Zeitschrift KLASSE - 1/2015

9
1/2015 DAS MAGAZIN FÜR SCHULE IN SACHSEN KLASSE Willkommen im Team! Generationenwechsel an Sachsens Schulen

description

 

Transcript of Zeitschrift KLASSE - 1/2015

Page 1: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

1/2015

DAS M AGA ZI N FÜR SCH U LE I N SACHSEN

KLASSE

Willkommen im Team! Generationenwechsel an Sachsens Schulen

Page 2: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

1 / 20152 1 / 2015 3KLASSE KLASSE

E D I T O R I A L / I N H A LT

IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für Kultus (SMK), Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden | Redaktion: Anja Niemke (V. i. S. d. P. ), Telefon: (0351)564 25 11, E-Mail: [email protected]; Anikó Popella, Nicole Kirchner, Peter Stawowy, stawowy media | Mitarbeit in dieser Ausgabe: Anja Niemke, Annechristin Bonss, Beate Diederichs, Sebastian Martin, Thuy Nguyen, Caroline Vogt | Fotos: Ronald Bonss, Mike Hilleb-rand, Robert Reinhold (S. 12/13), Daniel Scholz, Monkey Business - Fotolia.com (S. 2), notkoo2008 - Fotolia.com (S. 15) | Gestaltung: stawowy media | Auflage: 40.000 Exemplare | Druck: Druckerei Vetters | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit heraus-gegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

Sie können KLASSE kostenlos abonnieren. Dazu genügt eine E-Mail mit Angabe Ihrer Adresse an [email protected]. Ansprechpartner für Ihre Hinweise, Meinungen und Themenvorschläge für die kommenden Ausgaben der KLASSE ist das Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden, Telefon: (0351) 564 25 11, E-Mail: [email protected] (kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte Dokumente).

Liebe Leserinnen und Leser,im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist vorgesehen: »Wir ersetzen jede Lehrerin und jeden Lehrer, die aus dem Schuldienst ausscheiden, 1:1 und tragen dem Anstieg der Schülerzahlen, den deutlich gestiegenen Ausbildungsverpflichtungen der Schulen und dem erhöhten Bedarf für die schulische Inklusion angemes-sen Rechnung.« Der Generationenwechsel an unseren Schulen steht damit auf einem sicheren Fundament.

In den kommenden zehn Jahren geht die Hälfte der derzeit un-terrichtenden Lehrerinnen und Lehrer in Ruhestand. In »Spit-zenzeiten« müssen bis zu 1.700 Lehrer pro Schuljahr ersetzt werden. Wenn junge Lehrer neu und teilweise direkt von der Universität an eine Schule kommen, ist das für alle Beteiligten eine Herausforderung. In der Titelgeschichte »Willkommen im Team!« greifen wir den Generationenwechsel im Lehrerzimmer auf. Die KLASSE-Redaktion hat neu eingestellte Lehrerinnen und Lehrer gefragt, wie ihr Start verlief und welche Erfahrungen sie bereits sammeln konnten. Für ein erfülltes Berufsleben sind vor allem die ersten Jahre im Beruf wichtig und prägend. Des-halb haben wir für Nachwuchskräfte ein Coaching-Programm initiiert. Doch auch Schule muss auf die neuen Lehrer vorbereitet sein. Damit die Zusammenarbeit von Anfang an gelingt, gibt es Fortbildungsangebote zur Mentorentätigkeit.

Eine gute Lehrerin, ein guter Lehrer zu sein, ist eine anspruchs-volle Tätigkeit. Für unseren Lehrernachwuchs ist es wichtig, dass er auf die Unterstützung und Erfahrung derer setzen kann, die schon länger dabei sind. Zugleich wünsche ich mir, dass die jungen Lehrerinnen und Lehrer Bewährtes auch anerkennen. Mit der richtigen Mischung aus Respekt, Anerkennung, Offen-heit und Vertrauen wird der Generationenwechsel im Lehrer-zimmer gelingen.

Brunhild Kurth Sächsische Staatsministerin für Kultus

Inhalt Aus dem Koalitionsvertrag – Seite 4

Aus Lehrersicht – Seite 5 Junglehrerin Susann Richter über ihren ersten Elternabend

Titelgeschichte – Seite 6 Generationenwechsel an Sachsens Schulen

Ein Tag in Bildern – Seite 10 Julia Börnicke, Kunstturnerin und Sportschülerin

Aus Schülersicht – Seite 11 Nico Paul über seinen Schulalltag am Kolleg in Freiberg

Bericht: Der Schüler von heute – Seite 12 Das Bild einer Schülergeneration

Recht und Ordnung – Seite 14 Zur Informationspflicht der Schule

Der KLASSE-Fragebogen – Seite 15 Anja Koebel, MDR-Moderatorin

»10

»06

Die Schulferien können beginnen: Bis zum Schuljahr 2023/2024 stehen die Ferientermine in Sachsen fest.

Das Kultusministerium hat die Ferientermine von 2017 bis 2024 für den Freistaat Sachsen bekannt gegeben.

Während die Kultusministerkonferenz die langfristigen Termine für die Sommerferien bereits im Juni 2014 beschlossen hat, wer-den die übrigen Ferientermine – die sogenannten kleinen Ferien – von den jeweiligen Ländern selbst festgelegt.

In Sachsen stehen mittlerweile die zweiwöchigen Herbst- und Winterferien sowie eine Woche Osterferien fest im Ferienka-lender. Aufgrund der breiten Zustimmung wird an diesem

Rhythmus auch bis 2024 festgehalten. In allen Jahren ist zudem der Freitag nach Himmelfahrt ein Ferientag. Je nach Lage der feststehenden Feiertage ergeben sich pro Schuljahr ein bis zwei unterrichtsfreie Tage, deren Datum die Schulen selbst festlegen können.

Da Sachsen am rollierenden System der Sommerferien innerhalb der Bundesrepublik teilnimmt und die Sommerferien teilweise bereits Ende Juni beginnen, gibt es in Sachsen grundsätzlich kei-ne längeren Pfingstferien.

Schuljahr 2017/2018 2018/2019 2019/2020 2020/2021 2021/2022 2022/2023 2023/2024

Herbstferien 02.10.–14.10. 08.10.–20.10. 14.10.–25.10. 19.10.–31.10. 18.10.–30.10. 17.10.–29.10. 02.10.–14.10.

Weihnachtsferien 23.12.17.– 02.01.18

22.12.18 – 04.01.19

21.12.19 – 03.01.20

23.12.20 – 02.01.21

23.12.21– 01.01.22

22.12.22 – 02.01.23

23.12.23 – 02.01.24

Winterferien 12.02.–23.02. 18.02.–02.03. 10.02.–22.02. 08.02.–20.02. 12.02.–26.02. 13.02–24.02. 12.02.–23.02.

Osterferien 29.03.–06.04. 19.04.–26.04. 10.04.–18.04.20 02.04.–10.04. 15.04.–23.04. 07.04.–15.04. 28.03.–05.04.

Pfingstferien 19.05.–22.05. - - - - - 18.05.–21.05.

Sommerferien 02.07.–10.08. 08.07.–16.08. 20.07.–28.08. 26.07.–03.09. 18.07.–26.08. 10.07.–18.08. 20.06.–31.07.

unterrichtsfreie Tage

30.10.1711.05.18

31.05.19 22.05.20 14.05.21 27.05.22 19.05.23 30.10.2310.05.24

frei bwgl. Tage 2 Tage 1 Tag 1 Tag 2 Tage 1 Tag 1 Tag 2 Tage

Alle Schulferien bis 2024 gibt es auch unter: www.schule.sachsen.de/ferien

Zum Jahresbeginn hat Ministerin Kurth die Präsidentschaft der Kultusministerkon-ferenz übernommen. Damit hat erstmals seit der Wende eine sächsische Kultusmi-nisterin den Vorsitz inne.

Ferientermine bis 2024 festgelegt

Page 3: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

1 / 20154 1 / 2015 5KLASSE KLASSE

»Vor meinem ersten Eltern-abend war ich sehr aufgeregt. Ich kom-me frisch von der Ausbildung und bin noch relativ jung. Deshalb fürchtete ich, die Eltern würden mich nicht ernst nehmen, weil ich kaum Erfahrung habe. Darum bereitete ich mich besonders gut vor. Mir gab Selbstvertrauen, dass ich im Referendariat die aktuellsten päda-gogischen Kenntnisse erworben habe. Außerdem profitierte ich von den Tipps meiner erfahreneren Kollegin aus der Pa-rallelklasse. Die Eltern meiner 20 Schüler begrüßten mich sehr freundlich. Ich hat-te während des Elternabends nie das Ge-fühl, dass sie meine Kompetenz als Leh-rer in Frage stellten. Da ich selbst einen kleinen Sohn habe, wussten sie auch: Ich kann viele ihrer Ängste nachvollziehen.

Der Elternabend verlief dann entspannt. Am Anfang fürchtete ich zu langweilen oder etwas Wichtiges zu vergessen. Bei-des unbegründet. Es gab so viel zu bere-den, dass ich mit einigen Eltern nach dem offiziellen Ende noch eine halbe Stunde auf dem Parkplatz zusammenstand. Viele Eltern sind bei Schulbeginn unsicher, vor allem, wenn das erste Kind in die Schu-

le kommt. Sie haben Angst, es könnte in der Gruppe nicht klarkommen oder den schulischen Anforderungen nicht gerecht werden. Da muss ich als Lehrer erst ein-mal beruhigen.

Nach diesen ersten Wochen weiß ich: Meine Elternschaft ist sehr engagiert und bereit, die Arbeit der Schule zu un-terstützen. Wir Lehrer haben den Eltern gegenüber auch Pflichten: Mindestens einen Elternabend pro Halbjahr müssen wir durchführen. Dazu kommen zwei Elternsprechtage. Mit vielen Elternhäu-sern steht man als Lehrer so in ständi-gem Kontakt. Allgemeine Dinge, die alle oder einen Großteil der Schüler betreffen, kann man im Elternabend absprechen. Privateres und Individuelleres beim per-sönlichen Termin. Vor dem ersten Eltern-abend habe ich überlegt, was ich über mich selbst preisgeben sollte. Ich fand es okay zu sagen, dass ich Mutter bin und verheiratet. Doch ich würde mich bei-spielsweise mit Eltern nicht duzen. Wenn sie mich kontaktieren wollen, nutzen sie meine E-Mail-Adresse. Meine Handy-nummer hat nur die Elternsprecherin. Das funktioniert gut.

Meine Erfahrungen bisher zeigen: So wie es Elternhäuser gibt, mit denen man viel kommuniziert, gibt es auch einige weni-ge, die die Kooperation total verweigern. Dort bleibt nur, sich an das Jugendamt zu wenden, wenn Probleme mit den Kindern auftreten. Das Gegenteil, die sogenann-ten Helikopter-Eltern, ist mir persönlich noch kaum begegnet. Zugenommen ha-ben meiner Meinung nach Auseinander-setzungen mit Eltern über die Leistungs-messung, vor allem, wenn es um die Bildungsempfehlung geht. Hier hilft nur eine für Schüler und Eltern transparente Leistungsbewertung, um Schwierigkeiten vorzubeugen.«

AU S L E H R E R S I C H T

KOA L I T I O N S V E R T R A G

Weiterbildungsangebote »Von der Elternarbeit zu Bildungs- und Erziehungspartnerschaften.« Mit (mehr) Eltern bessere Schule machen. Gelin-gensbedingungen für Bildungs- und Erziehungspartnerschaften. Workshop, an-geboten durch SBI, Mai 2015. Fortbildung Beratungskompetenz. »Elterngesprä-che professionell führen.« Für verschiedene Klassenstufen, angeboten durch SBI, verschiedene Termine 2015.

»Ich war aufgeregt«Seit September arbeitet Susann Richter, 32, als Lehrerin der Klasse 1a

an der 19. Grundschule »Am Jägerpark« in Dresden. Die Angst vor dem

ersten Elternabend war zum Glück unbegründet.

PROTOKOLL: BEATE DIEDERICHS, KLASSE-REDAKTION

AU S L E H R E R S I C H T

Sachsens Zukunft gestaltenAm 10. November 2014 haben CDU und SPD den Koalitionsvertrag 2014–2019 unterschrieben.

Die KLASSE-Redaktion zitiert auszugsweise aus dem Kapitel »Schulische Bildung«.

»Wir werden die Durchlässigkeit im zwei-gliedrigen sächsischen Schulsystem weiter-entwickeln und die Anschlussfähigkeit der Oberschulen an die Gymnasien erhöhen. Wir werden dazu den Schulen vor Ort die Möglichkeit eröffnen, eigenverantwortlich von der Bildungsgangdifferenzierung ab-zuweichen. […] An der achtjährigen gym-nasialen Ausbildung halten wir fest. […] Die Quote der Schüler ohne Abschluss wollen wir senken. Wir werden von der Verstetigung des produktiven Lernens bis hin zur Qualifizierung des für Förderschü-ler bestmöglichen Abschlusses entspre-chende Maßnahmen auf den Weg bringen. […]

Schülerinnen und Schüler im ländlichen Raum haben auch in Zukunft die gleichen Bildungschancen wie Schülerinnen und Schüler in Ballungszentren. Wir werden in den Klassen Abweichungen von den Mindestschülerzahlen zulassen und ent-sprechende Regelungen für Grund- und Oberschulen im Schulgesetz verankern. Darüber hinaus sollen Grundschulen au-ßerhalb der Mittel- und Oberzentren die

Möglichkeit haben, jahrgangsübergrei-fenden Unterricht einzuführen. […] Zur Sicherung der Unterrichtsversorgung im ländlichen Raum werden wir auch die Zu-sammenarbeit in Schulverbünden ermög-lichen.

[…] Wir werden die Inklusion in den Schulen schrittweise und mit Augenmaß ermöglichen. […] Eine grundsätzliche Abschaffung der Förderschule in Sachsen schließen wir aus.

[…] Wir werden dafür sorgen, dass Schü-ler in der Grundschule die Schreibschrift in Form der Schulausgangsschrift lernen.

[…] Die Koalitionspartner werden für eine ausreichende Zahl qualifizierter Lehr-kräfte an Berufsbildenden Schulen Sorge tragen und dazu auch neue Wege gehen. Die Berufsschulzentren werden wir zu ei-genverantwortlichen Kompetenzzentren weiterentwickeln. […]

Wir werden geeignete Maßnahmen ergrei-fen, damit immer mehr junge Menschen

die Schule mit einem qualifizierten Ab-schluss verlassen können. Dazu bedarf es einer Verbesserung der individuellen För-derung und des Übergangsmanagements Schule–Ausbildung–Beruf sowie einer qualitativ hochwertigen und bedarfsge-rechten Berufsberatung. Wir werden die Berufs- und Studienorientierung früher be-ginnen, sie sowohl an Gymnasien wie auch an Oberschulen dauerhaft etablieren, ihre Qualität erhöhen und die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern stärken.

Wir werden das Schulgesetz auf Basis die-ses Koalitionsvertrages novellieren. Ziel ist es, einen Entwurf im Jahr 2015 vorzule-gen.

[…] Wir werden das Gesetz für Schulen in freier Trägerschaft novellieren. Dabei set-zen wir die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom 15.11.2013 um.

[…] Wir setzen uns für länderübergreifen-de Abiturprüfungen in ganz Deutschland ein.«

»Wir werden im Rahmen eines im Jahr 2015 vorzulegenden »Lehrerpersonalent-wicklungskonzeptes 2020« die genauen Bedarfe ermitteln und für einen reibungs-losen Generationenwechsel in den Schulen sorgen. […] Wir ersetzen jede Lehrerin und jeden Lehrer, die aus dem Schuldienst ausscheiden, 1:1 und tragen dem Anstieg der Schülerzahlen, den deutlich gestiege-nen Ausbildungsverpflichtungen der Schu-len und dem erhöhten Bedarf für die schu-lische Inklusion angemessen Rechnung. In dieser Legislaturperiode werden wir min-destens 6.100 neue Lehrerinnen und Leh-rer unbefristet einstellen. Das Einstellungs-verfahren werden wir transparenter und zügiger gestalten. Der Vertretungslehrer-pool soll fortgeführt werden. Wir wollen

den Vertretungslehrern, die sich bewährt haben, eine berufliche Perspektive geben. Die Studienkapazitäten für Lehramtsstu-dien an sächsischen Universitäten und die Bereitstellung von rund 2.000 Plätzen im Vorbereitungsdienst werden wir auf die-sem Niveau halten. Wir werden einen Teil-zeit-Vorbereitungsdienst erproben. […]. Am Staatsexamen in Lehramtsstudien-gängen werden wir festhalten. […] Um im Wettbewerb um Lehrerinnen und Lehrer zu bestehen und Nachwuchskräfte in allen Regionen Sachsens zu binden, werden wir attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedin-gungen insbesondere auch im ländlichen Raum gestalten und Anreize wie das Sach-sen-Stipendium einführen. Neben einer Verbesserung der Maßnahmen zur frühzei-

tigen Gewinnung von Lehrkräften für die ländlichen Regionen (bereits während Stu-dium und Vorbereitungsdienst) prüfen wir weitere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs in Sachsen. Wir prüfen die Erleichterung des Wechsels aus anderen Bundesländern. Im Sinne der besseren Planbarkeit an Schulen soll die Begrenzung der Laufzeit von Teilzeitver-trägen auf ein Jahr zukünftig aufgehoben werden. Für Abordnungen sind ebenfalls längere Laufzeiten zu prüfen. Schulische Qualität entsteht vor Ort. Deshalb werden wir die pädagogische, die organisatorische und die personelle Eigenverantwortung der Schulen weiter stärken.«

Für den Koalitionsvertrag sind die Regierungsparteien zuständig. Den Vertrag finden Sie im Internet unter: www.sachsen.de/neueregierung2014.jsp

Lehrkräfte und Lehrernachwuchs

Durchlässigkeit, Abschlüsse, Schule im ländlichen Raum

Page 4: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

1 / 20156 1 / 2015 7KLASSE KLASSE

R E P O R TA G E

Hoch motiviertBis zum Jahr 2020 werden rund 6.700 Lehrer in Sachsen in Ruhestand

gehen. Diese sollen 1:1 durch jüngere Lehrkräfte ersetzt werden.

Der Generationenwechsel im Lehrerzimmer ist eine herausfordernde Aufgabe.

VON SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION

Draußen geht langsam die Sonne auf, als Alexandra Liehr die Lessing-Grundschule in Pirna betritt – einen imposan-ten Bau, der mit seinen Verzierungen an die Epoche des Jugend-stils erinnert. Die 30-Jährige läuft mit schnellem Schritt gerade-aus zur Treppe, biegt in der ersten Etage rechts ab und schließt Zimmer 3.10 auf. Es ist der Klassenraum der 3a. In dem werden die Schüler heute ihre Lapbooks zurückerhalten, die die junge Lehrerin gerade aus ihrem Rucksack auspackt. Doch bevor sie die aufklappbaren Mappen in der ersten Stunde austeilen wird, will sie mit ihrer Kollegin noch einmal die Bewertung verglei-chen. Also ab ins Lehrerzimmer.

»Guten Morgen«, hallt es durch den Raum. Angelika Huschka, ebenfalls Lehrerin einer dritten Klasse, 57 Jahre und damit fast doppelt so alt wie ihre junge Kollegin, gießt zwei Tassen Kaffee ein und setzt sich ebenfalls an den Tisch. Wer die beiden beob-achtet, der merkt schnell: Man ist sich vertraut. »Du hast die Lapbooks in deiner Klasse wie besprochen bewertet?«, fragt Ale-xandra Liehr. »Ja.« Inhalt, Gliederung, Sauberkeit, selbststän-diges Arbeiten – die Punktevergabe ist identisch. Jetzt muss nur noch der Termin für die Absprache der anstehenden Deutsch-kontrolle ausgehandelt werden. »Donnerstag?« »Könnte passen. Nach der sechsten Stunde?« »Perfekt.«

Alexandra Liehr schaut auf die Uhr. Es ist Punkt sieben – Zeit, zu gehen. Sie will noch ein paar Kopien ausdrucken, die sie später im Unterricht benötigen wird. Ihrer Kollegin wird sie welche ins Fach legen – schließlich werden auch deren Schüler demnächst das verstehende Lesen üben. Und es reiche ja aus, wenn einer in der Klassenstufe die Übung vorbereite, sagt sie und verschwin-det in Richtung Kopierer. Angelika Huschka trinkt derweil ihren Kaffee aus. »Wir sitzen fast jeden Morgen zusammen, um uns auszutauschen und Aufgaben zu verteilen«, sagt sie. Sonst wäre das Pensum kaum zu schaffen.

Barrieren für den Nachwuchs

Eine Frage muss jetzt aber mal sein: Wie ist es eigentlich für eine gestandene Lehrerin wie sie, mit jemandem zusammenzuarbei-ten, deren Mutter sie sein könnte? Die Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt lacht. Das klappe einwandfrei, antwortet sie. Alexandra sei offen, hilfsbereit und habe gute Ideen für den Un-terricht – wie die mit dem Lapbook. So etwas habe sie früher gar nicht gekannt. Schon bei der Planung am Anfang des Schuljah-res habe ihre junge Kollegin vorgeschlagen, dass die Kinder zum Thema »Sinne« eins anfertigen könnten. Gemeinsam habe man anschließend an der Umsetzung gearbeitet und die Bewertung besprochen. Auf Augenhöhe wohlgemerkt. »Wir älteren Kollegen freuen uns doch, wenn neuer Schwung in die Schule kommt«, sagt Angelika Huschka und trinkt den letzten Schluck Kaffee aus.

Solche Aussagen wird Juliane Keitel, Lehrerin im Hochschul-dienst an der Uni Leipzig, gern hören. Sie ist an der kontinu-ierlichen Weiterentwicklung und Gestaltung des Programms be-teiligt, mit dem seit 2010 künftige Mentoren auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden. Im Mittelpunkt stehe dabei der sogenann-te Theorie-Praxis-Transfer, sagt die 46-Jährige. Denn neue Er-kenntnisse, die an den Universitäten gelehrt werden, würden zu selten an den Schulen reflektiert und in den Klassenzimmern an-kommen. »Studierende sowie Referendare treffen an den Schu-len häufig auf Lehrkräfte, deren eigene Ausbildung schon lange zurückliegt, so dass es zwischen den universitären und den pra-xisrelevanten Wissensbeständen oft nur wenige Anschlüsse und Berührungspunkte gibt«, erklärt Juliane Keitel. Dadurch stoße der Nachwuchs teilweise auf Barrieren. Er gerate in ein Span-nungsfeld, weil er beispielsweise in Bewertungssituationen unsi-cher sei, ob und wie viel Neues er ausprobieren dürfe, ob er sich an den Anforderungen im Seminar oder eher an den erprobten Praxiskonzepten der älteren Lehrkräfte orientieren soll, sagt sie.

Das Mentorenprogramm verfolgt daher das Ziel, die jeweiligen Wissensstände zwischen Universität und Schule anzupassen. Den Teilnehmern werden Inhalte aus der aktuellen Forschung und Lehrerbildung vermittelt, damit sie diese in den Unterricht inte-grieren und aufgeschlossener neuen Ansätzen gegenüber werden. Mut zur Moderne, Schützenhilfe für die Studierenden, könnte ein Außenstehender den Generationenwechsel an sächsischen Schu-len kommentieren. Innerhalb der verschiedenen Fortbildungsan-gebote werde zudem mit den zukünftigen Mentoren an einem professionellen Rollenverständnis gearbeitet – mit dem Ziel, dass sie die Lehramtsanwärter und Berufsanfänger kompetent und als gleichberechtigte Gesprächspartner begleiten, sagt Juliane Keitel.

Meinungsverschiedenheiten, aber keine Konflikte

Eine, die an dem Programm teilgenommen hat, ist Martina Rei-nicke. Sie arbeitet am Berufsschulzentrum Döbeln-Mittweida – eine Einrichtung mit insgesamt vier Standorten. Seit Oktober betreut sie eine Referendarin. Sie habe in den Kursen viel für die Betreuung, Beratung und Beurteilung der Lehramtsanwär-ter lernen können, sagt die Ethiklehrerin. Außerdem habe ihr der Erfahrungsaustausch mit Kollegen geholfen. Bevor Marti-na Reinicke am Mentorenprogramm teilnahm, hatte sie bereits drei Praktikantinnen angeleitet. »Alle waren sehr gut ausgebil-det, hoch motiviert, sehr lernbereit und haben ausgezeichnet mit mir zusammengearbeitet«, sagt sie. Einige Ideen hat sie sich abschauen können, dem Nachwuchs aber auch viel mitgeben können – zum Beispiel Erfahrung, Fachwissen, methodische und didaktische Kenntnisse sowie Tipps, wie schwierige Situationen zu bewältigen sind.

T I T E L T I T E L

»WIR ÄLTEREN KOLLEGEN FREUEN UNS DOCH, WENN NEUER SCHWUNG IN DIE SCHULE KOMMT.«

ANGELIKA HUSCHKA, LEHRERIN, LESSING-GRUNDSCHULE PIRNA

1 / 20156 KLASSE

Page 5: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

1 / 20158 1 / 2015 9KLASSE KLASSE

In Pirna ist es mittlerweile 7.15 Uhr. Alexandra Liehr, die jun-ge Lehrerin an der Lessing-Grundschule, hat längst die Kopien ausgedruckt. Jetzt sitzt sie wieder im Zimmer 3.10, die Schüler trudeln langsam ein. Es ist ihre zweite Klasse, für die sie ver-antwortlich ist. Im September hat sie diese übernommen. Zuvor arbeitete sie ein Jahr an einer Grundschule in Heidenau, wo sie auch ihr Referendariat absolvierte. »Ich wurde überall gut auf-genommen und gleichberechtigt behandelt«, sagt sie. Konflikte zwischen ihrer und der älteren Generation habe es nirgendwo gegeben. Natürlich werde manches unterschiedlich gesehen und der eine beginne den Unterricht lieber mit einem Lied statt mit einem Spiel, aber sie habe sich überall ausprobieren dürfen. Und wenn eine Idee im Unterricht nicht funktioniere, dann werde es beim nächsten Mal anders gemacht, sagt die sympathische Frau. Ganz einfach.

Neue Denkweisen und Ideen

Es wird Zeit, ins Sekretariat zu gehen. Die stellvertretende Schul-leiterin wartet. Sie soll das offene Klima in der Lessing-Grund-schule entscheidend mitprägen. Wer Katrin Melzer das erste Mal sieht, der glaubt das sofort. Mit einem freundlichen Lächeln be-grüßt sie ihren Gast und beginnt zu erzählen. Als sie vor acht Jahren hier angefangen habe, sei sie eine der Jüngsten im Leh-rerzimmer gewesen. Mit damals 40 Jahren. Inzwischen hat sich die Altersstruktur gewandelt. Zwar sind nach wie vor die älteren Kollegen in der Mehrheit und Ende des Schuljahres werden drei in den Ruhestand gehen, doch neben den beiden Referendaren und Alexandra Liehr gibt es noch andere, die weit unter 40 sind.

Die Zusammenarbeit funktioniere nicht nur in Klassenstufe drei super, sagt Katrin Melzer. Viele der älteren Kollegen stehen den neuen Ansätzen offen gegenüber, die durch das junge Personal hineingetragen werden. »Die Jungen sind der Motor, weil sie

eine neue Denkweise und viele gute Ideen mitbringen«, sagt die 48-Jährige. »Die Älteren sind aber mindestens genauso wichtig, weil wir deren Erfahrung brauchen. Es ist ein gegenseitiges Neh-men und Geben.« Oder anders ausgedrückt: Nur gemeinsam ist man stark.

Aber wie schafft es die Schulleitung, dass ältere Kollegen am Ende ihrer Karriere noch Neues ausprobieren? Zum einen herr-sche an der Lessing-Grundschule seit jeher ein gutes Klima. Zum anderen halte die Schulleitung die älteren Kollegen dazu an, dass sie die angebotenen Fortbildungen nutzen - allerdings nicht mit der Brechstange. Freiwillig würden diese die angebotenen Veran-staltungen besuchen und versuchen, das Neue im Unterricht zu integrieren, sagt Katrin Melzer.

In der Lessing-Grundschule klingelt es zur ersten Stunde. Ob-wohl Alexandra Liehrs Start ins Berufsleben nahezu perfekt verlief, hatte auch sie Probleme. Sie hätte sich gewünscht, dass sie besser auf das reale Schulleben vorbereitet worden wäre. Sie habe zwar viel Fachliches gelernt, wichtig wäre aber auch ge-wesen, den Umgang mit schwierigen Schülern oder das Führen von Elterngesprächen zu üben. All das haben ihr erst die älteren Kollegen erklärt.

Kostenlose Hilfe für den Berufseinstieg

Das Problem hat man auch im Kultusministerium erkannt und ein Programm initiiert. »Begleitete Berufseinstiegsphase« heißt es und beginnt mit dem Berufsstart. Die reSOURCE Dresden GmbH bietet es seit dem vergangenen Schuljahr kostenlos an. Mit dem Angebot sollen junge Lehrer in den ersten Berufsjahren unterstützt werden – also in der Zeit, in der erstmals alle Anfor-derungen des Schulbetriebes voll auf sie einstürmen. Denn was in dieser Phase gelingt oder nicht, das sei prägend für das komplette

T I T E L T I T E L

Franziska Jung-mann promoviert an der TU Dresden zum Thema alters-gemischte Teamar-beit. Im Gespräch mit KLASSE gibt sie Tipps, wie die Gene-rationen zusammen-wachsen.

Welches Konfliktpotenzial gibt es, wenn Generationen aufeinandertreffen?

Jede Generation hat ihre Eigenheiten und zudem andere Ansichten, weil sich Werte und Motivation im Laufe des Lebens än-dern. Ältere streben zum Beispiel mehr nach Sicherheit. Sie wollen häufig keine Veränderungen mehr. Jüngere dagegen kommen mit Tatendrang aus der Ausbil-dung und wollen ihr neues Wissen in der Praxis umsetzen. Das Aufeinanderprallen kann durchaus fruchtbar sein, wenn zum Beispiel die Erfahrungen der Älteren mit dem Schwung der Jüngeren geschickt zu-sammengebracht werden.

Aber es kann auch Probleme geben.

Ja, zumal von beiden Seiten oft Vorurteile aktiviert werden und sich die Generatio-nen häufig voneinander abgrenzen. Wenn jemand Neues in ein Team kommt, dann wird er sich vermutlich am ehesten mit den Mitarbeitern identifizieren, die ihm ähnlich sind – ein junger Mensch wird also wahrscheinlich eher den Kontakt zu Gleichaltrigen suchen. Und unterbewusst

wird er die Älteren vielleicht abwerten, weil sie nicht seine Werte teilen.

Wie lässt sich das Konfliktpotenzial ent-schärfen?

Ich denke, dass an Schulen eher eine Kul-tur der Offenheit gelebt wird als anders-wo, weil Lehrer ja automatisch mit Jün-geren und unterschiedlichen Charakteren zu tun haben. Wichtig ist daher, dass der Schulleiter dafür sorgt, dass es Verständ-nis füreinander gibt und sich alle gleicher-maßen einbringen. Und er sollte die indi-viduellen Stärken fördern sowie die Arbeit der Kollegen wertschätzen. Besonders äl-tere Angestellte brauchen dies. Das setzt allerdings voraus, dass er sich intensiv mit seiner Mannschaft beschäftigen muss.

Was raten Sie jungen Lehrern, die frisch von der Uni kommen und an den Schulen alles verändern wollen?

Es ist wichtig, dass sie neuen Schwung in die Schulen bringen. Allerdings sollten junge Lehrer auch Verständnis für die Struktur und die Kultur haben, die an den Schulen über Jahre gewachsen ist. Diese sollten sie akzeptieren und Veränderungen nur schrittweise anstoßen. Sonst werden sie viel Gegenwehr verspüren. Außerdem sollten junge Lehrer das Gespräch mit den älteren Kollegen suchen und sich gemein-sam Gedanken machen, wie man zum Bei-spiel neue Methoden mit Altbewährtem kombinieren kann. Beide Seiten müssen miteinander kommunizieren.

»Eine Kultur der Offenheit«»ICH WURDE ÜBERALL GUT AUFGENOMMEN UND GLEICH-BERECHTIGT BEHANDELT.« ALEXANDRA LIEHR, LEHRERIN AN DER LESSING-GRUNDSCHULE IN PIRNA

Berufsleben, heißt es. Zudem entscheide sich in dieser Zeit, ob die jungen Kollegen moderne Pädagogik umsetzen oder schon froh sind, die nächste Stunde zu überste-hen.

Das Programm besteht aus insgesamt vier Trainings. Diese dauern jeweils zweiein-halb Tage und finden in der Ferienzeit statt. Thematisiert werden das Selbst- und Zeitmanagement, der professionelle Um-gang mit Unterrichtsstörungen, die Ko-operation mit Kollegen und Eltern sowie die Heterogenität in den Klassen. In klei-nen Gruppen werden Erfahrungen ausge-tauscht, Praxisprobleme aufgegriffen und mithilfe von Rollenspielen Handlungsal-ternativen erarbeitet. »Ich kann die Teil-nahme nur empfehlen«, sagt eine junge Oberschullehrerin aus Dresden. Wie Alexandra Liehr hätte auch sie sich mehr Praxisnähe während der Ausbildung ge-wünscht, weshalb sie an der »Begleiteten Berufseinstiegsphase« teilnimmt.

In der Lessing-Grundschule in Pirna ist unterdessen die erste Stunde vorbei. Die Schüler der Klasse 3a haben ihre Lap-books zurückbekommen. Acht Einsen waren dabei, der Rest Zweien und ein paar Dreien. Die Schüler scheinen zufrie-den. Auch Alexandra Liehr lächelt. Sie hat ihren Traumjob gefunden und noch einen Tipp: »Es ist wichtig, dass man sich die Ratschläge der älteren Kollegen zu Herzen nimmt«, sagt sie.

Informationen zum Programm: Begleitete Berufseinstiegsphase: www.bbeph.de und zum Mentorenprogramm: www.lehrerbildung.sachsen.de/12609.htm

Wenn Jung und Alt zusammenarbeiten müssen, hängt es von beiden ab, wie gut das klappt: Am Anfang steht das gegenseitige Kennenlernen. Schwierig wird es, wenn sich beide als Konkurrenten wahrnehmen. Nicht selten: Der Neue verliert die Geduld und denkt, er muss den älteren Kollegen in Richtung Ziel schleppen. Das führt aber nicht zum Erfolg.

Es ist gut möglich, gerade wenn der junge Lehrer neue Methoden von der Universität mitbringt, dass es einiger Überzeugungsarbeit bedarf. Hier ist Geduld gefragt. Das gilt andersherum genauso: Die Ratschläge und Erfahrungen der älteren Kollegen sind wertvoll und sollten gehört werden. Nur mit gegenseitigem Respekt kommt man ans Ziel.

Page 6: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

1 / 201510 1 / 2015 11KLASSE KLASSE

E I N TA G I N B I L D E R N

Er hat es versucht. Bis zur 9. Klasse war Nico Paul auf dem typischen gepflasterten Schulweg unterwegs – Gymnasium, Abitur machen, danach eine Ausbildung oder ein Studium absol-vieren. Das war sein Plan und natürlich der seiner Eltern. Doch dann kam irgendwie die Pubertät dazwischen und Nico ging ein-fach nicht mehr geradeaus weiter.

Er bog ab auf die Mittelschule und machte dort die Mittlere Reife. Nach dem Abschluss begann er seine Ausbildung als Zer-spanungsmechaniker in Radebeul. Es dauerte zwei Jahre und zahlreiche Schichtdienste, bis ihm klar war – das ist es nicht. »Ich wusste nicht genau, wie es weitergehen soll. Aber ich war mir sicher, dass ich das auf Dauer nicht will«, erklärt der heute 20-Jährige. »Meine Eltern waren natürlich erschrocken und hat-ten Angst, dass ich mich verrenne.«

Die Ängste der Eltern waren unbegründet. Nico begibt sich in die Spur, möchte Lehramt studieren und gern in Dresden leben. Er erkundigt sich nach Möglichkeiten, das Abitur nachzuholen. Die gibt es dank der Durchlässigkeit des sächsischen Bildungssys-tems: Abendgymnasium oder eben Vollzeitabitur an einem Kol-leg. Nico Paul entscheidet sich für letztere Variante und, wegen der Nähe zur Dresden, für Freiberg. Die Vorteile des Kollegs, das mit 65 Jahren zu den ältesten Sachsens zählt, liegen für ihn auf der Hand: »Ich bekomme elternunabhängiges Bafög und kann mich dadurch zu 100 Prozent auf das Abitur konzentrieren.« Am Kolleg in Freiberg treffen Schüler mit ganz unterschiedlichen Bildungshintergründen aufeinander, manche sind 20, andere 35 Jahre alt. Wer kommt, durchläuft zunächst die sogenannte ein-jährige E-Phase, wiederholt wichtigen Stoff und macht dann das

Abitur. Für Schüler mit Hauptschulabschluss dauert der gesamte Prozess vier, mit der mittleren Reife drei Jahre. Der Rest ent-spricht dem typischen Abituralltag – es gibt ein Kurssystem, jeder wählt zwei Leistungskurse, schreibt Klausuren und schließt mit schriftlichen und mündlichen Prüfungen ab.

Ein spezielles Angebot in Freiberg ist der fächerübergreifende Unterricht und dass es die Fächer Astronomie und Geophysik gibt, die auch Nico Paul gewählt hat. Außerdem herrscht ein gu-tes Klima, denn die Schüler wissen alle, warum sie dort sind. Sie haben ein Ziel, wissen, wofür sie das Abitur brauchen, und sind sehr motiviert. Das färbt auch auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis ab. »Wir begegnen uns auf Augenhöhe, werden wie Erwachsene behandelt und ernst genommen«, sagt Nico. Das alles zusam-men liefert den Nährboden für innovative Ideen und fördert den persönlichen Einsatz. So kam es auch 2007 zur Gründung des Vereins Nisaidia – Chance für Kinder e. V. Nisaidia unterstützt bedürftige Kinder in Afrika, rüstet Schulen oder Waisenhäuser aus. Nico Paul ist nicht einfach nur Mitglied, sondern hat die Verantwortung für die Öffentlichkeitsarbeit übernommen. Er fliegt selbst in den Ferien los und kümmert sich, gemeinsam mit anderen Mitgliedern, vor Ort um die Verwendung der Spenden. »Der Schulleiter und Vereinsgründer Frank Triebsch steht zwar helfend zur Seite, aber im Prinzip liegt das Projekt in Schüler-hand. Das ist schon etwas ganz Besonderes«, erklärt Nico.

Zweite ChanceNico Paul ist Schüler am Kolleg in Freiberg. Auf dem zwei-

ten Bildungsweg möchte er sein Abitur nachholen. Sein

großes Ziel: ein Lehramtsstudium in Dresden.

VON CAROLINE VOGT, KLASSE-REDAKTION

Zwischen Schulbank und BalkenKLASSE hat die Sportschülerin und Kunstturnerin Julia Börnicke einen Tag lang begleitet.

AU S S C H Ü L E R S I C H T

Nico Paul mag das Schulklima am Freiberger Kolleg. Besonders schätzt er das Schüler-Lehrer-Verhältnis.

1 Julia Börnicke ist amtierende Deutsche Jugendmeisterin am Barren und gehört zu den Kaderathleten des Deutschen Turner-Bundes. Seit der 4. Klasse trainiert die heu-te 16-jährige Dresdnerin Turnen als Leistungssport, seit 2011 am Bundesstützpunkt Kunstturnen am Sportgymnasium Chemnitz. Die talentierte Schülerin hat ein großes Ziel: »die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro.«

2 Auch für sie als Ausnahmetalent beginnt der Schultag bereits frühmorgens halb acht. Nach zwei Stunden Englisch geht es in die Turnhalle zum ersten Training. 9.30 Uhr: Nach der Erwärmung an den Ge-räten folgt die Dehnung auf dem Boden.

3 Vor dem großen Spiegel geht sie ihre Schritte und Figuren durch. »Kopf hoch, Jule. Kopf richtig hoch«, Bundestrainerin Gabriele Frehse, zuständig für den Leistungssport beim TuS 1861 Chemnitz-Altendorf e. V. , weiß, wie anstrengend der Schultag einer Leistungssportlerin sein

kann: Zu den wöchentlich 30 Stunden in der Schule kommen mindestens 30 Stunden Training.

4 Elegant stolziert Julia über den Schwebebalken. Konzentration und Körperspan-nung sind wichtig, um alle Elemente sauber in einer Linie auszuführen. Ein Lieblingsge-rät hat sie nicht, aber der Barren und der Balken gehören zu ihren Stärken. Nach knapp drei Stunden ist das erste Training geschafft, ab in die Umkleidekabine, denn sie hat einen straffen Stundenplan: von der Turnhalle in die Schwimmhalle.

5 Zweimal die Woche steht Schwimmen auf dem Stundenplan, um die Ausdauer zu trainieren. Gemeinsam mit ihren Turnerfreun-dinnen schwimmt Julia ihre gewohnten 19 Bahnen in 30 Minuten.

6 Aus dem Wasser ins Klassenzimmer. Gleich nach der Mittags-pause packt sie Stifte und Hefter aus für den Mathe- und Deutsch-unterricht. Am Nachmittag geht es zurück in die Turnhalle, damit

sie ihrem Traum von Olympia ein Stück näher kommt. 18 Uhr – endlich Trainingsende. Doch nach Dresden zur Familie geht es für Julia leider nicht. Sie wohnt im Internat direkt neben dem Sportgymnasium. Viel Freizeit

bleibt ihr nicht, aber dennoch genug: »Ich male gerne und lese viel oder gehe mit meinen Freunden manchmal auch ins Kino.« Die zwei Schuljahre in der Sekundär-stufe II werden über drei Jahre gestreckt.Aber auch sie muss Hausaufgaben erledigen und für Klausuren lernen. Am Wochenende pendelt sie nach dem Samstagstraining so oft wie möglich nach Dresden zu ihren Eltern oder fährt zu wich-tigen Wettkämpfen.Auch wenn sie für die Olympischen Spiele trai-niert, ist sie eigentlich ein ganz normales Mädchen mit einem großen Talent und jeder Menge Pläne für die Zukunft.

�1

�5

�32�

4�

�6

An einem Kolleg können Erwachsene im Vollzeitunterricht die allgemeine Hochschulreife (Abitur) erwerben. Öffentliche Kollegs in Sachsen: Erzgebirgskolleg Breitenbrunn, Freiberg-Kolleg, Leipzig-Kolleg, Vogtland-Kolleg Plauen.

Page 7: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

1 / 201512 1 / 2015 13KLASSE KLASSE

Anders und doch gleich

B E R I C H TB E R I C H T

Kopfhörer auf den Ohren, Handy in der Hand, der Blick stur auf das Display geheftet – so bahnt er sich seinen Weg von der Straßenbahn zur Schule. Mit Kaugummi im Mund, den Rücken zur Tafel gedreht, Lippen, die sich endlos bewe-gen, schwatzen – so sitzt sie im Unterricht. Es sind diese Bilder, die das Image der Schüler von heu-te prägen. Technikaffin. Technikabhängig? Null Bock, null Plan, null Lust. Schule? Nein Danke. Aufpassen? Bloß nicht. Wo sind sie geblieben, die wissbegierigen Kinder von früher, die schlauen, die lernen wollen, die ruhig sind und gerade sit-zen, wenn der Lehrer etwas sagt?

Die sind doch hier! Sie sind nie weg gewesen. Das meint Anna Barbara Buncke. Seit fast 35 Jahren arbeitet die 56-Jährige als Lehrerin. Sie unterrich-tet Deutsch und Englisch am Schiller-Gymnasium in Bautzen, dazu gibt sie Kurse im künstlerischen Profil. »Der Schüler von heute ist kritischer, selbstbewusster, hat speziellere Interessen und er weiß viel früher, was er später werden will«, sagt sie. »Er ist individueller.« Ein Problem ist dieser neue Schüler für sie nicht. Ihren Unterricht hat sie dem einfach angepasst. So lässt sie den Kreativen selbst denken und stellt dem Strategen klare Fra-gen. Bei Gruppenarbeiten gibt es zwei Noten, eine für das Ergebnis und eine ganz individuell für die

Leistung und das Mitwirken jedes Einzelnen. Prozessnote nennt die Lehrerin diese Bewertung. Einmal pro Halbjahr tritt zudem jeder Schüler mit einer eigenen Präsentation vor die Klasse. Das ist Anna Barbara Buncke wichtig. Denn so kann jeder Schüler ganz nach seinen Interessen den Un-terricht gestalten. Und der Unterricht wird indi-vidueller.

Der Fortschritt im Klassenzimmer

Zugehört wird dabei trotzdem. Dass sich die Schüler von heute viel mehr mit moderner Tech-nik beschäftigen als früher, beobachtet die Lehre-rin. Den Fortschritt kann sie nicht aufhalten, will sie auch nicht. Das Smartphone ist Pflicht unter Jugendlichen, eine Art Statussymbol. Negative Folgen davon beobachtet die Lehrerin trotzdem kaum: »Nur weil die Schüler jetzt ein Handy ha-ben, sind sie doch nicht gleich frecher.«

Dabei weiß die Lehrerin, dass nicht alle ihrer Kol-legen mit dem Schüler von heute klarkommen. Dass es Lehrer gibt, die aufgeben, an burnout er-kranken. Nicht unbedingt im Gymnasium. »Hier sind wir sicherlich geschützter«, sagt die Bautz-nerin. »In der Oberschule haben es die Lehrer schwerer.«

Genau dort arbeitet Marcus Hanisch. Der 32-Jäh-rige aus Dresden unterrichtet Geschichte, Infor-matik und Gemeinschaftskunde. Erst vor ein paar Jahren hat er in dem Beruf begonnen. Den Schüler von früher kennt er nicht. Nur den von heute. Und mit dem kommt der junge Lehrer gut zurecht. »Mit dem größten Teil der Schüler klappt der Unterricht sehr gut«, sagt er. »Vielleicht zehn Prozent, eine Minderheit, sind wirklich extrem.« Denen falle es schwer, sich selbst zu motivieren. »Alles soll Spaß machen. Daran wird der Unter-richt gemessen.«

Für Marcus Hanisch ist das jedoch Motivation. Respektlosigkeit begegnet er mit Schlagfertig-keit. Das wirkt. Seinen Unterricht orientiert er an den veränderten Interessen der Schüler. Sollen sie zum Beispiel etwas eigenständig ausarbeiten, dürfen sie dazu viele Medien nutzen. Beim Grup-penpuzzle müssen sie sich selbst etwas beibringen und eigenständig Neues erfahren. »Das stärkt auch die Sozialkompetenz«, sagt er. Schließlich sollen auch die Schwächsten am Ende das gleiche wissen wie alle anderen in der Klasse.

Illusionen macht sich Marcus Hanisch dabei nicht. »Klar, Schule kann nicht immer Spaß ma-chen«, sagt er. Das weiß der Dresdner Lehrer genau. Langweilen will er die Schüler trotzdem nicht, wenn er unterrichtet. Das ist sein An-spruch. Nicht trocken und abstrakt soll sein Un-terricht sein. »Der Stoff muss für das Leben der Kinder wichtig sein und sich daran orientieren«, sagt er. Damit weckt er Interesse.

Besonders wichtig: eine gute Ausbildung

Die Studie »Lebensziele junger Menschen in Sach-sen« gibt ihm Recht. Im Auftrag des Freistaats

wurden 2012 über 1.000 15- bis 25-jährige junge Sachsen befragt. Eine Erkenntnis: Die Jugendli-chen und jungen Erwachsenen wissen durchaus, was wichtig ist im Leben. Vor allem die 15- bis 17-Jährigen legen viel Wert auf ihre Ausbildung. Die ist ihnen genauso wichtig wie die Familie und Partnerschaft. Vielen der Befragten ist zudem sehr wichtig, dass sie sich keine Sorgen um die Zukunft machen müssen. Arbeitsplatzsicherheit geht vor Spaß – das ist die Devise der Schüler. Schlechte Noten passen nicht in dieses Bild.

Dazu brauchen sie aber auch Regeln. Marcus Ha-nisch hat zusammen mit den Lehrern an seiner Schule eine solche eingeführt. Das Handy ist ab-solut tabu. Nicht nur im Unterricht, sondern auch in den Pausen. Während des gesamten Schultages muss es ausgeschaltet im Schließfach liegen. »Die Kinder heute sind teilweise überfrachtet. Sie sind zu vielen Reizen ausgesetzt. Das schadet der Kon-zentration«, sagt er. Wer erwischt wird, bekommt teils harte Strafen. Bis zu eine Woche bleibt das Gerät dann in der Schule unter Verschluss. Die meisten Eltern unterstützen die Lehrer und haben dem Vorgehen zugestimmt.

Eine Frage der Technik

Dass die moderne Technik eine wichtige Rolle im Leben der Schüler spielt, will der Lehrer trotz-dem nicht ignorieren. Für die Klassen 7, 8 und 9 bietet er den Neigungskurs Geocashing an. Zu-sammen gehen sie in die Natur und suchen mit GPS-Empfängern versteckte Codebücher. Bei der Suche drehen die Kinder eigene Filme. Das lockt Technikbegeisterte nach draußen.

Das Interesse für neue Technik und Internet will auch Anna Barbara Buncke nicht unterdrücken. »Dem kann man sich nicht verschließen«, sagt sie. Deswegen begrüßt sie es, dass ab 2015 elekt-ronische Wörterbücher in den Schulen zugelassen sind. Daran muss sie sich natürlich gewöhnen. Noch weiß sie nicht, wie sie bei Klassenarbeiten damit umgehen soll. Die Praxis wird es zeigen, ist sich die Lehrerin aus Bautzen sicher.

Dabei vertrauen beide Lehrer auch auf die Schü-ler. »Wir müssen von den Schülern lernen«, sagt Marcus Hanisch. Nur so könne der Lehrer sei-ne Schüler, deren Alltag, Denken und Probleme

auch verstehen. Ihm selbst fällt das sicher leich-ter, weil er vom Alter her nicht so weit entfernt ist von den Kindern. »Ich wünsche mir einfach mehr Austausch, dass Lehrer und Schüler mitei-nander reden, voneinander lernen«, sagt er. Das bestätigt auch Anna Barbara Buncke. Ihr Rezept klingt einfach und doch richtig. »Man muss gern Lehrer sein, heute wie damals«, sagt sie. »Und ich bin das.«

Kinder und Jugendliche verändern sich. Sie haben heute andere

Interessen als früher. Doch sind sie deswegen auch weniger gute

Schüler? Eine Analyse.

VON ANNECHRISTIN BONSS, KLASSE- REDAKTION

»DER SCHÜLER VON HEUTE IST KRITISCHER, SELBST-BEWUSSTER. ER WEISS VIEL FRÜHER, WAS ER SPÄ-TER WERDEN WILL.« ANNA BARBARA BUNCKE, LEHRERIN

Page 8: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

1 / 201514 1 / 2015 15KLASSE KLASSE

R E C H T U N D O R D N U N G

Informationspflicht

der Schule gegenüber Eltern Die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen ist eine gemeinsame Aufgabe von Eltern und Schule.

Dafür bedarf es eines Dialogs und Austauschs von Informationen. Für wesentliche schulische Ereignisse, insbeson-

dere Leistungsbewertung und Ordnungsmaßnahmen, regelt das sächsische Schulrecht auch konkrete Informati-

onspflichten der Schule. Der folgende Beitrag soll diese am Beispiel der allgemeinbildenden Schulen aufzeigen.

Von Julia Steinigen und Jan Philipp Horn, Staatsministerium für Kultus

Leistungsbewertung

Um ihr Erziehungsrecht wirksam wahrnehmen zu können, müssen Eltern grundsätzlich über Vorgänge in der Schule unterrichtet wer-den. Im Bereich der Leistungsbewertung ist die Verpflichtung der Schule bzw. der Lehrer, die Eltern zu informieren, sogar ausdrück-lich geregelt. Sie sollen rechtzeitig über drohende schulische Prob-leme ihres Kindes informiert werden, damit sie in die Lage versetzt werden, erzieherisch eingreifen und entgegenwirken zu können.

Der Ansatz, die Eltern rechtzeitig zu informieren, spiegelt sich in den sächsischen Schulordnungen wider. Dazu gehört insbesondere das Informieren über einzelne Leistungen, Zeugnisse und die Ver-setzung bzw. Nichtversetzung eines Schülers.

So sind Klassenarbeiten den Schülern für die Kenntnisnahme durch die Eltern mit nach Hause zu geben (z. B. § 16 Abs. 7 Satz 1 Schulordnung Grundschulen – SOGS). Wird im Falle des Nicht-erbringens von Leistungen in einer Klassenarbeit die Note »un-genügend« erteilt, hat der Lehrer dies den Eltern zudem in einer kurzen Begründung mitzuteilen (z. B. § 23 Abs. 6 Satz 1 Schul-ordnung Mittel- und Abendmittelschulen – SOMIA). Ebenso sind Halbjahreszeugnisse oder Jahreszeugnisse den Eltern zur Kenntnis zu geben, sie sind von diesen sogar zu unterschreiben (z. B. § 30 Abs. 10 Schulordnung Gymnasien Abiturprüfung – SOGYA). Im Jahreszeugnis ist darüber hinaus die Versetzung oder Nichtverset-zung des Schülers zu vermerken (z. B. § 30 Abs. 4 Satz 2 SOGYA).

Um all diese Informationen einordnen und nachvollziehen zu kön-nen, sind Eltern außerdem vor Schuljahresbeginn oder zu gegebe-ner Zeit über die Bewertungsgrundsätze zu informieren (z. B. § 14 Abs. 2 Satz 3 SOGS, § 22 Abs. 5 SOMIA, § 22 Abs. 7 SOGYA).

Ordnungsmaßnahmen

Für das Schulverhältnis wesentlich ist es auch, wenn im Einzel-fall Ordnungsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Das sind Maßnahmen gegen gravierendes Fehlverhalten der Schüler, die über bloße Erziehungsmaßnahmen hinausgehen. Ordnungsmaß-

nahmen müssen zweckgerichtet und verhältnismäßig sein und kommen in Betracht, wenn Erziehungsmaßnahmen keinen Erfolg versprechen. In § 39 Abs. 2 Satz 1 Schulgesetz für den Freistaat Sachsen (SchulG) sind sie abschließend aufgezählt (u.a. schriftli-cher Verweis, vorübergehender Ausschluss vom Unterricht oder Ausschluss aus der Schule). Dabei sieht § 39 Abs. 5 SchulG vor, dass der Schüler und bei dessen Minderjährigkeit zusätzlich die Eltern vorab »zu hören«, also anzuhören sind. Eine Anhörung kann mündlich oder schriftlich erfolgen und dient dazu, dass der Schulleiter mehr über Tatsachen und über die Sichtweise der Be-troffenen erfährt, bevor er seine Entscheidung trifft. In dringenden Fällen kann der Schulleiter bis zur endgültigen Entscheidung ei-nen Schüler vorläufig vom Unterricht ausschließen (§ 39 Abs. 6 SchulG). Unter bestimmten Umständen kann die Anhörung auch gänzlich unterbleiben oder erst nachträglich durchgeführt werden.

Informationspflichten bei volljährigen Schülern

Auch nach Eintritt der Volljährigkeit kann es Situationen geben, in denen Eltern über wesentliche schulische Ereignisse wie Leis-tungsbewertung oder Ordnungsmaßnahmen informiert werden sollten. Als Reaktion auf den Amoklauf eines Schülers in einer Erfurter Schule im Jahr 2002 wurden in Sachsen – wie in einigen Schulgesetzen anderer Bundesländer auch – entsprechende Rege-lungen aufgenommen. In Abwägung der fortbestehenden Fürsor-gepflicht der Eltern und dem informationellen Selbstbestimmungs-recht des Schülers sind in § 50a Abs. 2 SchulG diese Situationen ausdrücklich geregelt (z.B. Nichtversetzung, Nicht-Bestehen einer Abschlussprüfung, gravierende Ordnungsmaßnahmen). Dabei ist der Schüler regelmäßig anzuhören, bevor Informationen an seine Eltern gegeben werden.

ANTWORTEN: ANJA KOEBEL, MODERATORIN, DRESDEN

»Als Schülerin war ich gut in Träumereien«Was macht einen guten Lehrer aus? Und einen guten Schüler? Mit dem KLAS�

SE-Fragebogen bitten wir Bildungsträger und Prominente aus Sachsen, uns

einen Einblick in ihre persönlichen Lernerfahrungen zu geben.

Als ich klein war, wollte ich Kindergärtnerin, ein Mitglied von ABBA oder Pfer-depflegerin werden.

Meine Eltern wollten, dass ich glücklich werde, wenn ich groß bin.

Als Schüler war ich gut in Träumereien.

Heute bin ich gut im Zuhören und Erkennen, was der andere braucht.

Mein liebstes Schulfach war: Deutsch.

Das Schulfach, das ich überhaupt nicht mochte, war: Mathematik.

Das hat mich in der Schule am meisten genervt: wie langweilig und gleichförmig der Unterricht war.

Ein guter Lehrer hat: Spaß daran, die Schüler auf die Reise mitzunehmen, und erkennt, wer was wann braucht.

Ein guter Schüler: lernt, auch mal die Zähne zusammenzubeißen.

In meinem Leben will ich noch: richtig gut Englisch sprechen lernen.

Am besten kann ich mich konzentrieren, wenn: ich weiß, worauf ich mich kon-zentrieren muss. Da kann es laut oder auch total stressig sein, das Ziel ist wichtig für mich.

Mein Lieblingsbildungsort ist: momentan die Eisenbahn, da kann ich lesen, mich auf die Sendung vorbereiten und werde dennoch ans Ziel (MDR in Leipzig) gebracht. Wenn ich meinen Beruf noch einmal wechseln würde, dann würde ich im Bereich der Palliativmedizin arbeiten wol-len.

Als Ausgleich zu meiner Arbeit bin ich in der Natur. Im Garten, mit dem Pferd im Wald oder einfach jog-gen. Egal, Hauptsache draußen. Aber manchmal ist es einfach auch nur das Sofa.

Ich liebe an meinem Job, dass: er so abwechslungsreich ist. Jeden Tag neue Themen und die Chance, Men-schen dafür zu begeistern. Unsere Welt ist voll von Geschichten, die erzählt werden sollten, und die besten ereignen sich häufig ganz in der Nähe.

Ohne meinen Glücksbringer, das Handy und den Kaffee am Morgen verlasse ich nie das Haus.

Meine Kollegen/Freunde sagen von mir, dass ich: wohl ein großes Herz habe. Aber das von sich selbst hier zu schreiben, ist irgendwie komisch.

Anja Koebel moderiert seit 1997 den SACHSEN-SPIEGEL im MDR Fernsehen. Ebenso steht sie für »MDR um 4« und für »nah dran« vor der Kamera. Über Umwege ist sie zum Journalismus gekommen. Ihre Biologie-Lehrerin hatte ihr empfohlen, sie solle »was mit Menschen« machen. Nach der Ausbildung an einer Medi-zinischen Fachschule hat Anja Koebel das Freiberg-Kolleg besucht und auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur ge-macht. Danach studierte sie Kunstgeschichte und Germa-nistik in Dresden und schließ-lich Kommunikation in Berlin. (Informationen zum Kolleg fin-den Sie auf Seite 11 im Heft.)

1 / 2015 15KLASSE

F R A G E B O G E N

Das Schulgesetz sowie die Schulordnungen sind im Internet zu finden unter: www.bildung.sachsen.de/recht (auf dieser Seite den Menüpunkt »Rechtliche Grundlagen« wählen)

Page 9: Zeitschrift KLASSE - 1/2015

Gummihopse oder Wandpfennig, Zeitungslauf oder Reifenwandern? Wie ging das noch mal? Diese und viele andere Spiele und die Spielregeln finden Sie in

Spiel & Spaß – eine Sammlung für die Hosentasche

Sie können das Heft kostenlos bestellen unter:

➔ www.publikationen.sachsen.de