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DBK-Lehrstellenprojekt Werkstattpapier Teilprojekt 4: Angebote für Leistungsstarke DBK Deutschschweizerische Gütschstrasse 6 Telefon 041 248 50 50 e-mail [email protected] Berufsbildungsämter-Konferenz 6000 Luzern 7 Fax 041 248 50 51 Internet http://www.dbk.ch Zukunftstagung „Attraktiv für Leistungsstarke“ 11./12. September 1998 im Kulturzentrum Gasthof Appenberg, Zäziwil

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DBK-Lehrstellenprojekt WerkstattpapierTeilprojekt 4: Angebote für Leistungsstarke

DBK Deutschschweizerische Gütschstrasse 6 Telefon 041 248 50 50 e-mail [email protected]ämter-Konferenz 6000 Luzern 7 Fax 041 248 50 51 Internet http://www.dbk.ch

Zukunftstagung „Attraktiv fürLeistungsstarke“

11./12. September 1998im Kulturzentrum Gasthof Appenberg, Zäziwil

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Herausgeber:DeutschschweizerischeBerufsbildungsämter-KonferenzDBK LehrstellenprojektTeilprojekt 4, LeistungsstarkeGütschstrasse 6, 6000 Luzern 7Tel. 041 248 50 60 Fax 041 248 50 51e-mail [email protected] internet www.dbk.ch

März 1999

Mitglieder der Projektgruppe im Sommer 1998:Barbara Buol-DaumMargrit DünzGerda GermannBeat HächlerHans VettigerEmil WettsteinAldo Widmer

Moderation:Helena NeuhausWalter Goetze

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Tagungsbericht

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Inhaltsverzeichnis

1. Teil - Organisation, Form, Ablauf 5

Ablauf der Zukunftstagung 6

1. Tag / Freitag, 11.09.1998 6

2. Tag / Samstag, 12.09.1998 7

Arbeitsatmosphäre 9

2. Teil - Inhaltliche Zusammenfassung 10

1. Arbeitsrunde 10

2. Arbeitsrunde 14

3. Arbeitsrunde 21

10 Thesen aus der Sicht der Tagungsleitung 26

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1. Teil - Organisation, Form, Ablauf

Die im Auftrag der DBK durchgeführte “Zukunftstagung” ist eine verkürzte Form der Zukunftskonferenz.®

Diese Form wurde gewählt, weil nur 1,5 anstelle der üblichen 2,5 Tage zur Verfügung standen. Es handelt

sich um ein Dialog-, Lern-, Planungs- und Mobilisierungsinstrument bzw. um eine besondere Methode der

Organisationsentwicklung. Ihre Wurzeln reichen bis weit in die 60er Jahre zurück. Die gegenwärtige Form

beruht auf den Grundlagen und Erfahrungen von Marvin Weisbord (USA) und Matthias zur Bonsen (D).

Der Hauptakzent wurde auf die Zukunftsgestaltung gesetzt, ohne die Analyse der Vergangenheit und des

Ist-Zustandes völlig zu vernachlässigen. Das Ziel der Zukunftstagung war, zahlreiche neue Projekte zu

initiieren, alle mit dem Ziel, die Attraktivität der Berufslehre für leistungsstarke Jugendliche (kurz: “Attraktiv

für Leistungsstarke”) markant zu erhöhen.

Das wichtigste Prinzip der Zukunftskonferenz ist, das “ganze, offene System in einen Raum” zu bringen

oder zumindest einen repräsentativen Querschnitt davon. Deshalb werden interessierte Personen aus

möglichst vielen verschiedenen Bereichen eingeladen, die direkt oder indirekt mit dem Thema zu tun haben.

Eine ideale Zahl sind 64 Personen, das heisst 8 Interessentengruppen arbeiten gemeinsam und durchmischt

an 8 Tischen. An der Zukunftstagung waren es sieben Gruppen zu sieben Personen, die wie folgt bezeichnet

wurden:

• “Zukünftige”: Schülerinnen und Schüler zweier Sekundarklassen aus Rorschacherberg

• “Experten / Förderer”: Berufsbildungs-Fachleute

• “Unterrichter”: Lehrpersonen an Berufs-, Berufsmittel- und Privatschulen, betriebliche Ausbildner

und Ausbildungsverantwortliche

• “Hochbegabte”: Junge Menschen, die sich durch besondere Leistungen hervorgetan haben, zum

Beispiel Gewinner an der Berufsolympiade

• “Visionäre, Kreative”: Künstler, Designer, Berater, Projektleiter

• “Unternehmer”: Betriebsinhaber, Führungskräfte aus verschiedenen Unternehmen

• “Umsetzer”: Personen an Schaltstellen in Ämtern, Institutionen, Verbänden

Die “Rekrutierung” der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war nicht ganz leicht. Viele der von uns

angefragten Personen hatten zwar grosses Interesse an der Thematik gezeigt, mussten jedoch aus zeitlichen

Gründen auf eine Teilnahme verzichten. Aus diesem Grund kamen wir von der ursprünglichen Idee ab, die

Zukunftstagung mit 64 Personen durchzuführen und wählten die Variante 7 x 7 = 49 Personen. Allen

Teilnehmenden gebührt ein ganz besonders herzliches Dankeschön, denn es ist überhaupt nicht

selbstverständlich, dass sie alle gute 1,5 Tage aus ihrer meist prall gefüllten Agenda gratis zur Verfügung

stellten. Es wurde in allen Phasen der Zukunftstagung unglaublich intensiv und mit viel Engagement

gearbeitet.

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Der Ablauf der Zukunftstagung

1. Tag / Freitag, 11.09.1998

1. und 2. Phase: Begrüssung, Ablauf und Einstieg

Je sieben VertreterInnen der oben erwähnten sieben Interessentengruppen sitzen gemeinsam an einem mit

ihrem Gruppennamen gekennzeichneten Tisch. Die beiden Moderatoren, Dr. Walter Goetze und Helena

Neuhaus, erklärten den Ablauf und die Ziele der Tagung und gaben anhand ihrer eigenen Biographien einen

Einblick in ihre unterschiedlichen beruflichen Werdegänge, unter Berücksichtigung der folgenden Aspekte:

• Wurde ich selber je gefördert?

• Was hätte ich an Förderung gebraucht?

• Was habe ich punkto Förderung bei anderen wahrgenommen?

• Was habe ich seither selber gemacht, um andere zu fördern?

3. Phase: Standortbestimmung (= 1. Arbeitsrunde1 im nachfolgenden Bericht)

Die Gruppen diskutierten unter sich die aktuelle Lage der heutigen Berufsbildung, und zwar unter

Berücksichtigung der beiden Aspekte:

• Die heutige Berufsbildung ist auch für “leistungsstarke Jugendliche” attraktiv, weil: ..........

• Die heutige Berufsbildung ist für “leistungsstarke Jugendliche” nicht attraktiv, weil: ..........

Nach dieser Diskussionsphase präsentierte der/die SprecherIn jeder Gruppe die Hauptergebnisse im

Plenum. Diese kurze Präsentation der Ist-Situation stellt sicher, dass alle Anwesenden auf dem gleichen

Informationsstand sind. Zudem werden die gemeinsamen Werte erkannt und es wird deutlich, was in die

Zukunft überführt und was zurückgelassen werden kann. Die Zielsetzung der Tagung, “leistungsstarken

Jugendlichen eine attraktive Berufsbildung” anzubieten, wurde in diesem Moment nochmals verdeutlicht.

1 Die Bezeichnung der Arbeitsschritte entsprechen der Gliederung des inhaltlichen Berichtes. Die Bezeichnung der Phasenbezieht sich auf das Tagungsprogramm.

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Das Terrain für eine gemeinsame Zukunftsgestaltung, die Anliegen aus unterschiedlichen Perspektiven be-

rücksichtigt, war gut vorbereitet.

4. und 5. Phase: Entwurf und Präsentation der Vision (= 2. Arbeitsrunde)

Von jetzt an wurde in gemischten Gruppen gearbeitet, das heisst, an jedem Tisch sass ein Vertreter oder eine

Vertreterin der Basisgruppe, dies, um sicherzustellen, dass die Anliegen aller Beteiligten eingebracht

werden. In dieser Phase sollen Phantasie, Intuition und Gefühle zum Ausdruck kommen. Mit Hilfe von

Gestaltungsmaterial (Farbstifte, farbiges Papier, Klebstoff, Scheren usw.) visualisieren die Teilnehmenden

eine ideale Zukunft. Diese wird später dem Plenum möglichst originell präsentiert, zum Beispiel in Form

von Collagen, Sketches, Pressekonferenzen, Zeitungen, Radiosendungen, TV-Dokumentationen etc. Der

Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Jede Gruppe hatte 10 Minuten Zeit, ihre Vision zu präsentieren (siehe folgende Seiten). Die wichtigsten

Punkte wurden in einem “Mind Map” auf einem Flip Chart festgehalten. Es ist die eindrücklichste Phase

einer Zukunftkonferenz bzw. einer Zukunftstagung, denn zu diesem Zeitpunkt wächst die Begeisterung, die

Zukunft wird greifbar. Die gemeinsamen Ziele, Wünsche, Hoffnungen und Ideale werden offensichtlich und

die Lust auf Umsetzung wächst.

2. Tag / Samstag, 12.09.1998

6. Phase: Die Umsetzung (die Vorbereitung auf die 3. Arbeitsrunde)

Das Plenum sass vor den sieben Flip Charts, auf denen die Ergebnisse der sieben Gruppen - zumeist in

einem “Mind Map” - aufgezeichnet waren. In dieser Phase geht es darum, herauszufinden, in welchen

Visionen und Zielen sich alle Anwesenden einig sind und welche Vision, welches konkrete Ziel mit erster

Priorität umgesetzt werden soll. Dazu wird gepunktet und eine Rangliste erstellt, was nicht ganz einfach ist.

Kennzeichen dieser Phase ist das Chaos, weil sich alle Leute mit ihren Punkten um die Flip Charts drängen.

Schwierig war im Falle der Zukunftstagung insbesondere, dass die meisten Flip Charts nicht eine Vision

bzw. ein einzelnes Projekt enthielten, sondern vielmehr ein Bündel diverser Einzelmassnahmen. Das Chaos

wurde aufgelöst, indem je eine Vertreterin und ein Vertreter aus jeder Gruppe gemeinsam mit den

Moderatoren sich auf “kompakte” Vorschläge einigten, die dann nochmals gepunktet wurden.

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7. und 8. Phase : Erarbeitung der Projektentwürfe, Präsentation und Abschluss (= 3. Arbeitsrunde)

Jetzt ging es darum, für die sieben gemeinsam ausgewählten Zielsetzungen erste Projektentwürfe zu

erarbeiten. Die Gruppen mischten sich nochmals neu. In dieser Phase soll jede Person gerade dort

mitwirken, wo sie das Gefühl hat, einen Beitrag leisten zu können oder sogar die Verantwortung für die

Umsetzung übernehmen zu wollen. Die ModeratorInnen dieser Gruppe sorgen dafür, dass nach der

vorgegebenen Anweisung gearbeitet wird, das heisst, am Ende dieser Phase sollten auf dem Flip Chart

folgende acht Punkte festgehalten sein:

Ausgangslage - Gegenwärtiger Zustand

Idee, Grundüberlegung: Was soll verändert werden?

Vision = Idealzustand formulieren.

Pragmatisches Ziel = Sollzustand beschreiben.

Wie soll das Ziel erreicht werden? Eine möglichst detaillierte Auflistung der anfallenden Arbeiten.

Wer führt welche Arbeiten aus? Namen notieren!

Wer kann/will die Verantwortung für die Umsetzung übernehmen bzw. wer hat Kontakt zu den

Entscheidungsträgern und vertritt das Projekt bei den zuständigen Stellen?

Zeitplan: Beginn, Dauer und Verabschiedung des Projekts.

Diese Gruppenergebnisse wurden im Plenum präsentiert. Es war, wie bereits am Abend zuvor, anlässlich

der Präsentation der Visionen, eindrücklich und begeisternd, wieviele spannende Ideen an dieser Tagung

gezündet wurden und jetzt auf Umsetzung warten. Jetzt war es Samstag mittag und somit Zeit, die

Zukunftstagung zu beenden und die Teilnehmenden zu verabschieden. Nach den abschliessenden Worten

von Aldo Widmer, Mitglied des Projekteams, erhielten sie - als symbolisches kleines und wohlverdientes

Dankeschön für ihren Einsatz - ein Holzbrettli mit Butter und Käse vom Appenberg.

Nach jeder Phase wurden die Flip Charts fotographiert. Die Inhalte der einzelnen Phasen wurden von Walter

Goetze zusammengefasst und sind auf den folgenden Seiten dieses Berichtes zu lesen.

Helena Neuhaus

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Arbeitsatmosphäre

Die Stimmung zu Beginn durfte wahrscheinlich als verhalten und neugierig, was da auf einen zukommen

würde, bezeichnet werden. Doch sobald es in die erste Phase ging, legte sich die Zurückhaltung spätestens

nach der Vorstellungsrunde. Ziemlich speditiv wurden erste Resultate erabeitet und locker präsentiert. Als

im weiteren Verlauf der Tagung die Gruppen neu zusammengestellt wurden, war immer wieder spürbar, wie

die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer voll bei der Sache, konzentiert nach Lösungen suchend, sich

nicht mit Halbheiten zufriedengebend, sich ganz in den Dienst der Sache stellten. Wie für eine

Zukuftswerkstatt typisch, arbeiteten jeweils alle Gruppen im selben Raum. Dies mag den einen oder andern

noch speziell beflügelt haben. Trotzdem oder gerade dank dieses Konzeptes gab es während den Pausen

auch Gelegenheit zum Gedankenaustausch mit neuen Bekanntschaften oder man pflegte mit Altbekannten

den Small talk. Zusammenfassend darf festgestellt werden, dass die Atmosphäre die Arbeit nachhaltig

unterstützte.

Daniel Wieser

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2. Teil – Inhaltliche Zusammenfassung

1. Arbeitsrunde

Aktuelle Lage der Berufsbildung: Worauf sind wir stolz? Was bedauern wir?

In dieser Phase wurde in den homogenen Gruppen (wie oben aufgeführt) gearbeitet. Die aktuelle Lage der

Berufsbildung wurde aus sieben unterschiedlichen Perspektiven heraus beurteilt.

Die “Zukünftigen” schauen optimistisch auf ein qualitativ gutes und vielseitiges Bildungsangebot. Sie stellen

fest, dass Leistungsstarke oft unterfordert, aber auch überfordert werden. Berufslehre bedeutet wenig

Freizeit.

Die “Experten / Förderer” streichen die Stärken des dualen Systems, nämlich die enge Verbindung von

Theorie und Praxis und die Partnerschaft von Staat und Wirtschaft hervor. Unser Berufsbildungssystem

ermöglicht sehr vielen Menschen den Einstieg und damit einen Abschluss auf der Sekundarstufe II,

welchletzterer einen etablierten Wert darstellt. Das System passt sich gut an regionale Besonderheiten an.

Allerdings sind die genannten Stärken häufig lediglich “Möglichkeiten”, die zu wenig genutzt werden. Die

Zusammenarbeit zwischen Schulen und Betrieben, gemeinsame Projekte, Anknüpfen der Schule am in der

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Praxis Gelernten (und umgekehrt) findet zu wenig statt. Es wird befürchtet, dass die Wirtschaft sich langsam

aus der Berufsbildung zurückzieht. Schliesslich wird konstatiert, dass die Berufslehre für viele immer noch

der Weg zweiter Wahl ist, und dass akademische Bildung einen höheren Wert hat. Musisch oder sportlich

Interessierte kommen zu kurz, da für entsprechende Aktivitäten wenig (Frei-)Zeit zur Verfügung steht.

Die “Unterrichter” führen als Stärken verschiedene Entwicklungen und Errungenschaften der letzten Jahre

auf: Ausbildungsverbünde (z.B. Cerberus - Landis & Stäfa), die Reformen des Lehrplans für den

allgemeinbildenden Berufsschulunterricht, die Neureglementierung der ASM-Berufslehren

(Polymechaniker, Automatiker, etc.), Entwicklungen im Bereich der Gesundheitsberufe. Es existieren

vielfältige Gefässe, von der Anlehre bis zur Fachhochschule. Die duale Ausbildung ist praxisnah und führt

u.a. zu Lebenserfahrung und Selbständigkeit.

Insbesondere für Leistungsstarke hat das System folgende Nachteile: Musische, sportliche, schulische

Talente können zu wenig gefördert werden. Hierzu trägt auch die ungenügende Koordination von

betrieblicher und schulischer Ausbildung bei. Die Spezialisierung und Kanalisierung erfolgt zu früh.

Leistungsstarke strömen - wenn überhaupt, denn die Mittelschulen haben das bessere Image - in wenige

attraktive Berufe (Banken, Informatik). Die Attraktivität der Berufsbildung ist für Mädchen noch geringer,

da verschiedene anspruchsvolle Berufe noch immer als “Männerberufe” gelten.

Die “Hochbegabten” heben als Stärken die Praxisbezogenheit, die Vielfalt der Ausbildungsmöglichkeiten

und das Angebot an Spezialkursen hervor. Auch die Gestaltung der Ausbildung, z.B. die Rotation durch

verschiedene Abteilungen, Training in Labors wird als Stärke vermerkt. Als Ganzes wird unsere

Berufsbildung im internationalen Vergleich als gut angesehen.

Auf der “Schattenseite” wird methodisches und fachliches Ungenügen, insbesondere in exotischen Berufen,

festgestellt. Von Betrieb zu Betrieb treten grosse Qualitätsunterschiede auf, mancherorts können Lehrlinge

im Betrieb mangels Fachleuten zu wenig gefördert werden. In den Berufsschulklassen ist ein grosses

Gefälle feststellbar. Individuelle Stärken können zu wenig gefördert werden. Das System wird als starr

bezeichnet. Es fehlt mitunter an Praxisnähe, insbesondere in einigen höheren Berufsausbildungen, die nicht

an eine praktische Grundausbildung anschliessen. Die BM während der Lehre wird als überfordernd ge-

sehen. Man ist zeitlich sehr in Anspruch genommen, der Stoff weist Überschneidungen auf und ist wenig

praxisbezogen.

Die “Kreativen und Visionäre” stellen den Begriff “leistungsstark” in Frage, es sei ein “dubioser” und

“verdächtiger” Begriff. Sie werfen die Frage auf, woran Hochbegabung erkennbar sei. Die Berufsbildung

wird als weltfremd und künstlich, wenig durchlässig, wenig lebendig und stark strukturiert, sinnfeindlich,

von Erwachsenen geprägt und vorgegeben, hintennach hinkend und die effektiven Berufschancen nicht

einbindend beschrieben.

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Die “Unternehmer” betrachten die Möglichkeit des aktiven Einstiegs in das Berufsleben als attraktiv, ebenso

den Lehrlingslohn. Die Berufsbildung kann (oder könnte) heute schnell auf Bedürfnisse reagieren. Die

praxisnahe Ausbildung wird als Stärke betrachtet. Es wird auch auf bereits vorhande Ansätze hingewiesen,

so den Beruf des/der Mediamatikers/in oder die Fachhochschule.

Als wenig attraktiv wird die fehlende Dynamik der Berufsschulen bezeichnet. Die Berufsbildung hinkt mit

ihren Reglementen 10 Jahre hintennach. Das duale System hemmt auch. Die Weiterbildung ist nicht

durchlässig zur Hochschule. In Top-Branchen hat es zu wenig Lehrstellen.

Die “Umsetzer” führen auf der Positivseite die individuelle Förderung (sofern die Voraussetzungen

vorhanden sind), den hohen Praxisbezug durch Integration in betriebliche Projekte, den Wechsel zwischen

Schule und Praxis auf und weisen auf das vielfältige Angebot beruflicher Ausbildungen, auf die

Möglichkeit der Berufsmaturität und auf das ausgebaute Weiterbildungsangebot hin.

Als attraktivitätsmindernd werden der uniforme Abschluss, die starre Ausbildungsdauer, die mangelnde

Durchlässigkeit, ungenügendes Anerkennen von Vorbildung, der starre Vollzug bezeichnet. Es fehlen

Angebote, die auf ausserschulische Begabungen in Sport und Kunst Rücksicht nehmen. Auch fehlen

Möglichkeiten des Schüleraustausches. Schliesslich ist die geringe Freizeit im Vergleich zum Gymnasium

unattraktiv.

Kurz:

Unser Berufsbildungssystem ist für Leistungsstarke attraktiv aufgrund folgender Merkmale:

• reichhaltig, vielfältiges Angebot

• praxisnah, lebensnah

• anpassungsfähig (an Bedürfnisse, an regionale Besonderheiten)

• dual (schulisches und praktisches Lernen)

Attraktivitätsmindernd sind die folgenden Gegebenheiten und Zuschreibungen:

• die vom System resp. Gesetz gegebenen Möglichkeiten werden nicht ausgeschöpft, das System

funktioniert suboptimal

• unterschiedliche gesellschaftliche Wertung von beruflicher und gymnasialer Bildung

• fehlende Angebote für ausserberufliche oder auch breite (berufsübergreifende) Begabungen

• Starrheit, Unflexibilität bei der Anerkennung von Vorbildung und Vorerfahrung.

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In der Diskussion der Gruppenpräsentationen wurde die Frage gestellt, wer gemeint ist, wenn von

Leistungsfähigen die Rede ist.

Die Projektleitung präzisiert:

• Jugendliche mit guten Schulleistungen, die vor der Weichenstellung Gymnasium oder (anspruchsvolle)

Berufsausbildung stehen.

• Lernende mit besonderen Begabungen bezogen auf die beruflichen Anforderungen.

• Lernende mit besonderen Begabungen im künstlerischen oder sportlichen, d.h. im ausserberuflichen

Bereich.

• Lernende mit entwicklungsfähigem Potential.

Es wurde dafür plädiert, den Begriff “leistungsfähig” weit zu fassen. Ebenso wurde festgehalten, dass

Leistungsfähigkeit, ähnlich wie Begabung, im Einzelfall nicht einfach einzuschätzen ist.

Das “Zielpublikum” war an der Zukunftstagung tatsächlich vertreten:

• Eine Schülerin würde gerne eine Ausbildung im Gastgewerbe absolvieren. Ihr Umfeld rät ihr jedoch

angesichts ihrer guter Schulleistungen ab. Sie besuche halt jetzt wahrscheinlich das Wirtschaftsgymi

und vielleicht könne sie ja nachher noch ins Gastgewerbe gehen. Und wenn es attraktive

Ausbildungsmöglichkeiten als Alternative zur Mittelschule gäbe...?

• Einer der Goldmedaillengewinner von St. Gallen sagt von sich, mit ziemlich schlechten Schulnoten in

die Lehre eingetreten zu sein. Er konnte sich offensichtlich im neuen Lernfeld optimal entfalten. Von

einem Teilnehmer, einem Bäckermeister, erfahre ich, dass schon zwei seiner Bäckerlehrlinge mit

schwachen (Volks)Schulleistungen nicht nur hervorragend abschlossen, sondern später auch noch die

Erwachsenenmatura ablegten. Einer von ihnen ist heute Lebensmittelingenieur ETH. Sind solche

Stärken unseres Berufsbildungssystems genügend bekannt?

2. Arbeitsrunde

Entwurf einer Vision

Eine Vision sollte so konkret beschrieben werden, wie wenn sie schon Gegenwart wäre. Gearbeitet wurde

nun in sieben gemischten Gruppen. Jede Gruppe setzte sich aus je einer Vertreterin oder einem Vertreter der

Gruppen der letzten Arbeitsphase zusammen. Auf diese Weise war gewährleistet, dass alle bisherigen

Überlegungen in jeder Gruppe repräsentiert waren.

Die Ergebnisse dieser Arbeitsphase wurde dem Plenum in Form von Sketches, Interviews, Schubertliedern

oder auch Referaten präsentiert, unterstützt durch zwei- und sogar dreidimensionale “Mind Maps”.

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Vision 1: Patchwork-Lehre

Die Lehre gliedert sich in “Pflicht” und “Kür”. Letztere berücksichtigt persönliche Interessen und den Bedarf

der Unternehmung.

Vorkenntnisse werden angerechnet.

Die Lehre ist eine Generalistenausbildung, mit Möglichkeiten der Weiterentwicklung und Spezialisierung in

der Weiterbildung.

Über die Weiterbildung kann man zu einem Aequivalent zur akademischen Ausbildung gelangen.

Auszubildende, Staat, Bund, Betrieb und Verbände haben je ihre definierten Verantwortlichkeiten.

Folgende Teilaspekte wurden näher beleuchtet:

Die Finanzierung über Bonus-Malus, Fonds, Steuerermässigung soll eine gute, auch dem anspruchsvollen

Lernenden gerechtwerdende Lehrlingsbetreuung sicherstellen.

Die fachdidaktische und psychologische Aus- und Weiterbildung der Ausbilder muss gewährleistet sein.

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Die Verknüpfung von Theorie und Praxis muss intensiviert werden, z.B. durch bessere Zusammenarbeit,

Projekarbeiten, verlängerte und vom Staat zu finanzierende Einführungskurse.

Mobilität in Form von Rotation im Betrieb, zwischen Betrieben, auch ausserhalb des Lehrberufes, durch

Lehrlingsaustausch im In- und Ausland bringt weitere Lernmöglichkeiten.

Nicht nur die Fachkompetenz, sondern auch Sozial- und Selbstkompetenz soll gefördert werden.

Vision 2: Internationalisierte Berufsausbildung 2005

Gelernt wird dort, wo am meisten Know-how vorhanden ist, das kann in Bern sein, aber auch in Paris,

Tokio oder New York. Das bedingt Lernen von Sprachen und Lernen in anderen Sprachen.

Lernen erfolgt in möglichst hoher Selbständigkeit, in Lerngruppen, unterstützt durch Mentoren (früher

hiessen sie Lehrmeister) und neue Medien. Klassische Zeugnisse und Diplome sind ersetzt durch

Arbeitszeugnisse und Leistungsbeweis.

Vision 3: Berufsfeld-Ausbildung

Die Schülerin Simone steht vor der Berufswahl. Unterstützt von ihrem Berufsbildungs-Coach führt sie

verschiedene Gespräche mit Ausbildungsbetrieben, Beratern und Schulen. Im Verlauf dieser Gespräche füllt

sich ihre Ausbildungs-„Agenda“. Sie wird mit einer sechsmonatigen Grundausbildung im Schuhverkauf

beginnen, wird dann die italienische Sprache erlernen und ihr Verkaufs-Grundwissen bei einem

Auslandaufenthalt in Italien anwenden. Weitere Stationen im Schuhdesign, bei einer Bank und nochmals im

Schuhverkauf werden schliesslich zum Ausbildungsabschluss als „Multifachfrau“ führen. Dies alles wird

im Entwicklungsplan im Sinne eines Ausbildungsvertrages festgehalten.

Strukturelle Voraussetzungen für eine solche Vision sind:

• Berufsfeldausbildung statt Berufslehre in einem Beruf

• das Instrument eines „Entwicklungsplans“ anstelle von Ausbildungsreglementen

• eine offene Ausbildungszeit von max. 5 Jahren

• das Vorhandensein eines Baukastensystems und die Möglichkeit von Abschlüssen in einem Berufsfeld

(statt in einem einzelnen Beruf)

• die Existenz von Branchenpools, von Verbünden von Firmen und Schulen, und zwar

berufsübergreifend.

• ein System, das nicht allein Prüfungen, sondern auch den Nachweis von Qualifikationen beinhaltet.

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Vision 4: Qualitätsverbesserung der Ausbildung

Folgende Änderungen sollen die Ausbildung für Leistungsstarke attraktiver machen:

Inhalte: Definition neuer Berufsfelder

Kernausbildung und Ergänzungsausbildung

konsequente Zielorientierung, Zielvereinbarungen, Ausrichtung auf Kompetenzen

Ausbildungsformen: Modulare Ausbildung

Durchlässigkeit

Vertrag nur für Kernausbildung

Zeitautonomie

Methoden: Methodenvielfalt, Einsatz neuer Medien

Massnahmen, die zu dieser Vision führen:

• Verstärkte Zusammenarbeit Schule-Betrieb

• neu gestaltete Rahmenbedingungen

• neue Finanzierung

• Coaching der Lehrpersonen und Ausbilder

• Verbesserte Berufs- und Laufbahnberatung

• Kompetenzausweise (Zeugnis)

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Vision 5: Ausbildung für das 21. Jahrhundert

Die für Leistungsstarke attraktive Ausbildung im 21. Jahrhundert zeichnet sich durch aktualisierte

Ausbildungsreglemente, realistische Berufsbilder und permanente, prozesshafte Anpassung aus.

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Folgende Charakteristika kennzeichnen sie näher:

• Individualisierung: Die Ausbildung ist modular gestaltet, von variabler Dauer. Insbesondere

Hochbegabte können so die Ausbildungszeit verkürzen. Verbundlösungen, eine neue Art von

Abschlüssen, ein Creditsystem erhöhen die Flexibilität und Durchlässigkeit des Systems.

• Marktorientierung: Die Ausbildung wird von aussen, vom Markt her definiert. Die Berufsschulen

werden privatisiert und dem Markt ausgesetzt. Die Lehrwerkstätten sind selbsttragend und rentabel

dank optimaler Strukturen und auch dank guter, leistungsstarker Lehrlinge.

• Rahmenbedingungen: Die Berufsbildung soll so wichtig genommen werden, wie die

Hochschulbildung, was in den investierten Mitteln zum Ausdruck kommen soll. Leistungsorientierung

wirkt sich aus auf Entlöhnung und Arbeitszeit/Ferien. Die Arbeitgeber müssen flexibler werden.

Generell sind die Rahmenbedingungen zu verbessern.

• Methoden: Projektarbeiten, an welchen Betrieb und Schule beteiligt sind. Lehrlinge werden auch als

Ausbilder eingesetzt (Team Learning). Auslandaufenthalte, das Kennenlernen anderer Arbeitskulturen

und das Erlernen von Fremdsprachen werden ermöglicht. Die Lehrkräfte müssen eine starke

Praxisorientierung haben. Coaching.

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Vision 6: Coaching

Die Berufsausbildung spricht leistungsstarke Jugendliche an. Sie ermöglicht aber auch, bisher nicht

realisierte Begabungen oder spezifische Begabungen ausserhalb des Berufes zu fördern.

Berufsberatung: Erweiterung des Auftrages: Begleitung bei Berufswahl und während der Berufslehre,

Coaching, Aufrechterhaltung der Motivation.

Betriebe: Haben wie heute die Ausbildungsverantwortung. Die Selektion erfolgt weniger anhand

von Noten, sondern vielmehr aufgrund von Fähigkeiten. Die ganzheitliche Förderung

von Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz ist sichergestellt.

Berufsschule: Arbeiten mit den Betrieben zusammen. Pflicht- und Freifachangebot.

Weiterbildung: Finanzierung über Bildungsgutscheine. Der Übergang zwischen Aus- und

Weiterbildung wird fliessend. Durchlässigkeit ist gewährleistet. Kompetenzzentren.

Vision 7: Grundausbildung in Berufsfeldern

Die Berufsausbildung beginnt in breiten Berufsfeldern und mündet zunehmend in spezialisierte

Ausbildungsbereiche.

Bestandteile der Vision:

• Freiräume, Eigenverantwortlichkeit

• Wahlmöglichkeit

• Ausbildungsqualität, Lebensqualität, alle Sinne ansprechend

• Berufswahl in Etappen

• Möglichkeit zum Berufswechsel innerhalb der Lehrzeit

• Modularer Aufbau, Zwischenabschlüsse, flexible Lehrdauer

• Vorbildung anrechenbar

• Chancengleichheit

• “gymnasialfremd”

• begrenzte Schlaufen möglich

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Kurz: Folgende Elemente erscheinen in den Visionen:

• Individualisierung: “Pflicht- und Kür”, Anpassung der Ausbildung an die individuellen und an die

betrieblichen Bedürfnisse, Anrechnung von Kompetenzen, flexible Ausbildungszeit.

• Berufskonzept: Der “Ausbildungsberuf” wird geöffnet. Berufsfeldausbildung statt Ausbildung in einem

Beruf, Kern- und Ergänzungsausbildung, Ausbildung gemäss Entwicklungsplan.

• Controlling/Steuerung der Ausbildungsverhältnisse: Entwicklungsplan, Coaches resp. Be-

rufsberatung mit erweitertem Auftrag, mehr Transparenz und bessere Information, Berufswahl in

Etappen, z.B. Vertrag für Kernausbildung, dann für Spezialisierung.

• Mobilität: Anrechenbare Ausbildungsphasen in anderen Landesteilen und im Ausland, verbunden mit

Erlernen von Fremdsprachen. Rotation innerhalb des Betriebes oder zwischen den Betrieben.

Anrechenbare Ausbildungsphasen in anderen Berufen.

• Organisation: Modularisierung der Ausbildung, Zusammenarbeit von Schule und Betrieb,

Ausbildungsverbünde, Branchenpools.

• Durchlässigkeit: Anrechnung von Kompetenzen, Berufswechsel vereinfachen.

• Prüfungen: Ausrichtung auf den Nachweis von Kompetenzen.

• Methoden: Konsequente Zielorientierung, Methodenvielfalt, Förderung von Sach-, Sozial- und

Selbstkompetenz. Train-the-trainer, Ausbilderschulung.

• Finanzierung: Verbessern und neu gestalten.

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3. Arbeitsrunde

Projektentwürfe

In dieser Phase ging es um die Erarbeitung von Massnahmen, die zur Umsetzung der ausgewählten Ziele

führen. Als Vorbereitung wurden Prioritäten gesetzt. Die Visionen und die darin enthaltenen Ideen wurden

daraufhin bewertet, welche davon in der letzten Arbeitsrunde weiterbearbeitet werden sollten. Die

Projektentwürfe sollten Grundlage für die Information von Entscheidungsträgern sein, die nicht an der

Tagung anwesend sein konnten.

Projektentwurf 1: Portfolio-Ausbildung

Begabte Jugendliche sollen künftig aus zwei attraktiven Alternativen die passendere wählen können:

Gymnasium oder Portfolio-Ausbildung. Die Portfolio-Ausbildung nimmt viele Ideen der Visionen-Phase

auf. In den ersten Ausbildungsjahren wird auf eine Breite der Ausbildung geachtet. Die weiteren

Ausbildungsjahre dienen eher dazu, sich auf der bis dahin gewonnenen breiten Grundlage in einem Bereich

zu spezialisieren. Praktische, theoretische Ausbildung und Persönlichkeitsentwicklung stehen in einem

sinnvollen Verhältnis. Die Ausbildungsdauer wird flexibel gehandhabt.

Projektentwurf 2: Finanzierung

Ist-Zustand: Von Beruf zu Beruf und sogar von Betrieb zu Betrieb unterschiedliche Situation.

Bei über 20jährigen besonders schwierig.

Zweitlehre problematisch.

Benachteiligung bei Globalbudget.

Keine Honorierung für Lehrbetriebe (öffentliches Beschaffungswesen)

Teure Meisterschulung (20’000.- + Abwesenheit)

Veränderungsideen Initiativen belohnen.

und Vision: Ohne (wenig) Staat.

Branchen- statt Firmenlösungen.

Soll-Zustand: Verkürzung von Zweitlehren für Leistungsstarke.

Leistungslohn in Form von Bildungsgutscheinen.

Bildungsgutscheine als Wettbewerbspreise.

Steuerbefreiung für Weiterbildung.

Zinslose Darlehen aus Pool.

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Beschaffungsbonus für Lehrbetriebe.

Vorgehen: Steuergesetze: Bund und Kantone (parlamentarischer Vorstoss).

Beschaffungswesen: Bund (parlamentarischer Vorstoss).

Verkürzungsmöglichkeiten: BBT, kantonale Ämter.

Leistungslohn in Form von Bildungsgutscheinen: Betriebe.

Bildungsgutscheine als Wettbewerbspreise: Betriebe und Verbände.

Darlehens-Pool: Betriebe und Verbände (Staat).

Termine: Alle Ideen können und sollen sofort angegangen werden.

Projektentwurf 3: Förderung der Ausbilder

Ist-Zustand: Fehlende Koordination Berufsschule – Betrieb.

Veraltete Infrastruktur.

Fachkompetenz?

Idee: Vernetzte Ausbildung (inklusive Weiterbildung).

Vision: Berufsschule im Lehrbetrieb; auch den Berufungsweg für die Stellenbesetzung von

Lehrpersonen benutzen; Portfoliowesen, Koordination der Infrastruktur,

Ausbildungskoordination.

Ziel: Fort- und Weiterbildung für Lehrmeister, Berufsschullehrer, Einführungskursleiter.

Akteure: Betriebe, Verbände (Einführungskurszentren), Berufsschulen, Behörden.

noch offen: Zeit, Verantwortlichkeiten.

Projektentwurf 4: Modularisierung / Credits

Ausgangslage: Starres System (Berufswahl, Ausbildungsdauer).

Zu früh definitive Berufswahl.

Lehrwechsel schwer.

Inhalte veraltet.

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Idee: Attraktivität erhöhen durch weniger frühe definitive Festlegung auf einen Beruf.

Vision und Ein Modulsystem mit Schnuppermodulen, einem breiten Grundbaustein

Sollzustand: und modular angelegten Spezialisierungen. Die Spezialmodule verlieren nach

einigen Jahren ihren Wert, wenn sie nicht aufgefrischt werden.

Wie: Schnell.

Ansprechpartner identifizieren und überzeugen.

Finanzierungskonzept erstellen.

Ausbildungsrichtlinien und -inhalte ändern.

Erstellen von Modulrichtlinien und -inhalten.

Coachingkonzept erarbeiten.

Pilotprojekte.

Umsetzung.

Wer: BBT vergibt externen Auftrag zur Projektformulierung.

Wann: Projektauftrag bis 1999; Konzept bis 2000, Pilotversuch ab August 2000.

Projektentwurf 5: Lehrlingsaustausch

Der nationale und internationale Austausch soll freiwillig sein und in Gruppen oder einzeln durchgeführt

werden können. Er wird im Lehrvertrag festgehalten. Vorkurse und auch Tests bereiten darauf vor. Die

Betreuung erfolgt durch die Gastfamilien. Der Aufenthalt soll berufsbezogen gestaltet sein, er soll die

Berufsausbildung bereichern. Finanzierung ist zu regeln. Bereits bestehende Organisationen sollen

einbezogen werden.

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Projektentwurf 6: Coaching

Ausgangslage: Klassische Berufs- und Laufbahnberatung arbeitet zu punktuell.

Idee: Prozesshaft, im Sinne von Lernberatung, -begleitung und -betreuung.

Unterstützung der Eigenverantwortung.

Vision: Optimale Förderung dank speziellen Förderungsprogrammen (periodische

Standortbestimmung, Vermittlung von Zusatzprogrammen, Gespräche mit

Lehrmeistern, Lerntechniken, mentale Hilfe).

Sollzustand: Modellversuch in interessierten Branchen und Regionen.

Wie: Grobkonzept.

Verband oder Region suchen.

Modell entwickeln (im Verbund Schule, Praxis, Berufsberatung).

Finanzierung sicherstellen (MEK EO -> Gutscheine).

Ausbildung der Berater/innen (Berufsberater/innen).

PR

Wer: Externer Auftrag.

Wann: Sofort.

Projektentwurf 7: Unternehmergarten

Ist-Zustand: Schwerpunkt Fachkompetenz. Das Bild vom Stift als Kostenfaktor.

Idee: Unternehmerische Kompetenz als Bildungsziel.

Vision: Unternehmerische Investition.

Selbstlernende Teams.

Minimales Coaching.

Sollzustand: Funktionsfähiges Modell.

Wie: Konzept erarbeiten (mit Beispielen).

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Wer: Projektorganisation.

Verantwortung: DBK-Lehrstellenprojekt

Zeitplan: Beginn Oktober 98

Konzept Januar 99

Motivationsphase bis April 99

Vorbereitung der Umsetzung bis Juni 99

Beginn Modellversuch August 99.

In der Abschlussdiskussion wurde zum Ausdruck gebracht, dass in den intensiven anderthalb Tagen viel

Gutes entstanden sei. Nun sind die Umsetzerinnen und Umsetzer gefordert, nicht nur diejenigen in der so

bezeichneten Gruppe, sondern alle, die in ihrem Umfeld die Chance für die Verwirklichung einer der vielen

guten Ideen sehen. Der Stab wird mit diesem Bericht nun weitergereicht an die Projektgruppe des DBK-

Lehrstellenprojektes 4 “Attraktiv für Leistungsstarke”.

Walter Goetze

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10 Thesen aus der Sicht der Tagungsleitung

1. Viele Ideen sind vorhanden, jetzt geht es darum, sie zu bündeln und ihre Umsetzung

anzuregen.

Die Tagung hat viele gute Ideen gebracht. Einige waren neu und wurden zum ersten Mal formuliert.

Andere, bereits bekannte oder schon einmal formulierte Ideen wurden wieder aufgegriffen,

konkretisiert und weiterentwickelt.

Wichtig ist jetzt vor allem, die Umsetzung möglichst vieler neuer und älterer Ideen zu planen und zu

realisieren.

2. Die Information über die Berufsbildung und der gesellschaftliche Stellenwert der

Berufsbildung sind nachhaltig zu verbessern.

Berufsbildung braucht eine gewisse permanente “Public relation”, ein systematisches Marketing. Das

System “verkauft” sich nicht (mehr) von selbst. Bund und Kantone sollen, zusammen mit den

Wirtschafts- und Branchenverbänden, geeignete Mittel anwenden, und so besser dafür sorgen, dass

Möglichkeiten und Verfahren der Berufsbildung regelmässig und repetitiv in einer breiten

Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Insbesondere sind Massnahmen einzuleiten, um sicherzustellen, dass die berufskundliche

Information, welche Lehrkräfte der Vorgängerstufe (Sekundarstufe I) ihren Schülerinnen und

Schülern vermitteln, aktuell und sachlich korrekt erfolgt und jederzeit dem neuesten Stand der Dinge

entspricht. Gleiches gilt für die Berufsberatungsstellen.

Ziel aller dieser Massnahmen ist es, den gesellschaftlichen Stellenwert der Berufsbildung zu

verbessern und so mittel- und längerfristig ein vergleichbares Renommee von Berufsbildung und

gymnasialer Bildung zu schaffen.

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3. Massnahmen sind zu entwickeln, um die heutige systembedingt zu frühe Berufswahl

zu entschärfen.

Im schweizerischen dualen/trialen Berufsbildungssystem entscheiden sich Jugendliche im Alter von

rund 15 Jahren für eine Berufslehre und damit, in ihrer Sicht, für eine in den meisten Fällen bereits

sehr weitgehende berufliche Spezialisierung. Darunter leidet die Attraktivität der Berufsbildung

gerade bei leistungsfähigen jungen Menschen, die nach der obligatorischen Schulzeit häufig einen

Weg suchen, der sie noch nicht zu sehr einengt und noch viele Möglichkeiten offen lässt.

Die Berufsbildung verliert so Publikum an die schulischen Ausbildungen, denn dort ist der

Entscheidungsdruck kleiner und es bleiben, zumindest aus der Sicht der Jugendlichen, mehr Wege

länger offen. Weil der entwicklungspsychologische Trend ebenfalls in die gleiche Richtung geht,

könnte mittelfristig die duale/triale Berufsbildung noch stärker unter Druck geraten, und die Schweiz

könnte, im Vergleich zu Ländern, in denen die Berufswahlentscheidung später erfolgt, Nachteile

erfahren.

Zur Lösung des Problems bieten sich zur Zeit Ideen wie beispielsweise diejenigen des Basislehrjahres

und der Berufsfeldausbildung an. Sie sind breit zu erproben und weiter zu entwickeln. Zielsetzung

müsste es sein, insbesondere leistungsfähige Jugendliche, also solche, die durchaus auch in ein

Gymnasium eintreten könnten, im Alter von 15/16 Jahren für die Berufsbildung zu gewinnen, ihnen

dabei jedoch zu ermöglichen, sich schrittweise zu entscheiden, z. B. zuerst nur für eine generelle

berufliche Ausrichtung (etwa technisch oder kaufmännisch oder gestalterisch oder naturverbunden).

Später dann, im Verlauf der Ausbildung, folgen die weiteren, zunehmend genaueren Entscheide: etwa

vom Technischen über das Elektrotechnische zu Elektronik/Informatik und schliesslich definitiv

(beispielsweise) für den Beruf des Automatikers (oder Elektronikers oder Informatikers).

4. Die Umsetzung guter Ideen hat Priorität, deshalb sind Möglichkeiten zu schaffen,

um Modellversuche zu ermöglichen, damit neue Ideen erprobt werden können.

Kantone, Branchen, Betriebe und Berufsschulen müssen die Möglichkeit erhalten, rasch

Modellversuche zu starten, um so Ideen umzusetzen, Neues auszuprobieren, aktuellen (auch wenn

allenfalls zeitlich begrenzten) Bedürfnissen und Möglichkeiten Rechnung zu tragen. Dafür braucht es

entsprechende Bestimmungen in den Gesetzen und Verordnungen und unbürokratische, schnelle

Verfahren mit kurzen Entscheidungswegen. Das heisst unter anderem, dass wir davon abkommen

müssen, immer zuerst alles bis ins allerletzte Detail zu planen und zu regeln. Hauptstossrichtung muss

es sein, alles viel viel schneller umzusetzen, auch wenn es dann nicht für Jahrzehnte hält, sondern,

dem Zug der Zeit entsprechend, vielleicht nach wenigen Jahren schon wieder verändert und erneuert

werden muss.

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5. Um die Durchführung von Modellversuchen zu erleichtern, ist das nötige

Instrumentarium zu schaffen.

Modellversuche müssen nötigenfalls begleitet und unterstützt werden, sie müssen ausgewertet und

dokumentiert werden, und die sich bewährenden Ideen sind zu sammeln und anderen Interessierten

zur Verfügung zu stellen.

Dazu brauchen wir:

• Eine zentrale Stelle, bei welcher die Modellversuche angemeldet werden können und wo

Informationen und Unterstützung erhältlich sind.

Es geht dabei um eine einfache Anmeldung, nicht um ein Bewilligungsverfahren. So kann diese

Stelle ein Kontaktnetz aufbauen und permanent unterhalten. Damit und dank Kontakten zu

bestehenden oder neu entstehenden “Bildungsforschungsstellen” kann sie Modellversuche

sinnvoll und “kundenfreundlich” begleiten und unterstützen.

• Ein “Handbuch Modellversuch” als Hilfestellung für Modellversuchsinteressierte.

Darin sind die Spielregeln für die Durchführung von Modellversuchen dargestellt. Das

Handbuch wird jährlich an neue Entwicklungen angepasst; es ist problemlos allen Interessierten

zugänglich.

Das Handbuch soll auch dazu beitragen, die Modellversuche sinnvoll zu koordinieren und

Mindestqualitätsanforderungen an die berufliche Ausbildung zu definieren.

• Eine systematische, umfassende und aktuelle Information und Dokumentation.

In einer leicht zugänglichen Datenbank werden laufende und abgeschlossene Modellversuche

dokumentiert und anderen Interessierten zur Verfügung gestellt. Diese Datenbank enthält

insbesondere auch Kontaktadressen.

Die Meldestelle berichtet regelmässig über laufende, geplante und abgeschlossene

Modellversuche.

Die sich mit Fragen der Berufsbildung befassenden Gremien (Eidgenössische Kommissionen,

parlamentarische Arbeitsgruppen, Wirtschafts- und Branchenverbände usw.) werden

regelmässig über laufende und abgeschlossene Modellversuche informiert.

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6. Zwei Merkmale kennzeichnen die Berufslehre der Zukunft: Dynamisierung und

Flexibilisierung.

Zum Ersten geht es darum, die Dauer der Berufslehren variabel zu gestalten, so dass Leistungsstarke

die Lehre in kürzerer Zeit durchlaufen können; die fixe Dauer über drei oder vier Jahre muss fallen.

Zum Zweiten sollen die Lern-/Lehrinhalte teilmodularisiert werden. Das heisst, die Aus-

bildungsprogramme müssen analysiert werden: Es ist zu definieren, was zu einem Minimalprogramm

gehört, das in jedem Fall absolviert werden muss. Dieses bestimmt die Minimaldauer einer Lehre, die

nicht unterschritten werden kann. Wer eine längere Lehrdauer vereinbart (weil er/sie mehr lernen will

und kann), ergänzt das Minimalprogramm durch Module, die zum gewählten Berufsfeld gehören oder

weitere sinnvolle Elemente in der Ausbildung darstellen. Die Module werden im eigenen Lehrbetrieb

absolviert/gelernt oder in einem anderen Betrieb, in der eigenen Berufsschule oder in einer anderen

Schule, auch gegebenenfalls in einem anderen Landesteil oder in einem anderen Land (vgl. auch

Punkt 5 weiter unten). Sie werden in jedem Fall vertraglich geregelt; diese Regelung umfasst auch die

finanziellen Belange.

Für das Finanzielle können folgende Grundsätze wegleitend sein:

• Für die Minimal-Lehrdauer erhält der Lehrling/die Lehrtochter einen Lehrlingslohn im üblichen

Rahmen.

• Für Module innerhalb des eigenen Lehrbetriebes sowie für Module ausserhalb des eigenen

Lehrbetriebes, deren Erwerb jedoch im Interesse des eigenen Betriebes liegt, gilt grundsätzlich die

gleiche Regel.

• Module ausserhalb des eigenen Lehrbetriebes, deren Erwerb ausschliesslich im Interesse des

Lehrlings/der Lehrtochter liegt, können die Auszubildenden an den entstehenden Unkosten

beteiligt werden.

7. Wir entwickeln systematisch neue Möglichkeiten zur Qualifizierung.

Lehrlinge und Lehrtöchter erhalten mehr, verbesserte und leichter zugängliche Möglichkeiten, um

während der Lehre zusätzliche Qualifikationen zu erwerben.

Im Sinne des “Mehr” ist etwa zu denken an:

• Fremdsprachen: Fortsetzung des Lernens der Landessprachen und/oder des Englischen, Erwerb

von internationalen Fremdsprachzertifikaten.

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• Informatik: Arbeiten mit diversen, branchentypischen oder allgemeinen Anwenderprogrammen,

Schweizerisches Informatikzertifikat.

• Musische Kenntnisse und Fertigkeiten: Musik, Zeichnen und Gestalten.

• Sport: Erlernen neuer und Pflege bereits ausgeübter Sportarten.

• (für nicht-kaufmännische Berufe): Kaufmännische Kenntnisse und Fertigkeiten,

Rechnungswesen, Betriebs- und Rechtskunde.

• (für nicht-technische Berufe): Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie), technische

Fertigkeiten.

• Psychologie, Kommunikation, Pädagogik, Management, Personalführung, usw.

Im Sinne der Erleichterung des Zuganges werden Massnahmen eingeleitet, um diese Bereiche aus

dem Freifachbereich herauszulösen, das Recht des Lehrlings/der Lehrtochter zur Betätigung in diesen

Bereichen massiv zu verstärken. Die Durchführung ist konsequent auf attraktive Zeiten zu legen (d. h.

tagsüber und nicht vornehmlich am Abend und/oder am Samstagvormittag). Zu verbessern ist die

Zugänglichkeit (und damit die Attraktivität) auch dadurch, dass solche Kurse beim nächstgelegenen

Anbieter, und nicht zwingend in der eigenen Berufsschule, belegt werden können, und zwar zu den

gleichen Bedingungen. Damit wird gewissermassen eine “Meistbegünstigungsklausel” gefordert, wie

etwa bei internationalen Abkommen (GATT/WTO): Wenn ich zu bestimmten Bedingungen in meiner

Berufsschule oder meinem Betrieb einen Kurs belege, ein Modul erwerbe, kann ich das zu gleichen

Bedingungen in anderen (Berufs)Schulen bzw. (Lehr)Betrieben.

Verbessern heisst in diesem Sinne auch valorisieren. Die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten

werden evaluiert und zertifiziert. Die Lernenden erhalten wo möglich ein offizielles Zertifikat, und sie

tragen die erworbenen Qualifikationen in einen persönlichen “Bildungspass”, in ein persönliches

“Portfolio” ein. Wichtig ist dabei: Es darf sich keinesfalls nur um schulische Kurse handeln; die

Lehrlinge und Lehrtöchter sollen die erworbenen Kenntnisse in jedem Fall auch praktisch anwenden

bzw. durch praktische Tätigkeit festigen und erweitern. Auch sind Möglichkeiten zu schaffen,

Ausbildungseinheiten in andern Gebieten, auch im Ausland, zu absolvieren: Fremdsprachen im

Sprachgebiet, Mikroelektronik oder Informatik beispielsweise im Kanton Neuenburg, Chemie in einer

Chemiefabrik, usw.

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8. Die Aus- und Fortbildung aller an der Berufsbildung Beteiligten müssen wir

überdenken und verbessern.

Die Lehrmeisterkurse werden überdacht, ausgebaut und verbessert; es werden regelmässige

“Wiederholungskurse” für in der beruflichen Ausbildung Tätige geschaffen und für verpflichtend

erklärt.

Die Fortbildung der Lehrkräfte wird verbessert und intensiviert werden, und zwar in Richtung einer

verstärkten Ausrichtung der theoretischen Ausbildung auf Erfordernisse und Entwicklungen der

Praxis (Kampf dem Veralten der Lerninhalte).

Die Zusammenarbeit der beiden Partner in der beruflichen Ausbildung, der Lehrbetriebe und der

Berufsschulen wird verbessert, u. a. durch regelmässige, intensive Kontakte und stärkere gegenseitige

Information über Neuerungen, Zielsetzungen und Programme sowie aufgetretene Schwierigkeiten

und Lösungsansätze zu deren Überwindung.

Beide Partner lernen systematisch, neue Chancen und Möglichkeiten frühzeitig zu erkennen, neue

Ideen zu entwickeln und umzusetzen.

9. Ein sinnvolles System für die Qualitätssicherung wird rasch entwickelt.

Es müssen Instrumente, Verfahren und Möglichkeiten realisiert werden, um laufend

Ausbildungsinhalte und -methoden, Effizienz und Kosten-Nutzen-Verhältnis der beruflichen

Ausbildung in Lehrbetrieben und Berufsschulen zu evaluieren.

Gleichermassen dient das Instrumentarium dazu, Modellversuche, neue Reglemente usw. zu

beurteilen. Es darf nicht vorkommen, dass ganze Ausbildungsreglemente er- oder überarbeitet und in

Kraft gesetzt werden, dass Versuche durchgeführt werden, ohne dass man sich nachher sorgfältig die

Frage stellt, wie die Neuerungen ankommen und ob die eingeleiteten Entwicklungen tatsächlich in die

erwünschte Richtung gehen.

Personen und Institutionen (Lehrbetriebe, Berufsschulen, weitere Beteiligte), die sich um hohe

Qualität, deren laufende Verbesserung und um sinnvolle Innovation bemühen, sind in geeigneter

Form zu “belohnen”. Damit sollen Anreize geschaffen werden, das Berufsbildungssystem auf einem

hohen Stand zu halten und fortwährend weiter zu entwickeln.

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10. Die Finanzierung der Berufsbildung ist zu überdenken und teilweise neu zu regeln;

ein Berufsbildungsfonds soll geschaffen werden.

Die finanziellen Belastungen werden gemeinsam vom Staat, von den Betrieben und den

Auszubildenden getragen. Der Staat beteiligt sich stärker an der Berufsbildung und gleicht

grundsätzlich die geleisteten Beiträge für die berufliche und die gymnasiale Bildung einander an

(gleichlange Spiesse). Damit wird auch berücksichtigt und gewürdigt, dass eine grosse Mehrheit der

Jugendlichen eine Berufsbildung absolvieren und dabei gleichzeitig bereits eine gewisse volks-

wirtschaftliche Leistung erbringen.

Es darf nicht mehr sein, dass die meisten staatlichen Mittel in die gymnasiale Ausbildung fliessen,

während die Berufsbildung zu einem erheblichen Teil der Finanzierung durch die Wirtschaft

überlassen wird, ohne dass damit gesagt sei, letztere könne von der Mitfinanzierung entbunden

werden. In Zusammenhang mit den oben geforderten zusätzlichen und neuen Möglichkeiten zur

Qualifizierung (vgl. Punkt 7) werden auch Lehrlinge und Lehrtöchter erkennen, dass eine gewisse

Beteiligung an den entstehenden Mehrkosten abgebracht ist. Für die jungen Menschen handelt es sich

dabei um eine Investition in die eigene Zukunft.

Neben der Neuregelung der Grundfinanzierung soll ein Berufsbildungsfonds geschaffen werden. Er

wird geäufnet durch Beiträge aller an der Berufsbildung Beteiligter und davon Profitierender

(Lehrlinge/Lehrtöchter, Lehrbetriebe, nicht ausbildende Wirtschaftsbetriebe, Kursanbieter, Staat). Der

Fonds wird dazu dienen, Projekte zu unterstützen, leistungsfähigen und leistungswilligen jungen

Menschen einen Teil der finanziellen Lasten abzunehmen (z. B. Sporthilfe) und Beiträge zur

Erprobung neuer Ideen auszurichten.

Aldo Widmer