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Zur Aufstellung von Modalkategorien im Japanischen Von Bruno Lewin (Münster) Der grammatische Begriff ,Modus' gehört zu den Sorgenkindern der Spradlwissenschaft. Wie die meisten dieser Begriffe entstammt er der latei- nischen bzw. griechischen Grammatik (modus, enklisis) und hat in der Indo- germanistik als Oberbegriff einer Reihe verbaler Kategorien einen festen Platz gefunden (Indikativ, Konjunktiv, Injunktiv, Optativ, Imperativ). Doch sdlon hier entwickelten sich bald Kontroversen um den Bedeutungsgehalt der Modi und die Abgrenzung der Modalkategorien 1 , so daß sich z. B. Jespersen 1922 zu der Feststellung veranlaßt sah: "Alle Versuche, auf dem Wege der Deduktion oder Induktion den Grundbegriff eines solchen Modus wie des Konjunktivs herauszufinden, sind fehlgeschlagen 2 ." Die Diskussion um diesen Fragenkomplex ist in der Indogermanistik nach wie vor im Gange 3 Eine verbindliche Definition dessen, was unter den Modi zu ver- stehen ist, d. h. weldle Feldwerte sie im Bereich des Gemeinten einnehmen, hat ihre Behandlung bislang nicht gezeitigt. Nun zielt der Modus-Begriff, ebenso wie der Tempus-Begriff, Numerus- Begriff usw., nicht auf Formen und grammatische Kategorien einer Einzel- sprache , sondern auf ein außersprachliches Bezugssystem, das als invariables noetisches Korrelat den mannigfaltigen Sprachstrukturen gegenübersteht und überhaupt erst ermöglidlt , die Leistung der Einzelsprache zur Erfassung und Ordnung des Seins zu erkennen. Besonders für die Untersuchung nichtindogerman ischer Sprachen ist der noetische Ausgangspunkt methodisch bedeutsam, weil dadurch weitgehend der Gefahr vorgebeugt wird, inadä- quate grammatische Kategorien aus dem muttersprachlichen Bereich des Untersuchenden auf die Fremdspradlen zu übertragen. Andererseits wird die Beschäftigung mit diesen Sprachen dazu beitragen, die durch die Erfor- schung der idg. Sprachen vorgeformten noetischen Definitionen zu korri- gieren oder zu ergänzen und so das Bezugssystem in der Dimension des Gemeinten - dessen Fixierung ein Postulat ist - zum Nutzen der All- gemeinen Sprachwissenschaft auszubauen. Um hier nach den Modi im Japanischen zu fragen, ist eine vorläufige Bestimmung des Modus-Begriffes voranzustellen. Dem Modus werden hier alle Sprachmittel zugeordnet, die der Kennzeichnung dienen, in welche 1 Vgl. A. Noreen: Einführung in die wissenschaftliche Betrachtung der Sprache. Ubers. v. Pollak. Halle : Max Niemeyer 1923. S. 304 ff. 2 0. Jespersen: Die Sprache. Ihre Natur, Entwicklung und Entstehung. Ubers . v. Hittmair u. Waibel. Heidelberg: Carl Winter 1925. S. 366. 3 Vgl. J. Gon da: The Character of the Indo-European Moods. Wiesbaden: Harrassowitz 1956. Introduction. 234

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Zur Aufstellung von Modalkategorien im Japanischen

Von Bruno Lewin

(Münster)

Der grammatische Begriff ,Modus' gehört zu den Sorgenkindern der Spradlwissenschaft. Wie die meisten dieser Begriffe entstammt er der latei­nischen bzw. griechischen Grammatik (modus, enklisis) und hat in der Indo­germanistik als Oberbegriff einer Reihe verbaler Kategorien einen festen Platz gefunden (Indikativ, Konjunktiv, Injunktiv, Optativ, Imperativ). Doch sdlon hier entwickelten sich bald Kontroversen um den Bedeutungsgehalt der Modi und die Abgrenzung der Modalkategorien 1 , so daß sich z. B. Jespersen 1922 zu der Feststellung veranlaßt sah: "Alle Versuche, auf dem Wege der Deduktion oder Induktion den Grundbegriff eines solchen Modus wie des Konjunktivs herauszufinden, sind fehlgeschlagen 2." Die Diskussion um diesen Fragenkomplex ist in der Indogermanistik nach wie vor im Gange 3• Eine verbindliche Definition dessen, was unter den Modi zu ver­stehen ist, d. h. weldle Feldwerte sie im Bereich des Gemeinten einnehmen, hat ihre Behandlung bislang nicht gezeitigt.

Nun zielt der Modus-Begriff, ebenso wie der Tempus-Begriff, Numerus­Begriff usw., nicht auf Formen und grammatische Kategorien einer Einzel­sprache, sondern auf ein außersprachliches Bezugssystem, das als invariables noetisches Korrelat den mannigfaltigen Sprachstrukturen gegenübersteht und überhaupt erst ermöglidlt, die Leistung der Einzelsprache zur Erfassung und Ordnung des Seins zu erkennen. Besonders für die Untersuchung nichtindogermanischer Sprachen ist der noetische Ausgangspunkt methodisch bedeutsam, weil dadurch weitgehend der Gefahr vorgebeugt wird, inadä­quate grammatische Kategorien aus dem muttersprachlichen Bereich des Untersuchenden auf die Fremdspradlen zu übertragen. Andererseits wird die Beschäftigung mit diesen Sprachen dazu beitragen, die durch die Erfor­schung der idg. Sprachen vorgeformten noetischen Definitionen zu korri­gieren oder zu ergänzen und so das Bezugssystem in der Dimension des Gemeinten - dessen Fixierung ein Postulat ist - zum Nutzen der All­gemeinen Sprachwissenschaft auszubauen.

Um hier nach den Modi im Japanischen zu fragen, ist eine vorläufige Bestimmung des Modus-Begriffes voranzustellen. Dem Modus werden hier alle Sprachmittel zugeordnet, die der Kennzeichnung dienen, in welche

1 Vgl. A. Noreen: Einführung in die wissenschaftliche Betrachtung der Sprache. Ubers. v. Pollak. Halle : Max Niemeyer 1923. S. 304 ff.

2 0. Jespersen: Die Sprache. Ihre Natur, Entwicklung und Entstehung. Ubers. v. Hittmair u . Waibel. Heidelberg: Carl Winter 1925. S. 366.

3 Vgl. J. Gon da: The Character of the Indo-European Moods. Wiesbaden: Harrassowitz 1956. Introduction.

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Beziehung der Sprecher einen in der sprachlid:len Äußerung gesetzten Sachverhalt zur Wirklichkeit stellt 4 • Die Setzung dieser Modalitätsrelation ist ein unabdingbarer Akt des Sprechens, denn nur sie läßt erkennen, ob der geäußerte Sachverhalt als wirklich, möglich, zweifelhaft oder unwirklich, als notwendig, erwünscht oder unerwünscht, als Mitteilung, · Frage oder Aufforderung intendiert ist. Mithin gehört die Modalitätsrelation zur noe­tischen Dimension der sprachlichen Leistungsdirektives und greift in ihrer Effektivität weit über alle anderen sprachlich gesetzten Relationen hinaus, da sie im Gegensatz zu diesen nicht nur die Darstellungsebene sondern auch die Auslösungs- und Kundgabeebene der Sprache umgreift.

In den Einzelsprachen kann der Modalbezug auf vielfältige Weise reali­siert werden; er wird zwar in seiner Ausprägung von Sprache zu Sprache variieren aber stets vorhanden sein. Hingegen wird man von Modalkatego­rien nur in solchen Sprachen spredlen können, die Modalitätsrelationen mit morphologischen Mitteln bezeidlnen, d. h. feste grammatisdle Formen be­sitzen, welche modale Funktionen ausüben 6.

Zu diesen Spradlen gehört das Japanisdle in allen Stadien seiner über­blickbaren Gesdlichte. Das Vorhandensein mannigfacher morphologischer und syntaktischer Modalbezeichnungen ist zudem ein wesentliches Merk­mal der japanischen Sprache, wobei im Laufe der Sprachentwicklung die morphologische Bezeichnungsweise hinter der syntaktischen zurücktritt.

Angesichts des stark ausgebildeten Modalbezuges im Japanischen ist es merkwürdig, daß die japanischen Grammatiker die betreffenden sprach­lichen Strukturelemente unter keinem Modus-Begriff zusammenfassen, son­dern sich auf ihre Sammlung, Ordnung und Deutung beschränken. Der Modus-Begriff (jap. ho [11) wird von japanischen Grammatikern auf die europäischen Sprachen bezogen und scheint ihnen eine dem Japanischen inadäquate Kategorie zu sein 7• Diese Auffassung ist dadurch begründet, daß man hier- wie oft beim Modus-Begriff- von den in der Indogerma-

4 Vgl. W. J. Entwistle (Aspects of Language. London 1953, S. 218}: "lt (mood} records the attitude of the speaker to his own statement ... " - J. Gon da (a. a. 0. S. 6): " ... the verbal category of mood as a means of intimating the speaker's view or conception of the relation of the process expressed by the verb to reality .. . "

5 Vgl. E. Kaschmieder: Die noetischen Grundlagen der Syntax. In: Sitzungs­her. d. Bayer. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. Jg. 1951. Heft 4. München 1952. S. 17, 21-22.

11 Je s p er s e n unterscheidet entsprechend zwischen syntactical moods und notio­nal moods. Vgl. The Philosophy of Grammar. London: Allen & Unwin 1929 (3. Aufl .). s. 313.

7 Das Kokugogaku-jiten (Hrsg. v. Kokugogakkai. Tökyödö 1955. 3. A~fl. s .. B?O) gibt als Definition des Modus: "Formale Modifikationen des Verbs, welche die getshge Haltung (mental attitude) des Sprechers gegenüber dem Satzinhalt bezeichnen" -offenbar in Anlehnung an Jespersens ,Philosophy of Grammar' (a. a. 0. S. 313). An­schließend werden dort Modalkategorien an englisd:lem BeisJ?iel.~aterial be~andelt. - In der japanischen Schulgrammatik wird der Modu~-Begnff .uberhaupt ~d:lt g~­geben. In der wissensd:laftlichen Grammatik finden s1ch veremzelte Ansatze, die betr. grammatischen Erscheinungen des Japanischen als Mod"?sbe.~ug. zu seh~n, z. B~ Ho so e It s u k i: Doshi-joho no kenkyu. Taibunsha 1951. Km da 1ch1 Haruh1ko: Ho (moodo) no iro-iro. In: Nihon-bumpö-köza. Meiji-shoin 1957 (NBK). Bd. 1. S. 243 ff.

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nistik geprägten Modalkategorien ausgeht, also der je nach Sprache varia­blen Dimension des Bezeichneten, nicht aber von den noetischen Modali­tätsrelationen, d. h . dem interlingual konstanten Bezugssystem des Gemein­ten. Eine weitere methodische Unzulänglichkeit, die die Grammatik des Japanischen durchzieht, ist die Einengung der Deskription auf die Frage­stellung, was die Formen bedeuten, ohne die umgekehrte Blickrichtung heranzuziehen, nämlich nach dem sprachlichen Ausdruck z. B. modaler Be­deutungsgehalte zu fragen 8• Insbesondere für die morphologisch differen­zierteren Vorstufen des Neujapanischen resultiert daraus eine prinzipielle Beschränkung auf die Funktionsbestimmung der Einzelformantien unter Vernachlässigung der Formenkomposita und, mehr noch, der syntaktischen Verbindungen von Formantien mit Hilfsverben, die in dasselbe Bedeutungs­feld gehören. Damit hängt auch die Hintansetzung einer Systematisierung des Formenmaterials nach Verba~kategorien zusammen.

Um einen Ausgleich beider Betrachtungsrichtungen zu schaffen, habe ich in meinem Abriß der japanischen Grammatik 9 den Komplex der verbalen Aussage nach noetischen Gesichtspunkten gegliedert, also das Gemeinte zum Ausgangspunkt genommen, dazu das Bezeichnende (die Formen) zu­sammengestellt und sie nach Klassen des Bezeichneten (verbale Kategorien) geordnet 10 • Die Resultate der Beschreibung sind in einer Rezension an Bei­spielen der Modusbezeichnung kritisiert worden 11 , da mehrere Verbal­suffixe des Modalbezuges als Bezeichnungen verschiedener Modalkatego­rien aufgefaßt wurden. Diese Auffassung ergab sieb aus der oben skizzier­ten Untersuchungsmethode, die der gängigen japanischen Konzeption von der Erfassung grammatischer Erscheinungen entgegenläuft, da diese kaum je über die Bedeutungsanalyse der Strukturelemente hinausgeht und in der Regel auf eine systematische Zusammenfassung der grammatisch.en Form­gebung nach Kategorien verzichtet 12• Deshalb scheint es angebracht, hier

8 Zur Kritik der einseitigen Betrachtungsweise vgl. K o schmiede r, a. a. 0. -Eine überzeugende Parallele bietet die Lexikologie: die semasiologische Betrach­tungsweise wird durch die onomasiologische ergänzt. Vgl. F. Dornsei ff: Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen. S. 43 (3. Aufl. 1943).

11 Abriß der japanischen Grammatik. Auf der Grundlage der klassischen Schrift-sprache. Wiesbaden: Harrassowitz 1959. (AJG)

10 a. a. 0. Tabelle S. 146-147. 11 G. Wenck in OLZ 1960. Nr. 5/6. Sp. 313. 12 So konzentriert sich die Betrachtung der grammatischen Formen des prädika­

tiven Satzgliedes stets auf die Verbalsuffixe (jodoshi), die grundsätzlich entweder nach semantischen Annäherungswerten geordnet werden (z. B. T o k i e da Mo t o k i, Nihon-bumpo (1954): ,Verbalsuffixe der Bestimmung, der Verneinung, der Vergan­genheit und Vollendung, der Mutmaßung') oder, seltener, nach syntaktischen Krite­rien (z . B. Koten-kaishaku no tame no jodoshi, in: Kaishaku to kanshö 22, 11/1957: ,Verbalsuffixe im Anschluß an die Indefinitform, Konjunktionalform, Finalform'). -Es geht nicht an, sich bei methodischen Bedenken die Darstellung japanischer Gram­matiken bedingungslos zu eigen zu machen, zumal in einem systematischen Abriß. So~lte es hauptsä~lich darauf ankommen, die Sprachbetrachtung japanischer Lin­gUisten der westhchen Sprachwissenschaft zugänglich zu machen, ist dem Referat noch immer die Ubersetzung eines repräsentativen Werkes japanischer Provenienz vorzuziehen, sei es einer Schulgrammatik (z. B. Ku w ab a r a San j i : Kanyaku­ko_kubumpo. !951) oder der Grammatik einer Schulrichtung (z.B. Toki e da Mo tok i : Nihon-bumpo. 1954). Dieser Weg ist erstmals in der russischen Japanologie mit der Ubersetzung der ausführlichen Grammatik Kot6-kokubumpo-shinko von Kieda be­schritten worden: K i e da M a s u ich i: Grammatika japonskogo jazyka. Ubers. v. B. P. Lavrent'ev, S. V. Neverov u. a. 2 Bd. Moskau 1958-59.

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noch einmal gesondert die Frage des Modalbezuges im Japanischen auf­zuwerfen.

Die anschließenden Darlegungen gehen von folgenden Grundsätzen aus: A Noetische:

1. ,Modus' ist ein Beziehungsbegriff aus dem Bereich des Gemeinten (Modali tä tsrelationen).

2. Die modale Beziehung betrifft das Verhältnis von sprachlich geäußer­tem Sachverhalt zur Wirklichkeit, wie es vom Sprecher gesetzt wird (subjektive Modali tätsrelationen).

3. Im Modalbezug nimmt der Sprecher eine Gleidl- oder Verschieden­setzung von spradllicher Äußerung und Wirklichkeit vor (modale Identität bzw. Diversität).

4. Das modale In-Beziehung-Setzen unterliegt der Bewußtseinshaltung des Spredlers und ist gefühls-, willens- oder urteilsbestimmt (dubi­tative, voluntative, kogitative Modalitätsrelationen).

B Grammatisdle:

1. In der einzelsprachlidlen Realisierung der Modalitätsrelationen bleibt die eintadle modale Identität in der Regel unbezeichnet (grammatisch merkmalloser Indikativ).

2. Die Bezeichnung der modalen Diversität erfolgt durch prosodische, lexikalisdle, morphologisdle oder syntaktisdle Spradlmittel.

3. Grammatische Modalkategorien sind nur in solchen Spradlen gegeben, die Modalitätsrelationen mit festen morphologischen oder syntakti­schen Mitteln (gram. Formen) bezeichnen.

4. Die Aufstellung der einzelsprachlidlen Modalkategorien richtet sidl nach der Funktionalität der Modalformen und ist nidlt obligatorisdl der Anzahl der Modalformen gleidlzusetzen.

5. Bei Mehrfunktionalität von Modalformen werden diese verschiedenen Modalkategorien zugeordnet, wenn ihre jeweilige Funktion durdl eine zusätzliche Bestimmung bezeichnet ist oder die betreffenden Kategorien von anderen Modalformen sämtlich oder zum Teil mit­gesetzt werden.

Die nachstehenden Ausführungen beziehen sidl auf die klassische Sdlriftsprache der Heian-Zeit und basieren auf dem Beispielmaterial aus dem Genji-monogatari (GM) vom Anfang des 11. Jh. 13• Da hier allein die Fixierung der Modalkategorien in Frage steht, werden nur die morphologi­schen Strukturelemente mit Modalbezug herangezogen. Hierbei handelt es sich um Verbalsuffixe 14 , von denen das GM die folgenden zur Modal-

13 Die im GM belegten verbalen Formantien sind tabellarisch zusammengestellt im Kokugogaku-jiten, a. a. 0. S. 1027.

14 Zum Begriff der japanischen Verbalsuffixe vgl. AJG S. 145. Auf Flexion und Anschlußart der im folgenden zu behandelnden Verbalsuffixe wird grundsätzlich nicht eingegangen. Dazu sei auf die Tabellen in AJG § 160 b, c (S. 147-149) ver­wiesen. - Die von G. Wen c k geäußerten Bedenken, daß der Begriff Verbalsuffix "einen Verzicht auf die Chance einer Unterscheidung zwischen Hilfsverb und Suffix innerhalb eines älteren Begriffes von ,Hilfsverb'" bewirke (a. a. 0. Sp. 312) sind nicht

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bezeidmung aufweist: -mahoshi, -maushi, -mu, -ramu, -kemu, -meri, -mashi, -beshi, -maji, -ji, -zu, -rashi, -nari, -gotoshi 15• Mit Ausnahme von -ji sind es flektierbare Morpheme, die an Verbalformen (Anschlußbasen) agglutiniert werden und mithin die Zeichenmerkmale zur Bildung grammatischer Kate­gorien aufweisen 16•

Eine wichtige Rolle bei der Aufstellung der japanischen Modalkategorien spielt die Funktionalität der Verbalsuffixe, indem man zwischen einfunk­tionalen und mehrfunktionalen zu unterscheiden hat.

Einfunktionale Modalsuffixe: -mahoshi, -maushi, -ramu, -kemu, -meri, -rashi, -gotoshi, -nari, -zu.

Mehrfunktionale Modalsuffixe: -mu, -mashi, -beshi, -maji, -ji.

Einfunktionale Modalsuffixe zielen auf eine einzige Modalitätsrelation, bezeichnen also eindeutig eine bestimmte grammatische Modalkategorie. Wenn sich bei ihnen Haupt- und Nebenfunktion feststellen lassen, so liegen sie im Bereich eines Modus und sind für die Kategorienbildung irrelevant.

Von den einfunktionalen Modalsuffixen beziehen sich -mahoshi und -maushi auf die voluntative Modalitätsrelation. Wenn der Sprecher die Ver­wirklichung eines spradllich gesetzten Sachverhaltes als erwünscht dar­stellen will, bedient er sich des Verbalsuffixes -mahoshi. Es bezeichnet also den Wunschmodus und bildet die Modalkategorie 0 p tat i v 17•

Z. B. Otonogomorinikeri. Mi-tatematsurite, kuwashiku on'arisama-mo sö­shi-haberamahoshiki-wo, machi-owashimasuramu-wo, yo fuke-habe­rinubeshi (Kiritsubo. I, 12, 9) 18 . [Der Prinz] hat sich zur Ruhe begeben.

einzusehen, gleichgültig, ob damit Formen wie -zute, -zareba, -sorawan, -soraedo oder -seneba gemeint sein sollen. Die terminologisch charakterisierten Begriffe ,Hilfsverb ' (hojo-doshi), ,Verbalsuffix' (jodoshi) und ,Postposition' (joshi) ermög­lichen eine sachgerechte Formenanalyse (z. B. se = Hilfsverb, ne = Verbalsuffix, ba = Postposition).

15 Außer den hier verzeichneten Modalsuffixen werden in der Ubersicht des Kokugogaku-jiten (vgl. Anm. 13) noch -gotoku-nari, -tashi und -muzu gegeben. -gotoku-nari ist ein sekundäres Suffixkompositum, das dieselbe Funktion wie -gotoshi hat und nicht mit den Simplex-Suffixen oder den Primärkomposita auf eine Stufe gestellt werden darf. -tashi ist als Verbalsuffix im GM nicht belegt (siehe Anm. 17) . Auch -muzu , das bereits in der Heian-Zeit nicht mehr als Kompositum gewertet wird, ist in den durch Tradition gesicherten Texten des GM nicht zu finden. V gl. T s u k i s h im a Y u t a k a : Chuko no bumpo. In NBK Bd. 3, S. 148.

16 Vgl. AJG, Tabellen S. 147- 149. 17 -tashi, funktionell mit -mahoshi identisch, ist in wenigen Beispielen seit der

Nara-Zeit belegt, tritt aber erst in der Kamakura-Zeit an die Stelle des älteren Optativsu ffi.xes. Im GM wird es nich t verwende t. Beispiele wie yo-sezuba, akitaki koto-mo annamu-ya (Hahakigi. I, 62, 12). ,Wahrscheinlich wird auch der Fall ein­treten, daß [sie einem] sehr zuwider wird' gehören in die WortbiJdungslehre: -tashi fungiert hier als intensivierendes Ableitungssuffix fü r Qualitativa (akitashi < aki + itashi). Weder im GM-jiten (Kitayama Keitai. Heibonsha 1957) noch im Heiancho-bumpo-shi ( Ya m a d a Y o s h i o. Höbunkan 1952) ist das Verbalsuffix -tashi verzeichne t.

18 Stellenangaben nach der Ausgabe Yuhödö-bunko, der der Text des Kashiragaki GM 121 zugrundeliegt.

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Ich wollte ihn sehen und [Seiner Majestät] genau über sein Befinden berichten; doch [Seine Majestät] erwartet mich wohl, und es würde vermutlich spät werden. Aki-:no yube-wa, mashite kokoro-no hitoma-naku-nomi oboshi-mida­ruru hito-no on' atari-ni kokoro-wo kakele, anagachi-naru yukari-mo tazunemahoshiki kokoro-mo masari-tamaunarubeshi (Wakamurasaki. I, 207, 7). An den Herbstabenden wurde sein Herz nur noch ruheloser, und er sehnte sich in die Nähe der Person, durch die seine Gedanken in Verwirrung gerieten; und so kam es denn wohl, daß er immer mehr Lust verspürte, die unsinnige Verbindung zu suchen (wrtl.: der Wunsch, daß er die Verbindung suchen wollte, nahm zu).

Demselben noeti~chen Bereich ist das Verbalsuffix -maus h i zuzuordnen, nur daß damit ein Wunsch verneint, also der negative 0 p tat i v bezeich­net wird 19•

Z. B. Kono kimi-no onwarawasugata ito kaemauku obosedo, juni-nite go­gempuku-shi-tamau (Kiritsubo. I, 27, 7). Obgleich [Seine Majestät] sehr bedacht war, die Knabengestalt dieses Prinzen nicht zu ändern, ließ er doch, da er zwölf Jahre alt war, die Zeremonie der Mündigkeit vornehmen (wrtl. : obgleich er dachte: ich will nicht ändern). Kami ito nagaki onna-wo kaki-tamaite, hana-ni beni-wo tsukete mi­tarrtau-ni, kata-ni kakitemo mimauki sama-shitari (Suetsumuhana. I, 266, 12). Er malte eine Frau mit sehr langem Haar, tupfte Rot auf die Nase und betrachtete [sein Werk]: da hatte es ein Aussehen, daß er es, obgleich es [nur] als Bild gemalt war, nicht ansehen wollte .

Zum Ausdruck der dubitativen Modalitätsrelation dienen von den ein­funktionalen Modalsuffixen -ramu, -kemu, und -meri, deren formales Binde­glied das Morphem mulme sein dürfte 20 • Diesen Verbalsuffixen ist die Funktion gemeinsam, den Wirklichkeitsgehalt einer Aussage als mutmaß­lich oder ungewiß hinzustellen. Da es sich um morphologische Struktur­elemente handelt, welche zum Ausdruck derselben Modalitätsrelation die­nen, lassen sie sich als Formantien einer Modalkategorie zusammenfassen, die wir auf Grund ihres Bedeutungsgehaltes Dubitativ nennen. Diejeni­gen Divergenzen, welche ihre Funktionsabgrenzung untereinander ermögli­chen, beziehen sich nicht auf besagte Modalitätsrelation, weshalb sie für die Aufstellung der Modalkategorie Dubitativ irrelevant sind. Ihre Funk~ tionsunterschiede lassen sich aus den Formoppositionen ableiten, die sie

10 -maushi (ku-Flexion) ist wie -mahoshi ein kompositionelles Verbalsuffix und historisch als Kontraktion aus ma + ku + ushi ,des Erstrebens leid sein' zu deuten. Im GM wird -maushi als einfadles Verbalsuffix verwendet, obgleidl die Etymologie noch bewußt gewesen sein dürfte, da es an manchen Stellen mit Begriffszeichen geschrieben wird [3).

20 Die sprachhistorische Ableitung von -meri aus -mu + ari ist nicht gesichert. Andere Hypothesen führen dies Verbalsuffix auf be l4l + ari, omoeri, mie + ari, mil51 + ari zurück. Vgl. Tsukishima Yutaka, a. a. 0. S. 151.

(3] i ~ L- [4) "PJ [5] Jß

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untereinander oder mit anderen Verbalsuffixen bilden: -ram u steht in Opposition zu - ke m u als Bezeichnung des Dubitativ präsentis gegenüber dem Dubitativ präteriti.

z. B. Hito-mo kokoro-yowaku mi-tatematsururamu (Kiritsubo. I, 11, 7). Auch andere halten mich vielleicht für unmännlich. Kikoenu-hodo-wa oboshi-shiruramu-ya (Aoi. I, 351, 4). Wissen Sie [um meine Gefühle], solange ich mich nicht hören lasse?

Urami-wo ou-tsumori-ni-ya arikemu, ito atsushiku nari-yuki (Kiri­tsubo. I, 2, 1). Immer häufiger bekam sie die Mißgunst zu spüren, und das war es wohl, weshalb sie allmählich sehr krank wurde.

Hitotsu ie-no uchi-wa terashikemedo, momoshiki-no kashikoki onhi­kari-ni-wa narawazunarinikeri (Eawase.l,641, 10).Zwarhatsiewohldas ganze Innere des Hauses erleuchtet, doch nicht war es so, daß sie sich dem erhabenen Glanz des kaiserlichen Palastes gleichgestellt hätte.

- m er i hingegen steht in Opposition zu -nari: hier betrifft das funktio­nelle Oppositionsmerkmal nicht den Tempus-Bezug - beide werden für Gegenwart und Außerzeitlichkeit gebraucht - sondern die Gradation im Wirklichkeitsgehalt des geäußerten Sachverhaltes. Während durch -nari die Obereinstimmung mit der Wirklichkeit nachdrücklich behauptet wird (asser­torisch), kennzeichnet -meri diese Dbereinstimmung als ungewiß oder möglich (problematisch). Dabei ist es kategorial belanglos und nur als stili­stische Variante zu werten, daß die dubitative Funktion von -meri mit­unter weitgehend abgeschwächt ist.

Z. B. Miya-no onfumi-nado haberumeru-wa, sara-ni mamemameshiki onko­to-naraji-to haberumeru (Agemaki. 111, 528, 1). Daß es vermutlich Briefe vom Prinzen gibt, dürfte auf keinen Fall eine ernsthafte Sache sein; so meinte sie wohl. Subeie onna-wa, yawaraka-ni kokoro utsukushiki-namu yoki koto-to­koso, sono chimagon-mo sadamumerishika (Yadorigi. IV, 107, 10). Daß bei allen Frauen gerade Sanftheit und Milde etwas Gutes sind, dürfte auch dieser Mittlere Kabinettsrat festgestellt haben.

In den Bereich der kogitativen Modalitätsrelationen fallen die einfunktio­nalen Modalsuffixe -rashi, -gotoshi, -nari, und -zu. In ihrer Gesamtheit unterscheiden sie sich von den bisher behandelten bedeutungsmäßig da­durch, daß mit ihnen der geäußerte Sachverhalt nicht durch einen Akt der Mutmaßung oder Willensregung zur Wirklichkeit in Beziehung gesetzt wird, sondern durch einen Urteilsakt. Die Modalitätsrelationen, die mit die­sen Urteilsakten gesetzt werden, divergieren in ihrem noetischen Gehalt so weitgehend, daß die betreffenden Verbalsuffixe als Bezeichnungen verschie­dener Modalkategorien angesehen werden müssen.

Das Verbalsuffix -rashi steht in Opposition zu -ramu auf dem Ver­gleichsmerkmalder Annahme. Während jedoch mit -ramu eine Mutmaßung auf Grund eines subjektiven Gefühls der Ungewißheit bezeichnet wird, mit­hin die Unsicherheit in Bezug auf den Wirklichkeitsgehalt der Aussage im Vordergrund steht, dient -rashi zur Kennzeichnung einer wahrscheinlichen

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Obereinstimmung des geäußerten Sachverhaltes mit der Wirklichkeit, als Schlußfolgerung aus einer objektiven Gegebenheit. Dieser Urteilsakt, d. h. der Schluß von einer Gegebenheit auf die Tatsächlichkeit einer anderen, ist das entsmeidende Merkmal der mit -rashi intendierten Modalitätsrelation, die somit kogitativ charakterisiert ist. In diesem noetismen Bereich bezeich­net -rashi eine Modalkategorie, die wir in Anbetracht seiner definierten Funktion Präs u mp t i v nennen 21.

Z. B. Karegare-ni-nomi mise-haberu-hodo-ni, shinobite kokoro-kawaseru hito-zo arikerashi (Hahakigi. I, 56, 7). Während ich sie nur [noch) hin und wieder besuchte, gab es offenbar einen Mann, der heimlich mit ihr in Liebesbeziehungen stand.

Otomego-mo I kamisabinurashi I ama-tsu-sode I turuki yo-no tomo 1 yowai henureba (Otome. II, 129, 2). Auch eine Festtänzerin altert allem Anschein nach. Denn für den Freund aus alten Zeiten, über den sie den Ärmel des Feengewandes schwenkte, sind die Jahre verstrimen.

- g o tos h i 22 bezeichnet den Vergleichsmodus und dient dazu, eine sprach­lich formulierte Gegebenheit einem bestimmten Sachverhalt gleich oder ähnlich zu setzen. Wegen dieser Funktion kann -gotoshi als Bezeichnung einer Modalkategorie angesehen werden, die wir nach ihrem Aussagegehalt Komparativ nennen 23.

Z. B. Kono aramu inochi-wa, ha-no usuki-ga-gotoshi (Tenarai. IV, 425, 12).

Dies unser Leben ist so, wie die Blätter dünn sind.

Ob man beredl.tigt ist, eine solche Modalkategorie für das Japanische an­zunehmen, unterliegt aus formalen Erwägungen einigem Zweifel, da -gotoshi kein echtes Verbalsuffix sondern ein den Yögen gleichzustellendes Qualitativum ist 24 • Es unterscheidet sich auch syntaktisch von allen übrigen Verbalsuffixen dadurdl., daß es sowohl Y ögen als auch Taigen nachgestellt wird und daß der Anschluß erst nach Zwischenschaltung einer Postposition

!t San so m (An Historical Grammar of Japanese. S. 189) setzt -ramu und -rashi irrtümlicherweise funktionell gleich (" ... indicate a certain degree of doubt"). Der Gegensatz -ramu = ,subjektive, gefühlsmäßige Mutmaßung', rashi = ,objektiv begründete Annahme' ist klar herausgearbeitet z. B. bei K i e da M a s u ich i (a. a. 0. S. 399, 402) und T o k i e da Mo t o k i (Nihon-bumpö. Bungo-hen. Iwanami-zensho 183. 1958. S.193). Die Hypothese der funktionellen Gleichheit von -rashi u~d -meri (Unte~­schied nur stilistisch: -rashi in Poesie, -meri in Prosa), die von M 1 y a da K a zu 1-chirö verfochten wird (Jodoshi ,rashi' to ,meri'. In: Kaishaku II, 3/1956) scheint mir sehr fragwürdig. Für die Sprachstufe de.s GM gilt sie jedenfalls nicht.

22 Als Nebenformen sind im GM -goto und -gotoku-nari belegt. 23 Trotz der terminologischen Vorbelastung durch die europäische Gramm~tik ist

der Name ,Komparativ' für eine Modalkategorie in der jap~ischen Gramma~1k ver­tretbar, da das Japanische keine morphologisch geke~nzeichnete Komparaho.n der Adjektiva kennt, der Terminus also im betr. grammahs~en ~yste~ ~e1 ausreichen­der Definition eindeutig ist. Es bot sich noch der Termmus ,Aquah:' an,. der zw:ar für die Sprache des GM ausreichend wäre, jedoch wegen der Funkhonsd1fferenz.Ie­rung von -gotoshi in der weiteren Sprachentwicklung (vgl. AJG S. 193) zu eng 1st.

24 Y a m a da y o s h i o (Nihon-bumpö-ron) klassifiziert es als keishiki-keiyöshi ,Formalqualitativum', T 0 k i e da M 0 t o k i (Nihon-b.umpö. Bung~-.h~n) als fukanzen­yögen ,unvollständiges Yögen'. Zu weiteren japan1schen Klassifizierungsversuchen vgl. Kieda Masuichi, a. a. 0. S. 413-414.

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erfolgt (-ga bzw. -no). Da alle Verbalkategorien des Japanischen auf der Stufe des GM primär mit morphologischen Mitteln und nur in einigen Fäl­len zusätzlich und sekundär mit syntaktischen bezeichnet werden, ist der Ansatz eines ,Komparativ' durch das System in Frage gestellt. Wollte man ihn in Anlehnung an die japanische Schulgrammatik beibehalten 25 , wäre es notwendig, eine weitere feste syntaktische Verbindung gleicher Funk­tion danebenzustellen, nämlich -yo-nari (Nomen+ Kopula: ,ist der Art [wie]').

z. B. Chichi-otodo-mo, onozukara omou-yo-naru onsukuse-to oboshitari (Makibashira. Il, 420, 2). Auchder Vater, der Kanzler, war der Meinung, daß es ihr Glück sei, so wie man es sich natürlicherweise wünscht.

(-ga)-gotoshi und -yo-nari bezeichnen den Vergleichsmodus bei der ver­balen Aussage und sind in dieser Funktion vertauschbar.

Die Feststellung, daß ein Diktum tatsächlich der Wirklichkeit entspricht, sei es, daß der Sprecher dies aus eigener Erfahrung oder Uberzeugung konstatiert (,so ist es') oder sich dabei auf fremde Erfahrung beruft (,so heißt es'), wird mit dem Verbalsuffix -nar i bezeichnet. Diegenaue Grada­dation der Funktionen innerhalb dieses Modalbereiches ist allerdings auch von den japanischen Grammatikern bislang nicht eindeutig geklärt wor­den 26• Daß das Verbalsuffix -nari nur im Anschluß an die Finalform in der Bedeutung ,so heißt es' fungiert 27 , unterliegt keinem Zweifel mehr; welche Funktionsdifferenzierung aber der Gebrauch der Final- bzw. Attributivform vor -nari im Bedeutungsbereich ,so ist es' auslöst, bedarf weiterer Unter-

25 Dort gilt -gotoshi allgemein als , Verbalsuffix des Vergleichs' (hikyo no jodoshi), ebenso das umgangssprachliche neujapanische Äquivalent yo-da (bungo: yo-nari). Vgl. Ku w ab a r a, a. a. 0. S. 85, 106. Im ,Abriß' habe ich den ,Komparativ' als selb­ständige Modalkategorie aufgenommen. Vgl. AJG S. 193.

26 Zur Definition der Bedeutung von -nari operieren die japanischen Grammatiker mit folgenden Termini: shitei ,Bestimmung', dantei ,Beurteilung' (mit beiden Termini meint man eigentlich die Kopula -nari), suitei ,Mutmaßung' (Tendenz zur Gleich­setzung mit -meri, obgleich Austauschbarkeit beider Suffixe sehr fragwürdig ist) , eitan ,Ausrufung' (Gleichsetzung mit dem emphatischen -keri), dembun ,Hörensagen'. Das GM-jiten verzeichnet für das Verbalsuffix -nari nur die Bedeutungen ,Mut­~aßung ' und ,Hörensagen' (a. a. 0. S. 609a) mit Beispielen für den Anschluß an die Fmalform. Diese Darstellung entspricht der Auffassung von M a t s u o Su t e j i r ö , wie er sie zuerst in dem Aufsatz ,Shogi-sansoku' (Kokugakuin-zasshi 1919, 8) vortrug (vgl. vom selben Verf.: Jodoshi no kenkyri. 1943). Die Interpretation von -nari als ,M~Jt~aßung' (mit der neujap. Wiedergabe yo-da) halte ich in den aufgefundenen BeiSpielen aus dem GM für anfechtbar. - Zu den Kontroversen der japanischen Grammatiker über -nari vgl. K i e da, a . a. 0. S. 417 ff. und Bibliographie in Kaishaku to kanshö 22, 11/1957, S. 85-86.

27 Diese Bedeutung von -nari führt K a s u g a K a zu o etymologisch auf ne + ari 161 ,es .geht die Rede' zurü<k (Jwayuru dembun-suitei no jodoshi ,nari' no genkei ~i tswte. In: Kokugogaku 23/1955), trennt es also sprachhistorisch von dem formal mit der ~op_ula identischen -nari (< ni + ari). Nach dieser Hypothese wäre aber die Attnbuhvform vor -nari (dembun) zu erwarten. . .

242

suchung 28• Immerhin weist das Verbalsuffix -nari auf so eng beieinander­liegende Gemeinte, daß wir es als einfunktional und als Zeichen einer bestimmten Modalkategorie auffassen, die wir ihrem Bedeutungsgehalt entsprechend Ass er t i v nennen.

z. B. Kono ko mosu mono-wa, takiguchi-narikereba, yuzuru ito tsukizuki­shiku uchi-narashite, hi ayaushi-to iu-iu, azukari-ga zoshi-no kata-e inurunari (Yugao. I, 140, 1) . Da der Mann, der so sprach, ein Palast­wächter war, ließ er die Bogensaite sehr echt tönen, rief immer wieder ,Feuersgefahr' und begab sich in das Haus des Verwalters; so war es2D.

Ima hito-kizami-no kurai-wo-dani-to okurase-tamaunarikeri (Kiri­tsubo. I, 9, 3). ,Jetzt wenigstens noch eine Rangerhöhung um eine Stufe' [so dachte Seine Majestät], und es war so, daß er ihr postum [den 3. Rang] verlieh.

Honoka-ni hito-no iu-wo kikeba, otoko-to iu mono-wa, soragoto­wo-koso ito yoku-sunare (Agemaki. III, 587, 9). Wenn man mal so hört, was die Leute sagen, ist es wirklich so , daß die Männer geschickt lügen.

Kakaru tomi-no koto-ni-wa, zukyo-nado-wo-koso-wa sunare-tote, sono kotodomo sesasemu, gan-nado-mo tatesasemu-tote (Yugao. I, 144,4). Bei einem derart plötzlichen Unglücksfall wird doch aus den Sutren rezitiert, so heißt es, denke ich. So etwas möchte ich machen lassen, auch ein Gelübde leisten lassen.

Go uchi-hatetsuru-ni-ya-aramu, uchi-soyomekite, hitobito akaruru ke­wai-nado sunari. Waga kimi-wa izuku-ni owashimasunaramu. Kono mikoshi-wa sashitemu-tote narasunari. Shizumarinunari. /rite saraba tabakare (Utsusemi. I, 99, 3). Es war wohl so, daß das Go-Spiel beendet war: Kleider raschelten; wirklich, es hatte das Aussehen, daß die Damen sich zurückzogen. ,Wo ist denn eigentlich der junge Herr?

28 Tokieda (a. a. 0. S. 195) behandelt -nari als Verbalsuffix nur im Anschluß an die Finalform. Nach der Attributivform stellt er es der Kopula gleich. Zwar ist die Verbindung mit der Finalform beim Verbalsuffix -nari weitaus häufiger - schon weil die u-Stufe der vierstufigen Flexionsklasse in der Verbindung mit -nari meist als Finalform aufgefaßt wird - doch ist die syntaktische Opposition beider Kon­jugationsformen in Verbindung mit -nari in der Heian-Zeit noch augenfällig. Viel zitiertes Beispiel hierfür ist der Einleitungssatz zum Tosa-nikki. Im ~atzschluß . . . surunari sieht T o k i e da die Kopula, vor der koto ausgefallen se1 (a. a. 0. S. 196), womit für die Funktionsbestimmung dieser Konstruktion nichts gewonnen ist.

29 inurunari. Textvariante: inunari (z. B. Ausg. Nihon-koten-bungaku-taikei. Iwanami-shoten 1958. Bd. 14. S. 148. Nach dem Text des Aoby6shi-sh6hon 171) . So zitiert Tokieda (a. a. 0. S. 197) und erklärt den Passus azukari . . ·. inunari als ~~~m Genji gedachte Worte', als ,Tatsache, die Genji annimmt' , interpretiert also -nan 1m mutmaßenden Sinne. Der Kontext zeigt jedoch, daß es sich um einen neutra_len Bericht der Autorin handelt und der Sachverhalt nicht vermutet sondern konstatiert wird.

243

Im werde hier die Gittertüre smließen' sagte [eine Dienerin] und ließ das Geräusm [des Türsdlließens] hören. ,Man hat sidl zur Ruhe be­geben' [sagte Genji] ,tritt ein und fasse einen Plan' 30

Noetisdl betrachtet fällt die Verneinung in der Aussage unter die Moda­litätsrelationen, da sie einen Samverhalt durch Urteilsakt als in der Wirk­lichkeit nicht oder anders existent kennzeichnet. Wenn eine Sprache wie die japanisme die Satzverneinung am Prädikat und mit morphologischen Mitteln ausdrückt, so ist hier die Negation als verbale Modalkategorie anzusprechen at. Als Negationszeichen fungiert im Japanismen des GM das Verbalsuffix -zu (Ansmlußform: -zari).

z. B. Onaji hodo, sore-yori gero-no koitachi-wa, mashite yasukarazu (Kiritsubo. I, 1, 3). Die Konkubinen derselben Stellung und der Ränge darunter waren erst redlt unzufrieden.

Onnagimi, rei-no hai-kakurete, tomi-ni-mo ide-tamawanu-wo, otodo sechi-ni kikoe-tamaite, karojite watari-tamaeri (Wakamurasaki. I, 195, 8). Die hohe Dame hielt sich wie immer verborgen und begab sich durmaus nicht sofort [zu ihm]; doch da der Kanzler ihr dringende Vorstellungen machte, ging sie schließlich hinüber.

Arawa-nari-to-ya omoitsuramu, tachite anata-ni iritsuru ushirode, nabete-no hito-to-wa miezaritsu (Tenarai. IV, 393, 6). ,Es ist zu sehen' mochte sie gedacht haben; und wie sie aufstand und ins Innere ging, sah sie von hinten nicht aus wie eine gewöhnliche Person.

Die Frage nach der Bezeichnung des Modalbezuges im Japanischen (GM) führte zu Verbalsuffixen, die Modalitätsrelationen ausdrücken und wegen ihrer morphologischen Struktur die Aufstellung verbaler Modalkategorien remtfertigen. Bisher wurden die einfunktionalen Modalsuffixe behandelt, die sich als Zeichenmaterial für die Modalkategorien Optativ, Dubitativ, ,Komparativ', Präsumptiv, Assertiv und Negation erwiesen. Damit ist aber die Reihe der japanischen Modalkategorien nicht abgesdllossen, denn die Modalbezüge Absicht, Notwendigkeit, Möglichkeit, Befehl, Verbot können im Japanischen mit den strukturell gleichen Mitteln ausgedrückt werden wie die bisher festgelegten, nur daß hier die mehrfunktionalen Verbal­suffixe in Ersdleinung treten (-mu, -mashi, -beshi, -ji, -maji). Dabei ist vor-

30 Nihon-bumpö-jiten (NBK Bd. 6. S. 259 a) zitiert diesen Passus und interpretiert die nari-Formen im mutmaßenden Sinne: kewai-nado sunari = kewai-nado-ga suru­yö-da; narasunari = narasu-yö-da; shizumarinunari = shizumatte-shimatte-iru-yö-da. Dieser Auffassung widersprechen die in derselben Textstelle verwendeten Kompo­sitionsformen -ni-ya-aramu und naramu, welche, durch den interrogativen Charakter der betr. Sätze bedingt, mit dem dubitativen Verbalsuffix -mu kombiniert sind. Da fU?--k~ional gle~chwerti.~e und vertauschbare Formantien keine Kompositionsformen m1temander bilden konnen, kann das Modalsuffix -nari nicht dubitativ aufgefaßt werden (im Sinne des ,Hörensagens' lassen sich beide nari-Verbindungen nicht deu­ten).

31 Zur Einordnung der japanischen Negation in das System der verbalen Modal­kategorien vgl. auch Peter Hartmann : Probleme der sprachlichen Form. Heidel­berg: Carl Winter 1957. S. 215.

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weg zu klären, ob überhaupt dasselbe Verbalsuffix als Zeichen verschiede­ner Modalkategorien fungieren kann. Wenn allein der Kontext entscheidet, welchen von mehreren Bestimmungswerten ein grammatisches Zeich-en in einer Äußerung besitzt, so wird es für nur eine grammatische Kategorie stehen, und die Bedeutungsskala der Bestimmungswerte wird als Haupt­und Nebenfunktion in einem Kategorienbereich aufzufassen sein, voraus­gesetzt, daß die Funktionen konvergieren 32• Wenn jedoch zusätzliche Krite­rien die Funktion des Zeidlens steuern, ist mit einer kategorial gebundenen Mehrfunktionalität zu redlnen, und dieser Fall ist meist dann gegeben, wenn die Funktionen in ihrer Bedeutung stark divergieren. Fraglos liegt diese Bedeutungsdivergenz bei den mehrfunktionalen Modalsuffixen des Japanischen vor, und es ist zweifelhaft, ob diese nur bei der Transponierung in eine Fremdsprache realisiert wird 33 • Vielmehr muß sie im J apanisdlen selbst existent und auffindbar sein. Ein wichtiges Kriterium für die Funk­tionen dieser Suffixgruppe und dafür, daß die betreffenden spradllidlen Mittel nicht in gleidler Weise eingesetzt sind, ist die Person des Subjekts34•

Wenn das Subjekt einer Aussage mit dem Sprecher identisch ist und die zukünftige Verwirklichung des geäußerten Samverhaltes vom Sprecher er­strebt wird, so kann diese Modalitätsrelation durch das Verbalsuffix -mu ausgedrückt werden. -mu fungiert unter dieser Voraussetzung als eine Be­zeichnung der Modalkategorie In ten tionalis.

Z. B. Iza, ito kokoro-yasuki tokoro-nite, nodoka-ni kikoemu (Yugao. I, 128, 7). Wohlan denn! An einem Ort, wo man sich ganz sicher fühlt, will ich in aller Ruhe zu Euch sprechen.

Wenn das Subjekt einer Aussage mit dem Angesprochenen identisch ist und die zukünftige Verwirklichung des geäußerten Samverhaltes dem An-

n Z. B. das assertive -nari mit den Bestimmungswerten ,so ist es', ,so heißt es'. Vgl. oben, S. 242 f.

33 G. Wenck (a. a. 0. Sp. 313) mit Bezug auf die Mehrfunktionalität von -maji und -beshi: " ... ein gleimes spramlimes Mittel in gleimer Weise eingesetzt, be­zeimnet, aum wenn es bei der Ubersetzung in andere Spradlen unterschiedlime Ge­stalten annimmt, in der Sprache, zu der es gehört, grundsätzlich nur eine einzige Kategorie." Es ist für die sprachlidle Kommunikation nicht belanglos, die Bezeich­nung einer Vermutung und einer Absicht auseinanderzuhalten. -beshi bzw. -maji (in der Negation) fungieren für beide Gemeinte, und so ergibt sich die Frage, wel­cher Modalkategorie sie zuzuordnen sind.

34 Soweit mir bekannt, findet dies Kriterium nur in der Grammatik von T o k i e da Berücksichtigung (a. a. 0. S. 167 ff.), andeutungsweise auch in der strukturalistischen Studie von M. Yokoyama: The Inllections of Bth-Century Japanese (Language Diss. No. 45/1950, S. 31). Im AJG (S. 174, 177) habe ich auf die Relevanz des Personalbezuges hingewiesen.- Obgleich die Pers?n im .!apanisdlen ~m Prädi­kat nicht explizite bezeichnet wird, verfügt das Japamsche uber Sprachmittel zum Ausdruck des Personalbezuges. Einmal besitzt es in allen Entwicklungsstadien Personalnomina, welche die personale Dreiteilung bezeichnen. In. dieselbe Richtung weist auch das Triadensystem der Demonstrativa (ko-so-alka), die neben der loka­len auch personale Geltung haben können, .und sdlließli~ b.esteht ein !ür das Japanische charakteristisches grammatisches Tellsystem zur soziatlven Kennzeichnung des Personalbezuges am Prädikat. Da das personale Subjekt, soweit .~~gena~t, aus der soziativ merkmaltragenden oder merkmall<?sen Form des Pradtkats I.n d~n meisten Fällen erschließbar ist und das Samsubjekt durch Nennung ersdlemt, 1st die grammatisme Person des Satzes in der Regel feststellbar und damit eine Hilfe für die kategoriale Zuordnung mehrfunktionaler Modalsuffixe gegeben.

245

gesprochenen als notwendig oder ratsam nahegelegt wird, so kann diese Modalitätsrelation durch das Verbalsuffix -mu (häufig in den Formen -koso ... -me oder -namu) ausgedrückt werden. In diesem Falle bezeichnet -mu einen indirekten Befehl und ist der Modalkategorie Imperativ (Hortativ) zuzuordnen.35 .

z. B. Nari takashi. Nari yamamu. Hanahada hiz6-nari. Za-wo hikite tachi­tobinamu (Otome. II, 96, 5). Der Lärm ist zu groß. Sie müssen aufhören zu lärmen. Das ist äußerst ungewöhnlich. Sie haben die Plätze zu verlassen und sich zu erheben.

Shishikorakcishitsuru-toki-wa utate haberu-wo, toku-koso kokoro­misase-tamawame (Wakamurasaki. I, 170, 2). Wenn Ihr die Krankheit erst durch falsche Behandlung verschleppt habt, wird es schlimm. Macht sofort einen Versuch!

Wenn das Subjekt einer Aussage weder mit dem Sprecher noch mit dem Angesprochenen identisch ist und die gegenwärtige Wirklichkeit oder zukünftige Verwirklichung des geäußerten Sachverhaltes ungewiß ist, so kann diese Modalitätsrelation durch das Verbalsuffix- m u ausgedrückt wer­den. -mu fungiert unter dieser Voraussetzung als Bezeichnung der Modal­kategorie Dubitativ.

Z. B. Ge-ni sa-zo haberamu. Kano furusato-wa, ny6b6-nado-no, kanashibi­ni taezu naki-madoi-haberamu-ni, tonari shigeku togamuru satobito öku haberamu-ni, onozukara kikoe-haberamu-wo, yamadera-koso, nao ka-y6-no koto onozukara yuki-majiri, mono-magiruru-koto haberame (Yugao. I, 145, 2). Wirklich, so wird es wohl sein. Was ihr Zuhause anbetrifft, so werden die Frauen [dort] vor Kummer wohl unaufhör­lich weinen und verstört sein; und wegen der zahlreichen Nachbarn wird es viele Einwohner geben, die Verdacht schöpfen, und so wird es vermutlich von selbst ruchbar werden. Aber in einem Bergtempel, da kommt doch so eine Sache häufig vor, und es wäre etwas Unauffälliges.

Das mehrfunktionale Verbalsuffix -mu kann also in Abhängigkeit von der Person des Subjekts die Modalkategorien Dubitativ, Intentionalis und Imperativ (Hortativ) bezeichnen. Die betreffenden Regeln gelten nur für den Aussagesatz: im Fragesatz ist die bedingte Mehrfunktionalität von -mu aufgehoben, da durch die Sinngebung der Frage die dubitative Funktion, unabhängig von der Person, vorherrscht.

Z. B. Ikade-ka makaramu, kuraute (Yugao. I, 137, 12). Wie könnte ich gehen? Es ist doch dunkel . . .

35 Als Modalkategorie ist der direkte Imperativ-Befehl zurVerwirklichungeines Sachverbal~es - im Japanischen durch eine spezielle Konjugationsform (meireikei) morp.hologis~. fixiert. Da -mu im auffordernden Sinne an die 2. Pers. geknüpft ist u~d 1mperahv1sche Geltung besitzt, möchte ich die im AJG § 181 vorgenommene Emordnung unter den Necessativ wie angegeben korrigieren.

246

Ika-sama-ni semu-to omoeri (Yugao. I, 138, 2). ,Was soll ich tun?' dachte er.

Ito utsukushikaritsuru chigo-kana. Nanibito naramu (Wakamurasaki. I, 180, 7). Wirklich, ein ganz entzückendes Kind. Wer mag es sein?

Ebenso scheint die personal gebundene Mehrfunktionalität von -mu bei dem Prädikat eines untergeordneten Satzes (Subjekt-, Objekt-, Attributiv­satz) aufgehoben zu sein, da es hier stets dubitativ oder auch noch futurisch fungiert.

Z. B. Sono uchi-tokete, katawara itashi-to obosaremu-koso yukashikere (Hahakigi. I, 36, 7). Gerade auf die [Briefe) davon, bei denen Ihr Euch keinen Zwang antut und wohl meinen werdet, daß [der Einblick] Außenstehender schlimm sei, bin ich gespannt (obosaremu = Attri­butivform mit folgender Ellipse von Jumi).

Miya-no uchi-ni mesamu-koto-wa, Uda-no mikado-no on'imashime areba (Kiritsubo. I, 22, 4}. [Dagegen] daß Seine Majestät [ihn] in das Innere des Palastes rufen würde, gab es ein Verbot des Kaisers Uda. Deshalb ...

Es sei dahingestellt, ob aus Funktionen in soldlen Aufhebungsstellungen der Schluß gezogen werden darf, daß -mu ursprünglich dubitative oder fu­turische Geltung besaß. Zweifellos herrscht noch im Altjapanischen die Zu­kunftsvorstellung bei dem Verbalsuffix -mu vor, doch dominiert bereits auf der Stufe des GM die modal bestimmte Vorstellung der ungewissen Verwirklichung mit der genannten Differenzierung in dubitativer und voluntativer Richtung ss.

36 Die Kritik dieser Konzeption von G. Wenck (a. a. 0. Sp. 316) ist nicht stich­haltig. Die ,herrschende Meinung', d. h. der japanischen Grammatiker, wonach -mu ursprünglich ein ,Hilfsverb der Mutmaßung' (suiryo no jodoshi) sei, läßt sich am konkreten Material nicht mit Sicherheit verifizieren. Z. B. ergibt eine Durchsicht der Norito, welche die älteste belegbare Sprachstufe des Japanischen repräsentieren, daß von 45 im Kambun-Text fixierten mu-Formen 40 in erster Linie futurische Geltung besitzen. So können auch die von Arai Munirö (Kokugo-jiso no kenkyu. Chubunkan 1933. S. 221-222) zitierten 6 mu-Prädikate aus den Norito futurisch aufgeiaßt werden. (Ubrigens sind bezüglich seiner Einstufung des Verbalsuffixes -mu als sozo-teki joji ,mutmaßendes Hilfswort', die ja für das von ihm hauptsäch­lich zitierte Beispielmaterial aus der Heian-Literatur unbestritten weitgehende Geltung besitzt, die Ausführungen äußerst knapp und unergiebig und nicht als Spezialabhandlung anzusprechen. Etwas eingehender äußert er sich in der 1938 erschienenen Grammatik Junsei-kokugoho-kigen (Kokugo-kyoiku-kenkyu-kai. S.663), worin er dem Japanischen grammatische Tempuskategorien überhaupt abspricht.) Die sachbezüglichen Theorien der japanischen Grammatiker sind insofern mit Vor­sicht aufzunehmen, als Japaner unter dem Einfluß ihrer Muttersprache das jetzige Modalsystem mit fehlender Futurbezeichnung in das Altjapanische hineinzudeuten geneigt sind. Ich sehe keinen zwingenden Grund, meine früher geäußerte Ansicht über das altjapanische Futur zu revidieren (vgl. Zur Frage der Verbalaspekte im Altjapanischen. OE II, 2/1955. S. 242-243). Eine im Prinzip gleiche Anschauung fin­det sich bei E: M. K o 1 p a k c i : Ocerki po istorii japonskogo jazyka I . Morfologija g~agola. Moskau-Leningrad 1956. S. 147, 155.- Aue? v~n einer Widerlegung ... d':lr.~ emen Vergleich mit den eigentlichen ,Verbalsufflxen des Tempus (Defekhvttat, Anfügung an mizenkei, Endposition bei ,Verbalsuffi~'-Reihen)" (We~c.k a. a. 0.). kann keine Rede sein. An ,eigentlichen Verbalsuffixen de.s Tem~us Ist nur. ~k1 mit der kompositionellen Erweiterung -keri zu nennen. J?Ie Flexi~n von. -ki 1~t ebenfalls defektiv und zudem suppletiv. Der Anschluß an die Indefimtform Ist kem

247

Auf die mit -mu bezeichneten Modalkategorien bezieht sich audl das mehrfunktionale Verbalsuffix- j i, jedoch in der Negation: -ji erweist sidl als negatives Äquivalent des affirmativen -mu (-ji = zaramu) in derselben Entsprechung, die wir bei den einfunktionalen Verbalsuffixen -mahoshi/ -maushi gefunden haben. Kriterium für die modale Zuordnung ist auch bei - ji die Person des Subjekts.

Mit Bezug auf die 3. Pers. bezeichnet -ji den Dubitativ in der Nega­tion (Annahme, daß ein Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht bzw. nicht verwirklicht wird).

z. B. Kashiko-ni onna-koso arikere. Sozu-wa yomo sayo-ni-wa sue-tamawaji­-wo, ika-naru hito-naramu (Wakamurasaki. I, 172, 8). Dort sind ja wirklich Mädchen! Der Bischof wird doch bestimmt nidlt in dieser Weise [Mädchen] halten. Was für Menschen werden es wohl sein?

Mit Bezug auf die 2. Pers. bezeichnet -ji den Imperativ in der Negation, d. h. den Prohibitiv (Aufforderung, einen Sachverhalt nicht zu verwirk­lichen) 37•

Z. B. Nao kikoe-tamae. Waza-to kesodachitemo motenasaji (Shiigamoto. III, 482, 4). Antwortet doch! Verhaltet Euch aber nicht so [ihm gegen­über], daß Ihr ausdrücklich eine Zuneigung bezeugt.

Mit Bezug auf die 1. Pers. bezeichnet -ji den Intention a li s in der Negation (Absicht, einen Sachverhalt nicht zu verwirklichen).

Z. B. Tada kano yuigon-wo tagaeji-to-bakari-ni, idashi-tate-haberishi-wo (Kiritsubo. I, 14, 5). Nur [von dem Gedanken bewegt]: ich möchte nidlt von seinem Vermächtnis abgehen, habe ich sie [an den Hof] gesdlickt.

Mit dem Verbalsuffix -mashi können im GM IntentionaUs und Dubitativ, wiederum in der beschriebenen Abhängigkeit von der Person des Subjekts, bezeichnet werden. Der Funktionsunterschied von -mu/-mashi bezieht sich nicht auf die Modalitätsrelationen sondern auf die Setzung der Wirklichkeit überhaupt. Während die Anwendung von -mu in der Regel reale oder realisierbare Gegebenheiten voraussetzt, zielt -mashi zumeist auf fiktive oder nicht realisierbare Gegebenheiten. Es steht deshalb in hypothetischen Sätzen und bezeichnet einen Dubitativ irre a li s (Subjekt: 3. Pers.) oder IntentionaUs irrealis (Subjekt: 1. Pers.) ss.

Z. B. Kanarazu saru-yo-nite-zo owasemashi (Yadorigi. IV, 36, 3). Sidlerlidl würde sie in dieser Art leben.

~har~kteristikum für Modalsuffixe, ebensowenig wie der Anschluß an die Kon­JunktiOnalform für Temporalsuffixe, da bei der Tempusbezeichnung -ki das einzige Oppositum ist. Die kombinatorische Gleidlstellung mit Modalsuffixen kann allenfalls als Indiz für die modale Affinität der Futurbezeichnung gedeutet werden, die ja außer Frage steht.

37 Entsprechend der imperativischen Funktion von -mu zeigt der prohibitive Ge­b~a~~ vo~ -j i eine .gewisse s~ilistische Abschwächung des Verbots. Direkt wird der Pro­hibitiv mittels Affixen bezeichnet: na + Konjunktionalform + so, Finalform + na .

• 38 Beispiele für -mashi in Verbindung mit einem Subjekt in der 2. Pers. bei funk­

tioneller Relevanzstellung ließen sidl nicht finden.

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lka-ni omorika-naru mikokoro'okite-naramashi (dgl., Z. 4) Ob es wohl ihr ernster Entschluß wäre?

Komayaka-ni yo-no-naka-no arubeki yo-nado-wo, harakara-yo-no mo­no-no aramashi-yo-ni oshie-nagusame-kikoe-tamau (Yadorigi. IV, 43, 5). Eingehend unterrichtete er sie zu ihrer Zerstreuung über die Dinge [draußen) in der Welt, in einer Art, als ob sie Menschen wie Bruder und Schwester wären.

Tashika-ni sono kuruma-wo-zo mimashi (Yugao. I, 125, 4). Gewiß wür­de ich diesen Wagen sehen wollen.

Kaerite-wa I kagoto-ya semashi I yosetarishi I nagori-ni sode-no I higatakarishi-wo (Akashi. I, 552, 5). Im Gegenteil: ich würde mich be­klagen wollen, denn wegen der Botschaft, die Ihr [mir] schicktet, ist mein Ärmel kaum getrocknet [vor Tränen).

Besonders charakteristisch für die Funktionen von -mashi ist seine An­wendung in Satzgefügen mit irrealen Konditionalsätzen.

Z. B. Miyagino-no I kohagi-ga moto-to I shiramaseba I tsuyu-mo kokoro­wo I wakazu-zo aramashi (Azumaya. IV, 194, 3). Hätte er gewußt, daß das Hagi-Pflänzchen aus Miyagino stammt, der Tau wäre, ohne seine Liebe zu teilen, geblieben. H iru-naramashikaba, nozoki te mi- tatematsur i temashi ( Hahakigi. I, 77, 2). Wenn es Tag wäre, würde ich ihn durch einenSpaltbetrachten wollen.

Das Verbalsuffix -mashi läßt sich m. E. nicht als Bezeichnung einer ge­sonderten Modalkategorie (Irrealis) ansehen, da das Modussystem des Japanischen auf den eingangs definierten Modalitätsrelationen, nicht aber auf der Möglichkeit der Realitätssetzung beruht. -mu und -mashi, auch etymologisch verwandt, gehören zu denselben Modalkategorien des Japa­nischen, wobei das eine bei Aussagen mit realer, das andere bei solchen mit fiktiver Annahme fungiert.

Auf große Schwierigkeiten bei der Funktionsanalyse mehrfunktionaler Modalsuffixe stößt man bei dem Verbalsuffix - b es h i. Die japanischen Gram­matiker sind bislang über eine Aufzählung von Bedeutungen nicht hinaus­gekommen 38, wobei im Einzelfall allein der Kontext zur Deutung heran­gezogen wird und nicht selten verschiedene Interpretationsmöglidlkeiten offenläßt Eine Staffelung nadl Haupt- und Nebenbedeutungen wäre will­kürlich, aber auch die Abstrahierung einer gemeinsamen Sdllüsselbedeu­tung zeitigt keine befriedigenden Ergebnisse 40 • Die Mehrfunktionalität von

31 In der Regel werden genannt: Mutmaßung, Möglichkeit, Notwendigkeit, An­gemessenheit, Absicht, Aufforderung, Befehl.

4° Kolpakci (a. a. 0. S. 181) schlägt eine Subsumtion unter folgender Um­fangsbestimmung vor: "Ausdruck einer Handlung bzw. eines Zustands in Abhängig­keit vor allem von den Möglichkeiten der handelnden Person." - T o k i e da gibt folgende Definition (a. a. 0. S. 188): "-beshi wird in einem Urteil über eine Sache verwendet, die vom Sprecher, so wie sie ist, für selbstverständlich oder notwendig gehalten oder deren Verwirklichung von ihm als möglich angenommen wird." -In der traditionellen japanischen Grammatik wird -beshi unter den ,Hilfsverben der Mutmaßung' (suiryo no jodoshi) eingereiht.

249

-beshi läßt sich ebensowenig in Abrede stellen wie der Versuch scheitert, es einer einzigen Modalkategorie unterzuordnen; denn eine Betrachtung der Funktionen zeigt, daß diese teilweise in den Bereich der bisher aufge­stellten Modalkategorien fallen. Die Frage, ob und in welchem Umfang außerkontextuelle Kriterien vorhanden sind, welche die Zuordnung des Verbalsuffixes zu verschiedenen Modalkategorien mit grammatischer Si­cherheit erlauben, harrt eingehender Untersud::mng 41 • Jedoch dürfte auch hier die Person des Subjekts wie bei dem Verbalsuffix -mu von Belang sein 42•

Den Intentional i s kann -beshi bezeichnen, wenn sich das betreffende Prädikat auf ein Subjekt in der 1. Pers. bezieht.

Z. B. Soko-ni-koso oku tsudoe-tamaurame. Sukoshi mibaya. Sate-namu kono zushi-mo kokoro-yoku hirakubeki (Hahakigi. I, 37, 3). Ihr werdet viele Briefe gesammelt haben. Ich möchte etwas [davon] sehen! Dann will ich gern auch mein Schreibschränkchen öffnen.

Genji-ni nashi-tatematsurubeku oboshi-okitetari (Kiritsubo. I, 24,9. [Seine Majestät] hatte sich entschlossen, ihn zu einem [Angehörigen] des Minamoto-Hauses zu machen (wrtl.: ich beabsichtige zu ma­chen . . . so hatte er sich entschlossen).

Wie oben hat -beshi vor einem folgenden Verb des Denkens (omou usw.) im GM stets intentionale Bedeutung. Das kann damit erklärt werden, daß der mit -beku abgeschlossene Satz als direkte Wiedergabe des Gedan­kenganges der 1. Pers. aufzufassen ist 43 •

Bei Bezugnahme auf die 2. Pers. kann -beshi eine Aufforderung ausdrük­ken. Da -beshi in Verbindung mit der 3. Pers. häufig auf eine Notwendig­keit hinweist, andererseits aber der Imperativ im Japanischen mehrere periphrastische Konstruktionen morphologischer (-mul) oder syntaktischer Art besitzt, müßte -beshi in auffordernder Bedeutung der Modalkategorie Imperativ untergeordnet werden.

Z. B. Tada-ima Koremitsu-no Ason-no yadoreru tokoro-ni makarite, isogi­mairubeki yoshi ie (Yugao. I, 142,3). Geh sofort zu dem Aufenthaltsort des Ason Koremitsu und sage [ihm], er solle eilends herkommen.

Miyabito-ni I yukite-kataramu I yamazakura I kaze-yori saki-ni I kite­mo mirubeku (Wakamurasaki. I, 190,6). Zu den Höflingen will ich ge­hen und [ihnen) erzählen von den Bergkirschen: eher als der Wind sollt Ihr kommen und sie anschauen (indirekte Anrede).

41 In seiner Abhandlung über die Verbalsuffixe (Jodöshi) meint Igarashi S ab ur ö mit Bezug auf -mu, -mashi und -beshi: "Das Grundproblem ist, in welchem Sinn ein Verb bestimmten Charakters im Zusammenhang mit der Person des Sub­jekts verwendet wird. Wenn man das weiß, so glaube ich, wird deren Verwendungs­weise (d. h. der betr. jodöshi) klarer werden." (In: Zoku-NBK. 1958. Bd. 1. S. 279).

42 V g 1. T o k i e d a , a. a. 0. S. 188--189. 43 Vgl. auch Onmukae-ni mairi-tamaubeku oboshitaru-wo (Shiigamoto. III, 476,1)

Er hatte sich zwar entschlossen zu gehen, um sie zu empfangen ... - Kaeshi-subeku­mo omowanedo (Tamakatsura. II, 161,8) Obgleich sie nicht gedachte, ein Antwort-gedicht zu machen . . . -

Bei direkter Anrede ließen sich keine beshi-Formen im GM finden. Der Personalbezug ist hier ähnlich indirekt wie bei der intentionalen Funktion, wenn dort ein Verb des Denkens folgt.

Die intentionale und imperativische Funktion von -beshi treten weit seltener in Aktion als die nun zu behandelnden Funktionen dieses Verbal­suffixes. Am häufigsten wird -beshi verwendet, wenn die Tatsädtlichkeit oder Verwirklichung eines geäußerten Sachverhaltes notwendig oder ange­messen erscheint. Hier bezeichnet es die Modalkategorie Ne c es s a t i v 44•

Soweit sich das Beispielmaterial aus dem GM übersehen läßt, scheint diese Funktion von -beshi an keine grammatische Person des Subjekts gebunden zu sein.

Z. B. Hahagimi hajime-yori oshinabete-no uemiyazukae-shi-tamaubeki ki­wa-ni-wa-arazariki (Kiritsubo. I, 3,5). Die Frau Mutter war von Anfang an nicht in einer Stellung, in der sie als gewöhnliche Palastbedien­stete tätig sein mußte.

Kyo hajimubeki inoridomo, sarubeki hitobito uketamawareru {Kiri­tsubo. I, 7,9). Die Gebete, die heute beginnen müssen, übernehmen ge­eignete Leute (sarubeki = so wie sie sein müssen).

Mi-tatematsurazaramu-koto-wa, ito mune-itakarinubekeredo, tsui-ni kono ontame-ni yokarubekaramu-koto-wo-koso omowame (Usugu­mo. 11, 29,5). Daß Du sie nicht sehen wirst, muß zwar sehr schmerzlich sein; bedenke aber, daß es am Ende für sie gut sein muß.

Watarase-tamaubeu kikoe-yo. Sonata-e mairi-kubekeredo, ugokubeu­mo-arade-namu (Yugiri. III, 227,11). Sag, daß er herüberkommen soll. Ich hätte hinkommen müssen, doch kann ich mich nicht bewegen (indir. Imperativ, Necessativ, Potentialis (s. u.]).

Weiterhin tritt -beshi in der Funktion des Dubitativ auf. Hier scheint seine Anwendung auf die 3. Pers. (belebt und unbelebt) beschränkt zu sein. Auch lehren die Beispiele, daß eine dubitative Deutung von beshi-Formen nur bei Hauptprädikaten, also nicht bei untergeordneten Prädikaten von Satzgefügen möglich ist. Außerdem nimmt das dubitative -beshi bei der Reihenbildung von Verbalsuffixen die Schlußposition ein 45

• Von den übri-

44 -beshi scheint sowohl dem Ausdruck der objektiven Notwendigkeit als auch dem des subjektiven Zwanges zu dienen. Es wäre daher auch vertretbar, für diese Modalkategorie den Terminus Obligativ zu gebrauchen.

45 Dies kombinatorische Kriterium kann für die Abgrenzung der dubitativen Funktion von der necessativen bedeutsam werden und zeigt an, daß auch mit der Relevanz syntaktischer Merkmale für die Modus-Bestimmung zu rechnen ist. Daß -beshi in der Position vor anderen Verbalsuffixen keine dubitative Geltung haben kann, äußert sich in der Verbindung mit einem folgenden Verbalsuffix des Dubitativs, z. B. Yamugoto-naku, sechi-ni kakushi-tamaubeki-nado-wa, kay6-ni 6z6-naru mizushi­nado-ni, uchi-oki-chirashi-tamaubeku-mo-arazu, fukaku tori-oki-tamaubekammereba, kore-wa ni-no machi-no kokoro-yasuki-narubeshi (Hahakigi. I, 36,10) Diejenigen [Briefe],' die er wegen ihrer Wichtigkeit sorgsam verstecken mußte, d~rfte er in ein so gewöhnliches Schreibschränkchen wie seines nicht achtlos durchemanderlegen; da er sie eigentlich gut weglegen mußte, war~n diese [hier] wahrschei~lich zweit­rangige, um die er sich nicht sorgte (-tamaubekl, -tamaubeku = ~ecessatr~· ; -t.amau­bekammereba = Necessativ, dubitativ eingeschränkt; -narubesh1 = Dubltallv).

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gen Verbalsuffixen des Dubitativs unterscheidet sich -beshi durch den Aus­druck einer größeren Wahrscheinlichkeit.

Z. B. Kaku imaimashiki mi-no soi-tatematsuramu-mo, ito hitogiki ukarubeshi (Kiritsubo. I, 16,2). Wenn eine so unglückselige Person [wie ich] ihn begleiten würde, würde es vermutlich bei den Leuten einen sehr schlechten Eindruck machen.

Ana kurashi-tote, hi kakage-nado subeshi (Hahakigi. I, 77,4). ,Wie dunkel es ist!' sagte er und drehte anscheinend das Licht hoch.

Schließlich findet das Verbalsuffix -beshi noch Verwendung, um die Möglichkeit der Verwirklichung eines Sachverhaltes anzugeben. Es fun­giert also auch zur Bezeichnung des Potent i a 1 i s 46, allerdings häufig mit dubitativer Färbung. Dabei scheint es an keine grammatische Person ge­bunden zu sein - die 3. Pers. muß ein belebtes Subjekt bezeichnen -, aber beim Hauptprädikat nur in Verbindung mit der Negation aufzutreten und bei untergeordneten Prädikaten meist in der Attributivform 47 •

Z. B. Kono onnioi-ni-wa, narabi-tamaubeku-mo-arazarikereba . . . (Kiri­tsubo. I, 3,3). Da er sich mit dessen Schönheit nicht gleichstellen konnte. On'ushiromi-subeki hito-mo naku ... (Kiritsubo. I, 20,12) Es gab gar niemanden, der als sein Beistand hätte wirken können.

Sarinubeki ori-wo mite, taimen-subeku tabakare (Utsusemi. I, 94,8). Wenn Du eine geeignete Gelegenheit siehst, mache einen Plan, daß wir uns sehen können.

Die bei -beshi am stärksten ausgeprägte Mehrfunktionalität von Modal­suffixen findet ihr Spiegelbild in dem Verbalsuffix - m a j i, welches für sämt­liche Funktionen von -beshi und mit demselben Personalbezug in der Nega­tion stehen kann (maji = -bekarazu!-zarubeshi).

Z. B. Nado-ka yoso-nite-mo, natsukashiki irae-bakari-wa shi-tamaumajiki (Utsusemi. I, 105,5). Hätte sie nicht, wenn auch von fern, wenigstens freundliche Antworten [auf meine Briefe] geben müssen? (Necessa­tiv in der Negation).

Ito yawaraka-ni notamaite, onikami-mo aradatsumajiki onkewai-nare­ba ... (Hahakigi. I, 78,5). Er sprach ganz sanft; und da sein Verhalten so war, daß nicht einmal ein Teufel aufgebracht gewesen wäre ... (Dubitativ in der Negation).

Kao-nado-wa, sashi-mukaitaru hito-nado-ni-mo waza-to miyumajiu motenashitari (Utsusemi. I, 95,11). Das Gesicht hielt sie so, daß es auch

48 An morphologischen Bezeichnungen für den Potentialis kommen im GM noch die mehrfunktionalen Verbalsuffixe -rul-raru sowie, in der Negation, die Verbin­dung des Präfixes e- mit einer Negationsform des Prädikats in Betracht (vgl. AJG § 164). Die vorhandenen Strukturelemente weisen den Potentialis als selbständige Modalkategorie des Japanischen aus.

47 Im Beitrag des Uma-no-kami zum Gespräch über die Frauen im Kap. Hahakigi kommen in einem Passus elf beshi-Formen vor (Okato-no yo-ni tsukete ... I, 41,9), darunter neun Attributivformen (-beki}, von denen sechs den Potentialis bezeichnen, drei den Necessativ. Die zwei Finalformen (-beshi) haben dubitative Geltung.

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von ihrem Gegenüber nicht d~rekt gesehen werden konnte (Potentialis in der Negation) 48.

Otonashiku minashiteba, hoka-e-mo sara-ni ikumaji (Momijinoga. I, 290,6). Wenn Du erwa<.hsen aussiehst, will ich bestimmt nicht mehr fortgehen (lntentionalis in der Negation).

Onfumi-ni-mo, oroka-ni motenashi-tamaumaji-to kaesugaesu imashi­me-tamaeri (Miotsukushi. I, 563,3). Auch in seinen Briefen ermahnte er sie immer wieder: behandle sie ni<.ht nachlässig! (Prohibitiv).

Eine Durchmusterung der dubitativen und voluntativen Modalkategorien des Japanischen, wie es sich im GM darstellt, läßt erkennen, daß diese Modalkategorien in bejahender und verneinender Aussageweise durch eintadle Verbalsuffixe bezeichnet werden können, so daß alle in eine affirmative und eine negative Kategorie aufgespalten sind.

---

I I I I I I Dub. Pot. lnt. lmp. Nec. Opt.

I \ ramu mu I I

mu I

aff. meri mashi beshi mashi mu I beshi I mahoshi I

beshi I

kemu beshi beshi I

I I I

ji I maji ji ji

maji maushi I 1 neg.

ma·i ma·i ma·i

Dur<.h die Mögli<.hkeit einer formalen lmplizierung der Negation unter­smeidet sim dies modale Teilsystem deutlim von dem der kogitativen Kate­gorien, in dem die explizite Form der Negation selbst die häufigste Kategorie bildet.

Neg. Ass.

zu nari

Präs.

rashi

(Komp.)

gotoshi

yö-nari

Das hier aufgestellte Modalsystem des Japanischen, das sim an der Spramstufe des GM orientiert, gibt eine Klassifizierung nam noetischen und morphologismen Gesichtspunkten. Das Ordnungssmema ist aus dem noetismen Bereich abstrahiert, ausgehend von den einzelspramlim nimt

48 Zur Bezeichnung dieser Modalkategorie steht am häufigsten das kombinierte Verbalsuffix -bekarazu.

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gebundenen Modalitätsrelationen, die für ein bestimmtes Spradlsystem nur soweit relevant sind, wie sie in der Prädikation formal bezeidmet werden, und zwar mit soldlen Strukturelementen, weldle für alle kategorialen Be­stimmungen der prädikativen Aussage gleidlartig sind. Das sind im Japa­nisChen die Verbalsuffixe, die als kleinste prädikative Funktionsträger die Zeidlenbasis für das betreffende verbale Kategoriensystem bilden. Eine Funktionsanalyse dieser Verbalsuffixe führt zur Aufstellung der gegebenen Modalkategorien, deren terminologisdle Fixierung dem noetisdlen Korrelat gererot zu werden versudlt. Eine Eigentümlidlkeit des so gewonnenen mo­dalen Kategoriensystems besteht in einer weitgehenden Mehrfunktionalität der Formantien, das sich mit besonderer Auffälligkeit in dem Suffix­paar -beshi/maji zeigt. Die noetische Diversität der betroffenen Modalkate­gorien führt zu der Annahme, daß mit sekundären grammatischen Kriterien geredmet werden muß, welche die jeweilige Modalfunktion ablesbar maChen. Ein wichtiges Kriterium ist der Personalbezug des Prädikats; hin­zu kommen syntaktische Kriterien, über deren Umfang noch keine Schlüs­sigkeit besteht.

Bleibt noch die Frage nach der Tragfähigkeit der methodisdlen Konzep­tion. Hier sei zu bedenken gegeben, daß eine rein formale, auf das sprach­liche Zeichen konzentrierte Betradltungsweise zwangsläufig - soweit sie sich über eine deskriptive Funktionsaufzählung erhebt - zur Gleidlset­zung des Zeichens mit der Modalkategorie führt, wobei mit Haupt- und Nebenfunktionen zu operieren wäre. Das Nebeneinander ein- und mehr­funktionaler Modalsuffixe mit mannigfachen Funktionsberührungen und -Überlagerungen führt bei der Beschränkung auf Formalkriterien zur Auf­stellung zu eng oder zu weit gefaßter Kategorien (ramu-Modus, beshi­Modus usw.), die auch im Hinblick auf das Gemeinte einer befriedigenden Ordnung entbehren.

Trotz der angedeuteten Schwierigkeiten dürfte die in der japanisdlen Sprachforschung vernachlässigte Anwendung des Modus-B~griffes sowohl für die Kenntnis der japanischen Sprache als auch für die Bereicherung des Begriffes selbst von nicht geringem Nutzen sein.

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