfungDurchsetzung der Forderungum 1530 Freiburg

4. über die Regelung der Arbeitsbedingungen undMarktchancen, hinsichtlich der Zahl der Mitarbei-ter, der Zahl und Art der Arbeitsgeräte (Verbote)und des Einkaufs (konkurrierend oder kollektiv),der Verteilung der Rohstoffe, der Vergabe der Ver-kaufsstände sowie der Bestimmungen über denZugang von Fremden zum Markt (Störer usw.),die Qualitätskontrollen, Lohntarife und Preisab-sprachen. Auch hier müssen Hinweise genügen.

2. Ehelich kei t und Ehrlichkei t

Zur Einführung und Skizzierung des ersten ge-nannten Punktes, nämlich dem der Ehelichkeit undEhrlichkeit, dürfte eine Anknüpfung an den Beitragzu diesem Thema dienlich sein, mit dem ich vor eini-gen Jahren den Versuch unternommen habe, nord-und süddeutsche bzw. hansische und rheinische Bei-spiele zu vergleichen und zu erläutern", warum die

12 Vg!.dazuund für dasFolgende:K.Schulz,DieNorm derEhelichkeit im Zunft- und Bürgerrecht spätmittelalterlicher

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Normen in dieser Frage - besonders im Zunftrecht-so auffallend voneinander abwichen. Neben denmarkanten Unterschieden werden zugleich dieSchwierigkeiten für eine stringente Begründungdeutlich werden. Das Ergebnis dieser Beobachtun-gen lässt sich kurz folgendermaßen zusammenfassen(Tab.I a.b): Während am Oberrhein (Basel, Frei-burg i. Br. usw.) in der zweiten Hälfte des 15. Jahr-hunderts erstmals die Forderung nach der ehelichenGeburt von den Zünften erhoben wurde, aber zu-nächst einmal weitgehend verpuffte und erst imzweiten Viertel des 16.Jahrhunderts schließlich um-gesetzt wurde, suchten im hansischen Raum mitBraunschweig, Hildesheim und Lüneburg an derSpitze bereits seit der Mitte des 14.Jahrhunderts undmit Lübeck seit der Wende zum IS. Jahrhundert dieGilden und Ämter die eheliche und ehrliche, Zum

Städte.In:L.Schmugge(Hrsg.),IllegitimitätimSpätmittelalter.Schriftendes HistorischenKollegs,Kolloquien29 (München1994) 67-83. Für Lübeckneuerdings:B.Noodt, IllegitimeGe-bun im 14.Jahrhunden.UnehelicheKinderund ihreMütter inLübeckerQuellendes 14.Jahrhunderts.ZeitschriftVereinLü-beckischeGeschichteund Altertumskunde81, 2001, 77-103.

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Teil auch die freie und deutsche Geburt zunehmendund konsequent zur Voraussetzung für die Ge-werbezugehörigkeit zu machen.

Dass dabei nicht nur ein Hanse-Oberrhein-Ge-fälle maßgeblich war, zeigt der Vergleich mit Köln.Denn von den rund 50 Kölner Ämtern mit eigenenGewerbeordnungen verlangten im Laufe des 15.Jahrhunderts nur drei die legitime Geburt, während47 noch darauf verzichteten", Erst in den beiden er-sten Jahrzehnten des 16.Jahrhunderts begann sichdiese Forderung im Handwerk hier allgemeinerdurchzusetzen.

Echte und rechte Geburt wurden sicherlichnicht aus wirtschaftspolitischen Motiven verlangt,also zwecks Ausgrenzung von Illegitimen als Kon-kurrenten, sondern waren eine Frage der "Zunft-ehre"14.In Städten mit einer sog. Zunftverfassungbei entsprechender gesellschaftlicher und politi-scher Integration des Gewerbes war man offen-sichtlich weniger streng und sensibel in diesemPunkt als umgekehrt bei einer eher öffentlichenGeringschätzung und Einflusslosigkeit wie etwa inLübeck. Aber damit ist lediglich ein Faktor vonmehreren angesprochen. Aufschlussreich für denthematischen Zusammenhang ist die deutlich sicht-bar hervortretende Raum-Zeit-Komponente inVerbindung mit der Verfassungsstruktur der jewei-ligen Städte, also mit den Auswirkungen der Poli-tik auf Gesellschaft und Wirtschaft einschließlichder Wertvorstellungen, wie sie von den Zünften indieser Frage selbst vertreten wurden.

Die Gewerbepolitik, die von Seiten der Stadtund speziell dem Rat gegenüber den Zünften betrie-ben wurde, wird vor allem mit dem zweitenThemenfeld angesprochen, das die wirtschaftlichenund finanziellen Voraussetzungen für die Zulassungzum Handwerk und dessen Ausübung (Zunftrecht)umfasst. Auch hier konnten Eigeninteressen derZünfte selbst zur Geltung kommen, aber das letzteWort hatte auf diesemwichtigen sensiblen Feld dochdie Politik, somit der Stadtrat, besonders in denwendischen Hansestädten".

J) von Loesch, Kölner Zunfturkunden Bd. 1 (Anm. 3) Nr.28 (S. 84) SI (Goldschmiede); Bd. 2, Nr. 239 (S. 52) §1 (Bött-cher 1445); ebd. Nr. 578C (S. 352f.; Riemenschneider 1482)..4 Frensdorff, Zunftrecht (Anm. 9); ders., Verlöbnis und Ehe-schließung nach hansischen Rechts- und Geschichtsquellen.Hansische Geschichtsblätter43, 1917,291-350; 44, 1918, 1-26.IS J. Bracker (Hrsg.), Die Hanse. Lebenswirklichkeit undMythos (Hamburg 1989), darin bes. S. 449-514: GewerblicheProduktion und Technik.

3. Vermögensnachweis

Beider Gewichtung der eingangsgenannten Fak-toren kommt dem Vermögensnachweis, der in vielenGewerberegionen (imUnterschied zu Hamburg undLübeck, Tab.2a.b) meist erst im 16.Jahrhundert un-ter stark veränderten ökonomischen und politischenBedingungen geltend gemacht worden ist, ein vorde-rer Rang im Sinneiner hohen Belastungzu.Besondersfür Fremde dürfte esschwer gewesen seinund längereZeit des Ansparens in Anspruch genommen haben,um einen solchenNachweis zu führen. Mochten For-derungen dieser Art auch ursprünglich eine Ab-sicherungsmaßnahme gegen mögliche Sozialfälle imHandwerk gewesen sein, so war der Effekt der Er-schwerung des Zugangs für Fremde doch von vorn-herein bewusst und gewollt und wurde später in die-sem Sinn auch gezielt eingesetzt.

Die beiden Tabellen lassen hinreichend deutlicherkennen, dass in Hamburg der VermögensnachweisalsVoraussetzung für die Erteilung des Zunftrechtsbereits 1375 vielfach geltend gemacht wurde undLübeck - wenn auch in Etappen - ebenfalls frühzei-tig mit dieser Forderung hervortrat. Wenn dabei imDurchschnitt ein Vermögen von 10-20 MarkLübisch verlangt wurde, dann war ein solcher N ach-weis für einen "normalen" Handwerksgesellen nurschwer zu erbringen. Freilich konnte diese Forde-rung auch gelockert oder über die Heirat einerMeistertochter oder -wirwe weitgehend hinfälligwerden, aber sie zielte doch grundsätzlich auf dieZulassung von wirtschaftlich schon eher Etabliertenzum Gewerbe. Tendenziell musste diese Politik dar-auf hinauslaufen, die Zünfte und Gewerbe klein zuhalten, während der Anteil der Facharbeiter, Hilfs-kräfte und Bediensteten eher stieg.Immer ist auch zubedenken, dass die Strenge der Anwendung dieserBestimmung im Ermessen des Stadtrats stand unddass es sich nur um eine von mehreren Maßnahmender Abgrenzung und Kontrolle handelte, wenn auchum eine der tendenziell wirksamsten. Das Gewichtoder die Bedeutung, die dieser Bestimmung beizu-messen ist, wird erst über den Vergleich sichtbar,denn in Köln ist unter den andersartigen Bedingun-gen der Gaffelverfassung und Gewerbestruktur biszum Beginn des 16.Jahrhunderts keine Forderungdieser Art zu finden" .

U Erst zu Beginn des 16.Jahrhunderts wurden hier Forderun-gen dieserArt erhoben, wie es die ausnahmsweise bei von Loesch,Kölner Zunfturkunden Bd. 2 (Anm. 3) Nr.20A (S.529ff.) und

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Tab.2a Hamburg. Vermögensnachweis für die Erteilung des Gewerberechts.

Gewerbe Jahr Höhe Beleg:Rüdiger,Zunftrollen (Anm. 1)

Bäcker 1375 20 Mark S.22 H.Böttcher 1375 20 Mark S.29 H.Drechsler 1375 15Mark S.54 f.Fischer 1375 10Mark S. 60 f.Gerber 1375 15Mark S. 87 f.Glaser, Maler, Sattler 1375 ·6Mark S.90Goldschmiede 1375 4 Mark rein S. 96 H.Heringswäscher, Garbrater 1375 10Mark S.104Kannengießer (Zinngießer) 1375 15Mark S. 123 f.Kerzengießer 1375 10Mark S.130 H.Knochenhauer 1375 10Mark S.139Leineweber: a) Breites Werk 1375 8 Schillinge S. 160 f.Leineweber: b) SchmalesWerk 1375 4 SchiIlinge S. 160 f.Pelzer, Buntwörter 1375 10Mark S. 179 f.Reepschläger (Seiler) 1375 10Mark S.201Schmiede 1375 10Mark S.205Schneider 1375 6Mark S.258Schuhmacher 1375 10Mark + Geräte S.275

4. Bürgerrecht, Amts- oder Zunftrechtund Aufnahmebeschränkungen

Neben dem Vermögensnachweis standen - wieerwähnt - noch einige andere Instrumente zur Ver-fügung, von denen aber nur drei so wirksam waren,dass sie als einschneidend einzuschätzen und daheretwas näher vorzustellen sind:

inMaßen die Erlangung des Bürgerrechts;der Erwerb des Amts- oder Zunftrechts ("zunft-kauf");Aufnahmebeschränkungen oder Zunftschlie-ßungen.

4.1. Erwerb des Bürgerrechts

Beim Bürgerrechtserwerb ist erneut zwischenden kaufmännisch-oligarchisch verfassten Hanse-städten Lübeck und Hamburg und den Städten miteiner sog. Zunftverfassung zu unterscheiden, wie sie

47A (5.536 f.) aufgenommenen Gewerbeordnungen der Fisch-händler (1505) und Lederzurichter (1516) erkennen lassen. Sieheauch den Transfixbrief für die Seidmacherinnen und Seidfärber(1506) bei M. Wensky, Die Stellung der Frau in der stadt-kölnischen Wirtschaft im Spätmittelalter. Quellen und Darstel-lungen zur hansischen Geschichte N.F. 26 (Köln, Wien 1980)73.

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u. a. Köln und die meisten anderen rheinischen Städ-te besessen haben", Letztere maßen dem Bürger-recht eine dem Zunftrecht klar nachgeordnete,zweitrangige Bedeutung zu. Man brauchte es, umzur Führungsschicht zu zählen oder städtische Eh-renämter und Funktionen wahrnehmen zu können,aber für die Zugehörigkeit zur städtischen Gemein-schaft und Gemeinde war das - über das rein Ge-werbliche hinausweisende - Zunftrecht maßgeblichund ausreichend", Es gab zwarvon Zeit zu Zeit Be-mühungen, das Bürgerrecht wieder auf eine breitereGrundlage zu stellen, aber solche Ansätze verpuffteninder Regel sehr schnell.

So waren denn auch in diesen Städten mit einersog. Zunftverfassung die Zunftaufnahmegebührendie auffallendsten und wirkungsvollsten Instrumen-te der Steuerung für die Zunftaufnahme- undGewerbepolitik der Frühzeit, also des Spätrnittelal-ters vom späten 14. bis zum Ende des 15.Jahrhun-derts, bevor spätestens seit der Mine des 16.Jahrhun-derts unter sich rasch verändernden Bedingungenviel schärfere Ab- und Ausgrenzungsmaßnahmen

17 Siehe Anm. 4; zur rheinischen Städteregion: Schulz, Diepolitische Zunft (Anm. 4)..8 J. Deeters, Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln seit1396. Zeitschrift für Rechtsgeschichte 104, 1987, 12-25.

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Tab.2b Lübeck. Vermögensnachweis für die Erteilung des Gewerberechts.

Gewerbe Jahr Höhe Beleg:Wehrmann,Zunftrollen (Anm. 2)

Nätler (Nadler) 1356 4Mark S.340Riemenschneider 1396 8Mark S.374Böttcher 1360 10Mark S.l77Paternostermacher 1360 20Mark S.350Buntmacher (Kürschner: bunte Felle) 1386 24Mark S.191Grapengießer (Töpfe/Pfannen) 14. oder 15. 20 Mark S.227

JahrhundertMessingschläger 1400 24Mark S.331Schuhmacher 1406 30Mark S.416Pelzer (Kürschner: Schaf- u. Lammfelle) vor 1409 20Mark S.357Riemenschläger (Gürtler: Gürtelschnallen) 1414 10Mark 5.370Apengießer (Messinggefäße) 1432 10Mark S. 157Harnischmacher 1433 10Mark S.231Böttcher 1440 10Mark S.176Beutelmacher 1459 10Mark S.186Roetlosschere (Weißgerber) vor 1471 20Mark S.390Wollenweber 1477 20Mark S.494Goldschmiede 1492 6Mark S.216Kannengießer (Zinngießer) 1508 20 Mark S.246

ergriffen worden sind". Im Spätmittelalter mussteder Rat zwar in diesen Städten die von den Zünftenbeantragten Gebührensätze genehmigen und ggf.nach unten korrigieren, aber die Impulse und Ab-sichten, die man damit verfolgte, kamen von denZünften bzw. Ämtern selbst. Beider Beurteilung derGebührensätze (Tab, 3) muss man berücksichtigen,dass die Gewerbe mit der Einrichtung der Zunft-verfassung, also 1396/97,sozusagen indie Regierungder Stadt mit einbezogen worden waren und vondaher ein höheres Repräsentationsbedürfnis entwik-kelt hatten, so dass die Steigerung der Beitrittsgelderden neuen finanziellen Aufwand etwa für das Zunft-haus oder das Zunftzelt usw. abdecken sollte. Aberwie in allen solchen Fällen war man sich des gleich-zeitigen Effekts der möglichen Ab- und Ausgren-zung von Minderbemittelten bewusst.

In den imJahr 1397neu erlassenen Amtsbriefenwurden also die Amtsaufnahmegebühren kräftig er-höht. Im Vergleich zu der vorangegangenen Zeit des14.Jahrhunderts, in der Beträge zwischen 2--6Markerhoben worden waren, erfolgte nun im Durch-schnitt eineVervierfachung, nämlich eineAnhebungauf 2--6Gulden, so dass der Einschnitt der entschei-denden Verfassungsrevision in Köln (Verbundbrief,

19 Giel, Politische Öffentlichkeit (Anm. 5).

Gaffelverfassung) sehr klar ausfiel. Da diese Forde-rung aber als einzige finanziell entscheidend odervon spürbarem Gewicht war und im 15.Jahrhundertauch im wesentlichen unverändert blieb, kann mankeinesfallsvon einer Politik der Zurückweisung oderAusgrenzung von fremden Handwerkern oder Ge-werbetreibenden in Köln sprechen, auch wenn Köl-ner Bürger oder Meistersöhne gewisseErleichterun-gen in Gestalt niedrigerer Gebühren zugestandenbekamen (was man meist als .Zunfterneuerung" ,nämlich des väterlichen Zunftrechts, im Unterschiedzum "Zunftkauf" durch Fremde bezeichnet).

4.2. Erwerb des Amts- oder Zunftrechts

Die Voraussetzungen für den Erwerb des Zunft-rechts inLübeck und Hamburg waren grundverschie-den. Erst einmal musste hier jeder, der das Amt erlan-gen wollte, zuvor in das Bürgerrecht aufgenommenwerden, was allerdings keine gravierende fmanzielleBelastungwarund in der Regelmit 6bzw. 24Schillin-gen abgegoltenwurde". Der Kandidat musste jedochmeist mit Unterstützung seinesGewerbes/Amtes sei-ne Eignung und Qualität ("echt und recht") unter Be-

20 Graßmann, Lübeckische Geschichte (Anm. 6) 231f.

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Tab.3 Köln.Zunftaufnahmegebühren.

Gewerbe Jahr Normaltarif Beleg: von Loesch,Kölner ZunfturkundenAnm.3

Bäcker 1397 24 Mark (= 6 Gulden) I, S. 7 § 11Barbiere 1397 2 Gulden I, S. 8 § 1Beutelmacher 1397 2 Gulden I,S.10§2Böttcher 1397 2 (schwere) Gulden I, S. 13 §§ 2, 6Bronzegießer 1397/98 6 rheinische Gulden I, S. 22 § 1Dachdecker 1397 4Mark I, S. 23 §§ 1,3Decklakenmacher 1320-70 2Mark I, S. 27 §§ 1-4

1369 2Mark u,S. 99; I, S. 30 V1370 2Mark I, S. 31 VI1397 4 Gulden I,S.33§16

Drechsler 1397 2 rheinische Gulden I, S. 36 §§ 1-3Leinenfärber 1392 4 (schwere) Gulden I, S. 40 f.

1396/97 4 (schwere) Gulden I, S. 43 § 11397 4 (schwere) Gulden I, S. 44 § 1

Fleischhauer 1397 6 rheinische Gulden I, S. 46 § 2Garnmacherinnen 1397 2 Gulden I, S. 49 § 3Goldschmiede, Goldschläger 1397 4 Gulden I, S. 82 f. §§ 14-16Goldspinnerinnen 1397 2 Gulden I, S. 92 § 2Gürtler 1371-96 3 Gulden I, S. 95 § 1

1391 cJ 4 Kölnische Mark, ~ 3 n,S. 264 § 1Kölnische Mark

1397 6 rheinische Gulden. I, S. 98 § 2, 4, 5Händler 4 rheinischeGulden

1407 & und ~ 5 Köln. Mark 11,S. 268Harnischmacher (Sarwörter) 1391 20Mark I,S.102 §§ 1,2

1397 6 Gulden I, S. 105 §§ 1-3Filzhutmacher 1378 4/8 Gulden I, S. 108 §§ 1, 12

1397 2/4 rheinische Gulden I, S. 112 §§ 1, 8Kannengießer 1385 6Mark I, S.115 § 6

1397 6 Gulden I, S. 118 § 16Hamenmacher (Kummetmacher: 1397 3 rheinische Gulden I, S. 118 § 1Halsgeschirr für Zugtiere)Buntwörter (Pelzer) 1397 2 Gulden I,S.121 SILeinenweber 1397 2 rheinische Gulden I, S. 138 §§ 1,2Lohgerber 1397 3 schwere Gulden I, S.134 S 1Maler, Schilder 1371-96 4 Gulden I, S. 136 §§ 6, 8

1. Fassung1371-96 6 Gulden I, S. 137 §§ 6, 72. Fassung

Nadelmacher 1397 4 Gulden I,S.141 f.SS 1,3Riemenschneider kurz vor 1398 4 rheinische Gulden I, S. 145 §§ 1,3Sattelmacher 1397 6 (schwere) Gulden I,S.151§2Schmiede 1397 6 rheinische Gulden I, S. 154 § 4Schröder/Schneider 1397 6 Gulden I, S. 156 §§ 2, 3, 5KistenmacherlSchreiner 1397 2 rheinische Gulden I, S. 158 f. §§ 1,2Schuhmacher 1397 6 rheinische Gulden I,S.160 §§ 1,2Schwertfeger 1397 4 rheinische Gulden I, S. 162 §§ 2, 4, 5Steinmetzen, Zimmerleute 1397 3 rheinische Gulden I, S. 176 f. §§ 1,5,9Taschenmacher 1397 6 Gulden I, S. 181 §§ 2, 6, 7,10Tirteiweber (Wolle-Hanf- 1398 8Mark I,S.185 SS 7, 8Mischgewebe)Tuchscherer 1397 4 Gulden I, S. 191 § 1Waffensticker 1397 6 rheinische Gulden I, S. 200 f. §§ 1,3Wollenamt 1397 12Mark I, S. 203 §§ 3, 6

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Tab.4 Hamburg. Kauf des Amtsrechtes (Gewerberecht).

Jahr Handwerk Gebühr Beleg: Rüdiger,Zunftrollen (Anm. 1)

1458 Armbruster 1Mark S.31375 Bäcker 2Mark S. 22 H.1375 Bader / Badstöver 1Mark S.5 ff.1375 Böttcher 2Mark S. 29 f.1375 Drechsler 1Mark S. 54 f.1375 Fischer 1Mark S. 60 f.1375 Gerber 3 Pfund Pfennige S. 87 f.1375 Glaser/Maler, Sattler 24 Schillinge S.901375 Goldschmiede 5Mark S. 96 H.1375 Heringswäscher und Garbrater 2 Pfund (Mark ?) S.1041375-1400 Hutmacher 2Mark S. 110 f.1375 Kannen- und Grapengießer 3Mark S. 123 f.1375 Kerzengießer 2Mark S. 130 ff.1375 Knochenhauer 2Mark S. 1391375 Krämer 4Mark S. 48 f.1375 Leineweber 8 Schillinge S. 160 f.1375 Pelzer 1Mark 5.179 f.1345/1375 Reepschläger/Seiler 2Mark 5.2011375 Schmiede 2Mark S.2051375 Schneider 2Mark S.2581375 Schuhmacher 2Mark S.275

weis stellen und über einen sog. Harnisch verfügen,d.h. über die Grundausstattung der Bewaffnung,denn diewichtigsten Bürgerpflichten waren nun ein-mal ,,schossen" und" Wachen"21.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Erteilungdes Zunftrechts oder- wie es heißt - des Amtsrechts.In den zentralen Hansestädten lagauch in dieser Fra-ge die Zuständigkeit klar beim Rat, so dass man indiesem Punkt von einer andersartigen finanziellenund gewerbepolitischen Interessenorientierung alsinKöln ausgehen kann. Hamburg mit seinen Zunft-ordnungen von 1375für fast alle etablierten Gewer-be bietet in dieser - und im Übrigen auch manch an-derer- Hinsicht ein sehr geeignetes Quellenmaterialfür die Bedingungen, die im Wesentlichen unverän-dert bis zum Ende des Mittelalters bestanden. Dievom Hamburger Stadtrat festgelegten und erhobe-nen Gebühren für die Erteilung des Amtsrechts be-wegten sich in einer Spannweite von acht Schillingenfür die Leineweber und fünf Mark für die Gold-schmiede und betrugen in der Regel zwischen einerund drei Mark, am häufigsten zwei Mark (Tab. 4).

11 Vg!. Quellenanhang (Lübecker Ratsentscheidungen zumGewerberecht), 1483Juli 12.

Auch dieses Geld will von einem mittellosenHandwerksgesellen erst einmal angespart sein, aber esist für sich allein genommen noch keine kaum über-steigbareHürde. Dies lag zweifellos auch nicht in derAbsicht des Stadtrates,wie esdiebereits erwähnte Sta-bilität dieser Gebührensätze auch erkennen lässt.Doch sie verschafften jenem neben den hoch-begehrten Einkünften das erwünschte Kontrollrechtüber den Zugang zum Gewerbe.

Hatte einKandidat die bisher genannten Hürdenbewältigt, dann erwartete ihn die Ausrichtung einesZunftschmauses: [heJ schall [. ..J den werckmesterengheven eyne maltijd beyde olden unde nygen. Undeanders nement schal dar ethen, unde enschalock nichtwen dre [geJrichte gheven22•

Bei einem "Gericht", von denen also drei zu lei-sten waren, handelte es sich jeweils um eine ganzeSpeisenfolge mit den erforderlichen Getränken, sodass bei der Einschätzung der Unkosten neben derZahl der alten und neuen Werkmeister dieser Faktoreinkalkuliert werden muss",

22 Rüdiger, Zunftrollen (Anm. 1) Nr. 43 Reepschläger (Sei-ler), Artikel2, S. 201, oder Nr. 11 Drechsler, Artikel2, S. 55.13 Ebd., Nr.9a, S. 42-48: Budelmaker [i.e, Beutelmacher],Toemsleger [i.e. Zaumschläger], Gordeler, Sadeler, Taschen-

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Tab. 5 a Lübeck, Gewerbe, die die Anfertigung eines Meisterstücks verlangten.

Gewerbe Jahr Beleg: Wehrmann, ZunftrollenAnm.2

SchneiderBuntmacherPlattenschlägerApengießerHarnischmacherSchwertfegerPelzer (Kürschner)Glotzenmacher (Pantoffelmacher)BeutelmacherGoldschmiedeRiemenschlägerSattelmacherKistenmacherKannengießerMaurerZimmerleute

Während der Zunftschmaus seit dem späten14. Jahrhundert in Lübeck und Hamburg offensicht-lich allgemein üblich war, sind andere Forderungen,die erhebliche Kosten oder Verzögerungen verursa-chen konnten, von Gewerbe zu Gewerbe sehr unter-schiedlich geltend gemacht worden, wie etwa dasMeisterstück oder die sog. Muthzeit, also die Zeit derProbe und Anwartschaft, bevor ein Antrag auf Zu-lassung zum Gewerbe überhaupt gestellt werdendurfte (Tab. 5 a.b). Aber auch hier waren die Unter-schiede zu Köln evident, wo bis zum Ende des 15.Jahrhunderts nur von fünf Ämtern die Forderungnach einem Meisterstück" geltend gemacht wurdeund nur in zwei Fällen Muthjahre" abzuleisten wa-ren, also nur in weniger als einem Zehntel aller Äm-ter Leistungen dieser Art gefordert oder vom Rat zu-gelassen wurden.

maker [aus dem Jahre] 1557 mit Transumpten von 1470 und1475, hier 5.43, Art. 2: Unde diewile na older gerechtigheit degebruck gebolden isz, dat dejennige, de alse synes sulvest werdensuolde, dem ampte drey koste tho gevende vorpflichtet gewesen,so schal na düsser tydt ein ider men eine kost geven und vor dieandere beiden kosten 24 marck, alse nemliken vor ider kost 12marck Lubsch tho gevende vorpflichtet sin, uthbenamen desamptes kinder und wedewen, die eine kost nha dusser tydt Ireyhebben schollen. 8 Mark von den 24 Mark gingen an den Rat.von Meisterkindern und Witwen nur 4 Mark.2. Vgl. von Loesch, Kölner Zunfturkunden (Anm. 3); Bd.1, Nr. 75 (5. 192) §3 (Tuchscherer 1440); Bd. 2, Nr. 511 (5.283; Harnischmacher 1469); ebd. Nr. 631 (5.400£.; Schuhma-cher 1483); ebd. Nr. 649 (5. 418; Schwertfeger ea. 1500).2S Vgl. ebd. Bd. 1, Nr. 27 (5. 83; Goldschmiede 1397) undNr. 52 (5. 137£.;Schilder/Maler 1449).

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1370138613701432143314361436145714591492143815021508150815271545

S.421S.191S.365S.1575.2335.4555.361S.2125.1865.2175.372S.4035.2535.2465.333S. 464 f.

Besonders einschneidend waren letztlich die Be-stimmungen in den beiden zentralhansischen Städten,die man mit dem Begriff der Zunftschließung in Ver-bindung bringt. Gemeint sind damit die Fixierung derZahl der Meisterstellen und die Begrenzung vonArbeits- und Verkaufsplätzen (Tab. 6).

Neben den Belegen für Lübeck ist in dieser Fragebesonders auf das Hamburger Beispiel und Materialzu verweisen, das anschließend vorzustellen sein wird.Ziehen wir vorerst eine Zwischenbilanz. Es ergibt sichfür Hamburg und Lübeck zumindest im Vergleich zuvielen anderen Städten das Bild einer früh einsetzen-den und relativ starken Reglementierung und fmanzi-ellen Belastung beim Zugang zum Zunfthandwerk.Diese Bestimmungen haben auch stark dazu beigetra-gen, dass man in der allgemeineren Literatur dem"Spätmittelalter" gern die Tendenz zur Ausgrenzungvon Fremden, wenn nicht gar zur Schließung derZünfte zugeschrieben hat, einschließlich der Vorstel-lung von dem Status des Handwerksgesellen als trau-riger Dauerexistenz". Um so wichtiger ist der einord-nende Vergleich, der erhebliche Unterschiede zu Kölnsichtbar macht, doch lässt auch die Gegenprobe - wasdie Auswertung des Hamburger und Lübecker Ma-terials selbst betrifft - erkennen, dass es noch zahlrei-

2' R. Reith, Abschied vom .Prinzip der Nahrung"?Wissenschaftshistorische Reflexionen zur Anthropologiedes Marktes. In: BrandtlBuchner, Nahrung, Markt oder Ge-meinnutz (Anm. 10) 37-66.

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Tab. Sb Lübeck. Gewerbe, die die Anfenigung eines Meisterstücks nicht verlangten.

Gewerbe Jahr Beleg: Wehrmann, ZunftrollenAnm.2

Pergamentmacher 1330 $.363Nätler (Nadclmacher) 1336 $.340Paternostermacher 1360 $.350Riemenschneider 1396 $.374Gerber (Lorer) 14. Jahr- $.317

hundertLeineweber 14. Jahr- $.322

hundertBarbiere 1480 S.164Böttcher 1440 S.175Lorer 1454 $.314Roetloeschere 1471 $.390,393Wollenweber 1477 $.494Kunthormacher (Zahltischmacher) 1474 $.294Russfärber 1500 $.398Dreher 1507 $.199Kerzengießer 1508 $.249Kammacher 1531 $.243

ehe Beispiele von Gewerben mit einer relativen Offen-heit gegeben hat.

Auch wenn in diesem Bereich, nämlich dem derÄmter der zentralhansischen Städte, die ansonstenverpönte Beweisführung e silentio - also das Fehleneiner Bestimmung in einer Zunftordnung mit derNichtexistenz gleichzusetzen - durchaus zulässig er-scheint, da bei allen Auseinandersetzungen rechtlichnur das durchsetzbar war, was auch die Gewerbeord-nungen enthielten, so gewinnen bei der Einschätzungaller Komponenten - Bürgerrechtserwerb mit Har-nisch, Zunftaufnahmegebühren an den Rat, Ausrich-tung eines Zunftessens, Meisterstück und Muthzeitsowie Vermögensnachweis und Fixierung vonMeisterstellen bzw. Verkaufsplätzen - die erschwe-renden und ausgrenzenden Elemente relativ früh einso großes Gewicht, dass sie wohl als vorherrschend,wenn auch nicht alleinbestimmend zu bewerten sind.

5. Norm und Praxis

Nun stellt sich die Frage, in welchem Umfangund in welcher Form Bestimmungen dieser Art auchzur Anwendung kamen. Denn dass Norm (= Zunft-ordnungen) und Praxis (= aktuelle Politik) voneinan-der abweichen können und es häufig auch taten, isteine wohlbekannte Tatsache. Abschließend sei des-

wegen der Versuch gewagt, an zwei unterschiedli-chen Quellengruppen für Hamburg und Lübeck diepolitische Praxis zu erfassen und in die Überlegun-gen einzubeziehen, nämlich für Hamburg auf derGrundlage der Kämmereirechnungen und ihren Re-gistrierungen der Frequenz von Zunftaufnahmenüber die Gebührenzahlungen" und für Lübeck überdie Ratsurteile zu gewerbepolitischen Streitfragen inder zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts28•

Beginnen wir mit der Auswertung der Hambur-ger Kämmereirechnungen, die von Kar! Koppmannfür gewisse Zeitblöcke (137~1387, 1461-1496, 1497-1521 und 1522-1562) ediert und eingeleitet wordensind. Sie verzeichnen die Zahlungen für das Amtsrechtdurch die Neurneister und erlauben damit einenÜberblick über die gewerbliche Entwicklung für fast200 Jahre in den angegebenen Zeitblöcken".

Besonders aufschlussreich sind die 36 Jahre desUntersuchungszeitraums II von 1461-1495, der ei-nen deutlichen Einbruch der Aufnahmefrequenzen

27 K. Koppmann (Bearb.), Kämmereirechnungen der StadtHamburg. Bd. 1-7 (Hannover 1869-1894).28 W. Ebe! (Hrsg.), Lübecker Ratsurteile. 4 Bde. (Göttin-gen, Berlin, Frankfurt 1955-1967) mit Quellenanhang: Lii-becker Ratsentscheidungen zum Gewerberecht (1460-1500);Kurzregesten.29 Vg!. zu den folgenden Ausführungen: Koppmann, Käm-mereirechnungen (Anm. 27), bes. Bd. 1, Einleitung, S.XXVIIff.;Bd. 3, Einleitung, S.XV ff. und Bd. 7, Einleitung, S.XXII H.

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Tab.6 Lübeck. Beschränkung der GewerbeausübunglZunftschließung.

Gewerbe Jahr Höchstzahl von Beleg: Wehrmann,Zulassungen Zunftrollen (Anm. 2)

Nätler (Nadelmacher) 1356 14 Buden S.339Goldschmiede bis 1370 24 Buden S.221

ab 1370 22 BudenGarbratcr 1376 12 S. 203,139Knochenhauer 1358 50 5.259Armbrustmacher 1425 16 S.160Pantoffelmacher 1436 10 S.210Grützmacher 1481 12 Buden 5.138; 223Wandfärber (Tuchfärber) 1500 Ratswillkür 5.485Kerzengießer 1508 20 S.249Spinnradmacher 1526 8 S. 451 f.

1537 8Wundärzte, Barbiere 1521 16 S.86

erkennen lässt. Mit Ausnahme des Reepschlägeramtes(Seiler) gingen die Aufnahmezahlen deutlich zurück,bei den Leinewebern auf ein Drittel, bei den Böttchernauf weniger als ein Viertel, bei den Gerbern auf einZehntel und bei den Drehern auf ein Fünfzehntel, imDurchschnitt auf mehr als die Hälfte.

Das erste Viertel des 16. Jahrhunderts bringt eineweitgehende Konsolidierung auf diesem niedrigenNiveau, immer noch bei leicht fallender Tendenz.Erst im letzten Abschnitt ist wieder ein Anstieg fest-zustellen, allerdings ohne an die hohen Zahlen desausgehenden 14.Jahrhunderts erneut heranzurei-chen, denn von 1370-1387 werden 693 Neumeister,also 38,5 pro Jahr; von 1461-1496 werden 601 Neu-meister aufgenommen, also 16,69 pro Jahr; von1497-1521 waren es 352 Neumeister, also 14,08 proJahr, und von 1522-1562 werden 850 Neurneisteraufgenommen, also 20,73 pro Jahr. Dabei bleiben al-lerdings die vermutlich ansteigenden Zahlen der un-entgeltlichen Zunfterneuerung durch Meistersöhneunberücksichtigt, die das Bild zwar etwas korrigie-ren, aber nicht grundlegend verändern würden, je-denfalls den starken Rückgang der Zahlen in derzweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht erklärenkönnen. Dagegen bietet die zunehmende Zahl vonZunftschließungen Anhaltspunkte für diese Ent-wicklung: 1443 beantragten die Altflicker die Fest-setzung der Meisterzahl auf niedrigem Niveau, 1458die Leineweber, 1468 die Fischer und Barbiere, 1469die Goldschmiede. Besonders stark zu Buche schlägtdas Böttchergewerbe mit einem Anteil von 39 % al-ler Amtsmeister zwischen 1370 und 1387, der in der

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zweiten Untersuchungsperiode auf 14 % zurück-geht30• Insgesamt dreimal hat das Gewerbe der Bött-cher eine Reduktion der Amtsmeisterstellen bean-tragt und erreicht: 1437 auf 260, 1458 auf 150 und1506 schließlich auf 120 Meister.

Bei dem allgemeinen Bevölkerungsrückgang im15. Jahrhundert blieb der Anteil der Kaufleute unddie diesen zugeordneten Berufsgruppen (Personal,Transport, Hafen usw.) stabil, während das Hand-werk sowohl anteils- als auch zahlenmäßig erkenn-bar zurückging. Ähnlich verhielt es sich, wie Hein-rich Reincke festgestellt hat, bei der Vermögens-enrwicklung", Einerseits nahm die Zahl der sehrWohlhabenden in dieser Zeit zu, andererseits hatteder handwerkliche Mittelstand beträchtliche Abgän-ge zu verzeichnen, so dass der Anteil der Armen an-stieg. Auf dem Rentenmarkt konnte PeterGabrielson eine verstärkte Kreditnachfrage derHandwerkerschaft für die letzten beidenjahrzehntedes IS. Jahrhunderts nachweisen und als eine Folgeder großen Teuerung der Krisenjahre 1481-1483 in-terpretieren, die den ohnehin schon spürbarenSchrumpfungsprozess verschärften",

Die in mehreren Hamburger Gewerben zu be-obachtende Abgrenzungspolitik in dieser Zeit, dievor allem in der zahlenmäßigen Festschreibung von

)0 Ebd. Bd. 3, Einleitung, S. XXff.n H. Reincke, Hamburgische Vermögen 1350-1500. Ein Ver-such. In: ders., Forschungen und Skizzen (Anm. 5) 201-220.)2 P. Gabrielson, Struktur und Funktion der HamburgerRentengeschäfte in der Zeit von 1471 bis 1490. Ein Beitrag zurWirtschafts- und Sozialgeschichte der nordwestdeutschenStadt. Beiträge zur Geschichte Hamburgs 15 (Hamburg 1971).

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Meisterstellen, kurz "Zunftschließung" genannt,zum Ausdruck kommt, muss in erster Linie als An-zeichen dieser Wirtschaftskrise gewertet", aber nichtoder nur sehr bedingt als auslösender Faktor (soHeinrich Reincke) eingeschätzt, sondern als Reakti-on auf die Krisenjahre und wirtschaftliche Depressi-on gesehen werden. Sie erzielten in dieser Kombina-tion von schwacher Konjunktur und eigenem Ab-sicherungsstreben, verbunden mit Ausgrenzungen,eine doppelt negative Wirkung auf die gewerblicheWirtschaft und die Stadt insgesamt.

6. Demographie

Berücksichtigen wir schließlich noch den Faktorder Demographie. Spätestens seit den Untersuchun-gen von Heinrich Reincke sind Vorstellungen undZahlen von den verheerenden Bevölkerungs-verlusten bekannt und vertraut, die der SchwarzeTod und die nachfolgenden Pestwellen besonders inHamburg und Lübeck ausgelöst haben", Da hierausnahmsweise viele Todesfälle registriert wordensind, und zwar mit dem Ergebnis, dassBevölkerungseinbußen von teilweise über 25 % inden beiden Hansestädten zu verzeichnen waren, istdie Frage nach Art und Umfang des Neuaufbaus derstädtischen Bevölkerung von nicht unerheblichemErkenntnisinteresse. Gerade aus diesen beiden Städ-ten wissen wir genauer, wie der Ausgleich sehr baldüber einen stark erhöhten Zuzug wenn nicht voll-kommen, so doch weitgehend zustande kam. Inso-fern sind die Aufnahmezahlen ins Handwerk für denersten Zeitabschnitt von 1370 bis 1387 bei der Erfas-sung der Neuaufnahmen in das Hamburger Hand-werk deutlich überhöht, so dass der radikale Rück-gang in der Zeit von 1461 bis 1496 nicht so krass aus-fiel wie es bei einer Gegenüberstellung beider Phasen

n H.J. Wenner, Handelskonjunkturen und Rentenmarkt amBeispiel der Stadt Hamburg um die Mitte des 14.Jahrhunderts(Hamburg 1972) und vor allem E. Pitz, Wirtschaftskrise (Anm.9), und ders., Wirtschaftliche und soziale Probleme (Anm. 9).l4 H. Reincke, Bevölkerungsprobleme der Hansestädte. Hansi-sche Geschichtsblätter 70,1951,1-33 [erneut in: Haase, Stadt desMittelalters 3 (Anm. 9) 256-302]; ders; Bevölkerungsverluste derHansestädte durch den Schwarzen Tod 1349/50. HansischeGeschichtsblätter 72, 1954, 88-90; E. Peters, Das große Sterben desJahres 1350 in Lübeck und seine Auswirkungen auf die wirtschaft-liche und soziale Struktur der Stadt. Zeitschrift des Vereins fürLübeckische Geschichte und Altertumskunde 30, 1940, 15-148;Th, Penners, Fragen der Zuwanderung in den Hansestädten desspäten Mittelalters. Hansische Geschichtsbläner 83, 1965, 12-45.

erscheinen mag; denn die Zahlen klaffen hier beson-ders stark auseinander, wenn man die Zeit des demo-graphischen Neuaufbaus und extremen Anwerhensmit der einer Depression und Defensive kontrastiert.

Um so erstaunlicher sind die für das späte 14.und beginnende IS. Jahrhundert in den heiden han-sischen Metropolen erlassenen Bestimmungen oderRestriktionen, die den Zugang zum Handwerk deut-lich erschweren mussten. Gemeint ist vor allem diefrüh einsetzende Forderung nach einem beachtlichenVermögensnachweis, kombiniert und gesteigert mitden Gebühren für den Erwerb des Amtsrechts, ganzzu schweigen von Bürgerrecht und Harnisch oderMeisterstück und Muthzeit, wobei immer zu beden-ken ist, dass hier der Rat der Stadt der bestimmendeTeil war. Nun würde man wohl eher erwarten, dasseine so eindeutig handelsorientierte Führungsschichteine Gewerbepolitik verfolgte, die stärker auf Offen-heit und Konkurrenz abzielte, als dass sie Reglemen-tierungen und Abgrenzungen akzeptierte und förder-te. Umgekehrt wäre zu vermuten, dass eine Stadt miteiner klaren Zunftverfassung wie Köln den Zunft-interessen weit größeren Spielraum gewähren müssteund würde, auch wenn die Führungsschicht dort nichtgerade aus typischen Zunftvertretern bestand. Tat-sächlich war jedoch eher das Gegenteil der Fall.

Zwar wurden in Köln unmittelbar nach demErlass des Verbundbriefes 1396 für fast alle Gewerbeneue Zunft- und Amtsordnungen beschlossen, dieauch Erschwernisse für den Zugang zum Handwerkbeinhalteten, aber gegenüber den Hansestädten hat-te die Kölner Gewerbepolitik des IS.Jahrhundertseher den Charakter von Liberalität im Sinne gewerb-licher Entfaltungsmöglichkeiten. Der einzige Faktor,der hier die Zulassung erkennbar erschwerte oder fürFremde zumindest verzögerte, waren die Zunft-aufnahmegebühren, die seit der Wende vom 14. zum15. Jahrhundert sich in der Größenordnung von 2 bis6 rheinischen Gulden bewegten und den Meister-söhnen in vielen Fällen Sonderkonditionen einräum-ten. Diese erhöhten Beträge zielten wohl in zweiRichtungen, nämlich einerseits auf das Repräsenta-tionsbedürfnis - man denke nur an die Finanzierungvon Zunfthäusern - und andererseits auf die Verzö-gerung und Kontrolle von Neuaufnahmen. Da imLaufe des 15. Jahrhunderts in dieser Hinsicht keinegrundlegenden Veränderungen im Sinne von weite-ren Erhöhungen stattfanden und - von einigen Aus-nahmen abgesehen - keine zusätzlichen Erschwe-rungen eintraten oder ausgrenzende Maßnahmen

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München

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vorgenommen wurden, ist die relative Offenheit imKölner Gewerbe um so auffälliger und die Fragenach Motiven und Interessenorientierung in der un-terschiedlichen Gewerbepolitik der beiden wendi-schen Hansestädte um so zwingender.

Für Köln, um noch kurz bei diesem Beispiel zubleiben, wird man - auf ein Minimum und den Ver-gleich reduziert - zwei Faktoren in Rechnung stellendürfen: Wie in den meisten Städten mit Zunft-beteiligung war auch hier (nur) die Führungsgruppeder Gewerbe - wenn überhaupt - im Stadtrat vertre-ten und wirtschaftspolitisch einflussreich, die eher ex-pansiv dachte und weniger an Reglementierungen ge-rade im Bereich der Mitarbeiterzahlen und Vermei-dung der gewerblichen Konkurrenz interessiert war.Der andere Faktor ist vor allen Dingen mit dem Stich-wort "Exportgewerbe" umrissen und drückt die hoheBedeutung aus, die dieses für die Kölner Wirtschaftund den Handel harte".

Setzt man dem die Aussagen und Entscheidungender Lübecker Ratsurteile entgegen, wie sie in Auswahlals Anhang in Regestenform beigefügt sind, so lassensich auch hier zwei Tendenzen, wenn auch umgekehr-ter Richtung, ablesen: Zum einen wird deutlich, dassder Schutz des einzelnen Gewerbetreibenden, ja sogarHausbewohners, sofern dieser Bürger und bereits län-gere Zeit in der Stadt ansässig war, vor nachteiligenAktivitäten Vorrang hatte gegenüber neuen und frem-den Wirtschaftsinitiativen36• Der Rat, der diese Ent-scheidungen traf, hatte offensichtlich ein höheres In-teresse an der Wahrung des sozialen Friedens als aneiner risikoreichen Politik der Förderung oder Zulas-sung neuer gewerblicher Impulse. Außerdem war an-gesichts der Fernhandelsorientierung das Interesse ander Förderung eines Exportgewerbes wohl nicht ingleicher Weise ausgeprägt vorhanden. Was gesichertsein musste, war die Versorgung der Stadt und gege-benenfalls auch ihres Umlandes mit den alltäglichenProdukten durch die kleinen und mittleren Handwer-ker bei Vermeidung von Spannungen und Konflikten.

3S F. Irsigler, Stadt und Umland im Spätmittelalten Zurzentralitätsfördernden Kraft von Fernhandel und Export-gewerbe. In: E. Meynen (Hrsg.), Zentralität als Problem dermittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung. Städteforschung A8(Köln, Wien 1979) 1-14.,. K. Schulz, Störer, Stümpler, Pfuscher, Bönhasen und "Frem-de". Wandel und Konsequenzen der städtischen Bevölkerungs-und Gewerbepolitik seit der Mitte des 16.Jahrhunderts. In: H.Jäger u.a. (Hrsg), Civitatum communitas. Studien zum europäi-schen Städtewesen. Festschrift Heinz Stoob zum 65. Geburts-tag. Städteforschung A21:2 (Köln, Wien 1984) hier 683-705.

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7. Fazit

Allerdings sind mit diesen Zahlen und Hinweisennur Einzelaspekte hervorgehoben worden, die in eingrößeres Gesamtbild einzuordnen wären, wie es dieeingangs genannte Literatur zum Teil bietet. In allenPunkten dürfte aber deutlich geworden sein, dass ge-eignete Beurteilungskriterien nur zu gewinnen sind,wenn 1. die Chronologie, 2. die Statistik und 3. derVergleich angemessene Berücksichtigung fmden.

Was mit diesem Beitrag angestrebt und veran-schaulicht werden sollte, war der methodische Mit-telweg zwischen der zweifellos exakteren Detail-analyse und der verallgemeinernden Wirtschafts-theorie.

8. Quellenanhang: Lü becker Ra tsen t-

scheidungen zum Gewerberecht14 60-150037

1461urn März29Entscheidung eines Konfliktes der Knochen-hauer von Kiel mit dem Rat der Stadt durch denLübecker Rat über das Recht zur nichterblichenNeuvergabe der .,Laden" genannten Verkaufs-stände dahingehend, dass dem Rat von Kiel dasfreie Vergaberecht zustehe, da der KielerKnochenhauerbrief nach dem Vorbild des Lü-beckers erteilt worden sei.

1463um Februar 14Klage der Älderleute der Lübecker Krämer ge-gen Nürnberger und andere .,Kaufgesellen", diewiderrechtlich in offenen Kellern allerleyekremerie unde spitzerie verkaufen; das Verbotwird erneuert.

1475 Juli 31Die Älderleute der Lübecker Schmiede klagenvor dem Rat, dass Hinrik Hagelken durch denBetrieb seiner Kupferhütten in Wesenberg undOldesloe zu einer Verknappung und Teuerungder Kohle beitrage. Der Rat befiehlt die Stille-gung.

37 Nach W. Ebel, Lübecker Ratsurteile 1. 1421-1500(Göttingen 1955).

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1478 umJuni 5Mehrere Nachbarn klagen gegen den Seifensiede-rneister Johann Tolner, dass er großen Gestankverbreite und sie beim Bierbrauen schädige. DerRat verbietet die Seifensiederei an diesem Ort, dasie dort nicht der Gewohnheit entspreche.

1481 um September 1Die Klage der Maler und Glaser gegen dieDrechsler, dass diese ihre Ware färben und be-malen, wird abgewiesen. Der Rat entscheidet,dass die Drechsler ihre Produkte weiterhin rotfärben dürfen.

1481 November 16Auf Klage des Lübecker Domvikars H ermanSchulte, dass Katbarine Dokewesschers wider-rechtlich eine Badstube eingerichtet habe, be-fiehlt der Rat deren Abriss, da der Bau ohneRatsgenehrnigung und Zustimmung der Nach-barn erfolgt sei.

1482 Mai 18Klage der Stahlmenger gegen den Verkauf vonStahl durch einige Krämer. Der Rat spricht dasalleinige Verkaufsrecht den damit "belehnten"Stahlmengern zu.

1483 Juni 10Die rotblescber (Rotgerber) klagen, dass zweiVerleger inWesenberg Lübecker Amtsmitgliederzur Mitarbeit gewonnen und ihnen Alaun undFarbe verkauft haben. Der Rat verbietet - wegender Nähe zur Stadt - derartige Aktivitäten.

1483 Juli 12Der Buchbindermeister Johan und ein Kollegeklagen gegen den "Buchführer" JohannesEbbeler, weil dieser an ihrer Stelle zwei fremdeGesellen zum Buchbinden angestellt habe. DieKläger argumentieren, dass sie Bürgerrecht lei-steten, nämlich schoten, waken und uthmaken(Militärdienst leisten) etc. Der Rat befiehlt, diebeiden fremden Gesellen zu entlassen und denalten Zustand wiederherzustellen.

1483 Juli 19Die Älderleute der Krämer klagen gegen mehrereLübecker, die Räume in ihren Häusern an Jrem-de Gesellen" vermieteten, welche ere kraemwerk

darinne gelick kremern ausbreiteten und verkauf-ten. Der Rat verbietet dies bei Androhung einerBuße von 10Mark Silber. Die erwähnten »Gesel-len" dürfen nach alter Gewohnheit - und auchweiterhin - hir dre dage utestaen, mehr nicht.

1484 um September 1Die Grapengießer (Messinggießer), vorkopers(Verkäufer), Beckenschläger und Kannengießer(Zinngießer) klagen gegen Alhard van Aken we-gen Schädigung durch Aufkauf und Detail-verkauf von Kesseln und Becken in Lübeckdurch ihn, seine Gesellschaft und seine "Knech-te". Der Rat untersagt ihm als Nichtbürger der-artige Geschäfte. Er darf jedoch außerhalb vonLübeck Kessel kaufen und diese in der Stadt bySzynteneren und samentkope verkaufen.

1486 urn August 15Die reepslegere (Seiler) klagen, dass Marcus Sasseeinige Gesellen nach Lockvelde abgeworbenhabe, um dort Seile und Segelgarn zu machen.Marcusantwortet, dass dies eine "freie Kunst" sei.Der Rat untersagt ihm die Gewerbeausübung.

1487 um Oktober 21Die Älderleute der Knochenhauer klagen gegendie Schlachter, dass sie Ochsen und andere Tierein ihren Häusern ausschlachten und im Kleinenverkaufen, was der Rat verbietet.

1487 um Oktober 28Die Glasmacher hatten Gertrudt Offermans das"Amt" (Handwerk) verboten. Den Streit ent-scheidet der Rat dahingehend, dass indieser Fra-ge Rat und weddeheren zuständig seien und dieFrau vorläufig das Gewerbe weiterhin ausübendürfe.

1488 Juli 24Die Älderleute des Kannengießeramtes (Zinngie-ßer) klagen, dass die Vormünder des Sohnes einesverstorbenen Amtsbruders (?) einen Kannen-gießer in Moisling (bei Lübeck) beschäftigten,was der Rat verbietet, da er nene vorstadt gehol-den hebben wolle.

1489 urn Juli 25Den Streit zwischen Hans Drevenstede,Schmied in der koppersleger dwerstraten und

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seinen Nachbarn einerseits sowie Peter Wu[ve,Grapengießer (Messinggießer), und Hans' un-mittelbarem Nachbarn andererseits entscheidetder Rat dahingehend, dass sich Peter ohne Zu-stimmung seinerNachbarn dort nicht etablierendarf, da in dem Haus seit 30 Jahren keine grapengegossen worden sind.

1489um November 11Die Nachbarn erheben Einspruch gegen dieVermietung eines Hauses in der »Beckergrube"(= Straßenname) als Brauhaus, da es früher dochneyn bruwhueß gewesen sei.Der Rat gibt ihremEinspruch statt.

1491umJuni 2Der Streit zwischen denWollenwebern und denFilzhutmachern einerseits und einigen Kaufleu-ten andererseits um den Aufkauf von Schurwol-le (scharwulle) in und um Lübeck wird vom Ratdurch einVerbot entschieden. Die ropwulle dür-fen die rothlässker (Rotgerber) aber nach alterGewohnheit verkaufen.

1491um September 1Auf Klagen der Nachbarn wird dem SteffenSmede vom Rat untersagt, das Webereigewerbeauszuüben, da dort, wo er wohnt, nene toeuerstede is ghewesen.

1492um April 8Die Älderleute der Träger klagen gegen dieKohlenstürzer vor dem Holstentor, weil dieseihnen nicht gehorsam sein wollen wie diemolenstrater (= andere Kohlenstürzer-Gruppe),und erhalten die Unterstützung des Rates mitAndrohung des Gewerbeverbotes.

1494um Februar 6Hans Junge hatte im Haus der AhrensbökerKartäuser in der »Dankwartsgrube" (=Straßen-name) eine Kupferschmiede einrichten lassen,was ihm auf Klagevon Vermieter und Nachbarnbynnen jar unde dage vom Rat untersagt wird.

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1494um Oktober 16Ein Vikar der Jakobikirche und mehrere Nach-barn in der Glockengießerstraße haben gegenden dort wohnhaften Kohlenstürzer Detleff Pe-ters geklagt; der Rat entzieht diesem das Recht,dort zu wohnen, na deme dar neyn kolstortergewont hedde.

1496September 10Das Leinenweberamt verklagt seinen Amtsbru-der Heyne Brunß auf Amtsrechtsentzug, weildessen Ehefrau ein totes (d.h, gestorbenes, nichtgeschlachtetes) Lamm gekauft, aufgeschnittenund verteilt haben soll. Der Rat verweigert dies,da die Empfänger nicht geklagt und Heyneselbst von dem Fleisch gegessen habe, so dasskein Missbrauch vorliege.

1498August 4Verbot des Honig-zemendes mede bruwendesund parßendes in einem Haus, in dem dies schonüber Jahr und Tag und länger nicht mehr gesche-hen ist.

1500Februar 7Die Eltern zweier Lehrjungen klagen gegenHinrick Bodeker, Maler, weil er die Jungen mitRuten gestraft habe. Der Rat entscheidet, dassHinrick straffrei sei, da er die Jungen neen brununde blaw gewracht, sondern sie wie ein Vaterseine Kinder gestraft habe.

1500März 21Der Maler Peter Wise klagt gegen die Testa-mentsvollstrecker des tKarsten Bade wegen ei-ner von diesem in Auftrag gegebenen A1tartafel,die nun teurer geworden ist als zuvor vereinbartworden war. Der Rat entscheidet, dass dieÄlderleute der Maler als Gutachter beurteilensollen, ob Peters Nachforderung berechtigt ist;wenn ja, dann müssen die Testamentsvollstrek-ker zahlen, oder sie verlieren die 20 Mark, diebereits für die Tafel gezahlt worden sind.