Zeitverschwender

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Zeitverschwender Themenservice

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Themenservice

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ZeitverschwenderThemenservice

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Der Themenservice versteht sich als Recherchehilfe für Journalisten.Anhand von Informationen, Zitaten und Bildern wird Südtirol in den unter-schiedlichsten Kontexten vorgestellt. Das Bild- und Textmaterial dieserAusgabe ist auf der CD-ROM in der Umschlagseite gespeichert. Die Ver -wendung ist honorarfrei. Der Themenservice erscheint ein- bis zweimaljährlich. 2006 ist bereits die Ausgabe „Grenzgänger“ erschienen, 2007„Böse Weiber, weise Frauen“ und „Weltenbummler“, 2008 „Meisterwerke“.Bestelladressen für alle Publikationen siehe Seite 29.

WAS IST DER THEMENSERVICE

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EINBLICK

Der glückliche Viehhirt von der Seiser Alm

„In meinem ganzen Leben war mir noch nicht langweilig.“ Peter Sattlerblickt über die Seiser Alm und scheint erstaunt, dass man ihm eine solcheFrage stellen konnte. Der 54-Jährige ist einer der wenigen noch verbliebenenSaltner in Südtirol. Neben dem Bergsaltner, der sich um das Vieh auf der Almkümmert, gab es früher den Landsaltner, der die Obstwiesen und Weinbergeim Tal beaufsichtigte. Noch vor wenigen Jahrzehnten hatte jede Gemeindeeinen solchen Viehaufseher, heute sind es in Südtirol höchstens drei, vier.Der Beruf des Berghirten ist selten geworden in einer Zeit, in der die Land-wirtschaft zum Großteil maschinell organisiert ist.

Peter Sattler ist von der Gemeinde Kastelruth angestellt, um im Sommer350 Jungrinder und 50 Pferde zu beaufsichtigen. Für den Außenstehendenscheint es unmöglich, die Tiere auseinanderhalten zu können: Auf denersten Blick sehen alle gleich aus – meist weiß-braun oder weiß-schwarzgescheckt und immer der gleiche, stoische Gesichtsausdruck. Ein Eindruck,den man im Gespräch mit Sattler besser für sich behält. Für ihn ist jedesTier einzigartig: „Gesicht und Gestell – Kopf, Kreuz, der komplette Bau sindimmer unterschiedlich.“ Für seine Aufgabe ist es unerlässlich, sich jedesTier einzuprägen. Schließlich muss er wissen, welche Kuh am Ende zu wel-chem Besitzer gehört. „Jeder Bauer hat seine eigene Herde“, erklärt PeterSattler. Zwar sind die Tiere am Hinterteil und am Kreuz gekennzeichnet,doch die Ziffer ist nur bedingt ein Anhaltspunkt, wenn man die Küheschnell unterscheiden muss. Schon kurz nach der „Nummerierung“ wächstdas Fell an der kahl geschorenen Stelle wieder nach, so dass davon nichtmehr viel zu sehen ist. Also bleibt dem Kuhkenner nichts anderes übrig, alssich über „Eselsbrücken“ seine Kühe, deren Namen, ihre Nummer undihren Besitzer zu merken. „Ein gutes Gedächtnis braucht ein Saltner nebenhandwerklichem Geschick und Viehkenntnis auf jeden Fall“, sagt Sattler.

Die Herde des Saltners besteht aus glücklichen Kühen: Von Juni bis Sep-tember ist das Vieh der Kastelruther Bauern auf Sommerfrische. Für PeterSattler beginnt dann die Saison. Er hat die Spielwiese der Tiere im Blick, dieso groß ist wie 15 Fußballfelder. Das nahrhafte Gras der Almwiesen und diewilden Kräuter mit ihren Vitaminen und Mineralien stärken die Jungtiere.Nach einem Sommer auf der Alm kehren sie im Herbst gesund und kräftigzurück ins Tal.

EINBLICK | 1

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Der Alltag eines Hirten richtet sich nach dem Lauf der Natur und seinenTieren, denen seine ganze Aufmerksamkeit gilt. Selbst nach vielen Jahrenharter Arbeit hat die beeindruckende Bergkulisse rund um die größteHochalm Europas und die Ruhe hier oben nichts an Faszination für Sattlerverloren. „Ich sitze oft sehr lange an meinen Aussichtspunkten. Schauedurchs Fernglas und beobachte meine Tiere. Es ist meist ganz ruhig, ichhöre nur die Glocken der Kühe, sehe Adler über mir und halte dann schonjedes Mal inne, wenn ich dort oben bin“, sagt er. Seine Bilanz ist eindeutig:„Ich habe den schönsten Beruf der Welt, den ich gegen nichts tauschenwürde.“

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4 | INTROVon der Kunst, Zeit zu verschwenden

6 | GÄRTENKraftorte für Generationen

10 | TANZENHebefigur im Heustadel

14 | BÄNKEStille Geschichtenerzähler

18 | WATTEN„Bei uns wird nicht geschwindelt“

22 | SPECKEine Sache des Gefühls

26 |Recherche | Daten & Fakten zu Südtirol

29 |Pressekontakte | CD-ROM

Inhalt

INHALT | 3

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INTRO

Von der Kunst, Zeit zu verschwenden

Eifersüchtig gehütet und nur ja nicht falsch eingesetzt, ist sie zum neuenLuxusgut geworden. Die Rede ist von der Zeit. Wer sich wieder auf ihrenWert zurückbesinnen will, kann sich an Südtirol ein Beispiel nehmen. Hiernehmen sich die Bewohner noch genug Zeit. Für eine Wanderung, deren einziges Ziel der Sonnenaufgang über den Dolomitengipfeln ist. Für einen Aperitif mit Freunden auf dem Bozner Waltherplatz. Für eine Delikatesse,die mehr als sieben Monate ruhen muss, bis sich ihr Geschmack voll ent -faltet. Oder für einen Tanz, der für Minuten in eine andere Welt entführt.Die Weisheit des Bergbauern, dessen Leben nicht tickende Uhren, sondernder Rhythmus der Natur bestimmt, verbindet sich in der nördlichsten ProvinzItaliens mit mediterraner Lebensfreude.

GärtenSie sind Rückzugsorte und Kraftspender: die üppige Oase in der Stadt, derjahrhundertealte Kräutergarten eines Klosters und das Labyrinth aus Wein.Natur und Kultur gehen im mediterranen Klima Südtirols eine fruchtbareSymbiose ein und setzen einen stillen Kontrapunkt zu unserem lauten Alltag.

TanzenDie Gesichter der tanzenden Südtiroler im Film „Ragwurz“ erzählen mehrüber ihr Leben, ihre Kultur und ihr Land als viele Worte. Die ChoreografinVeronika Riz wirft einen humor- und liebevollen Blick auf ihre Landsleute –vom alten Landwirt, der mit einem Stuhl ein Tänzchen wagt, bis zum ver-liebten Paar, das beim Rock ’n’ Roll den harten Arbeitsalltag vergisst.

BänkeIhre verwitterten Inschriften zeugen von den Menschen, die sich ein StückSüdtirol sichern wollten: 53 Bänke, die alle von Gästen des Hotels Zirmer -hof gestiftet wurden, stehen auf einem 150 Hektar großen Areal in Radein.Und wer sich ein wenig Zeit nimmt, dem erzählt der alte ZirmerhofwirtJoseph Perwanger die Anekdoten und Schicksale, die sich hinter jeder Bankverbergen.

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WattenEin Kartenspiel ist der Südtiroler liebster Zeitvertreib: Das Watten ist hierVolkssport. Über Generationen hinweg treffen sich die Spieler zu Watt-abenden in den urigen Stuben, in Bars oder auf der Skihütte. Bei dem Spiel,für das schon mal der „Bund der Wattehe“ eingegangen wird, bestimmenTemperament und Witz den Spielverlauf.

Südtiroler SpeckMilder und ausgewogener im Geschmack als nordischer Räucherschinken,aber gleichzeitig intensiver und würziger als Rohschinken aus dem Mittel-meerraum: Die Südtiroler nennen ihn Speck, ein wahres Naturgut. Die Herstellung erfordert Geduld: Mindestens 22 Wochen muss der originalSüdtiroler Speck reifen. Die Bergbäuerin Barbara Brunner und ihr MannGeorg produzieren ihn auf ihrem Hof so, wie es ihre Vorfahren schon vorJahrhunderten getan haben.

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01_INTRO Zeit für Freunde bei einem Aperitivo am Waltherplatz

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01_GAERTEN Ein Mann mit Weitblick: Franz Graf Pfeil

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02_GAERTEN Der historische Kräutergarten des Klosters Neustift: Hier scheint die Zeit stillzustehen

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GÄRTEN | 7

GÄRTEN

Kraftorte für Generationen

Ein Blatt fällt vom Baum. Es trudelt im Sonnenstrahl, der sich durch dasBlätterdach seinen Weg bahnt. Gemächlich landet es auf der Tas tatur einesLaptops. Die Besitzerin lässt sich nicht stören. Ihre Augen sind ge schlossen,das Gesicht ist dem wärmenden Licht zugewandt. Im Park des Hotels Laurinin Bozen gibt es keine Eile. Weder für die Gäste noch für die Pflanzen. Dieüppige grüne Oase im geschäftigen Zentrum der Südtiroler Hauptstadt istsogar älter als das 100-jährige Hotel. Auf 4.000 Quadratmetern gedeihenexotische Gewächse vom Kakibaum über Ginkgo biloba bis zum Rosenstock.Letztgenannter ist eine einzigartige Symbiose mit einer Libanon-Zeder unddem Efeu eingegangen. Über Jahrzehnte wuchs das Dreigestirn zusammenund reckte sich gen Himmel. Jedes Jahr geraten Rosenliebhaber in Verzük-kung, wenn die dornige Pflanze einen 30 Meter hohen goldgelben Blüten-teppich bildet.

„Gärten sind aktuell gefragter denn je“, meint Martina Schullian, Garten-fachfrau und Kunsthistorikerin. „Der Garten wird heute als Rückzugsgebiet,Ruhepol, Kraftort und Raum der Inspiration genutzt.“ Die Chorherren desKlosters Neustift waren, was die Gartenlandschaft betrifft, ihrer Zeit voraus.Bereits im 15. Jahrhundert legten sie ihren Stiftsgarten zu Meditations-zwecken an. 2001 wurde er gartenhistorisch wiederhergestellt, im Sommer2004 neu eröffnet. Der Garten besteht aus drei Teilen: der Fallobstwiese,dem Kräutergarten und dem Barockgarten. Einzigartig sind der 100-jährigeMammutbaum – er wurde 1908 zum 60-jährigen Jubiläum der Krönung Kaiser Franz Josefs von Österreich gepflanzt –, das Piszin, ein Brunnen inForm eines Turms, der eine gartenhistorische Rarität ist, und das Vogelhausaus dem 17. Jahrhundert. In der Naturwiese sind 50 verschiedene Gräserund Kräuter ausgesät worden. Die Wiese wird nur zweimal im Jahr gemäht,ansonsten der Natur überlassen. Bewusst wurden alte Apfelsorten gepflanzt,die bereits früher im Garten standen.

Einfach nur Zeit verschwenden kann man im Labyrinthgarten von FranzGraf Pfeil. Die Anlage wurde nicht geplant, sondern erfühlt. Sie wächstund verändert sich stetig. Der Garten liegt in Tscherms bei Meran, direktan den Weinbergen seines Ansitzes Kränzel. „Mit der lebenden Skulptur,dem Gesamtkunstwerk“, wie er sagt, will der Winzer den Absatz seinesWeines fördern. „Verkaufen ist nicht meine Stärke. Auf Messen beispiels-weise fühle ich mich nicht zu Hause“, erklärt der Graf. „Ich kann nur nachmeinem eigenen Geschmack und Gefühl den Wein in seiner Entwicklungbegleiten.“ Das Herzstück des Labyrinthgartens ist der Irrgarten: ein 1,5Kilometer langes Spalier aus zehn verschiedenen Traubensorten, das fürGenussmenschen genau das Richtige ist – denn die Suche nach dem Aus-weg versüßen im Herbst zumindest die Trauben.

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Alle zwei Jahre zwischen Ende April und Anfang Mai findet in Merandie Meranflora statt. Gärtner und Floristen aus dem In- und Auslandpräsentieren auf der Zierpflanzenausstellung entlang der Passer-Pro-menade ihre neuesten Kreationen. Die nächste Ausgabe der Meranfloraist für April 2010 geplant. www.gemeinde.meran.bz.it/meranflora

Der Park der Therme Meran ist mit rund 51.000 Quadratmetern eineder größten privaten Gartenanlagen Europas. Die Flora ist geprägt vonder alpin-mediterranen Umgebung: Zedern, Steineichen und Rosenwachsen neben Schirmpinien, Zypressen, Magnolien und Palmen. In dasgrüne Areal sind die 12 Außenpools der Therme eingebettet.www.thermemeran.it

100.000 Blütenstauden zieren die „Blühenden Lehmwände“ in den Gär-ten von Schloss Trauttmansdorff bei Meran. Ein Blumenmeer, das fürEuropa einzigartig ist. Mit Hebebühnen und an Kletterseilen gesichert,gießen und pflegen die Gärtner die Pflanzen. 26 Gärtner sorgen sichum die 5.400 Pflanzenarten auf der 12 Hektar großen Anlage. 2006wurde sie zu Europas Garten Nr. 6 gewählt. www.trauttmansdorff.it

Parkhotel Laurin | Kontaktperson: Sabina de LorenzoLaurinstr. 4 | I-39100 Bozen Tel.: +39 0471 311 000 | Fax: +39 0471 311 148 [email protected] | www.laurin.it

Labyrinthgarten | Weingut Kränzel | Kontaktperson: Franz Graf PfeilGampenstr. 1 | I-39010 TschermsTel.: +39 0473 564 549 | Fax: +39 0473 554 [email protected] | www.labyrinth.bz

Stiftsgarten Kloster Neustift | Kontaktperson: Maria MichaelerStiftstr. 1 | I-39040 VahrnTel.: +39 0472 836 189 | Fax: +39 0472 837 [email protected] | www.kloster-neustift.it

Gärtnerei Schullian | Kontaktperson: Martina SchullianMeraner Str. 75/A | I-39100 BozenTel.: +39 0471 933 006 | Fax: +39 0471 513 [email protected] | www.schullian.it

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INFORMATIONEN

KONTAKT

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03_GAERTEN Im Labyrinthgarten ist der Weg das Ziel

GÄRTEN | 9

MARTINA SCHULLIAN (KUNSTHISTORIKERIN UND GESCHÄFTSFÜHRERIN

DER GÄRTNEREI SCHULLIAN) ÜBER ...

… SÜDTIROLER GÄRTEN:„Das Besondere an den Südtiroler Gärten ist in jedem Falle die Verbindung vonmediterraner und alpiner Vegetation. Hier treffen zwei Kulturen und zweiLebensgefühle aufeinander.“

… GÄRTEN UND ZEIT:„Beides kann nicht voneinander getrennt werden. Pflanzen spiegeln den Jahres-verlauf, die Jahreszeiten, das Wachsen und Vergehen wider und für ihre Pflegebraucht man viel Zeit und Muße.“

… GÄRTEN UND KUNST:„Nach meinem abgeschlossenen Studium der Kunstgeschichte eröffnete ich1994, angrenzend an den Produktionsbetrieb meiner Eltern, meine eigeneGärtnerei. Mit Lesungen, Konzerten und Ausstellungen versuche ich, eine Brücke zwischen Pflanzenwelt und Kunst zu schlagen. Gärten waren immerschon ein Teil der Kunst. Das sieht man insbesondere an den beeindruckendenGärten in der Renaissance und in der gestalteten Natur.“

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TANZEN

Hebefigur im Heustadel

In einer holzgetäfelten Stube sitzt ein alter Mann in einer blauen Arbeits-schürze am Tisch. Versonnen blickt er auf seine von Arbeit gezeichnetenHände, die parallel vor ihm liegen. Bei den ersten Tönen der volkstümlichenBlasmusik fangen sie an, den Takt zu klopfen. Und dann hält den 81-Jährigennichts mehr. Mit einem Ruck steht Josef Botzner auf. Zielsicher greift er sicheinen Holzstuhl und fängt an, mit ihm zu tanzen. Ein bisschen zittrig viel-leicht, aber mit viel Schwung. Botzner dreht und wendet sich im Walzer-Schritt, als befände er sich auf einem Maitanz. Den Stuhl mit dem einge-schnitzten kleinen Herz in der Lehne schwingt er wie eine Partnerin vor sichher. Für einen Moment wird die Vergangenheit lebendig. Als er noch jung warund sich an der Türschwelle zum Wirtshaus voller Nervosität auf die feschenTänzerinnen freute. „Das Tanzen ist nicht mehr dasselbe. Die Frauen sindheute doch viel selbstständiger. Heute tanzen sie am liebsten alleine“, sagtder gebürtige Grissianer später – und blickt ein wenig traurig in die Kamera.

Der Landwirt ist einer von dreizehn Protagonisten, die die Südtiroler Choreografin Veronika Riz in ihrem Film „Ragwurz“ porträtiert. Die Haupt-darsteller, alles Laien, tanzen im luftigen Heustadel, in urigen Stuben oderauf der verschneiten Veranda einer abgelegenen Berghütte. Sie schildernim Film ihre Träume, Besonderheiten des Alltags, die Schwierigkeit, sich andie Schritte zu erinnern, und das Glück, mit der Musik zu verschmelzen.Die Filmemacherin legt Wert darauf, die Tänzer in ihrer ursprünglichenUmgebung zu zeigen. „Ich wollte wissen, wo sich in Südtirol der Tanz über-all versteckt. Ich wollte hinter die Kulissen blicken“, erzählt Riz. „In Rag-wurz geht es nicht um experimentellen Tanz, sondern um Tanz als Freudean der Bewegung, als Freude am Ausdruck, um Verwandlung, Ausbruch.Und – warum nicht? – um eine Flucht in eine andere Welt“, sagt Riz.

Dabei gelingt der Filmemacherin mit dem 45-minütigen Dokumentarfilmein einfühlsames, liebevolles und immer wieder auch amüsantes Porträtihrer Landsleute. Eine professionelle Tanzszene wie in großen Ballungs -räumen gibt es in Südtirol noch nicht. Aber die Lust an der Bewegung unddie Freude an der Musik sind ein fester Bestandteil des oft harten Alltags.In den Augen von Mali Höller blitzt der Schalk, wenn sie ihre bestechendeinfache Definition von Tanz beschreibt: „Das Tanzen ist wie Knödel drehen:immer rum und rum und rum.“ Wörtlich nehmen das Barbara Thaler Mayrund Werner Mair: Der ausgelassene Walzer mit unzähligen Drehungen endetbei den beiden mit einem Lachanfall und einem Sturz in den Tiefschnee.

„Ragwurz“ ist auch ein Porträt über eine Gesellschaft, die nicht nur zwischenden Kulturen, sondern auch zwischen den Zeiten steht. Der traditionelle

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01_TANZEN Sie spürte den Tanz in Südtirol auf: Filmemacherin und Choreografin Veronika Riz

Volkstanz des alten Landwirts trifft auf das Teenager-Mädchen, das sichbeim Hip-Hop hinterm Hühnerstall wie sein Idol aus MTV fühlt. AllenGenerationen gemeinsam ist jedoch die Verbundenheit zur Heimat.

„Jeder Mensch ist von seiner Umgebung geprägt. Das spiegelt sich auch imTanz wider“, ist Lothar Gluderer überzeugt. Für ihn und seine Freundin KatrinParis ist Tanzen mehr als ein Hobby. Sie lebt mit ihrem Vater und ihren Brüdernauf einem Bergbauernhof im abgelegenen Ultental, er im Dorf. Hier obenwirkt die Natur mächtig und einschüchternd. Die Arbeit ist anstrengendund lang. Doch für den Tanz findet das Paar auch nach einem 14-Stunden-Tag die Zeit. „Tanzen ist unsere eigene Welt. Tanzen ist Sein, Leben“, sagtLothar. Und wenn die einzige ebene Fläche auf dem Hof, die genug Platzbietet, der Heuschober ist, wird eben dort abgerockt. Zu Brian Adams„Summer of 69“ aus dem Ghetto-Blaster tanzen sich die beiden die Seeleaus dem Leib. Als Katrin zum Sprung in die spektakuläre Hebefigur ansetzt,zeigt die Kamera Lothars Gesicht in Großaufnahme: So sieht Erfüllung aus.Kurz hält auch der Vater inne, der im Hintergrund das Heu aufschichtet. ImAugenblick des Sprungs fühlen sich die beiden als eine vollkommene Einheit.Und für einen Moment hält auf 2.000 Metern Höhe die Zeit den Atem an.

TANZEN | 11

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„Tanzsommer – Bolzano Danza“ ist das größte Tanzfestival in Südtirol.Jeden Sommer stellen nationale und internationale Tanzkompanien ihreneuen Stücke vor. Zeitgleich können Kurse für zeitgenössischen Tanzbelegt werden. Das Festival will den interkulturellen Austausch fördern.www.tanzbozen.it

Der Südtiroler oder Meraner Dreier ist ein Volkstanz, der 1944 auf demVigiljoch bei Lana aufgezeichnet wurde. Dreiertänze sind bereits ausdem 13. Jh. bekannt und werden in der Regel von einem Tänzer und zweiTänzerinnen ausgeführt. Der Südtiroler Dreier gehört zum Tanztyp derLändler, die zu den Werbetänzen zählen. Er ist durch seine Figurenfülleund Schauwirksamkeit gekennzeichnet: Der Tänzer kann seineGeschicklichkeit zeigen und die Tänzerin bringt ihre Anmut zum Aus-druck. www.arge-volkstanz.org/de

Veronika Riz ist Südtirols derzeit vielseitigste und kreativste Choreo -grafin. Sie studierte Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte inWien. In London und New York tanzte sie mit und bei Stephen Petroniound Meg Stuart. 1985 gründete sie in Bozen ihr Atelier „Dansart“, 2002erfolgte der Startschuss zur Kompanie „Veronika Riz“.www.veronikariz.it

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INFORMATIONEN

02_TANZEN Der mit dem Stuhl tanzt: Josef Botzner dreht sich im Walzertakt

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VERONIKA RIZ ÜBER ...

... DIE IDEE „RAGWURZ“:„Ich wollte einen anderen Zugang zum Tanz finden. Außerhalb der urbanenZentren. Daher habe ich Bergbauern als Protagonisten gesucht, denen ich dieMöglichkeit gegeben habe, ihre Freude und Lust am Tanzen auszuleben.“

... LAMPENFIEBER:„Es war erstaunlich, wie natürlich und frei sich die Tänzer vor der Kamerabewegt haben. Sie waren keineswegs aufgeregt. Sehr offen und natürlich.“

… DER NAME ZUM FILM:„Ragwurz ist eine seltene Orchideenart, die im Südtiroler Unterland wächst. Siestrebt dem Himmel entgegen. Über den Horizont hinaus blicken auch die Prota-gonisten meines Films beim Tanzen.“

Ehrliche Arbeit, Freies Kulturbüro | Kontaktperson: Elena PolzerSchönhauser Allee 73A | D-10435 Berlin | Tel.: +49 30 392 021 [email protected] | www.veronikariz.it

KONTAKT

03_TANZEN Discofox im Heuschober: Getanzt wird, wo Platz ist

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BÄNKE

Stille Geschichtenerzähler

An diesem Ort haben sich Joseph Perwangers Erinnerungen an die Jugendfestgesetzt. Auf einer Bank über den Wolken und am Fuß der Berge. Hier,findet der 81 Jahre alte Hotelier aus der Nähe von Radein, hat man dieschönste Aussicht der Welt. „Almenröder Bank“ ist in der Lehne eingeritzt.Die Schwester seines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Jugendfreundes,welcher der Bank ihren Namen gab, ließ sie einst aufstellen. Seit denAnfangsjahren des Hotels um 1900 lassen sich hier Wanderer und Erholungs-suchende nieder und genießen die Landschaft.

Die „Almenröder Bank“ befindet sich eineinhalb Stunden Fußmarsch ent-fernt vom Hotel Zirmerhof. Das im Jahr 1890 eröffnete Hotel, das heute vomSohn Perwangers geführt wird, liegt hoch über dem Etschtal, bis Bozen sindes rund 45 Minuten. Abgeschieden und eingebettet in fast unberührte Naturauf etwa 1.800 Metern Höhe genießen seine Gäste vom Frühstücksraum undder Terrasse den Panoramablick auf die vergletscherten Gipfel des Ortlerge-birges im Osten und die Ötztaler und Stubaier Alpen im Norden Südtirols.

Aristokraten, Geheimräte, Künstler und Wissenschaftler aus Wien, Leipzigund Berlin waren die ersten Urlauber im Zirmerhof. Sie wussten um dieheilsame Wirkung der alpinen Landschaft. Sie suchten in Südtirol das, wasihnen keine Großstadt bieten konnte: Natur pur und ungestörte Entspan-nung. So begannen die Zirmer-Gäste bereits vor 35 Jahren, Bänke zu stiften,um ein Stück dieser schönen Landschaft ihr Eigen nennen zu können. „Insgesamt gibt es 53 auf unserem Land. Jedes Jahr kommen etwa drei neuehinzu“, erzählt Joseph Perwanger. Meist sind es Stammgäste, die eine Bankaufstellen lassen. Sie fühlen sich dem Hotel und der Umgebung verbunden.

So auch die Herren, die seit rund 40 Jahren jedes Jahr zu Fronleichnam fürein langes Wochenende auf den Zirmerhof kommen. Für besonders verdienteMitglieder ihres Clubs aus dem fränkischen Pappenheim stifteten sie jeweilseine Bank. Etwa fünf Minuten vom Hotel entfernt gruppieren sich jetzt die„Vier Pappenheimer“ um einen Tisch. „Wie ein Denkmal kommt mir dasvor“, sagt Perwanger. Und ein wenig geheimnisvoll sehen sie aus, so wiesie da stehen. Sie scheinen nur darauf zu warten, dass sich jeden Momentdistinguierte Herren auf sie setzen und anfangen zu debattieren.

500 Euro kostet es, eine Bank zu stiften. Der Tischler Peter Lantschner ausRadein baut die Bänke in der zweiten Generation. „Sie sind aus Lärchen-holz, haben alle den gleichen Neigungswinkel und auf allen sitzt es sichgleich bequem“, meint Joseph Perwanger.

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01_BAENKE Zeitvertreib mit Aussicht: die „Almenröder Bank“ am Zirmersteig

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Zu jeder Bank hat Joseph Perwanger eine Anekdote im Kopf. Besonderskurios ist die Entstehungsgeschichte der „Jedermann Bank“: Als einesTages vor etwa 35 Jahren die beiden Stifterinnen der „Mariellenbank“ wiean jedem ersten Tag ihres Urlaubs ihre Bank besuchen wollten, fanden siediese zu ihrer Entrüstung besetzt vor. Zwei andere Damen hatten es sichauf ihrer Bank bequem gemacht und weigerten sich, diese freiwillig zu räumen. Es entbrannte ein lautstarker Streit zwischen den vier Fraueninmitten der sonst so friedlichen Bergwelt, der mit einem Sieg der recht-mäßigen Bank-Stifterinnen endete. Die beiden Unterlegenen bestelltenumgehend ihre eigene Bank bei Joseph Perwanger. Und dem nicht genug,bestanden sie darauf, dass diese nicht nur direkt neben der „Mariellen-bank“ aufgestellt werden, sondern auch noch einen bezeichnenden Namentragen solle: „Sie wurde ,Jedermann Bank‘ getauft, weil die Frauen jedemWanderer das Recht gewährten, darauf Platz zu nehmen, um die Natur zugenießen und sich die Zeit ein wenig vertreiben zu können“, erinnert sichPerwanger schmunzelnd. Dann lehnt er sich zurück, lässt den Blick überdie Berglandschaft schweifen und denkt an die vielen Geschichten, die ihmdie „Almenröder Bank“ erzählt.

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JOSEPH PERWANGER SENIOR ÜBER ...

... ERINNERUNGEN:„Wenn ich auf einer Bank sitze, dann denke ich an alles mögliche. Erinnerungenwerden wach. Sie kommen mir einfach so in den Sinn. Ich blicke in die Naturund meine Gedanken verselbstständigen sich.“

... „BANK-TAUFE“:„Die Einweihung der Bänke ist jedes Mal aufs Neue eine schöne Sache. Bei einemGlasl Wein und einer Portion Speck wird die Chronik in die Bank eingeritzt. Dashat schon etwas Feierliches.“

... STAMMGÄSTE:„Es ist natürlich schön zu sehen, wenn Gäste immer wieder kommen. Kinder, diefrüher mit ihren Eltern gekommen sind, kommen mittlerweile mit ihren eigenenKindern zu uns. Wir haben sehr viele Stammgäste, die zu unserem Haus gehö-ren. Umgekehrt gehört der Zirmerhof wohl auch zu ihrem Leben.“

Im Mittelalter nahmen nur Personen auf einer Bank Platz, die einanderauch gleichgestellt waren. Adlige durften nicht neben dem gemeinenVolk sitzen und umgekehrt. Daher stammt auch der Ausdruck „durch die Bank“, was so viel wie ohne Unterschied bedeutet.

Im bäuerlichen Vorgarten ist die Bank neben der Haustür ein Muss. AmEingang und als Wartebank an der Straße wird dieser Platz zum Ruhe-punkt und somit ein Gegenpol zum hektischen Treiben der Straße.

Die romantischste Bank Südtirols befindet sich in der Höhle im Innerneines gespaltenen, 600 Jahre alten Kastanienbaums in Schenna. Ein Liebes-versprechen, das zwei sich im Stamm dieses Kastanienbaums zuflüstern,soll von ganz besonderer Wirksamkeit sein.

Hotel Zirmerhof | Kontaktperson: Joseph Perwanger juniorI-39040 Radein | Tel.: +39 0471 887 215 | Fax: +39 0471 887 [email protected] | www.zirmerhof.com

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INFORMATIONEN

KONTAKT

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03_BAENKE Platz für Verliebte: „Meine Bank, Deine Bank“

02_BAENKE Joseph Perwanger kennt alle Geschichten hinter den Bänken

BÄNKE | 17

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01_WATTEN Gesellige Damenrunde: Auch Südtiroler Frauen haben Spaß am Watten

02_WATTEN Die Zeit bleibt stehen und die Tradition lebt weiter: Wattenspielrunde in Sarner Tracht

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WATTEN

„Bei uns wird nicht geschwindelt“

Eine Mitgliedschaft im Rotary Club zu ergattern ist einfacher, als bei den„Alten Mendlwattern“ mitzumischen. Unmoralische Angebote, Bestechungs -versuche oder hartnäckiges Bitten und Betteln: keine Chance. Die 12 Karten-spieler aus Tramin sind den „Bund der Wattehe“ eingegangen. „Bis dass derTod uns scheidet“, sagt Gründungsmitglied Kurt Dibiasi. In der 29-jährigenGeschichte des informellen Clubs hat es bisher nur drei Mitglieder-Wechselgegeben. Die Suche nach dem jeweils neuen 12. Mann dauerte nicht lange.Die Kriterien für die Neuaufnahme? Keine objektiven. „Wenn’s passt, dannmerkt man’s glei“, meint Werner Oberhofer. Er ist der Spielführer der„Alten Mendlwatter“.

Sei es die Damenrunde beim Kaffeeklatsch, zwei Bergsteiger am Gipfel-kreuz oder Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder in seiner Freizeit:Das Watten, das ist in Südtirol Volkssport. Jeder der rund 490.000 Einwoh-ner zwischen Brenner und Salurn ist damit schon einmal in Berührunggekommen. Kein Wunder, das Kartenspiel wurde dort erfunden. Der Über-lieferung nach kommt der Name vom italienischem „battere“ (schlagen,stechen) bzw. vom französischem „va-tout“ (letzter Trumpf). Während dernapoleonischen Kriege Ende des 18. Jahrhunderts sollen Franzosen undBayern sich in Südtirol beim Watten die Zeit vertrieben haben.

Gewattet wird in Südtirol mit dem „Salzburger Blatt“ zu zweit, viert oder zusechst. Jeder Spieler bekommt fünf Karten. Pro Spiel sind drei Stiche not-wendig, um zu gewinnen. Dafür gibt es zwei bzw. drei Punkte. Bei 18 Punk-ten ist die Partie zu Ende. Bei einer Runde am Abend bleibt es bei den„Alten Mendlwattern“ aber meist nie. Sind „Schlag“ und „Trumpf“ erst ein-mal im Umlauf, geht es heiß her. Dann wirbeln die Karten durch die Luft,die Stimmen werden lauter und die Fäuste knallen auf den Tisch: „Stich undSieg“, jubelt Werner Oberhofer. „Jetzt kennen mir a glei Kurse für Anfängeranbieten, weil unsere lieben Gegner gar nichts mehr zombringen.“

In Tramin sind sie stolz darauf, als einzige in Südtirol gegen den Uhrzeiger-sinn zu spielen. „So wie der Bauer sät“, erklärt Oberhofer. Und überhauptsei ihr Spiel mit dem herkömmlichen Watten kaum zu vergleichen, meinter und schaut einem dabei treuherzig in die Augen: „Mir sein Ehrliche. Beiuns wird am wenigsten geschwindelt.“ In Tramin spielen sie das Blindwatten.Schlag und Trumpf werden nur zwischen zwei Spielern angezeigt. Wer sichschon fast zum Profi zählt, spielt das „Kritisch-Watten“: „Herz-König“,„Schellen-Sieben“ und „Eichel-Sieben“ sind die hochrangigsten Karten, diealles stechen.

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Mit einem Augenzwinkern rechts oder links deuten die Teams unterein -ander an, welche der drei Karten sie in der Hinterhand haben. „Bei denenweiß man ja schon bevor die Karte ausgespielt ist, was kommt“, meintWerner Oberhofer. „Unser Spiel ist viel sensibler und feinfühliger.“

Egal, ob man sich zu den „Alten Mendlwattern“ nach Tramin oder ins Nach-bartal zu den Sarnern nach dem Kirchgang in den Gasthof Höllriegl gesellt:Schnell wird klar, dass es weniger um Satz und Sieg geht als vielmehr umden Zeitvertreib. In Frankreich spielt man Boule im Park, in Süditalien ver-treiben sich die alten Herren mit Domino ihre Zeit und in Südtirol ist esdas Watten. Wer die Südtiroler kennen lernen will, der spielt am bestenmit ihnen eine Runde Karten. Aber Vorsicht: Suchtgefahr!

Unerfahrenen Kartenspielern erscheinen die Regeln des Wattens zuBeginn sehr kompliziert, da es keine einheitlichen Regeln, aber vieleverschiedene Spielvarianten gibt. Zum erfolgreichen Watten braucht esdaher Übung und Erfahrung. Und letztendlich geht es auch um die Wahldes richtigen Partners, um bei diesem Spiel als Sieger hervorzugehen.

Jedes Jahr im Frühjahr findet in Tramin ein Wattturnier statt, an demallerdings nur Frauen zugelassen sind. 2008 zum 9. Mal ausgerichtet,nahmen 148 Paare teil, die untereinander die „Südtiroler Wattkönigin2008“ ausspielten. Es gibt in Südtirol kein landesweites Männer-Watt-turnier, weil die Spielregeln in den einzelnen Regionen zu unterschied-lich sind, als dass man sich auf einen Modus einigen könnte.

Vom Südtiroler Künstler Egon Moroder Rusina stammen die beiden Prominenten-Watt-Kartenspiele, die 1997 und 2002 für große Aufregungsorgten. Noch heute spielen die 30.000 glücklichen Besitzer mit denKarten, auf denen Südtiroler Persönlichkeiten wie LandeshauptmannLuis Durnwalder oder die Journalistin Lilli Gruber abgebildet sind.

„Die Alten Mendlwatter“ | Kontaktperson: Werner OberhoferMühlgasse 19 | I-39040 TraminTel.: +39 0471 860 803 | [email protected]

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WERNER OBERHOFER (VORSTAND DER „ALTEN MENDLWATTER“) ÜBER ...

... PREISE:„Nein, um Haus und Hof geht es bei uns nicht mehr. Früher war das in Südtirolaber tatsächlich der Fall. Heute gibt es Rohrzangen, T-Shirts oder Baseballkappenbei unseren Turnieren zu gewinnen. Alles, was der Mann eigentlich nicht mehrbraucht, weil er es eh schon hat. Teilweise haben wir bereits fünf Rohrzangen imHaus …“

... HAHNENKÄMPFE:„Mit den Jahren sind wir ruhiger geworden. Früher war der 13. Mann bei uns derwichtigste. Der Schiedsrichter musste schon so einige Hahnenkämpfe schlichten.Vor 30 Jahren, als wir angefangen haben, war die interne Rangliste Ehrensache.“

... NACHAHMER:„Neben unserem Wattclub gibt es seit 1982 ,Die Jungen Mendlwatter‘. Sie sindzwar nicht wirklich jünger als wir, aber den Namen haben sie wohl als Seiten-hieb auf uns ausgewählt. Sie wollten in unseren Club, doch wir ließen keineneuen Mitglieder mehr zu.“

03_WATTEN Der Spielführer der „Alten Mendelwatter“: Werner Oberhofer

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01_SPECK Der Fettanteil im Speck ist Geschmacksträger und Energiespender

BARBARA BRUNNER ÜBER ...

... SPECK-VERKAUF:„Das müssen schon sehr gute Bekannte sein, denen wir ein Stück Speck verkaufen.Unser Speck ist uns heilig. Gäste bekommen natürlich den besten Speck, serviert mit Schüttelbrot, Pellkartoffeln und vielleicht ein bisschen Meerrettich.Da sind die Kinder und Enkelkinder immer wieder neidisch, denn sie bekommenmeist die Ränder und den weniger guten Speck.“

... VARIATIONEN:„Speck und Brot – so kommt er bei uns auf den Tisch. Doch der Speck wirdschon seit Jahren auch in der gehobenen Küche verwendet: Bandnudeln mitSpeck, Carpaccio vom Speck mit Steinpilzen oder Seeteufel im Speckmantel.Der Speck ist vielseitig verwendbar.“

... LOBLIED:„Der Speck ist einfach praktisch. Er ist nahrhaft, gut zu verpacken und zutransportieren und ist lange haltbar. Hans Kammerlander, einer unserer bekanntesten Bergsteiger beispielsweise, geht auf keinen Berg, ohne sich ein Stück Speck mitzunehmen. Da hat er alles, was er braucht.“

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SÜDTIROLER SPECK

Eine Sache des Gefühls

Hier dürfen Schweine noch echte Ferkel sein: Heublumen zum Frühstück,viel Platz und Freilauf sowie genüssliches Suhlen im Schlamm. ArtgerechteHaltung ist bei den Brunners selbstverständlich. Barbara und Georg Brunnerleben mit vier von fünf erwachsenen Kindern sowie Enkelkindern auf demJohannserhof bei Villanders im Norden von Südtirol. Die Bergbauern sindSelbstversorger. Von Getreide und Gemüse über Milch bis hin zum Speckproduzieren sie alles selbst; für den Eigenbedarf und für ein paar Gäste, diewährend einer Tour auf dem Fernwanderweg „Keschtnweg“ bei ihnen ein-kehren.

Neben Landwirten wie den Brunners gibt es in Südtirol 28 lizenzierte Speck-produzenten, die im Jahr rund 2,3 Millionen Hammen (eine Hamme ent-spricht 4,5 Kilogramm) Südtiroler Markenspeck produzieren. Der Marken-speck ist ein leicht geräucherter Rohschinken, der sich vom Geschmack herzwischen Parma- und Schwarzwälder Schinken bewegt, mit einer leichtenRauchnote und nussigem sowie nach rohen Steinpilzen duftendem Aroma.Besonders ist, dass der Südtiroler Speck sowohl geräuchert als auch gepökeltwird. Das Räuchern kommt aus dem Norden, wo Fleisch bereits im Mittel-alter über dem Feuer haltbar gemacht wurde. Im Süden dagegen wurde dasFleisch mit Salz eingerieben und luftgetrocknet, um es haltbar zu machen.

Die Herstellung erfordert Geduld: Mindestens 22 Wochen muss der Speckreifen, wenn er sich „Südtiroler Speck“ nennen will. 1996 wurde dem Süd -tiroler Speck das „g.g.A.-Siegel“ (geschützte geografische Angabe) der Euro-päischen Union verliehen. Ein Qualitätssiegel, das vor Missbrauch schützt.Tragen darf es nur der Speck, der die strengen Richtlinien befolgt: traditio-nelle Würzmischung, die Reifezeit und die Lagerung bei maximal 20 Gradsowie ein Salzgehalt im Endprodukt unter fünf Prozent. Die lizenziertenSpeckhersteller der Region werden durchschnittlich zweimal pro Wochevon Kontrolleuren aufgesucht. Geruch, Geschmack, Salzgehalt, Reifezeitund das Verhältnis von Mager- und Fettanteil des Specks werden geprüft.

Ob ihr Speck gut geworden ist oder nicht, das beurteilen die Brunnersselbst. Rauch, kühle Luft, die Qualität des Fleisches: Worauf kommt es beider Speck herstellung ganz besonders an? „Sicher muss man vor allem aufdie Qualität der Zutaten achten, aber die Würzmischung, die macht denentscheidenden Unterschied aus“, sagt Barbara Brunner. Die 64-Jährigewürzt das Fleisch nur mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und Piment. Und wie vieldavon? „Ja, das hat man im Gefühl. Das merkt man dann schon“, meint dieBäuerin mit einem Lachen. Außerdem verrät kein Speckhersteller gernesein Rezept, das oft schon seit mehreren Generationen überliefert ist. Circa

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drei Wochen lässt Brunner das Fleisch in der Beize liegen, bis es an schließendin der urigen, vom Rauch der vielen Jahre ganz rußigen Küche bei 15 bis 20Grad von Ende Januar bis Mitte April geräuchert wird. Der fertige Specklagert später im kühlen Keller, bis die Familie ihn verspeist hat. Ihren Speckessen die Brunners jeden Tag: „Das ist uns immer noch das liebste Essen.“

Jedes Jahr im Herbst feiert Südtirol das Speckfest. Im Villnösser Tal, demGeburtstal Reinhold Messners, wird die Südtiroler Spezialität auf einerüberdimensionalen Tafel mit einer Länge von einem halben Kilometerserviert. Höhepunkt des Festes ist die Kür der neuen Speckkönigin.Außerdem gibt es Musik, einen Bauernmarkt und in Schauöfen frischgebackenes Brot. Am 3. und 4. Oktober 2009 findet das 7. Speckfest inVillnöss statt. www.speck.it

Die EU-Ursprungsbezeichnung „geschützte geografische Angabe (g.g.A.)“bietet Sicherheit bezüglich Herkunft und Qualität von Lebensmitteln:Händler können die Produkte vom Bauern bis hin zum Verkaufsregalzurückverfolgen, während der Kunde Sicherheit durch die Produktinfor-mation und das Siegel erhält. Gleichzeitig werden Verbraucher und Hersteller vor Missbrauch von Marken geschützt.

Bei der Trockenpökelung lagern die Hammen nach meist händischerEinsalzung und Behandlung mit einer geheimen Gewürzmischung dreiWochen lang in kühlen Räumen unter regelmäßigem Wenden. Die Ge -würzmischung ergibt zusammen mit dem unterschiedlichen Mikroklimader jeweiligen Produktionsstätte und den dort vorhandenen Schimmelsowie Hefen ein jeweils herstellerspezifisches Aroma: das einzige Merk-mal, das sich von Hersteller zu Hersteller bei jedem Südtiroler Speckg.g.A. unterscheidet. Die Konservierungstechniken der Spritzpökelungmit Lake und des Polterns (das mechanische Walken) könnten kosten-günstiger sein und die Produktion beschleunigen, entsprechen abernicht der Tradition und sind daher in Südtirol nicht erlaubt.

Johannserhof | Kontaktpersonen: Barbara und Georg BrunnerAm Erzweg 25 | I-39043 Klausen | Tel.: +39 0472 847 995

Consortium Südtiroler SpeckRittner Str. 33/A | I-39100 BozenTel.: +39 0471 300 381 | Fax: +39 0471 302 [email protected] | www.speck.it

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INFORMATIONEN

KONTAKT

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02_SPECK Das schmeckt auch der Enkelin: Opa Brunner schneidet den Speck an

03_SPECK Bei den Brunners kommt die Südtiroler Spezialität jeden Abend auf den Tisch

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GÄRTEN

Die Gärten von Schloss Trauttmansdorff | Kontaktperson: Birgit OberkoflerSt.-Valentin-Str. 51a | I-39012 Meran | Tel.: +39 0473 235 [email protected] | www.trauttmansdorff.it

Meranflora (nächste Ausgabe: April 2010)Kurverwaltung Meran | Kontaktperson: Tamara ScarsellettaFreiheitsstr. 45 | I-39012 Meran | Tel.: +39 0473 272 [email protected] | www.gemeinde.meran.bz.it/meranflora

Gartenwelten. Südtiroler Porträts | Sulzenbacher, Gudrun Folio Verlag 2007 | ISBN 978-3852563640

Meran. Mediterrane Parks, blühende Gärten, romantische PromenadenZeller, Robert | Athesia Verlag (erscheint April 2009) | ISBN 978-8882665296

TANZEN

Arbeitsgemeinschaft Volkstanz in SüdtirolDominikanerplatz 7 | I-39100 Bozen | Tel.: +39 0471 970 [email protected] | www.arge-volkstanz.org

Tanzsommer Bozen (20. Juli bis 1. August 2009)Verdi-Platz 40 | I-39100 Bozen | Tel.: +39 0471 053 [email protected] | www.bolzanodanza.it

WATTEN

Südtirol Reisen Blog | Informationen und Video zum Watten unter:http://www.blog.suedtirol-reisen.com/2007/03/watten-kartenspiel.html

Zwei Kulturen ins Spiel bringen | El Abchi, AbdelouahedEdition Raetia 2008 | ISBN 978-8872833063

Perlaggen in Südtirol – mit Watten & Bieten | Lanznaster, H.; Tutzer, L. u. a. Athesia 1996 | ISBN 978-8870149005

SPECK

Das kleine Südtiroler Speckbuch | Gruber, MariaKOMPASS 2006 | ISBN 978-3854914365

Speck aus Südtirol. Ein Beitrag zur Nahrungsgeschichte TirolsDe Rachewiltz, Siegfried W. | Autonome Provinz Bozen – Südtirol 1995

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RECHERCHE

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RECHERCHE | 27

Land | Italien

Status | Autonome Provinz Bozen – Südtirol (seit 1972)

Fläche | 7.400 km2

Einwohner | 480.000

Landeshauptstadt | Bozen (100.560 Einwohner)

Amtliche Sprachen | Deutsch (70 %), Italienisch (25 %), Ladinisch (5 %)

Angrenzende Staaten | Österreich, Schweiz

Übernachtungen/Jahr | 27 Mio., davon 16,5 Mio. im Sommer

Herkunft Touristen | 40,6 % Deutschland, 39,4 % Italien

BIP (2007) | 14 Mrd. Euro, Veränderung: + 1,6 %

Wertschöpfung gesamt | 12,5 Mrd. Euro

nach Sektoren | Landwirtschaft: 0,64 Mrd. Euro (5,1 %), produzierendes Ge -werbe: 2,8 Mrd. Euro (21,9 %), Dienstleistungsbereiche: 9,1 Mrd. Euro (72,9 %)

Import (2007) | 3,7 Mrd. Euro

Export (2007) | 3,2 Mrd. Euro

Höchster Berg | Ortler, Vinschgau (3.905 m)

Größter See | Kalterer See (1,47 km2, wärmster Badesee der Alpen)

Längster Fluss | Etsch (153 km)

Kleinste Stadt | Glurns, Vinschgau (880 Einwohner)

Höchster Kirchturm | Schlanders, Vinschgau (91 m)

Längste Skipiste | Trametsch auf der Plose, Eisacktal (9 km)

Größte Hochalm | Seiser Alm, Dolomiten (52 km2)

Größter Skiverbund | Dolomiti Superski (1.220 km Skipiste)

Nationalparks | Nationalpark Stilfserjoch

Naturparks | Schlern-Rosengarten, Texelgruppe, Puez-Geisler, Fanes-Sennes-Prags, Trudner Horn, Sextner Dolomiten, Riesenferner-Ahrn

Tourismus-Website | www.suedtirol.info

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DATEN UND FAKTEN ZU SÜDTIROL

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PRESSE & CD | 29

Für Deutschland und Österreichhäberlein & mauerer | agentur für public relations | Martina WiesenbauerRosenthaler Str. 51 | D-10178 BerlinTel.: +49 30 726 208 204 | Fax: +49 30 726 208 [email protected] | www.haebmau.de

Für die SchweizBernet_PR | Sonja StieglbauerOlgastr. 8 | CH-8001 ZürichTel.: +41 44 266 90 80 | Fax: +41 44 266 90 [email protected] | www.bernet.ch

Südtirol Marketing Gesellschaft K.A.G. | Judith OberhuberPfarrplatz 11 | I-39100 BozenTel.: +39 0471 999 888 | Fax: +39 0471 999 [email protected] | www.suedtirol.info/presse

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RECHERCHE

HerausgeberSüdtirol Marketing Gesellschaft K.A.G.Pfarrplatz 11 | I-39100 Bozen

Konzept und Texthäberlein & mauerer AG I Berlin

Design | borgwardt design | Berlin

Fotografie | Max Lautenschläger | Berlin

Druck | Ferrari Auer | Bozen

IMPRESSUM

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