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ZBVR Zeitschrift für B E T R I E B S V E R F A S S U N G S R E C H T online ISSN 1862-6610 11/2015 Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht 02 Zugang von Betriebsratsmitgliedern des Verleiherbetriebs zum Entleiherbetrieb BAG, Beschluss v. 15.10.2014 – 7 ABR 74/12 – 06 Mitbestimmungswidrige Änderung der Entlohnungsgrundsätze BAG, Urteil v. 5.5.2015 – 1 AZR 435/13 – 09 Auswahl der Person der oder des Vorsitzenden der Einigungsstelle LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 18.6.2015 – 21 TaBV 745/15 – 11 Schweigepflichtverletzung im Betriebsratswahlkampf als Grund für den Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat LAG Düsseldorf, Beschluss v. 23.1.2015 – 6 TaBV 48/14 – 15 Kostengünstigere Inhouse-Schulung statt externer Seminarteilnahme ArbG Trier, Beschluss v. 20.11.2014 – 3 BV 11/14 – Rechtsprechung zum Tarifrecht 18 Lösung von Tariollisionen durch Günstigkeits- und Sachgruppenvergleich BAG, Urteil v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 – 21 Abführungsverpflichtung hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionäre für Aufsichtsratstantiemen BAG, Urteil v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13 – 25 Wartezeitkündigung mit verlängerter Kündigungsfrist LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 6.5.2015 – 4 Sa 94/14 – Rechtsprechung in Leitsätzen Aufsätze und Berichte 30 Ideen für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz – Vorschläge des dbb beamtenbund und tarifunion Fragen aus der Praxis – Antworten für die Praxis

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ZBVR Zeitschrif t für B E T R I E B S V E R F A S S U N G S R E C H T

online

ISSN 1862-6610

11/2015

Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht02 Zugang von Betriebsratsmitgliedern des Verleiherbetriebs zum Entleiherbetrieb

BAG, Beschluss v. 15.10.2014 – 7 ABR 74/12 –

06 Mitbestimmungswidrige Änderung der EntlohnungsgrundsätzeBAG, Urteil v. 5.5.2015 – 1 AZR 435/13 –

09 Auswahl der Person der oder des Vorsitzenden der EinigungsstelleLAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 18.6.2015 – 21 TaBV 745/15 –

11 Schweigepflichtverletzung im Betriebsratswahlkampf als Grund für den Ausschluss aus dem neu gewählten BetriebsratLAG Düsseldorf, Beschluss v. 23.1.2015 – 6 TaBV 48/14 –

15 Kostengünstigere Inhouse-Schulung statt externer SeminarteilnahmeArbG Trier, Beschluss v. 20.11.2014 – 3 BV 11/14 –

Rechtsprechung zum Tarifrecht18 Lösung von Tarifkollisionen durch Günstigkeits- und Sachgruppenvergleich

BAG, Urteil v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 –

21 Abführungsverpflichtung hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionäre für AufsichtsratstantiemenBAG, Urteil v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13 –

25 Wartezeitkündigung mit verlängerter KündigungsfristLAG Baden-Württemberg, Urteil v. 6.5.2015 – 4 Sa 94/14 –

Rechtsprechung in Leitsätzen

Aufsätze und Berichte30 Ideen für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz

– Vorschläge des dbb beamtenbund und tarifunion

Fragen aus der Praxis – Antworten für die Praxis

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Zugang von Betriebsratsmitgliedern des Verleiherbetriebs zum Entleiherbetrieb 1. Das allgemeine Informationsrecht des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG umfasst grundsätzlich ein Zugangsrecht zu den Arbeitsplätzen der Belegschaft. Der Zweck des Zugangs muss allerdings auf die Erfüllung der betriebsverfas-sungsrechtlichen Aufgaben bezogen sein. Unabhängig von einem konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Anlass kann ein Zugangsrecht zur Erfüllung der Über-wachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht kommen. 2. Der Informationsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Erfüllung der allgemeinen Über-wachungsaufgaben und das daraus abgeleitete Zu-gangsrecht zu den Arbeitsplätzen der Belegschaft be-steht gegenüber dem Arbeitgeber des Betriebs, für den der Betriebsrat gebildet ist, nicht aber gegenüber Drit-ten. Daher kann im Falle der Arbeitnehmerüberlassung der für den Betrieb des Verleihers gebildete Betriebsrat ein Zugangsrecht zu den Arbeitsplätzen in dem Betrieb des Entleihers nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG stüt-zen. Zwar bleiben Leiharbeitnehmer nach § 14 Abs. 1 AÜG auch während der Dauer ihrer Arbeitsleistung beim Entleiher Angehörige des Verleiherbetriebs. Aus der gesetzlichen Zuordnung des Leiharbeitnehmers zum Betrieb seines Vertragsarbeitgebers folgt allerdings nicht zwingend die Zuständigkeit des dortigen Betriebs-rats in allen betriebsverfassungs-rechtlichen Angele-genheiten. Die Zuständigkeit des Betriebsrats des Ver-leiherbetriebs ist grundsätzlich begrenzt auf den Be-trieb, für den er gebildet ist. Über die Betriebsgrenze hinaus stehen ihm keine Mitwirkungsbefugnisse zu. 3. Eine Schutzlücke entsteht dadurch nicht. Bei aufge-spaltener Arbeitgeberstellung im Leiharbeitsverhältnis betrifft die Überwachung der Einhaltung der arbeits-platzbezogenen Schutzvorschriften hinsichtlich der im Entleiherbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer den dort gebildeten Betriebsrat. Es bleibt offen, ob der Zutritt zu den Arbeitsplätzen im Entleiherbetrieb aus einem konkreten Anlass zur Wahrnehmung betriebsverfas-sungsrechtlicher Aufgaben oder Mitbestimmungsrech-te durch den Betriebsrat des Verleiherbetriebs erfor-derlich werden könnte. 4. Der Betriebsrat des Verleihers hat auch nach § 78 Satz 1 BetrVG kein anlassunabhängiges Zutrittsrecht zum Entleiherbetrieb. Zwar dürfen danach die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Dieses Verbot richtet sich nicht nur gegen den Arbeitgeber, sondern besteht gegenüber jedermann. Eine Störung oder Behinderung der Betriebsratstätigkeit scheidet aber aus, wenn der Betriebsrat des Verleiherbetriebs keine betriebsverfas-sungsrechtlichen Aufgaben im Entleiherbetrieb wahr-zunehmen hat.

(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)BAG, Beschluss v. 15.10.2014 – 7 ABR 74/12 –

Aus den Gründen

B. (…) II. (…) 2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Der für den Betrieb der Beteiligten zu 3. gebildete Betriebsrat hat gegenüber der Beteiligten zu 2. keinen Anspruch darauf, unabhängig von einem konkreten Anlass den Zutritt zum Betrieb der Beteiligten zu 2. zu erhalten, um die dort eingesetzten Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3. an ihren Arbeitsplätzen aufzusuchen. (…)

a) Ein Anspruch des Betriebsrats gegenüber der Betei-ligten zu 2. auf Zutritt zu den Arbeitsplätzen in deren Betrieb ergibt sich nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht im Rahmen des allgemeinen Informationsrechts des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Zugangsrecht des Betriebsrats zu den Arbeitsplätzen der Belegschaft. Die Vorschrift gewährt dem Betriebsrat ein umfassendes Informati-onsrecht gegenüber dem Arbeitgeber, damit er die ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben sachgerecht erfüllen kann. Sie enthält keine abschlie-ßende Regelung dahin, dass sich der Betriebsrat nur über den Arbeitgeber die benötigten Informationen beschaffen kann. Vielmehr hat die Rechtsprechung im Rahmen dieses allgemeinen Informationsrechts auch ein Zugangsrecht des Betriebsrats zu den Arbeitsplätzen der Belegschaftsangehörigen anerkannt. Der Zweck des Zugangs zum Arbeitsplatz und seinem Umfeld muss allerdings auf die Erfüllung der zugrunde liegenden Auf-gaben bezogen sein. Unabhängig von einem konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Anlass kann ein Zu-gangsrecht des Betriebsrats zu den Arbeitsplätzen der Belegschaft zur Erfüllung der Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht kommen. Da-nach hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Ver-ordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträ-ge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden.

bb) Der Informationsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG zur Erfüllung der allgemeinen Über-wachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und das daraus abgeleitete Zugangsrecht zu den Arbeits-plätzen der Belegschaft besteht gegenüber dem Arbeit-geber des Betriebs, für den der Betriebsrat gebildet ist, nicht aber gegenüber Dritten. Daher kann der Antrag-steller als für den Betrieb der Beteiligten zu 3. gebildeter

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Betriebsrat das gegenüber der Beteiligten zu 2. geltend gemachte Zugangsrecht zu den Arbeitsplätzen in deren Betrieb nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG stützen. Der Umstand, dass die Beteiligte zu 2. in ihrem Betrieb Ar-beitnehmer der Beteiligten zu 3. beschäftigt, die ihr zur Arbeitsleistung überlassen werden, gebietet keine an-dere Beurteilung.

(1) Zwar ist der antragstellende Betriebsrat grundsätz-lich für die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtli-cher Aufgaben hinsichtlich der der Beteiligten zu 2. überlassenen Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3. zustän-dig. Nach § 14 Abs. 1 AÜG bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Dauer ihrer Arbeitsleistung beim Entleiher Angehörige des Verleiherbetriebs. Durch die vorüber-gehende Eingliederung in die Betriebsorganisation des Entleihers wird die betriebsverfassungsrechtliche Zu-ordnung des Leiharbeitnehmers zum Entsendebetrieb des Vertragsarbeitgebers nicht aufgehoben. Dies stellt § 14 Abs. 1 AÜG klar. Aus der gesetzlichen Zuordnung des Leiharbeitnehmers zum Betrieb seines Vertragsar-beitgebers folgt allerdings nicht zwingend die Zustän-digkeit des dortigen Betriebsrats in allen betriebsver-fassungsrechtlichen Angelegenheiten. Die Zuständig-keit des Betriebsrats des Verleiherbetriebs ist grund-sätzlich begrenzt auf den Betrieb, für den er gebildet ist. Sie ist gerichtet auf die Mitwirkung an den Entschei-dungen des Vertragsarbeitgebers in den die Leiharbeit-nehmer betreffenden sozialen, personellen und wirt-schaftlichen Angelegenheiten. Dort, wo Beteiligungs-rechte des Betriebsrats entweder an die Eingliederung in den Betrieb des Vertragsarbeitgebers anknüpfen oder das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzen, ergeben sich Zuständigkeiten für den im Betrieb des Vertragsarbeitgebers gebildeten Betriebsrat. Über die Betriebsgrenze hinaus stehen ihm hingegen keine Mitwirkungsbefugnisse zu. Leiharbeitnehmer sind aber während ihrer Arbeitsleistung in die Betriebsorgani-sation des Entleihers eingegliedert. Da die das Leihar-beitsverhältnis kennzeichnende Aufspaltung der Arbeit-geberfunktionen zwischen dem Verleiher als dem Vertragsarbeitgeber und dem Entleiher, der die we sent-lichen Arbeitgeberbefugnisse in Bezug auf die Ar beits-leistung ausübt, nicht dazu führen darf, dass die Schutz-funktion der Betriebsverfassung außer Kraft gesetzt wird, werden Leiharbeitnehmer vom Betriebsrat des Entleiherbetriebs repräsentiert, soweit es um die Wahr-nehmung von Mitbestimmungsrechten bei Entschei-dungen geht, die vom Inhaber des Entleiherbetriebs getroffen werden. Die Zuständigkeit für die Wahrneh-mung von Mitbestimmungsrechten in Bezug auf Leih-arbeitnehmer richtet sich daher nach dem Gegenstand des Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht des jeweiligen Arbeitgebers. In-soweit sind bei einem drittbezogenen Personaleinsatz und einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung differen-zierende Lösungen geboten.

(2) Die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten für die bei der Beteiligten zu 2. beschäftigten Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3. erfordert nicht den jederzeitigen anlassunabhängigen Zutritt der Mitglieder des antrag-stellenden, für den Betrieb der Beteiligten zu 3. gebil-deten Betriebsrats zu den Betriebsräumen der Beteilig-ten zu 2. Zwar kann es die sachgerechte Wahrnehmung der gesetzlichen Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG für den Betriebsrat erforderlich machen, die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen im Betrieb aufzusuchen, um prüfen zu können, ob die Arbeitsplät-ze und die sonstigen von den Arbeitnehmern genutzten betrieblichen Einrichtungen den gesetzlichen, tarifli-chen und betrieblichen Schutzvorschriften entsprechen. Die Entscheidung über die Ausgestaltung der Arbeits-plätze und sonstigen Einrichtungen im Betrieb obliegt aber allein dessen Inhaber. Bei aufgespaltener Arbeit-geberstellung im Leiharbeitsverhältnis betrifft die Über-wachung der Einhaltung der arbeitsplatzbezogenen Schutzvorschriften hinsichtlich der im Entleiherbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer den dort gebildeten Be-triebsrat. Der Vertragsarbeitgeber verfügt dagegen über keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsplätze im Entleiherbetrieb. Der Betriebsrat des Verleiherbetriebs kann deshalb im Entleiherbetrieb kei-ne arbeitsplatzbezogenen Mitbestimmungsrechte aus-üben. Ohne eine Entscheidungsbefugnis des Vertrags-arbeitgebers besteht kein allgemeines arbeitsplatzbe-zogenes Überwachungsrecht des für seinen Betrieb gebildeten Betriebsrats und somit kein anlassunabhän-giger Anspruch dieses Betriebsrats auf Zugang zu den Arbeitsplätzen im Entleiherbetrieb. Der Betriebsrat im Verleiherbetrieb muss sich deshalb unabhängig von ei-nem konkreten Anlass kein eigenes Bild von der Einhal-tung der Arbeitsschutzvorschriften im Entleiherbetrieb machen.

(3) Die Wahrnehmung allgemeiner arbeitsplatzbe-zogener Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG durch den Betriebsrat des Entleiherbetriebs hin-terlässt keine Schutzlücke für Leiharbeitnehmer. Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats im Entleiher-betrieb – und damit das daran anknüpfende Zugangs-recht zu den Arbeitsplätzen im Betrieb – korrespondiert mit einer Informationspflicht des Arbeitgebers, die sich auch auf die Beschäftigung von Personen bezieht, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber ste-hen. Dies zeigt die im Zuge des Betriebsverfassungsre-formgesetzes im Jahr 2001 erfolgte klarstellende Rege-lung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Beschäftigung von freien Mitarbeitern sollten Streitig-keiten der Betriebsparteien über eine entsprechende Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers und eventuelle Verfahren vermieden werden. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Unterrichtungsanspruch des Betriebs-rats im Entleiherbetrieb nach dem Willen des Gesetz-

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gebers auch die dort eingegliederten Leiharbeitnehmer einbezieht.

(4) Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob und ggf. wie eine – etwaige – Schutzlücke für überlas-sene Arbeitnehmer, die im Verleiherbetrieb durch einen Betriebsrat vertreten werden, zu schließen wäre, wenn für den Einsatzbetrieb kein Betriebsrat gebildet wäre, der die arbeitsplatzbezogenen Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wahrzunehmen hätte, oder wenn ein solcher aufgrund der Betriebsgröße (§ 1 Abs. 1 BetrVG) überhaupt nicht gebildet werden könnte. Nicht zu entscheiden war auch darüber, ob die Besichtigung von Arbeitsplätzen im Betrieb der Beteiligten zu 2. aus einem konkreten Anlass zur Wahrnehmung betriebs-verfassungsrechtlicher Aufgaben oder Mitbestim-mungsrechte durch den antragstellenden Betriebsrat erforderlich werden könnte, beispielsweise im Rahmen der personellen Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern oder zur sachgerechten Behandlung einer Beschwerde nach § 84 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, und ob die Beteiligte zu 2. in einem solchen Fall den Zutritt des antragstellenden Betriebs-rats zu ihrem Betrieb dulden muss. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich ein anlas-sunabhängiges, jederzeitiges Zutrittsrecht.

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich ein anlassunabhängiges Zutrittsrecht auch nicht aus § 78 Satz 1 BetrVG.

aa) Nach § 78 Satz 1 BetrVG dürfen die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht ge-stört oder behindert werden. Das Verbot der Störung und der Behinderung der Betriebsratstätigkeit richtet sich nicht nur gegen den Arbeitgeber und die für ihn handelnden Personen, sondern es besteht gegenüber jedermann; es richtet sich also auch gegen außer-betriebliche Personen und Stellen. Obwohl § 78 Satz 1 BetrVG nur als Verbotsgesetz formuliert ist („dürfen…nicht“), ist die Bestimmung als Anspruchsnorm zu ver-stehen, auf die im Behinderungsfall durch den unmit-telbar behinderten Funktionsträger, aber auch durch seine Institution, Unterlassungsansprüche gestützt werden können.

bb) Das Verbot der Behinderung des Betriebsrats gilt zwar gegenüber jedermann. Zutritt zu dem Betrieb der Beteiligten zu 2. könnte der für den Betrieb der Betei-ligten zu 3. gebildete Betriebsrat deshalb nach Maßga-be des § 78 Satz 1 BetrVG von der Beteiligten zu 2. ver-langen, wenn seine Mitglieder ohne den Zutritt in der Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Tätig-keit gestört oder behindert würden. Eine Störung oder Behinderung der Betriebsratstätigkeit setzt aber voraus, dass der Betriebsrat des Verleiherbetriebs betriebsver-fassungsrechtliche Aufgaben im Entleiherbetrieb wahr-zunehmen hat. Da die allgemeine gesetzliche Überwa-chungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, soweit sie

die Ausgestaltung der Arbeitsplätze und der sonstigen von den Beschäftigten genutzten betrieblichen Einrich-tungen betrifft, dem Betriebsrat des Entleiherbetriebs obliegt, wird der Betriebsrat des Verleiherbetriebs nicht dadurch in der Ausübung seiner Tätigkeit gestört, dass der Inhaber des Entleiherbetriebs ihm den anlassunab-hängigen, jederzeitigen Zugang zu Arbeitsplätzen ver-sagt. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts obliegt es dem Betriebsrat auch nicht zu überwachen, ob die von dem früheren gemeinsamen Betriebsrat ge-schlossene IuK-Rahmenbetriebsvereinbarung im Be-trieb der Beteiligten zu 2. durchgeführt wird. Dafür ist nach der Beendigung des Tarifvertrags über die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrats für die Betriebe der Beteiligten zu 2. und 3. allein der im Betrieb der Betei-ligten zu 2. existierende Betriebsrat zuständig.

(…)

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Anmerkung

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts stellt mit vorstehendem Beschluss klar, dass für den im Betrieb eines Verleihunternehmens gebildeten Betriebsrat kein jederzeitiges und anlassunabhängiges Zutrittsrecht zu den Arbeitsplätzen „seiner“ Leiharbeitnehmer im Ent-leiherbetrieb besteht. Ein solches ergibt sich insbeson-dere, so die Erfurter Richter, nicht aus der Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Mithin kann der Entleiher dem Betriebsrat des Verleihers grundsätzlich den Zutritt zu seinem Betrieb verweigern.

Ein Leiharbeitsverhältnis liegt vor, wenn ein selbststän-diger Unternehmer (Verleiher) einen Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) an einen anderen selbstständigen Unternehmer (Entleiher) abgibt, und zwar in der Weise, dass der Arbeitnehmer für das Unternehmen des Ent-leihers nach dessen Weisungen zu arbeiten hat. Das Leiharbeitsverhältnis ist gekennzeichnet durch eine Aufspaltung der Arbeitgeberstellung. Danach übt der Entleiher gegenüber Leiharbeitnehmern, die seiner Or-ganisationshoheit und Dispositionsbefugnis unterstellt sind, partielle Arbeitgeberfunktionen aus, obwohl die arbeitsvertragliche Bindung des Leiharbeitnehmers nur zum Verleiher besteht. Die Arbeitgeberbefugnisse und -pflichten, insbesondere das Direktions- oder Weisungs-recht sowie die Schutz- und Fürsorgepflichten des Ar-beitgebers, sind dadurch zwischen Entleiher und Ver-leiher aufgespalten.

Konsequent trägt der vorliegende Beschluss des Bun-desarbeitsgerichts dieser Aufspaltung in der Arbeitge-berstellung Rechnung und setzt letztlich den spätestens mit der Entscheidung vom 5. Dezember 20121 eingeschla-

1 BAG v. 5.12.2012 – 7 ABR 48/11, ZBVR online 7-8/2013, S. 6.

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genen Weg, beim drittbezogenen Personaleinsatz und einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung von der sog. „Zwei-Komponenten-Lehre“ abzurücken, fort. Das Man-dat des im Betrieb des Verleihers gebildeten Betriebs-rats endet hiernach regelmäßig am Werktor, so dass über die Betriebsgrenze hinaus keine Mitwirkungsbe-fugnisse des Betriebsrats bestehen. Die in die Betrieb-sorganisation eingebundenen Leiharbeitnehmer wer-den mithin bezüglich ihrer Arbeitsplätze nicht von den betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzen des Be-triebsrats des Verleihers erfasst.

Gleichwohl sieht das Bundesarbeitsgericht insoweit keine Schutzlücke für Leiharbeitnehmer. Diese werde dadurch vermieden, dass der im Entleiherbetrieb gebil-dete Betriebsrat auch diese Leiharbeitnehmer repräsen-tiert. Tatsächlich hatte das Bundesarbeitsgericht bereits mit seiner Entscheidung vom 13. März 20132 festgestellt, dass sich die Mitbestimmung in sozialen Angelegenhei-ten nach § 87 BetrVG in erheblichem Maße auch auf die Leiharbeitnehmer erstreckt, so etwa bei Fragen der Be-triebsordnung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), bei der Lage der Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG), bei der Einführung und der Anwendung von Einrichtungen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), bei

Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie des Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) oder den Grundsätzen der Gruppen-arbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG).

Wenn und soweit im Entleiherbetrieb selbst ein Be-triebsrat gebildet ist, besteht also tatsächlich keine be-triebsverfassungsrechtliche Schutzlücke durch die Auf-spaltung der Arbeitgeberstellung, zumal der Leiharbeit-nehmer bei einem mehr als dreimonatigen Einsatz im Entleiherbetrieb ein aktives Wahlrecht gemäß § 7 Abs. 2 BetrVG bei den Betriebsratswahlen genießt.

Letztlich also setzt auch der vorliegende Beschluss des Bundesarbeitsgerichts die seit einigen Jahren einge-schlagene Marschrichtung einer rechtlichen Annähe-rung der Leiharbeitnehmerschaft an die Stammbeleg-schaft im Entleiherbetrieb fort, wobei klarzustellen bleibt, dass die Mitwirkung in arbeitsvertraglichen Fra-

2 BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, ZBVR online 10/2013, S. 9.

gestellungen weiterhin dem Betriebsrat des Verleihers zuzuordnen ist.

Gleichwohl hinterlässt die Entscheidung vom 15. Okto-ber 2014 einige weiterhin offene Fragen. So enthält sich der Siebte Senat ausdrücklich der Beantwortung der Frage, ob, und wenn ja, wie eine daraus, dass im Entlei-herbetrieb kein Betriebsrat gebildet ist, entstehende Schutzlücke zu schließen wäre. Eine Mandatserweite-rung des Verleiher- Betriebsrats über die Betriebsgren-zen hinaus dürfte insoweit allerdings ausscheiden, da sich andernfalls der Entleiher einem Betriebsrat gegen-über sieht, der von seiner Belegschaft nicht gewählt wurde. Auch würde, wenn man dem „externen“ Be-triebsrat bezüglich der Leiharbeitnehmer eine entspre-chende Mitwirkungskompetenz zusprechen würde, letztlich doch wieder eine Abgrenzung der Leiharbeit-nehmer von der Stammbelegschaft erfolgen, da diese dann den Mitwirkungsrechten des Betriebsrats unter-fielen und somit einen Schutz genießen würden, der der Stammbelegschaft nicht zuteilwerden könnte.

Auch unbeantwortet bleibt die weitaus spannendere Frage, ob es als Ausnahme von dem im Leitsatz der Ent-scheidung formulierten Recht des Entleihers, dem Be-

triebsrat des Verleihers den Zugang zum Betrieb zu ver-weigern, gleichwohl eine Ver-pflichtung gibt, bei konkreten Anlässen dem Betriebsrat des Verleihers den Zugang in den Entleiherbetrieb doch zu er-möglichen. Zumindest deutet das Bundesarbeitsgericht an, dass es solche konkret anlass-bezogenen Zugangsrechte durchaus geben könnte, etwa im Rahmen der personellen

Mitbestimmungsrechte bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern (wohl nur denkbar, wenn das Leih-arbeitsverhältnis nicht unter die Ausnahmeregelung nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG fällt, da andernfalls die abweichenden spezialtarifvertraglichen Regelungen gelten) oder zur sachgerechten Behandlung einer durch einen Leiharbeitnehmer erhobenen Beschwerde im Sin-ne des § 84 BetrVG. Dies wird umso mehr in Betracht kommen, je länger die Eingliederung des Leiharbeitneh-mers in den Betriebsablauf des Entleihers erfolgen soll bzw. tatsächlich besteht.

Jedenfalls abgesehen von solchen atypischen Ausnah-mefällen sind die betriebsverfassungsrechtlichen Zu-ständigkeiten der Betriebsräte in den Fällen rechtlich zulässiger Arbeitnehmerüberlassung auf die jeweiligen Betriebsgrenzen beschränkt. Die diesbezügliche (noch-malige) Klarstellung durch das Bundesarbeitsgericht ist zu begrüßen, da sie zur Rechtssicherheit beiträgt.

Hans-Jürgen Igel, Rechtsanwalt, Bonn

Konsequenzen für die Praxis

1. Die betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten der Betriebsräte bei Arbeitnehmerüberlassung sind auf die jeweiligen Betriebsgrenzen beschränkt.2. Es bleibt offen, ob der Entleiher dem Betriebsrat des Verleihers den Zugang zum Betrieb gewähren muss, wenn die sachgerechte Wahrneh-mung einer konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabe des Verleiherbetriebsrats dies erfordert.

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Mitbestimmungswidrige Änderung der Entlohnungs-grundsätze 1. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütung wird von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsät-zen zu vergüten. Bei einer unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorgenommenen Änderung der im Betrieb gel-tenden Entlohnungsgrundsätze kann ein Arbeitnehmer eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbe-stimmten Entlohnungsgrundsätze fordern. Das folgt aus der Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvor-aussetzung. 2. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung trägt keinen Anspruch auf Vergütung nach mitbestimmungs-widrig geänderten Entlohnungsgrundsätzen. Sie setzt ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitge-bers voraus. Sie ist nicht Anspruchsgrundlage zur Durch-setzung mitbestimmungswidrigen Verhaltens.(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)BAG, Urteil v. 5.5.2015 – 1 AZR 435/13 –

Aus den Gründen

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Diese ist schon deswegen unbegrün-det, weil die Klägerin einen Anspruch auf die streitbe-fangenen Differenzvergütungen nicht schlüssig darge-tan hat.

I. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus ihrem Arbeitsvertrag. Anders als die vorangegangenen Verträge enthält der letzte Arbeitsvertrag vom 27. No-

vember 2007 bei der Vergütung keinen – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmenden – Verweis auf den TVöD in der im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung.

II. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beklag-te auch nicht nach der Theorie der Wirksamkeitsvor-aussetzung verpflichtet, die im Streit stehenden Beträ-ge zu zahlen.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Arbeit-nehmer in Fortführung der Theorie der Wirksamkeits-voraussetzung bei einer unter Verstoß gegen das Be-

teiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorgenom-menen Änderung der im Betrieb geltenden Entloh-nungsgrundsätze eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmten Entlohnungsgrundsätze fordern. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütung wird von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeit-nehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungs-grundsätzen zu vergüten.

2. Danach kann die Klägerin keine Vergütung nach den Grundsätzen des TVöD verlangen. Diese sind nicht die im Betrieb der Beklagten zuletzt mitbestimmten Ent-lohnungsgrundsätze.

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungs-grundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Die betriebliche Lohngestaltung be-trifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt. Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen. Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfin-dung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Beleg-schaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entloh-nungsgrundsätze sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des

Betriebs in abstrakter Weise ergibt. Zu ih-nen zählen neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach Zeit oder nach Leistung die daraus folgenden Entschei-dungen über die Ausgestaltung des jewei-ligen Systems. Der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt die

Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung. Dabei kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungs-grundsätze erfolgt ist, ob etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelver-traglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber ein-seitig praktizierten Vergütungsordnung. Denn nach der Konzeption des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hängt das Mit-bestimmungsrecht nicht vom Geltungsgrund der Ent-geltleistung, sondern nur vom Vorliegen eines kollekti-ven Tatbestands ab. Die konkrete Höhe des Arbeitsent-gelts wird allerdings nicht vom Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst.

Entlohnungsgrundsätze bestimmen das System, nach dem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile

von ihr bemessen werden soll.

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b) Die bei der nicht tarifgebundenen Beklagten gelten-den – zuletzt mitbestimmten – Entlohnungsgrundsät-ze entsprechen nicht der Vergütungsstruktur des TVöD. Daher kann die Klägerin ihre Klageforderung hierauf nicht stützen.

aa) Die Betriebsparteien haben die im Betrieb der Be-klagten anzuwendenden Entlohnungsgrundsätze in der BV 1992 und in der BV 2001 ausgestaltet.

(1) In dem Abschluss der BV 1992 liegt (auch) die Aus-übung des dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustehenden Mitbestimmungsrechts für die Anwen-dung der in der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck kommenden Entlohnungsgrundsätze. Diese bestimmen sich in dem für die Klägerin einschlägigen „Verwal-tungsbereich“ ua. nach (…).

(2) Diese Entlohnungsgrundsätze haben die Betriebspar-teien mit der BV 2001 – anders als die Beklagte meint – nicht insgesamt abgelöst. Die BV 2001 trifft keine (…) vergleichbare Regelungen. (…) Wäre die BV 2001 eine die (bisherigen) Entlohnungsgrundsätze beseitigende

Vereinbarung, hätte der Betriebsrat auf die Substanz der ihm gesetzlich obliegenden Mitbestimmung ver-zichtet. Ein solches Verständnis führte – jedenfalls so-weit die Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betroffen ist – zur Unwirksamkeit der BV 2001. Es ver-bietet sich schon deshalb, weil Betriebsvereinbarungen möglichst gesetzeskonform auszulegen sind.

(3) Weder die BV 1992 noch die BV 2001 ist wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG insgesamt unwirksam. Zwar könnte die Beklagte nach der nicht angegriffenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der Stadt M Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband werden. Deshalb ist anzunehmen, dass der Betrieb der Beklagten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Dort sind seit Jahrzehnten etwa Ausschlussfristen tariflich geregelt, für Angestellte zunächst in § 70 BAT, nach der Tarifsukzession in § 37 TVöD. Ausschlussfristen unterfallen aber dem Bereich der freiwilligen Mitbe-stimmung (§ 88 BetrVG). Für sie gilt die Regelungssper-re des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Daher verstößt § 2 Abs. 1 Abschn. A Buchst. a BV 1992 – ebenso wie § 2 Abs. 1 Abschn. A Buchst. a BV 2001 – zumindest hinsichtlich der Ausschlussfristenregelung gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist insoweit unwirksam. Gleiches gilt, soweit die BV 1992 und die BV 2001 Regelungen zu der nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG un-terliegenden konkreten Höhe des Entgelts beinhalten.

Jedoch hat die Teilunwirksamkeit einer Betriebsverein-barung die Unwirksamkeit auch ihrer übrigen Bestim-mungen nur dann zur Folge, wenn diese ohne die un-wirksamen Teile keine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung mehr darstellen. Danach sind die BV 1992 und die BV 2001 nicht insgesamt unwirksam. Sie bilden auch ohne die unwirksamen Festlegungen zu einer Aus-schlussfrist und der konkreten Vergütungshöhe eine in sich geschlossene und praktikable Regelung zu den im Betrieb der Beklagten anzuwendenden Entlohnungs-grundsätzen.

bb) Mit der ab dem 1. Oktober 2005 vorgenommenen einseitigen „Umstellung“ der Vergütung der Arbeitneh-mer im Verwaltungsbereich auf den TVöD hat die Be-klagte die in der BV 1992 und der BV 2001 aufgestellten Entlohnungsgrundsätze geändert.

(1) Die Beklagte hat – wie in ihrem Schreiben vom 15. August 2005 an den Betriebsrat verlautbart – ab dem 1. Oktober 2005 die bisher „in Anlehnung an BAT“ ein-gruppierten Mitarbeiter ua. der Verwaltung „in Anleh-nung an den TVöD eingruppiert und entlohnt“. Es trifft

zwar zu, dass im kommunalen Bereich der BAT zum 1. Oktober 2005 durch den TVöD ersetzt wurde, § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA. Ab die-sem Zeitpunkt wurden der BAT und die Vergütungstarifverträge zum BAT nicht mehr weiterentwickelt. Die Vergütungs-strukturen des BAT und des TVöD/TVÜ-

VKA sind aber nicht gleich. Anders als der BAT – auf den etwa § 7 Abs. 1 Buchst. a und § 8 Abs. 1 Buchst. a BV 1992 verweisen – sieht der TVöD keine altersabhängige Grundvergütung, keine familienbezogenen Entgeltbe-standteile und keine Bewährungs-, Zeit- und Tätigkeits-aufstiege vor. Mit der Vergütung nach den Strukturen des TVöD ändert sich das System, nach dem sich das Entgelt der Arbeitnehmer ermittelt.

(2) Bei dieser Änderung hat die Beklagte das Mitbestim-mungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be-trVG verletzt.

(a) Zwar ist der Senat in seiner Entscheidung vom 17. Mai 201 davon ausgegangen, dass in einem Fall, in dem der Arbeitgeber auf alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Tarifgebundenheit die für ihn geltende tarifliche Vergütungsordnung in ihrer jeweiligen Fassung ange-wandt hatte (dies war in dem entschiedenen Rechts-streit bis zum 31. Oktober 2006 die des BAT und an-schließend die des TV-L und TVÜ-L), kein Tarifwechsel, sondern eine von denselben Tarifvertragsparteien ver-einbarte Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbe-reichs des bisherigen Tarifvertrags liegt, woran der Be-triebsrat mangels Änderung der bisherigen Vergütungs-struktur nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteili-gen ist. Diese Entscheidung beruht aber auf der Fallgestaltung, dass sich die bei dem Arbeitgeber gel-tende Vergütungsordnung inhaltlich nicht auf den BAT

Anders als der BAT kennt der TVöD keine altersabhängige Grundvergütung, keine familienbezogenen Entgeltbestandteile

und keine Bewährungs-, Zeit- und Tätigkeitsaufstiege.

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oder die jeweils geltende Fassung des BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge beschränkte, sondern in der „jeweils für das Land Schleswig-Holstein maßgeblichen tariflichen Struktur“ bestand. Infolge dessen war die dortige Tarifsukzession vom BAT zum TV-L keine mit-bestimmungspflichtige „Änderung“ der Entlohnungs-grundsätze, sondern in den mitbestimmten Entloh-nungsgrundsätzen angelegt.

(b) Vorliegend haben die Betriebsparteien keinen Ent-lohnungsgrundsatz vereinbart, wonach sich dieser im Verwaltungsbereich generell nach den „für die Ange-

stellten im kommunalen öffentlichen Dienst“ oder nach dem „für die Stadt M“ geltenden tariflichen Bestimmun-gen richtet. Dies folgt aus der – vor allem systemati-schen – Auslegung der BV 1992 und der BV 2001.

(aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres norma-tiven Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszu-legen. (…)

(bb) Hiervon ausgehend haben die Betriebsparteien kei-nen Entlohnungsgrundsatz vereinbart, der in der An-wendung des für den (kommunalen) öffentlichen Dienst geltenden Tarifwerks besteht.

(aaa) Der Wortlaut der in der BV 1992 getroffenen Be-stimmungen zu den im Verwaltungsbereich aufgestell-ten Entlohnungsgrundsätzen ist unergiebig. (…)

(bbb) Der Gesamtzusammenhang der mit der BV 1992 und der BV 2001 vereinbarten Entlohnungsgrundsätze spricht deutlich gegen deren generelle Verknüpfung mit der für den öffentlichen Dienst maßgeblichen ta-riflichen Struktur. Die Betriebsparteien haben sich un-terschiedlicher Regelungstechniken bedient. Sie haben zT auf das im öffentlichen Dienst (damals) geltende Tarifwerk des BAT verwiesen und zT (konkret: bei den Zuschlägen) eigenständige Regelungen getroffen (§ 6 Abs. 2 Abschn. A Ziffer 3 BV 1992 und § 4 Abschn. A BV 2001). Diese – auch in anderen Bereichen vor allem der BV 1992 – verwandte Regelungstechnik kann nur so ver-standen werden, dass die Betriebsparteien einerseits Normen schaffen wollten, deren Inhalt sich nach den in Bezug genommenen Tarifnormen richten soll, und anderseits solche, die als eigenständige Regelungen von dem Tarifwerk des öffentlichen Dienstes einschließlich seiner zukünftigen Veränderungen unberührt bleiben sollen. Damit verbietet sich die Annahme einer inhalt-lichen Orientierung der mitbestimmt aufgestellten Ent-

lohnungsgrundsätze an der jeweils für den kommuna-len öffentlichen Dienst einschlägigen tariflichen Struk-tur. Selbst wenn die Betriebsparteien übereinstimmend einen solchen Regelungswillen verfolgt hätten, wäre er nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck ge-kommen und daher bei der Auslegung nicht zu berück-sichtigen.

(ccc) Der von der Revision in der mündlichen Verhand-lung vorgebrachte Hinweis auf eine ergänzende Ver-tragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) der BV 1992 und der BV 2001 dahingehend, dass die Betriebsparteien die

Struktur des TVöD vereinbart hätten, wenn ihnen die Nichtfortführung des BAT und seiner Vergütungstarifverträge ab einem bestimmten Zeitpunkt klar gewe-sen sei, ist nicht zielführend. Er verkennt, dass sich die Auslegung von Betriebsver-einbarungen nach den Grundsätzen der

Gesetzesauslegung richtet. Damit scheidet eine ergän-zende Auslegung von Betriebsvereinbarungen zwar nicht von vornherein aus. Voraussetzung ist aber die Feststellung einer unbewussten planwidrigen Rege-lungslücke. Eine solche kann den mit der BV 1992 und der BV 2001 aufgestellten Entlohnungsgrundsätzen nicht entnommen werden.

(c) Die Änderung der Entlohnungsgrundsätze durch die Arbeitgeberin ab dem 1. Oktober 2005 erfolgte einseitig und ohne Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Be-triebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Auch eine da-rauf gerichtete Regelungsabrede ist unterblieben. Sie folgt nicht daraus, dass der Betriebsrat – soweit ersicht-lich – die ihm mitgeteilte Eingruppierung und Entloh-nung ua. der Mitarbeiter der Verwaltung ab dem 1. Ok-tober 2005 in Anlehnung an den TVöD nicht moniert hat. Die bloße Hinnahme mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers durch den Betriebsrat ist keine Regelungsabrede. Diese setzt zumindest eine auf die Zustimmung zu der Maßnahme gerichtete Be-schlussfassung des Betriebsrats und deren Verlautba-rung gegenüber dem Arbeitgeber voraus. Hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten.

cc) Sind die im Betrieb geltenden Entlohnungsgrund-sätze damit nicht die des TVöD, kann die Klägerin ihre Klageforderung nicht darauf stützen. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung trägt keinen Anspruch auf Vergütung nach mitbestimmungswidrig geänderten Entlohnungsgrundsätzen. Sie setzt ein mitbestim-mungswidriges Verhalten des Arbeitgebers voraus und ist nicht Anspruchsgrundlage zur Durchsetzung mitbe-stimmungswidrigen Verhaltens.

(…)

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Mit dem Übergang von den Vergütungsstrukturen des BAT zu denen des TVöD ändert sich das System, nach

dem sich das Entgelt der Arbeitnehmer ermittelt.

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Auswahl der Person der oder des Vorsitzenden der EinigungsstelleZur Berücksichtigung der Vorstellungen der Betriebs-parteien bei der gerichtlichen Bestellung der oder des Vorsitzenden einer EinigungsstelleLAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 18.6.2015 – 21 TaBV 745/15 –

Aus den Gründen

II. Gegenstand der Beschwerde ist allein die Bestim-mung der oder des Vorsitzenden der durch das Arbeits-gericht ansonsten rechtskräftig eingesetzten Einigungs-stelle.

1. Die Beschwerde ist zulässig. (…)

2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Auf-grund der besonderen Umstände des Einzelfalls war weder dem Vorschlag des Betriebsrats, noch dem Vor-schlag der Arbeitgeberin zu folgen. Stattdessen war mit dem Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht R. Sch. eine dritte Person zum Vorsitzenden der Einigungs-stelle zu bestimmen, gegen welche weder der Betriebs-rat noch die Arbeitgeberin Einwände vorgebracht haben.

a) Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist die oder der Vorsit-zende der Einigungsstelle durch das Arbeitsgericht zu bestellen, wenn sich die Betriebsparteien nicht auf eine bestimmte Person einigen konnten. Dabei dürfen nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nur unparteiische Personen bestellt werden, d. h. Personen, die von den Betriebspar-teien unabhängig sind und auch sonst die Gewähr für eine neutrale Verhandlungsführung bieten. Außerdem sollte die oder der Vorsitzende die für den konkreten Konfliktfall notwendige Sach- und Rechtskunde besit-zen und in der Lage sein, die Betriebsparteien zu einer für beide Seiten tragfähigen Kompromisslösung hinzu-führen.

b) Hinsichtlich der Berücksichtigung der Vorstellungen der Betriebsparteien bei der Auswahl der oder des zu bestellenden Vorsitzenden gilt Folgendes:

aa) Bei der Bestellung ist das Arbeitsgericht nicht an die Anträge oder Vorschläge der Beteiligten in dem Sinne gebunden, dass es dem Antrag nur entsprechen oder ihn zurückweisen kann. § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO findet nach § 46 Abs. 2, § 80 ArbGG zwar grundsätzlich auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Anwen-dung. Dies gilt nach § 99 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der auf § 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verweist, jedoch nicht für die Bestellung der oder des Vorsitzenden im Einigungsstel-leneinsetzungsverfahren. Denn nach § 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG kann sich das Arbeitsgericht nicht darauf be-schränken, zu entscheiden, ob die von den Betriebspar-teien jeweils vorgeschlagenen Personen die Anforde-

rungen an den Vorsitz erfüllen, und im Fall, dass beide geeignet sind, welche die geeignetere ist. Es hat viel-mehr, sofern die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist, gegebenenfalls gestaltend tätig zu werden und in jedem Fall eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden zu bestellen. Dementsprechend ist es – gleichwohl üblich – für die Bestimmtheit des Antrages auch nicht erforderlich, eine bestimmte Person für den Vorsitz im Antrag zu benennen.

bb) Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich bei den Vor-schlägen der Betriebsparteien um bloße Anregungen ohne jede Bindungswirkung handelt und das Arbeits-gericht die Vorsitzende oder den Vorsitzenden nach freiem Ermessen bestellen könnte. Vielmehr ist das Auswahlermessen des Gerichts, wenn die antragstel-lende Betriebspartei eine bestimmte grundsätzlich ge-eignete Person für den Vorsitz vorgeschlagen hat, von der anderen Betriebspartei keine oder keine nachvoll-ziehbaren Einwände erhoben werden und sich auch dem Gericht keine Bedenken hinsichtlich der Geeignet-heit aufdrängen, eingeschränkt. Denn wenn es keine Bedenken gibt, gibt es regelmäßig auch keinen Grund, die vorgeschlagene Person nicht zu bestellen.

cc) Ein bloßes „Nein“, nur schlagwortartige Einwände oder reine Mutmaßungen sind nicht ausreichend. Viel-mehr sind zumindest aus subjektiver Sicht der jeweils anderen Betriebspartei nachvollziehbare, auf Tatsachen beruhende Einwände bzw. verifizierbare Bedenken er-forderlich. Denn es gibt kein schützenswertes Interesse, einen Vorschlag ohne beachtlichen Grund nur deshalb abzulehnen und der vorgeschlagenen Person das erfor-derliche Vertrauen vorzuenthalten, weil der Vorschlag von der jeweils anderen Betriebspartei kommt. Andern-falls bestünde die Gefahr, dass die in Betracht kommen-den Kandidatinnen und Kandidaten ohne jeden Grund in Misskredit gebracht oder mit einen „Gegnerfavori-tenmakel“ versehen werden. Dies ist mit der Rolle und Funktion der oder des Vorsitzenden als unabhängig und unparteiisch agierende Person nicht zu vereinbaren. Zudem wäre die antragstellende Betriebspartei, wenn sie eine bestimmte Person für die Übernahme des Vor-sitzes im konkreten Einzelfall für besonders geeignet hält, gezwungen, diesen Vorschlag zunächst zurückzu-halten und stattdessen eine andere, nicht favorisierte Person vorzuschlagen und deren Einverständnis einzu-holen, um dann, wenn die andere Betriebspartei den Vorschlag routinemäßig abgelehnt hat, die eigentlich favorisierte Person ins Spiel zu bringen. Die Notwendig-keit eines solchen taktischen Vorgehens ist weder der antragstellenden Betriebspartei, noch den betroffenen Kandidatinnen oder Kandidaten zumutbar und passt auch nicht zu einem förmlichen rechtsstaatlichen Ver-fahren.

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Aus diesem Grund ist auch der teilweise vertretenen Ansicht nicht beizutreten, dass bei divergierenden Vor-schlägen auch ohne nähere Darlegung der Vorbehalte gegen den Vorschlag der jeweils anderen Betriebspartei regelmäßig eine dritte Person zu bestellen sei.

Dass es dadurch unter Umständen zu einem sog. Wind-hundrennen kommen kann, lässt sich nicht verhindern und ist angesichts der übrigen Argumente hinzuneh-men.

dd) Allerdings dürfen, da dem Vertrauen beider Betriebs-parteien in die Kompetenz und Unparteilichkeit des Vorsitzenden wesentliche Bedeutung für eine erfolg-reiche Verhandlungsführung zukommt, an die Substan-tiierung der Bedenken keine hohen Anforderungen ge-

stellt werden. Insbesondere bedarf es im Fall des Be-streitens keiner Beweisaufnahme. Ausreichend ist viel-mehr die Darlegung nachvollziehbarer, auf Tatsachen beruhender subjektiver Vorbehalte, die ernsthaft und nicht nur vorgeschoben erscheinen. Dass die Vorbehal-te nach ihrer Art und ihrem Gewicht einem Ablehnungs-grund wegen der Besorgnis der Befangenheit entspre-chen, ist – entgegen der Ansicht des Betriebsrats – eben-so wenig erforderlich wie, dass die Betriebspartei, die Bedenken erhebt, die betreffende Person in einem an-deren Einigungsstellenverfahren bereits wegen der Be-sorgnis der Befangenheit abgelehnt hat.

ee) Keiner näheren Darlegung der Ablehnungsgründe bzw. Vorbehalte gegen eine für den Vorsitz vorgeschla-genen Person bedarf es, wenn dies für die Betriebspar-tei unzumutbar ist, weil sie befürchten muss, dadurch könnten die Verhandlungen in einer Einigungsstelle unter dem Vorsitz der betreffenden Person belastet werden.

Dafür reicht zwar noch nicht die Möglichkeit, dass eine abgelehnte Person gleichwohl eingesetzt wird, da es sich hierbei lediglich um eine theoretische Möglichkeit handelt. Denn wenn eine Betriebspartei tatsächlich ernsthafte Einwände gegen die Person einer oder eines vorgeschlagenen Vorsitzenden vorbringt, dürfte die Ge-fahr, dass diese gleichwohl rechtskräftig bestellt wird, äußerst gering sein. Soweit die Einwände nicht durch-greifen und die vorgeschlagene Person aufgrund der Art der Vorbehalte ihrerseits die erforderliche Vertrau-ensbasis vermisst, kann sie die Übernahme des Vorsit-zes jederzeit ablehnen.

Anders verhält es sich jedoch, wenn in dem Betrieb pa-rallel zu der beantragten Einigungsstelle noch eine wei-

tere Einigungsstelle unter dem Vorsitz der betreffenden Person läuft. In diesem Fall kann von der Betriebspartei nicht erwartet werden, dass sie ihre Einwände im Ein-zelnen offenbart. Je nach den Umständen kann dies auch dann gelten, wenn die weitere Einigungsstelle ei-nen anderen Betrieb derselben Arbeitgeberin betrifft.

c) Gemessen an diesen Grundsätzen, war weder dem Vorschlag des Betriebsrats noch dem Vorschlag der Ar-beitgeberin zu folgen, sondern der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht R. Sch. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestellen.

aa) Umstritten ist, ob das Landesarbeitsgericht im Be-schwerdeverfahren eine eigene Ermessensentschei-dung hinsichtlich der Person des Vorsitzenden treffen

kann oder auf die Überprüfung der erstinstanzlichen Ermessensentscheidung beschränkt ist. Vorliegend bedarf diese Frage keiner Entscheidung. Denn jeden-falls dann, wenn eine der Betriebsparteien – wie hier die Arbeitgeberin – im Be-schwerdeverfahren zulässigerweise neue

beachtliche Aspekte eingebracht hat, kann das Be-schwerdegericht diese nicht außer Acht lassen, sondern hat eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen.

bb) Die vom Betriebsrat vorgeschlagene und von der Arbeitgeberin abgelehnte Vorsitzende Richterin am Lan-desarbeitsgericht hat in der Filiale 765 den Vorsitz einer weiteren noch nicht abgeschlossenen Einigungsstelle inne. Außerdem sitzt sie einer Einigungsstelle in der Fi-liale 680 der Arbeitgeberin vor. Die Verfahrensbevoll-mächtigten des hiesigen Betriebsrats betreuen auch den für diese Filiale gebildeten Betriebsrat. Wenn in einer solchen Situation die Arbeitgeberin befürchtet, durch eine nähere Substantiierung ihrer Vorbehalte ge-gen die vom Betriebsrat vorgeschlagene Vorsitzende könnten die Verhandlungen in den weiteren Einigungs-stellen unzuträglich belastet werden, ist dies nachvoll-ziehbar.

cc) Dem Vorschlag der Arbeitgeberin war ebenfalls nicht zu folgen, da dieser vom Betriebsrat abgelehnt wurde. Zwar ist nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht da-von auszugehen, dass Herr Dr. E. aktuell Vorsitzender einer weiteren Einigungsstelle in der Filiale 765 oder einer anderen Filiale der Arbeitgeberin in Berlin ist. Je-doch erscheint es nicht angebracht, wenn sich eine Be-triebspartei auf eine pauschale Ablehnung des Vor-schlags der anderen Betriebspartei beschränken darf, von der anderen Betriebspartei zu verlangen, dass sie ihre Bedenken gegen den Gegenvorschlag näher sub-stantiiert. Denn andernfalls könnte eine Betriebspartei, wenn noch ein anderes Einigungsstellenverfahren unter dem Vorsitz der von der antragstellenden Betriebspar-tei vorgeschlagenen Person läuft, diese auch gänzlich ohne Gründe ablehnen, nur um ihren eigenen Vorschlag durchzusetzen.

Das Vertrauen beider Betriebsparteien in Kompetenz und Unabhängigkeit des Vorsitzenden der Einigungsstelle ist

wesentlich für eine erfolgreiche Verhandlungsführung.

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dd) Herr Sch. ist unparteilich und verfügt über die er-forderliche Fachkompetenz. Er ist – ebenso wie Frau S. und Herr Dr. E. – ein erfahrener Einigungsstellenvorsit-zender und hat auch schon im Unternehmen der Ar-beitgeberin den Vorsitz einer Einigungsstelle geführt. Einwände gegen die Geeignetheit von Herrn Sch. sind im Beschwerdeverfahren von keiner Seite vorgebracht worden. Der Betriebsrat wollte sich auf den Vorschlag des Beschwerdegerichts in der mündlichen Anhörung am 18. Juni 2015, die Einigungsstelle zur sicherheitstech-nischen Betreuung mit der Einigungsstelle zur betriebs-ärztlichen Betreuung unter dem Vorsitz von Herrn Sch. zusammenzufassen, lediglich aus prinzipiellen Erwä-gungen nicht einlassen.

Der Umstand, dass Frau S. aufgrund ihres Vorsitzes in der Einigungsstelle zur betriebsärztlichen Betreuung in die sich konkret stellenden Sach- und Rechtsfragen be-reits weitgehend eingearbeitet ist, während hiervon bei Herrn Sch. nicht auszugehen ist, kann das ausnahms-

weise zu akzeptierende nicht näher substantiierte feh-lende Vertrauen der Arbeitgeberin in die Amtsführung von Frau S. nicht überwiegen. Soweit die zu den jewei-ligen Regelungsgegenständen zu vereinbarenden Re-gelungen aufeinander abzustimmen sind, wäre es si-cherlich von Vorteil, wenn beiden Einigungsstellen die-selbe Person vorsitzen würde, zwingend ist dies jedoch nicht. Die Betriebsparteien können dafür sorgen, dass beide Einigungsstellen über die Inhalte und den Stand der Verhandlungen in der jeweils anderen Einigungs-stelle ausreichend informiert sind, indem sie beispiel-weise die von ihrer Seite für die Einigungsstelle zur be-triebsärztlichen Betreuung benannten Beisitzerinnen und/oder Beisitzer auch für die Einigungsstelle zur si-cherheitstechnischen Betreuung benennen.

(…)

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Schweigepflichtverletzung im Betriebsratswahlkampf als Grund für den Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat1. Einem Antrag auf den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat fehlt nicht deshalb das Rechtsschutz-interesse, weil er auf eine Pflichtverletzung aus einer vorangegangenen Amtsperiode gestützt wird. Ob der Antrag gemäß § 23 Abs. 1 Satz1 BetrVG auf eine frühere Pflichtverletzung gestützt werden kann, ist allein eine Frage der Begründetheit. 2. Wenn eine unmittelbar vor der Neuwahl des Betriebs-rats begangene Pflichtverletzung konkrete Auswirkun-gen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem neugewählten Betriebsrat und dem Arbeitgeber hat, kann diese Pflichtverletzung zum Ausschluss aus dem Betriebsrat in der folgenden Amtsperiode führen. Dies ist jedenfalls möglich, wenn ein Betriebsratsmit-glied nicht nur ein vom Arbeitgeber als geheimhal-tungsbedürftig bezeichnetes Betriebs- oder Geschäfts-geheimnis öffentlich macht, sondern zugleich zum Ausdruck bringt, dies auch zukünftig so handhaben zu wollen. LAG Düsseldorf, Beschluss v. 23.1.2015 – 6 TaBV 48/14 – (n. rkr.)

Aus den Gründen

Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat Erfolg. Der Be-teiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen.

1. (…) 2. (…) a) Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

aa) Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht angenom-men, dass ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG mit Ablauf der Amtszeit, in der das Betriebsrats-mitglied seine Pflichten grob verletzt haben soll, gegen-standslos wird und deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für den Ausschlussantrag selbst dann wegfällt, wenn das Betriebsratsmitglied für die neue Amtsperiode wie-der in den Betriebsrat gewählt worden ist. Dem kann nur für den Fall zugestimmt werden, dass sich der An-trag unverändert auf den Ausschluss aus dem bisheri-gen Betriebsrat bezieht. Wird hingegen der Ausschluss aus dem neugewählten Betriebsrat beantragt, so ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Da das Erfordernis ei-nes Rechtsschutzinteresses dazu dient, die Gerichte vor einer unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen, entfällt es nur bei objektiv sinnlosen Anträgen, d. h. wenn der Klagende kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann.

Da der Ausschluss aus einem bereits beendeten Amt unmöglich ist, ist bei einer derartigen Konstellation das Festhalten an dem Antrag offensichtlich unsinnig. Soll

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das Betriebsratsmitglied hingegen aus dem neugewähl-ten Betriebsrat ausgeschlossen werden, so gibt es für den Arbeitgeber keinen anderen Weg, als das Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG durchzuführen. Ob dieses Be-gehren auf einen Pflichtverstoß gestützt werden kann, der in der vorherigen Amtszeit begangen wurde, ist al-lein eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Im Streitfall war der zum Schluss der mündlichen Anhörung erster Instanz gestellte Antrag der Arbeitge-berin nicht (mehr) auf einen Ausschluss aus dem bishe-rigen, sondern auf den Ausschluss aus dem am 15./16.04.2014 neu gewählten Betriebsrat gerichtet. (…)

cc) (…) Diese Antragsänderung war zulässig. (…)

b) Der Antrag ist begründet. Der Beteiligte zu 2) ist aus dem Betriebsrat auszuschließen. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S.1 BetrVG liegen vor.

aa) Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann ein Betriebs-ratsmitglied auf den Antrag des Arbeitgebers aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden, wenn es seine ge-setzlichen Pflichten grob verletzt. (…)

bb) Die dargestellten Voraussetzungen zum Ausschluss aus dem Betriebsrat sind gegeben. Der Beteiligte zu 2) hat in grober Weise gegen seine Verschwiegenheits-pflicht verstoßen.

aaa) Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsge-heimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum

Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.

(1) Bei den am 21.01.2014 seitens der Geschäftsführung gegebenen Informationen handelte es sich um Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse. (…)

(2) Die Arbeitgeberin hat diese Informationen ausdrück-lich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet.

bbb) Gegen diese Geheimhaltungspflicht hat der Betei-ligte zu 2) jedenfalls am 20.02.2014 verstoßen, als er die Informationen im Rahmen der Betriebsversammlung an die Belegschaft weitergegeben hat. (…)

ccc) Es handelte sich um einen groben Pflichtenverstoß. Der Beteiligte zu 2) hat vorsätzlich gegen die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen. (…)

ddd) Der Beteiligte zu 2) ist aus dem aktuellen Betriebs-rat auszuschließen, obwohl der Verstoß aus der voran-gegangenen Amtszeit stammt.

(1) Ob eine Amtspflichtverletzung in der vorangegan-genen Amtszeit in der folgenden Amtsperiode zu dem Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds führen kann, ist umstritten.

Eine Auffassung lehnt dies grundsätzlich ab. Zur Be-gründung wird auf die Gesetzessystematik verwiesen. § 23 Abs. 1 BetrVG regele nicht nur den Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds, sondern auch die Auf-lösung des gesamten Betriebsrats. Letzteres sei aber nach Ablauf der Amtszeit selbst dann nicht mehr mög-lich, wenn der neue mit dem alten Betriebsrat perso-nenidentisch sei. § 24 BetrVG lasse für den Verlust des Amtes u.a. den Ablauf der Amtszeit maßgebend sein. Nach § 21 BetrVG beginne die Amtszeit mit der Wahl bzw., wenn zu dieser Zeit noch ein Betriebsrat bestehe, mit Ablauf von dessen Amtszeit.

In gleicher Weise unterscheide das Gesetz in § 22 Be-trVG für die Fälle der vorzeitigen Neuwahl zwischen dem alten und dem neuen Betriebsrat. Diese von der Gesetzessystematik gebotene Auslegung müsse auch im Falle der Wiederwahl gelten, denn der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds stehe seiner Wiederwahl nicht entgegen. Die Wiederwahl stelle einen Vertrau-ensbeweis für das betreffende Betriebsratsmitglied dar. Die durch die Neuwahl geschaffene Vertrauenslage würde zerstört, wenn das auf die alten Vorkommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum

Ausschluss führen könnte. Überdies wür-de die Mitgliedschaft eines solchen Ar-beitnehmers in dem neuen Betriebsrat während der gesamten Amtszeit und da-mit in gewissem Sinne auch seine Wähl-barkeit von dem Zufall abhängen, ob das Ausschlussverfahren noch in der alten

oder erst in der neuen Amtszeit rechtskräftig beendet wird. Würde man den Ausschluss auch für die neue Amtszeit für zulässig erachten, so würde die Entschei-dung des Gerichts das neue Amt beenden, obwohl dem Arbeitnehmer aus seiner Mitgliedschaft in dem neuen Betriebsrat keine Vorwürfe im Sinne des § 23 BetrVG gemacht werden könnten.

Die Gegenansicht hält einen Ausschluss für möglich, sofern sich die vorangegangene Pflichtverletzung auf die Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds belastend fortwirke.

(2) Jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation, in der eine unmittelbar vor der Neuwahl des Betriebsrats begangene Pflichtverletzung konkrete Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen neu-em Betriebsrat und Arbeitgeber hat, folgt die Kammer der letztgenannten Ansicht.

Nach Rechtsprechung des BAG wird ein Ausschlussver-fahren mit Ablauf der Amtszeit, in der das Betriebsratsmitglied

seine Pflichten grob verletzt haben soll, gegenstandslos.

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Dem Wortlaut des § 23 Abs.1 BetrVG lässt sich nicht ent-nehmen, ob nur Pflichtverletzungen während der ge-rade laufenden Amtszeit zum Ausschluss führen können oder ob auch eine Pflichtverletzung in der vorausgegan-genen Amtsperiode genügt.

Aus der vom Bundesarbeitsgericht im Beschluss v. 29.04.1969 aufgeführten Gesetzessystematik lässt sich lediglich schließen, dass sich ein auf den Ausschluss aus dem bisherigen Betriebsrat gerichteter Antrag mit der Neuwahl eines Betriebsrats erledigt, da die bisherige Amtszeit endet und eine neue Amtszeit beginnt. Diesbezüglich gibt es keinerlei Unterschied zu der zweiten in § 23 Abs. 1 BetrVG geregelten Fallgestal-tung, der Auflösung eines Betriebsrats. Hingegen enthalten weder § 21 noch § 22 oder § 24 BetrVG Anhaltspunkte dafür, inwieweit eine vorangegangene Pflichtverletzung in einem Verfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BetrVG von Relevanz sein kann, sofern ein Ausschluss aus dem neugewählten Betriebs-rat beantragt wird.

Aus der Tatsache, dass das Gesetz die Wiederwahl eines wirksam ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds nicht ausschließt, können keinerlei Rückschlüsse gezogen werden. Es geht hier nicht um die Wiederwahl eines bereits ausgeschlossenen Betriebsratsmitglieds, son-dern um die Berechtigung eines solchen Ausschlusses. Aber auch aus der Wählbarkeit eines Arbeitnehmers, der bereits zum Zeitpunkt der Wahl durch eine grobe Pflichtwidrigkeit einen Ausschlussgrund gesetzt hat, können keine Rückschlüsse auf die Begründetheit eines Antrags nach § 23 Abs. 1 BetrVG gezogen werden. Eine etwaige Regelung, die bereits im Falle des Vorliegens eines Ausschlussgrundes die Wählbarkeit entfallen lie-ße, fehlt aus gutem Grunde. Sie wäre nämlich system-widrig. Ein Ausschlussgrund müsste nämlich dann vom Wahlvorstand von Amts wegen berücksichtigt werden, während der Ausschluss gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG eines Antrags der dort genannten Antragsberechtigten be-darf. Zudem hätte der Entfall der Wählbarkeit viel gra-vierende Folgen, denn sie würde ohne vorherige gericht-liche Prüfung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes mit sofortiger Wirkung greifen, während der Ausschluss nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG erst ab Rechtskraft der ge-richtlichen Entscheidung Wirkung entfaltet.

Nicht überzeugend ist das Argument, in der Wiederwahl liege ein Vertrauensbeweis für das Betriebsratsmitglied und diese durch die Neuwahl geschaffene Vertrauens-grundlage würde zerstört, wenn das auf die alten Vor-kommnisse zurückgehende Ausschlussverfahren jetzt noch zum Ausschluss führen könnte. Zum einen kann durch die Neuwahl allenfalls eine etwaig zerstörte Ver-trauensgrundlage zwischen Betriebsratsmitglied und Belegschaft, nicht aber zerstörtes Vertrauen zwischen Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber und/oder Be-triebsrat wiederhergestellt werden. Zum anderen wür-

de ein solcher „Vertrauensbeweis“ voraussetzen, dass die gesamte Wählerschaft sowohl Kenntnis von einem laufenden Ausschlussverfahren als auch von den darin erhobenen Vorwürfen hat. Das lässt sich jedenfalls im vorliegenden Fall nicht feststellen.

Auch die vom Arbeitsgericht vorgebrachte Begründung, es dürfe nicht von der Zufälligkeit des Zeitpunkts des rechtskräftigen Abschlusses eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG abhängen, ob der Ausschluss für die alte

oder die neue Amtszeit greife, vermag nicht zu über-zeugen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit diesem Ar-gument lediglich aufgezeigt, dass man zu unbefriedi-genden Ergebnissen kommen würde, wenn man an-nähme, dass ein Ausschlussverfahren sich (automa-tisch) auf den neuen Betriebsrat erstrecken würde. Mit der Frage, was im Falle einer Antragsänderung gilt, musste und konnte sich das Bundesarbeitsgericht in dem Beschluss vom 29.04.1969 nicht auseinanderset-zen, da Antragsänderungen im Rechtsbeschwerdever-fahren grundsätzlich unzulässig sind.

Der Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 S. 1 Alt.1 BetrVG spricht dafür, zumindest in den Fällen, in denen sich eine Pflichtverletzung in der vorangegangenen Amts-periode konkret auf die Amtsführung in der laufenden Amtszeit auswirkt, einen Ausschluss zuzulassen. § 23 BetrVG dient insgesamt der Durchführung der Betriebs-verfassung. Mittelbar dient die Norm damit der Funk-tionsfähigkeit des Betriebsrats und des gesetzmäßigen Verhaltens der Betriebspartner. Durch § 23 Abs. 1 BetrVG soll zugleich ein Mindestmaß der gesetzlichen Amts-ausübung des Betriebsrats sichergestellt werden. Dabei soll durch die Vorschrift auch die vertrauensvolle Zu-sammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber anderer-seits abgesichert werden. Das lässt sich daraus ersehen, dass nicht nur dem Betriebsrat, sondern auch dem Ar-beitgeber ein Antragsrecht zusteht.

Für die Beantwortung der Frage, ob eine grobe Pflicht-verletzung zu Beeinträchtigungen bei der Durchführung der Betriebsverfassung führt, ist aber nicht der Zeit-punkt der Pflichtverletzung, sondern allein deren Aus-wirkung entscheidend. Führt daher eine vorange-gangene Pflichtverletzung konkret zu einer schwerwie-genden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des aktuellen Betriebsrats oder der vertrauensvollen Zu-sammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat in der laufenden Amtszeit, so wäre es mit dem in § 23 BetrVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Anlie-gen nicht vereinbar, wenn ein Ausschluss des die Stö-

Das Betriebsverfassungsgesetz hat die Wieder-wahl eines wirksam aus dem Betriebsrat ausgeschlossenen

Betriebsratsmitglieds nicht untersagt.

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rung verursachenden Betriebsratsmitglieds nicht mög-lich wäre.

(3) Die grobe Pflichtwidrigkeit des Beteiligten zu 2) wirkt sich auf die Durchführung der Betriebsverfassung im Betrieb der Arbeitgeberin aus.

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebspar-teien ist in der laufenden Amtsperiode ausgeschlossen, solange der Beteiligte zu 2) Mitglied des Betriebsrats ist. Wenn nicht sichergestellt ist, dass jedes Betriebs-ratsmitglied sich an seine Verschwiegenheitspflicht hält, steht nicht zu erwarten, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat geheimhaltungsbedürftige oder aber sonstige vertrauliche Informationen gibt. Insoweit wirkt sich das Verhalten des Betei-ligten zu 2) deshalb konkret auf die laufende Zusammen-arbeit der Betriebsparteien aus, da er in seiner Rede am 20.02.2014 nicht nur ihm in seiner Eigenschaft als Be-triebsratsmitglied anvertrau-te geheimhaltungsbedürftige Betriebs- bzw. Geschäftsge-heimnisse offenbart, sondern zugleich zum Ausdruck ge-bracht hat, dies auch zukünf-tig zu tun. Nicht anders lässt sich seine Äußerung „Ich wün-sche mir einen Betriebsrat, der vor dem Verkauf des Wasser-werkes aktiv wird und nicht erst dann, wenn das Kind im Brunnen liegt. Anstatt sich in Verschwiegenheit zu üben, sollte der Vorgang transparent sein.“ verstehen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Ankündigung, sondern – schlimmer noch – um ein seinen Wählern gegebenes Versprechen. Es kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, dem Betriebsrat in Kenntnis dieser Ankündigung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an-zuvertrauen und erst nach einem erneuten Verstoß des Beteiligten zu 2) ein Ausschlussverfahren einzuleiten.

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Anmerkung

Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann bei einem Arbeitsgericht der Ausschluss eines Mitglieds eines Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten bean-tragt werden. Die Verletzung gesetzlicher Pflichten durch Betriebsratsmitglieder kommt vor allen Dingen im Verhältnis zum Arbeitgeber in Betracht. Dies zeigt der vorliegende Fall, in dem es um die Verletzung des Schweigegebots geht. Zweck der Vorschrift des § 23 Abs. 1 BetrVG ist es, ein pflichtbewusstes und gesetzmäßiges Arbeiten der Betriebsratsmitglieder sicherzustellen. In

dem Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds ist zugleich eine Sanktionsmaßnahme mit vorbeugen-dem Charakter insoweit zu sehen, als anderen oder künftigen Betriebsratsmitgliedern die Folgen eines pflichtwidrigen Verhaltens vor Augen geführt werden sollen.

Dem Schweigegebot kommt insoweit eine besondere Bedeutung zu, als einerseits die Vertraulichkeit der dem Betriebsrat mitgeteilten oder bekanntgewordenen In-formationen gesichert werden soll. Andererseits dient das Schweigegebot der Funktionsfähigkeit des Betriebs-rats (Vertrauen der einzelnen Mitglieder darauf, dass ihre während einer Betriebsratssitzung getätigten Mei-nungsäußerungen nicht nach außen getragen werden).

Infolgedessen ist die Verletzung des Schweigegebots regelmäßig als grobe Pflichtverletzung zu werten. Ein einmaliges Fehlverhalten genügt, eine spätere Entschul-digung kann den Tatbestand der groben Pflichtverlet-zung nicht mehr beseitigen.

Betriebsratsmitglieder, die nicht bereit sind, das Schwei-gegebot ausreichend zu beachten, beeinträchtigen in massiver Weise das Vertrauensverhältnis zwischen Ar-beitgeber und Betriebsrat. Ein Arbeitgeber, der befürch-ten muss, dass zunächst noch vertraulich erteilte Infor-mationen alsbald von Betriebsratsmitgliedern öffent-lich gemacht werden, wird künftig kaum noch zu Vor-abinformationen bereit sein. Vielmehr wird er in Zukunft seiner Informationspflicht erst zu einem Zeit-punkt nachkommen, zu dem eine konkrete Entschei-dung (personeller, sozialer oder organisatorischer Na-tur) unmittelbar erfolgen soll. In diesen Fällen ist der Betriebsrat gezwungen, innerhalb kurzer Frist eine Mei-nungsbildung herbeizuführen, ohne dass noch ausrei-chend Zeit für Gespräche mit dem Ziel von Änderungen an dem Konzept des Arbeitgebers besteht.

Im vorliegenden Fall hatte ein Betriebsratsmitglied (aus Drang zur Profilierung) wiederholt gegen das Schwei-

Konsequenzen für die Praxis

1. Betriebsratsmitglieder können auf Antrag eines Viertels der wahl-berechtigten Arbeitnehmer, des Arbeitgebers oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ebenso wie auf Antrag des Betriebsrats wegen grober Verletzung gesetzlicher Pflichten durch ein Arbeitsge richt ausgeschlossen werden. 2. Das Betriebsverfassungsgesetz will im Interesse aller Beteiligten ein Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gewähr-leisten. Daher muss ein (von einem Arbeitgeber bzw. anderen Antrags-berechtigten) u. a. wegen Verletzung des Schweigegebots in der abgelaufenen Amtszeit gestellter Ausschlussantrag dann noch in der neuen Amtszeit weiterverfolgt werden können, wenn das betreffende (ehemalige) Betriebsratsmitglied erneut in den Betriebsrat gewählt worden ist.

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gegebot verstoßen. Ein solcher Verstoß erfolgt nicht selten zu einem Zeitpunkt, zu dem eine neue Amtszeit bevorsteht und es darum geht, den Wählerinnen und Wählern deutlich zu machen, wer ihre Interessen am wirkungsvollsten vertreten wird. Der vorliegend auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds gerichtete An-trag des Arbeitgebers hatte das Ende der Amtszeit des Betriebsrats nicht überdauert. Zutreffend hat das LAG Düsseldorf das Weiterbestehen des Rechtsschutzinte-resses trotz des inzwischen eingetretenen Endes der Amtszeit des Betriebsrats bejaht und den Erfolg des Ausschlussantrags ausschließlich von der Begründetheit dieses Antrags abhängig gemacht. Würde man nämlich das Rechtsschutzinteresse für einen in der abgelaufenen Amtszeit gestellten Ausschlussantrag bei Fortsetzung des Verfahrens in einer neuen Amtszeit verneinen, dann wäre die Vertrauensbasis zwischen Arbeitgeber und Be-triebsrat für die bevorstehende Amtszeit bei Wiederwahl des betroffenen Betriebsratsmitglieds nicht gesichert.

Auch die Arbeitnehmer müssen davon ausgehen kön-nen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitge-ber und Betriebsrat dauerhaft und nachhaltig besteht. Auch ihnen gegenüber muss gewährleistet sein, dass alle Betriebsratsmitglieder sich an das Gesetz halten

und dass, dem Zweck der Vorschrift entsprechend, ein in der abgelaufenen Amtszeit begonnenes Ausschluss-verfahren auch in der neuen Amtszeit fortgesetzt wer-den kann. Nur dadurch erhalten (auch) die Arbeitneh-mer die Gewissheit, dass, ist der Ausschlussantrag be-gründet, künftig (wieder) eine Vertrauensbasis zwi-schen Arbeitgeber und Betriebs gesichert ist.

Darüber hinaus ist Folgendes zu bedenken: Würde das Rechtsschutzinteresse für eine Fortsetzung eines Aus-schlussverfahrens nach Ablauf der Amtszeit verneint, bestünde die Gefahr, dass einzelne Betriebsratsmitglie-der gegen Ende einer Amtszeit „mutiger“ im Umgang mit den gesetzlichen Vorschriften würden, weil sie kaum befürchten müssten, in ein Ausschlussverfahren hineingezogen zu werden. Und: Könnte ein Ausschluss-verfahren, das das Ende der Amtszeit nicht überdauert, bei Wiederwahl des betroffenen Betriebsratsmitglieds nicht weitergeführt werden, dann bliebe die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten grob pflichtwidrig ist und zum Ausschluss Anlass gibt, ungeklärt. Dem Rechtsfrie-den würde auf diese Weise ein schlechter Dienst erwei-sen. Es würde offenbleiben, welche Handlungsweisen zum Ausschluss aus einem Betriebsrat führen.

Dr. Wilhelm Ilbertz, Bonn

Kostengünstigere Inhouse-Schulung statt externer Seminarteilnahme Der Arbeitgeber kann den Betriebsrat jedenfalls dann darauf verweisen, eine Fortbildung nach § 37 Abs. 6 BetrVG als Inhouse-Schulung durchzuführen, wenn der Besuch eines inhaltsgleichen externen Seminars zu ei-ner deutlichen Kostenmehrbelastung führen würde (hier: + 70%) und keine gewichtigen Interessen des Be-triebsrats entgegenstehen. ArbG Trier, Beschluss v. 20.11.2014 – 3 BV 11/14 –

Zum Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Be-triebsrats zur Teilnahme an einer externen Fortbil-dungsveranstaltung.

Der Antragsteller (im Folgenden: Betriebsrat) ist der beim Antragsgegner (im Folgenden: Arbeitgeber) gebil-dete Betriebsrat. Er besteht aus 7 Mitgliedern sowie einem Ersatzmitglied. Am 28.11.2013 fasste er den Be-schluss, seine Mitglieder V, U und T sowie das Ersatz-mitglied S zum Grundlagenseminar „Betriebsverfas-sungsrecht II“ des Seminaranbieters P. Institut für Be-triebsräte-Fortbildung AG (im Folgenden: P.) für den Zeitraum vom 25.03. bis 28.03.2014 nach R-Stadt zu

schicken. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und bot eine Inhouse-Schulung desselben Seminaranbieters mit glei-chem Schulungsinhalt an unter Verweis darauf, ein sol-ches Inhouse-Seminar sei gut 3.000,00 EUR günstiger.

Der Betriebsrat trägt vor, er könne nicht auf ein In-house-Seminar verwiesen werden, sondern habe das Recht, ein externes Seminar zu besuchen. Die Kosten bewegten sich im üblichen Rahmen. Der Erfahrungs-austausch mit Mitgliedern anderer Betriebsräte sei ein anerkannter Schulungszweck. Dieser könne bei einer Inhouse-Schulung nicht erfüllt werden.

(…)

Aus den Gründen

Die Anträge sind in ihrer zuletzt gestellten Form zuläs-sig, aber gleichwohl nicht begründet.

1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die in den Anträgen genannten drei Mitglieder sowie das Er-satzmitglied grundsätzlich die Fortbildung „Betriebs-verfassungsrecht II“ des Seminarveranstalters P. besu-chen dürfen. Streitig ist einzig und allein, ob der Be-

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triebsrat verlangen kann, dieses Seminar extern zu besuchen oder sich auf die vom Arbeitgeber angebote-ne Inhouse-Schulung verweisen lassen muss. Letzteres ist hier der Fall.

2. Das Grundlagenseminar „Betriebsverfassungsrecht II“ stellt unstreitig eine Schulungsveranstaltung im Sin-ne von § 37 Abs. 6 BetrVG dar. Ein Kostenerstattungs-anspruch ergibt sich insoweit aus § 40 Abs. 1 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber die Kosten allerdings auch für eine an sich erforderliche Schulung nicht in unbe-grenzter Höhe zu tragen. Insoweit kann sich die Teil-nahme an einer bestimmten Fortbildungsveranstaltung als nicht erforderlich erweisen, wenn sich der Betriebs-rat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengüns-tiger auch auf andere Weise verschaffen kann. Daher muss der Betriebsrat bei seiner Auswahlentscheidung unter gleichwertigen Angeboten das kostengünstigere wählen.

3. Danach muss sich der Betriebsrat auf die vom Arbeit-geber angebotene Inhouse-Schulung verweisen lassen. Der Arbeitgeber hat aufgrund der Informationen des Seminar-Anbieters P., den der Betriebsrat ausdrücklich gewünscht hat, für beide Seminarmöglichkeiten einen Kostenplan erstellt, der die Inhouse-Schulung als gut 3.000,00 EUR billiger ausweist. Dies liegt wohl insbe-sondere daran, dass der Seminaranbieter für eine In-house-Schulung nur drei Tage Seminarzeit veranschlagt und die An- und Abreisezeiten von insgesamt einem Tag für die vier Arbeitnehmer entfielen, was die Kosten für entsprechenden Ersatz an deren Arbeitsplätzen ein-spart. Dieser Kostenkalkulation ist der Betriebsrat nicht substantiiert entgegengetreten, so dass die darin ge-nannten Zahlen zugrunde zu legen waren. Danach er-wies sich die Inhouse-Schulung als 40% billiger im Ver-gleich zu der externen Schulung. Selbst wenn man, wie im Kammertermin erstmals angesprochen, die Schulung nicht in R-Stadt, sondern in Q-Stadt durchführen würde, entfielen nicht die Verpflegungs- und Übernachtungs-kosten, sondern lediglich die Fahrtkosten. Diese schla-gen in der Kalkulation des Arbeitgebers aber mit 141,00 EUR nicht nennenswert zu Buche, so dass weiterhin eine Differenz von über 3.000,00 EUR verbliebe. Diese ist dem Arbeitgeber als gemeinnützigem Verein, der sich jedenfalls auch aus öffentlichen Geldern und Zuschüs-sen finanziert, nicht zuzumuten. Seminaranbieter und Seminarinhalt bleiben identisch, was zwischen den Be-teiligten unstreitig ist. Der Schulungserfolg ist damit in keinster Weise gefährdet und im Rahmen eines In-house-Seminars durchaus als gleichwertig zu einem externen Seminar (wenn infolge der Kleingruppe nicht sogar noch höher) anzusetzen. Wenn das Bundesar-beitsgericht dem Betriebsrat aber bereits auferlegt, un-ter gleichwertigen Angeboten „die näher gelegenen“ auszuwählen, „um Reisekosten zu ersparen“, so muss dies erst recht gelten, wenn es sich nicht nur um höhe-re Reisekosten, sondern um einen erheblich höheren für ein externes Seminar aufzuwenden Betrag insge-

samt handelt wie hier. Dies gilt auch dann, wenn man nicht mit dem LAG Schleswig-Holstein den Maßstab zugrunde legt, der Betriebsrat habe stets zu prüfen, welche Entscheidung er träfe, wenn er die Kosten aus eigener Tasche zu tragen hätte.

4. Dem steht der Verweis des Antragsteller-Vertreters auf die Rechtsprechung des BAG, der Betriebsrat sei nicht gehalten, stets die kostengünstigste Schulungs-veranstaltung auszuwählen, nicht entgegen, da er das vorgenannte Zitat aus seinem Kontext nimmt. Das Bun-desarbeitsgericht erlaubt dem Betriebsrat lediglich, auch einmal nicht die kostengünstigste Schulungsver-anstaltung auszuwählen, „wenn er eine andere Schu-lung für qualitativ besser hält“. Vorliegend handelt es sich bei dem externen Seminar aber gerade nicht um eine qualitativ höherwertige Schulung, sondern um ge-nau denselben Schulungsinhalt durch genau denselben Seminaranbieter.

5. Nichts daran ändert der Verweis des Antragstel-ler-Vertreters darauf, das LAG Berlin-Brandenburg habe den Erfahrungsaustausch mit Mitgliedern anderer Be-triebsräte als Schulungszweck anerkannt. Aus der inso-weit in Bezug genommenen Entscheidung ergibt sich vielmehr genau das Gegenteil. Das Gericht judiziert dort unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesar-beitsgerichts, dass die Teilnahme an einer Schulungs-veranstaltung gerade nicht erforderlich ist, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann. Über den Einwand des dortigen Arbeitgebers, eine Inhouse-Schulung wäre günstiger gewesen, hat das Gericht überhaupt nicht entschieden, weil die In-house-Schulung ein ganz anderes Seminarthema als das externe Seminar hatte und es sich damit um gar keine vergleichbare Fortbildungsveranstaltung handel-te. Eine eigene Bewertung des Erfahrungsaustauschs mit Mitgliedern anderer Betriebsräte nimmt das LAG Berlin-Brandenburg in dem vom Betriebsrat benannten Beschluss an keiner Stelle vor. Das einzige Mal, dass der Erfahrungsaustausch dort überhaupt Erwähnung fin-det, liegt in der Wiedergabe des erstinstanzlichen Vor-bringens des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitsge-richt. Darin liegt, was dem Betriebsrat unschwer erkenn-bar war, aber mitnichten eine eigene inhaltliche Aus-sage des Landesarbeitsgerichts.

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Anmerkung

Inhouse-Schulungen in den Räumlichkeiten des Arbeit-gebers bieten für den Betriebsrat verschiedene Vortei-le gegenüber dem Besuch externer Seminarveranstal-tungen. Sie finden in der Regel in einem kleineren Kreis statt und bieten die Möglichkeit, in besonderer Weise auf die spezifischen Verhältnisse des jeweiligen Betrie-

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bes einzugehen. Für den Arbeitgeber, der nach §§ 37 Abs. 6, 40 BetrVG zur Freistellung und Kostenübernah-me verpflichtet ist, dürften jedoch der in der Regel nied-rigere Kosten – und manchmal auch der geringere Zeit-aufwand – entscheidend sein. Insbesondere Reise- und Übernachtungskosten fallen bei einer Inhouse-Schu-lung nur für den Dozenten an und sind ungleich höher, wenn sich mehrere (hier vier) Mitglieder eines Betriebs-rats auf die Reise zu einer externen Schulung begeben. Auch die Abwesenheitszeiten im Betrieb lassen sich so reduzieren, was einen zusätzlichen Kostenvorteil be-deutet.

Dies alles hatte den Arbeitgeber im entschiedenen Fall veranlasst, beim externen Anbieter der vom Betriebsrat ausgesuchten Schulung ein Angebot über eine inhalts-gleiche Durchführung des Seminars in den Räumlich-keiten des Arbeitgebers einzuholen. Dies hätte nach Darstellung des Arbeitgebers, der der Betriebsrat nicht substantiiert entgegen getreten war, nur etwa 60 % der

Kosten (vorliegend 4.589 € statt 7.756 €) ausgelöst. Der Arbeitgeber weigerte sich dementsprechend, die Über-nahme der höheren Kosten der externen Schulungsteil-nahme zu erklären und bekam vom Arbeitsgericht Trier Recht.

Tendenziell richtig an der Entscheidung ist die Betonung der – letztlich aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit folgenden – Pflicht des Betriebsrats, auf die finanziellen Belange des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Der Betriebsrat ist verpflichtet, den Arbeit-geber nur mit denjenigen Kosten zu belasten, die er der Sache nach für verhältnismäßig und deshalb auch dem Arbeitgeber gegenüber für zumutbar halten durfte.1 Ent-scheidend war vorliegend, dass dem Betriebsrat eine inhaltsgleiche Schulung von demselben Anbieter (nur in den eigenen Räumlichkeiten des Betriebes) angeboten wurde und er offenbar keinerlei Vorteile eines alterna-tiven Besuchs der externen Schulung vortragen konnte.

Solche Vorteile sind aber natürlich denkbar und müss-ten dann vom Betriebsrat (!) abgewogen werden mit den finanziellen und sonstigen Interessen des Arbeit-

1 Vgl. BAG v. 28.6.1995 – 7 ABR 55/94, Rn.18, DB 1995, 2118.

gebers. In Betracht kommt hier etwa die Person des Dozenten, die wegen ihrer Fachkunde, Qualifikation, der Art der Stoffvermittlung oder aus sonstigen Grün-den eine relevante Größe sein kann. Dabei geht aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht hervor, ob der Anbieter die Durchführung der Inhouse-Schulung mit demselben Dozenten angeboten hat. Auch der Zeitpunkt der Schu-lung kann von Bedeutung sein. Der Betriebsrat müsste sich nicht darauf einlassen, erforderliche Kenntnisse erst geraume Zeit später vermittelt zu bekommen. Mög-licherweise kann auch die Aufteilung des Lernstoffes auf mehr Kalendertage für den Betriebsrat günstiger sein. Offen ausgeschriebene Seminare beginnen und enden häufig mittags. Dies bietet den Teilnehmern hauptsächlich die Möglichkeit, am jeweiligen Tag an- und abzureisen. Daneben besteht aber der Vorteil, dass die Aufnahmekapazität für die Betriebsratsmitglieder, die ein als anstrengend empfundenes Arbeiten mit Ge-setzestexten häufig nicht gewöhnt sind, nicht über Ge-bühr belastet wird. Hinzu kommt die häufig bessere

Lernatmosphäre am auswär-tigen Schulungsort, wo eben keine Störungen durch den Betriebsablauf, Kollegenan-fragen, Kundentelefonate und ähnliches mehr auftreten. Ge-gebenenfalls sind die dortigen Schulungs räume auch geeig-neter. Von zentraler Wichtig-keit ist zudem der (auch abendliche) Austausch mit Teilnehmenden aus anderen Unternehmen und Betrieben. Daran ändert auch der offen-

bar nachlässige Verweis des Betriebsrats auf eine nicht recht passende Entscheidung des LAG Brandenburg, den das Arbeitsgericht Trier als nicht einschlägig zurückwies. Nach richtiger Ansicht kann der (abendliche) Austausch zwischen den Teilnehmern und dem Referenten dem Schulungszweck dienen.2 Auch die Durchführung durch eine gewerkschaftliche Organisation kann als Kriterium herangezogen werden, weil diese eine an den prakti-schen Bedürfnissen ausgerichtete Wissensvermittlung erwarten lässt; zudem kann eine gemeinsame Gewerk-schaftszugehörigkeit mit anderen Teilnehmern den Schulungserfolg fördern, weil sie ein Klima gegenseiti-gen Vertrauens schaffen kann.3

Insgesamt bestehen also zahlreiche Aspekte, die den Betriebsrat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums dazu veranlassen können, eine externe Schulung aus-zuwählen. Je größer die Kostendifferenz allerdings ist, desto gewichtiger sollten seine entsprechenden Argu-mente sein. Die Entscheidung liegt beim Betriebsrat.

Dr. Thomas Wurm, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn

2 ArbG Düsseldorf v. 3.9.2004 – 12 BV 56/04, juris. 3 BAG v. 28.6.1995 – 7 ABR 55/94 Rn.18, DB 1995, 2118.

Konsequenzen für die Praxis

1. Die Entscheidung darüber, ob seine Mitglieder in einer Inhouse- Schulung oder einer externen Schulung geschult werden sollen, liegt grundsätzlich beim Betriebsrat. Dieser hat die Belange des Betriebs- rats und des Arbeitgebers vernünftig gegeneinander abzuwägen. 2. Je günstiger die Inhouse-Schulung im Verhältnis zur externen Schulung ist, um so stärkere Argumente muss der Betriebsrat vor-bringen, um die Erforderlichkeit der teureren externen Schulung zu begründen.

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Lösung von Tarifkollisionen durch Günstigkeits- und Sachgruppenvergleich 1. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Ta-rifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Be-zugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen. Danach hat ein Vergleich der in einem inneren sachlichen Zu-sammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschied-lichen Regelungen zu erfolgen (sog. Sachgruppenver-gleich). 2. Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeits-entgelt bilden bei der Durchführung des Günstigkeits-vergleichs grundsätzlich eine einheitliche Sachgruppe, da beide Hauptleistungspflichten in einem engen, in-neren sachlichen Zusammenhang stehen. 3. Ist nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die einzelver-tragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden, normativen Geltung des Tarifvertrags. BAG, Urteil v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 –

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der Tarif-verträge der D T AG auf ihr Arbeitsverhältnis, den Um-fang der vom Kläger zu leistenden Wochenarbeitszeit sowie weitergehende Vergütungsansprüche.

Der Kläger (…) ist seit 1986 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen in Vollzeit beschäftigt. Im noch mit der D B abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Fe-bruar 1991 heißt es ua.:

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Be-stimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der D B T (TV Ang. (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge der D B T in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

Zum 1. Januar 1995 wurde das Arbeitsverhältnis des Klä-gers im Zuge der Postreform und der Privatisierung der T auf die D T AG (im Folgenden: DT AG) übergeleitet. In der Folgezeit wurden auf das Arbeitsverhältnis die je-weiligen Tarifverträge der D B und später die der DT AG, insbesondere der Manteltarifvertrag (MTV DTAG), der Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTAG) und die Ent-gelttarifverträge (ETV DTAG) angewandt. Danach be-trug die tarifvertragliche wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte 34 Stunden. Auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen der DT AG belief sich das Entgelt des Klägers im Jahr 2007 auf 40.911,80 Euro brut-to. Am 25. Juni 2007 ging sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.

Ebenfalls am 25. Juni 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di ua. einen Manteltarifvertrag (MTV DTTS), einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DTTS) und einen Entgelttarifvertrag (ETV DTTS 2007). Diese Haustarifverträge enthalten insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung Abweichungen von den bei der DT AG geltenden Tarifverträgen. Der ETV DTTS wurde seither mehrfach geändert. Im Jahr 2011 belief sich das Jahreszielentgelt des Klägers bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden auf 43.753,00 Euro, das tatsächlich erzielte Jahresentgelt auf 43.658,98 Euro brutto. In den Jahren 2012 und 2013 betrug das Jahreszielentgelt des Klägers 44.760,00 Euro und 45.700,00 Euro.

Mit Schreiben vom 13. November 2011 forderte der Klä-ger die Beklagte unter Bezugnahme auf mehrere Urtei-le des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2011 auf, für sein Arbeitsverhältnis wieder die Tarifverträge der DT AG anzuwenden, soweit diese günstiger seien als die tarifvertraglichen Regelungen der Beklagten. Insbeson-dere forderte er, ihn wieder mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden zu beschäftigen und die sich für die letzten sechs Monate ergebende Arbeitszeitdif-ferenz seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte die For-derungen zurück. (…)

Aus den Gründen

Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben. (…)

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag zu Recht als begründet angesehen. (…)

II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist begründet.

1. Die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 1. Fe-bruar 1991 verweist – nach gebotener Auslegung – auf die Tarifverträge der DT AG (Tarifstand 24. Juni 2007).

a) Bei der vorliegenden vertraglichen Bezugnahmeklau-sel handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die D B, gebunden war.

b) Die Anwendbarkeit der Tarifverträge der DT AG ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Bezugnahmerege-lung, sie folgt aber aus deren ergänzender Auslegung.

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(…)

c) Der Senat hat auch in zahlreichen vergleichbaren Fäl-len entschieden und ausführlich begründet, dass die von der Beklagten geschlossenen Haustarifverträge von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst werden. Sie ist keine sog. Tarifwechselklausel und kann auch nicht als eine solche verstanden werden.

2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger sein Recht, sich auf den Inhalt der ver-traglichen Abrede zu berufen, nicht verwirkt hat. (…)

B. Soweit das Landesarbeitsgericht dem zulässigen (zu den Voraussetzungen oben A I 2 a) Feststellungsantrag zu 2. sowie dem Zahlungsbegehren teilweise stattge-geben hat, ist die Revision der Beklagten begründet. Demgegenüber ist die Revisi-on des Klägers, soweit er weitere Vergü-tung für den Zeitraum vom 16. Mai bis zum 31. Dezember 2011 begehrt hat, un-begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Aus den auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen der DT AG ergibt sich weder, dass seine regelmäßige Wochenarbeitszeit als Vollzeitbeschäftig-ter 34 Stunden beträgt, noch kann er aus ihnen weiter-gehende Zahlungsansprüche für den genannten Zeit-raum herleiten. Die Tarifverträge der DT AG sind inso-weit nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die Hausta-rifverträge der Beklagten.

I. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarif-gebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertrag-licher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip. Hiernach treten unmit-telbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hin-ter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Ar-beitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Ver-gleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeits-vertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich).

1. Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu er-mittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Rege-lungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen. Ein sog. Gesamtvergleich, dh. die Gegenüberstellung des vollständigen Arbeitsvertrags auf der einen und des gesamten Tarifvertrags auf der anderen Seite, kommt ebenso wenig in Betracht wie ein punktueller Vergleich von Einzelregelungen, auch wenn aufgrund einer um-fassenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel der Sache nach zwei Tarifverträge miteinander zu verglei-chen sind. Die aufgrund einzelvertraglicher Verwei-sungsklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften haben auch bei einer umfassenden Inbezugnahme lediglich individualvertraglichen Cha-

rakter. Der Durchführung eines Gesamtvergleichs steht bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 3 TVG („Regelungen“) entgegen, der nicht auf eine Gesamtregelung oder einen Tarifvertrag abstellt. Abweichende Abmachungen sind danach nur zulässig, „soweit“ sie ua. eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Es kommt deshalb nicht auf die Günstigkeit der Gesamt-heit der abweichenden Regelungen, sondern vielmehr nur der einander entsprechenden Teile, dh. Sachgrup-pen, an. Im Übrigen wäre ein Gesamtvergleich mangels einheitlicher Vergleichsmaßstäbe praktisch kaum durchführbar.

2. Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von

den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Re-gelung), ist keine „Günstigkeit“ iSv. § 4 Abs. 3 TVG ge-geben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben.

3. Der Günstigkeitsvergleich ist anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs vorzunehmen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung. Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Arbeitneh-mers kommt es nicht an. Ist die einzelvertragliche Re-gelung bei objektiver Betrachtung gleich oder gleich-wertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

4. Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus – also unabhängig von den konkreten Bedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls – fest-stehen. Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ gelten-de tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert. Dabei ist ein reprä-sentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Bestimmt sich das Arbeitsentgelt nach einer einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung etwa als Jahresentgelt und schwankt die monatliche Auszahlung, ist auf das Ka-lenderjahr abzustellen. Ändert sich mindestens eine der zu vergleichenden Regelungen – etwa der arbeitsver-traglich (dynamisch) in Bezug genommene oder der normativ geltende Tarifvertrag -, ist ein erneuter Güns-tigkeitsvergleich durchzuführen. Dies kann – insbeson-dere bei Zusammentreffen eines statisch in Bezug ge-

Beim Günstigkeitsvergleich sind die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe

der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen, zu vergleichen.

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nommenen Tarifwerks mit einem normativ geltenden Tarifvertrag – dazu führen, dass sich die einzelvertrag-liche Regelung zunächst als günstiger erweist, dies sich aber aufgrund von Anpassungen der kraft Tarifgebun-denheit geltenden Regelungen ändert.

5. Ist nach diesen Maßstäben objektiv nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die vom normativ geltenden Tarifver-trag abweichende Regelung für den Arbeitnehmer güns-tiger ist – sei es, weil es sich um eine „ambivalente“, sei es, weil es sich um eine „neutrale“ Regelung handelt -, verbleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifver-trags. (…)

II. In Anwendung dieser Grundsätze sind die aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeits-

verhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträge der DT AG – jedenfalls für die streitgegenständlichen Zeit-räume – hinsichtlich der in beiden Tarifwerken geregel-ten „Vollzeitarbeitsverhältnisse“ nicht günstiger als die normativ geltenden Tarifbedingungen der DTTS.

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht die Dauer der Arbeitszeit und das dem Kläger als Gegenleistung zustehende Entgelt zu einer Sachgruppe zusammengefasst.

a) Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeits-entgelt stehen als Teile der arbeitsvertraglichen Haupt-leistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang. Die Günstigkeit einer kürzeren oder längeren Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitsverhältnisses lässt sich ebenso wenig isoliert beurteilen, wie das Ar-beitsentgelt ohne Rücksicht auf die hierfür aufzuwen-dende Arbeitszeit.

Allein der Umstand, dass Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen, führt nicht zu einer unterschiedlichen Sachgruppenzu-ordnung. Es geht nicht darum, Arbeitszeit auf der einen und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite miteinander zu vergleichen. Zu vergleichen sind vielmehr die – sach-lich in untrennbarem Zusammenhang stehenden – Re-gelungen von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt in dem einen in Anspruch genommenen Regelwerk mit denen in einem anderen kraft Tarifgebundenheit geltenden Regelwerk.

aa) Eine längere Arbeitszeit ist nicht per se deshalb „un-günstiger“, weil mit ihr ein Verlust an Freizeit einher-

geht. Ist nämlich die verlängerte Arbeitszeit mit einer Erhöhung des Arbeitsentgelts verknüpft, führt die Ar-beitszeitverlängerung gleichzeitig zu einer Steigerung der Verdienstmöglichkeit, die für einen Arbeitnehmer, der aus welchen Gründen auch immer an einem höhe-ren Entgelt interessiert ist, insgesamt betrachtet güns-tiger sein mag. Ungünstiger kann sie hingegen für den Arbeitnehmer sein, dem es wichtiger ist, diese Zeit zur freien Verfügung zu haben. (…) Vielmehr hängt die Be-urteilung, ob eine kürzere oder längere Arbeitszeit güns-tiger ist, immer auch davon ab, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung erhält.

bb) Aus dem Zusammenhang zwischen zu zahlendem Entgelt und der hierfür aufzuwendenden Arbeitszeit folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsge-

richts nicht, dass der Günstigkeitsver-gleich ausschließlich auf der Grundlage eines zu ermittelnden Arbeitsentgelts pro Stunde durchzuführen wäre. Die Annah-me, ein höheres Stundenentgelt sei stets als für den Arbeitnehmer günstiger anzu-sehen, trifft nicht zu. Die Arbeitszeit ist nicht lediglich ein unselbständiger Be-

rechnungsfaktor des Arbeitsentgelts. Vielmehr ist beim Vergleich von „Vollzeitarbeitsverhältnissen“ auch die Anzahl der maßgebenden Stunden in die Betrachtung einzubeziehen, weil anderenfalls eine mit der geringe-ren Arbeitszeit einhergehende Entgeltabsenkung un-berücksichtigt bliebe. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dem Arbeitnehmer gestattete, die höheren Arbeitszeiten des einen Regelwerks mit dem höheren Stundenentgelt des anderen Regelwerks zu kombinieren. Dies liefe aber auf einen Einzelvergleich hinaus. Ein solcher ist abzulehnen, weil er sachliche Re-gelungszusammenhänge auseinander risse.

cc) Ferner verdeutlichen die Fälle, in denen in einem höheren Arbeitsentgelt eine pauschale Abgeltung von Überstunden enthalten ist, den sachlichen Zusammen-hang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Selbst wenn eine solche (arbeitsvertragliche) Regelung nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Ar-beitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sol-len, lassen sich Arbeitszeit und Entgelt gleichwohl nicht voneinander trennen, weil unklar bleibt, ob die pauschal vergüteten Überstunden tatsächlich anfallen. Den Günstigkeitsvergleich in der Weise durchzuführen, dass der Arbeitnehmer nur die reguläre Arbeitszeit zu erbrin-gen hätte, dafür aber das höhere Entgelt fordern könn-te, würde hierbei zu unsachgerechten Ergebnissen füh-ren.

b) Zur Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ ge-hört – wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat – regelmäßig neben der festgelegten Arbeitszeit das Arbeitsentgelt im engeren Sinne.(…) Die Hauptleistungspflichten auf der einen und eine Be-

Die Günstigkeit einer einzelvertraglichen Regelung gegenüber einer normativ geltenden Tarifnorm

muss bereits im Voraus – unabhängig von den Bedingungen des konkreten Einzelfalls – feststehen.

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schäftigungsgarantie auf der anderen Seite sind unter-schiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss be-triebsbedingter Kündigungen ist daher nicht geeignet, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit oder dem Ar-beitsentgelt zu rechtfertigen.

2. Der im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung vorzunehmende Sachgruppenvergleich führt hiernach dazu, dass die für das Arbeitsverhältnis der Parteien einzelvertraglich weiterhin – statisch – anwendbaren Regelungen der Tarifverträge der DT AG betreffend die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG sind.

a) Soweit der Kläger Zahlungsansprüche geltend macht, ist der Günstigkeitsvergleich nach Maßgabe der das Ar-beitsverhältnis der Parteien im Zeitraum vom 16. Mai bis 31. Dezember 2011 bestimmenden Regelungen vor-zunehmen.

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger im Jahr 2007 bei einer Vollzeittätigkeit von 34 Stunden pro Woche ein Jahresentgelt von 40.911,80 Euro erhalten. Im Jahr 2011 betrug das Jahres-zielentgelt des – weiterhin vollzeitbeschäftigten – Klä-gers auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Haustarifverträge 43.753,00 Euro.

bb) (…) Das Jahreszielentgelt war objektiv und subjektiv – jedenfalls im Prinzip – erreichbar. Besondere Umstän-de, die – wenn überhaupt – zu einer anderen Bewertung führen könnten, hat der Kläger nicht dargetan.

cc) Damit lag das Entgelt des Klägers nach den bei der Beklagten geltenden Tarifverträgen im streitgegen-ständlichen Zeitraum in jedem Fall höher als dasjenige, das er nach den Tarifregelungen der DT AG (Stand 24. Juni 2007) erhalten hätte.(…)

dd) Die vom Kläger beanspruchten Mehrarbeitszuschlä-ge iHv. 25 vH stehen ihm unabhängig von einem vorzu-nehmenden Günstigkeitsvergleich bereits deshalb nicht zu, weil es sich bei den betreffenden Stunden nicht um Mehrarbeit im tariflichen Sinne handelt. (…)

b) Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2. verfolgten Fest-stellungsbegehrens, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers 34 Stunden wöchentlich beträgt, ist der Günstigkeitsvergleich getrennt nach Zeitabschnitten vorzunehmen.

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag das Jahreszielentgelt des Klägers 2011 bei 43.753,00 Euro, 2012 bei 44.760,00 Euro und 2013 bei 45.700,00 Euro. In jedem Zeitraum lag das Entgelt damit über dem Jahresentgelt, welches der Kläger auf der Grundlage der nach der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel an-wendbaren Tarifverträge der DT AG mit Stand 24. Juni 2007 erhalten hätte.

bb) Danach führt der Günstigkeitsvergleich nach den dargestellten Maßstäben auch bezüglich der weiteren Zeiträume dazu, dass die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen ambivalent und folg-lich nicht günstiger sind als die normativ geltenden. (…)

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Abführungsverpflichtung hauptamtlicher Gewerkschafts-funktionäre für Aufsichtsratstantiemen 1. Von der Belegschaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder sind nach §§ 116, 93 Abs. 1 AktG dem Wohl der Aktien-gesellschaft verpflichtet. Sie handeln eigenverantwort-lich und haften bei Fehlverhalten persönlich. Die Wahr-nehmung des Aufsichtsratsmandats gehört daher weder zu den Hauptleistungspflichten aus dem Arbeits-verhältnis eines hauptamtlichen Gewerk schafts-funktionärs noch besteht insoweit ein Auftragsverhält-nis zur Gewerkschaft als Arbeitgeberin. 2. Dementsprechend gehört eine Abführungsverpflich-tung hinsichtlich der als Aufsichtsratsmitglied erhalte-nen Tantiemen nicht zu den Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis eines Gewerkschaftsfunkti-onärs.

3. Ohne ausdrückliche dahin gehende Vereinbarung gehört die Abführungspflicht auch nicht zu den Neben-pflichten aus dem Arbeitsverhältnis als Gewerkschafts-funktionär. 4. Gewerkschaften können in ihrer Satzung die Ver-pflichtung ihrer Mitglieder regeln, Bezüge aus den Auf-sichtsratsmandaten abzuführen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Gewerkschaft zuvor selbst die Wahl des Mitglieds in den Aufsichtsrat eingeleitet und unter-stützt hatte. 5. Eine solche Abführungsverpflichtung verstößt nicht gegen § 113 AktG. Diese gesetzliche Bestimmung betrifft das Verhältnis von mitbestimmter Aktiengesellschaft und ihren Aufsichtsratsmitgliedern. Es gibt keine An-

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zeichen dafür, dass aufgrund der Abführungspflicht das Aufsichtsratsmandat nicht ordnungsgemäß wahrge-nommen werden könnte. 6. Die Abführungspflicht der gewerkschaftlichen Sat-zung verstößt nicht gegen den Grundsatz, dass kein Verband zur Finanzierung des gegnerischen Verbands verpflichtet werden kann. Die Abführungspflicht von Einnahmen, die zuvor mithilfe der Gewerkschaft ermög-licht wurden, unterscheidet sich insoweit nicht von der Koppelung der Mitgliedsbeiträge an den zuvor gewerk-schaftsunabhängig erarbeiteten Lohn. 7. Bei der Durchsetzung der Abführungspflicht kann eine Gewerkschaft ihre hauptamtlichen Funktionäre anders behandeln als im Aufsichtsrat tätige einfache Mitglieder.(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)BAG, Urteil v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13 –

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Abführung von Aufsichts-ratstantiemen durch den Beklagten.

Der Beklagte ist Mitglied der Klägerin und war dies auch in der Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2012. Seit 1. September 1993 war er bei der Gründungsorganisation DAG der Klägerin und sodann auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 24. März 2003 bei der Klägerin be-schäftigt, zuletzt als Bundesfachgruppenleiter Zeitar-beit und Tourismus. (…)

Die Satzung der Klägerin bestimmt in § 10 ua.:

„2. Das Mitglied ist verpflichtet, … d) Bezüge aus Aufsichtsratsmandaten und sonstigen Mandaten nach § 21 Abs. 2 abzuführen. Das Nähere re-gelt eine vom Gewerkschaftsrat zu erlassende Richtli-nie.“

Die in Bezug genommene „Richtlinie AR-Wahlen“ sieht ua. vor:

„7. Allgemeine Grundsätze zur Nominierung von Kan-didatinnen und Kandidaten

Aufsichtsratsmitglieder dürfen grundsätzlich nicht mehr als zwei Mandate wahrnehmen. Kommen zu ei-nem AR-Mandat auf Konzernebene Mandate aus ab-hängigen Unternehmen dieses Konzerns hinzu, dürfen es nicht mehr als 3 Mandate sein. Über Ausnahmen wird im Rahmen der Nominierung durch den Bundesvor-stand beschlossen. Die Kandidatur für Aufsichtsräte konkurrierender Un-ternehmen wird grundsätzlich ausgeschlossen.

Als Kandidat oder Kandidatin kann nur nominiert wer-den,

- wer sich verpflichtet, Anteile der AR-Tantiemen ent-sprechend der Beschlussfassung des DGB-Bundesaus-schusses und ggfs. ergänzender ver.di-Regelungen an die Hans-Böckler-Stiftung abzuführen,

- wer seiner Abführungsverpflichtung während der ver.di-Mitgliedschaft und den praktizierten Abführungs-regelungen der Gründungsorganisationen nachge-kommen ist und

- wer den satzungsgemäßen Beitrag zahlt.“ (…)

Der Beklagte war seit 2002 Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaften T AG und T L GmbH sowie seit 2006 zusätzlich der T Deutschland GmbH. Als Abführungs-beauftragtem der Klägerin für diese drei Unternehmen oblag ihm die Überwachung der Abführungsverpflich-tungen der gewerkschaftlich organisierten Aufsichts-ratsmitglieder an die Klägerin. Aufgrund eines Alters-teilzeitvertrags befand sich der Beklagte ab 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2012 in der Freistellungsphase der Al-tersteilzeit. Die Aufsichtsratsmandate nahm er auch in dieser Zeit wahr. Eine Verpflichtungserklärung nach Ziff. 7 Abführungsrichtlinie hat der Beklagte nicht abgege-ben. Er teilte der Klägerin seine für die Tätigkeiten in den Aufsichtsräten der genannten Gesellschaften von 2009 bis 2011 erhaltenen Vergütungen nicht mit und führte nur für 2009 15.950,00 Euro an die HBS und die GPB ab. Der Beklagte hat nach der Abführungsrichtlinie in Verbindung mit dem Merkblatt für Mitglieder in Auf-sichtsräten, Verwaltungsräten und vergleichbaren Gre-mien sowie der Regelung des DGB-Bundesausschusses vom 19. Oktober 2005 zur Abführung an die Hans-Böck-ler-Stiftung Aufsichtsratstantiemen in Höhe eines un-streitig gestellten Gesamtbetrags von 145.161,55 Euro zu wenig abgeführt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Mandatsausübung in Aufsichtsräten habe nach der Tätigkeitsbeschreibung zu den arbeitsvertraglichen Kernaufgaben des Beklag-ten und damit zu seiner Haupttätigkeit gehört. Der Be-klagte sei sowohl arbeitsvertraglich als auch aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Klägerin zur Abführung des begehrten Teils der Aufsichtsratsvergütungen ver-pflichtet. (..)

Aus den Gründen

Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar hat die Klägerin nicht aus dem Arbeitsvertrag, aber vereinsrechtlich einen Abführungsanspruch aus ihrer Satzung in Verbindung mit den aufgrund ihrer Satzung erlassenen Richtlinien gegen den Beklagten.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbin-dung mit der Satzung der Klägerin sowie den Richtlini-en Aufsichtsratswahlen und Abführungsverpflichtung. Die Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandats habe

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zu den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten des Beklag-ten gehört. Als Tendenzträger habe er bei der Wahrneh-mung des Aufsichtsratsmandats die Tendenz der Klä-gerin zu beachten gehabt. Zur Tendenz gehöre die Ab-führungsverpflichtung der erhaltenen Aufsichtsratstan-tiemen. Dass das Arbeitsverhältnis des Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum ein Altersteilzeitver-hältnis gewesen sei und der Beklagte sich in der Frei-zeitphase befunden habe, ändere daran nichts. Außer-dem hätten die Parteien eine konkludente Abführungs-pflicht vereinbart. Durch seine Kandidatur und die Ab-führung der Tantiemen in den Vorjahren habe der Beklagte für die Klägerin erkennbar zum Ausdruck ge-bracht, dass er sich an die Abführungsverpflichtung halten wolle. Dieses konkludente Angebot des Beklag-ten habe die Klägerin ebenfalls konkludent angenom-men, indem sie ihn als Gewerkschaftsvertreter für die Aufsichtsratssitze nominiert habe. Die in § 2 Abs. 5 AAB vereinbarte Schriftform stände dem nicht entgegen, da durch die konkludente Vereinbarung nur bestätigt wer-de, was ohnehin schon Arbeitsvertragsinhalt sei. Im Übrigen handele es sich um ein abdingbares, nicht kon-stitutives Schriftformerfordernis. Die Abführungspflicht ergebe sich ebenfalls aus § 667 Alt. 2 BGB. Diese Vor-schrift sei im Arbeitsverhältnis entsprechend anzuwen-den. Der Beauftragte sollte durch die Geschäftsbesor-gung keine Nachteile erleiden, daraus aber auch keine eigenen Vorteile ziehen dürfen. Daher sei der Beklagte zur Ablieferung der Aufsichtstantiemen verpflichtet. Schließlich ergebe sich der Anspruch auch unmittelbar aus der Satzung der Klägerin. In der satzungsgemäßen Abführungsverpflichtung liege keine unzulässige Geg-nerfinanzierung, da der Beklagte in der Verwendung der von mitbestimmten Unternehmen erhaltenen Ver-gütung frei sei.

Die Klägerin verletze nicht den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie, wie vom Be-klagten behauptet, andere Aufsichtsratsmitglieder nicht zur Abführung von Tantiemen heranzöge. Eine etwaige Ungleichbehandlung finde ihren Sachgrund in der Tatsache, dass der Beklagte anders als die von ihm benannten Aufsichtsratsmitglieder gerade als Gewerk-schaftsvertreter agiert habe, der die Satzungs- und Richtlinienbestimmungen auch im Rahmen seiner ar-beitsvertraglichen Tätigkeit zu beachten gehabt habe und zudem als Abführungsbeauftragter für sie tätig gewesen sei.

B. Diese Begründung hält im Ergebnis einer revisions-rechtlichen Überprüfung stand. (…)

II. Ein Anspruch der Klägerin auf Abführung der Auf-sichtsratsvergütung ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag.

1. Die Abführung von Teilen erhaltener Aufsichtsrats-bezüge ist keine Hauptleistungspflicht des Beklagten. (…)

2. Die Abführung von Teilen erhaltener Aufsichtsrats-bezüge ist auch keine Nebenpflicht des Beklagten aus seinem Arbeitsvertrag.

a) Ausdrücklich vereinbart als arbeitsvertragliche Ne-benpflicht wurde die Abführungspflicht nicht.

b) Die Abführung erhaltener Vergütung für geleistete Aufsichtsratstätigkeit ist auch keine dem Arbeitsvertrag immanente Nebenpflicht. (…)

3. Die Abführungspflicht ist auch nicht konkludent als arbeitsvertragliche Nebenpflicht vereinbart worden. Dem steht bereits das für Nebenabreden geltende Schriftformerfordernis entgegen. (…)

4. Ein Anspruch auf Abführung der Aufsichtsratsvergü-tung ergibt sich auch nicht aus § 667 Alt. 2 BGB in ent-sprechender Anwendung. (…)

III. Jedoch hat die Klägerin einen der Höhe nach unstrei-tigen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten aus § 10 Nr. 2 Buchst. d ihrer Satzung in Verbindung mit den aufgrund der Satzung erlassenen Richtlinien „Abfüh-rungsverpflichtung“ und „Aufsichtsratswahlen“.

1. Die Verpflichtung, Bezüge aus Aufsichtsratsmandaten abzuführen, ist in der Satzung der Klägerin in § 10 Nr. 2 Buchst. d geregelt. Kraft Satzungsautonomie kann die Klägerin auch Zahlungspflichten ihrer Mitglieder regeln.

a) Gemäß § 25 BGB wird die Verfassung des Vereins, soweit nicht durch die §§ 26 ff. BGB abschließend ge-regelt, durch die Vereinssatzung bestimmt, die sich der Verein selbst gibt. (…) Der Schutz der durch Art. 9 GG gewährleisteten und in den §§ 25 ff. BGB konkretisierten Vereinsautonomie gilt auch für die nicht rechtsfähigen Gewerkschaften. Obwohl nach dem Wortlaut des § 54 BGB die Vorschriften des Gesellschaftsrechts Anwen-dung fänden, ist auf die Klägerin als nicht rechtsfähigem Verein ausschließlich Vereinsrecht anzuwenden, mit Ausnahme der Vorschriften, die explizit die Rechtsfä-higkeit voraussetzen.

b) Die Einzelheiten der Abführungsverpflichtung muss-ten nicht in der Satzung selbst, sondern konnten durch Richtlinien der Klägerin bestimmt werden. (…)

cc) Die Pflicht zur Abführung der Vergütung ist aus sich heraus verständlich und wirksam. Einer zusätzlichen Verpflichtungserklärung/Einverständniserklärung des Beklagten bedurfte es nicht.

(1) Nach Ziff. 7 der Richtlinie „Aufsichtsratswahlen“ ist vorgesehen, dass die Mitglieder, die für einen Aufsichts-rat kandidieren, sich verpflichten, ihre künftigen Auf-sichtsratsbezüge in der von der Klägerin festgelegten Höhe abzuführen. Eine solche Erklärung hat der Beklag-te nicht unterschrieben.

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(2) Auf eine solche Verpflichtungserklärung kommt es jedoch nicht an, weil die Abführungspflicht bereits durch die Satzung geregelt ist und eine derartige Erklä-rung nur eine deklaratorische Bekräftigung darstellt. (…)

dd) Dass eine Zahlung nicht zugunsten der Klägerin, sondern zugunsten Dritter begehrt wird, begegnet kei-nen Bedenken. (…)

ee) Anzeichen dafür, dass die Klägerin durch die Festle-gung der Abführungsverpflichtung in ihrer Satzung die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie über-dehnt hätte und die Satzungsbestimmung einer allge-meinen Billigkeitskontrolle nach §§ 242, 315 BGB nicht stand hielte, sind dem Vorbringen des Beklagten und dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Die Vereinsau-tonomie ist grundgesetzlich geschützt und durch die §§ 25 ff. BGB ausgestaltet. (…) Ein Kandidat, der sich dafür entscheidet, mit Unterstützung der Gewerkschaft ein Aufsichtsratsmandat anzustreben, wird nicht un-billig behandelt, wenn im Gegenzug die Gewerkschaft ihre hierfür aufgestellten Regeln von ihm beachtet wis-sen will.

2. Die Abführungsverpflichtung verstößt nicht gegen § 113 AktG. Danach „kann“ Aufsichtsratsmitgliedern für ihre Tätigkeit eine Vergütung gewährt werden. Sie kann in der Satzung des Unternehmens festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden. Sie „soll“ in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen. (…)

3. Die Satzungsbestimmung der Klägerin verstößt nicht gegen den Grundsatz, dass kein Verband zur Finanzie-rung des gegnerischen Verbands verpflichtet werden kann. Eine direkte Gegnerfinanzierung – sei es durch Zahlung an die Gewerkschaft, sei es durch Zahlung an ein von der Gewerkschaft beherrschtes Drittunterneh-men – wird von dem mitbestimmten Unternehmen nicht verlangt. (…)

4. Schließlich verstößt im Falle des Beklagten die Ein-forderung der abzuführenden Aufsichtsratsvergütung durch die Klägerin nicht gegen den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Vereine sind zur gleichmäßigen Behandlung ihrer Mitglieder verpflichtet. Die Verpflichtung dazu folgt aus der Mitgliedschaft, insbesondere aus der Treuepflicht, die der Vereinigung gegenüber ihren Mitgliedern ob-liegt. Gleichbehandlung muss insbesondere bei den finanziellen Verpflichtungen gelten, die der Verein sei-nen Mitgliedern auferlegt: Der im Vereinsrecht gelten-de Grundsatz der Gleichbehandlung aller Vereinsmit-

glieder, durch den die Organisationsgewalt des Vereins eine allgemeine Beschränkung erfährt, gewinnt beson-dere Bedeutung bei der Erhebung der Mitgliedsbeiträge.

Da der Bundesgerichtshof Beiträge der Mitglieder, die über den regelmäßigen Vereinsbeitrag hinausgehen, an strengeren Kriterien misst als den regulären Beitrag, muss der Gleichbehandlungsgrundsatz erst recht bei solchen Sonderbeiträgen gewahrt sein. Gleichbehand-lung ist dabei als relative Gleichbehandlung aufzufas-sen, dh. bei gleichen Voraussetzungen hat jedes Mit-glied Anspruch auf die Gewährung gleicher Rechte und Auferlegung gleicher Pflichten. Differenzierungen in der Behandlung von Vereinsmitgliedern bedürfen eines sachlichen Grundes.

b) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin, wie der Beklag-te behauptet hat, von einigen anderen Aufsichtsrats-mitgliedern deren nicht abgeführte Tantiemen nicht einfordert. Unstreitig handelt es sich nämlich bei diesen Mandatsträgern um einfache Gewerkschaftsmitglieder, nicht um hauptamtliche Funktionäre wie den Beklagten. Auch vereinsrechtlich darf die Klägerin differenzieren zwischen einfachen Mitgliedern und Mitgliedern, die sie hauptberuflich als Tendenzträger beschäftigt. Beim Beklagten kommt noch hinzu, dass er der „Abführungs-beauftragte“ der Klägerin war, also für die Aufsichtsräte, in denen er ein Mandat wahrnahm, dafür zu sorgen hatte, dass die von der Klägerin vorgeschlagenen Auf-sichtsratsmitglieder ihre Abführungspflichten erfüllten.

Als hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär war der Beklagte Tendenzträger, da die Bestimmungen und Zwecke der Klägerin als Gewerkschaft für seine Tätigkeit inhaltlich prägend sind (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Als Bundesfachgruppenleiter nahm der Beklagte zudem auf die koalitionspolitische Tendenzverwirklichung der Klägerin Einfluss. Als Tendenzträger darf der Beklagte die Satzung der Klägerin nicht verletzen und muss sich für die Gründe der Klägerin zur weitgehenden Abfüh-rungspflicht besonders einsetzen. Die Klägerin will mit dieser Pflicht der bei ihr organisierten Aufsichtsratsmit-glieder vermeiden, dass finanzielle Erwägungen aus-schlaggebend für die Bewerbung um ein Aufsichtsrats-mandat sind. Vielmehr soll die Mandatswahrnehmung idealistisch und vom Solidargedanken geprägt wahrge-nommen werden. Dazu verhält es sich konträr, wenn gerade der bei der Gewerkschaft beschäftigte und von den Beiträgen der Mitglieder bezahlte hauptamtliche Funktionär trotz Abführungspflicht in dem Genuss der persönlichen Verwendung der Aufsichtsratstantiemen verbliebe. Als hauptamtlich bei dem Verein Beschäftig-ter kann sich der Beklagte darauf, die Klägerin lasse ehrenamtliche Funktionäre unbehelligt, nicht berufen.

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Wartezeitkündigung mit verlängerter KündigungsfristKündigt der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis noch in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht zum erstmög-lichen Termin nach der Wartezeit, sondern mit einer längeren Kündigungsfrist, so liegt darin jedenfalls dann keine unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzes, wenn dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündi-gungsfrist eine weitere Bewährungschance eingeräumt werden soll. Einer „verbindlichen“ Wiedereinstellungs-zusage für den Fall der Bewährung bedarf es nicht.LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 6.5.2015 – 4 Sa 94/14 –

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten noch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhält-nisses des Klägers, sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Wegen des erstinstanzlich unstreitigen und streitigen Parteivorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2, 3 Satz 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug ge-nommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.10.2014 abgewiesen. Es führte zur Begründung aus, der Kläger habe mangels Vollendung der Wartezeit noch keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutz-gesetz gehabt. Dass die Beklagte nicht mit der gesetz-lichen Mindestkündigungsfrist gekündigt habe, sondern das Arbeitsverhältnis mit einer längeren Kündigungs-frist von 3 Monaten zum Monatsende beendet habe, stelle keine funktionswidrige Umgehung des Kündi-gungsschutzgesetzes dar. Die Verlängerung der Kündi-gungsfrist sei nicht aus überwiegendem Arbeitgeber-interesse erfolgt. Vielmehr ergebe sich aus dem Kündi-gungsschreiben, dass die Beklagte dem Kläger eine Bewährungschance haben geben wollen. Eine feste und verbindliche Wiedereinstellungszusage sei hierfür nicht erforderlich gewesen.

Dieses Urteil wurde der Klägerseite am 03.12.2014 zu-gestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers, die am 22.12.2014 beim Landesarbeitsge-richt einging und zugleich begründet wurde.

Der Kläger rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung.Er meint, aus der Entscheidung des BAG vom 07.03.2002 (2 AZR 93/01 – AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 22) ergebe sich, dass mit einer längeren als der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist nur gekündigt werden dürfe, wenn dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance ein-geräumt werde und für den Fall einer Bewährung eine Wiedereinstellung „verbindlich“ zugesagt werde. An-derenfalls läge eine unzulässige Gesetzesumgehung vor. Dass die Verlängerung der Kündigungsfrist vorlie-

gend im überwiegenden Arbeitgeberinteresse gelegen habe, ergebe sich auch aus der Freistellungsanordnung ab 16.05.2014, mit welcher eine Bewährungsmöglichkeit gerade abgeschnitten worden sei.

Der Kläger beantragt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Ar-beitsgerichts Stuttgart vom 02.10.2014 zu Aktenzeichen 6 Ca 1800/14 abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwi-schen den Parteien aufgrund der Kündigungserklärung der Beklagten vom 26.02.2014 nicht mit Ablauf des 31.05.2014 endete, sondern fortbesteht.

2. Die Berufungsbeklagte/Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.05.2014 hinaus als Account Manager im Bereich Business Development und Vertrieb zu ei-nem Bruttomonatsentgelt von 3.800,00 EUR sowie zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vom 24.06.2013 weiter zu beschäftigen.

(…)

Aus den Gründen

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.

I. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsver-hältnis wurde durch die streitgegenständliche Kündi-gung vom 26.02.2014 zum 31.05.2014 beendet.

Das Arbeitsgericht hat völlig zutreffend ausgeführt, dass der Kläger mangels Vollendung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kün-digung noch keinen Kündigungsschutz nach dem Kün-digungsschutzgesetz hatte. Eine missbräuchliche und funktionswidrige Umgehung des Kündigungsschutzge-setzes liegt nicht vor. Insoweit wird zur Meidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG vollumfäng-lich auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtli-chen Urteils Bezug genommen. Die Kammer macht sich diese Begründung ausdrücklich zu eigen. Lediglich in Auseinandersetzung mit der Berufungsbegründung sind nachfolgende Anmerkungen veranlasst:

1. Während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG besteht für den Arbeitgeber Kündigungsfreiheit. Der Arbeitneh-mer ist während dieses Zeitraums lediglich vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungs-rechts des Arbeitgebers geschützt. Eine solche treuwid-rige Ausübung des Kündigungsrechts liegt zum Beispiel dann vor, wenn die Kündigung kurz vor Ablauf der War-tezeit erklärt wird, um den Erwerb des allgemeinen Kündigungsschutzes zu vereiteln. In diesen Fällen ist

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ZBVR online 11/2015 | Seite 26 von 35

der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von § 162 BGB so zu behandeln als wäre die Wartezeit bereits erfüllt. Jedoch kommt eine solche analoge Anwendung von § 162 BGB erst dann in Betracht, wenn das Vorgehen des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der im Einzel-fall gegebenen Umstände gegen Treu und Glauben ver-stößt. Die Annahme einer solchen Treuwidrigkeit setzt aber das Vorliegen weiterer Umstände voraus, die Rück-schlüsse auf einen solchen Vereitelungswillen zulassen. Die Annahme einer Treuwidrigkeit in entsprechender Anwendung von § 162 BGB basiert nämlich auf dem Gedanken der Gesetzesumgehung und setzt voraus, dass Sinn und Zweck der Wartezeit umgangen wird. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn sich der Arbeit-geber (zumindest vorerst) eigentlich gar nicht vom Ar-beitnehmer trennen will, sondern lediglich den Eintritt des Kündigungsschutzes verhindern will. Dies wieder-um kann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Kündigung mit einer sehr langen Kündigungsfrist ausspricht, also nicht zum erstmöglichen Termin nach der Wartezeit kündigt, sondern zu einem wesentlich späteren Termin. Weil maßgebliches Kriterium ist, ob die längere Kündigungsfrist funktionswidrig zum Zwe-cke der Kündigungsschutzumgehung eingesetzt wurde, ist wie beim Aufhebungsvertrag darauf abzustellen, ob

durch den Regelungsgehalt eine alsbaldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses beabsichtigt ist oder vielmehr nur eine befristete Fortsetzung. Denn wenn sich der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer eigentlich gar nicht trennen will, dann liegt ein treuwidriger Einsatz der Wartezeitkündigung vor.

Im Zusammenhang mit einem Aufhebungsvertrag hat das BAG – wie von den Parteien richtig ausgeführt – konstatiert, dass eine Kündigung mit einer überschau-bar langen Kündigungsfrist, die, wenn sie zumindest unterhalb der längst möglichen gesetzlichen oder ta-riflichen Kündigungsfrist liegt, zulässig ist, wenn dem Arbeitnehmer über eine Wiedereinstellungszusage die Chance zur Bewährung eingeräumt wird. Für diesen Fall hat das BAG ausgeführt, dass eine Überschreitung der Mindestkündigungsfrist nicht mehr in alleinigem oder überwiegendem Interesse des Arbeitgebers läge. Daraus ist zu entnehmen, dass Überschreitungen der Mindest-kündigungsfrist lediglich dann als Umstände für die Annahme eines Umgehungswillens geeignet sind, wenn sie im alleinigen oder überwiegenden Arbeitgeberinte-resse liegen.

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend von einer treuwidrigen Vereitelung des Eintritts des all-gemeinen Kündigungsschutzes keine Rede sein.

a) Die Beklagte hat im Kündigungsschreiben ausdrück-lich ausgeführt, dass der Kläger (jedenfalls aus Sicht der Beklagten) die Probezeit nicht bestanden habe, was angesichts der unbestrittenen Fehlanzeige bei der Kun-denakquise keineswegs willkürlich erscheint. Ebenfalls ist im Kündigungsschreiben ausdrücklich ausgeführt, dass die Beklagte dem Kläger mit der langen Kündi-gungsfrist eine Bewährungschance gewähren möchte und die Beklagte für den Fall der Bewährung bereit wäre, mit dem Kläger über einen anschließenden neu-en Arbeitsvertrag zu sprechen.

Durch die Einräumung einer Bewährungschance lag die verlängerte Kündigungsfrist weder ausschließlich noch überwiegend im Interesse der Beklagten. Vielmehr hat die Beklagte überwiegend Rücksichtnahme auf die be-ruflichen und sozialen Belange des Klägers nehmen wollen.

Entgegen der Auffassung des Klägers musste die Be-klagte dem Kläger auch keine „verbindliche“ und „feste“ Wiedereinstellungszusage geben, um die Annahme ei-nes ausschließlichen oder überwiegenden Eigeninte-resses auszuschließen. Zum einen liegt auch bei „ver-bindlichen“ Wiedereinstellungszusagen die Beurteilung

der Bewährung im Ermessen des Arbeit-gebers. Nichts anderes wollte die Beklag-te auch vorliegend. Sie wollte dem Kläger die weitergehende Chance geben, die Be-klagte in ihrer Einschätzung von seinen Qualitäten zu überzeugen, um doch noch zu einer Fortsetzung des Arbeitsverhält-nisses gelangen zu können. Außerdem

verkennt der Kläger, dass, wie oben ausgeführt, eine Treuwidrigkeit allenfalls dann angenommen werden kann, wenn der Arbeitgeber eigentlich keine Beendi-gungsabsicht, sondern tatsächlich eine (ggf. befristete) Fortsetzungsabsicht hat und lediglich zur Vermeidung eines künftigen Kündigungsschutzes „verfrüht“ kün-digt. Davon kann aber auch bei Einräumung einer blo-ßen Wiedereinstellungschance bei weitem keine Rede sein. Anhaltspunkte, dass die Beklagte unter bloßem Vorwand der Einräumung einer Weiterbeschäftigungs-chance tatsächlich andere eigennützige Ziele, vor allem zur Verhinderung des Kündigungsschutzes des Klägers, verfolgt hätte, sind nicht ersichtlich.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Kündigung ausgesprochenen Freistellung ab 16.05.2014 bis 31.05.2014. Damit wollte die Beklagte lediglich die unstreitig bestehenden Urlaubsansprüche des Klägers noch erfüllen, damit diese nicht nach Ablauf der Kün-digungsfrist auch noch abgegolten werden müssten. Auch dies hat die Beklagte im Kündigungsschreiben ausdrücklich ausgeführt. Dem Kläger blieb zwischen frühest möglichem Beendigungstermin 12.03.2014 bis zur Freistellung ab 16.05.2015 ausreichend Zeit zur wei-teren Bewährung. Er hat sie aus Sicht der Beklagten lediglich weiterhin nicht genutzt. Er hat weiterhin kei-nerlei Kundenaufträge akquirieren können.

Überschreitungen der Mindestkündigungsfrist lassen nur dann auf einen Umgehungswillen schließen,

wenn sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liegen.

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ZBVR online Rechtsprechung zum Tarifrecht

ZBVR online 11/2015 | Seite 27 von 35

II. Es ist davon auszugehen, dass der Weiterbeschäfti-gungsantrag lediglich hilfsweise für den Fall des Obsie-gens mit dem Kündigungsschutzantrag hat gestellt werden sollen. Dieser Antrag ist somit nicht zur Ent-scheidung angefallen.

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Anmerkung

In seinem Urteil vom 6. Mai 2015 – 4 Sa 94/14 – hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Probezeit nicht zum erstmöglichen Termin nach der Wartezeit, sondern mit einer längeren Frist kündigt, darin keine unzulässi-ge Umgehung des Kündigungsschutzes vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündigungs-frist eine weitere Bewährungschance eingeräumt wer-den soll.

In dem vorliegenden Fall streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer von der Beklagten noch während der Probezeit ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsver-hältnisses. Der Kläger war als Mitarbeiter im Vertrieb bei der Beklagten angestellt und konnte während der Probezeit noch keine Kunden akquirieren. Die Beklagte sah daher die Probezeit als nicht bestanden an und kün-digte ihm noch vor Ablauf der Probezeit. Zugleich woll-te die Beklagte dem Kläger aber eine zweite Chance geben und sprach die Kündigung nicht zum nächstmög-lichen Zeitpunkt mit einer zweiwöchigen Frist aus, son-dern mit einer für die Probe-zeit ungewöhnlich langen Kündigungsfrist von drei Mo-naten. In dem Kündigungs-schreiben führte die Beklagte aus, dass, falls sich der Kläger in dieser Zeit bewähre und Er-folge bei der Kundenakquise vorweise, die Beklagte das Arbeitsverhältnis verlängern werde. Eine verbindliche Wiedereinstellungszusage gab sie ihm nicht.

Die Kündigungsschutzklage des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar dürfte eine Kündigung vor Ablauf der Pro-bezeit unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber das Ar-beitsverhältnis durch bewusst sehr lange Kündigungs-fristen eigentlich gar nicht beenden, sondern nur die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) verhindern will. Allerdings lag ein solcher Ausnahmefall nach Auffassung des Gerichts hier nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts,1 ist ein

1 Urteil v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01, DB 2002, 1997.

„überschaubar“ langes Überschreiten der gesetzlichen und/oder tariflichen Kündigungsfristen bei einer Kün-digung kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist möglich, wenn die Fristverlängerung nicht im alleinigen oder überwiegenden Arbeitgeberinteresse liegt. Es ist darauf abzustellen, ob eine alsbaldige Beendigung des Arbeits-verhältnisses beabsichtigt ist oder vielmehr nur eine befristete Fortsetzung. Im Falle, dass sich der Arbeitge-ber in Wirklichkeit vom Arbeitnehmer gar nicht trennen will, liegt ein treuwidriger Einsatz der Wartezeitkündi-gung vor. Durch die im Kündigungsschreiben einge-räumte Bewährungschance lag vorliegend die verlän-gerte Kündigungsfrist weder ausschließlich noch über-wiegend im Interesse der Beklagten. Vielmehr hat die Beklagte Rücksichtnahme auf die beruflichen und sozi-alen Belange des Klägers nehmen wollen. Entgegen der Auffassung des Klägers musste die Arbeitgeberin dem Beklagten auch keine feste und verbindliche Wieder-einstellungszusage geben, um die Annahme eines aus-schließlichen oder überwiegenden Eigeninteresses aus-zuschließen. Sie wollte dem Kläger eine weitergehende Chance geben, die Beklagte in ihrer Einschätzung von seinen Qualitäten zu überzeugen, um gegebenenfalls noch zu einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ge-langen zu können. Die faktische Verlängerung der Pro-bezeit um drei Monate stellt im vorliegenden Fall also keine Umgehung des KSchG dar und ist zulässig.

Während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG besteht für den Arbeitgeber Kündigungsfreiheit. Der Arbeitnehmer ist während dieses Zeitraums lediglich vor einer sitten-

oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Eine solche treuwidrige Aus-übung des Kündigungsrechts liegt zum Beispiel dann vor, wenn die Kündigung kurz vor Ablauf der Wartezeit erklärt wird, um den Erwerb des allgemeinen Kündi-gungsschutzes zu vereiteln. In diesen Fällen ist der Ar-beitnehmer in analoger Anwendung von § 162 BGB so zu behandeln, als wäre die Wartezeit bereits erfüllt. Wie der vorliegende Fall jedoch zeigt, kann eine Verlänge-rung der Kündigungsfrist auch zugunsten des Arbeit-nehmers sein, wenn ihm dadurch eine zweite Bewäh-rungschance eingeräumt werden soll. In diesem Fall liegt kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor.

Albena Chipkovenska, Rechtsanwältin, Berlin

Konsequenzen für die Praxis

Es liegt keine unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzes vor, wenn dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündigungsfrist eine weitere Bewährungschance eingeräumt werden soll.

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ZBVR online Rechtsprechung in Leitsätzen

ZBVR online 11/2015 | Seite 28 von 35

Rechtsprechung in LeitsätzenBeteiligungsrechte des Betriebsrats

Einstellung durch Übertragung von Personalverantwor-tungBereits die Übertragung der Personalverantwortung auf einen Mitarbeiter kann für sich genommen zur Einglie-derung des Mitarbeiters in dem Betrieb führen, deren Belegschaft er führen soll.LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.6.2015 – 17 TaBV 277/15 – (n. rkr.)

Beschlussverfahren

Feststellung des Bestehens eines Restmandats des BetriebsratsEin Antrag des Betriebsrats auf gesonderte Feststellung des Bestehens eines Restmandates ist nicht zulässig. Das Bestehen eines Restmandates ist eine Vorfrage, die im Rahmen eines Rechtsstreits über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts (hier bei Aufstellung eines So-zialplans) zu klären ist. (Leitsätze der Schriftleitung)BAG, Beschluss v. 27.5.2015 – 7 ABR 20/13 –

Teilzeit- und Befristungsrecht

Befristung des Arbeitsverhältnisses in gerichtlichem Vergleich Vereinbaren die Parteien in einem gerichtlichen Ver-gleich die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses, kann diese nur dann nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ge-rechtfertigt sein, wenn der Vergleich zur Beilegung einer Streitigkeit über den Fortbestand oder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wird. Hierzu ge-hört auch ein Rechtsstreit, mit dem der Arbeitnehmer die Fortführung seines Arbeitsverhältnisses durch Ab-schluss eines Folgevertrags erreichen will. BAG, Urteil v. 12.11.2014 – 7 AZR 891/12 –

Befristete Herabsetzung der Arbeitszeit/Verteilung der reduzierten ArbeitszeitAuch wenn ein Arbeitnehmer nur einen bestimmten Rahmen für die Verteilung seiner Arbeitszeit festgelegt wissen will, ist dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 ZPO Genüge getan.

Die Tarifvorschrift des§ 11 Abs. 1 TVöD-B schließt nicht eine für den Arbeitnehmer günstigere, von § 8 Abs. 2 TzBfG abweichende Regelung aus, mit der die Arbeitszeit nur befristet herabgesetzt wird.

Unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 TVöD-B hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Verringerung der vertraglich festgelegten Arbeitszeit. Die Ausgestal-tung der verringerten Arbeitszeit bleibt jedoch dem Di-rektionsrecht des Arbeitgebers überlassen. Im Rahmen

der Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Er-messen hat der Arbeitgeber im Rahmen der betriebli-chen Möglichkeiten die persönliche Betreuungs- bzw. Pflegesituation des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.(Leitsätze der Schriftleitung)BAG, Urteil v. 16.12.2014 – 9 AZR 915/13 –

Befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach RentenbeginnEine bei oder nach Erreichen des Renteneintrittsalters getroffene Vereinbarung über die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, die nicht in den Anwendungs-bereich des § 41 Satz 3 SGB VI fällt, kann nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG sachlich gerechtfertigt sein. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Altersrente aus der ge-setzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann und dass die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einer konkreten, im Zeitpunkt der Vereinbarung der Be-fristung bestehenden Personalplanung des Arbeitge-bers dient. Durch eine derartige Befristung wird der Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise wegen des Alters diskriminiert.BAG, Urteil v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13 –

Umstrukturierung

Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nach BetriebsübergangBei der identitätswahrenden Übertragung eines Be-triebs auf einen anderen Rechtsträger und seiner un-veränderten Fortführung durch den Erwerber gelten die bestehenden Betriebsvereinbarungen unverändert nor-mativ fort.

§ 613a Abs. 1 BGB steht einer normativen Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen bei einem Betriebsüber-gang nicht entgegen. Die Vorschrift regelt das Fortbe-stehen von vertraglichen Verein-barungen (Satz 1) sowie die Transformation der kollektiven Regelungen, soweit diese nicht normativ fortgelten (Satz 2 und Satz 3). Zu der vorgelagerten Frage, unter welchen Voraussetzun-gen die bisher in der übergehenden Einheit bestehen-den Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen ihren normativen Charakter behalten, verhält sich § 613a Abs. 1 BGB nicht.

Hinweis:Mit „Leitsätze“ werden die amtlichen Leitsätze des erken-nenden Gerichts bezeichnet. „Leitsätze der Schriftleitung“ wurden von der Redaktion oder dem Einsender der Ent-scheidung formuliert. „Leitsätze der Schriftleitung aus den Gründen“ sind von der Redaktion ausgewählte wörtliche bzw. nur in geringfügig veränderter Syntax zitierte Aus-züge aus den Entscheidungsgründen. „Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG“ sind als solche er-kennbar gemacht.

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ZBVR online Rechtsprechung in Leitsätzen

ZBVR online 11/2015 | Seite 29 von 35

Der Inhalt einer Gesamtbetriebsvereinbarung gilt als Einzelbetriebsvereinbarung auch dann weiter, wenn ein Betrieb unter Wahrung seiner Identität von einem Unternehmen mit mehreren Betrieben übernommen wird und die in der Gesamtbetriebsvereinbarung gere-gelten Rechte und Pflichten beim aufnehmenden Un-ternehmen nicht normativ ausgestaltet sind.

Ein Arbeitnehmer kann mit einer Ermächtigung des Pensions-Sicherungs-Vereins den während eines Rechtsstreits auf den Träger der Insolvenzsicherung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG übergegangenen An-spruch im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft gerichtlich weiterverfolgen. Eine solche Änderung des Rechtsschutzbegehrens ist keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Ver-mögen des beklagten Arbeitgebers führt zur Unterbre-chung eines Rechtsstreits über das Bestehen einer An-wartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersver-sorgung. Auf eine Kenntnis des Gerichts von der Insol-venzeröffnung kommt es nicht an.

Im Unterbrechungszeitraum bewirkte Zustellungen eines vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verkünde-ten Berufungsurteils sind unwirksam. Die unwirksame Zustellung kann jedoch in entsprechen-der Anwendung von § 189 Alt. 2 ZPO geheilt werden.

Eine im Unterbrechungszeitraum eingelegte und begründete Revision ist nicht wirkungslos.(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)BAG, Urteil v. 5.5.2015 – 1 AZR 763/13 –

Tarif- und Tarifvertragsrecht

Verfassungsmäßigkeit des TarifeinheitsgesetzesMit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Se-nat des Bundesverfassungsgerichts drei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Tari-feinheitsgesetz abgelehnt. Soll ein Gesetz außer Vollzug gesetzt werden, gelten besonders hohe Hürden. Vorlie-gend sind jedoch keine entsprechend gravierenden, ir-reversiblen oder nur schwer revidierbaren Nachteile feststellbar, die den Erlass einer einstweiligen Anord-nung unabdingbar machten. Derzeit ist nicht absehbar, dass den Beschwerdeführern bei Fortgeltung des Tari-feinheitsgesetzes bis zur Entscheidung in der Hauptsa-che das Aushandeln von Tarifverträgen längerfristig unmöglich würde oder sie im Hinblick auf ihre Mitglie-derzahl oder ihre Tariffähigkeit in ihrer Existenz bedroht wären. Im Hauptsacheverfahren, dessen Ausgang offen ist, strebt der Erste Senat eine Entscheidung bis zum Ende des nächsten Jahres an.(Pressemitteilung Nr. 73/2015 v. 9.10.2015)BVerfG, Beschluss v. 6.10.2015 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1582/15, 1 BvR 1588/15 –

Download Pressemitteilung

Aufsichtsratswahlen

Leiharbeitnehmer zählen für Art der Wahl der Aufsichts-ratsmitglieder der ArbeitnehmerWahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeits-plätzen sind für den Schwellenwert von in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern mitzuzählen, ab dessen Erreichen die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) grundsätzlich nicht mehr als unmittelbare Wahl, sondern als Delegiertenwahl durchzuführen ist.

Nach § 9 Abs. 1 MitbestG werden die Aufsichtsrats-mitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern durch De-legierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. § 9 Abs. 2 MitbestG bestimmt, dass die Wahl in Unterneh-men mit in der Regel nicht mehr als 8.000 Arbeitneh-mern in unmittelbarer Wahl erfolgt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Wahl durch Dele-gierte beschließen.

Das MitbestG definiert den Begriff „Arbeitnehmer“ nicht selbst, sondern verweist in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Ar-beitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1 BetrVG. Der Siebte Se-nat des Bundesarbeitsgerichts hat unter Fortführung seiner neueren Rechtsprechung, nach der die Berück-sichtigung von Leiharbeitnehmern als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs insbesondere von einer norm-zweckorientierten Auslegung des jeweiligen gesetzlichen Schwellenwertes abhängt, entschieden, dass für die Vo-raussetzungen des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG jeden-falls wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammar-beitsplätzen mitzuzählen sind. Der Senat hatte nicht darüber zu befinden, ob Leiharbeitnehmer auch bei an-deren Schwellenwerten der Unternehmensmitbestim-mung in die Berechnung einbezogen werden müssen.

Wie in den Vorinstanzen blieb damit der Antrag von 14 in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern, den Hauptwahlvorstand zu verpflichten, die Wahl als unmittelbare Wahl durchzuführen, beim Bundesar-beitsgericht erfolglos. Der Hauptwahlvorstand hatte unter Einbeziehung von 444 auf Stammarbeitsplätzen eingesetzten wahlberechtigten Leiharbeitnehmern eine Gesamtbeschäftigtenzahl in dem Unternehmen von 8.341 Personen festgestellt. Der Beschluss, die Aufsichts-ratswahl als Delegiertenwahl durchzuführen, entspricht daher der vom Gesetz in § 9 Abs. 1 MitbestG vorgese-henen Regelwahlart.(Pressemitteilung Nr. 52/2015)BAG, Beschluss v. 4.11.2015 – 7 ABR 42/13 –

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ZBVR online Aufsätze und Berichte

ZBVR online 11/2015 | Seite 30 von 35

Ideen für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz – Vorschläge des dbb beamtenbund und tarifunionDas Betriebsverfassungsgesetz wurde im Jahr 2001 no-velliert. Aber immer noch ist viel zu tun, um das Gesetz der Lebenswirklichkeit anzupassen. Als Stichworte sei-en hier nur genannt Digitalisierung, Umstrukturierung, Rationalisierung. Alternde Belegschaften und neue For-men von Arbeitsverhältnissen und Vieles mehr. Dafür braucht es Betriebsräte. Und diese Betriebsräte brau-chen solide Arbeitsgrundlagen. Nur so kann effektiver Einsatz für die Beschäftigten gelingen. Der dbb beam-tenbund und tarifunion hat Lösungsvorschläge entwi-ckelt, die nachstehend in der Fassung des Beschlusses des dbb Bundeshauptvorstandes vom 23. Juni 2015 wie-dergegeben sind.

I. Handlungsbedarf

Die große Bedeutung der Beteiligung der Betriebsräte als Interessenvertreter der Beschäftigten an Entschei-dungen des Arbeitgebers, die die Beschäftigten und ihren Betrieb betreffen, ist heute unbestritten. Doch die Anforderungen an Betriebsräte haben sich in den letz-ten Jahren ebenso verändert wie die Arbeitswelt als solche. Außer an dem besonders augenfälligen Einzug der digitalisierten Informations- und Kommunikations-technologie in alle Bereiche des Arbeitslebens mit gra-vierenden Auswirkungen auf Arbeitsabläufe und Ar-beitsbedingungen manifestiert sich dies insbesondere in einem massiv erweiterten und unvergleichbar kom-plexer gewordenen Aufgabenkreis der Betriebsräte. Grundlegende Umstrukturierungen oder Ausgliederun-gen, Rationalisierungen, neue Gestaltungsformen der Arbeitsverhältnisse, eine Überfrachtung der betriebs-verfassungsrechtlichen Rechtsgrundlagen durch inter-pretierende, ausweitende nationale, aber auch europä-ische Rechtsprechung, Überalterung der Belegschaften bei Zunahme der gesundheitlichen Probleme als Folge der demografischen Entwicklung – all dies hat die Be-wältigung der den Betriebsräten obliegenden Aufgaben rechtlich komplexer, tatsächlich schwieriger, inhaltlich umfangreicher und persönlich belastender werden las-sen.

Es ist an der Zeit, dass das Betriebsverfassungsgesetz auf diese Veränderungen erneut reagiert, damit sich die betrieblichen Interessenvertreter effektiv zum Woh-le der Beschäftigten einsetzen können und unter opti-mierten Bedingungen eine tatsächlich konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber möglich ist.

II. Kernforderungen

1. Sicherung der gewerkschaftlichen Pluralität bei der Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb

1.1 Strukturtarifverträge Nach demokratischen Grundsätzen muss eine Minder-heit stets die Möglichkeit haben, über das Einbringen ihrer inhaltlichen Standpunkte in die Diskussion die Mehrheit zu gewinnen. Es muss daher dafür Sorge ge-tragen werden, dass eine absolute Majorisierung von Minderheiten im Betriebsverfassungsgesetz ausge-schlossen wird.

Das Gesetz berücksichtigt derzeit nicht, dass mehrere Gewerkschaften für den Abschluss von Tarifverträgen nach § 3 BetrVG tarifzuständig sein können. Daher wäre es möglich, dass Tarifverträge mit unterschiedlichem Regelungsinhalt für eine vom Gesetz abweichende Be-triebsratsstruktur bestehen. Die gesetzliche Regelung enthält jedoch keine Antwort auf die Frage, wie das Verhältnis konkurrierender Tarifverträge oder konkur-rierender Tarifzuständigkeiten für einen Tarifvertrag nach § 3 BetrVG zu lösen ist. Das Bundesarbeitsgericht löst das Problem unzureichend dahingehend, dass ein Tarifvertrag nach § 3 BetrVG von einer tarifzuständigen und im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ohne Betei-ligung von anderen gleichfalls tarifzuständigen Gewerk-schaften abgeschlossen werden kann. In der Praxis kann ein Arbeitgeber daher von der ihm durch das Bundes-arbeitsgericht eröffneten Möglichkeit Gebrauch ma-chen und mit derjenigen Gewerkschaft abschließen, die seine Vorstellungen akzeptiert, jedenfalls wenn er nicht mit ernsthaftem Druck einer anderen im Betrieb ver-tretenen Gewerkschaft rechnen muss.

Daher müssen alle im Betrieb vertretenen Gewerkschaf-ten an einem Tarifvertrag nach § 3 BetrVG beteiligt sein. Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber zu ei-nem Tarifabschluss mit allen Gewerkschaften nicht ge-zwungen werden darf. Insofern muss es eine Voraus-setzung sein, dass sich die betroffenen Gewerkschaften zunächst untereinander über die zu regelnde Betriebs-struktur einigen. Kommt eine entsprechende Einigung nicht zu Stande, darf kein Tarifvertrag im Sinne des § 3 BetrVG geschlossen werden.

1.2 Vereinfachtes WahlverfahrenBeim vereinfachten Wahlverfahren muss dem Minder-heitenschutz Geltung verschafft werden. Die generelle Festlegung des Mehrheitswahlrechts für das vereinfach-te Wahlverfahren in § 14 Abs. 2 BetrVG benachteiligt kleinere Gewerkschaften bei der Bildung mehrköpfiger Betriebsräte. Um dies zu verhindern, muss das Verhält-niswahlrecht zum Zuge kommen.

1.3 ListensprungDie bestehenden Regelungen, die durch die Möglichkeit von listenübergreifenden Sitzverschiebungen sicher-stellen wollen, dass das Geschlecht, das in der Beleg-

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ZBVR online Aufsätze und Berichte

ZBVR online 11/2015 | Seite 31 von 35

schaft in der Minderheit ist, entsprechend seinem zah-lenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten ist, sind zu ändern. Durch sie wird in die auch für Betriebsrats-wahlen geltende Wahlrechtsgleichheit eingegriffen. Der Listenschutz und der Respekt vor dem Wählerwillen müssen dem Geschlechterproporz vorgehen. Die listen-übergreifende Sitzverschiebung (Listensprung) verletzt das Recht der Gewerkschaften auf Chancengleichheit bei Betriebsratswahlen, weil insbesondere Minderheits-gewerkschaften nicht immer eine ausreichende Anzahl dem Minderheitengeschlecht angehörender Wahlbe-werber/innen zur Verfügung steht.

1.4 Abberufung aus der FreistellungEine Abwahl von Betriebsratsmitgliedern aus der Freistellung darf nur bei grober Verletzung ihrer gesetz-lichen Pflichten möglich sein. Eine Abwahl aus einer Freistellung wird oftmals genutzt, um konkurrierende kleinere Listen aus den Freistellungen zu verdrängen. Um dies zu verhindern, muss ein behaupteter Vertrau-ensentzug mit Tatsachen belegt werden, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen des Betriebsrats zum frei-gestellten Betriebsratsmitglied zu zerstören.

2. Ausweitung der BeteiligungsrechteDie Rechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern müssen erweitert wer-den. Durch umfassende Mitbestimmungsrechte und konkrete Zustimmungsverweigerungsrechte muss ein Betriebsrat die Möglichkeit haben, etwa einer Ersetzung der Stammbelegschaft durch Leiharbeitnehmer entge-genzuwirken. Eine erschöpfende und gewissenhafte Wahrnehmung seiner Rechte setzt voraus, dass der Be-

triebsrat umfassende Informationsrechte besitzt. Dazu gehört auch das Recht, Einsicht in die Arbeitsverträge zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher nehmen zu können und über die Bewerbungsunterlagen von Leih-arbeitnehmern unterrichtet zu werden.

Um dem zunehmenden Einsatz von Fremdarbeitneh-mern aufgrund von mit Fremdfirmen geschlossen Werk-verträgen begegnen zu können, muss der konkrete Ein-satz von Fremdarbeitnehmern der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Auch in diesem Fall muss dem Betriebsrat die Gelegenheit gegeben werden, konkrete Nachteile für die Beschäftigten abwehren zu können.

Auch beim Einsatz von befristet Beschäftigten sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu stärken. Bei der Einstellung von befristet Beschäftigten ist dem Betriebs-rat die Möglichkeit einzuräumen, vom Arbeitgeber zu verlangen, dass dieser ihm vor der Einstellung befristet

beschäftigter Arbeitnehmer mitteilt, ob die Befristung ohne Sachgrund oder mit sachlichem Grund erfolgt und worin ggf. der sachliche Grund besteht.

Die heutigen technischen Möglichkeiten, einmal gesam-melte Daten unabhängig von ihrem ursprünglichen Erhebungszweck frei zu verknüpfen, lässt eine eindeu-tige Abgrenzung, ob eine Einrichtung unmittelbar zur Überwachung der Beschäftigten bestimmt ist, nicht mehr zu. Um hier eine wirksame Kontrolle sicherzustel-len und die Bildung automatisierter Persönlichkeitspro-file der Beschäftigten der Mitkontrolle des Betriebsrats zu unterwerfen, ist ein umfassendes Mitbestimmungs-recht bei der Erfassung und Auswertung von persönli-chen Daten der Beschäftigten vorzusehen. Bisher steht dem Betriebsrat nur ein Mitbestimmungsrecht bei der Abfassung von Personalfragebogen zu. Auf die Verar-beitung und Verwendung der ermittelten Daten hat sie keinen Einfluss. Das geforderte Mitbestimmungsrecht dient sowohl dem Schutz des einzelnen Beschäftigten vor Einbeziehung sachfremder Informationen bei ihn betreffenden Entscheidungen als auch generell der Ein-haltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei perso-nellen Maßnahmen. Die Beteiligung des Betriebsrats liegt aber auch im Interesse der Arbeitgeber, da die je-weilige Entscheidungsgrundlage für personelle Einzel-maßnahmen offen liegt.

Bei der Personalplanung (§ 92 BetrVG) sind die Beteili-gungsrechte hin zu einer erzwingbaren Mitbestimmung und einem erzwingbaren Einigungsstellenverfahren auszubauen. Bereits im Planungsstadium werden Ent-scheidungen getroffen, die sich bei entsprechender

Durchführung als belastend für die Arbeit-nehmer erweisen. Auch die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer an Auf-stiegsmöglichkeiten und Schutz der Ar-beitsplätze müssen Berücksichtigung fin-den. Daher ist es gerechtfertigt, den Be-triebsrat bereits in diesem frühen Stadium

mitentscheidend zu beteiligen. Nur so wird eine Objek-tivierung und bessere Durchsetzbarkeit sowohl der all-gemeinen Personalwirtschaft, als auch der personellen Auswirkungen im Einzelfall bewirkt.

3. Verbesserte Arbeitsmöglichkeiten des BetriebsratsZur qualitativ hochwertigen und verantwortungsvollen Wahrnehmung einer gestiegenen Anzahl von zudem komplexer gewordenen Aufgaben ist ein zeitlicher Mehraufwand erforderlich. Dem ist durch anteilige, zeitlich gestaffelte Freistellungen in kleinen und mitt-leren Betrieben bereits unter 200 Arbeitnehmern sowie einen Freistellungsanspruch für den Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat Rechnung zu tragen.

Komplexe Sachverhalte − zum Beispiel im Zusammen-hang mit der Veränderung von Organisationsstrukturen − oder die Erforderlichkeit speziellen Fachwissens − zum Beispiel im Bereich des Arbeitsschutzes − erfordern Be-

Eine Abwahl von Betriebsrats-mitgliedern aus der Freistellung darf nur bei grober Verletzung

ihrer gesetz lichen Pflichten möglich sein.

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ZBVR online Aufsätze und Berichte

ZBVR online 11/2015 | Seite 32 von 35

triebsräte, die über umfangreiches Fachwissen verfü-gen. Dies gilt insbesondere auch für Mitglieder eines Wirtschaftsausschusses, Gesamtbetriebsrates und Kon-zernbetriebsrates. Daher sind diesen Ansprüche auf Schulungen einzuräumen.

Erst dadurch werden Auseinandersetzung und Aus-tausch auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber möglich. Demselben Ziel dienen die Vorschläge des dbb zur Ver-besserung des Informations- und Unterrichtungsan-

spruchs. Es ist klarzustellen, dass es auch für Betriebs-räte in kleinen und mittleren Betrieben einen Unter-richtungsanspruch in wirtschaftlichen Angelegenheiten gibt.

Bei einer Vielzahl von Sozialversicherungsträgern, die unter den Geltungsbereich eines Personalvertretungs-gesetzes fallen, wurden Teile ausgegliedert und in eine private Rechtsform, somit in den Anwendungsbereich des BetrVG, überführt. In der Vergangenheit kam es da-bei aber zu Rückgliederungen in den ursprünglichen Sozialversicherungsträger. Für diesen Fall fehlen Über-gangsregelungen, die eine lückenlose Interessenvertre-tung der betroffenen Arbeitnehmer ermöglichen.

4. Anerkennung von Auszubildenden in außerbetrieb-lichen Ausbildungsstätten als Arbeitnehmer des Be-triebs (§ 5 BetrVG)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsge-richts gelten Auszubildende in sogenannten reinen Aus-bildungsbetrieben nicht als Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Be-trVG. Ein reiner Ausbildungsbetrieb liegt vor, wenn der Betriebszweck allein oder hauptsächlich darauf gerich-tet ist, anderen Personen eine berufspraktische Ausbil-dung zu vermitteln. Die Auszubildenden in außerbe-trieblichen Einrichtungen sollen als Arbeitnehmer des Ausbildungsbetriebs i.S. des § 5 BetrVG anerkannt wer-den und damit wahlberechtigt und wählbar zu den be-trieblichen Interessenvertretungen sein.

5. Verbesserung der Möglichkeiten zur Durchsetzung der Betriebsratsrechte

Erfolgen Einstellungen von befristet Beschäftigten oder Leiharbeitnehmern unter Missachtung der Mitbestim-mungsrechte des Betriebsrates, ist für den Betriebsrat ein effektiver Rechtsschutz oftmals nicht möglich. Dem Betriebsrat bleibt dann nur noch übrig, das Arbeitsge-

richt anzurufen, um feststellen zu lassen, dass sein Mit-bestimmungsrecht verletzt wurde. Diese Entscheidung ergeht in der Regel aber erst dann, wenn die Maßnahme bereits durchgeführt ist. Die Rechte des Betriebsrats können in diesen Fällen nur gewahrt werden, wenn er seine Rechte in personellen Angelegenheiten bereits in einem Eilrechtsschutzverfahren geltend machen kann.

Plant der Arbeitgeber eine Betriebsänderung, muss er den Betriebsrat über diese rechtzeitig informieren und

mit ihm hierüber beraten. Ziel der Bera-tungen ist es, dass der Betriebsrat im In-teresse der Arbeitnehmer Vorschläge zur Abwendung oder Umgestaltung der Be-triebsänderung machen kann. Beginnt der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Be-triebsänderung, bevor er diese mit dem

Betriebsrat beraten hat, wird der Beratungsanspruch des Betriebsrats vereitelt. Ob ein Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung die arbeitgeberseitige Um-setzung einer Betriebsänderung vorläufig verhindern kann, um seinen Beratungsanspruch aus § 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu sichern, ist umstritten. Hierzu gibt es unterschiedliche Auffassungen in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte. Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspraxis ist deshalb die Möglichkeit, den Beratungsanspruch aus § 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch einen im Wege einer einstweiligen Verfügung durchsetzbaren Unterlassungsanspruch zu sichern, ge-setzlich zu verankern.

6. Stärkung der Rechte der ArbeitnehmerDie Situation von Arbeitnehmern in atypischen Beschäf-tigungsverhältnissen ist zu verbessern. Notwendig ist eine betriebsverfassungsrechtliche Gleichstellung von Leiharbeitnehmern mit den Arbeitnehmern des Einsatz-betriebes, etwa durch Einbezug in den Arbeitnehmer-begriff des § 5 Abs. 1 BetrVG. Dadurch wird sichergestellt, dass Leiharbeitnehmer auch das passive Wahlrecht be-sitzen.

Personalgespräche drehen sich meist um für den Ar-beitnehmer wichtige Themen wie Gehalt, Beurteilung seiner Arbeitsleistung und berufliche Perspektive im Unternehmen. Abhängig von der Größe des Unterneh-mens sind bei solchen Gesprächen nicht nur der direk-te Fachvorgesetzte, sondern auch der Leiter der Perso-nalabteilung anwesend. Da der Arbeitnehmer in diesen Fällen bereits einer zahlenmäßigen Überlegenheit auf Seiten des Arbeitgebers gegenübersteht, ist einem Ar-beitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit einzuräu-men, ein Betriebsratsmitglied seiner Wahl bei Personal-gesprächen hinzuzuziehen.

Zugunsten einer erschöpfenden und gewissen-haften Wahrnehmung seiner Aufgaben sind dem Betriebsrat

umfassende Informationsrechte einzuräumen.

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ZBVR online 11/2015 | Seite 33 von 35

Erforderlichkeit innerbetrieblicher AusschreibungenDer Sachverhalt

Der Betriebsrat eines Betriebs mit ca. 50 Arbeitnehmern hat von dem Arbeitgeber entsprechend § 93 BetrVG verlangt, freiwerdende Arbeitsplätze innerbetrieblich auszuschreiben. Zum Abschluss der vom Betriebsrat initiierten Betriebsvereinbarung über Ausschreibungs-modalitäten und -verfahren ist es jedoch nicht gekom-men.

Ende November verlässt die Sachbearbeiterin S den Be-trieb kurzfristig aus persönlichen Gründen. Der uner-wartet freigewordene Arbeitsplatz in der Rechnungs-abteilung soll nach dem Willen des Arbeitgebers nun schnellstmöglich nachbesetzt werden, da die Abteilung wegen des bevorstehenden Jahresabschlusses dringend auf vollständige Besetzung angewiesen sei. Der Arbeits-platz war erst vor Jahresfrist mit S besetzt worden. Auf die in diesem Zusammenhang durchgeführte innerbe-triebliche Ausschreibung waren keine Bewerbungen erfolgt. Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat deshalb nun mit, er beabsichtige nicht, den Arbeitsplatz erneut innerbetrieblich auszuschreiben. Damals habe sich nie-mand beworben und es sei auch heute kein Beschäftig-ter ersichtlich, der die Qualifikationsanforderungen für die Stelle auch nur annähernd erfüllen würde, denn Neueinstellungen seien in der Zwischenzeit nicht er-folgt. Der Betriebsrat weist darauf hin, dass seines Wis-sens die Mitarbeiterin M privat Fortbildungskurse be-sucht habe. Ob diese Kurse genau die für die Stelle in der Rechnungsabteilung erforderlichen Qualifikationen vermittelt haben, sei ihm allerdings nicht bekannt und da M gerade ihren dreiwöchigen Jahresurlaub angetre-ten habe, lasse sich dies auch nicht klären. Der Arbeit-geber lenkt dennoch ein und schreibt die Stelle am Schwarzen Brett und im Intranet des Betriebs sowie jedoch in der Erwartung, es werde sich kein betriebsin-terner Bewerber finden, parallel auch extern aus.

Zwei Wochen nach der Bekanntmachung der Ausschrei-bung beantragt der Arbeitgeber beim Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung des externen Bewerbers X. Der Arbeitgeber verweist darauf, die Stelle müsse schnellstmöglich besetzt werden, um die umfangrei-chen Jahresabschlussarbeiten mit ausreichender per-soneller Besetzung durchführen zu können und den vorhandenen Mitarbeitern nicht Mehrarbeit zumuten zu müssen.

Der Betriebsrat erwägt, seine Zustimmung zur Einstel-lung des X zu verweigern mit der Begründung, dass der Arbeitgeber trotz Kenntnis von der Abwesenheit der möglichen betriebsangehörigen Bewerberin M die Aus-schreibungsfrist mit zwei Wochen zu kurz bemessen und dadurch M benachteiligt habe. Darüber hinaus sieht er in der parallelen Durchführung von betriebsinterner und externer Ausschreibung einen Verstoß gegen § 93

BetrVG und damit einen Zustimmungsverweigerungs-grund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

Unsere Stellungnahme

Dem Betriebsratsrat steht kein tragfähiger Zustim-mungsverweigerungsgrund zu.

Allerdings hat der Betriebsrat zu Recht die interne Aus-schreibung der Stelle angemahnt. Gem. § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. Ein entsprechendes Verlangen hat der Betriebsrat an den Arbeitgeber ge-richtet. Folglich war dieser verpflichtet, im Betrieb frei-werdende Stellen innerbetrieblich auszuschreiben. Die-se Pflicht zur innerbetrieblichen Ausschreibung gilt selbst dann, wenn alles dafür spricht, dass es im Betrieb keine für die Stelle geeigneten Bewerberinnen oder Be-werber gibt.1 Denn dem Wortlaut des § 93 BetrVG ist nicht zu entnehmen, dass der Arbeitgeber – unter be-stimmten Voraussetzungen – von der durch die Auffor-derung des Betriebsrats begründeten Verpflichtung entbunden sein solle. Auch § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG berechtigt den Betriebsrat ohne Einschränkung, seine Zustimmung zu verweigern, „wenn eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung im Betrieb unter-blieben“ sei. Für eine insoweit ausnahmslose Geltung der Pflicht zur internen Ausschreibung spricht zudem der Zweck des § 93 BetrVG. Die betriebsinterne Aus-schreibung soll innerbetrieblichen Bewerbern Kenntnis von einer freien Stelle vermitteln und ihnen die Mög-lichkeit geben, ihr Interesse an dieser Stelle kundzutun und sich darum zu bewerben2 der innerbetriebliche Ar-beitsmarkt soll aktiviert werden. Darüber hinaus dient die innerbetriebliche Ausschreibung einer transparen-ten Ausgestaltung des Stellenbesetzungsverfahrens für die verfügbaren Arbeitsplätze.3 Die Beschäftigten sollen sicher sein können, dass freie Stellen nicht mit externen Bewerbern besetzt werden, ohne dass sie selbst die Möglichkeit hatten, sich auf die Stelle zu bewerben. Hierzu bedarf es einer uneingeschränkten Verpflichtung des Arbeitgebers zur internen Ausschreibung.

Dem widerspräche es, wäre es der Einschätzung des Arbeitgebers überlassen, in welchen Fällen er von einer Ausschreibung im Betrieb absehen kann, weil er ver-mutet oder zu wissen glaubt, dass unter den Beschäf-tigten keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber vorhanden sind. Das Risiko einer Fehleinschätzung soll deshalb durch eine uneingeschränkte Ausschreibungs-

1 LAG Berlin-Brandenburg v. 5.9.2013 – 21 TaBV 843/13, juris. 2 BAG v. 30.4.2014, ZBVR online 11/2014, S. 10. 3 BAG v. 1.2.2011 – 1 ABR 79/09, ZBVR online 7-8/2011, S. 23, und

BAG v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12, ZBVR online 5/2014, S. 8.

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pflicht ausgeschaltet werden.4 Dass die Ausschreibungs-pflicht nicht eingeschränkt werden darf, zeigt gerade der vorliegende Fall. Die auf einer ein Jahr zurück lie-genden Bewerbungsrunde beruhende Einschätzung des Arbeitgebers kann sich als falsch darstellen, wenn der Hinweis des Betriebsrats zuträfe, M habe in der Zwi-schenzeit an Qualifizierungsmaßnahmen teilgenom-men. Da folglich nicht auszuschließen war, dass es zu-mindest eine geeignete betriebsangehörige Bewerberin geben könnte, ist die Auffassung des Betriebsrats über die Notwendigkeit einer innerbetrieblichen Ausschrei-bung zutreffend.

Demgegenüber bezweifelt der Betriebsrat zu Unrecht die Art und Weise der Ausschreibung. Das Gesetz macht keine Vorgaben für Inhalt, Form und Frist der Ausschrei-bung. Da die Festlegung von Inhalt, Form und Frist der Ausschreibung nicht der Mitbestimmung des Betriebs-rats unterliegt, können die Ausschreibungsmodalitäten nur in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung geregelt werden; einer solchen hat sich vorliegend der Arbeitge-ber aber verschlossen. Deshalb liegen Inhalt, Form und Frist der Ausschreibung im Ermessen des Arbeitgebers.5 der sich dabei an Sinn und Zweck der Ausschreibung als „allgemeine Aufforderung an alle oder an eine bestimm-te Gruppe von Arbeitnehmern, sich für bestimmte Ar-beitsplätze im Betrieb zu bewerben“,6 zu orientieren hat. Danach muss die Ausschreibung mindestens ent-halten: die Bezeichnung des zu besetzenden Arbeits-platzes, die Qualifikationsanforderungen, eine aussa-gekräftige Aufgabenbeschreibung, Angaben zu Gehalts- oder Tarifgruppen, einen Hinweis auf den Umfang der Arbeitszeit, Angaben zu einer eventuellen Befristung sowie den Zeitpunkt der angestrebten Arbeitsaufnah-me.7

Alle in Betracht kommenden Betriebsangehörigen müs-sen zudem von der Ausschreibung Kenntnis nehmen können. Dabei sind an die Form der Bekanntmachung keine besonderen Anforderungen zu stellen. Erforder-lich, aber auch ausreichend ist, wenn die Ausschreibung in derselben Art und Weise an die Beschäftigten erfolgt wie üblicherweise auch andere Informationen8 also etwa mittels Aushang am Schwarzen Brett, Veröffent-lichung in der Betriebszeitung oder im Intranet, Rund-schreiben per E-Mail oder Information im Postweg.9 Danach war die Bekanntmachung der Ausschreibung

4 Vgl. dazu LAG Berlin-Brandenburg v. 5.9.2013 – 21 TaBV 843/13, juris, m. w. N. aus der Rechtsprechung).

5 BAG v. 6.10.2010 – 7 ABR 18/09, ZBVR online 10/2011, S. 2. 6 BAG v. 23.2.1988 – 1 ABR 82/86, DB 1988, 1452. 7 Vgl. die Aufzählung bei Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/

Linsenmaier, BetrVG, 27. Aufl., § 93 Rn. 7. 8 BAG v. 17.6.2008 – 1 ABR 20/07, ZBVR online 12/2008, S. 14. 9 BAG v. 6.10.2010 – 7 ABR 18/09, ZBVR online 10/2011, S. 2.

am Schwarzen Brett und im Intranet ausreichend. Auch die nur zweiwöchige betriebsinterne Ausschreibung ist nicht zu beanstanden; während dieser Zeitspanne ha-ben interessierte Beschäftigte regelmäßig genügend Zeit, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Stel-le für sie in Betracht kommt, und sich zu bewerben.10 Die zweiwöchige Frist war hier insbesondere deshalb nicht unangemessen kurz, weil der Arbeitgeber ein be-rechtigtes Interesse an einer schnellen Neubesetzung der Stelle hatte. Dass eine mögliche Interessentin aus-gerechnet während der Ausschreibungsfrist urlaubsbe-dingt abwesend war, erfordert keine andere Bewertung. Weder urlaubs-, noch krankheits- noch elternzeitbe-dingte Abwesenheit von Beschäftigten erfordern eine längere Ausschreibungsdauer. Vielmehr muss bei auf solchen individuellen Umständen beruhenden Abwe-senheitszeiten der jeweilige Beschäftigte selbst dafür Sorge tragen, dass er von einer Ausschreibung rechtzei-tig – etwa durch Kollegen oder den Betriebsrat – infor-miert wird; ein Interesse an Ausschreibungen kann auch dem Arbeitgeber zuvor kundgetan werden11 – in diesem Fall wäre eine Besetzung des Arbeitslatzes, ohne den Beschäftigten informiert zu haben, als missbräuchlich einzustufen.

Schließlich stellt es auch keinen Zustimmungsverwei-gerungsgrund dar, dass der Arbeitgeber die Stelle be-reits parallel zur internen Ausschreibung auch extern ausgeschrieben hat. Sinn und Zweck der internen Aus-schreibung, den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu erschließen und sicherzustellen, dass nicht eine freie Stelle mit einem externen Bewerber besetzt wird, ohne dass die Beschäftigten ihrerseits die Möglichkeit zur Bewerbung hatten, erfordern nicht, dass die externe Ausschreibung erst im Anschluss an die interne Aus-schreibung erfolgt. Denn mit der Pflicht zur innerbe-trieblichen Ausschreibung ist kein Anspruch auf vorran-gige Berücksichtigung betriebsangehöriger Bewerbe-rinnen und Bewerber verbunden, sondern lediglich auf Einbeziehung in die Auswahlentscheidung. Deshalb darf der Arbeitgeber die freie Stelle nicht mit einem externen Bewerber besetzen, bevor die innerbetriebliche Aus-schreibungsfrist abgelaufen ist und ihm eventuelle Be-werbungen aus dem Kreis der Beschäftigten vorliegen. Hier war jedoch trotz ordnungsgemäßer innerbetrieb-licher Ausschreibung in der Ausschreibungsfrist keine Bewerbung von Beschäftigten eingegangen. Daher war das Vorgehen des Arbeitgebers, zur Beschleunigung der Stellenbesetzung zeitgleich extern auszuschreiben und nach ergebnislosem Ablauf der innerbetrieblichen Aus-schreibung die Stelle mit dem externen Bewerber zu besetzen, rechtmäßig.

10 BAG v. 6.10.2010 – 7 ABR 18/09, ZBVR online 10/2011, S. 2. 11 BAG v. 6.10.2010 – 7 ABR 18/09, ZBVR online 10/2011, S. 2.

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