Zukunftshandeln - uni-due.de · 9 Angehörigen betrachtet werden kann. Kulturvergleichend und...
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Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeine Angaben ................................................................................................. 6
1.1 Titel .......................................................................................................................... 6
1.2 Antragstellende Universität ....................................................................................... 6
1.3 Beteiligte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ............................................... 6
1.4 Zusammenfassung in deutscher und englischer Sprache ......................................... 7
1.5 Antragszeitraum ....................................................................................................... 8
1.6 Angestrebte Zahl der Stellen .................................................................................... 8
2. Profil des Graduiertenkollegs .................................................................................... 8
3. Forschungsprogramm ............................................................................................. 10
4. Qualifizierungs- und Betreuungskonzeptkonzept .................................................... 24
4.1 Studienprogramm ................................................................................................. 24
4.1.1 Aufbau .................................................................................................................. 25
4.1.2 Pflichtprogramm ................................................................................................... 26
4.1.3 Optionales Programm ........................................................................................... 27
4.1.4 Vernetzung, Integration und Kohortenübergang .................................................. 28
4.2 Mercator-Fellow und Gäste .................................................................................. 28
4.3 Weitere Qualifizierungsmaßnahmen ....................................................................... 30
5. Betreuung und Karriereförderung, Chancengleichheit, Organisation und Qualitätsmanagement ............................................................................................. 32
5.1 Ausschreibungs- und Auswahlverfahren ................................................................. 32
5.2 Betreuungskonzept und Karriereförderung ............................................................. 33
5.3 Chancengleichheit in der Wissenschaft .................................................................. 33
5.3.1 Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Karriere und Familie ..................................... 35
5.3.2 Karrierefördermaßnahmen für den wissenschaftlichen Nachwuchs .................... 36
5.4. Organisation ............................................................................................................. 36
5.5. Weitere Aspekte des Qualitätsmanagements ............................................................ 36
6. Umfeld des Graduiertenkollegs ............................................................................... 37
6.1.1 Vernetzung Historisches Institut und Kooperationspartner des Graduiertenkollegs innerhalb der Universität und der Universitätsallianz Ruhr ...................................... 37
6.1.2 Weitere Kooperationspartner .................................................................................. 40
6.2 Forschungsförderung .............................................................................................. 40
7. Abgrenzung zu Sonderforschungsbereichen .......................................................... 41
Anhänge ...................................................................................................................... 41
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1. Allgemeine Angaben
1.1 Titel
Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln – Precaution, prevision, prediction: managing contingency
1.2 Antragstellende Universität
Universität Duisburg-Essen
1.3 Beteiligte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
Sprecher: Prof. Dr. Stefan Brakensiek
Stellvertretender Sprecher: Prof. Dr. Benjamin Scheller
Universität Duisburg-Essen, Historisches Institut, Universitätsstr. 12, 45141 Essen
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1.4 Zusammenfassung in deutscher und englischer Sprache
Wie begegnen Akteure und soziale Systeme den Herausforderungen einer ungewissen
Zukunft und bewältigen diese Kontingenz durch ihr Handeln? Mit der geschichtlichen
Dimension dieser höchst aktuellen Fragen beschäftigt sich das Graduiertenkolleg 1919
„Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“ an der
Universität Duisburg-Essen seit November 2013. Das Novum des Zugangs liegt darin, die
Ebene der Analyse von den Zukunftsvorstellungen auf die Ebene der aktiven Haltungen zu
verlagern, die die Akteure zur Zukunft einnehmen, sowie auf die Handlungsoptionen, die diese
aktiven Haltungen ermöglichen. Kulturvergleichend und epochenübergreifend soll so die
Pluralität gesellschaftlicher Möglichkeitshorizonte herausgearbeitet werden. Das
Forschungsvorhaben nimmt dazu Felder menschlicher Praxis in den Blick, auf denen
Kontingenz eine besondere Herausforderung bildete und bildet und unterscheidet unter-
schiedliche Formen kontingenten Geschehens. Auf diese Weise modifiziert und präzisiert es
theoretische Überlegungen, die von einem prinzipiell neuen Verhältnis zur Kontingenz als
einem der Charakteristika der Moderne ausgehen und leistet so einen signifikanten Beitrag
zum gegenwärtigen Forschungsdiskurs zur Geschichte der Zukunftsperzeption.
Das Graduiertenkolleg bietet den geförderten Doktoranden durch seine theoretisch innovative
Ausrichtung sowie die epochen- und kulturübergreifende Konzeption eine gleichermaßen
methodisch wie theoretisch anspruchsvolle Ausbildung. Das spezifisch zugeschnittene
Studienprogramm und die strukturierte Betreuung stellen eine gelungene Hinführung auf
relevante Themen und Forschungsdesiderate ebenso sicher wie die wissenschaftliche
Weiterqualifizierung und Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt.
Abstract
How do social agents and structures meet the challenges of an uncertain future and how do
they handle contingency through their actions? Since 2013, the historical dimension of these
highly topical questions has been the subject of the GRADUIERTENKOLLEG 1919
„Precaution, prevision, prediction: managing contingency” at the University of Duisburg-Essen.
The novelty of its approach is a shift in its level of analysis away from beliefs about the future
towards a focus on social agents` effective actions, as well as the structural opportunities (and
constraints?) for such actions to be realised. By comparing different cultures and different
epochs, the aim is thus to explore the plurality of social horizons of possibility. In order to
achieve this, our research project focuses on areas of human practice in which contingency
posed and still poses a special challenge, differentiating diverse forms of contingent events.
In this way our research project modifies and refines theoretical considerations that assume a
new kind of relationship to contingency as a characteristic feature of modernity, hence making
a significant contribution to the contemporary research discourse in the field of the history of
the perception of the future. Through its innovative theoretical approach and cross-cultural
research design, the research group is able to offer its doctoral students a methodologically
and theoretically advanced level of qualification. The specially tailored programme and
structured supervision ensure that students are successfully guided towards a choice of
relevant research themes and aims and also that they successfully complete their degree and
are well prepared for their future careers.
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1.5 Antragszeitraum
Zweite Förderperiode: 01.05.2018 bis 31.10.2022
1.6 Angestrebte Zahl der Stellen
11 Promovierende, 65 %, für jeweils 3 Jahre
1 Postdoktorand/in, 100%, für 2 ggf. 3 Jahre
4 Forschungsstudentinnen/Forschungsstudenten, 9 Wochenstunden
Anzahl anderweitig finanzierter Beteiligter:
5 Promovierende: Nils Bennemann, Timocin Celebi, Dominik Greifenberg, Anna Michaelis,
Benedikt Neuwöhner.
6 Postdoktorandinnen und Postdoktoranden: Dr. Miriam Czock, Dr. Melanie Panse, Dr. Roman
Léandre Schmidt, Dr. Teresa Schröder-Stapper, Dr. Christine Zabel, Dr. Stephanie Zehnle
2. Profil des Graduiertenkollegs
Das Graduiertenkolleg „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage“ hinterfragt eine historische
Meistererzählung, die im Anschluss an die geschichtstheoretischen Arbeiten von Reinhart
Koselleck entwickelt wurde und weit über die Geschichtswissenschaft hinaus Verbreitung
gefunden hat.1 Es geht um die Annahme, die westliche Moderne habe ein prinzipiell neuartiges
Verhältnis zur Kontingenz entwickelt, das sich von den Haltungen in „traditionalen
Gesellschaften“ – den älteren bzw. außereuropäischen Zivilisationen – fundamental unter-
scheide. Das Essener Graduiertenkolleg ist keineswegs angetreten, die Differenz zwischen
der westlichen Moderne und anderen Gesellschaften unangemessen anthropologisierend in
Abrede zu stellen. Die Frage ist stattdessen, worin Unterschiede zwischen und innerhalb von
verschiedenen Gesellschaften bestehen, und ob der Umgang mit Kontingenz die entschei-
dende Grenzmarkierung bildet, als der er aktuell im Modernediskurs erscheint.2
Das Neuartige des Zugangs liegt dabei darin, die Untersuchung von den Zukunftsvorstellun-
gen auf die Ebene der aktiven Haltungen zu verlagern, die die Akteure zur Zukunft einnehmen,
und auf die Handlungsoptionen, die diese aktiven Haltungen ermöglichen. Dabei konzentrieren
sich die Arbeiten im Rahmen des Graduiertenkollegs auf die Untersuchung von Situationen
oder Konstellationen, in denen Kontingenz die Akteure in einer Weise herausfordert, die als
eine Bedrohung für die künftige Erhaltung oder Entfaltung des Sozial-systems und seiner
1 Vgl. Reinhart Koselleck: Über die Verfügbarkeit der Geschichte, in: ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt/M. 1979., S. 260–277; ders.: „Neuzeit“ – Zur Semantik moderner Bewegungs-begriffe, in: ebd., S. 300–348. Zur Struktur und Funktion historischer Meistererzählungen vgl. Frank Rexroth: Meistererzählungen und die Praxis der Geschichtsschreibung. Eine Skizze zur Einführung, in: Ders. (Hrsg.): Meistererzählungen vom Mittelalter. Epochenimaginationen und Verlaufsmuster in der Praxis mediävistischer Disziplinen (Historische Zeitschrift, Beihefte, Bd. 46), München 2007, S. 1–22. 2 Michael Makropoulos: Modernität als Kontingenzkultur, in: Gerhart von Graevenitz/Odo Marquard (Hrsg.): Kontingenz, München 1998, S. 55–79, hier: S. 62; ders.: Modernität und Kontingenz, München 1997, S. 16–18; ders.: Kontingenz. Aspekte einer theoretischen Semantik der Moderne, in: European Journal of Sociology 45 (2004), S. 369–399. Vgl. Wolfgang Knöbl: Die Kontingenz der Moderne: Wege in Europa, Asien und Amerika, Frankfurt a.M. (u.a.) 2007 (Theorie und Gesellschaft, Bd. 61). Im Kontrast dazu Andreas Reckwitz: Zukunfts-praktiken. Die Zeitlichkeit des Sozialen und die Krise der modernen Rationalisierungen der Zukunft, in: Frank Becker/Benjamin Scheller/Ute Schneider (Hrsg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen. Kontingenz in der Geschichte (Kontingenzgeschichten, Bd. 1), Frankfurt a.M. 2016, S. 31–54; Joachim Renn: Kontingenzverteilung: Modernisierung als riskante Um-Differenzierung, in: Stefan Brakensiek/Christoph Marx/Benjamin Scheller (Hrsg.): Wagnisse: Risiken eingehen, Risiken analysieren, von Risiken erzählen (Kontingenzgeschichten, Bd. 3), Frankfurt a.M. 2017, S. 191–228.
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Angehörigen betrachtet werden kann. Kulturvergleichend und epochen-übergreifend wird so
die Pluralität gesellschaftlicher Möglichkeitshorizonte herausgearbeitet.
Ein solches Forschungsvorhaben kann nur durch den historischen Vergleich geleistet
werden. Das Historische Institut in Essen bietet dafür optimale Voraussetzungen, weil neben
der Fachkompetenz für die jeweiligen Epochen von der Antike bis ins 20. Jahrhundert die
Kompetenz der Außereuropäischen Geschichte, der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte wie
der Didaktik der Geschichte in das gemeinsame Forschungsvorhaben eingebracht wird. Durch
Neubesetzung der Professur für Landesgeschichte im Jahr 2015 mit Prof. Dr. Ralf-Peter Fuchs
konnte das Graduiertenkolleg zusätzliche Fachkompetenz im Bereich der Regionalgeschichte
gewinnen, die sich in der erfolgreichen Beantragung einer weiteren Doktorandenstelle
niederschlug. Die Kompetenzen in der außereuropäischen Geschichte wurden im Jahr 2016
weiter gestärkt durch die neu eingeworbene Juniorprofessur für Türkische Geschichte, die mit
Dr. Berna Pekesen besetzt wurde.3
Die Forschungsperspektive, die vor allem auf die diversen Praktiken im Umgang mit dem
Ungewissen zielt, hat sich als in höchstem Maße fruchtbar erwiesen. Sie ist während der
ersten Bewilligungsphase des Graduiertenkollegs in dessen Kolloquium, im Rahmen von drei
Workshops und einer Tagung sowie zweier Ringvorlesungen mit Gästen aus dem In- und Aus-
land diskutiert und weiterentwickelt worden. Die entsprechenden Beiträge sind in der Reihe
„Kontingenzgeschichten“ (Campus) größtenteils im Druck erschienen.4 Darüber hinaus sind
von Kollegiatinnen und Kollegiaten sowie Antragstellerinnen und Antragstellern wichtige
Forschungsergebnisse in Form von Aufsätzen vorgelegt worden.5
Die internationale Anlage des Graduiertenkollegs ergibt sich aus der epochenübergreifenden
und transkulturellen Fragestellung, die in Dissertationsthemen von der Antike bis zu Formen
des Zukunftshandelns in außereuropäischen Kulturen zum Tragen kommt. Alle beteiligten
Forscher verfügen über Forschungskompetenzen, die über den jeweiligen Rahmen der
Stellendenomination hinausgehen, haben Erfahrungen in Kooperationsprojekten verschie-
dener Art gesammelt und bringen nationale und internationale Kontakte in das Forschungs-
vorhaben ein. Dies kommt einerseits dem Gesamtzusammenhang und andererseits den
Doktorandinnen und Doktoranden sowie den Postdoktorandinnen und Postdoktoranden
zugute.
Durch Kooperationen und Kontakte ist das Graduiertenkolleg in weitere Forschungs-
zusammenhänge innerhalb der Universität Duisburg-Essen, der Universitätsallianz Ruhr und
darüber hinaus eingebunden. An der Universität Duisburg-Essen seien das KHK „Centre for
Global Cooperation Research“ im Profilschwerpunkt „Wandel von Gegenwartsgesellschaften“,
das Graduiertenkolleg 1613 „Risk and East Asia“ mit der vom BMBF geförderten IN-EAST
SCHOOL of Advanced Studies, die interdisziplinäre Forschergruppe „Big Risks“ und das
Salomon Ludwig Steinheim Institut für deutsch-jüdische Geschichte erwähnt. Der Tübinger
Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“, der Sonderforschungsbereich 138
„Dynamiken der Sicherheit“ in Marburg/Gießen sowie das Göttinger Graduiertenkolleg 1507
„Expertenkulturen des 12. bis 18. Jahrhunderts“ bilden wichtige Kooperationspartner
3 Prof. Dr. Berna Pekesen wurde am 21. Januar 2017 als Mitglied des Leitungsgremiums des Graduiertenkollegs 1919 kooptiert. 4 Frank Becker/Benjamin Scheller/Ute Schneider (Hrsg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen. Kontingenz in der Geschichte (Kontingenzgeschichten, Bd. 1), Frankfurt a.M. 2016; Markus Bernhardt/Stefan Brakensiek/Benjamin Scheller (Hrsg.): Ermöglichen und Verhindern. Vom Umgang mit Kontingenz (Kontingenzgeschichten, Bd. 2), Frankfurt a.M. 2016; Stefan Brakensiek/Christoph Marx/ Benjamin Scheller (Hrsg.): Wagnisse. Risiken eingehen, Risiken berechnen, von Risiken erzählen (Kontingenzgeschichten, Bd. 3), Frankfurt a.M. 2017. 5 Die einschlägigen Veröffentlichungen der Antragsteller/innen finden sich in Anhang II (Forschungsprofile). Die Publikationen der Kollegiatinnen und Kollegiaten sind im Bericht (Anhang 4.1) dokumentiert.
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außerhalb der Region. Einen besonders bedeutenden Partner stellt das Kultur-
wissenschaftliche Institut (KWI) dar. Hier setzt sich unter der Leitung von Friedrich Jaeger eine
Arbeitsgruppe mit den theoretischen Konzepten der Moderne auseinander. Auch die
Forschungsschwerpunkte des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Europa, Partizipationskultur,
Klimakultur, Interkultur und Kommunikationskultur) bieten inhaltliche und personelle
Anknüpfungspunkte zum Graduiertenkolleg (vgl. hierzu 6.1).
Den Kollegiatinnen und Kollegiaten bietet das Graduiertenkolleg durch seine Verankerung im
Historischen Institut ein Betreuungskonzept, das inhaltliche und qualifizierende Veranstal-
tungen und eine dichte Kommunikation zwischen Betreuern und Doktorandinnen und
Doktoranden vorsieht. Die innovative Verbindung von interdisziplinärer Fragestellung mit einer
umfassenden diachronen und transkulturellen Perspektive vor dem Hintergrund
geschichtstheoretischer Überlegungen eröffnet den Kollegiatinnen und Kollegiaten fachliche
Dimensionen und Forschungskontexte, die ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal des
Graduiertenkollegs darstellen. Ergänzend zum Qualifizierungsprogramm hat die Universität
Duisburg-Essen in den vergangenen Jahren ein breites Angebot entwickelt, das in struktureller
Hinsicht Promotionsvorhaben unterstützt und es den Doktorandinnen und Doktoranden
erleichtert, eigene Netzwerke aufzubauen.
In der Verbindung von innovativer Fragestellung, methodischem Zugriff und interdisziplinären
Forschungskontexten für die Doktorandinnen und Doktoranden hat das Graduiertenkolleg in
der ersten Bewilligungsphase ein erhebliches Potential entfaltet. Seine grundlegenden Über-
legungen und Forschungsergebnisse zur Geschichte der Kontingenz und ihrer aktiven
Bewältigung leisten außerdem einen zentralen Beitrag zum aktuellen Diskurs zur Geschichte
der Zukunft und entfalten dabei eine Breitenwirkung über die Geschichtswissenschaft hinaus.
3. Forschungsprogramm
Seit dem Herbst 2013 widmet sich das Essener Graduiertenkolleg „Vorsorge, Voraussicht,
Vorhersage: Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“ der zentralen Frage, wie
Menschen aller Epochen und in verschiedenen Teilen der Welt aktiv mit der Herausforderung
umgegangen sind, die die Ungewissheit der Zukunft für sie darstellte. Dabei werden unter
Zukunftshandeln Formen des Handelns verstanden, die darauf abzielen, sich auf den
möglichen Eintritt von Ereignissen und Entwicklungen einzustellen, die in besonderem Maße
als Herausforderung für die künftige Erhaltung und/oder Entfaltung des Sozialsystems und
seiner Angehörigen betrachtet werden.
Die Promotionsvorhaben behandeln – entsprechend den Forschungsschwerpunkten am
Historischen Institut in Essen – die Kulturen der griechisch-römischen Antike, des mittelalter-
lichen und frühneuzeitlichen Europa sowie die globalisierte Welt seit dem 18. Jahrhundert. Das
Graduiertenkolleg bietet den Kollegiatinnen und Kollegiaten durch seine theoretisch innovative
Ausrichtung sowie die epochen- und kulturübergreifende Konzeption einen gleichermaßen
methodisch wie theoretisch anspruchsvollen Kontext für ihre Forschung. Das Studien-
programm und die strukturierte Betreuung stellen eine gelungene Hinführung auf relevante
Themen und Forschungsdesiderate ebenso sicher wie die wissenschaftliche Weiter-
qualifizierung und Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt.
Die Arbeiten, die in der ersten Bewilligungsphase seit dem Herbst 2013 im Rahmen des
Graduiertenkollegs entstanden sind, bestätigen das hohe Anregungspotential der forschungs-
leitenden Frage nach dem aktiven Umgang mit Kontingenz in verschiedenen Epochen und
Weltregionen (dazu ausführlich der Bericht). Die Forschungsperspektive, die vor allem auf die
diversen Praktiken im Umgang mit dem Ungewissen zielt, hat sich als tragfähig erwiesen.
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Entsprechend wird in der hiermit beantragten zweiten Bewilligungsphase an den grund-
legenden Handlungsdimensionen „Vorsorge“, „Voraussicht“ und „Vorhersage“ festgehalten.
An ihnen lassen sich zum einen übergreifende wie historisch und kulturell spezifische
Strategien und Arrangements der Kontingenzbewältigung untersuchen und vergleichend
aufeinander beziehen. Zum anderen ermöglichen sie es zu überprüfen, in welchem Verhältnis
Zukunftskonzepte, Kontingenzbewusstsein und kontingenzbewältigendes Zukunftshandeln in
verschiedenen Epochen und Kulturen jeweils standen. Grundsätzlich lässt sich der „Umgang
mit Kontingenz (…) vereinfachend in zwei Kategorien einteilen: (reaktive und prospektive)
Kontingenzbewältigung und (prospektive) Kontingenzgenerierung.“6
Unter Vorsorge werden Formen der Absicherung gegen mögliche künftige Schäden
verstanden, die nicht auf das eigene Handeln zurückgeführt werden und deren Wahr-
scheinlichkeit weder implizit noch explizit kalkuliert wird. Sie beugen Gefahren vor statt Risiken
zu managen. Der Begriff der Vorsorge des Graduiertenkollegs präzisiert daher den Begriff der
Prävention, mit dem Gefahrenabwehr und Risikomanagement als Formen des Zukunfts-
handelns nicht immer klar unterschieden werden.7 Die spezifische Charakteristik der
Kontingenzbewältigung durch Vorsorge wird deutlich, wenn man sie mit dem zweiten Typus
des Zukunftshandelns vergleicht, der durch das Graduiertenkolleg erforscht wird: der
Voraussicht.
Der Begriff der Voraussicht meint Formen des Zukunftshandelns, bei denen Akteure künftige
Ereignisse und Entwicklungen eigenen Entscheidungen zurechnen und sich in irgendeiner
Weise kalkulierend in ein Verhältnis zu diesen kontingenten Ereignissen und Entwicklungen
setzen. Anders als Vorsorge, die ausschließlich gegen künftige Schäden wappnen soll, nimmt
Voraussicht beide Dimensionen von Kontingenz in den Blick, Unsicherheit und Freiheit,
Schaden und Chance. Wichtig ist in diesem Zusammenhang das Dispositiv des Risikos. Es
bewirkt eine kontrollierte Ausweitung von Handlungsoptionen. Denn es lässt Handlungs-
möglichkeiten zu, „die einen im Prinzip vermeidbaren Schaden verursachen können, sofern
nur die Kalkulation der Schadenswahrscheinlichkeit und der etwaigen Schadenshöhe dies als
vertretbar erscheinen lässt.“8 Kurz: Kehrseite des Risikos ist immer die Chance.9 Voraussicht
ist jedoch nicht nur im Zeichen des Risikos möglich, denn Wahrscheinlichkeitskalküle
anzustellen ist eine anthropologische Konstante, die freilich in unterschiedlichen Zeiten und in
unterschiedlichen Kulturen jeweils spezifische Ausprägungen entwickelt hat.
Während Vorsorge und Voraussicht kategorial verschiedene Typen des Zukunftshandelns
bezeichnen, stellt Vorhersage einen Untertypus der Voraussicht dar. Der Übergang von
Voraussicht zur Vorhersage ist oftmals fließend. Szenarien vermeintlicher künftiger Verläufe
beruhen vielfach auf Risikokalkül und Wahrscheinlichkeitserwägungen, und damit auf
Erfahrungswissen, auf dessen Basis Extrapolationen und Hochrechnungen vorgenommen
werden. Allerdings basieren Vorhersagen nicht immer auf Erfahrungswissen. In spezifischen
historischen Konstellationen können sie auch imaginationsbasiert sein, ohne damit ihre
Empiriebezogenheit völlig einzubüßen.
Die bisherigen Forschungen des Graduiertenkollegs hatten einen Schwerpunkt in der Analyse
historischer Vorsorgepraktiken. Dabei haben sich freilich Schadensabwehr und Chancen-
nutzung in vielen Kontexten als zusammenhängende Sachverhalte bzw. bipolare
6 Uwe Walter: Kontingenz und Geschichtswissenschaft – aktuelle und künftige Felder der Forschung, in: Becker/ Scheller/Schneider (Hrsg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen, S. 95–188, hier S. 101. 7 Zuletzt Nicolai Hannig: Resilienz – Vorgriffe auf Naturgefahren in Deutschland und der Schweiz seit 1800, in: Bernhardt/Brakensiek/Scheller (Hrsg.): Ermöglichen und Verhindern, S. 167–190. 8 Niklas Luhmann: Soziologie des Risikos, Berlin 1991, S. 21. 9 Ortwin Renn/Andrea Klinke: Risikoabschätzung und -bewertung. Ein neues Konzept zum Umgang mit Komplexität, Unsicherheit und Ambiguität, in: Jan Beaufort/Edmund Gumpert/Markus Vogt (Hrsg.): Fortschritt und Risiko. Zur Dialektik der Verantwortung in (post-)modernen Gesellschaften, Dettelbach 2003, S. 21–51, hier: S. 23.
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Problemlagen erwiesen. Damit wurden wichtige Erkenntnisse gewonnen, auf deren Basis
Fragestellung und Methode des Gesamtvorhabens weiterentwickelt und präzisiert werden
konnten. So hat sich erwiesen, dass unter den Dissertations- und anderen Forschungs-
vorhaben der ersten Bewilligungsphase vor allem jene weiterführend waren, die die vielfältigen
Problemlagen menschengemachter Kontingenz erforschen. In den Forschungen der
zweiten Förderphase soll der Schwerpunkt der Forschungen des Graduiertenkollegs daher auf
Praktiken der Voraussicht und der Vorhersage gesetzt werden.
In den kolleginternen Diskussionen und in Gesprächen mit zahlreichen Gästen, die auf unsere
Einladung hin nach Essen gekommen sind, hat sich eine kleine Zahl von Handlungsfeldern
herausgeschält, auf denen durch menschliches Handeln ausgelöste Kontingenz eine
besondere Bedeutung zukommt.
Als besonders virulente „Kontingenzgeneratoren“ haben sich kriegerische Konflikte, politische
Umbrüche, ökonomisches Handeln, auf Entdeckung und neue Erfahrung zielende Mobilität
und (wissenschaftliche) Erkenntnissuche erwiesen. Künftig sollen sich die Arbeiten der
Kollegiatinnen und Kollegiaten auf diese Felder „menschengemachter“ Kontingenz
konzentrieren. Sie sind gleichermaßen als aus dem Zusammenleben von Menschen
resultierende Herausforderungen anzusehen wie auch als aktive Erweiterung von Möglich-
keitsspielräumen. Dagegen soll künftig weitgehend darauf verzichtet werden, den rein
reaktiven Umgang mit exogenen Bedrohungen zu behandeln.
In bipolaren Problemlagen erleben sich Akteure als Gestaltende und als Erleidende. Solchen
Strukturen ist eine besondere Dynamik inhärent: Krieg führen und Frieden suchen, die
politische Ordnung verändern und erhalten, in neue Geschäftsfelder investieren und das
Bewährte vervollkommnen, Gehen und Bleiben, Erkenntnisse suchen und die Folgen neuen
Wissens einhegen. In allen diesen Fällen generiert menschliches Handeln erst jene Kontin-
genz, die dann Folgehandeln herausfordert, das in praxeologischer Perspektive erforscht
werden kann. Es geht um Praktiken des Streitens, des Politischen, des Wirtschaftens, des
Reisens, des Forschens und ihre sowohl kontingenzgenerierenden als auch kontingenz-
bewältigenden Aspekte. Dabei handelt es sich bei den hier zu Grunde gelegten „Kontingenz-
generatoren“ gleichzeitig um gegenständliche und analytische Kategorien, die Möglichkeiten
zur Reflexion der Vielfältigkeit von Zukunftshandeln in transepochaler und transregionaler
Perspektive eröffnen. Im Zentrum der Forschungen des Kollegs stehen somit Strategien und
Handlungsweisen, die Kontingenzen nicht lediglich reaktiv als Problem bewältigen, sondern
prospektiv Situationen herstellen, die Kontingenzen hervorbringen. In dieser Perspektive lässt
sich die Hervorbringung von Kontingenz nachgerade als vorausschauendes Handeln deuten,
indem es Handlungsspielräume erweitert und Möglichkeitshorizonte vervielfacht.
Darüber hinaus hat sich in den Diskussionen des Graduiertenkollegs eine weitere Unter-
scheidung verschiedener Typen von Zukunftsungewissheit als fruchtbar erwiesen. Geht man
davon aus, dass Kontingenzkulturen auf Praktiken und dem Know-how auf spezifischen
Praxisfeldern beruhen,10 dann interessiert vor allem das mögliche Wissen der Akteure über
kontingente Geschehnisse. Dies erscheint auf den ersten Blick paradox. Denn zu den ersten
Einsichten, zu denen die historische belegte Reflexion über Kontingenz gekommen ist, gehört
ja, dass sich über zukünftige kontingente Geschehnisse keine mit Sicherheit wahren Aussagen
treffen lassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Akteure diesbezüglich über kein Wissen
verfügen. Zwar können über künftige Ereignisse keine Aussagen getroffen werden, die
10 Andreas Reckwitz: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken, in: ders. (Hrsg.): Unscharfe Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie, Bielefeld 2008, S. 97–130; Egon Flaig: Wie relevant ist die Praxeologie für die Kulturwissenschaften?, in: Bernhardt/Brakensiek/Scheller (Hrsg.): Ermöglichen und Verhindern, S. 23–48.
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entweder wahr oder falsch sind. Über eine bestimmte Gruppe kontingenter Ereignisse lassen
sich jedoch immerhin Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen.11
Ulrich Bröcklings wissenstheoretische Kategorien der „known unknowns” und der „unknown
unknowns“ können in diesem Zusammenhang helfen, unterschiedliche Bedingungen für
Zukunftshandeln zu beschreiben. Unter „known unknowns“ sind dabei kontingente Ereignisse
zu verstehen, bezüglich derer durch die Beobachtung vergangener Zukünfte Erwartungen
bzw. Wahrscheinlichkeits- oder Unwahrscheinlichkeitsannahmen gebildet werden können.
Solchen „known unknowns“, bezüglich derer sich auf der Basis von Erfahrungswissen
Erwartungen bilden lassen, steht mit den „unknown unknowns“ ein Typus kontingenten
Geschehens gegenüber, bei dem dies nicht möglich ist und dessen Ort am Horizont des
Möglichen gänzlich unbestimmbar ist. Über sie herrscht völlige Ungewissheit. Zwar spielt auch
hier Erfahrung für die Haltung der Akteure zur Kontingenz eine Rolle, aber eben als Erfahrung,
„dass es immer völlig anders kommen kann als erwartet, die Zukunft also gänzlich ungewiss
ist.“12
Geht man mit Reinhart Koselleck davon aus, dass die Moderne durch die fundamentale
Differenz von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont charakterisiert ist,13 dann wären
Praktiken und Semantiken des Umgangs mit den „unknown unkowns“ ihr Charakteristikum.14
Neben die Gewissheit ihrer Kontingenz träte die Imagination von kontingentem Geschehen
und seinen Folgen. Inwieweit die zunehmende Inrechnungstellung von „unknown unknowns“
ein spezifisches Merkmal der Moderne ist, soll auf der Grundlage der Forschungen im Kolleg
diskutiert werden. Wenn dies zuträfe, stellte das Verhalten ihnen gegenüber eine treffendere
Markierung der Differenz zwischen Vormoderne und Moderne dar als der vielfach postulierte
vermeintliche Zuwachs an Kontingenzbewusstsein in der Moderne. Hier lässt sich an die
Konzeptualisierungen anschließen, die eine spezifische Reflexivität als Zeichen der Moderne
auffassen. In diesem Zusammenhang kann man „von einem solchen Zeitalter der Kontingenz
im Hinblick auf Bewusstseinsphänomene bei den historischen Akteuren sprechen, etwa bei
Intellektuellen. Dann rücken die soziologischen Argumente sehr nah etwa an solche der
historischen Semantik à la Reinhart Koselleck heran, weil man nach Zeitumbrüchen fragen
kann, in denen ein gesteigertes Bewusstsein von Kontingenz, zunehmende Erfahrungen von
Kontingenz also, bei Intellektuellen, Eliten und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen
auftraten.“15 Allerdings bedarf dieser theoretisch hergeleitete Befund der empirischen
Überprüfung und gegebenenfalls einer Differenzierung. Als Untersuchungsfelder eignen sich
dafür die erwähnten „Kontingenzgeneratoren“ Krieg, politischer Umbruch, Ökonomie, Mobilität
und Erkenntnissuche.
11 Das Folgende in enger, teilweise wörtlicher Anlehnung an Benjamin Scheller: Kontingenzkulturen – Kontingenz-geschichten: Zur Einleitung, in: Becker/Scheller/Schneider (Hrsg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen, S. 9–30, hier S. 14. 12 Ebd., S. 16; vgl. Ulrich Bröckling: Dispositive der Vorbeugung: Gefahrenabwehr; Resilienz, Precaution, in: Christopher Daase/Philipp Offermann/Valentin Rauer (Hrsg.): Sicherheitskultur. Soziale und politische Praktiken der Gefahrenabwehr, Frankfurt a.M. 2012, S. 93–108, hier S. 102. 13 Reinhart Koselleck: „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“ – zwei historische Kategorien, in: ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 1979, S. 349–375. 14 Scheller: Kontingenzkulturen – Kontingenzgeschichten, S. 17. 15 Wolfgang Knöbl: Das Problem der Kontingenz in den Sozialwissenschaften und die Versuche seiner Bannung, in: Becker/Scheller/Schneider (Hrsg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen, S. 134.
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Krieg
Besonders im Falle des Krieges wird deutlich, dass menschliches zukunftsbezogenes Handeln
nicht nur Kontingenz bannt, sondern immer auch neue Ungewissheiten erzeugt.16 Kontingenz
ist hierbei in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Erstens ist es ungewiss, ob und wann Kriege
entstehen, zweitens kann niemand mit Sicherheit voraussagen, was in der militärischen
Auseinandersetzung geschehen wird. Die Kampfhandlungen werden von vielen kontingenten
Faktoren beeinflusst – vom unerwarteten Eingreifen Dritter über den Ausbruch von Seuchen
bis zum Wetter bei Entscheidungsschlachten, um nur einige Beispiele zu nennen –, sodass
Verlauf und Ausgang im Dunkeln liegen, auch wenn bei Kriegsbeginn ein deutliches
Ungleichgewicht der Kräfte besteht. Diese Ungewissheit nimmt der vermeintlich Stärkere vor
allem als Risiko wahr, der vermeintlich Schwächere bringt Chancen hiermit in Verbindung.
Die Ungewissheit, ob die Zukunft kriegerische Auseinandersetzungen bringen wird, fordert zur
Vorsorge heraus. Der Politik ist damit eine zentrale Aufgabe gestellt. Da es keine absolut
sichere Praxis der Kriegsvermeidung gibt, erscheint die militärische Vorbereitung auf mögliche
Kriege als unabdingbar.17 Staaten oder andere Gemeinwesen stellen ihre Verteidigungs-
fähigkeit sicher. Da Rüstung Kosten erzeugt, stellt sich aber die Frage, ob die Wahrschein-
lichkeit, dass es zu einem Krieg kommt, groß genug ist, um diesen Aufwand zu rechtfertigen.
So musste eine mittelalterliche Kommune, die eine Stadtmauer unterhielt, immer wieder
abwägen, ob das Risiko eines Angriffs groß genug war, um es zu rechtfertigen, die für die
Erhaltung benötigten Ressourcen anderen Nutzungen vorzuenthalten. Zudem müssen
Offensivoperationen, wenn sie als politisch oder militärisch zweckdienlich erachtet werden,
durchführbar sein. Um die Ungewissheiten in künftigen Kriegen zu reduzieren, führen Streit-
kräfte Manöver durch. Manöver sind Szenarien, die nicht lediglich am grünen Tisch durch-
gespielt, sondern auf die Handlungsebene überführt werden. Gerade hierbei sollen auch
„unknown unknowns“ sichtbar werden – Probleme, die sich im Vollzug der militärischen
Aktionen ergeben, und an die zuvor niemand gedacht hatte. Manöver sollen insofern
Erkenntnisse liefern, die Vorausschau und Vorhersage erleichtern.
Da die Bereitschaft, Krieg zu führen, immer von der Abwägung von Chancen und Risiken
abhängt – niemand wird in Kampfhandlungen eintreten, wenn er sich keinerlei Siegchance
ausrechnet –, spielt die wechselseitige Perspektivübernahme bei den möglichen Gegnern eine
wichtige Rolle. Hält der Widerpart einen Angriff für so riskant, dass er von vornherein davon
Abstand nimmt? Dem Gegner diese Einschätzung nahezulegen, ist eine häufig genutzte
Defensivstrategie. In besonders zugespitzter Weise wurde sie im Kalten Krieg (1949-1989/91)
praktiziert: Die Drohung mit der „massive retaliation“, dem atomaren Vergeltungsschlag
größten Ausmaßes, schien jede Angriffsabsicht im Keim ersticken zu können. Im Zeitverlauf
stellte sich allerdings heraus, dass diese Drohung so gewaltig war, dass sie den Drohenden
selbst die Hände band – auf kleinere Aggressionen konnte man kaum mit der Auslösung eines
globalen Atomkriegs reagieren. Nun wurden von beiden Seiten Grenzen ausgetestet, „rote
Linien“ definiert und wieder verschoben. Am Ende stand ein Strategiewechsel: Die „flexible
response“ drohte eine nukleare ‚Antwort‘ an, die in ihrer Größenordnung an die Schwere der
16 Für Ulrich Bröckling bildet das Schlachtfeld zu jeder Zeit einen „Kontingenzraum par excellence“: Ders.: Schlachtfeldforschung. Die Soziologie im Krieg, in: Steffen Martus/Marina Münkler/Werner Roecke (Hrsg.): Schlachtfelder. Codierung von Gewalt im medialen Wandel, Berlin 2003, S. 189–206. Grundlegende Überlegungen dazu bei Carl von Clausewitz: Vom Kriege. Hinterlassenes Werk. Ungekürzter Text nach der Erstauflage (1832–34), Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1980 [1832-34], prägnant S. 31–32. Vgl. dazu auch Hartmut Böhme: Krieg und Zufall. Die Transformation der Kriegskunst bei Carl von Clausewitz, in: Marco Formisano/ Hartmut Böhme (Hrsg.): War in Words. Transformations of War from Antiquity to Clausewitz, Berlin/New York 2011, S. 391–413; Marian Füssel: Vom Dämon des Zufalls. Die Schlacht als kalkuliertes Wagnis im langen 18. Jahrhundert, in: Brakensiek/Marx/Scheller (Hrsg.): Wagnisse, S. 91–110. 17 Vgl. dazu Jürgen Luh: Kriegskunst in Europa 1650-1800, Köln/Weimar/Wien 2004; Beatrice Heuser: Den Krieg denken. Die Entwicklung der Strategie seit der Antike, Paderborn 2010.
15
Aggression angepasst war. Die Realisierung dieser Drohung war so wahrscheinlich, dass der
Gegner sie als hohes Risiko bewertete – die „Abschreckung“ funktionierte wieder.18
Politischer Umbruch
Politische Umbrüche öffnen Möglichkeitshorizonte, die den Erfahrungsraum bisheriger politi-
scher Routinen überschreiten. Darum werden politische Umbrüche als ereignishafte Ein-
schnitte und als historische Zäsuren wahrgenommen.19 Der paradigmatische historische
Umbruch ist das Ende des Ost-West-Gegensatzes, der in der historischen Rückschau als das
Ereignis „Fall der Berliner Mauer“ gefasst wird.20 Doch die Reduktion auf einen historischen
Moment bringt die tatsächliche Dauer zum Verschwinden. Politische Umbrüche dauern
monate-, oft jahrelang; sie sind meist keine punktuellen Ereignisse, sondern Ereignisfolgen
von großer Komplexität, Ambivalenz und geringer Berechenbarkeit. Umbrüche sind Ergebnis
kontingenter Entwicklungen, doch entscheidender ist, dass sie selbst Kontingenz freisetzen
und generieren. Die Beteiligten sind nicht nur Reagierende auf von außen auf sie einwirkende
Problemlagen und überraschende Situationen, auf eine schicksalhafte Überwältigung durch
unkontrollierbare Ereignisse, sondern oft sind sie in der Lage, diese zu gestalten.
Verschiedene Akteursgruppen versuchen, sie in ihrem Sinn zu lenken und möglicherweise die
Voraussetzungen für stabile, „pfadabhängige“ Entwicklungen zu schaffen.21
Politische Umbrüche sind Kontingenzgeneratoren, da sie plötzlich neue, weite Horizonte
eröffnen. Träume werden zu realisierbaren Möglichkeiten, Undenkbares wird vorstellbar. Den
Beteiligten ist meist klar, dass rasches Handeln notwendig ist, womit sie die Dynamik der
Entwicklung vorantreiben und deren Kontingenz steigern. Politische Umbrüche provozieren
Zukunftsentwürfe, die versuchen, die „unknown unknowns“ zumindest in „known unknowns“
zu transformieren. Wie unberechenbar und unplanbar politische Umbrüche sind, wie leicht
diejenigen, die von ihnen zu profitieren meinen, zu Opfern werden können,22 hat ausgerechnet
ein Autor hervorgehoben, dessen Anhänger einem ausgesprochenen Geschichtsdeter-
minismus huldigten. Am Beispiel des Staatsstreichs von Louis Napoléon machte Karl Marx die
Unberechenbarkeit einer solchen Ereignisfolge, die Dynamik einer politischen Umbruchs-
situation deutlich, als er höhnisch auf deren paradoxen Begleiterscheinungen verwies: „Und
schließlich werden die Hohenpriester der ‚Religion und Ordnung‘ selbst mit Fußtritten von ihren
Pythiastühlen verjagt, bei Nacht und Nebel aus ihren Betten geholt, in Zellenwagen gesteckt,
in Kerker geworfen oder ins Exil geschickt, ihr Tempel wird der Erde gleichgemacht, ihr Mund
wird versiegelt, ihre Feder zerbrochen, ihr Gesetz zerrissen, im Namen der Religion, des
Eigentums, der Familie, der Ordnung. Ordnungsfanatische Bourgeois auf ihren Balkonen
werden von besoffenen Soldatenhaufen zusammengeschossen, ihr Familienheiligtum wird
entweiht, ihre Häuser werden zum Zeitvertreib bombardiert – im Namen des Eigentums, der
Familie, der Religion, und der Ordnung.“23
Ökonomie
18 Bernd Greiner/Christian Th. Müller/Dirk Walter (Hrsg.): Angst im Kalten Krieg. Hamburg 2009. 19 Vgl. die klassischen Analysen von Hannah Arendt: Über die Revolution, München 1974; Albert Camus: Der Mensch in der Revolte, Reinbek 1984. 20 Samuel P. Huntington: The Third Wave. Democratization in the late Twentieth Century, Norman 1993; Alexander Demandt (Hrsg.): Das Ende der Weltreiche. Von den Persern bis zur Sowjetunion, München 1997; T.R.H. Davenport: The Transfer of Power in South Africa, Cape Town 1998; Wilfried Loth: Die Rettung der Welt. Entspannungspolitik im Kalten Krieg 1950-1991, Frankfurt a.M./New York 2016. 21 Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009; Philipp Schmädecke, Politische Regimewechsel. Grundlagen der Transitionsforschung, Tübingen 2012. 22 Alf Lüdtke/Michael Wildt (Hrsg.): Staats-Gewalt: Ausnahmezustand und Sicherheitsregimes. Historische Perspektiven, Göttingen 2008. 23 Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Berlin (DDR) 1988, S. 30.
16
Dass wirtschaftliches Handeln nicht vorhersehbare gravierende Folgen zeitigen kann, liegt für
das 20. und 21. Jahrhundert auf der Hand. Auch in früheren Epochen waren ökonomische
Aktivitäten sowohl von beabsichtigten Effekten als auch von weitreichenden Nebenfolgen
begleitet. Auf welche Weise und in welchem Maße der Umgang mit Kontingenz ins Kalkül von
Beteiligten und Betroffenen einging, ist vielfach unbekannt und wird im Rahmen des
Graduiertenkollegs eruiert. Dieser Blickwinkel soll künftig noch erweitert werden: So wäre
danach zu fragen, inwieweit ökonomische Fakten für Investitionsentscheidungen möglicher-
weise weniger wichtig sind als psychologische Aspekte wie Fantasie und Nachahmungstrieb,
Hoffnung und Angst´.24 Dies wird augenfällig, wenn die Börse als Feld
kontingenzbewältigenden Handelns in den Blick genommen wird. Seit ihrer Entstehung im 17.
Jahrhundert ist die Börse der Inbegriff jener Schwankungen von Preisen und Kursen, die das
Wesen der Marktwirtschaft ausmachen. An der Börse tritt die Logik des Investierens mit der
Hoffnung auf künftige Aufwärtsentwicklung und künftigen Gewinn in einer solchen Reinform
zu Tage, dass diese häufig als Symbol für Erfolg und Misserfolg menschlichen Handelns unter
marktwirtschaftlichen Bedingungen, ja das Auf und Ab des Lebens insgesamt genutzt wird.25
Der einzelne ökonomische Akteur bewegt sich oftmals routiniert auf Feldern mit bekannten
Gefahren. Er wird bestrebt sein, diese Gefahren durch institutionelle Absicherung (joint
ventures, Eintreten ethnischer oder kommunaler Verbände im Schadensfall, Versicherung26)
in beherrschbare Risiken zu verwandeln. Das kann wiederum für die absichernde Institution,
aber auch für unbeteiligte Dritte unvorhersehbare Folgen heraufbeschwören. Die Forschungen
zu Seeversicherungen, die im mediterranen Handel seit dem Hochmittelalter üblich wurden,
haben vielfältige Hinweise für einen strategischen Umgang mit den Unwägbarkeiten der Meere
erbracht.27 Die Möglichkeit, Gefährdungen von Schiff und Ladung durch Stranden, Stürme und
Kaperung in ein kalkulierbares Risiko zu verwandeln, führte auch dazu, dass sich die Phasen
verkürzten, in denen der Seehandel wegen jahreszeitlich gehäuft auftretender Stürme
unterblieb, mit entsprechenden Konsequenzen für Leben und Gesundheit der Seeleute. Wenn
der Kaufmann in Übereinstimmung mit der Versicherungspolice sein Schiff bewaffnete, um
sich gegen Kaperung zu schützen, konnte das wiederum unabsehbare Folgen für die
heimatliche Kommune haben, die sich womöglich unversehens in einen kriegerischen Konflikt
verwickelt sah.
Aktuelle Beispiele für vergleichbare Spannungsverhältnisse bilden Versicherungen gegen
Elementarschäden oder gegen Unfälle, die durch institutionelle Absicherung die Risiko-
bereitschaft der Versicherten steigern können: Wenn Privatleute und Unternehmen trotz des
Überschwemmungsrisikos in Flussauen bauen, Akteure gefährliche Sportarten betreiben,
obwohl damit beträchtliche Gefahren für Leib und Leben verbunden sind, steigern sie das
24 Jens Beckert, Imagined Futures. Fictional Expectations and Capitalist Dynamics, Boston 2016. 25 Edward Chancellor: Devil take the Hindmost: A History of Financial Speculation, New York 2000; Johann Schmit: Die Geschichte der Wiener Börse. Ein Vierteljahrtausend Wertpapierhandel, Wien 2003; Richard H. Tilly: Die Entwicklung der europäischen Wertpapierbörsen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Einige vergleichende Betrachtungen, in: Christoph M. Merki (Hrsg.): Europas Finanzzentren. Geschichte und Bedeutung im 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2005, S. 223–244. 26 Zur Geschichte von Lebens- und Feuerversicherungen vgl. Geoffrey Clark: Betting on Lives. The Culture of Life Insurance in England, 1695-1775, Manchester 1999; Cornel Zwierlein: Der gezähmte Prometheus. Feuer und Sicherheit zwischen Früher Neuzeit und Moderne, Göttingen 2011. 27 Florence Edler de Roover: Early Examples of Marine Insurance, in: The Journal of Economic History 5 (1945), S. 172–200; Louis Boiteux: La fortune de mer. Le besoin de securité et les debuts de l’assurance maritime, Paris
1968; Karin Nehlsen-von Stryk: Kalkül und Hasard in der spätmittelalterlichen Seeversicherungspraxis, in: Rechtshistorisches Journal 8 (1989), S. 195‒208; Giovanni Ceccarelli: Un mercato del rischio. Assicurarsi e farsi
assicurare nella Firenze rinascimentale, Venedig 2012; ders: Risikostrategien auf den Versicherungsmärkten der Frühen Neuzeit am Beispiel Florenz, in: Brakensiek/Marx/Scheller (Hrsg.): Wagnisse, S. 63‒89; Benjamin Scheller: Risiko – Kontingenz, Semantik und Fernhandel im Mittelmeerraum des Hoch- und Spätmittelalters, in: Becker/Scheller/Schneider (Hrsg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen, S. 185‒210.
17
Geschäftsrisiko von Versicherungsgesellschaften. Diese sichern sich ihrerseits durch Rück-
versicherung gegen massenhafte Schadensfälle ab, was etwa angesichts des Klimawandels
an Grenzen stoßen kann.
Zudem kann im Hinblick auf mögliche künftige Schadensfälle zwischen zwei Umgangsformen
unterschieden werden, die an den Begriffen Prävention und Resilienz festzumachen sind.
Mithilfe von Prävention soll verhindert werden, dass der Schadensfall überhaupt eintritt;
dagegen geht die Strategie der Resilienz davon aus, dass der Schadensfall entweder gar nicht
auszuschließen ist, oder dass der Versuch dieses Ausschlusses noch größere Schäden
erzeugen könnte, als sie mit dem eigentlichen Schadensfall einhergehen würden. Am oben
genannten Beispiel des Bauens in Flussauen festgemacht: Die Regulierung des Flussbettes
würde gegebenenfalls die Überschwemmung der Auen verhindern, zöge aber weitreichende
ökologische Folgen nach sich, die im Vergleich als das größere Risiko gelten müssten.
Grundsätzlich weist Resilienz unterschiedliche Dimensionen auf: „Die von Schäden betroffe-
nen Bereiche können sich zum Beispiel als möglichst robust erweisen und sich damit wenig
verwundbar zeigen. Ferner setzen resiliente Systeme auf eine rasche Erholung nach dem
Schadensfall, um möglichst schnell wieder den Ursprungszustand zu erreichen, der soge-
nannte bounce-back-Effekt. Schließlich versuchen resiliente Gesellschaften und deren Teil-
bereiche auch, die Fähigkeit zu erlangen, ihre Strukturen stets verändern und damit flexibel
auf potentielle Schäden reagieren zu können.“28 In einer Welt, in der ein „vollständiger Schutz,
eine absolute Prävention nur illusorisch sein kann“, gilt insofern häufig das Motto:
„Widerstehen ist realistischer als Verhindern.“29
Die aufgeführten Fälle sind in der Regel im Bereich der „known unknowns“ anzusiedeln. Für
den Börsenhandel und das Anlagengeschäft gilt das jedoch nur teilweise. Als sich in der
Frühen Neuzeit die ersten ökonomischen Blasen und Börsencrashs zutrugen, befand man
sich damit in der Sphäre der „unknown unknowns“. Anleger, Staaten und mittelbar Betroffene
mussten erst unter Mühen den Umgang damit erlernen. Vergleichbares gilt für den global
agierenden EDV-gestützten Handel mit Derivaten, der die letzte Weltwirtschaftskrise (mit-)
auslöste.30
Dem Umgang mit „known unknowns“ dienen in diesen Bereichen verschiedene Typen des
Wahrscheinlichkeitskalküls: erstens die statistische Berechnung, zweitens das proto-
statistische Kalkül, das auf einer groben Einschätzung der Häufigkeit beruht, mit der bestimmte
Ereignisse eintreten, drittens die nicht deduktive, erfahrungsbasierte Einschätzung, viertens
die intuitive Einschätzung.31 Die statistische Berechnung von Wahrscheinlichkeiten, mit denen
spezifische Ereignisse eintreten, ist ein Phänomen der Moderne. Dennoch ist die moderne
Probabilitätskultur weniger von statistischen Berechnungen von Wahrscheinlichkeiten geprägt
als oft behauptet wird. Im zeitgenössischen „business forecasting“ etwa spielen intuitive
Einschätzungen eine erhebliche Rolle und erweisen sich angesichts extrem komplexer
Informationslagen oftmals als genau so zuverlässig (oder unzuverlässig) wie die meisten
mathematischen Modelle. Dem ökonomischen Umgang mit „unknown unknowns“ dient unter
Umständen eine freie Imagination möglicher Chancen und Risiken auf vollkommen neuen
28 Hannig: Resilienz, hier S. 171. 29 Ebd. 30 Reinhold C. Mueller: The Venetian Money Market: Banks, Panic, and the Public Debt, 1200–1500, Baltimore
1997; Peter M. Garber: Famous First Bubbles. The Fundamentals of Early Manias, Cambridge/Mass. 2000; Robert J. Shiller: Irrational Exuberance, Princeton/N.J. 2000; Charles P. Kindleberger/Robert Z. Alibert: Manias, Panics, and Crashes: A History of Financial Crises, Basingstoke 2005; Helen J. Paul: The South Sea Bubble. An economic history of its origins and consequences, London 2011; Hans-Werner Sinn: Casino Capitalism. How the Financial Crisis came about and what needs to be done, Oxford 2012; Helen J. Paul: The concept of Wagnis and the South Sea Bubble of 1720, in: Brakensiek/Marx/Scheller (Hrsg.): Wagnisse, S.111–127. 31 James Franklin: The Science of Conjecture: Evidence and Probability before Pascal, Baltimore/ London 2001.
18
Geschäftsfeldern. Solche spekulativen Anlagestrategien beruhen in erster Linie auf über-
zeugend wirkenden Narrationen. Zumindest teilweise vertraut die Börse eher einer gut
erzählten Geschichte als überprüfbaren Daten. Wer rechtzeitig ein- und wieder aussteigt, kann
mit solchen imaginationsbasierten Anlagen besonders profitable Geschäfte machen.32
Mobilität
Mobilität als die physische Bewegung aus einem bekannten in einen bis dahin unbekannten
Raum ist unter Umständen ebenfalls als Zukunftshandeln zu interpretieren. Der Aufbruch aus
vertrauten Räumen ist verbunden mit einem Verlassen bekannter gesellschaftlicher und
kultureller Zusammenhänge und Bezüge. Wer die vertraute Welt verlässt, transformiert auch
äußere Gefahren in ein bewusst eingegangenes Risiko und begibt sich in eine Welt kultureller
und sozialer Unberechenbarkeit.33 Räumliche Bewegung generiert somit Kontingenzen, die
vom handelnden Individuum in Risikoabschätzungen übersetzt werden. Darum sollen solche
Bewegungen, denen eigene Entscheidungen zugrunde liegen, thematisiert werden, nicht
jedoch unfreiwillige Bewegungen wie Flucht, Vertreibung oder Verschleppung.34
Von besonderem Interesse sind historische Fälle von erst- und einmaligen Aufbrüchen ins
Unbekannte. Die Unterscheidung zwischen „known unknowns“ und „unknown unknowns“
erweist sich auch im Hinblick auf die Mobilität als fruchtbar. Denn es ist für Verhalten und
Wahrnehmung entscheidend, ob sich die Erwartungshaltung in einer engeren Bandbreite
bewegt, auch wenn die Einzelheiten ungewiss sind, oder ob gänzlich Unbekanntes und damit
auch Unberechenbares damit verbunden ist, auf das man sich kaum gezielt vorbereiten kann.
Im Hinblick auf die Kontingenzgenerierung lassen sich neue Beurteilungen historisch
bekannter Aufbrüche ins Unbekannte gewinnen. So war die Reise des Kolumbus aus seiner
Sicht weniger riskant, da er überzeugt war, es mit „known unknowns“ zu tun zu haben. Dem-
gegenüber war die Expansion der Portugiesen entlang der afrikanischen Westküste nach
Süden durch „unknown unknowns“ geprägt.35 Die Lerneffekte schlugen sich im weiteren
Ausgreifen der einzelnen Reisen im Verlauf des 15. Jahrhunderts nieder, als die „unknown
unknowns“ durch „known unknowns“ ersetzt wurden. Der Aufbruch ins Unbekannte ver-
wandelte sich in routinierte Explorationen.36
Vier Akteursgruppen sind für das Thema Mobilität von besonderer Bedeutung: Forschungs-
reisende, Kaufleute37, Missionare und Krieger, wobei häufig Personen mehr als einer Gruppe
angehörten. Transkulturelle Begegnungen wurden, etwa im Fall von Missionaren, von den
Akteuren als Realisierung einer erwarteten Zukunft wahrgenommen. Sie fallen tatsächlich aber
in den Bereich der „unknown unknowns“, da es sich oftmals um imaginierte Gewissheiten
32 Heiner Goldinger: Rituale und Symbole der Börse. Eine Ethnographie, Berlin 2001. Zur zentralen Rolle der „pretty polite techniques“ (John Maynard Keynes) vgl. Hansjörg Siegenthaler: Kontingenzbewältigung in alten und neuen Zeiten: Bemerkungen zur Modellierung einer Differenz, in: Brakensiek/Marx/Scheller (Hrsg.): Wagnisse, S.151–166, hier S. 163. 33 Eva Horn/Stefan Kaufmann/Ulrich Bröckling (Hrsg.): Grenzverletzer, Berlin 2002. 34 Klaus J. Bade (Hrsg.) : Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn u.a. 2007; Jürgen Oltmer: Migration. Geschichte und Zukunft der Gegenwart, Darmstadt 2017. 35 J.H. Parry: The Age of Reconnaissance, New York 1963; Urs Bitterli: Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“. Die europäisch-überseeische Begegnung, München 1982; Folker Reichert: Erfahrung der Welt. Reisen und Kultur-begegnung im späten Mittelalter, Stuttgart 2001; Benjamin Scheller: Kontingenzbewältigung im Zeit-Raum: Die Reisen des Venezianers Alvise Cadamosto nach Westafrika (1455 und 1456), in: Bernhardt/Brakensiek/Scheller (Hrsg.): Ermöglichen und Verhindern, S. 143‒165. 36 Fritz Kramer: Verkehrte Welten. Zur imaginären Ethnographie des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1981; Mary Louise Pratt: Imperial Eyes. Travel Writing and Transculturation, London 1992; Jürgen Osterhammel: Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert, München 1998; Justin Stagl: Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550-1800, Wien 2002; Mark Häberlein/Alexander Keese (Hrsg.): Sprachgrenzen – Sprachkontakte – kulturelle Vermittler. Kommunikation zwischen Europäern und Außereuropäern (16.-20. Jahrhundert), Stuttgart 2010; Reinhard Wendt: Vom Kolonialismus zur Globalisierung, Europa und die Welt seit 1500, 2. Aufl., Paderborn 2016. 37 Ashin das Gupta: The World of the Indian Ocean Merchant 1500-1800, Collected Essays, Oxford 2001.
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handelte, durch die Kontingenz reduziert werden sollte. Die Annahme, es mit „known
unknowns“ zu tun zu haben, erhöhte jedoch in den Folgehandlungen die Kontingenz trans-
kultureller Begegnungen.38
Erkenntnissuche
Die Suche nach (wissenschaftlicher) Erkenntnis reagiert, aktiv betrieben, einerseits auf
Herausforderungen oder strebt andererseits eine Erweiterung der Möglichkeitshorizonte von
Individuen und Kollektiven an. Sie stellt sich damit Kontingenzen, bringt sie aber auch hervor.39
Spezifische Problemlagen wie zum Beispiel der Umgang mit Infektions- oder Mangel-
krankheiten in unterschiedlichen Epochen oder die Behandlung von Verletzten auf Kriegs-
schiffen vor 1800 haben ein derartiges Suchen ebenso generiert wie der Antrieb, durch
Verbesserung oder Erfindung von Maschinen, Werkstoffen, Werkzeugen und Verfahrens-
techniken die Handlungsspielräume von Menschen zu erweitern. Solche Prozesse werden von
Menschen durchaus ambivalent wahrgenommen.40 Auch das Bedürfnis, neue, bisher
unbekannte Räume und Regionen zu entdecken und erkunden, wie andere Kontinente, das
Hochgebirge, die Urwälder, die Tiefsee oder den Weltraum, gehört in teilweiser Über-
schneidung mit dem Punkt Mobilität zu dieser Art der Erweiterung von Möglichkeits-
horizonten.41 Die Kontingenz entsteht sowohl in den bipolaren Strukturen der jeweiligen
Handlungssituationen als auch in den Folgen von Erfindungen und Entdeckungen.42
Während beispielsweise neue, unbekannte medizinische Problemlagen therapeutische Maß-
nahmen zwingend erfordern, kann über den Erfolg von Behandlungen zunächst nur spekuliert
werden. Im Bemühen, Menschenleben zu retten, lag und liegt die Möglichkeit begründet, eben
diese durch die Therapie auszulöschen.43 Das gilt für den Chirurgen der römischen Antike
prinzipiell genauso wie für den gegenwärtigen Mediziner, selbst wenn sich gegenüber der
Vormoderne das empirische Wissen natürlich erheblich erweitert hat. Auch die Erfindung oder
Modifizierung von Maschinen usw. führen in der Regel zu kontingenten Folgen, indem zum
Beispiel Werkzeuge und Werkstoffe zu Waffen werden können. So ermöglichten Fritz Habers
Experimente zur Ammoniaksynthese am Anfang des 20. Jahrhunderts die Massenproduktion
von Stickstoffdünger zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion, aber auch die
massenhafte Herstellung von Sprengstoff.44
Diese Problemlagen erhalten noch einmal eine andere Dimension, wenn beispielsweise eine
völlig unbekannte Seuche über die Menschen hineinbricht.45 Welche Praktiken und Seman-
tiken bestimmten etwa das Zukunftshandeln von Akteuren, als sie mit „unknown unknowns“
38 Reinhard Wendt (Hrsg.): Wege durch Babylon. Missionare, Sprachstudien und interkulturelle Kommunikation, Tübingen 1998; Ders. (Hrsg.): Sammeln, Vernetzen, Auswerten. Missionare und ihr Beitrag zum Wandel europä-ischer Weltsicht, Tübingen 2001; Robert J.C. Young: Postcolonialism. An Historical Introduction, Oxford 2001; Norman Etherington (Hrsg.): Missions and Empire. Oxford 2005; Boris Barth/Jürgen Osterhammel (Hrsg.): Zivilisierungsmissionen, Konstanz 2005. 39 Erhard Scheibe: Die Zunahme des Kontingenten in der Wissenschaft, in: Neue Hefte für Philosophie Bd. 24/25 (1985), S. 1‒13. 40 Martina Heßler: Angst vor der Technik und das Kontingentwerden ‚des Menschen‘, in: Bernhardt/Brakensiek/ Scheller (Hrsg.): Ermöglichen und Verhindern, S. 209‒234. 41 Jürg Glauser/Christian Kiening: Einleitung, in: dies. (Hrsg.): Text – Bild – Karte. Kartographie der Vormoderne, Freiburg/Berlin/Wien 2007, S. 11‒35, hier S. 15 f. Vgl. auch Benjamin Scheller: Erfahrungsraum und Möglichkeits-raum: Das sub-saharische Westafrika in den Navigazioni Atlantiche Alvise Cadamostos, in: Ingrid Baumgärtner/Piero Falchetta (Hrsg.): Venezia e la nuova oikoumene Cartografia del Quattrocento/Venedig und die neue Oikoumene Kartographie im 15. Jahrhundert, Roma/Venezia 2016, S. 201‒220. 42 Olaf Breidbach/Peter Heering/Matthias Müller/Heiko Weber: Experimentelle Wissenschaftsgeschichte, in: dies. (Hrsg.): Experimentelle Wissenschaftsgeschichte, München 2010, S. 13‒72, hier S. 15 f. 43 Hans-Dieter Lippert/Wolfgang Eisenmenger (Hrsg.): Forschung am Menschen. Der Schutz des Menschen – die Freiheit des Forschers, Heidelberg 1999. 44 Margit Szöllösi-Janze: Fritz Haber. 1868–1934. Eine Biographie, München 1998. 45 Mark Jackson: Perspectives on the History of Disease, in: ders. (Hrsg.): The Routledge History of Desease, New York 2017, S. 1‒18.
20
wie der Syphilis im 16. oder mit AIDS im 20. Jahrhundert konfrontiert wurden und keine der
bekannten Therapien Wirkung zeigte? Solche „unknown unknowns“ als Gegenstand der
Erkenntnissuche eröffnen jedoch auch Handlungsspielräume, wenn etwa die Besiedlung
extraterrestrischer Planeten als Ahnung am Horizont erscheint.46
Neben diese eher anwendungsorientierte oder performative Suche nach (wissenschaftlichen)
Erkenntnissen im Sinne einer praktischen Problemlösung tritt die theoretisch motivierte oder
epistemische, der es um die Erklärung von Zusammenhängen beobachteter Sachverhalte in
einem bestimmten Bereich zu tun ist. Gemeint ist die Suche nach universell gültigen
Gesetzmäßigkeiten oder Weltbildern, die hinter beobachteten Phänomenen vermutet werden,
häufig in der Sprache der Philosophie oder der Mathematik. Hier wäre zu untersuchen, wie
das Auftreten von Kontingenz gedeutet und verarbeitet wird, wenn der Kontingenzüberschuss
in spezifischen Situationen die routinierten Umgangsmöglichkeiten des vorhandenen Systems
übersteigt. So wurde die Evolutionslehre im 19. Jahrhundert im Sozialdarwinismus nicht „als
Darstellung einer freilaufenden Entwicklung, sondern als eine auf ein Ziel hin orientierte
Naturgeschichte begriffen“47. Im Anschluss daran wäre zu fragen, inwieweit und seit wann die
Kontingenz der umfassenden Biologisierung, die zur Normierung von Gesellschaften, zur
Standardisierung und Klassifizierung von Menschen und schließlich zu Kriterien zur
Eliminierung von „Minderwertigen“ führte, von Wissenschaftlern überhaupt erfasst wurde.48
Dabei sind auch Fragen berührt, die sich hinter der Diskussion um die Verantwortung von
Wissenschaftlern für ihre Erkenntnisse verbergen.
Bewältigung von Kontingenzüberschüssen: Performative und epistemische Strategien
Die genannten Kontingenzgeneratoren Krieg, politischer Umbruch, Ökonomie, Mobilität und
Wissenschaft sind in besonderer Weise anfällig für das Auftreten eines Kontingenzüber-
schusses, in dem Routinen versagen. Darauf reagieren die Akteure mit neuen Bewältigungs-
strategien. Diesbezüglich ist analytisch zwischen epistemischen und performativen Strategien
zu unterscheiden. Erstere bezeichnen Modi, das eigene Weltbild zu verändern und Ansätze
zu entwickeln, wie das Hereinbrechen der Kontingenz gedeutet, bewertet und erklärt werden
kann. Letztere bezeichnen Handlungsmöglichkeiten, die auf eine Veränderung der
extramentalen Wirklichkeit gerichtet sind. Im Regelfall werden performative Strategien als
Fortsetzung der epistemischen Strategien mit anderen Mitteln erscheinen, da sie auf der
deutenden Beobachtung des Kontingenzüberschusses basieren. Allerdings kann es auch
Fälle geben, in denen Strategien beider Ebenen unabhängig voneinander Anwendung finden.
Erleben Akteure in den beschriebenen bipolaren Problemlagen die Auswirkung von
Kontingenz und erkennen sie zugleich die Wirkungen ihres Handelns auf Kontingenzen,
werden sie zu Beobachtern von Veränderungen. Das Beobachtete wird dann erklärungs-
bedürftig, da sich die vorhandenen explanatorischen Strategien als defizitär erweisen. Die
Revision etablierter epistemischer Strategien kann in einer Neu- oder Umprägung von
Begriffen und Konzepten bestehen, zu einer veränderten Form der Datengewinnung und
Datenpräsentation anleiten, kann zur interdiskursiven Integration anderer Wissensbestände
46 Hans-Jörg Rheinberger: The Art of Exploring the Unknown. Views on Contemporary Research in Life Sciences, in: Moritz Epple/Claus Zittel (Hrsg.): Science as Cultural Practice. Vol. I: Cultures and Politics of Research from the Early Modern Period to the Age of Extremes, Berlin 2010, S. 141‒151. 47 Olaf Breidbach: Neue Wissensordnungen. Wie aus Informationen und Nachrichten kulturelles Wissen entsteht, Frankfurt a.M. 2008, S. 133. 48 Regina Wecker/Sabine Braunschweig/Gabriela Imboden/Bernhard Küchenhoff/Hans Jakob Ritter (Hrsg.): Wie nationalsozialistisch ist die Eugenik? What is National Socialist about Eugenics? Internationale Debatten zur Geschichte der Eugenik im 20. Jahrhundert. International Debates on the History of Eugenics in the 20th Century. Wien/Köln/Weimar 2009.
21
oder zu einer grundsätzlichen Umorientierung des epistemischen Weltzugriffs führen.49
Beispiele derartiger Umbauarbeiten stellen die Verwissenschaftlichung der Theologie unter
aristotelischen Vorzeichen im Hochmittelalter, das Aufkommen der Wahrscheinlichkeits-
rechnung seit dem 17. Jahrhundert, die allmähliche Durchsetzung statistischer Verfahren in
politischer und ökonomischer Planung seit dem 18. Jahrhundert oder die Erfindung von
Beobachtungsapparaturen wie Mikroskop oder Röntgentechnik dar.50
Anhand der Unterscheidung von „known unknowns“ und „unknown unknowns“ lassen sich
wesentliche Grundlagen sowohl für die epistemischen wie für die performativen Strategien der
Akteure benennen. Zu unterscheiden ist diesbezüglich zwischen wissensbasierten und
imaginationsbasierten Formen des Umgangs mit Kontingenz. Dabei zielen wissensbasierte
Handlungen vorrangig auf die Bearbeitung der „known unknowns“, imaginationsbasierte
Handlungen auf die „unknown unknowns“. Wissensbasiert sind solche Formen des Umgangs
mit Kontingenz, die auf Wahrheit orientiert sind und Gründe für die erhobenen Geltungs-
ansprüche angeben. Das in Bezug auf die „known unknowns“ gebildete Wissen ist dabei vor
allem erfahrungsbasiert.51 Kontingenz wird in diesem Rahmen als Erschütterung akzeptierter
Geltungsansprüche erfahren, deren Wahrheitsgrad dann neu zu begründen ist oder die
grundsätzlich zu revidieren sind. Imaginationsbasiert sind Formen des Umgangs mit
Kontingenz, die eine fiktive Realität neben die nichtfiktive stellen.52 Die Bearbeitung des
Einbruchs von Kontingenz erfolgt hier, etwa in der Prognose, in Literatur, im Film oder in der
Kunst innerhalb der fiktiven Realität, die über ihre eigenen Plausibilisierungsstrategien verfügt.
Die fiktive Realität präsentiert sich dabei als geschlossener, aber auch als in sich flexibler als
die nichtfiktive, was es erlaubt, Problemsituationen und Lösungsansätze durchzuspielen, sie
jedoch auch mit emotionaler und affektiver Dringlichkeit auszustatten. Offensichtlichstes
Beispiel für imaginative Formen der Kontingenzbewältigung sind Utopien und Dystopien,
Krisenszenarien und Prognosen zukünftiger Entwicklungen, aber auch ihnen verwandte
Berichte über Wunschorte und Wunschzeiten.53
Narrativierungen und Verbildlichungen von Kontingenz können als performative Umsetzung
der epistemischen Bewältigungsstrategien angesehen werden.54 Zu denken ist hier ebenso an
die antike Geschichtsschreibung, die mittelalterliche Chronistik, Reiseberichte wie an früh-
neuzeitliche Dokumentationen von Entdeckungsfahrten mit ihrem charakteristischen Mix
medialer Repräsentationen oder an die museale Aufbereitung von Vergangenheit zu eduka-
tiven Zwecken. Neue rhetorische und narrative Strategien, das Prägen neuer Bilder und
Tropen, die Entwicklung neuer Gattungen mit spezifischen Aussagemöglichkeiten sind im
Kontext von Krieg, Ökonomie, Mobilität wie Erkenntnissuche nicht nur konstitutiv für die
imaginationsbasierte Bewältigung von Kontingenz, sondern spielen jeweils auch in der
wissensbasierten eine Rolle. Weitere performative Strategien des wissensbasierten Umgangs
49 Stefan Böschen/Karen Kastenhofer/Ina Rust: Entscheidungen unter Bedingungen pluraler Nichtwissenskulturen, in: Renate Mayntz u.a. (Hrsg.): Wissensproduktion und Wissenstransfer. Wissen im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit, Bielefeld 2008, S. 197–219. 50 Catherine König-Pralong: Avènement de l’aristotélisme en terre chrétienne. L’essence et la matière, entre Thomas d’Aquin et Guillaume d’Ockham, Paris 2005; Ian Hacking: The emergence of probability. A philosophical study of early ideas about probability, induction and statistical inference, London u.a. 1975; Steven Shapin: A social history of truth. Civility and science in seventeenth-century England, Chicago u.a. 1994; Raf Vanderstraeten: Soziale Beobachtungsraster. Eine wissenssoziologische Analyse von statistischen Klassifikationsschemata, in: Zeitschrift für Soziologie 35 (2006), S. 193–211. 51 Scheller: Kontingenzkulturen – Kontingenzgeschichten, S. 18–21. 52 Elena Esposito: Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität, Frankfurt a.M. 2007. 53 Eva Horn: Zukunft als Katastrophe, Frankfurt a.M. 2014; Rüdiger Graf: Die Zukunft der Weimarer Republik. Krisen und Zukunftsaneignungen in Deutschland 1918 bis 1933, München 2008; Stefan Willer: Sicherheit als Fiktion. Zur kultur- und literaturwissenschaftlichen Analyse von Präventionsregimen, in: Bernhardt/ Brakensiek/ Scheller (Hrsg.): Ermöglichen und Verhindern, S. 235–255. 54 Albrecht Koschorke: Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer Allgemeinen Erzähltheorie, Frankfurt a.M. 2012; Gerhart von Graevenitz/Stefan Rieger/Felix Thürlemann (Hrsg.): Die Unvermeidlichkeit der Bilder, Tübingen 2001.
22
mit Kontingenz sind die Entwicklung von Instrumenten und Methoden zur Datenerhebung und
-auswertung, die Veränderung von Kommunikationsstrategien und -medien, die Erschließung
neuer Adressatenkreise, die Herstellung technischer Apparate, aber auch das Finden neuer
ritualisierter Umgangsweisen oder die Etablierung symbolischer Repräsentation von Macht-
und Herrschaftsansprüchen.55 Diese Beispiele deuten darauf hin, dass die Unterscheidung
zwischen epistemischen und performativen Bewältigungsstrategien eine analytische ist, in der
Forschungspraxis jedoch vielfach ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ihnen besteht.
Der praxeologischen Perspektive des Graduiertenkollegs folgend, wird in den Forschungs-
projekten weniger nach den Diskursen, sondern nach den Praktiken im Umgang mit
Kontingenz zu fragen sein. Dies betrifft, wie soeben gezeigt wurde, nicht allein die perfor-
mativen Strategien, sondern ausdrücklich auch die epistemischen.56 Dabei wäre zu fragen,
welche spezifischen epistemischen und performativen Strategien sich im Kontext der fünf
Kontingenzgeneratoren ausbilden, wie sich das Verhältnis epistemischer und performativer
Bewältigungsstrategien sowie der wissens- und imaginationsbasierten Formen des Umgangs
mit Kontingenz in den Feldern gestaltet und welche zeitlichen Veränderungen zu beobachten
sind. Lässt sich etwa ein unterschiedlicher Umgang in Bezug auf „known unknowns“ und
„unknown unknowns“ in den verschiedenen Feldern beobachten? Und wie verändert sich
dieser in der longue durée? Bleibt das Verhältnis wissens- und imaginationsbasierter
Strategien stabil oder gibt es spezifische Bedingungen, unter denen es sich verschiebt? Zu
klären ist schließlich, wie sich die mit dem bereitgestellten Untersuchungsinstrumentarium
erzielten Ergebnisse zu Meistererzählungen und Großtheorien wie denjenigen der Moder-
nisierung und Säkularisierung verhalten, aber auch, ob und in welcher Form sich die Annahme
einer Epochenschwelle in der Sattelzeit bestätigen lässt.
Vernetzung aktueller und künftiger Vorhaben
Diese Ausrichtung des Forschungsprogramms des Kollegs für die zweite Förderperiode ist
bereits bei der Auswahl der Kollegiatinnen und Kollegiaten der zweiten Kohorte (Förderung
seit November 2016) zum Tragen gekommen. So geht es im Dissertationsvorhaben von Martin
Schröder („Das Reich zieht in den Krieg. Die kursächsische und hannoversche Marsch-
organisation, 1683-1699“) um Kontingenzen, die sich aus organisierter Gewalt ergeben, deren
Einhegung oder Entfesselung als militärische Optionen von unterschiedlichen Akteuren ins
Kalkül gezogen werden. Die Projekte von Claudia Berger („Zukunftshandeln und
Netzwerkdynamiken im Vorfeld der Gründung der Union of South Africa (1910) mit
besonderem Bezug auf die Wahlrechtsfrage“) und Aljoscha Tillmanns („Politische Initiativen
und politisches Handeln der Inkatha: Verpasste Chance zur Demokratisierung oder Apartheid
im neuen Mantel?“) behandeln zwei politische Umbrüche in der neueren südafrikanischen
Geschichte und fokussieren dabei das Handeln von Akteuren, die aus einer Situation
drohender Marginalisierung verschiedene Optionen „durchspielen“. In den Forschungen von
Lena Kaiser („Frühneuzeitliche Getreidespeicher- und Getreidehandelspolitik als Instrument
der Vorsorge und Voraussicht“) und Franzisca Scheiner („Die Commenda – Ein riskantes
Unternehmen“) wird der Bewältigung ökonomischer Unwägbarkeiten nachgegangen, die sich
aus Vorsorgehandeln von Obrigkeiten bzw. aus dem Seehandel ergeben. Anna Strommenger
55 Alberto Cevolini (Hrsg.): Die Ordnung des Kontingenten. Beiträge zur zahlenmäßigen Selbstbeschreibung der modernen Gesellschaft, Wiesbaden 2014; Andrea Mennicken/Hendrik Vollmer (Hrsg.): Zahlenwerk. Kalkulation, Organisation und Gesellschaft, Wiesbaden 2007; Rudolf Schlögl: Anwesende und Abwesende. Grundriss für eine Gesellschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit, Konstanz 2014; Karin Knorr-Cetina: Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft, Frankfurt a.M. 22002; Barbara Schlieben: Verspielte Macht. Politik und Wissen am Hof Alfons’ X. (1252-1284), Berlin 2009. 56 Wolfgang Detel: Wissenskulturen und epistemische Praktiken, in: Johannes Fried/Thomas Kailer (Hrsg.): Wissenskulturen. Beiträge zu einem forschungsstrategischen Konzept, Berlin 2003, S. 119–132; John Dewey: Logik. Die Theorie der Forschung, Frankfurt a.M. 2002; Karin Knorr-Cetina: Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen, Frankfurt a.M. 2002.
23
(„Zwischen revolutionärem Aufbruch und nationaler Integration. Heimatkonzepte der
deutschen sozialistischen Arbeiterbewegung, 1863-1919“) geht es um die Frage, welche
Antworten Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung entwickelten, um mit den Folgen
der „Entwurzelung“ umzugehen, die aus Hochindustrialisierung und forcierter Urbanisierung
erwuchsen. Die Arbeiten von Anna Maria Schmidt („Von den Chancen und Risiken des
Erbsenzählens. Gentechnologie als Fall menschen-gemachter Kontingenz“) und Marie-
Christin Schönstädt („Wissenschaft im Umbruch – Die Rolle des Wissenschaftsrates beim
Hochschulumbau der DDR-Universitäten 1989/90“) befassen sich mit den immanenten bzw.
politisch induzierten Kontingenzen von Forschung im ausgehenden 20. Jahrhundert. Das
Vorhaben von David Passig („Der Mensch als Gestalter der Geschichte. Kontingenz und ihre
Bewältigung im Werk Ottos von Freising“) befasst sich mit dem reflexiven Umgang eines
herausragenden Gelehrten mit den Kontingenzen mittelalterlicher Politik. Dieser Geschichts-
schreiber des 12. Jahrhunderts erkennt den nach eigenen Motiven handelnden Menschen als
Subjekt der Geschichte und sieht die Notwendigkeit, die daraus resultierende Kontingenz
rational zu bewältigen.
Der Austausch unter diesen auf den ersten Blick thematisch heterogenen Vorhaben erfolgt
analog zum bewährten Vorgehen in der ersten Förderphase. Die einzelnen Dissertations-
themen lassen sich nämlich auf dem Forschungsfeld „Zukunftshandeln“ innerhalb einer Matrix
situieren, die einerseits von den Modi Vorsorge, Voraussicht und Vorhersage, andererseits
von den fünf Kontingenzgeneratoren strukturiert wird. Wie oben näher ausgeführt beruhen die
Modi des Zukunftshandelns auf der idealtypischen Unterscheidung, ob der Eintritt kontingenter
Ereignisse und Entwicklung dem eigenen Handeln oder aber der Umwelt zugerechnet wird.
Die Kontingenzgeneratoren sind dagegen vor allem unter forschungspragmatischen
Gesichtspunkten gewählt worden, eben um den Gegenstandsbereich der Dissertationen
thematisch einzugrenzen. Modi auf der einen und Kontingenzgeneratoren auf der anderen
Seite bilden zwei Achsen, die das Forschungsgebiet „Zukunftshandeln“ zu einem
Koordinatensystem strukturieren, innerhalb dessen die einzelnen Dissertationsthemen zu
verorten sind. Gleichzeitig können die einzelnen Vorhaben entlang beider Achsen miteinander
in Beziehung gesetzt werden: der analytischen und der thematischen. So entsteht ein Netz-
werk von Bezügen, das den Gesamtzusammenhang des Forschungsvorhabens herstellt.
24
Über den Kreis der aktuell geförderten Kollegiatinnen und Kollegiaten hinaus haben sich die
weiterentwickelten Leitfragen des Graduiertenkollegs als ungemein fruchtbar erwiesen:
Sowohl von den anderweitig finanzierten Mitgliedern des Kollegs (siehe dazu die Einzel-
berichte im Anhang 2 des Berichtsteils), als auch von den beteiligten Professorinnen und
Professoren werden einschlägige Forschungen betrieben. Hingewiesen sei z.B. auf die
Forschungen der beiden Sprecher zur Geschichte von frühneuzeitlichen Lotterien und zur
mittelalterlichen Seeversicherung, zwei Feldern systematischen Umgangs mit Kontingenz.
Das Programm des Graduiertenkollegs hat sich somit gleichzeitig als thematisch hinreichend
offen wie konzeptionell fokussiert erwiesen. Es ist daher davon auszugehen, dass es auch
noch für die Auswahl der Kollegiatinnen und Kollegiaten der dritten und letzten Kohorte
(11.2019 bis 10.2022) tragfähig sein wird.
4. Qualifizierungs- und Betreuungskonzeptkonzept
Das für die erste Förderungsphase entwickelte Qualifizierungskonzept hat sich ausgezeichnet
bewährt. Das erbrachte u.a. die im Erstantrag erwähnte Selbstevaluation, die am 7.12.2016
stattfand und die Verbesserungsvorschläge der Kollegiatinnen und Kollegiaten erhob. Nach
Einschätzung der Angehörigen der ersten Kohorte waren sowohl die kollegspezifischen
Veranstaltungen als auch die überfachlichen Betreuungs- und Weiterbildungsangebote zur
Vermittlung von Schlüsselkompetenzen zielführend. Einige Elemente wurden aufgrund ihrer
Passung für die Unterstützung der eigenen wissenschaftlichen Arbeit oder für die Förderung
der beruflichen Qualifikation als besonders geeignet empfunden. In der Regel handelt es sich
dabei um Formate, deren Inhalte konkret auf die Bedürfnisse der Kollegiaten abgestimmt
waren. Diese Elemente sollen im neuen Studienprogramm noch stärker im Vordergrund
stehen.
4.1 Studienprogramm
Das bewusst schlank gehaltene Studienprogramm, das den Doktorandinnen und Doktoranden
den nötigen Freiraum für selbständige Initiativen und die Arbeit an den Dissertationen gewährt,
soll im Kern beibehalten werden. Allerdings sind für die nächste Förderungsphase Änderungen
im Detail vorgesehen, die sich aus der Selbstevaluation sowie den regelmäßigen
Evaluationsrunden des Leitungsgremiums und aus den Anforderungen der erneuerten
Promotionsordnung der Fakultät für Geisteswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen
vom 22. Oktober 2015 ergeben. Der Gesamtumfang der dort beschriebenen
„Qualifizierungsphase“ (§7 der Promotionsordnung) beträgt 18 Leistungspunkte. Diese
können durch den Erwerb von fachlichen und überfachlichen Qualifikationen erworben
werden. Insofern sind sowohl das Pflichtprogramm als auch der optionale Teil des
Studienprogramms geeignet, diese Leistungspunkte zu erwerben. Die konkrete Ausgestaltung
der Qualifizierungsphase wird zu Beginn in einem Beratungsgespräch festgelegt und in der
Promotionsvereinbarung dokumentiert.
25
4.1.1 Aufbau
Das Studienprogramm des Kollegs besteht weiterhin aus einem Pflichtprogramm und aus
optionalen Veranstaltungen. Das Pflichtprogramm sieht ein internes regelmäßiges Kollegs-
kolloquium und zwei Workshops sowie öffentliche Veranstaltungen (Ringvorlesungen und
lectures) vor. Zum verpflichtenden Bestandteil gehören des Weiteren die Beratungsgespräche
26
mit den Betreuern (mindestens zwei pro Semester). Es hat sich bei der letzten Kohorte als
außerordentlich zweckdienlich erwiesen, wenigstens eins dieser Gespräche zu dritt (Kollegiat,
Erst- und Zweitbetreuer) zu führen.
Die optionalen Angebote umfassen Workshops zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen oder
zielgerichtete Veranstaltungen, die von den Kollegiatinnen und Kollegiaten je nach Bedarf
belegt werden können. Die Wahrnehmung dieser Angebote beruht auf Eigeninitiative oder wird
in den Beratungsgesprächen ermittelt. In der ersten Förderphase sind diese Angebote von
den Kollegiatinnen und Kollegiaten selektiv und zielorientiert wahrgenommen worden; diese
liberale Praxis soll fortgesetzt werden.
4.1.2 Pflichtprogramm
Die Veranstaltungen des Pflichtprogramms dienen der Einarbeitung der Kollegiatinnen und
Kollegiaten in das Thema des Graduiertenkollegs und in den Forschungsstand. Die Formate
der ersten Antragsphase haben sich als sehr geeignet erwiesen und sollen in leicht
modifizierter Form weitergeführt werden. In den Kollegskolloquien, die jedes Semester
stattfinden, werden einerseits theoretische Grundlagen und Angebote aus der Geschichts-
wissenschaft und benachbarten Disziplinen, insbesondere der Soziologie und der Politologie
erarbeitet und diskutiert sowie auf ihre Brauchbarkeit für die jeweiligen individuellen
Forschungszugänge überprüft. Dort kommen ebenso methodische Fragen der Material-
erhebung wie Aspekte des Projektmanagements als auch narratologische Operationali-
sierungen für die zu erstellenden Monographien zur Sprache. Während das Kollegskolloquium
eher die Schaffung einer überindividuellen theoretischen und methodischen Grundlage des
gemeinsamen Projektthemas und die Verortung der individuellen Projekte in diesem
Gesamtrahmen verfolgt, dienen der Auftaktworkshop und die Spring School der Diskussion
und Förderung der individuellen Projekte. Im Rahmen dieser Veranstaltungen stellen die
Kollegiatinnen und Kollegiaten in Kleingruppen den jeweiligen Stand ihrer Projekte vor und
diskutieren theoretische, methodologische und Quellenfragen mit auswärtigen Gästen und
allen das Vorhaben tragenden Professorinnen und Professoren. Das Graduiertenkolleg 1919
stellt diese durch die Promovenden mit organisierten Veranstaltungen als Möglichkeiten zur
Präsentation der eigenen Projekte in einem größeren Rahmen bereit.
Die Ringvorlesungen und Lectures, die für die Kollegiatinnen und Kollegiaten ebenfalls von
außen kommende exzellente Expertise geboten haben, sollen auch in der zweiten
Bewilligungsphase fortgeführt werden. Durch gezielte Einladungen soll auch diesmal auf die
konkreten Bedürfnisse der einzelnen Promovierenden reagiert werden. In Zukunft soll die
Ringvorlesung der Gäste jeweils bereits im dritten Semester stattfinden, damit Forschungs-
impulse von Seiten der auswärtigen Expertinnen und Experten frühzeitiger in die Entwicklung
der Dissertationsvorhaben einfließen können. Die Vorträge der Gäste erfordern von den
Kollegiatinnen und Kollegiaten intensive Vor- und Nachbereitung. Ringvorlesungen und
Lectures haben in der ersten Bewilligungsphase einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet,
das Profil des Gesamtvorhabens in einer kritischen Debatte weiter zu entwickeln und zu
schärfen. Das Abschlusskolloquium bietet den Kollegiatinnen und Kollegiaten schließlich in
der Endphase ihrer Dissertation die Gelegenheit, die Ergebnisse des individuellen Projekts in
einem Tandem-Vortrag mit einem auswärtigen Gast fachöffentlich zu präsentieren und zur
Diskussion zu stellen. Die Resultate des Abschlusskolloquiums werden publiziert.
Die Beratungsgespräche sind Bestandteil des Curriculums. Das erste Gespräch zu Beginn
der Förderungsphase dient neben einer ersten inhaltlichen und methodischen Präzisierung
des Projektes vor allem der Festlegung von fachlichen und überfachlichen Förderangeboten
im Rahmen der Qualifizierungsphase der neuen Promotionsordnung. Das erste Gespräch mit
den beiden Betreuern findet vor oder nach dem Auftaktworkshop auf der Basis eines
27
Arbeitsplans statt, der die Vorbereitung oder die Ergebnisse des Workshops berücksichtigt.
Über die Ergebnisse der Beratungsgespräche wird von der jeweiligen Kollegiatin bzw. dem
Kollegiaten ein Protokoll verfasst, das für Kohärenz zwischen den Beratungsterminen sorgen
soll. Der weitere Verlauf der Beratung hängt von den in dem Protokoll formulierten Zielen und
den individuellen Bedürfnissen der Kollegiatinnen und Kollegiaten ab. Es hat sich jedoch
herausgestellt, dass in der Regel Fragen des Zeit- und Projektmanagements eine zentrale
Rolle spielen. Die damit zusammenhängenden Aspekte werden in den Beratungsgesprächen
daher regelmäßig und gezielt thematisiert. Außerdem werden die Promovierenden angeregt,
so früh wie möglich mit der Niederschrift ihrer Forschungsergebnisse zu beginnen.
Zum Pflichtprogramm zählt auch eine Schulung zur Sicherung der Good Scientific Practice,
die vom Science Support Center angeboten wird und jeweils im dritten Semester stattfindet.
Die Universität Duisburg-Essen hat, in Anlehnung an die Empfehlungen der DFG,
entsprechende Grundsätze zur Guten Wissenschaftlichen Praxis und zum Umgang mit
Forschungsdaten veröffentlicht und dabei diesen Prinzipien bei der Ausbildung des
wissenschaftlichen Nachwuchses eine besondere Bedeutung zuerkannt.
4.1.3 Optionales Programm
Die neue Promotionsordnung lenkt das Augenmerk noch einmal verstärkt auf die Ziele einer
Verbesserung der Qualifikation der Doktoranden in der Breite, eingeschlossen einer
Entwicklung von Schlüsselkompetenzen. In diesem Zusammenhang hat sich auch die Ein-
bindung der Postdoktorandenstelle in das Graduiertenkolleg als sehr sinnvoll erwiesen, indem
erfahrenere Mitglieder ihre Kenntnis des Wissenschaftsbetriebs weitervermitteln und als
soziale Vorbilder fungieren. Im gleichen Kontext ist ferner ein von den Kollegiatinnen und
Kollegiaten und dem Postdoc eigenverantwortlich organisierter Arbeitskreis zu nennen, der
die Förderung von Selbstständigkeit und die Ausbildung eines wissenschaftlichen Habitus zum
Ziel hat. Der Arbeitskreis wurde von der ersten Kohorte beispielsweise erfolgreich zur
gemeinsamen Vorbereitung des Kollegskolloquiums und eines eigenständig organisierten
Doktorandentags genutzt, zu dem sie Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler
von anderen Universitäten bzw. aus verwandten Projekten eingeladen haben.
Die Vermittlung fachspezifischer Kompetenzen ist in erster Linie Aufgabe der antrag-
stellenden Hochschullehrerinnen und -lehrer. Für die Vermittlung überfachlicher Kompe-
tenzen, also praxis- oder berufsbezogener Kenntnisse und Fähigkeiten, können die
Kollegiatinnen und Kollegiaten auf ein breites Angebot der Universität Duisburg-Essen
zurückgreifen, die für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine auf Nach-
haltigkeit zielende Infrastruktur bereitstellt. In der zweiten Förderphase sollen die ent-
sprechenden Veranstaltungsangebote für die Kollegiatinnen und Kollegiaten aber noch ziel-
gerichteter organisiert werden. Zum einen wird es eine zentrale Bedarfsermittlung durch die
Sprecher und den Koordinator geben, in der gezielt nach den individuellen Wünschen gefragt
wird. Das hat neben der Herstellung eines individuellen Zuschnitts der Weiterbildung den
Vorteil, dass den Anbietern der konkrete Bedarf des Nachwuchses übermittelt werden kann.
Die „Werkstatt Wissenschaftskarriere“ der Universität Duisburg-Essen bündelt solche
Angebote und schneidet ihre Angebote passgenau auf die Bedürfnisse der Kollegiatinnen und
Kollegiaten zu.
Im Hinblick auf das Zeitmanagement wird auf den guten Erfahrungen in der ersten Phase des
Kollegs aufgebaut. Die im vierteljährlichen Rhythmus stattfindenden Beratungsgespräche mit
den Betreuerinnen und Betreuern und die Zwischenberichte der Kollegiatinnen und Kollegiaten
nach dem ersten Jahr gewähren eine ausgezeichnete Erfolgskontrolle und Unterstützung. Je
nach individueller Bedarfslage werden weitere Unterstützungsmöglichkeiten individuell maß-
geschneidert. Hierzu hält die Universität Duisburg-Essen mit dem Netzwerk dokFORUM und
28
den Frühjahrs- und Herbstakademien des ScienceCareerNet Ruhr ein strukturiertes Angebot
bereit. Um Veranstaltungen je nach Bedarfslage im Rahmen des Kollegs zu organisieren,
werden ggf. auch externe Experten herangezogen.
4.1.4 Vernetzung, Integration und Kohortenübergang
Die im Erstantrag entworfenen Integrations- und Übergangsprozeduren haben sich gut
bewährt. Die Kollegiatinnen und Kollegiaten der zweiten Kohorte fanden eine offene und
integrative Situation vor, die durch kommunikative und organisatorische Verzahnung mit der
ersten hergestellt wurde. Die Angehörigen beider Kohorten durchliefen im WS 2016/17
gemeinsam das Kollegskolloquium, beim Abschlusskolloquium der ersten Kohorte im Oktober
2016 war bereits ein Großteil der zweiten anwesend und konnte so in den Diskussionsstand
eingeführt werden. Weiterhin sichern der Postdoktorand, die Forschungsstudentinnen und –
studenten sowie der Koordinator einen nahezu reibungslosen Übergang, indem sie die neu
Hinzukommenden mit den Gepflogenheiten des Graduiertenkollegs vertraut machen. Die
neuen Kollegiatinnen und Kollegiaten sind ferner in den Forschungskolloquien präsent, die
von den unterschiedlichen Abteilungen des Historischen Instituts angeboten werden.
Grundsätzlich förderlich für die Integration ist die räumliche Nähe aller am Graduiertenkolleg
beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Eine organisatorische Verschränkung der beiden Kohorten ist, wie im Erstantrag beschrieben,
über den gemeinsam mit den Absolventen der ersten Kohorte veranstalteten Auftaktworkshop
am Kulturwissenschaftlichen Institut erfolgt. Im Februar 2017 haben an diesem Workshop die
Kollegiatinnen und Kollegiaten der ersten Kohorte teilgenommen und mit Kommentaren zu
den Forschungsskizzen der neu Hinzugekommenen zum Gelingen der Veranstaltung
maßgeblich beigetragen. Sie sind dabei mit ihren Nachfolgern über ihren jeweiligen
Forschungs- und Arbeitsprozess ins Gespräch gekommen und haben auf diese Weise
wichtige Informationen weitergegeben, die auf anderem Wege schwer zu vermitteln sind.
Darüber hinaus werden mittels der im Erstantrag beantragten Anschubfinanzierung drei
exzellente Kollegiatinnen (Franziska Klein, Anna Michaelis und Sabrina Schmitz-Zerres) für
ein weiteres Jahr am Studienprogramm teilnehmen und zum Austausch mit den
Hinzugekommenen bereitstehen. Da mehrere Kollegiatinnen und Kollegiaten aus der ersten
Kohorte Elternzeiten wahrgenommen haben, ergeben sich weitere zeitliche Überschnei-
dungen, die den Kohortenübergang erleichtern.
Zur Integration von ggf. zwischenzeitlich hinzukommenden Kollegiatinnen und Kollegiaten
kann auf die Erfahrungen zurückgegriffen werden, die während der ersten drei Jahre des
Kollegs gesammelt wurden. Durch gezielte Maßnahmen konnte dafür gesorgt werden, dass
Helen Wagner seit November 2015 und Kyra Palberg seit Mai 2016 unverzüglich mit der Arbeit
des Graduiertenkollegs vertraut gemacht wurden. Zum einen haben sie am Abschluss-
kolloquium der ersten Kohorte aktiv teilgenommen; Helen Wagner konnte dort das Konzept
ihres Dissertationsvorhabens erstmals öffentlich vorstellen. In die konzeptionellen Über-
legungen, die dem Graduiertenkolleg zugrunde liegen, haben sie sich durch Lektüre eines
umfassenden Readers eingearbeitet. Anschließend sind die Ergebnisse der Lektüre in
intensiven Beratungsgesprächen mit ihren Betreuern und mit dem Sprecher reflektiert worden.
4.2 Mercator-Fellow und Gäste
Der Vernetzung der Kollegiaten mit Forscherinnen und Forschern anderer Universitäten und
Forschungseinrichtungen dienen auch in der zweiten Förderphase die Mercator-Professur und
die auswärtigen Gäste des Kollegs. Während der ersten Förderphase, im akademischen Jahr
2014/15, leistete der Mercator-Fellow, Prof. Dr. Franz-Josef Arlinghaus, einen wichtigen
29
Beitrag für die methodische Entwicklung der Dissertationsprojekte und für die Vermittlung von
nationalen und internationalen wissenschaftlichen Kontakten. Wegen dieser ausgezeichneten
Erfahrungen beantragt das Graduiertenkolleg auch für die zweite Förderphase Mittel für zwei
Mercator-Fellows für jeweils ein Jahr, damit die Kollegiaten aller drei Kohorten in Austausch
mit einem angesehenen auswärtigen Wissenschaftler treten können, der für ein Jahr im
Kontext des Graduiertenkollegs forscht. Als Mercator-Fellow für die zweite Kohorte ist die
Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Eva Horn (Universität Wien) vorgesehen, mit der – vorbe-
haltlich der Weiterbewilligung des Kollegs – ein Aufenthalt in Essen vom 1. Oktober 2018 bis
zum 30. September 2019 vereinbart ist. Eva Horn ist ausgewiesene Expertin für die Fragen
nach zukunftsbezogenen Imaginarien, wie sie sich in verschiedensten kulturellen Repräsen-
tationen vom 18. Jahrhundert bis in die aktuelle Zeit darstellen.57 Sie wird dazu beitragen das
Problem zu klären, wie in der Moderne durch fiktionale Artefakte des völlig Unbekannten,
„unknown unknowns“ in den Bereich der „known unknowns“ überführt werden. Damit bietet sie
eine passgenaue Ergänzung und Erweiterung der an der Fakultät für Geisteswissenschaften
der Universität Duisburg-Essen vorhandenen Expertise für die nächste Phase des Graduier-
tenkollegs, in der Narrativierungen und Verbildlichungen von Kontingenz einen breiteren Raum
einnehmen sollen als bislang.
Auch für die dritte und letzte Kohorte der Kollegiatinnen und Kollegiaten, damit zugleich für die
abschließende Phase des Graduiertenkollegs, wird eine Mercatorprofessur im akademischen
Jahr 2021/22 beantragt. Es ist beabsichtigt eine Person auszuwählen, die exzellente Expertise
zur Geschichte der Umbrüche in der sog. „Sattelzeit“ mitbringt, um die zentralen Annahmen
Reinhart Kosellecks noch einmal kritisch zu würdigen. Das Forschungsprogramm würde
vervollständigt und abgerundet, wenn in der Diskussion mit einer Kennerin bzw. einem Kenner
dieses geschichtstheoretischen Interpretaments die verschiedenen Differenzbestimmungen
zwischen europäischer und globaler Moderne zu anderen Epochen und Weltregionen im
Lichte der Arbeiten am Graduiertenkolleg reflektiert werden könnten. Zur Zeit sind für die
Mercatorprofessur in der letzten Kollegsphase noch mehrere Kandidatinnen und Kandidaten
im Gespräch.
Als Gäste, die innerhalb der verschiedenen Formate des Graduiertenkollegs (Lectures,
Workshops, Tagungen, Ringvorlesungen) Vorträge halten und mit den Kollegiatinnen und
Kollegiaten diskutieren werden, sind einschlägig arbeitende Kolleginnen und Kollegen ins
Auge gefasst. Einladungen sind zum Zeitpunkt der Antragstellung für die Ringvorlesung im
Wintersemester 2017/18 ausgesprochen worden58; weitere Anfragen für die Folgezeit erfolgen
in Abstimmung mit den Kollegiatinnen und Kollegiaten, um auf deren konkrete Bedürfnisse
reagieren zu können.
Prof. Dr. Michele Barricelli (Historisches Seminar, LMU München)
Prof. Dr. Vivian Bickford-Smith (History Department, University of Cape Town)
Prof. Dr. Arndt Brendecke (Historisches Seminar, LMU München)
Prof. Dr. Ulrich Bröckling (Institut für Soziologie, Freiburg)
Prof. Dr. Peter Burschel (Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel)
Prof. Dr. Horst Carl (Historisches Institut, Gießen)
Prof. Dr. Eckart Conze (Historisches Seminar, Marburg)
Prof. Dr. Christoph Cornelißen (Historisches Seminar, Frankfurt/Main)
Dr. Isabelle Deflers (Historisches Seminar, Freiburg)
Prof. Dr. Heiko Droste (Institute of Urban History, Stockholm)
57 Eva Horn, Der Untergang als Experimentalraum. Zukunftsfiktionen vom Ende des Menschen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 51-52 (2012), S. 64-77, dies., Überlebensgemeinschaften. Zur Biopolitik der Katastrophe, in: Merkur 10/11 (2013), S. 992-1004; dies., Zukunft als Katastrophe. Fiktion und Prävention, Frankfurt a.M. 2014. 58 Zusagen: Rüdiger Graf, Stefan Hanß, Reinhart Kößler, Albrecht Koschorke und Thomas Welskopp.
30
Prof. Dr. Saul Dubow (Faculty of History, Cambridge)
Prof. Dr. Renate Dürr (FB Geschichtswissenschaft, Tübingen)
Prof. Dr. Christophe Duhamelle (EHESS-CRH, Paris)
Prof. Dr. Birgit Emich (Historisches Seminar, Frankfurt/Main)
Prof. Dr. Dietrich Erben (Fakultät für Architektur, TU München)
Prof. Dr. Laurence Fontaine (Centre Maurice-Halbwachs, CNRS-ENS-EHESS Paris)
Prof. Dr. Ewald Frie (FB Geschichtswissenschaft, Tübingen)
Prof. Dr. Alexander Geppert (NYU Center for European and Mediterranean Studies)
Prof. Dr. Robert Gordon (Department of Anthropology, University of Vermont)
Dr. Rüdiger Graf (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam)
Prof. Dr. Albert Grundlingh (History Department, Stellenbosch SA)
Dr. Stefan Hanß (Faculty of History, Cambridge)
Prof. Dr. Andreas Hasenclever (FB Geschichtswissenschaft, Tübingen)
Prof. Dr. Isabel Heinemann (Historisches Seminar, WWU Münster)
Daniel Hohrath (Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt)
Prof. Dr. Christoph Kampmann (Historisches Seminar, Marburg)
Prof. Dr. Christian Kiening (Deutsches Seminar, Universität Zürich)
Prof. Dr. Ulrike Kistner (Department of Philosophy, University of Pretoria)
Prof. Dr. Christian Kleinschmidt (Historisches Seminar, Marburg)
Prof. Dr. Wolfgang Knöbl (Hamburger Institut für Sozialforschung)
Prof. Dr. Reinhart Kößler (Arnold Bergstraesser Institut, Freiburg)
Prof. Dr. Albrecht Koschorke (FG Germanistik, Konstanz)
Prof. Dr. Bernhard R. Kroener (Historisches Institut, Potsdam)
Prof. Dr. Roman Loimeier (Institut für Ethnologie, Göttingen)
Prof. Dr. Maren Lorenz (Fak. für Geschichtswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum)
Dr. Stephen Louw (Political Studies, Johannesburg SA)
Prof. Dr. Benjamin Marschke (Dep. of History, Humboldt State University, California)
Dr. Andrew Mendelsohn (School of History, Queen Mary University London)
Dr. Markus Meumann (Forschungszentrum Gotha, Universität Erfurt)
Prof. Dr. Martin Mulsow (Forschungszentrum Gotha, Universität Erfurt)
Prof. Dr. Jutta Nowosadtko (Helmut Schmidt- Universität der Bundeswehr, Hamburg)
Prof. Dr. Steffen Patzold (FB Geschichtswissenschaft, Tübingen)
Prof. Dr. Lutz Raphael (FB Geschichte, Trier)
Prof. Dr. Stefan Rebenich (Historisches Institut, Bern)
Prof. Dr. Folker Reichert (Historisches Institut, Stuttgart)
Prof. Dr. Bernd Roling (Institut für Griechische und Lateinische Philologie, FU Berlin)
Prof. Dr. Martin Sabrow (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam)
Prof. Dr. Gerd Schwerhoff (Institut für Geschichte, TU Dresden)
Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger (Historisches Seminar, WWU Münster)
Prof. Dr. Julia Tischler (Departement Geschichte, Basel)
Prof. Dr. Helmuth Trischler (Deutsches Museum München)
Prof. Dr. phil. Joseph Vogl (Institut für deutsche Literatur, HU Berlin)
Prof. Dr. Thomas Welskopp (Fak. Geschichte, Bielefeld)
Prof. Dr. Dorothea Weltecke (FB Geschichte und Soziologie, Konstanz)
4.3 Weitere Qualifizierungsmaßnahmen
Bei elf Teilnehmern pro Kohorte, im Verlängerungsfall also insgesamt 33 Absolventinnen und
Absolventen, ist nicht von einem hundertprozentigen Verbleib in der Wissenschaft auszu-
gehen, auch wenn die akademische Karriere das Primärziel eines Graduiertenkollegs darstellt.
31
Die Betreuerinnen und Betreuer nutzen daher bestehende Netzwerke und Kooperations-
partner für die Kontaktaufnahme zu solchen Experten und Institutionen, die in Feldern
„angewandter Kontingenzbewältigung“ tätig sind (Politik, Kultur, Wirtschaft im Raum Rhein-
Ruhr und darüber hinaus). Die Fakultät für Geisteswissenschaften verfügt außerdem über ein
Zentrales Praktikumsbüro, das konkrete Angebote vermittelt und regelmäßig Karriere-
veranstaltungen zum Thema „Geisteswissenschaften und Beruf“ veranstaltet. Vervollständigt
wird dieses Angebot durch den Geschäftsbereich „Career Service“ des Akademischen
Beratungs-Zentrums Studium und Beruf (ABZ) der Universität Duisburg-Essen.
Im Vordergrund eines Graduiertenkollegs steht freilich der Erwerb wissenschaftlicher Qualifi-
kationen. Das Historische Institut bietet zahlreiche Forschungskolloquien (Althistorisches
Kolloquium, Mediävistisches Kolloquium, Kolloquium zur Geschichte, Sprache und Kultur des
Niederrheinraums, Kolloquium zur außereuropäischen und frühneuzeitlichen Geschichte,
Kolloquium zur Neueren und Neuesten Geschichte, Geschichtsdidaktisches Forschungs-
kolloquium), die in jedem Semester stattfinden. Hinzu kommen universitätsübergreifend das
Historische Doktorandenkolleg Ruhr, der Arbeitskreis Mediävistik NRW und die Althistorische
Arbeitsgemeinschaft NRW. Die Teilnahme an thematisch einschlägigen Veranstaltungen wird
den Kollegiaten zur Einübung in den jeweils epochenspezifischen Diskussionszusammenhang
empfohlen.
Das Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) bietet darüber hinaus ein vielfältiges Programm zu
den Themenschwerpunkten Erinnerungskultur, kulturelle Globalisierung und gesellschaftliche
Verantwortung an, das für die Mitglieder des Graduiertenkollegs geöffnet ist. Die
hervorragende Kooperation mit dem KWI soll fortgesetzt und weiter intensiviert werden, indem
eine Reihe von öffentlichen lectures internationaler Gäste zum Thema des Kollegs,
Akademien für Kollegiaten sowie Doktoranden der UAR-Universitäten und die Unterstützung
des Gastwissenschaftlerprogramms durchgeführt werden. Mit den Rahmen- und Vortrags-
programmen der weiteren Kooperationspartner (Urbane Systeme, Graduiertenkolleg 1613
„Risk and East Asia“, Alte Synagoge und Steinheim-Institut) stehen den Kollegiaten ebenfalls
bevorzugt Weiterbildungsmöglichkeiten offen. Darüber hinaus sind das Käte Hamburger
Kolleg „Centre for Global Cooperation Research“ sowie das Verbundprojekt „Big Risks“ neue
Kooperationspartner, mit denen im Rahmen internationaler Programme gemeinsame
Veranstaltungen in englischer Sprache möglich sind.
Die Kollegiatinnen und Kollegiaten werden angeregt, internationale Kontakte aufzubauen und
sich mit ihren Ergebnissen auf geeigneten Jahreskonferenzen (des Deutschen Historiker-
verbandes, der American Historical Association, der German Studies Association etc.) zu
präsentieren sowie nach Bedarf an internationalen Summer Schools teilzunehmen. Die
Betreuer verpflichten sich weiterhin, ihre Kontakte zu Institutionen und einzelnen Kolleginnen
und Kollegen zu nutzen, so dass sich den Kollegiatinnen und Kollegiaten Möglichkeiten zu
Gastvorträgen und Gastaufenthalten eröffnen (siehe hierzu Abschnitt 4.3 im Bericht sowie die
Einzelberichte der Kollegiatinnen und Kollegiaten, die deren vielfältige Aktivitäten in der ersten
Förderphase darlegen, in Anhang 2 des Berichts).
Über die Vernetzung im Fach Geschichte sowie in den Geisteswissenschaften hinaus bietet
die Universität Duisburg-Essen ihren Promovendinnen und Promovenden zahlreiche Fort- und
Weiterbildungsmöglichkeiten. Wie schon die Mitglieder der ersten Kohorte sollen auch die der
zweiten und dritten Kohorten überfachliche Qualifikationen im Rahmen universitätsinterner
Veranstaltungen, z.B. zu Präsentationstechniken oder in Kursen im Rahmen des DokForums
sowie in der allgemeinen Schreibberatung für Promovierende erwerben. Kurse zum Zeit-
management, zur Projektplanung und Seminare zur „good scientific practice“ werden in
Kooperation mit anderen an der Universität Duisburg-Essen angesiedelten Forschungs-
verbünden organisiert.
32
Vermittels des Studienprogramms und ergänzender Maßnahmen können die Kollegiatinnen
und Kollegiaten auch weitergehende Kompetenzen erwerben, die sie für einen breiteren
Arbeitsmarkt qualifizieren (z.B. in den Bereichen Wissenschaftsmanagement, Verlage,
Öffentlichkeitsarbeit, politische Bildung u.a.m.). In diesem Zusammenhang sei auf die
Herbstakademie für Promovierende des Science Career Net Ruhr (SCNR) und die „Werkstatt
Wissenschaftskarriere“ am Zentrum für Hochschulentwicklung hingewiesen (vgl. dazu 5), die
ein breites unterstützendes Angebot bereitstellt. Kollegiaten können in diesem Rahmen u.a.
das „NRW-Zertifikat für Lehrende“ erwerben, das bundesweit anerkannt wird.
5. Betreuung und Karriereförderung, Chancengleichheit, Organisation und Qualitätsmanagement
5.1 Ausschreibungs- und Auswahlverfahren
Die Zulassung in das Graduiertenkolleg setzt gemäß der Promotionsordnung der Universität
Duisburg-Essen ein abgeschlossenes Geschichtsstudium mit den Abschlüssen Magister,
Master, Staatsexamen oder vergleichbare Abschlüsse ausländischer Universitäten voraus.
Die Postdoktoranden-Stelle wird für jeweils zwei Jahre mit einer Option auf ein drittes Jahr
besetzt. Voraussetzung ist eine herausragende Promotion (mindestens magna cum laude)
und die Entwicklung eines Forschungsvorhabens, das nicht nur zur Fragestellung des
Graduiertenkollegs passt, sondern das verspricht, dessen Konzept und/oder Methodik weiter-
zuentwickeln. Die Postdoktoranden sollen ihre Tätigkeit im Rahmen des Kollegs dazu nutzen,
ein solches Forschungsvorhaben (Habilitation oder „zweites Buch“) entweder abzuschließen
oder ein entsprechendes Projekt zur Antragsreife zu bringen.
Sämtliche Stellen werden international öffentlich ausgeschrieben. Alle Bewerberinnen und
Bewerber sind aufgefordert, ein Exposé über ihr Promotionsvorhaben einzusenden sowie
Lebenslauf, Motivationsschreiben und ein Gutachten des bisher betreuenden Hochschul-
lehrers. Das Auswahlverfahren durchläuft folgende Phasen: Im ersten Schritt wählt das
Leitungsgremium des Graduiertenkollegs die Bewerbungen aus, die den formalen
Anforderungen entsprechen. Daraufhin erstellen je zwei Professorinnen und Professoren des
Historischen Instituts (ggf. auch auswärtige Kolleginnen und Kollegen) Kurzgutachten über die
ausgewählten Bewerbungen. Auf ihrer Grundlage entscheidet das Leitungsgremium darüber,
welche Bewerberinnen und Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Diese
Gespräche finden in Gegenwart der Sprecher des Graduiertenkollegs und der beiden
Gutachter statt. Abschließend entscheidet das Leitungsgremium über die Bescheide und eine
Nachrückerliste.
Für die Beurteilung der eingegangenen Bewerbungen sind 1. die thematisch-methodische
Einschlägigkeit des Themenvorschlags, 2. dessen Innovationspotential, 3. seine Machbarkeit
und 4. das allgemeine Qualifikationsprofil der Bewerberin bzw. des Bewerbers ausschlag-
gebend. Darüber hinaus wird angestrebt, Epochen und Themenfelder angemessen zu
berücksichtigen, wobei das Prinzip der Bestenauslese stets Vorrang hat. Eine Altersgrenze für
die Bewerber wird nicht vorgegeben. Elternzeiten sind beim Vergleich von Bewerbungen zu
berücksichtigen.
Neben den durch Stellen finanzierten Promovierenden werden weitere Doktorandinnen und
Doktoranden, darunter Mitarbeiter in laufenden Forschungsprojekten mit geeigneten Themen,
als assoziierte Mitglieder des Graduiertenkollegs zugelassen und nehmen am Studien- und
Qualifikationsprogramm teil. Derzeit sind elf Kollegiatinnen und Kollegiaten dem Kolleg
assoziiert, überwiegend aus dem Mittelbau des Historischen Instituts, aber auch aus
Institutionen, mit denen Kooperationen vereinbart sind.
33
5.2 Betreuungskonzept und Karriereförderung
Das Betreuungskonzept sieht vor, dass jede Kollegiatin und jeder Kollegiat kontinuierlich von
jeweils zwei Professorinnen und Professoren als Mentoren betreut wird, mit denen sie
zweimal pro Semester ein Beratungsgespräch führen, in dem der Fortgang der Arbeit am
Promotionsvorhaben, organisatorische Fragen und die persönliche Entwicklung besprochen
werden. Eines der primären Ziele des Graduiertenkollegs besteht in der Förderung der
wissenschaftlichen Selbstständigkeit der Kollegiatinnen und Kollegiaten. Dazu dient zum
einen das Studienprogramm, das Elemente selbstverantwortlicher Organisation enthält (z. B.
Mitorganisation des Gastwissenschaftlerprogramms, Vorträge innerhalb der Kolloquien, aktive
Teilnahme am Arbeitskreis), zum anderen die Möglichkeiten des Austauschs mit den
Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern.
Erfolgskontrollen erfolgen zum einen durch die im vierteljährlichen Rhythmus stattfindenden
Beratungsgespräche mit den Betreuerinnen und Betreuern, zum anderen dadurch, dass die
Kollegiatinnen und Kollegiaten nach einem Jahr einen Zwischenbericht über den Stand ihrer
Dissertation verfassen, den sie mit den Betreuungspersonen besprechen und der
anschließend Gegenstand der Diskussion im Kollegskolloquium wird. Dieses Vorgehen dient
zur Sicherung und Evaluierung der ersten Arbeitsergebnisse.
Je nach individueller Bedarfslage werden darüber hinaus Unterstützungsmöglichkeiten maß-
geschneidert, wobei man sowohl auf die Angebote der Universität Duisburg-Essen (z.B. der
Schreibwerkstatt im Institut für Optionale Studien oder das Netzwerk dokFORUM)
zurückgreifen, als auch, wo nötig, externe Experten heranziehen kann.
Weitere Hilfen stellt das Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses der
Universität Duisburg-Essen bereit, das finanzielle Unterstützung für Personen bis vier Jahre
nach der Promotion zur Vorbereitung des ersten selbständigen Drittmittelprojektes bietet.
Aktuell wurde ein neues Drittmittelanreizsystem eingeführt, welches eingeworbene Drittmittel
bonifiziert und Erstantragstellenden eine finanzielle Anschubförderung in Höhe von 10.000 €
gewährt. Zudem profitieren Postdocs von dem Anschub- und Projektförderung von MERCUR;
beide Programmlinien richten sich an den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das Science
Support Centre (SSC) bietet Unterstützung bei der Recherche von Förderoptionen und der
Verfassung von Drittmittelanträgen. Zusätzliche Optionen bieten die „Werkstatt Wissen-
schaftskarriere“ des SSC und das ScienceCareerNet Ruhr (SCN Ruhr), eine Initiative der
Universitätsallianz Ruhr (UAR) zur überfachlichen Karriereförderung für Promovierende und
Post-Docs (hierzu http://www.scn-ruhr.de/karriereforum/).
5.3 Chancengleichheit in der Wissenschaft
Die Chancengleichheit von Männern und Frauen in der Wissenschaft ist eine zentrale Maxime
des Graduiertenkollegs, das sich hierfür in einem hervorragenden Umfeld befindet. Sowohl die
Universität Duisburg-Essen als auch das Historische Institut haben bereits große Erfolge auf
dem Gebiet der Gleichstellung erzielt.
Die Universität Duisburg-Essen hat im Oktober 2008 als erste deutsche Hochschule ein
eigenes Prorektorat für Diversity Management eingerichtet. Neben der Verbesserung der
Studienbedingungen für Studierende mit Migrationshintergrund ist dabei die Gleichstellung
von Wissenschaftlerinnen ein zentrales Anliegen. Im Rahmen des „Diversity-Wettbewerbs des
Landes NRW“ wurde die Universität Duisburg-Essen Ende 2012 ausgezeichnet, insbesondere
für die sich ergänzenden Maßnahmen im Bereich Gleichstellung und Diversität. 2013 erhielt
die UDE den Deutschen Diversity Preis, vergeben von der Wirtschaftswoche und Mc Kinsey
& Company. Für ihr Gleichstellungskonzept wurde die Universität Duisburg-Essen mehrfach
34
ausgezeichnet, insbesondere mit dem Total E-Quality Prädikat. Dieses Prädikat wurde
kontinuierlich seit 2007 verliehen, letztmalig im Juli 2016 für drei Jahre. Gleichstellung und
Frauenförderung sind an der Universität Duisburg-Essen flächendeckend in die Instrumente
der Hochschulentwicklung und -steuerung integriert. So sind Gleichstellungsziele im
Hochschulentwicklungsplan (2016–2020) festgelegt und in den internen Ziel- und Leistungs-
vereinbarungen der Hochschulleitung mit den Fakultäten sind Gleichstellungsaspekte ein
integraler Bestandteil. Auch die durch das Landesgleichstellungsgesetz vorgegebenen
Frauenförderpläne sind ein wichtiges Instrument der Organisationsentwicklung.
Das Historische Institut hat für die Phasen der wissenschaftlichen Karriere, die an den
Studienabschluss anschließen, Chancengleichheit weitgehend hergestellt. Im Mittelbau liegt
der Frauenanteil unter den Doktorandinnen und Doktoranden bei circa 50 %, unter den
Postdoktorandinnen und Postdoktoranden bei 73 %. Bei den Professuren sind derzeit 30 %
der Stelleninhaber Frauen; dieser Anteil ist jüngst durch Einwerbung einer Juniorprofessur für
Türkische Geschichte erhöht worden, die mit Frau Prof. Dr. Berna Pekesen besetzt werden
konnte. Ihre Stelle ist, eine erfolgreiche Evaluation vorausgesetzt, bis zum 30. November 2022
gesichert.
A. Kollegiatinnen und Kollegiaten
35
B. Beteiligte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
5.3.1 Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Karriere und Familie
Eines der größten Hindernisse bei der Herstellung von Chancengleichheit in der Wissenschaft
sind Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Beruf und Familie. Das Graduiertenkolleg 1919
legt daher weiterhin großen Wert auf die Möglichkeit der Vereinbarkeit von Elternschaft und
Beruf, die von der ersten Kohorte des Kollegs bereits eindrücklich nachgewiesen wurde.59 Die
Universität Duisburg-Essen gewährleistet den Eltern unter den Kollegiatinnen und Kollegiaten
deshalb vielfältige Unterstützungsangebote. In erster Linie bietet das Kolleg eine Kinder-
betreuung an, die den spezifischen Bedürfnissen von Promovendinnen und Promovenden
gerecht wird. Hier kann es auf die hervorragenden Betreuungsangebote der Universität
Duisburg-Essen zurückgreifen, die 2005 ein Elternservicebüro eingerichtet hat. Diese
Beratungsstelle hilft bei Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kinderbetreuungs-
möglichkeiten, Mutterschutz, Elternzeit und Elterngeld. Das Elternservicebüro verfügt über
eine universitätseigene Tagespflegestelle an beiden Campi (DU-E-Kids) und bietet eine
Schulferienbetreuung und Babysitter-Vermittlung. Kinderbetreuungsangebote für Kinder von
(Promotions-)Studierenden werden vom Studentenwerk Essen-Duisburg betrieben. Die
Kindertagesstätten nehmen Kinder ab 4 Monaten bis zum Schulalter auf und bieten eine
ganztägige Betreuung an.
Die Pflichtveranstaltungen des Kollegs finden zu Zeiten statt, in denen eine Kinderbetreuung
durch die Universität in der Regel gewährleistet ist. Seit dem Wintersemester 2012/13 wurde
ergänzend eine Kurzzeitbetreuung in Randzeiten in Kooperation mit dem Studentenwerk
59 Von den Kollegiatinnen und Kollegiaten sowie den Postdocs der ersten Kohorte sind im Förderzeitraum sechs Eltern geworden.
36
Essen-Duisburg eingerichtet. Diese steht (Promotions-)Studierenden sowie Beschäftigten zur
Verfügung zur flexibel buchbaren Betreuung ihrer Kinder im Alter von 6 Monaten bis 13 Jahren.
Besondere Betreuungsangebote für die Kollegiatinnen und Kollegiaten bestehen außerdem
während Konferenzen, Archiv- oder Auslandsaufenthalten sowie in Notsituationen (plötzliche
Erkrankungen, plötzlicher Ausfall von Betreuungsmöglichkeiten etc.). Für letztere kann das
Kolleg auf den „Feuerwehrtopf“ des Prorektorats für Diversity Management für Nachwuchs-
wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit Kind(ern) zurückgreifen, bei dem Mittel in Höhe
von bis zu 50 % der anfallenden Kosten für außergewöhnliche Belastungen bei der Kinder-
betreuung beantragt werden können. Das Land Nordrhein-Westfalen stellt den Hochschulen
überdies Mittel zur Überbrückung von Ausfallzeiten, die durch Mutterschutzfristen entstehen
können, zur Verfügung.
5.3.2 Karrierefördermaßnahmen für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Die Förderung der beruflichen Orientierung und Karriere für Studentinnen, Absolventinnen und
Nachwuchswissenschaftlerinnen wird an der Universität Duisburg-Essen ebenso voran-
getrieben wie geschlechterübergreifende Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Karriere und
Familie.
Gezielte Programme zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen werden im Science
Support Centre der Universität durch den Kompetenzbereich „Akademische Karriere-
förderung“ angeboten. Diese Angebote stehen dem Graduiertenkolleg offen und können nach
individuellem Bedarf gebucht werden. Sie umfassen überfachliche Seminare und
Veranstaltungen zur Aneignung von Schlüsselqualifikationen für Studium, Beruf und wissen-
schaftliche Karriere, sowie gezielte Mentoring-Programme. So bietet das ScienceCareerNet
Ruhr als Kooperation der drei Ruhrgebietsuniversitäten für Doktorandinnen und Post-
doktorandinnen das Projekt mentoring3 an. Es wird im jährlichen Wechsel für Doktorandinnen
und Postdoktorandinnen/Habilitandinnen angeboten.
5.4. Organisation
Das Kolleg wird auch in der zweiten Förderphase von Prof. Dr. Stefan Brakensiek (als
Sprecher) und Prof. Dr. Benjamin Scheller (als stellvertretender Sprecher) geleitet. Sie werden
dabei durch den Koordinator des Graduiertenkollegs, Dr. Olav Heinemann, unterstützt. Bei
allen inhaltlichen Fragen beteiligen sich die übrigen Mitglieder des Leitungsgremiums gemäß
ihrer fachlichen Expertise.
Die grundlegenden Entscheidungen trifft das Leitungsgremium, zu dem die antragstellenden
Professoren des Historischen Instituts als Vollmitglieder zählen sowie als Mitglieder mit
beratender Stimme der Koordinator, der Postdoktorand und zwei gewählte Vertreter der
Kollegiatinnen und Kollegiaten. Das Leitungsgremium entscheidet in alle Grundsatzfragen,
insbesondere über die Zulassung von neuen Kollegiatinnen und Kollegiaten.
Die Kollegiatinnen und Kollegiaten werden in die Planung des Studienprogramms einbezogen.
Sie übernehmen Mitverantwortung für die inhaltliche Gestaltung und Planung der
Ringvorlesung der Gäste, der summer school und des Abschlusskolloquiums. Die Organi-
sation dieser Veranstaltungen obliegt dem Koordinator, unterstützt von den Forschungs-
studentinnen und -studenten.
5.5. Weitere Aspekte des Qualitätsmanagements
Das Graduiertenkolleg wird begleitet durch das Zentrum für Hochschul- und Qualitätsent-
wicklung der Universität Duisburg-Essen. Im Mittelpunkt des QE-Konzepts stehen Verfahren
37
der institutionellen Evaluation gemäß der Evaluationsordnung der Universität. Das Historische
Institut hat eine interne Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit dem Rektorat getroffen, die
durch eine interne Evaluation und durch externe Gutachten einer regelmäßigen Kontrolle
unterzogen wird. Die Fortschritte des Graduiertenkollegs sind Gegenstand dieser Verfahren.
Das Graduiertenkolleg strebt die Berücksichtigung relevanter Gender- und Diversity-Aspekte
an.
Die Entwicklung des Forschungs- und Qualifizierungsprogramms wird durch die Sprecher und
die Mitglieder des Leitungsgremiums während einer jährlich stattfindenden Klausurtagung auf
Basis der Zwischenberichte der Kollegiaten kritisch hinterfragt, sodass entsprechende
Korrekturmaßnahmen getroffen werden können. Die doppelte Betreuungsstruktur sowie die
Mitarbeit des Koordinators gewährleisten eine dichte Kommunikation. Daten aus den
Bewerbungs- und Auswahlverfahren werden von der Koordinationsstelle ausgewertet und
archiviert.
Als Kriterien für den Erfolg des Kollegs werden gewertet:
Zahl der abgeschlossenen Dissertationen
Karriereentwicklung der Kollegiaten
Einladungen zu wissenschaftlichen Vorträgen und Konferenzteilnahmen
Wissenschaftliche Publikationen
Evaluation durch die Graduierten nach Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses.
6. Umfeld des Graduiertenkollegs
6.1.1 Vernetzung Historisches Institut und Kooperationspartner des Graduiertenkollegs innerhalb der Universität und der Universitätsallianz Ruhr
Die Universität Duisburg-Essen konnte in den letzten Jahren die Angebote der strukturierten
Promotionsausbildung signifikant erhöhen (https://www.uni-due.de/de/forschung/struktuierte_
promotion.php). Im Lauf des Jahres 2017 wird das „UDE Graduate Centre“ seine Arbeit auf-
nehmen, das die Angebote für den wissenschaftlichen Nachwuchs der verschiedenen
Karrierestufen fakultätsübergreifend bündelt und um weitere Angebote ergänzen wird. Zudem
planen die drei Ruhrgebietsuniversitäten im Rahmen der Universitätsallianz Ruhr eine
gemeinsame Graduiertenschule, deren Aufbau seit April 2017 von MERCUR, einer
gemeinsamen Einrichtung der Stiftung Mercator und den Ruhrgebietsuniversitäten, gefördert
wird. Die Promovierenden profitieren von diesen vielfältigen Angeboten der Nachwuchs-
förderung.
Eine besondere Rolle unter den Kooperationspartnern des Graduiertenkollegs spielt das
Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) in Essen. Das KWI ist ein universitätsübergreifendes,
interdisziplinäres Forschungskolleg für Geistes- und Kulturwissenschaften in der Tradition
internationaler Advanced Study-Institute. Es versteht sich als Kristallisationskern für fachüber-
greifende Fragestellungen zur modernen Kultur, die es praxisnah bearbeitet. Das Institut
fördert ambitionierte kulturwissenschaftliche Forschungen, internationalen Austausch und
interkulturellen Dialog. Dabei bezieht es den wissenschaftlichen Nachwuchs betont ein. Mit
dem Kulturwissenschaftlichen Institut sind derzeit mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und -
wissenschaftler in fünf Themenschwerpunkten verbunden (vor Ort oder als Associate Fellows).
Anknüpfungspunkte für die Thematik des Graduiertenkollegs bietet besonders der Schwer-
punkt „Europa“. Aber auch mit den die Feldern „Interkultur“, „Klimakultur“ sowie „Partizipations-
und Kommunikationskultur“ bestehen Schnittmengen. Mit dem bisherigen Direktor Prof. Dr.
Claus Leggewie (ein Leitungswechsel steht für den Sommer 2017 bevor), der
Geschäftsführung und dem Vorstand (dem die Antragstellerin Prof. Dr. Ute Schneider
38
angehört) sind Kooperationen und intensiver Austausch zu den Projekten und zum Begleit-
programm des Graduiertenkollegs vereinbart. Außerdem soll weiterhin der Leiter des Bereichs
„Wissenschaftliche Netzwerke“ am KWI, Prof. Dr. Friedrich Jaeger, einbezogen werden. Als
anregend hat sich auch die Zusammenarbeit mit dem Projekt von Prof. Dr. Lucian Hölscher
zur „Zukunft des 20. Jahrhunderts“ erwiesen, der in Zusammenarbeit mit dem Kultur-
wissenschaftlichen Institut und einigen Professorinnen und Professoren des Historischen
Instituts Tagungen durchgeführt hat, an denen sich auch die Kollegiatinnen und Kollegiaten
sowie andere Essener Doktoranden intensiv beteiligt haben.
Das Graduiertenkolleg 1919 hat seit 2013 mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut bei
mehreren eigenen Workshops und Tagungen erfolgreich kooperiert. Auch weiterhin vorge-
sehen sind:
öffentliche lectures und interne Workshops mit internationalen Gästen zum Rahmen-
thema,
die Ausrichtung der zweiwöchigen spring school im vierten Semester der jeweiligen
Kohorte,
Akademien (summer schools) für Kollegiatinnen und Kollegiaten sowie weitere Nach-
wuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.
Das Graduiertenkolleg 1919 wird weiterhin eng in die Arbeit des Historischen Instituts ein-
bezogen, das ein breites geschichtswissenschaftliches Profil bietet, mit Schwerpunkten in der
europäisch-vergleichenden Geschichte sowie in der außereuropäischen Geschichte (insb.
Geschichte Afrikas, Geschichte von Frontiergesellschaften, Vergleichende Kolonialgeschichte
Afrikas und Nordamerikas, Geschichte des Rassismus). Die erwähnte Juniorprofessur für die
Geschichte der Türkei eröffnet künftig zusätzliche und ganz neue Perspektiven interkulturell
vergleichender Forschung. In den einzelnen Abteilungen sind jeweils mehrere Promovierende
sowie Postdoktorandinnen (auf universitären und Projektstellen) beschäftigt, die im Falle
thematischer Nähe als Assoziierte in das Graduiertenkolleg integriert sind.
Die Antragsteller sind in ihren jeweiligen Forschungsschwerpunkten in internationale und
nationale wissenschaftliche Netzwerke eingebunden und machen diese für das Gastwissen-
schaftlerprogramm und die Kollegiatinnen und Kollegiaten nutzbar. Mehrere Gast-
wissenschaftler aus Südafrika, Großbritannien, Frankreich und den USA haben in den ver-
gangenen Jahren an den Veranstaltungen teilgenommen, Workshops für die Doktorandinnen
und Doktoranden angeboten und/oder Werkstattgespräche mit Einzelnen geführt und damit
zur weiteren Einbindung des Graduiertenkollegs in internationale Forschungszusammen-
hänge und Kontakte beigetragen.
Das Historische Institut der Universität Duisburg-Essen ist in einer breit gefächerten Fakultät
für Geisteswissenschaften gut vernetzt und verfügt über enge Kontakte zur Fakultät für
Gesellschaftswissenschaften, z. B. zum Institut für Entwicklung und Frieden (INEF). Mit der
vom BMBF geförderten IN-EAST SCHOOL of Advanced Studies und dem Graduiertenkolleg
1613 „Risk & East Asia“, das sich seit 2014 in der zweiten Förderphase befindet, hat es
bereits einen fachlichen Austausch gegeben, der künftig noch intensiviert werden soll, indem
z. B. gemeinsame englischsprachige Workshops zu inhaltlichen Themen oder Workshops zu
Karrierethemen, deren Formate verbundübergreifend organisiert werden.
Zum 1. Oktober 2016 ist an der Universität Duisburg-Essen als neuer Forschungsschwerpunkt
das „Interdisziplinäre Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (InZentIM)“
eingerichtet worden. Prozesse der Integration und der Migration verbinden sich für alle
beteiligten Akteure in hohem Maße mit Ungewissheit und fordern Zukunftshandeln heraus.
Das GRK 1919 bringt hier seine Expertise ein und wird umgekehrt von den wissenschaftlichen
und publizistischen Aktivitäten des InZentIM profitieren.
39
Die ebenfalls an der Universität Duisburg-Essen beheimatete und von der Funk Stiftung
geförderte Forschergruppe Big Risk setzt sich seit dem November 2015 mit der Rezeption
von und dem Umgang mit gesellschaftlichen Risiken wie Klimawandel, demographischem
Wandel und Staatsverschuldung auseinander. Interdisziplinär arbeiten drei Teilprojekte aus
drei Wissenschaftszweigen, der praktischen Philosophie, der Finanzmathematik und der
Politikwissenschaften zusammen. Mit der Forschergruppe wurde kürzlich eine Kooperations-
vereinbarung getroffen.
Forschungsfragen unter einer Genderperspektive können mit dem „Essener Kolleg für
Geschlechterforschung (EKfG)“ verfolgt werden, an dem Prof. Dr. Amalie Fößel beteiligt ist
und das im Rahmen des „Forschungsforums Gender“ interdisziplinäre Veranstaltungsreihen
und zweisprachige Fachgespräche mit internationalen Wissenschaftlerinnen bietet. Das EKfG
bietet seine Expertise in der Entwicklung von forschungsbezogenen Gender-Komponenten an
und wird das Graduiertenkolleg bei der Konzeption von Sensibilisierungsveranstaltungen
unterstützen.
Bestehende Forschungsachsen in den Geisteswissenschaften beziehen sich auch auf die
Mitgestaltung des Schwerpunktes „Metropolenforschung“ der Universitätsallianz Ruhr und des
Profilschwerpunktes „Urbane Systeme“. Das Rahmenthema des Kollegs ist für den
Profilschwerpunkt, der im Sinne einer anwendungsorientierten Metropolenforschung die
Themenfelder Gesundheit, Umwelt, Infrastruktur, Logistik, Kultur und Gesellschaft bündelt,
von Interesse, da Konzepte des planning in and for uncertainty sowie der urban resilience in
mehreren Arbeitsfeldern des Profilschwerpunktes aktuell eine große Rolle spielen.
Vernetzungsmöglichkeiten bietet nicht zuletzt das am Profilschwerpunkt angesiedelte neue
internationale Promotionsprogramm „Advanced Research in Urban Systems (ARUS) –
International promovieren in Deutschland (IPID)“; hier kann auf bereits bestehende Kontakte
und Betreuungen (Prof. Dr. Ute Schneider) zurückgegriffen werden. Im Kontext der
Universitätsallianz ist weiterhin die seit mehr als zehn Jahren bestehende Kooperation mit der
Ruhruniversität Bochum in der Neueren und Neuesten Geschichte im Historischen
Doktorandenkolleg Ruhr (HDKR) zu nennen, die zum Austausch und der Vernetzung der
Doktoranden beiträgt. Darüber hinaus werden die Geisteswissenschaften an der Universität
Duisburg-Essen nachhaltig gestärkt durch das Käte Hamburger Kolleg „Politische Kulturen der
Weltgesellschaft. Chancen globaler Kooperation im 21. Jahrhundert“, das am 1. Februar 2012
eröffnet wurde und mit dem die Kontakte in den vergangenen Jahren intensiviert wurden. Das
Kolleg trägt durch seine internationalen Gastwissenschaftler und das Vortragsangebot
gleichfalls zur Internationalisierung des Graduiertenkollegs bei.
Des Weiteren ist seit dem Umzug des Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte
in die Alte Synagoge nach Essen auch eine räumliche Nähe zum Historischen Institut
entstanden, die für Kollegiatinnen und Kollegiaten mit Themen der jüdischen oder deutsch-
jüdischen Geschichte höchst interessant ist (vgl. hierzu die Passage zum Dissertationsprojekt
von Anna Michaelis im Berichtsteil). Der Sprecher des Graduiertenkollegs, Prof. Dr. Stefan
Brakensiek, gehört dem Vorstand des Steinheim-Instituts als stellvertretender Vorsitzender an.
Die wissenschaftliche Sichtbarkeit des Graduiertenkollegs soll – wie seit 2013 geschehen
– durch Konferenzteilnahmen, Auslandsaufenthalte und Publikationen geschaffen werden.
Unter den Publikationen ist besonders die Schriftenreihe „Kontingenzgeschichten“ hervor-
zuheben, die seit 2016 im Campus Verlag (Frankfurt a.M./ New York) erscheint; drei Bände
sind bislang veröffentlicht, ein weiterer ist in Vorbereitung. Die Reihe dient der Aufnahme von
Publikationen aus dem Kolleg, steht aber auch anderen Autoren offen, die thematisch ein-
schlägig arbeiten. In naher Zukunft sollen Dissertationsschriften, die aus dem Graduierten-
kolleg 1919 hervorgegangen sind, in dieser Reihe publiziert werden. Herausgegeben wird die
Reihe von Prof. Dr. Frank Becker, Prof. Dr. Stefan Brakensiek und Prof. Dr. Benjamin Scheller.
40
Mit einem eignen weblog (http://grk1919.hypotheses.org/) treten die Kollegiatinnen und
Kollegiaten und die Essener Historiker insgesamt in einen aktuellen Austausch mit der
Öffentlichkeit. Hier werden Ergebnisse der Forschungsvorhaben und darüber hinaus weisende
Probleme vorgestellt, kommentiert und zeitnah diskutiert.
Im Rahmen der Ringvorlesung und der spring school werden auch künftig hochrangige
Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland eingeladen und wird deren Dialog mit den
Kollegiatinnen und Kollegiaten und den Projektleitern gefördert. Zur Profilbildung tragen
darüber hinaus die erwähnten engen Kooperationen mit den auch international vernetzten
Forschungsschwerpunkten im Kulturwissenschaftlichen Institut, im Graduiertenkolleg 1613
Risk and East Asia, im Käte Hamburger Kolleg, im Interdisziplinären Zentrum für Integrations-
und Migrationsforschung und im Profilschwerpunkt „Urbane Systeme“ bei.
6.1.2 Weitere Kooperationspartner
Neben dem Historischen Institut und den Kooperationspartnern innerhalb der Universität und
der Universitätsallianz wird das Graduiertenkolleg die Zusammenarbeit mit Institutionen im
Ruhrgebiet und thematisch benachbarten Graduiertenkollegs fortsetzen.
Ein wichtiger Partner ist das Ruhrmuseum, das über seinen Direktor Prof. h.c. Theo Grütter
unmittelbar mit dem Historischen Institut verbunden ist. Gemeinsame Vortragsveranstaltungen
werden seit Jahren praktiziert und sind auch für die Zukunft geplant. Darüber hinaus sind die
Kontakte des Ruhrmuseums für die Vernetzung und beruflichen Perspektiven aller Kollegiaten
von großer Bedeutung.60
Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte des Ruhrgebiets in
Bochum (Prof. Dr. Stefan Berger), der die Zusammenarbeit der außeruniversitären Institute im
Ruhrgebiet in den letzten Jahren gestärkt hat. Zu nennen sind weiterhin die zahlreichen
Archive des Ruhrgebietes, insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv,
Abteilung Rheinland in Duisburg, das nicht nur für die Forschung der Antragsteller und
Kollegiatinnen von besonderer Relevanz ist, sondern vielmehr auch für die Berufsperspektiven
im Archivdienst.
Mit einem auswärtigen Graduiertenkolleg, das gerade in der Phase der Erstbeantragung ist,
hat das Graduiertenkolleg 1919 für den Fall der Bewilligung eine Kooperationsvereinbarung
getroffen. Es handelt sich um das geplante Graduiertenkolleg „Gegenwart / Literatur.
Geschichte, Theorie und Praxeologie eines Verhältnisses“ an der Universität Bonn (des.
Sprecherin: Prof. Dr. Kerstin Stüssel). Aus dem Kreis der Mitglieder des Leitungsgremiums
des Essener Kollegs ist Prof. Dr. Frank Becker als assoziierter auswärtiger Wissenschaftler im
Bonner Kolleg vorgesehen.
6.2 Forschungsförderung
Maßnahmen zur Stärkung der Forschung an der Universität, die auch dem Graduiertenkolleg
und seinem Umfeld zu Gute kommen, sind:
Förderung der regionalen Vernetzung und der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft
und Wirtschaft im Rahmen von Forschungs- und Innovationspartnerschaften (Mercator
Research Center Ruhr, MERCUR),
Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses,
60 Für eine der Kollegiaten, Helen Wagner, ist diese Kooperation von besonderer Bedeutung, da das Ruhrmuseum seit Jahren federführend den Transformationsprozess des Ruhrgebiets gestaltet, der Gegenstand ihres Disser-tationsprojektes ist.
41
Unterstützung der Forschungsaktivitäten durch ein zukunftsweisendes und um-
fassendes Forschungs- und Servicemanagement (Science Support Centre).
7. Abgrenzung zu Sonderforschungsbereichen
Es bestehen keine Sonderforschungsbereiche mit ähnlicher Thematik an der Universität
Duisburg-Essen. Auch zu bestehenden Sonderforschungsbereichen an anderen Standorten
(SFB 923 „Gestörte Ordnungen“, seit 2011 in Tübingen, und SFB / TRR 138 „Dynamiken der
Sicherheit. Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive“, seit 2014 in Gießen
/ Marburg) gibt es keine inhaltlichen Überschneidungen, die eine Abgrenzung erforderlich
machten.
Anhänge
I. Literaturverzeichnis
42
Anhang I: Publikationen und Literaturverweise zum Forschungsprogramm
1. Publikationen der Antragsteller mit Bezug zum Forschungsprogramm
Becker, Frank/Scheller, Benjamin/Schneider, Ute (Hrsg.): Die Ungewissheit des Zukünftigen.
Kontingenz in der Geschichte (Kontingenzgeschichten 1), Frankfurt a.M. 2016.
Becker, Frank/Schäfer, Ralf (Hrsg.) Sport und Nationalsozialismus (Beiträge zur Geschichte des
Nationalsozialismus 32), Göttingen 2016.
Becker, Frank (Hrsg): Der Erste Weltkrieg und die Städte. Studien zur Rhein-Ruhr-Region,
Duisburg 2015.
Becker, Frank (Hrsg.): Zivilisten und Soldaten. Entgrenzte Gewalt in der Geschichte, Essen 2015.
Becker, Frank: Die Luhmann-Rezeption in der Geschichtswissenschaft, in: Oliver Jahraus/Armin
Nassehi u.a. (Hrsg.): Luhmann-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung, Stuttgart 2012, S. 347351.
Becker, Frank: Rationalisierung – Körperkultur – Neuer Mensch. Arbeitsphysiologie und Sport in
der Weimarer Republik, in: Theo Plesser/Hans-Ulrich Thamer (Hrsg.): Arbeit, Leistung und
Ernährung. Vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie in Berlin zum Max-Planck-Institut
für molekulare Physiologie und Leibniz Institut für Arbeitsforschung in Dortmund, Stuttgart 2012,
S. 149–170.
Becker, Frank: Mit dem Fahrstuhl in die Sattelzeit? Koselleck und Wehler in Bielefeld, in: Sonja
Asal/Stephan Schlak (Hrsg.): Was war Bielefeld? Eine ideengeschichtliche Nachfrage,
Göttingen 2009, S. 89–110.
Becker, Frank (Hrsg.): Geschichte und Systemtheorie. Exemplarische Fallstudien, Frankfurt a.M.
2004.
Bernhardt, Markus/Brakensiek, Stefan/Scheller, Benjamin (Hrsg.): Ermöglichen und Verhindern.
Vom Umgang mit Kontingenz (Kontingenzgeschichten 2), Frankfurt a.M. 2016.
Bernhardt, Markus: Das Braunschweiger Bürgertum am Beginn des 20. Jahrhunderts zwischen
„Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“, in: Ute Daniel/Christian Frey (Hrsg.): Die
preußisch-welfische Hochzeit 1913: Das dynastische Europa in seinem letzten Friedensjahr,
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