Zur japanischen Sprache in der frühen...

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Zur japanischen Sprache in der frühen Shöwa-Zeit von Bruno Lewin (Bochum) Als Sprache der frühen Shöwa-Zeit ist das Japanische in der Periode anzusehen die vom großen Erdbeben im Kantö-Gebiet 1923 bis zum Ende des Pazifischen Krieges 1945 reicht. Es ist eine Sprachperiode, in der das Entwicklungsstadium des Gegen- wartsjapanischen, wie wir die Sprache nach 1945 nennen können, schon weitestgehend erreicht war, die aber ihr eigenes zeittypisches Gepräge hatte, wie es s1ch im Sprachme- dium der gesellschaftlichen Kommunikation immer aufs neue bildet. Eine wesentliche Komponente solch zeittypischen Gepräges sind die im weitesten Sinne politischen Be- wegungen, die in die Sprache einfließen und das Bewußtsein bestimmen oder auch len- ken. Von dieser Komponente soll nachstehend hauptsächlich die Rede sein, wenn hier Betrachtungen zur Sprache in der frühen Shöwa-Zeit angeschlossen werden. Die Wahl dieses Themas für einen Beitrag, der dem Japanologen Oscar Benl gewid- met ist erklärt ich aus zwei Bezugspunkten. Zum einen hat der Jubilar in seiner Be- schäftigung mit der modernen Literatur und GesellschaftJapans-einem seiner bevor- zugten Arbeitsgebiete- stets den politischen Aspekt im Auge behalten; zum anderen datiert sein Einstieg in die japanische Sprachwelt aus jener frühen Shöwa-Zeit, deren Kolorit ihm noch im Gedächtnis haften wird. Vergegenwärtigen wir uns; daß die betreffende Periode eine der dramatischsten in der japanischen Geschichte ist. Sie ist gekennzeichnet durch wirtschaftliche und politi- sche Widersprüche und Spannungen, die einem sich übersteigernden Nationalismus Vorschub leisteten. Diese Entwicklung mündete schließlich in einen politischen Radi- kalismus der durchaus faschistische Züge trug, und konsequenterweise in die militäri- schen Abenteuer des japanischen Imperialismus, die kurzfristig zu einem Großjapan, doch dann sehr bald zum totalen Zusammenbruch, zur nationalen Katastrophe führten. Während anfangs noch das Staatswesen durch'Parteien und Parlament demokratische Züge trug, gewann in den dreißiger Jahren das reaktionäre Militär die Oberhand, und indem ich da expansionistische Großkapital der Zaibatsu mit der reaktionären Mili- tärkaste derGumbatsu verband geriet Japan aufden -Weg von Gewalt und Aggression. Politi ehe Morde Umsturzversuche, Liquidierung des Parteiensystems waren Wegzei- chen im Innem, während die Außenpolitik bald von Waffengewalt bestimmt wurde, um durch die Eroberung von Rohstoffquellen und von Märkten eine japanische Autarkie zu schaffen. Die Maßlosigkeit der imperialistischen Ziele, propagandistisch als Schaf- fung einer "großostasiatischen Wohlstandssphäre' ausgegeben, führte über die Erobe- rung der Mandschurei vom koreanischen Brückenkopf her, über die Einfälle in China und Vorstöße bi nach Indochina schließlich zum Kampf gegen die Vereinigten Staaten, der nach anfänglichen Überraschungserfolgen schon bald das Desaster absehen ließ. Diese katastrophalen Entwicklungen wurden von einer Ideologie des Supranationalis- mu getragen der aus der Tradition konfuzianischer und shintoistischer Glaubenssätze einen mystifizierten Staatsbegriff mit dem Gottkaisertum als Zentrum und dem Krie- gerturn al tragender Säule schuf. Es waren Aktivitäten jüngerer Militärs die sich für Vollstreckerde Tenno-Willens hielten, welche den verderblichen Gang einleiteten. Sie ahen ich a1 Exponenten des eigentlichen Japans und ihr überheblicher welt- fremder Nationalismus wurde von manchen Intellektuellen geteilt und propagandi- 38

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Zur japanischen Sprache in der frühen Shöwa-Zeit

von Bruno Lewin (Bochum)

Als Sprache der frühen Shöwa-Zeit ist das Japanische in der Periode anzusehen die vom großen Erdbeben im Kantö-Gebiet 1923 bis zum Ende des Pazifischen Krieges 1945 reicht. Es ist eine Sprachperiode, in der das Entwicklungsstadium des Gegen­wartsjapanischen, wie wir die Sprache nach 1945 nennen können, schon weitestgehend erreicht war, die aber ihr eigenes zeittypisches Gepräge hatte, wie es s1ch im Sprachme­dium der gesellschaftlichen Kommunikation immer aufs neue bildet. Eine wesentliche Komponente solch zeittypischen Gepräges sind die im weitesten Sinne politischen Be­wegungen, die in die Sprache einfließen und das Bewußtsein bestimmen oder auch len­ken. Von dieser Komponente soll nachstehend hauptsächlich die Rede sein, wenn hier Betrachtungen zur Sprache in der frühen Shöwa-Zeit angeschlossen werden.

Die Wahl dieses Themas für einen Beitrag, der dem Japanologen Oscar Benl gewid­met ist erklärt ich aus zwei Bezugspunkten. Zum einen hat der Jubilar in seiner Be­schäftigung mit der modernen Literatur und GesellschaftJapans-einem seiner bevor­zugten Arbeitsgebiete- stets den politischen Aspekt im Auge behalten; zum anderen datiert sein Einstieg in die japanische Sprachwelt aus jener frühen Shöwa-Zeit, deren Kolorit ihm noch im Gedächtnis haften wird.

Vergegenwärtigen wir uns; daß die betreffende Periode eine der dramatischsten in der japanischen Geschichte ist. Sie ist gekennzeichnet durch wirtschaftliche und politi­sche Widersprüche und Spannungen, die einem sich übersteigernden Nationalismus Vorschub leisteten. Diese Entwicklung mündete schließlich in einen politischen Radi­kalismus der durchaus faschistische Züge trug, und konsequenterweise in die militäri­schen Abenteuer des japanischen Imperialismus, die kurzfristig zu einem Großjapan, doch dann sehr bald zum totalen Zusammenbruch, zur nationalen Katastrophe führten. Während anfangs noch das Staatswesen durch'Parteien und Parlament demokratische Züge trug, gewann in den dreißiger Jahren das reaktionäre Militär die Oberhand, und indem ich da expansionistische Großkapital der Zaibatsu mit der reaktionären Mili­tärkaste derGumbatsu verband geriet Japan aufden -Weg von Gewalt und Aggression. Politi ehe Morde Umsturzversuche, Liquidierung des Parteiensystems waren Wegzei­chen im Innem, während die Außenpolitik bald von Waffengewalt bestimmt wurde, um durch die Eroberung von Rohstoffquellen und von Märkten eine japanische Autarkie zu schaffen. Die Maßlosigkeit der imperialistischen Ziele, propagandistisch als Schaf­fung einer " großostasiatischen Wohlstandssphäre' ausgegeben, führte über die Erobe­rung der Mandschurei vom koreanischen Brückenkopf her, über die Einfälle in China und Vorstöße bi nach Indochina schließlich zum Kampf gegen die Vereinigten Staaten, der nach anfänglichen Überraschungserfolgen schon bald das Desaster absehen ließ. Diese katastrophalen Entwicklungen wurden von einer Ideologie des Supranationalis­mu getragen der aus der Tradition konfuzianischer und shintoistischer Glaubenssätze einen mystifizierten Staatsbegriff mit dem Gottkaisertum als Zentrum und dem Krie­gerturn al tragender Säule schuf. Es waren Aktivitäten jüngerer Militärs die sich für Vollstreckerde Tenno-Willens hielten, welche den verderblichen Gang einleiteten. Sie ahen ich a1 Exponenten des eigentlichen Japans und ihr überheblicher welt­fremder Nationalismus wurde von manchen Intellektuellen geteilt und propagandi-

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tischdem Volke nahegebracbt. In der Spracherziebl,lflg Sprachpolitik und pra hr -gelung jener Jahre mußten di e Ereignis e ihre Spuren hinterlas n.

Betrachten wir die japanische Sprache der zwei Dezenni n r 1 4 o prä nti rt

sie sieb uns als eine zur Uniformität tendierende Gern in prache auf d r Bai d r Stadtsprache von Tökyö. Die Bewegungzur ,Vereinheitlichung d r g pr h nen und geschriebenen Sprache' (gembun-it hi) hatte im Laufe iner G n rati n b r i am Anfang der Shöwa-Zeit zum Obsi gender ge proch nen prache in f t all n B r i­eben schriftlicher Kommunikation geführt (kogobun). Die ab 190 v m Unt rri ht -ministerium herausgegebenen einheitlichen taatlich n SchuH büch r kokut i-to­kuhon) in denen Texte in der älteren Schrift prache (bungobun) nur noch zweitrangig und in geringerer Zahl in Erscheinung treten wirkten ben o wie di ab nde d r ai -hö-Zeit auch größtenteils in kogobun abgefaßt n Pr e rzeugn· e tandardi i r nd auf die japanische Gemeinsprache ein. Hinzu kam d r ab März 1925 ein tz nd japa­nische Rundfunk, der im Bereich der gesprochenen Spra he in die lbe Riebtun wirkte und chon zu Anfang der 30er Jahr , al auch der Tonfilm (toki au talki ) in n Weg nach Japan gefunden hatte bereits eine MiJlion tändiger Hör r zählt · d r unauf­haltsame Siegeszug des Radio (rajio) hatte in Japan begonnen. In di m Pr zeß prachlicher Vereinheitlichung gerieten die Dialekte immer mehr ins Hintertr ffen.

Bei pielswei e wurden ab En~ 1933 für den japanisch n Staat rundtunk NHK nur noch Tökyöter Sprecher ange tellt die einheitlich au gebildet und dann auch in d n Provinzstudios eingesetzt wurden. 1 Dank der Schulerziehung und der Mas nrn dien durchdrang die Sprache von Tökyö da ganze Land. Die beherr chende Stellung d r Sprache der Hauptstadt wurde so zementiert. Prägende Kraft hatte dabei die Sprech­weise der Bewohner des Yamanote entfaltet, d. h. de jenigen Wohng biete am Rande des Musashino-Plateau , das sich an einem 0 trande etwa auf der Linie Ak:abane ­U no- Shlnagawa von der Tökyöter Altstadt des Shitamachl abgrenzt. Das Shitamachi galt al Hort der Sprache·und Kultur de alten Edo während da Yamanote eh r welt­offen und zukunftsorientiert war selbst moderni tisch im Sinne des ,modan-jidai" der 20er Jahre. Das Yamanote-Japanisch erfuhr eine zu ätzliehe Stärkung durch di Au -wirkungen des großen Erdbebens im Jahre 1923, von dem vor allem das hitamachi­Gebiet betroffen worden war so daß das Yamanote im Wiederaufbau tark expan­dierte und auch ehemalige Bevölkerungsteile des Shitamachi aufs g. Al 1932 durch den Anschluß von 82 Randgemeinden Groß-Tökyö geschaffen wurde war die im Ya­manote zentrierte Sprache des japanischen Bildung bürgerturn bereits zum Richtmaß der im Standardisierungsprozeß befindlichen Gemeinsprache de Lande geworden. Das Idiom der so geschwächten Unter tadt' büßte mittlerweile eine Eigentümlich­keiten ein und wurde dem der Oberstadt" immer ähnlicher.2

Die Gemeinsprache des modernenJapanunterlag in ihrem Standardi ierung prozeß bewußten Eingriffen in einem Au maß wie e unserer deut chen Sprachwelt fremd i t. Die e Eingriffe hatten im we entliehen das Ziel, die ,National prache" (kokugo)- ein in der Meiji-Zeit geprägter Begriff- zu verbe sern' (kairyo, kaizen) um ie den r­forderni en der modernen japanischen Ge: ellschaft anzupa en. E hat also im mo­dernen Japan viel Sprachpolitik gegeben, und die Shöwa-Zeit nimmt dabei einen wich:­tigen Platz ein. In einer Publikation dieses Titels (Kokugo-seisaku wrtl. Maßnahmen in Bezug auf dieN ationalsprache' ) von dem Sprachwissenschaftler Ho hina Köichi aus dem Jahre 1936 werden sechs Gebiete solcher Aktivitäten genannt: 1. Festsetzung ei­ner Standardspr~cbe, 2. Vereinheitlichung eine standardisierten Stile 3. Verbes e-

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rung der in Japan gebräuchlichen chinesischen Zeichen, 4. Reform der Silbenschriftor­thographie, 5. Regelung der begleitenden kana, der Interpunktion und der Spationie­rung, 6. Verbesserungen in der Grammatik.3 Um alldiese "Fragen der Nationalspra­che" (kokugo-mondai) haben sich zahlreiche Meinungen und Dispute in der Fachlite­ratur und in der Presse, in Vorträgen und im Rundfunk artikuliert. Dabei zeigt sich in der Shöwa-Zeit ein Hinneigen mancher Kreise zu nationalistischen Standpunkten in Empfehlungen konservativer oder restaurativer Regelungen. Durchaus namhafte Phi­lologen vertraten solche Positionen, wie etwa Yamada Yoshio, der sich für die Beibe­haltung der historischen Silbenschrift-Orthographie einsetzte- und sein Traktat in der älteren Standardschriftsprache abfaßte,4 oder Fujimura Tsukuru, der sich 1927 sogar gegen den Fremdsprachenunterricht in den Schulen wandte.;) Immer wieder wurde zum , Bewahren einer reinen Nationalsprache" aufgerufen, so 1940 von dem Philologen und Schuldirektor Kurano Kenji,6 oder auf die "Achtung der Tradition und die Beibe­haltung strengerNormen der Nationalsprache'' hingewiesen, so 193 9 von dem einfluß­reichen Sprach issenschaftler Shimmura Izuru.7

Dennoch darf nicht verkannt werden, daß gerade in jener Periode von offizieller Seite an der Modernisierung und Vereinfachung des Japanischen gearbeitet wurde. Diejenigen Reformen, die besonders in der japanischen Schrift nach Kriegsende 1946 eingeleitet wurden waren bereits in der frühen Shöwa-Zeit durch Expertengremien angelegt und entsprechende Ergebnisse der Öffentlichkeit unterbreitet worden. In dem 1950 vom "Beirat für die Landessprache" (Kokugo-shingikai) herausgegebenen sog. Sprachweißbuch mit dem Titel "die Hauptaufgaben in der Landessprache" ( Kokugo­mondai-yoryo) werden die wesentlichsten positiven Regierungsleistungen jener J abre genannt:8 1921 Einrichtung eines, Sonderausschusses für die Untersuchung der japa­nischen Sprache' (Rinji-kokugo-chosakai), 1923 Bekanntgabe einer "Liste der Kanji für den gewöhnlichen Gebrauch" (Joyo-kanji-hyo ), 1925 Veröffentlichung eine

Entwurfs zur Reform der Kana-Rechtschreibung" (Kanazukai-kaitei-an), 1930 Ein­setzung eines Sonderausschusses für die Untersuchung der Lateinschrift" (Rinji-ro­maji-chosakai), 1931 Versuch der Einführung der reformierten Schrift in den Schulbü­chern, 1934 Gründung des, Beirates für die Landessprache" als Beratungsorgan des Unterrichtsministeriums für eine Reform der Landessprache, 1942 Veröffentlichung einer "Liste der Standard-Kanji" (Hyojun-kanji-hyo) und einer "Liste einerneuen si­nojapanischen Orthographie" (Shin-jion-kanazukai-hyo). Die Bemühungen um Durchsetzung einer Rechtschreibereform in den Jahren 1931 und 1942 scheiterten je­doch am Widerstand der konservativen Kräfte. Verwirklicht wurde die Festsetzung ei­ner Lateinumschrift für das Japanische im Jahre 1937 per Kabinettsorder (Kunreisiki­romazi), auch "staatlich festgelegtes System" (Kokuteisiki romazi) genannt, mit dem die verbreitetere Hepburn-Transkription durch ein nationales Transliterationssystem offiziell ersetzt wurde.

Es zeigt sich also daß die um Standardisierung der modernen japanischen Gemein­sprache bemühten Kreise eine beachtliche Position im Unterrichtsministerium und sei­nen Fachausschüssen innehatten, insofern also der progressive Geist in der damaligen Sprachpolitik durchaus lebendig war. Seitdem im Jahre 1902 ein, Ausschuß für die Un­ter uchung der Landessprache' (Kokugo-chosa-iinkai) tätig geworden war, zu dessen Aufgab n die Standardisierung des Japanischen gehörte haben entsprechende Unter­suchungen Entwürfe und Vorlagen in eine Richtung gewiesen, die in den Sprachrefor­m n der Nachkriegszeit verortet wurde. Zu ihren Verfechtern in der Vorkriegszeit ge-

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hörten Hoshina Köichi (s.o.) Jimbo Kaku Ishiguro Röh i u akabe higetarö und Yanagita Kunio die ich für die Standardi ierung der Tök öter V rk hrs pra h al Landes tandard einsetzten. Ishiguro hat diese Standardspra he in in m gl i hnamig n

erk Hyo]ungo als ideale Sprachsy tem nach dem jeder Japaner tr b n oUt a , normative Sprache' (kihan-gengo) [1] charakterisiert.9

Ein we entliches In trument oieher Standardi ierung war die Sprach rzi hung in der Schule, besonders auch deshalb weil eit 1903 nur noch einh itlich taatlich Schulbücher Benutzung fanden. In den Jahren 1932 bis 1938 erschien die vi rte ri der staatlich edierten Grundschulle ebücher (kokutei-tokuhon) mit dem Tit 1 hoga­ku-kokugo-tokuhon, volk tümlich auch ,ßakura-tokuhon ' wegen d T xtbeginn g -nannt (saita saita sakura-ga saita). Kon ervativ blieb die e S ri in d r Schrifteinfüh­rung mit Katakana (Hiragana ab 3. Band) und in der Beibehaltung d r hi t ris hen il­benschriftorthographie; progres iv zeigte i sich in der R dukti n der Kanji-M ng (1362 gegenüber älteren 1366 bei einer Textzunahme um 39 % auf in g. 17 S it n und der weiteren Beschränkung von Texten in ält rer chriftsprache (bungobun ab 8. Band) sowie im völligen Verzicht auf die Wortmethode d. h. Verwendung ganzer ätz von Anfang an. 10 Die Verbreitung dieser Fibel bis in die letzte Grund chule de Land leistete Beträchtliches zur Uniformierung der Gemein prache, in gleicher W · e aber auch zur Anerziehung eines starken Nationalbewußtseins. Karasawa wei t in in r Geschichte der japanischen Schulbücher darauf hin, daß die bräunliche Einbandfarb dieser Fibelserie gegenüber der grauschwarzen der vorangegangenen S rie den hi r wirkenden faschistischen Geist signalisiere. 11 Nationall ti eh und imperiali ti eh waren tat ächlich zahlreiche Beiträge dieser Fibelserie die sieb mit Gottkaisertum U nterta­nenvolk und Kriegergeist, mit Staat, Mytho und Ge chichteJapan befaßten. Sie tütz­ten und belieferten den , Moralunterricbt" (shi4shinka ), der den , rechten Weg des Un­tertanenvolkes" (shimmin no michi) (2] aufzeigen sollte. Dabei klangen die militäri­schen Töne gleich zu Beginn des ersten Bandes auf ( ,susume susume heitai usume" wurde auch eben o ein nationalistisches Sprachbewußt ein anerzogen. So i t der letzte Beitrag des neunten Bandes der "Kraft der Nationalsprache" (kokugo no chikara) ge­widmet und endet mit den Sätzen: Ehre die Nationalsprache und liebe ie! Denn die Nationalsprache birgt die Seele de Volke ' 12 wobei das Lexem ,,koku" in den dort zahlreich verwendeten Termini ,kokugo, kokumin, kokutai, kokka, kokoku, aikoku" mit " Japan ' zu identifizieren ist.

In dem genannten Fibeltext i t von der "Seele des (japanischen Volke " (koku­min-no tamashii) mit seinem ,weltweit beispiellosen Staat körper" (sekai-ni tagui-naki kokutai) und von der japanischen Sprache in der "Gefühl und Gei t eit den Zeiten der Ahnen eingeschmolzen sind '(sosen-irai-no kanjo seishin-ga tokekonde-ori) die Rede. Hier klingt der damal verbreitete Mythos von der ,Seele Japan ' ' (yamatodamashii) und der japanischen, Wortseele' (kotodama) (3] an der seitdem Wirken derKokuga­ku-Philologen der Tokugawa-Zeit immer wieder zur nationali tischen Selbsterhebung in Japan zitiert wird. Der aus der altjapanischen Ontologi _. tammende und im Ma­nyoshu terminologisch belegte Begriff kotodama wird auch neuerdings wieder von manchen japanischen Intellektuellen bemüht. 13 In der frühen Shöwa-Zeit wurde die

Wortseele jedoch sehr häufig beschworen und weniger um im Sinne der Ethnolingu­istik Analysierungsversuche typologischer Beziehungen zwischen Sprache Volk und Kultur zu unternehmen vielmehr um die Einzigartigkeit von Sprache und Geist Japan zu konstatieren. So schrieb z. B. Ojima Kikue in einem Elaborat , What is the Japane e

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Language" über "The Spirit (or wonderful nature) of the Japanese Language": "In hearing or reading J apanese sentences, it is of vital importance, to discern this ,Koto­tama' which is the heart of the language. ' 14 Gern wurde damals das Diktum des altehr­würdigen Y amanoe no Okura über Japan als dem "Land, das mit der Wortseele geseg­net ist" (Manyoshu V / 894) angeführt, und der bedeutende Sprachwissenschaftler Kin­daichi Kyösuke hat 1944 eine ganze Monographie "Rings um die vVortseele" verfaßt, in der er dem Mythos der Japanischen Sprache kräftig das Wort redet, für eine neue na­tionale Sprachwissenschaft plädiert und die Aufgabe der japanischen Sprache bei der Errichtung der "neuen Ordnung in Großostasien" (daitoa-shinchitsujo) und der " groß­ostasiatischen Wohlstandssphäre" (daitoa-kyoeiken) umreißt: nach dem siegreich be­endeten Krieg würde der "Kulturkampf" (bunkasen) einsetzen, in dem die japanischen Sprache die wichtigste Waffe sei die sich jetzt mit neuer Jugendkraft über den ost-und südostasiatischen Raum verbreitet habe. 15 Solche Sprachpropaganda zu einem Zeit­punkt, als sich ein fatales Ende des Krieges bereits abzeichnete, wurde mit Nachdruck betrieben, so auch in der " Abhandlung über die Sprachen Großostasiens" von Inui Te­ruo aus demselben Jahre. Hier wird daitoa in einem weiten Sinne annähernd dem "älte­ren Asien" interpretiert, und die Beschreibung bezieht die altaischen, uralischen, sino­tibetischen, austroasiatischen, austronesischen, Papua- und australischen Sprachen ein. Die Ausführungen gipfeln schließlieb in der Feststellung, daß innerhalb der "ostasiati-cben Wohlstandssphäre" Chinesisch die angesehenste "Kultursprache" (bunka-gen­

go) der Vergangenheit sei in Zukunft aber das Japanische diese Position einnehmen und daneben nur noch das Malaiische Bestand haben werde. 16 Unter diesen Auspizien kann es nicht verwundern, wenn man sich damals Gedanken um die Herstellung effek­tiver Lehrmittel der japanischen Sprache für die Völker der " ostasiatischen Wohl-tandssphäre" machte und beispielsweise Wortschatzuntersuchungen zur Feststellung

eines Wortschatzmiriimums für die Schaffung einer Art von Basic Japanese in Angriff nahm. t7

Angesichts einer solchen mythischen und politischen Betrachtung desJapanischen ist es verständlich daß für die Sprachverwendung in Schule, Presse und Rundfunk immer wieder der Ruf nach dem ,richtigen, schönen Japanisch" (tadashiku utsukushii nihon­go) laut wurde. Während die Sprachpuristen dem alten Japanischen (yamatokotoba) mit seiner " Reinheit" (kiyora) und ,Echtheit" (makoto) nachtrauerten, mühten sich Medienverantwortliche um normative Regelungen. So war bereits 1934 vom japani­schen Rundfunkverband (hoso-kyokai) ein Ausschuß zur Untersuchung des Wortge­brauchs und der Ausspracheverbesserung im Rundfunk eingesetzt worden. Denn wäh­rend einerseits die Bestrebungen zur Standardisierung der japanischen Gemeinsprache auf dem Niveau des tadashii nihongo voranschritten beklagten andererseits viele prachbewußte J apaner auch damals die "Unordnung' (konran, midare) ihrer Landes­prache. Diese aus dem gegenwärtigen Japan vertraute Klage war bereits in der Vor­

krieg zeit wenn auch mit teilweise anderen Akzenten, ziemlich verbreitet. Hier fanden vor allem die Stimmen von Sprach- und Kulturwissenschaftlern, von Schriftstellern und Erziehern Gehör, die wider den angeblichen Ungeist in der japanischen Sprache strit­ten. 8 Im Jahre 1938 veröffentlichte der oben als Konservatist erwähnte Yamada Yo­shio ine , Grundideen über die Achtung der N ationalspracqe (Kokugo-soncho no kompongi) 'in denen er ich gegen die Nachlässigkeit Fehlerhaftigkeit und Unordung in der Sprachverwendung einer Landsleute wandte. Im nächsten Jahre wetterte Mat uo Sutejirö in dem Buche Die Nationalsprache und der Geist J apans" (Kokugo to

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Nihon-seishin) gegen die Irrungen im Höflichkeitsausdruck, wob i er die u druck -weise der Radio precher, die Vergröberung der Mädchen prach G brau h v n boku undkimi) aber auch die Unart" der Kinder ihre Eltern nach we tlicher Manierpapa und mama zu nennen auf Korn nahm. 1940 r chi n dann di Schrift Di Probl m der Nationalsprache und die Probleme des Engli chunterricht (Kokugo-mondai to eigoka-mondai) von Fujimura T ukuru den wir schon al Spra hpuri t n k nneng -lernt hatten und der hier gegen die Überfremdung de Japani eben durch Fr mdw··rt r Stellung nahm. Auch in den Grundschulfibeln (Shogaku-kokugo-tokuhon .. hatte er solche Fremdwörter geortet wie antena, tento, utekki janku, ko umo u, rampu aruminiumu suki u.a., die schon in der elementaren Spracherzi hung dem Wirrwarr in der Nationalsprache" (kokugo no ranzatsu) Vor chub leitet n. In den Jahren 1Y41-1942 wurde dann vom Verlag der Asahi Shimbun ein elb tändiges Werk über die Kultur der Nationalsprache" (Kokugo-bunka-koza) herau geg ben das mit Bei­trägen zahlreicher Autoren eine Fundgrube der gängigen Argument und E • mpel ge­gen die befürchtete Sprachverwilderung bildet.

Manche der in dieser Periode aktiven Rufer wider die V rwilderung de Japani eh n erhoben auch in der Nachkriegzeit ihre Stimme. Die wesentlichen Angriffspunkte wa­ren und blieben der übermäßige Fremdwortgebrauch und der ungenaue Höflichkeit -ausdruck. Besander der zweite Komplex war von sprachübergreifender Bedeutung da der , korrekte Höflichkeitsau druck" (tadashii keigo) in einer Sprach wie der Japani-chen die intakte gesellschaftliche Ordnung widerspiegelte. Gerade für den Obrigkeit -taat der frühen Shöwa-Zeit war diese Intaktheit im Sinne einer Stufung v m Hoch und

Niedrig sehr belangvoll. Daher hat das Unterricht ministerium 1941 Regelungen zu den Wichtigsten Punkten der Umgangsformen' (Reiho-yoko) für d n Moralunter­richt" (shCtshinka) herausgegeben in denen auch der richtige Gebrauch de Höflich­keitsausdrucksbehandelt wird. 19 Gleich zu Beginn heißte da, daß gegenüber Höher­gestellten ein angemessener Höflichkeitsausdruck zu benutzen sei. Und den Schülern elbst wurde im Volksschullesebuch der 6. Klasse über den japanischen Höflichkeit -

ausdruck folgendes mitg~tcilt: "Daß man durch den Gebrauch de Höflichkeitsaus­drucke eine Ge innungder Ehrerbietung und rgebenheit fein zum Ausdruck bringen kann, ist wahrhaftig eine große Besonderheit unserer Nati nal prache und in den Sprachen aller Länder der Welt ist ein olche Bei piel nicht zu finden. Seit alter her bildet in unserem Volke das Kai erbau den Mittelpunkt und zum Au druck der auf­richtig ten Gesinnung besteht der Brauch die besten Höflichkeitwörter zu gebrau­chen. Ferner wird nach den guten Sitten des Familiensy tem in dem die Höher tehen­den geachtet werden großer Wert auf einen verbindlichen Wortgebrauch gelegt. Daß ich in unsererer National prache der Höflichkeitsausdruck in diesem Maße entwickelt

hat liegt allein daran daß sich das Edle unsere Nationalcharakters und die aus alter Zeit herrührenden guten Sitten in der Sprache widerge piegelt haben.' 20

Diese Verlautbarungen stammen aus der Kriegzeit der vierziger Jahre, al es darum ging durch ationalismus und Strenge die Widerstandskraft de Volke zu tärken und dem ,Untertanen den rechten Weg" (shindo) [4 ] zu wei en. Betrachtet man in diesem Zusammenhang das zeittypische Vokabular so erkennt man erwartungsgemäß viel im Sinne der herrschenden Ideologie bewußtsein lenkende Züge am Rande aber auch den sarkastischen Sprachwitz des Volke der diese Ideologie glo siert.21 Zentralbegriff die er Ideologie war kokutai (Reichskörper) [5 ] mit dem , in ununterbrochener Linie durch die Generationen hin regierenden Tenno' (bansei-ikkei-no tenn6) [6] als Mittel-

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punkt. Bei dieser Doktrin mußte die von dem Staatswissenschaftler Minobe Tatsukichi vorgetragene moderne "Auffassung des Tennö als Organ des Staates' (tenno-kikan­setsu) (1] als Sakrileg gelten, das ihm 1935 die gerichtliche Verurteilung wegen ,Unehr­erbietigkeit" (fukei) [8] eintrug. Danach hieß die Parole "Klarstellung des Kokutai-Be­griffes" (kokutai-meicho) [9 ], und alle Anstrengungen wurden zu seiner "Bewahrung ' (kokutai-goji) (10) unternommen. Innenpolitisch führte dies u. a. 1940 zur Auflösung des Parteiensystems und Ersetzung durch eine "Gesellschaft zur Unterstützung der Regierungspolitik" ( taisei-yokusan-kai) [ 11 ). Diese Politik hatte mit kriegerischen Mit­teln ein Groß-Japan unter dem Motto "alles Land ein Reich" (hakko-ichiu) [12] ange­strebt, beginnend 1931 mit dem mandschurischen Abenteuer. Die Mandschurei wurde als , J apans Lebenslinie ' (Nippon-no seimeisen ), d. h. zu seiner Existenz wesentliches Gebiet ausgegeben. Der Krieg gegen China begann mit der perversen Devise ,Züchti­gung des gewalttätigen China" (boshi-yocho) (13]. Die " Zeit der nationalen Gefahr" (kokka-hijoji) war angebrochen. Doch noch waren die Ziele weitgesteckt: mit dem "Aufbau der Nordr gion' (hoppo-kensetsu) , dann der " Erschließung der Südregion" (nampo-kaihatsu) sollte eine "Großostasiatische ohlstandssphäre" (daitoa-kyoei­ken) auf Grund einer "neuen Ordnung ' (shinchitsujo) und in Form eines "Gemein­schaftsgefüges" (kyodotai) geschaffen werden, das von der Mandschurei bis nach Indo­china und Polynesien reichen und in dem die "Bevölkerung der äußeren Territorien" (gaichinin) mit den ,Binnenland japanern" (naichinin) zusammenwirken sollte. Mit Beginn der Invasion des Jahres 193 7 in China wurde der Kriegszustand J apans evident. Im selben Jahre wurde eine "Bewegung zur Mobilisierung des Volksgeistes" (koku­min-seishin-sodoin-undo, abgk. seido) [14 ] ins Leben gerufen, mit der die Bevölkerung zur Vaterlandstreue und Opferbereitschaft erzogen werden sollte. Zu entsprechenden Maßnahmen gehörte auch die Einführung eines "Tages des Dienstes an der Allgemein­heit zum Gedeih Ostasiens" (koa-hoko-bi) [15] , der einmal monatlich stattfand. An diesem Tage sollten u. a. Lebensmittel gespart werden: empfohlen wurde eine kärgliche Mahlzeit (ichiju-ichisai [16]: 1 Suppe und 1 Gemüse; hinomaru-bento: kalter Reis mit Salzpflaume (im Aussehen an die japanische Nationalfahne erinnernd). Desgleichen waren öffentliche Arbeiten zu verrichten, die als " Arbeitsdienst" (kinro-hoshi) dekla­riert wurden (übrigens eine damalige Lehnübersetzung aus dem Deutschen wie auch kokumin-gakko für , Volksschule" oderbunka-eiga für "Kulturfilm"). Im Januar 1942 wurde dieser Tag abgelöst durch den "Tag der Entgegennahme des kaiserlichen Erlas­ses' (daish6-h6tai-bi)[11] , d. h. der Kriegserklärung an die USA vom 8. Dezember 1941 und er wurde fürderhin am achten jeden Monats mit Neuverlesung bzw. N euver­öffentlichung dieser Kriegserklärung begangen.ln der den Krieg über anhaltendensei­d6-Bewegung wurdeangesichtsdes wachsenden Blutzolls Kinderreichtum propagiert (umeyafuyase: gebäret und vermehret Euch")(18]. Des weiteren gehörte die Abkehr von allem Fremden zu den Zielen der Bewegung. So gab es beispielsweise einen Feld­zug gegen die populäre Dauerwelle (pamanento aus permanent wave), die durch die sog. elegante Frisur" (jukuhatsu) (19) ersetzt werden sollte, die ihres Aussehens wegen im Volk mund Stahlhelmrolle" (tetsukabuto-maki) genannt wurde. Eine sich stei­gernde Fremdenfeindlichkeit wurde markiert durch das Verbot englischer und ameri­kani eher Filme (1941) schließlich auch angloamerikanischer Musik (1943). Nun in der Auseinandersetzung mit den USA hatte der Krieg das Stadium des , heiligen Krie­ges (seisen) (2°] err icht. Gegen die ,feindselige Sprache" (tekiseigo) Englisch wurde durch Ausmerzung aller möglichen Anglizismen und durch Versuche, das Englische als

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Schulsprache abzuschaffen (s.o.) zu Felde gezog n. Es sollte , das ganze Volk eines Geistes" (ichioku-isshin) [21 ] für den Sieg kämpfen sich nicht durch Feindpropagan­da' (dema aus Demagogie) verunsichern lassen und g gen " unpatriotische Personen' (hikokumin) vorgehen.

Zur Überwachung der Bevölkerung wurde das aus der Tokugawa-Zeit bekannte ,N achbarschaftssystem ' (tonarigumi-seido) 1940 wieder eingeführt das die gegensei­

tige Bespitzelung in die Form einer Institution brachte, vorrangig allerdings bei der Verteilung der rationierten Güter und beim , Luftschutz' (boku) in Aktion trat. Denn nach Beginn der Zwangsbewirtschaftung im Jahre 1938 (tosei) war die War~nknapp­heit immer spürbarer geworden und Lebensmittel wie auch Kleidung gab es auf ,Zu­teilung" (haikyu) mit gelegentlichen ,Sonderzuteilungen" (tokkyu aus tokubetsu-hai­kyu). Mit der 1Y40 entstandenen Parole "Der Feind ist der Luxus' (zeitaku-wa teki-da) wurde die Bevölkerung zur Sparsamkeit angehalten. Das Tragen einer uniformähnli­chen , Volkskleidung" (kokumin-fuku) , unter Verwendung von Kunstfasern" (sufu aus stable fiber) hergestellt, wurde propagiert, und ab 1942 gab es ,Kleiderkarten' (iryo-kippu) nach einem Punktsystem. Für vieles mußte man sich mit ,Ersatz" (daiyo­hin) zufrieden geben, und die Benzinknappheit hatte schon 193 8 die ersten Holzgas be­triebenen Autos (mokutansha) [22] auf die Straßen gebracht. Mit fortschreitendem Krieg wurde die , Abfallverwertung" (haibutsu-riyo) immer wichtiger.

Mit Ausbruch des Krieges gegen die USA war die ganze Bevölkerung in das Krieg -geschehen verstrickt. Die einen waren mit dem Einberufungsbefehl (akagami ,rotes Papier ') [23] zum Frontdienst gekommen die anderen wurden "dienstverpflichtet ' (choyo) [24 ]; sie erhielten ein. "weißes Papier" (shirakami) [2 5] und kamen als " lndu­striesoldat" (sangyo-senshi) zum Einsatz. Alle Kräfte wurden gegen die "englischen und amerikanischen Teufel" (eibei-ldchiku) (26] mobilisiert. Im April 1942 begannen die amerikanischen Luftangriffe auf die japanischen Inseln. Sie steig rten sich durch Flächenbombardierungen zur " Kriegsführung der verbrannten Erde" (shodo-saku­sen) [27]. "Löschwasser gegen Brände" (boka-yosui) mußte in Betonbassins ber itge-tellt werden; schließlich setzten Anfang 1944 die Evakuierungen aus den Städten ein o auch die "Gruppenevakuierung" (shUdan-sokai) von Schulkindern. Im Frühjahr

1942 begann der Rückzug der Japaner im pazifischen Raum, der vom "Hauptquartier" (daihon'ei) [28] euphemistisch als " Absetzbewegung '(tenshin =Drehung und Vorrük­ken) bezeichnet wurde. Nicht selten wurde bis zum letzten Mann auf den Inseln ge­kämpft (saigo-no kogeki: letzte Attacke,gyokusai(29 ]: Heldentod). Der Geist des Bus­hidö zeigte sich besonders in den todgeweihten Sonderkommandos (tokko1 kesshi-tai, kamikaze-tokko-tai) (3°], die im Nahkampf unter Einsatz von Leib und Leben (kara­da-atari) feindliche Ziele vernichten sollten und bei denen gegen Kriegsende auch Ju­gendliche zum ~insatz kamen (shonen-tokko-tai). Ab 1943 wurden unter der Devise

Schüler an die Front" (gakuto-shutsujin) (3 1] minderjährige Freiwillige für den Kriegs- und Rüstungseinsatz mobilisiert, schließlich auch " Mädchen in Freiwilligen­formationen" (joshi-teishin-tai) (32] für den Zivildienst.

Während die japanische Generalität die " Entscbeidungsschlacht auf der Hauptinsel' (hondo-kessen) ins Auge faßte, kämpfte die Zivilbevölkerung um das Überleben. Das 1942 aufgekommene geflügelte Wort, , ich stelle den Wunsch bis zum Sieg zurück' ' (hoshigarimasen, katsu-made-wa) (33) war zur bitteren Ironie geworden. Die wach-ende Lebensmittelknappheit hatte zu ,Tauschgeschäften" (bukko aus butsubutsu-ko­

kan) geführt. So gehörte auch in Japan die Lebensmittelbeschaffung auf dem Lande

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(kaidashi) durch städtische ,Hamsterfahrer" (katsugiya, karasu-butai)(34 ] zum Bild der letzten Kriegszeit Diese nahm schließlich nach den Atombomben-Explosionen über Hiroshima und N agasak:i- von den Augenzeugen nach ihrem visuellen und akustischen Eindruckpikadon genannt-am 15. August 1945 mit der Kapitulationserklärungdurch den Tenno die im Rundfunk verbreitet wurde (gyokuon-hoso )(35 ] ihr Ende.

In dieser Auswahl zeitgeschichtlicher Wortbildungen der früher Shöwa-Zeit über­wiegen an Zahl die Neologismen aus dem letzten Jahrzehnt (1935-1945), was dem sprachlichen Gesamtbild und der Dramatik der Zeit entspricht. In diesem Prozeß treten die Fremdwörter, b~sonders des angloamerikanischen Bereichs, aus sprachpolitischen Gründen völlig in den Hintergrund - um dann in der Nachkriegszeit umso stärker zu wuchern. Die hier betrachtete Periode der modernen japanischen Sprache weist jeden­falls eine ganze Reihe von Parallelen zur Sprachgestalt des modernen Deutschen in der­selben Periode auf, die unschwer aus den zeitgeschichtlichen Umständen erklärbar sind.

L Kindaichi Haruhiko, "Gengo- eikatsu no Shöwa-gojunen-shi." in: Gengo-seikatsu No. 282, 1975/3, s. 18.

2 Öno Susumu, Nakada Norio, Doi Tadao u. a. Nihongo no rekishi, Kaiteiban, Tökyö: Shibun­dö121967, S. 234.

3 Ni bio Minoru, Hisamatsu Sen'ichi (Red.), Kokugo-kokuji-kyoiku shiryo-soran, Tökyö: Kokugo-kyöiku-kenkyu-kai 1969, S. 231.

4 Yamada Yoshio,Kanazukaino rekishi, Tökyö: Höbunkan 1929, S. 91 (Mombusho no kana­zukai-kaiteian wo ronzu).

5 Sein Aufsatz über " Die dringenden Aufgaben von Maßregeln zum Englischunterricbt" er­schienen im Mai-Heft der Zeitschrift Gendai. Vgl. Fukuda Tsuneari, Kokugo-mondai-ronso-shi, Tökyö: Sbinchösba 1962, S. 198.

6 In einer Aufsatzreihe der Tokyo-nichinichi-shimbun vom 5.-7. Vlll. 1940 über " Die Reini­gung der Nationalsprache". Vgl. Nishio u. Hisamatsu, a. a. 0., S. 274.

7 In einem Vortrag vor der Kyöto-kokubun-gakkai am 28.V.1939, 1941 veröffentlicht in Ko­kugo-mondai-seigi. Vgl. Nishio u. Hi amatsu, a. a. 0. S. 263.

8 I higuro Yo himi Nihonjin no kokugo-seikatsu, Tökyö: Tökyö-daigaku-sbuppan­kai5 1954, S. 12.- Vgl. Brigitte Müller, Koyobun, ein Beitrag zur japanischen Sprachpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg, Hamburg: Helmut Buske Verlag 1975, S. 232.

') I higuro Röhei, Hyöjungo, Tökyö: Meiji-tosho-sbuppan-sha 1950 S. 12. 10 Bruno Lewin, Geschichtliches zu den japanischen Grundschullesebüchem", in: Festgabe

Herbert Zachert. Bonner Zeitschrift für Japanologie, Bd. I, 1979 S. 59 ff. 11 Karasawa To~tarö, Kyokasho no rekishi- kyokasho to nihonjin no keisei, Tökyö: Söbun­

sha 4 1968, S. 452. 12 Mombushö (Hr g.), Shogaku-kokugo-tokuhon, jinjokayo maki 9 T6ky6: Nihon-shose­

ki-K.S.K. 1937 S. 171. 13 Z. B. b i W~tanabe Shöichi, " On the Japanese Language,' in: Japan Echo, 1,2 (1974). Vgl.

Roy Andrew Miller, The Japanese Language in Contemporary Japan. Same socio-linguistic obser­vations ( = AEI-Hoover Policy Studies 22), Washington D. C.: American Enterprise lnst. for Pu­blic Policy Research 1977, S. 9.

14 Ojima Kikue, What is the Japanese Language ( = Suppl. to Vol. I ofHandbooks on The Na-tional Language Reader of Japan) Tökyö: San Ko Sha 1929 S. 4.

15 Kindaichi Kyösuke Kotodama wo megurite, Tökyö: Yashima-shobö 1944 S. 77. 16 Inui Terno, Daitoa-gengo-ron, Tökyö: Puzambo 1944, S. 249. 17 Ikegami Teizö, , Gengo-seikatsu no hensen" in: Koza Gendaigo 2, Tökyö: Meiji- hoin

1964 s. 20. 18 Zum folgenden vgl. Kindaichi Haruhiko Shin-nihongo-ron, watakushi no gendaigo-kyo­

hil u, Tök ö: hikuma- hobö 1966, S. 59. 19 Bruno Lewin H norative Sprachformende Japanischen im Zeitalter der Demokratisie­

r~g' in: B. Lewin (Hr ~-),Beiträge zum interpersonalen Bezug im Japanischen, Veröfftl. d. Ost­a ten-In t. der Ruhr-Umv. Bochum Wie baden: Otto Harrassowitz 1969 S. 168.

20 Nihongo-kyöiku-shinkökai (Hr g.) Gendai-keigo-ho, Nihongo-kyöiku-sösho, Tökyö: Ni­hongo-kyöiku- hinkökai 1944 S. 357.

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21 Zu den folgenden Beispielen vgl. Kamo Shöichi Shingo no kosatsu Tökyö: Sanseidö 1944. - Nakajima Kenzö, Showa-jidai, Tökyö: Iwanami- boten 1957 ( = Iwanami-shin ho 275).- ku­yama Masuro Gendai-ryi'.tkogo-jiten, Tökyö: Tökyödö 1974. - Kindaichi Haruhiko 1975 vgl. Anm. 1).- Nakamura Kikuo " Shakai wo ugokasu kotoba" in: Nihongo-koza 3 Shakai no naka no nihongo Tökyö: Taishilkan-shoten 1976.- Einige Beispiele verdanke ich Herrn Dr. Tchiho Pack, Bochum.

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