Zur Frage der Serologischen Einheitlichkeit der Colibacillen

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836 KL~NISCHE WOCHENSCHRIFT. 3. JAHRGANG. Mr. I9 6, ~IAI x924 entnahme sowohl im steilsten Abschnitt der Temperaturkurve (zur Zeit des Schfittelfrostes) als auch im Temperaturmaximum erfolgte. Dab dieser negative Befund nicht durch die Paralyse bzw. Lues bedingt ist, geht daraus hervor, dab auch bei einem mit Malaria geimpften Tall yon postencephalitischem Parkinsonismus mit negativer WaR. jegliche J~nderung des Plasma-Aminosfickstoffes fehlte. Dagegen stieg der Amino- s~urengehalt bei einem Paralytiker nach intraven6ser In- jektion yon Typhusvaccine und bei zweien, denen MilCh injiziert worcten war, deutlich an*). Ebensowenig wie im Fieber der Impfmalaria konnte ein Aminos~turenanstieg gegenfiber dem Ausgangswert des fieber- freien Stadiums bei zwei hochfiebernden Phthisikern und einem Fall yon Sepsis naehgewiesen werden. Bei dieser Gruppe, die durchwegs Fglle um]aflt, deren Fieber dutch In]ektion bedingt war, ]ehlte also, trotz hohen Fieber- anstieges, eine Vermehrung des A~ninosticl~to//es im Blute. Aus den im vorstehenden mitgeteilten Untersuchungen ergibt sich demnach ein Unterschied im Verhalten der Amino- s~uren im Blute, bei den im unmittelbaren Anschlnl3 an parenterale Einbringung k6rperffemder Substanz auftreten- den Fieberzust~nden einerseits, den durch verschiedene Infektionen bedingten andererseits. Bei der ersten Gruppe ist der Fieberanstieg verbunden mit deutlieh nachweis- buret Steigerung des Aminostickstoffes, wAhrend bei der zweiten trotz starker Temperaturerh6hung eine solche nicht nachzuweisen ist. -- Es scheint also die Beeinflussung des Eiweil3stoffwechsels im Fieber der Infekfionskrankheiten, wenigstens soweit sie yon uns untersucht wurden, in anderer Weise abzulaufen als bei parenteraler Einbl-ingung k6rper- fremder (kolloidaler) Substanzen. Weitere Untersuchungen, die sich auf WArmeregulations- st6rungen anderer Art (W~rmestichhyperthermie usw.) be- ziehen, sind im Gauge. Anmerkung bei der Korrektur : W~hrend der Drucklegung dieser Mitteilung ist eine Arbeit yon G. WOLFE erschienen (1VIfinchn. reed. Wochenschr. i924, Nr. I2), die sieh mit dem Aminos~urenspiegel des Blufes, bestimmt nach der Methode von FOLIN, bei verschiedenen Krankheitszust~nden und unter Reizk6rpereinwirkung beschMfigt. Die Ergebnisse der Arbeit~ auf die andernorts eingegangen werden soll, stimmen mit unseren Befunden im wesentlichen fiberein; im Gegensatz zu diesen steht nur die Angabe v0n W., dab er bei einem Falle yon Intermittens im Fieberanstiege eine deutliche Ver- mehrung der Aminos~uren im Blute gefnnden babe. Wenn es sich in diesem Falle nicht mn eine Impfmalaria gehandelt hat, was aus der Arbeit nicht ersichtlich ist, so k6nnte ge- rude dieser Untersch/ed yon Bedeutung ffir die Erkl~rung der Vorg~nge im natfirlichen und kfinstlichen Fieber sein. ZUR FRAGE DER SEROLOGISCHEN EINHEITLICH- KEIT DER COLIBACILLEN. Von Dr. KURT MEYER, Dr. WALTER L6WENBERG, Direktor der Bakteriologischen Abteilung Assistenzarzt der I. Inneren Abteilung des Rudolf V/rchow-K~ankenhauses in Berlin (Direktor: Geh. San.-Rat Prof. L. KUTTNER). Ffir die Differenzierung und Identifizierung der patho- genen Bakterienarten bilden die serologischen Methoden ein unentbehrliches Hilfsmittel. Die morphologischen Eigen- schaften erm6glichen .nur ausnahmsweise eine Diagnose, auch die yon den biochemischen Leistungen abh/ingigen kulturellen Merkmale sind h/iufig nieht eindeutig; erst die spezifische Serumreaktion gibt der Diagnose die Sicherheit, die Klinik und Seuchenhygiene fordern m/issen. Erm6glicht wird die Serodiagnostik dadurch, dab gerade die pathogenen Bakterienarten in der Mehrzahl serologisehe Einhei#en darstellen, in dem Sinne, dab die mit eine~n Stamm *) Hierzu sei bemerkt, dal3 einar der mit Malaria gehnpften ParMyfiker im ersten ~aeh der Impfung aufgetretenen Fieberanfall untersueht wtzrde, ebenso wie tier Fall van posteneephalitischem Parkinsonismas. -- Leider batten wit bisher noeh keine Gelegenheit, spontan aufgetretene Malaria zu untersuehem erzeugten Antik6rper auch mit anderen Stgmmen der gleichen Art oder wenigstens Unterart reagieren. Sodann kann abet die F/thigkeit, spontane Antik6rperbildung im TVirtsorganis- mus auszulSsen, geradezu als wichtiges Merkmal pathogener Arten gelten. Finder man, dab ffir ein aus dem erkrankten Organismus gezfichtetes Bacterium keine AntikSrper im Se- rum nachzuweisen sind, so erscheint seine s Be- deutung zum mindesten zweifelbaft. Die Erfolge, die mittels der serologischen Methoden bei der Abgrenzung und Erkennung der pathogenen Darm- bakterien, neuerdings auch der Kokkenarten, erzielt wurden, sind allgemein bekannt. Bai manchen Bakterienarten jedoch schienen diese lVlethoden bisher zu versagen. So finden sich bezfiglich des Oolibacill~s, an dessen pathogener Bedeutung insbesondere ffir die Erkrankungen der Harn- und Gallen- wege kein Zweifel bestehen kann, in der Literatur sehr wider- sprechende Angaben betreffs des serologischen Verhaltens. Zwar wird wiederholt fiber das Auftreten yon Agglutininen im Serum bei Coliinfektionen berichtet ; die Bedeutung dieser Befunde wird jedoeh dadurch zweifelhaft, dab viele Autoren schon im Serum Normaler Agglutinationswirkung gegenfiber Colibacillen beobachtet haben wollen. Vor allem aber wird die serologisehe Einheitliehkeit der Colibacillen ganz allgemein in Abrede gestellt. So erkl~irt es PALTA~JF 1) als ,,beim B. coli ausgeschlossen, die Agglutination zur Identifizierung und Zugeh6rigkeit einer Gruppe zu verwenden", und auch CONRADI und BIERAST2) stellen feat, dab ,,die Agglutination zur Identi- fizierung der versehiedenen Colist/tmme vollkommen ver- sagt, und dab es zwecklos sei, die Agglutinafionsmethode zur FeststeUung der Coligruppe anzuwenden". Bei Gelegenheit yon Untersuchnngen des einen yon uns (L.) fiber die Pathogenese der Colipyelitis, die in der Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. ver6ffentlicht werden, sind wir nun zu :Ergebnissen gelangt, die der herrschenden Meinung widersprechen und fiber die wir wegen ihrer allgemeinen Bedeutung hier kurz zusammenfassend berichten wollen, w/~hrend bezfiglich aller Einzelheiten auf die genannte Arbeit verwiesen werden muB. Bereits vor 3 Jahren halle der eine yon uns [L. 3)] im Zusammenhang mit Untersuchungen fiber Coliagglutination bei Icterus catarrhalis festgestellt, dab bei Pyelitis in etwa der Hglfte der F~lle im Serum Agglutinine gegeniiber dem iMizierenden Colistamme vorhanden waren und dab die Sera auch fremde Colist/tmme, und zwar vielfach noch st/irker als den homologen Stamm, agglutinierten. Diese Befunde veranlaBten uns, die Frage an einem gr6Beren Material welter zu verfoIgen. Unter 26 neuen F/illen yon Pyelitis und Cystopyelitis ergab sich 12 real eine Agglu- tinationswirkung des Serums auf den homo!ogen Stamm in einer Verdfinnung yon I : 25 bis I : IOOO. Auch diesmal wiesen 5 yon 6 darauI geprfiften Seren fremden Stgmmen gegenfiber einen h6heren Agglutinationstiter ant als gegenfiber dem eigenen. Betonen m6chten wit, dab Normalserum unsere St~mme in einer Verdfinnung 1 : 25 nicht agglutinierte und dab jeder Stature anch dureh einzelne Pyelitissera unbeein- fluBt blieb. Angeregt durch eine inzwischen erschienene Arbeit von DUDGEON, WORDLEY und BAWTREE 4) wandten Mr unsere Aufmerksamkeit dem Verhalten unserer St/imme auf der Blutplatte zu. Wir stellten fest, dab 25 von 61 hdmolyt~ches Waehstum zeigten, nnd zwar fiberwogen diese SttLmme bei der Urininfektion des Mannes (64%), ws sie bei Frauen nur in 34,6% der F/ille vorhanden waren. Welche Schlfisse sieh aus diesem Unterschied zwischen Mann und Frau bezfiglich der Pathogenese der Pyelitis ziehen lassen, wird in der ausffihrlichen Arbeit er6rtert. Hier wollen wit uns nur mit dem serologischen Verhalten einerseits der h~moly- tischen, andererseits der nieht h/~molytischen St~mme be- fassen. In der Agghtinierbarkeit durch das homologe Patienten- serum war ein Unterschied zMschen beiden Typen nicht festzustellen: yon 15 h~molytischen Stgmmen wurden 7, yon i I nicht h/imolytischen 5 durch das eigene Serum agglu- tiniert. Dagegen zeigte sich eine v611ige Versehiedenheit in der

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entnahme sowohl im steilsten Abschnitt der Temperaturkurve (zur Zeit des Schfittelfrostes) als auch im Temperaturmaximum erfolgte. Dab dieser negative Befund nicht durch die Paralyse bzw. Lues bedingt ist, geht daraus hervor, dab auch bei einem mit Malaria geimpften Tall yon postencephalitischem Parkinsonismus mit negativer WaR. jegliche J~nderung des Plasma-Aminosfickstoffes fehlte. Dagegen stieg der Amino- s~urengehalt bei einem Paralytiker nach intraven6ser In- jekt ion yon Typhusvaccine und bei zweien, denen MilCh injiziert worcten war, deutlich an*).

Ebensowenig wie im Fieber der Impfmalaria konnte ein Aminos~turenanstieg gegenfiber dem Ausgangswert des fieber- freien Stadiums bei zwei hochfiebernden Phthisikern und einem Fall yon Sepsis naehgewiesen werden.

Bei dieser Gruppe, die durchwegs Fglle um]aflt, deren Fieber dutch In]ektion bedingt war, ]ehlte also, trotz hohen Fieber- anstieges, eine Vermehrung des A~ninosticl~to//es im Blute.

Aus den im vorstehenden mitgeteilten Untersuchungen ergibt sich demnach ein Unterschied im Verhalten der Amino- s~uren im Blute, bei den im unmittelbaren Anschlnl3 an parenterale Einbringung k6rperffemder Substanz auftreten- den Fieberzust~nden einerseits, den durch verschiedene Infektionen bedingten andererseits. Bei der ersten Gruppe ist der Fieberanstieg verbunden mit deutlieh nachweis- buret Steigerung des Aminostickstoffes, wAhrend bei der zweiten trotz starker Temperaturerh6hung eine solche nicht nachzuweisen ist. -- Es scheint also die Beeinflussung des Eiweil3stoffwechsels im Fieber der Infekfionskrankheiten, wenigstens soweit sie yon uns untersucht wurden, in anderer Weise abzulaufen als bei parenteraler Einbl-ingung k6rper- fremder (kolloidaler) Substanzen.

Weitere Untersuchungen, die sich auf WArmeregulations- st6rungen anderer Art (W~rmestichhyperthermie usw.) be- ziehen, sind im Gauge.

Anmerkung bei der Korrektur : W~hrend der Drucklegung dieser Mitteilung ist eine Arbeit yon G. WOLFE erschienen (1VIfinchn. reed. Wochenschr. i924, Nr. I2), die sieh mit dem Aminos~urenspiegel des Blufes, bestimmt nach der Methode von FOLIN, bei verschiedenen Krankheitszust~nden und unter Reizk6rpereinwirkung beschMfigt. Die Ergebnisse der Arbeit~ auf die andernorts eingegangen werden soll, stimmen mit unseren Befunden im wesentlichen fiberein; im Gegensatz zu diesen steht nur die Angabe v0n W., dab er bei einem Falle yon Intermittens im Fieberanstiege eine deutliche Ver- mehrung der Aminos~uren im Blute gefnnden babe. Wenn es sich in diesem Falle nicht mn eine Impfmalaria gehandelt hat, was aus der Arbeit nicht ersichtlich ist, so k6nnte ge- rude dieser Untersch/ed yon Bedeutung ffir die Erkl~rung der Vorg~nge im natfirlichen und kfinstlichen Fieber sein.

ZUR FRAGE DER SEROLOGISCHEN EINHEITLICH- KEIT DER COLIBACILLEN.

Von

Dr. KURT MEYER, Dr. WALTER L6WENBERG, Direktor der Bakteriologischen Abteilung Assistenzarzt der I. Inneren Abteilung

des Rudolf V/rchow-K~ankenhauses in Berlin (Direktor: Geh. San.-Rat Prof. L. KUTTNER).

Ffir die Differenzierung und Identifizierung der patho- genen Bakterienarten bilden die serologischen Methoden ein unentbehrliches Hilfsmittel. Die morphologischen Eigen- schaften erm6glichen .nur ausnahmsweise eine Diagnose, auch die yon den biochemischen Leistungen abh/ingigen kulturellen Merkmale sind h/iufig nieht eindeutig; erst die spezifische Serumreaktion gibt der Diagnose die Sicherheit, die Klinik und Seuchenhygiene fordern m/issen.

Erm6glicht wird die Serodiagnostik dadurch, dab gerade die pathogenen Bakterienarten in der Mehrzahl serologisehe Einhei#en darstellen, in dem Sinne, dab die mi t eine~n Stamm

*) Hierzu sei bemerkt, dal3 einar der mit Malaria gehnpften ParMyfiker im ersten ~aeh der Impfung aufgetretenen Fieberanfall untersueht wtzrde, ebenso wie tier Fall v a n posteneephalitischem Parkinsonismas. -- Leider batten wit bisher noeh keine Gelegenheit, spontan aufgetretene Malaria zu untersuehem

erzeugten Antik6rper auch mit anderen Stgmmen der gleichen Art oder wenigstens Unterar t reagieren. Sodann kann abet die F/thigkeit, spontane Antik6rperbildung im TVirtsorganis- mus auszulSsen, geradezu als wichtiges Merkmal pathogener Arten gelten. Finder man, dab ffir ein aus dem erkrankten Organismus gezfichtetes Bacterium keine AntikSrper im Se- rum nachzuweisen sind, so erscheint seine s Be- deutung zum mindes ten zweifelbaft.

Die Erfolge, die mittels der serologischen Methoden bei der Abgrenzung und Erkennung der pathogenen Darm- bakterien, neuerdings auch der Kokkenarten, erzielt wurden, sind allgemein bekannt. Bai manchen Bakterienarten jedoch schienen diese lVlethoden bisher zu versagen. So finden sich bezfiglich des Oolibacill~s, an dessen pathogener Bedeutung insbesondere ffir die Erkrankungen der Harn- und Gallen- wege kein Zweifel bestehen kann, in der Literatur sehr wider- sprechende Angaben betreffs des serologischen Verhaltens. Zwar wird wiederholt fiber das Auftreten yon Agglutininen im Serum bei Coliinfektionen berichtet ; die Bedeutung dieser Befunde wird jedoeh dadurch zweifelhaft, dab viele Autoren schon im Serum Normaler Agglutinationswirkung gegenfiber Colibacillen beobachtet haben wollen. Vor allem aber wird die serologisehe Einheitliehkeit der Colibacillen ganz allgemein in Abrede gestellt. So erkl~irt es PALTA~JF 1) als ,,beim B. coli ausgeschlossen, die Agglutination zur Identifizierung und Zugeh6rigkeit einer Gruppe zu verwenden", und auch CONRADI und BIERAST2) stellen feat, dab ,,die Agglutination zur Identi- fizierung der versehiedenen Colist/tmme vollkommen ver- sagt, und dab es zwecklos sei, die Agglutinafionsmethode zur FeststeUung der Coligruppe anzuwenden".

Bei Gelegenheit yon Untersuchnngen des einen yon uns (L.) fiber die Pathogenese der Colipyelitis, die in der Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. ver6ffentlicht werden, sind wir nun zu :Ergebnissen gelangt, die der herrschenden Meinung widersprechen und fiber die wir wegen ihrer allgemeinen Bedeutung hier kurz zusammenfassend berichten wollen, w/~hrend bezfiglich aller Einzelheiten auf die genannte Arbeit verwiesen werden muB.

Bereits vor 3 Jahren halle der eine yon uns [L. 3)] im Zusammenhang mit Untersuchungen fiber Coliagglutination bei Icterus catarrhalis festgestellt, dab bei Pyelitis in etwa der Hglfte der F~lle im Serum Agglutinine gegeniiber dem iMizierenden Colistamme vorhanden waren und dab die Sera auch fremde Colist/tmme, und zwar vielfach noch st/irker als den homologen Stamm, agglutinierten.

Diese Befunde veranlaBten uns, die Frage an einem gr6Beren Material welter zu verfoIgen. Unter 26 neuen F/illen yon Pyelitis und Cystopyelitis ergab sich 12 real eine Agglu- t inationswirkung des Serums auf den homo!ogen Stamm in einer Verdfinnung yon I : 25 bis I : IOOO. Auch diesmal wiesen 5 yon 6 darauI geprfiften Seren fremden Stgmmen gegenfiber einen h6heren Agglutinationstiter ant als gegenfiber dem eigenen. Betonen m6chten wit, dab Normalserum unsere St~mme in einer Verdfinnung 1 : 25 nicht agglutinierte und dab jeder Stature anch dureh einzelne Pyelitissera unbeein- fluBt blieb.

Angeregt durch eine inzwischen erschienene Arbeit von DUDGEON, W O R D L E Y und B A W T R E E 4) wandten Mr unsere Aufmerksamkeit dem Verhalten unserer St/imme auf der Blutplatte zu. Wir stellten fest, dab 25 von 61 hdmolyt~ches Waehstum zeigten, nnd zwar fiberwogen diese SttLmme bei der Urininfektion des Mannes (64%), ws sie bei Frauen nur in 34,6% der F/ille vorhanden waren. Welche Schlfisse sieh aus diesem Unterschied zwischen Mann und Frau bezfiglich der Pathogenese der Pyelitis ziehen lassen, wird in der ausffihrlichen Arbeit er6rtert. Hier wollen wit uns nur mit dem serologischen Verhalten einerseits der h~moly- tischen, andererseits der nieht h/~molytischen St~mme be- fassen.

In der Agghtinierbarkeit durch das homologe Patienten- serum war ein Unterschied zMschen beiden Typen nicht festzustellen: yon 15 h~molytischen Stgmmen wurden 7, yon i I nicht h/imolytischen 5 durch das eigene Serum agglu- tiniert. Dagegen zeigte sich eine v611ige Versehiedenheit in der

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Beeinflussung durch fremde Sera : agglutinierte ein Serum auBer dem eigenen Stature auch oder, was ebenfalls vorkam, nur fremde, so waren dies stets h/~molytische. Da diese Befunde ffir eine engere Verwandtschalt der b/hnolytischen St/imme sprachen, suehten wir die Frage dutch Tierversuche weiter zu kl/~ren. Wir stellten mit 4 h/imolytisehen St/~mmen Immu~sera yon Kaninchen her. Mit diesen I Iramunseren gelan 9 es. sSmt- liche untersuehten 2g Mimolytischen Colistdmme zur Agglutination zqt bringen. Zwar agglufinierte-keincs dieser Sera alle St~immc, aber es bestand andererseits auch keine scharfe Trennung zwischen der Agglutinationswirkung der 4 Sera ; vielmchr fiber- deckten sich die Sera vielfach in ihrer Wirkung, so dab die einzelnen St~mme meist durch mehrere Sera ausgeflockt wur- den. Hiernach wird man die hSmolytischen Urincolistdmme als serologisch gut eharakterisierte einhe itliehe Gruppe ansehen dis en.

Es blieben nun die Beziehungen dieser Urincolist/~mme zu h~molytisehen ColistSmmen anderer Herk, un]t, in erster Linie natiirlich denen des Darmkanals, zu untersuchen. ~rir fanden h~molytische Colist~mme in den Faeces Normaler in 25%, bei Darmerkrankungen in 58% der F~ille. Es ergab sich nun bei der ~ Untersuehung yon solchen Stuhlst~mmen sowie 2 aus der Galle yon Cholecystitisfs gezfichteten h~molytischen CoIist~mmen, dab diese eben~alls durch eines oder mehrere der 4 Urinimmunsera agglutiniert warden. Andererseits agglutinierten 4 Immunsera, die mit 3 Stuhl- u~d i Gallestamm hergestellt waren, nicht nut fremde h/imo- lytische Darmst/tmme; sondern auch I8 yon 20 Urinst/immen. Mehrfach gelang es, ffir Stubl- und Urinstamm desselben Pa- t ienten ein gleiches agglutinatorisches Verhalten festzustellen.

Aus diesen 13eobactltungen seheint hervorzugehen, daft die hdimolytischen Cotistdimme ganz allgemein, unabhdngig yon i~rer Herkun]t, in enter 8erologischer Verwandtsehaft mit- eina/ader ,tehen. Allerdings werden nicht durch ein Serum alle St~mme agglutiniert, so dab keine v611ige Identi t~t in scrologiseher Beziehung besteht. Aber die Tatsache, dab die groBe Mehrzahl der St~mme durch mehrere Sera agglu- t iniert wird und dab wenige Sera ausreichen, um alle St/~mme auszuflocken, weist darauf hin, dab - in den h~molytischen Colibacillen zwar verschiedene artspezifische Gruppen oder Receptoren vorhanden sind, dab deren Zahl aber nur gering ist. Sie l inden sich in den einzelnen St~mmen bald in dieser, bald in jener Kombinat ion vereinigt, wie sich aus dcr weeh- selnden Zusammenordnung bei der Agglutination durch die einzelnen Immunsera ergibt. Man wird somit ohne ]3edenken von einer serologischen Einheitlichkeit des hSmolytischen Golibacillus sprechen dfirfen. Er n immt in diesel" Hinsicht gewissermaf~en eine Zwischenstelluflg ein zwischen solghen Arten, z.~ den Typhusbacillen, bei denen die Reeeptoren- kombination eine noch eiuheitlichere ist, so dab alle St/imme auf ein mit einem Stamm hergestelltes Serum ansprechen, obgleich quant i ta t ive Differenzen auch hier bes~ehen, and jenen Arten, z. 13. den Pneumokokken und Meningokokken, die in verschiedene, agglutinatorisch scharf zu trennende Typen zerfallen.

Es lag nunmehr die Frage nahe, in welchem Verh~!tlfis die hdimolytischen Collst/imme zu den nicht hdmolytischen St/immen stehen und ob bei diesen ebenfalls eine serologische Charakterisierung m6glich ist.

Bei der Prfifung von 17 nicht h/imolytischen Urinst/immen �9 mit den 4 Urincoliimmunseren ergab sich, dab nut ein einziger

dieser St/imme agglutiniert wurde. Durch die 4 Darmcolisera wurden allerdings 4 yon 18 St/immen ausgefiockt, aber der Unterschied gegenfiber dem Verhalten der h/imolytisehen St/imme bleibt unverkennbar. DaB den nicht h/~molytischen St/tmmen die antigene Wirkung nicht abgeht, folgt schon daraus, dab auch bei Pyelitisf/illen, denen eine Infektion mit solchen St~mmen zugrunde lag, Agglutinine im Serum vorhanden waren.

Auch hier durften vom Tierversuch weitere Aufschliisse erwartet werden. Es wurden daher mit 3 nicht h~mo- lytischen Urincolist/immen agglutinierende Kaninchensera hergestellt und gegenfiber den eigenen sowie 15 fremden St~mmen gepriift. Dabei ergab sich, dab 2 ,con diesen Seren auBer dem eigenen keinen anderen nicht h/imolytischen Stamm

agglutinierten und das dritte ebenfalls nut 2 Iremde St/imme, and zwar gerade solche, die auch durch h/~molytische Sera beeinfluBt wurden. Dieses refrakt~tre Verhalten der nicht h~molytischen St~mme steht im Einklang mit der bereits erw/ihnten Tatsache, dab die Pyelitissera fremde nieht h~mo- lytische St~imme nicht agght inier ten. Demnach scbienen auch durch den Immunisierungsversuch Beziehungen zwischen d e n verschiedenen nicht h/imolytischen St/immen nur aus- nahmsweise nachweisbar zu sein.

Bemer]censwerterweise abet agglutinierten d/iese mit *(icht hiimotytischen Stdramen gewonnenen Sera eine grofle Zahl (18yon 23) hdmolytiScher StSmme, wenn auch in etwas gerin- gerem Grade alg die mit hi~molytischen St~mmen bergestellten Sera. Diese Beobachtung wird man kaum anders deuten k6nnen, als dab die nicht hfimo!ytlschen Stfimme mit den Mimolyt@chen bestimmte biochemische Gruppen gemeinSam haben. Allerdings sind diese wohl nur in geringer Menge oder in latenter Form vorhanden; den~ sie vermSgen zwar im Organismus Antikfrperbi ldung hervorzurufen, reagieren abet nicht mit den entsprechenden Agglutininen, falls diese durch einen fremden Stature erzeugt sind. DaB ein solches Verhalten nichts AuBergew6hnliches ist, dab die Antik6rperbildung beim Tier ein viel empfindlicheres 1Reagenz auf Receptoren darstellt als der direkte Bindungsversuch, daffir bietet. }tie Immunit/itslehre mancherlei Analogien. Wenn die nicht hs St~mme dutch das homologe Serum agglutiniert Werden, so beweist das, dab die UnbeeinfluBbarkeit drrrch ]remde Immunsera nieht auf v6lliger Inagglutinabilit~t, etwa im Sinne y o n Serumfestigkeit, beruht ; man darf vielleicht vermuten, dab die Gruppen, die diese homologe Agglutination vermitteln, auf den einzelnen Stamm beschr~inkt sind und sich bei anderen St~mmen nicht wieder finden.

Wir sind uns bewuBt, dab die zun/~ehst nur bei 3 patho- genen nicht h/imolytischen St/immen gewonnenen Ergebnisse noeh keine weitgehenden Sehliisse zulassen. Sollten sie sich aber bei weiteren Untersuchungen best/itigen, so wiirden sich daraus engere Beziehungen der nicht Mimolytisehen zu den hSmolytischen Stdmmen ergeben. Da aber welter die einzelnen mit nicht h~molytischen St~tmmen erzeugten Sera sich in ihrer Wirkung auf die hi~molytischen St~mme vielfach decken, so miiBte man identische Receptoren auch in den versehiedenen nicht hSmolytlschen St(~mmen annehmen. Auch sie wfirden dann, wie es die zuerst mitgeteilten Versuche ffir die h/imo- lytischen St~mme erwiesen haben, nicht mehr ein zusammen- hangloses Nebeneinander serologisch uncharakterisierbarer St/imme, entsprechend der eingangs erw~hnten Paltaufschen Auffassung, darstellen, sondern durch den gemeinsamen Be- sitz allerdings larvierter, aber dureh Antik6rperbitdung fin tierischen Organismus naehweisbarer Receptoren miteinander verbunden sein.

Einen 13berga~g von den typiseh sich verhaltenden, nicht h~molytischen St/~mmen zu den h~imolytischen wiirden dann jene seltenen nicht h/~molytischen St~mme bilden, die auch yon fremden h~molytischen und nicht h~molytischen Seren agglutiniert werden.

Inwieweit diese an patlmgenen nicl~t h/imolytischen St/immen erhobenen Befunde auch ffir die groBe Zahl der normalerweise im Darm lebenden Colibaeillen gelteh, mfissen weitere Unter- suehungen lehren. Es w/ire mSglich, dab bei diesen saprophyti- sehen St/~mmen die ser ologisehe Charakterisierung versagt.

DaB H~motysinbildung, Virulenz and Auspr~gung der serologischen Eigenart, wenn auch niebt zwangsl~ufig mit- einander verbunden, doch in der Regel parallel gehen, haben Untersuchungen an Staphylokokken, an Streptokokken, an Pneumokokken aus /ilterer und neuerer Zeit ergeben. Unsere Befunde beim Colibacillus stehen damit im Einklang. Bei den h~tmolytischen St~mmen ist die serologische EinheiG liehkeit unmittelbar nachweisbar, bei den nicht h/~molytischen l~Bt sie sieh nur indirekt im Tierversuch feststellen. Es wird yon Interesse sein, experimentell zu priifen, o b etwa durch kiinstliche Virulenzsteigerung auch eine Nnderung des serologischen Charakters herbeigeffihrt wird.

Unsere mit direkter Agglutinationspriifung gewonnenen Ergebnisse haben wir noch durch Agglutininbindungsversuche

838 zu best / i t igen und erg~nzen gesucht . Wir k6nnen auf Einzel- he i t en hier n ich t e ingehen und wollen n u t bemerken , dal? mi t ihrer Hilfe noch ve rwandf scha f t l i che Bez iehungen nach- weisbar waren, die sich bei d i rek te r Agglu t ina t ion n ich t zu e rkennen gaben.

W a s die p rak t i sche B e d e u t u n g unserer zun/ ichs t theore- t i sch i n t e r e s san t en B e o b a c h t u n g e n betr i f f t , so g lauben wir, d a b die nachgewiesene serologische E inhe i t i i chke i t der p a t h o - genen Colist/~mme, anderse i t s die Un te r sch iede im Verha l ten , der h / imoly t i schen und n ich t h/~molytischen S t~mme fiir m a n c h e Frage der Pa thogenese der Col i infekt ionen yon Wich t igke i t sein k6nnen. Sodann sind sie n ich t ohne B e d e u f u n g ffir eine spezif ische Therap ie d u t c h ak t ive oder pass ive Immunis i e rung . End l i ch fo rde rn sie dazu auf, auch bei a n d e r e n Bak te r i ena r t en , bei d e n e n die serologischen Ver- h~l tnisse noch n ich t gekl/~rt sind, neue Versuche in dieser R i c h t u n g au fzunehmen .

ZusammenJassung. Hdimolytische COlistdimme yon Ur in- in fek t ionen und aus d e m D a r m k a n a l b i lden eine serologisch e inhei t l iche Gruppe, da es gel ingt mi t weniger I m m u n s e r a sUe S t~mme zur Agg lu t ina t ion zu br ingen,

2gicht hgimolytgsche St~mme yon Ur in in fek t ionen werden n u t d u t c h homologes I m m u n s e r u m agglut inier t . Die mi t i hnen herges te l l t en Sera agglu t in ieren j edoch zahlreiche h/imo- ly t i sche S t / imme un te r v ie l fachem l~lbergreifen. Hie raus wird geschlossen, dab die n i c h t h~moly t i schen S t~mme in t a t e n t e m Zus t and R e c e p t o r e n besi tzen, die sie m i t den h/~molytischen S t g m m e n und s u c h m i t e i n a n d e r geme insam haben , so dab auch zwischen ihnen serologische Z u s a m m e n h s v o r h a n d e n w~ren.

L i t e r a t u r: ~) KOLLE-WASSERMANN, Handb. d. pathog. Mikroorg. 2, 552. -- ~) KOLLE-WASSERMANN, Handb. d. pathog. Mikroorg. 6, 5oi. -- ~) ~V, L6W:~NBERG, Arch. f. Verdauungskrankh. 29, 94. I92I. -- 4) L. S. DUDGEON, ]~. WORDLEY U. F. BAWTREE, Journ. of hyg. 20, 137. I92I; 2I, 169. I922").

~SKORBUT, INFEKT UND DER BEGRIFF DER , ,DYSERGIE".

Bemerkungen zu derArbeit ,,Skorbut und Infekt beim Meerschwein- chen" yon Nassau und Scherzer in dieser Wochenschr. Jg-3, Nr.8, $.314 .

Von

Dr. HAxs ABELS, Wien.

Vor fiber 41/~ Jahren habe ich im AnschluB an die Vorstellung eines aufschluBreichen Falles in der GeseUschaft der _~rzte in Wien (Sitzung yore 27. Juni 1919) die vorl~ufige Mitteilung ,,i~ber die Rolle der InJekte beim Skorbu$ der Kinder und Sauglinge" 1) erstat tet und in diesem, wie in der im ni~chsten Jahre ver6ffentlichfen tierexperimentellen Untersuchung aus dem Inst i tut ffir allgemeine und experimentellen Pathologie (Vorstand Hofrat Prof. PALVAUF) ,,Uber das gerhalten de8 ~korbutlschen Organismus gegen InJekte [skorbutische Dysergie] ''~) die These aufgestellt, dab die klinisch wichtigste Ver~nderung des an C-Vitamin verarmten Organismus seine ungentigende und regelwidrige Abwehrfi~higkeit gegenfiber Infekten bildet, welches Verhalten ich in Anlehnung an Pirquets Ausdruck ,,Allergie" (= ver~nderte Reaktion gegen Infekte) als ,,Dysergie" bezeichnete**).

In ausfiihrlichen Ver6ffentlichungen in p~diatrischen Zeit- schriften haben nun L. F. MEYER und NASSAU, NASSAU, NASSAU und SINGER abgesehen yon anderen Autoren diese Anschauung eingehend gewfirdigt, weitgehend angenommen und in Hinsicht einiger klinischer Tatsachen bekrMtigt und erweitert. Wenn nun NASSAU und SCHERZER in der oben angeffihrten Arbeit den (in p~diatrischen Ver6ffentlichungen bereits recht eingebfirgerten) Begriff der Dysergie verwenden und eine kurze Argumentation bringen, die zu der Anstellung yon Infektionsversuchen an mit Hater und Wasser ern~thrten Meerschweinchen ffihrt, wie ich sie unter genau gleichen Bedingungen unternommen babe, so k6nnte bei den Lesern dieser nicht p~diatrischen Zeitschrift der irrige Eindruck entstehen, dab diese ganze pathogenetische Auffassung der Dysergie mit ihren wichtigen Konsequenzen, sowie das Problem

*) A~nerkung bei der Kor~e, ktur: In einer soeben erschienenen Arbeit (Wien. klin. Wochenschr. I924, S. x6) teilen HAMBURGER und CZIKELI Beobachtungen fiber Unterschiede in der Agglutinabilit~t yon Colist~immen mit, die sich zum Teil mit den unsrigen deeken und durch sie ihre ErMXrung finden. **) In elnem ganz allgemelnenSinne, n~mllch als Bezeichnung ftir St6rungen desKraft- wechsels, wurde der Ausdruek sehon yon ASCHOFF verwendet.

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 3. J A H R G A N G . Nr . 19 6. 5IAI z9~'4

,,Skorbut und Infekt" tiberhaupt -- man vergleiche nut die oben angeffihrten Titel meiner beiden ersten VerOffenttichu~gea hierfihex und den yon NASSAU und S C H E R Z E R - - von einem der dort erwAhnten Autoren, etwa yon NAssAu selbst, aufgestellt worden sei und nicht von mir, dessen Name in dem ganzen Texte nicht genannt wird. Tats~chIich ist abet yon dieser pathogenetisch aufschlul3reichen Erkl~rung der skorbutischen Erscheinungen sogar in der reich- haltigen und genauen l~bersichtsdarstellung yon SALLE und ROSEN- BERG in den Ergebn. f. inn. Med. u. Kinderheilk. im Jahre 1921 noch mit keinem Worte die Rede. Nur HESS, den aber NASSAU und SCHERZEE such nicht anffihren, hat in einer amerikanisehen Zeitschrift, die mir zur Zeit meiner ersten VerOffentlichung nicht zug~nglich war, vor mir, wenn auch in viel weniger bestimmter Form, ant einen Zusammenhang yon Infekt und Skorbutentwieklung hingewiesen.

Der Ausfall der yon NASSAU und SCHERZER allerdings mit einem besonders geeigneten Virus ausgeffihrten Infektionsversuche be- st~tigt aufs schOnste unsere Anschauungen and unsere, yon ihnen nicht erw~hnten Tierexperimente (schnelleres Eingehen skorbu- fischer und infizierter Tiere, Verst~rkung der Skorbutsymptome) ; und der Schlug, zu dem NASSAU und SCHERZER kommen, dab wahrscheinlich erst das Zusammenwirken yon skorbutischer Er- nAhrung und Infekt die Erscheinungen bedinge, deckt sich mit dem wesentlichsten Teile meiner schon im Jahre 1919 auf Grund einer teils identischen, tells noch viel reichhaltigeren ]3eweisffihrung aufgestellten These. DaB diese Auffassung jedoch noch fiber die yon den Irfiher genannten Autoren und jetzt yon NASSAU und SCHERZER bestXtigt gefnndenen Seiten des Problems -- Infekt- neiguag und Ausl6sung der Erscheinungen durch einen Allgemein- infekt -- hinaus theoretisch und praktisch als fruchtbringend sich erweist, glaube ich in einer jfingst erschienenen ausffihrlicheren, haupts~tchlich klinischen Darstellung ,,die skorbutische Dysergie" (Zeitschr. f. Kinderheilk. 26, H. 6) dargetan zu haben.

Literatur: L) Wiener klin. Wochenschr. i919, S. 748 u. Med. Klinik i919, Nr. 43. -- ~1 Wiener klin. Woehenschr. ~92o, Nr. 4L

ERWIDERUNG. Von

Dr. E. NASSAU, Berlin.

i. Der Begriff der Dysergie, den zuerst ABELS aufstellte, ist, wie ABELS selbst sagt, ,,in ausgedehnten Gebrauch genommen." Nicht nu r in die p~diatrische Li teratur ist er fibergangen; er finder sich (auch ohne jedesmalige Benennung seines SchSpfers) bereits in VerOffentlichungen anderer medizinischer Sonderdiszi- plinen, die die Skorbutfrage behandeln; gewiB ein ,,Beweis ft irden bereits erprobten Begriff und Ausdruck" (ABELS). Zudem stellt ABELS noch selbst test, dal3 gerade unsererseits ,,der Begriff der Dysergie in einer ganzen Reihe ausffihrlicher Ver6ffentlichungen eingehend gewflrdigt, weitgehend angenommen und in Hinsicht einiger klinischer Tatsachen bekrMtigt und erweitert" (ABELS) wurde. Es dfirIte daher kaum Ms Usurpation eines Begriffes er- scheinen, wenn im Laufe eines weiteren kleiilen Beitrages zu einem des 6fteren behandelten Theme yon einem ,,in p~diatrischen Ver- 6ffentlichungen recht eingebfirgertem Begriff" (ABELS) auch ohne erneute, ausdrfickliche Erwahnung des Vaters des Begriffes Gebrauch gemacht wird.

2. Die tierexperimentellen Untersuehungen, die ABELS neben klinischen Beobachtungen zum Begriff der Dysergie ffihrten, ergaben, dab ein lokaler Infekt beim bereits skorbutkranken Meer- schweinchen el len besonders schweren Verlauf nimmt. Dagegen gelang es ABELS nicht, ,,eine akute Allgemeininfektion beim Meer- schweinchen wegen dessen h6herer Resistenz ihnen gegenfiber zu erzielen" (ABELS). In unseren Untersuchungen wurde aber die Antwort auf die entgegengesetzte Frage gesucht, wie eine Allge- meininfektion den Ablaut der skorbutischen Erkrankung beeinflul3t. Im fibrigen glauben wir, dab die Dysergie ein Zeichen jeder StOrung der Ern~hrung der Zelle, und nicht eine Eigentfimlichkeit des skorbutischen Organisnms ist.

Die h~ufige und wiederholte eingehende \Vfirdigung der grund- legenden Arbeiten yon ABELS in unseren bescheidenen Beitr~gen zum Thema des Skorbuts beweisen am besten den groBen Weft, den wit yon jeher seller Auffassung yon den Zusammenh~ngen zwischen Skorbut und Infekt beigelegt haben. Wit k6nnen es Bur mit Freuden begrtigen, dab an zwei Stellen und an verschiedenem Krankenmaterial eine praktisch und theoretisch vielleicht nicht unwichtige klinische Beobachtung gleichsinnig erhoben und er- klXrt wurde. Wir sind abet gern bereit, Herrn ABELS bier noch- mals seine Prioritat bei der Aufstellung des Dysergiebegriffes zu attestieren. Lediglich a u s Grfinden der Raumersparnis babe l wir in unserer Mitteilung auf eine erneute ausfflhrliche Anffihrung der Literatur verzichtet.