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Thomas Heim

Zur Klassifikation des lexikalischen Bedeutungswandels

Studienarbeit

Dokument Nr. V48948http://www.grin.com/ISBN 978-3-638-45515-2

9 783638 455152

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LMU München

Institut für Romanische Philologie

Wintersemester 2001/2002

PS Linguistische Theorieansätze und Sprachbeschreibung

Zur Klassifikation des lexikalischen Bedeutungswandels

eingereicht von:

Thomas Heim

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Gliederung

1. Einleitung

2. Zur Klassifikation lexikalischen Bedeutungswandels

2.1. Was ist Bedeutungswandel?

2.2. Der Prozess der semantischen Innovation und Lexikalisierung

2.3. Typen des Bedeutungswandels

2.3.1. Metapher

2.3.2. Metonymie

2.3.3. Auto-konverser Bedeutungswandel

2.3.4. Kohyponymischer Bedeutungswandel

2.3.5. Generalisierung

2.3.6. Spezialisierung

2.3.7. Lexikalische Absorption

2.3.8. Volksetymologischer Bedeutungswandel

2.3.9. Kontrastbasierter Bedeutungswandel: Antiphrasis und Auto-Antonymie

2.3.10. Analogischer Bedeutungswandel

2.3.11. Intensivierung und Deintensivierung

2.4. Motive für den lexikalischen Bedeutungswandel

2.5. Nutzen der Merkmals- und Prototypensemantik für die Beschreibung

semantischen Wandels

3. Zusammenfassung der Ergebnisse

4. Bibliografie

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1. Einleitung

« Les mots n’ont plus le même sens qu’autrefois. »1

Mit diese Feststellung weist ein nostalgischer Polizist in Raymond Queneaus Roman Zazie

dans le métro lapidar darauf hin, dass die Bedeutung von Wörtern sich im Laufe der Zeit nicht

selten ändert. Die Beschreibung eines derartigen lexikalischen Bedeutungswandels ist ein Ziel

der historischen Semantik, die ihre Anfänge im 19. Jahrhundert hatte. Nach einer Hochblüte

um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert fand die historische Semantik ihren vorläufigen

Abschluss im Werk Stephen Ullmanns.2 In dieser Epoche steht die Klassifikation des

Bedeutungswandels nach rhetorischen und/oder psychologischen Kriterien im Vordergrund.

Im ausgehenden 20. Jahrhundert fallen die Arbeiten von Andreas Blank auf, an die sich die

folgenden Ausführungen vorwiegend anlehnen.

Nach einer kurzen Klärung des Begriffs „Bedeutungswandel“ möchte ich auf den Prozess der

semantischen Innovation und Lexikalisierung sowie auf die verschiedenen Typen von

Bedeutungswandel eingehen, um danach Motive für den Bedeutungswandel aufzuzeigen.

Abschließend soll der Nutzen der Merkmals- und Prototypensemantik für die Beschreibung

semantischen Wandels kurz angeschnitten werden.

2. Zur Klassifikation lexikalischen Bedeutungswandels

2.1. Was ist Bedeutungswandel?

Allgemein kann unter Bedeutungswandel die Veränderung der Bedeutung eines Wortes im

Verlauf seiner sprachgeschichtlichen Entwicklung verstanden werden. Bedeutungswandel ist

also ein diachronischer Begriff.

Blank weist darauf hin, dass der Begriff des Bedeutungswandels ungenau sei:

Es verändert sich nämlich nicht eine Bedeutung eines Wortes, sondern [...] zu der oder den vorhandenen Bedeutungen [kommt] eine weitere hinzu und wird lexikalisiert [innovativer Bedeutungswandel/semantische Innovation] oder eine der lexikalisierten Bedeutungen wird ungebräuchlich und fällt weg [reduktiver Bedeutungswandel].3

1 Queneau 1981, 105. 2 Ullmann 1963 [11951] u. a. 3 Blank 2001, 70.

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Das kann bedeuten, dass eine Lexie, die nur noch eine einzige Bedeutung hatte, durch

reduktiven Bedeutungswandel komplett „ausstirbt“. Andererseits werden durch Innovation

auch neue Konzepte versprachlicht und lexikalisiert.

2.2. Der Prozess der semantischen Innovation und Lexikalisierung

Als erster Schritt im Prozess des Bedeutungswandels steht die semantische Innovation im

Diskurs eines einzelnen Sprechers oder einer Sprechergruppe. Wird diese Innovation von

anderen Sprechern übernommen (Gefallen, kommunikativer Gewinn), so kann es zur

Lexikalisierung der Innovation kommen. Das betreffende Lexem erhält eine weitere

Bedeutung. Erreicht die Innovation die gemeinsprachliche Ebene einer Einzelsprache, wird

sie zur Sprachregel.4

Am Beispiel von engl. mouse wird der Prozess der Innovation deutlich:

Der Erfinder [des graphischen Zeigegerätes für Computer] assoziierte auf der Basis bestimmter ähnlicher perzeptueller Merkmale zu dem Konzept GRAPHISCHES ZEIGEGERÄT das Konzept MAUS [...]. Die eigentliche Innovation bestand dann in der Übertragung des Zeichenausdrucks engl. mouse auf das in assoziative Relation gebrachte Konzept [...]: Dies ist die Versprachlichung des neuen Konzepts. Zur Lexikalisierung kam es, als diese offenbar erfolgversprechende Innovation im Zuge der Vermarktung popularisiert wurde und sich tatsächlich innerhalb der Sprachgemeinschaft habitualisierte; engl. mouse hat seither beide Bedeutungen, ‘Nagetier’ und ‘graph. Zeigegerät für Computer’.5

Innovation und Lexikalisierung erfolgen idealtypisch in drei Schritten :

Auf Grund einer perzeptuellen Similarität erfolgt eine Assoziation; „ce sont les champs

associatifs qui fourniront la matière première de l’innovation.“6 Die Übertragung des

Zeichenausdrucks auf das in assoziative Relation gebrachte Konzept liefert die Innovation,

also die „Versprachlichung“ des neuen Konzepts. Durch eine popularisierte und

habitualisierte Innovation kommt es im dritten Schritt zur Lexikalisierung.

Die dominanten Assoziationsrelationen sind hierbei die metaphorische Similarität (Metapher)

sowie die konzeptuelle Kontiguität (Metonymie). Alle weiteren Assoziationsrelationen sind

aber möglich.7

4 Cf. Blank 2001, 71. 5 Blank 2001, 72. Ullmann (1963) unterteilt in logische Klassifizierung (Bedeutungsverengung, -erweiterung, -verschiebung), evaluative Klassifizierung (Bedeutungsverschlechterung, -verbesserung) und funktionelle Klassifizierung (Übertragung des signifiant auf Grund der Similarität bzw. der Kontiguität der signifiés; Übertragung des signifié auf Grund der Similarität bzw. der Kontiguität der signifiants). 6 Ullmann 1975, 276. 7 Cf. Blank 2001, 43f.

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Die durch Innovation und Lexikalisierung gewonnene neue Bedeutung koexistiert für einen

mehr oder weniger längeren Zeitraum mit der älteren (Polysemie).

2.3. Typen des Bedeutungswandels

Folgende Klassifizierungen von Bedeutungswandel schlägt Blank vor:8

2.3.1. Metapher

Ullmann bezeichnet die Metapher als „comparaison en raccourci“.9 Dieser etwas vagen

Beschreibung muss hinzugefügt werden, dass die Metapher die Ersetzung darstellt einer

„primären semantischen Texteinheit durch eine sekundäre, die zu jener in eine Abbild- oder

Ähnlichkeitsrelation gesetzt wird“.10 Typische Beispiele sind Tiermetaphern (Lambert est un

cochon), synästhetische Metaphern (Übertragungen von einem Bereich der

Sinneswahrnehmung in einen anderen, z.B. in couleurs criardes, voix sombre) und so

genannte anthropomorphe Metaphern (Übertragung aus der menschlichen Domäne, besonders

der menschlichen Körperteile, in die verschiedensten nicht-menschlichen Domänen, z.B. le

pied de table, l’œil du marteau; un gratte-ciel).11

In der kognitiven Linguistik wird die Metapher nicht als ein rein linguistisches Phänomen

gesehen, sondern in erster Linie als ein grundlegender kognitiver Prozess, mit dem wir die

Welt erfassen, unser Weltwissen organisieren und mit Hilfe von Sprache beschreibbar

machen können. Metaphern sind nicht nur „schmückendes Beiwerk“ der Sprache, sondern

allgegenwärtig und durchdringen alle Bereiche der Sprache.12 Sie sind nur häufig so tief in der

Kognition verankert und ein derart unverzichtbarer Bestandteil unseres Sprachgebrauchs

geworden, dass wir uns ihrer meist gar nicht mehr bewusst sind.13

Die innovative Metapher ist nun mehr als der zitierte „verkürzte Vergleich“: Sie entsteht aus

der Interaktion zwischen der Ausgangsbedeutung und einem dazu in einem gewissen

Widerspruch stehenden Kontext.14

„Die innovative Bildung einer Metapher setzt eine kreative Konzeptualisierung voraus: Wir

müssen etwas als etwas anderes sehen und dann als dieses andere versprachlichen.“15

8 Blank 2001, 74-95; 105. Die von Ullmann (1963: 188-230) präsentierte Einteilung der Klassifikationstypen in die Gruppen logisch-rhetorischer, genetischer, eklektischer und empirischer Typ wird hier nicht übernommen. 9 Ullmann 1975, 277. 10 Plett 1989, 79. 11 Cf. Ullmann 1975, 277-284. 12 Cf. Lakoff/Johnson 1980: Metaphors We Live By. 13 Cf. Blank 2001, 74f.

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Kommt es zu einer Lexikalisierung, so können wir die Metapher verstehen, ohne auf den

Kontext Bezug zu nehmen.

Das psychologisch-assoziative Grundprinzip der Metaphernschöpfung beschreibt Blank wie

folgt:

Ein Konzept (oder ein konkreter Referent) wird mit einem Wort bezeichnet, dessen angestammtes Konzept einem ganz anderen Bereich unseres Weltwissens angehört. Der innovierende Sprecher rückt dabei eine meist periphere, perzeptuelle oder funktionelle oder auch nur (inter)subjektiv empfundene Similarität der beiden Konzeptbereiche ins Rampenlicht. Der dabei stattfindende Vorgang wird in Anlehnung an die Gestaltpsychologie auch als „Kippeffekt“ [...], oder, in der Kognitiven Linguistik, als „domain mapping“ [...] bezeichnet.16

Selten sind wir jedoch wirklich innovativ: Wir schaffen eine neue Metapher meist auf der

Basis eines schon eingeführten Bildfeldes. Solche prägnanten Bildfelder werden

Konzeptmetaphern genannt. Diese Metaphernverbänden speisen ihre Zieldomäne aus einer

bestimmten Quelldomäne. Hierzu ein Beispiel:

(1) fr. „cette cinquième semaine qui a été et qui reste votre cheval de bataille“ ‘diese fünfte [Urlaubs]woche, die Ihr Schlachtross war und bleibt’17

Das Konzept POLITISCHE AUSEINANDERSETZUNG dient hier als Bildempfänger

(Zieldomäne), das Konzept KRIEG als Bildspender (Quelldomäne).

„Für die semantische Innovation und ihre Lexikalisierung sind solche konzeptuellen

Metaphern von großer Relevanz, denn wenn eine bestimmte Quelldomäne bereits in einer

Sprachgemeinschaft usuell ist, kann man ohne größeres Risiko neue Metaphern aus ihr

schöpfen.“18 Zu beachten ist, dass Konzeptmetaphern kulturabhängige, erlernte Phänomene

sind.

Durch Metaphern wird der zu versprachlichende Sachverhalt also oft als ein ganz anderer

konzeptualisiert.19

2.3.2. Metonymie

Der entscheidende Unterschied zwischen Metapher und Metonymie ist, dass bei letzterer kein

Transfer von einer kognitiven Domäne in eine andere stattfindet, sondern auf eine objektiv

bestehende Verbindung zwischen zwei gemeinsam auftretenden, sachlich „unmittelbar

14 Black 1983. 15 Blank 2001, 75. 16 Blank 2001, 75. 17 Ludwig 1988, 109f., zit. n. Blank 2001, 76. 18 Blank 2001, 76. 18 Cf. dazu auch Blank 2001, 77f.: „Besonderheiten metaphorischer Verben und Präpositionen“. 19 Cf. dazu auch Blank 2001, 77f.: „Besonderheiten metaphorischer Verben und Präpositionen“.

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benachbarten“ Phänomenen unseres Weltwissens abgehoben wird. Als Ergebnis steht das eine

für das andere Phänomen. Metonymien basieren also nicht auf einer Ähnlichkeitsbeziehung,

sondern auf Kontiguität. Die betroffenen Phänomene oder Entitäten sind Teile derselben

Situation oder derselben konzeptuellen Struktur.

Gestalttheoretisch kann der metonymische Prozess als Figur-Grund-Effekt verstanden

werden:

(2) asp. pregón ‘Bote’ > ‘Botschaft’ (HANDELNDER – GEGENSTAND DER HANDLUNG)

Zunächst ist das bereits versprachlichte Konzept, also z.B. der BOTE, die Figur, die sich auf dem Hintergrund der von ihm zu überbringenden BOTSCHAFT profiliert. Wichtig ist, dass das Konzept BOTSCHAFT in dem entsprechenden Frame immer schon präsent ist und dass die beiden Konzepte in unserem Weltwissen bereits durch eine prägnante Kontiguität verbunden sind. Im metonymischen Prozess kehrt sich die ursprüngliche konzeptuelle Struktur nun um und die BOTSCHAFT wird zur Figur und sodann ebenfalls mit prégon versprachlicht (Koch 1999a; 2000 [...]).20

„Die Metonymie als sprachliches Verfahren holt eine solche kognitiv bereits verankerte

Figur-Grund-Struktur gewissermaßen an die ‘Oberfläche’.“21

Konzeptmetonymien

„Konkrete lexikalische Metonymien sind in [...] ‚Konzeptmetonymien’ eingebunden, die den

möglichen Typen von Kontiguitätsrelationen zwischen Konzepten in Frames entsprechen,

also z.B. [...] URSACHE – FOLGE [...].“22

Daneben existieren konkretere Konzeptmetonymien, die oft auf bestimmte Diskurskontexte

beschränkt bleiben, wie z.B. ZU OPERIERENDES ORGAN – PATIENT: Liegt die Galle schon

auf dem OP-Tisch?

Blank stellt zusammenfassend fest, dass alle Konzeptmetonymien offensichtlich

„ausnahmslos entweder auf kopräsente oder sukzessive Kontiguitätsrelationen zurückgeführt

werden können“.23

Synekdoche

Die Synekdoche als Sonderfall der Metonymie beinhaltet Teil-für-Ganzes (pars pro toto)

Relationen oder Ganzes-für-Teil (totum pro parte) Relationen. „La différence est purement

d’ordre logique: dans la métonymie, les deux sens sont coordonnés, tandis que dans la

20 Blank 2001, 79. Blank (2001, 122) erklärt Frame unter Rückgriff auf Minsky, der sich auf die Struktur des menschlichen mentalen Lexikons bezieht: „Minsky versteht unter Frame ‚a data structure for representing a stereotyped situation’, die aus dem Gedächtnis ausgewählt wird, wenn man in die entsprechende Situation gerät.“ 21 Ebd. 22 Blank 2001, 80.

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synecdoque, il y a subordination entre eux.“24 Es handelt sich um eine „diachronische

Ausprägungen der Meronymie-Relation“25:

(3) TEIL – GANZES: fr. baiser ‘küssen’ > ‘den Liebesakt vollziehen’ (4) GANZES - TEIL: sp. quebrada ‘Schlucht’ > ‘Bach’26

Es liegt eine Beziehung zwischen kontigen Elementen vor, die wir in der Welt tatsächlich als

zusammengehörig erfahren.

2.3.3. Auto-konverser Bedeutungswandel

Die Auto-Konverse ist ein Sonderfall der Metonymie und ein nur relativ seltener Fall von

Bedeutungswandel. Sie beruht auf konzeptueller Kontiguität, d.h. die beiden Elemente der

Konversion sind räumlich, zeitlich oder logisch spiegelbildlich aufeinander bezogen.

Die Autokonverse hat ihre psychologische Grundlage in einer reziproken Aufeinanderbezogenheit von Teilaspekten innerhalb eines Frames. Bei verbalen Frames handelt es sich dabei um die meist als Aktanten realisierten Partizipanten der Verbalhandlung. Man kann daher auch von einer „inneren Metonymie“ sprechen.27

Der auto-konverse Bedeutungswandel lässt sich als Perspektivwechsel beschreiben: Das

bisherige Grundkonzept wird zur Figur, das bisherige Figurkonzept tritt in den Hintergrund.28

Dieser Fall liegt z.B. bei fr. louer ‘vermieten’ > ‘mieten’ vor oder bei einigen Gefühlsverben,

z.B. spätlt. inodiare ‘jdn. hassen’ > ‘jdn. ärgern (= Hass verursachen)’ (> fr. ennuyer).29

2.3.4. Kohyponymischer Bedeutungswandel

Diese Übertragung zwischen zwei Kohyponymen läuft auf der Grundlage der

kotaxonomischen Similarität ab, d.h. beide Konzepte gehören demselben Sachfeld an und die

entsprechenden lexikalischen Einheiten sind Kohyponyme eines gemeinsamen Hyperonyms.

(5) sp. tigre ‘Tiger’ > am.sp. (teilw.) ‘Jaguar’ (6) fr. chevreuil ‘Reh(bock)’ > kanad.fr. ‘Hirsch’

Die kohyponymische Übertragung ist als ad-hoc-Bildung sicher sehr häufig [...], als lexikalisiertes Phänomen kommt sie fast nur bei Tieren und Pflanzen vor und hängt häufig damit zusammen, dass Menschen aus einer Lebenswelt in eine andere kommen, also gewissermaßen den Frame wechseln. In der „neuen“ Welt übertragen die Sprecher dann

23 Blank 2001, 80. 24 Ullmann 1975, 286. 25 Blank 2001, 81. 26 Zit. n. Blank 2001, 81. 27 Blank 2001, 81. 28 Koch 2000. 29 Blank 2001, 84f.

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ihre gewohnten Bezeichnungen auf ähnlich aussehende Tiere und Pflanzen. Der Hintergrund ist natürlich Sprachökonomie.30

2.3.5. Generalisierung

Bei der Generalisierung „ist die Zielbedeutung Hyperonym der Ausgangsbedeutung.“31

Diachronisch betrachtet, „stellt man häufig fest, dass das ursprünglich mit dem Prototyp einer

Kategorie verbundene Sprachzeichen auf die gesamte Kategorie übertragen wurde:“32

Fr. arriver und it. arrivare ‘ankommen’ gehen auf die enger gefasste Bedeutung des vlt.

Prototyps *adripare ‘am Ufer ankommen’ zurück. Die Zielbedeutung umfasst also nicht mehr

nur auf dem Seeweg, sondern überall und mit jedem Beförderungsmittel ‘ankommen’. Der

dominante Prototyp wirkt hier als „Expansionszentrum“33, von dem aus die Sprachzeichen

allmählich auf alle weiteren Mitglieder der Kategorie übertragen werden. „Der diachronische

Prozess der Generalisierung beruht also auf der Similarität der Mitglieder einer Kategorie

untereinander und insbesondere in Bezug auf den Prototypen dieser Kategorie. Als Ergebnis

dieses Prozesses kommen wir jedoch zu einem Oberbegriff, sodass wir den Prozess selbst als

taxonomische Überordnung [...] beschreiben können.“34

2.3.6. Spezialisierung

Bei der Spezialisierung verhält es sich genau umgekehrt:

Hier wird das mit einer übergeordneten Kategorie verbundene Zeichen beständig nur zur Bezeichnung eines Prototypen dieser Kategorie verwendet, bis sich schließlich neben der ursprünglichen Bedeutung eine speziellere lexikalisiert, welche die ursprüngliche dann oft verdrängt. Der Prototyp ist hier [...] das kognitive „Attraktionszentrum“:35

(7) lt. potionem ‘Trank’ > fr. poison ‘Gift’ (8) ae. steorfan ‘sterben’ > ne. starve ‘verhungern’ (9) lt. homo ‘Mensch’ > fr. homme, it. uomo, sp. hombre ‘Mann’

„In patriarchalischen Gesellschaften gilt der Mann als ‘Mensch schlechthin’, ja oft sind in

solchen Gesellschaften, wenn von ‘Menschen’ die Rede ist, nur Männer anwesend oder nur

Männer gemeint.“36

Die Bedeutung des Wortes wird also spezifischer und inhaltsreicher.

30 Blank 2001, 86. 31 Blank 2001, 87. 32 Ebd. 33 Sperber 1965. 34 Blank 2001, 87f. 35 Blank 2001, 88. 36 Ebd.

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„Diachronisch spielt hier wieder die Similarität der beteiligten Konzepte eine Rolle,

synchronisch bleibt die taxonomische Relation. Den Prozess selbst können wir als

taxonomische Unterordnung beschreiben.“37

2.3.7. Lexikalische Absorption

Je häufiger Komposita und lexikalisierte Syntagmen verwendet werden, „desto störender wird

die lexikalische Komplexität, und zwar vor allem dann, wenn der Frame eindeutig gesetzt

ist:“38 Wenn in einer deutschen Kneipe Weizenbier bestellt wird, ist –bier eigentlich

redundant, weil aus dem Kontext hervorgeht, dass es sich um Bier handelt. In dieser Situation

reduzieren die Sprecher den Wortkörper und bestellen „ein Weizen“.

Der kognitive Hintergrund dieses Wandels ist also die häufige Verwendung der komplexen Lexie in einem bestimmten Frame oder Redekontext, wobei bestimmte durch die komplexe Lexie transportierte semantische Informationen durch den Kontext selbst schon mitgebracht werden [...]: lexikalische Redundanz wird abgebaut.39

Die assoziative Basis des Bedeutungswandels bildet die „Kontiguität zwischen einer

einfachen und einer komplexen Lexie, deren Teil die einfache ist[.]“40 Weizen ist als Wort

Teil der komplexen Lexie Weizenbier. Es besteht eine lexikalische Teil-Ganzes-Relation.

„Die semantische Innovation besteht nun darin, dass der Zeichenausdruck der einfachen Lexie

(also z.B. [Weizen]) auf die entsprechende komplexe Lexie (also hier [Weizenbier])

übertragen wird. Als Ergebnis der Übertragung wird [Weizen] polysem und bedeutet dann

‘Weizenbier’ und ‘[Weizen (Getreide)]’. [...] Die wirkende Assoziation ist hier also die

Kontiguität zwischen der komplexen Lexie [Weizenbier] und dem an der Fügung beteiligten

Lexem [Weizen]. Dieses Lexem absorbiert nun gewissermaßen die Bedeutung der komplexen

Lexie und erhält dadurch selbst eine weitere Bedeutung. Der Bedeutungswandel trifft also

nicht die komplexe Lexie, sondern die einfache. Insofern kennzeichnet der Terminus ‚Ellipse’

diesen Typ des Bedeutungswandels nicht zutreffend: Wir sprechen stattdessen von

‚lexikalischer Absorption’.“41

Dieser Typ ist nach der Metonymie und der Metapher einer der häufigsten Formen des

Bedeutungswandels, was vor allem durch den Beitrag zur Ökonomie des Wortschatzes erklärt

werden kann.

37 Blank 2001, 88. 38 Blank 2001, 89. 39 Ebd. 40 Ebd. 41 Blank 2001, 89f.

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2.3.8. Volksetymologischer Bedeutungswandel

Wir ein Lexem oder Lexembestandteil nicht (mehr) verstanden, so wird dieses/er häufig durch

eine lautliche Umgestaltung unter – etymologisch falscher – Anlehnung an ein klangähnliches

Wort volkstümlich verdeutlicht. Dieser Prozess wird als Reanalyse-Phänomen bezeichnet:

„Ein Wort wird aufgrund einer formalen lautlichen Similarität auf dieses ähnliche Wort oder

als einen Fügung von lautlich ähnlichen Wörtern interpretiert. In allen Fällen widerspricht

diese Reanalyse der eigentlichen Etymologie des betreffenden Wortes:“42

(10) frühnfr. cussin ‘Stechmücke’ > cousin (Einfluss von cousin ‘Vetter’) (11) prov. balar > asp. balar ‘tanzen’ > bailar (Einfluss von bailar ‘schwanken’)

Diese Beispiele zeigen keinen Bedeutungswandel im strengen Sinn, auch wenn das Ergebnis

einem Bedeutungswandel entspricht. „Die konzeptuelle Kontiguität (seltener auch

Similaritätsrelation) kann aber im Kontext mit der formalen Similarität auch einen echten

Bedeutungswandel bei dem volksetymologisch reanalysierten Wort auslösen:“43

(12) fr. forain ‘auswärtig’ > ‘zum Markt gehörig’ (Einfluss von foire ‘Markt’, ‘Messe’) (13) mhd. vrîthof ‘eingefriedeter Raum um die Kirche, der als Begräbnisstätte dient’ > nhd. Friedhof ‘Begräbnisstätte’ (Einfluss von vride ‘Friede’) (14) fr. jour ouvrable ‘Werktag’ > ‘Öffnungstag’

In diesen Beispielen besteht „neben der lautlichen Similarität eine Weltwissensbeziehung:

Markthändler kommen von auswärts, [...] auf dem eingefriedeten Kirchhof sollen die Toten

ihren Frieden finden.“44

Oft wird durch Volksetymologie eine bessere Integrierung umgedeuteter Wörter und somit

eine erhöhte Ökonomie des Wortschatzes bewirkt, da die Formenvielfalt und die Zahl

unmotivierter Wörter reduziert wird.45

2.3.9. Kontrastbasierter Bedeutungswandel:

Antiphrasis und Auto-Antonymie

Der Bedeutungswandel auf der Basis von kotaxonomischem bzw. antiphrastischem Kontrast46

ist sehr selten, kommt aber in Gestalt von ad-hoc-Bildungen im aktuellen Diskurs – meist zum

Ausdruck von Ironie oder als Euphemismus – sehr häufig vor.

42 Blank 2001, 91. 43 Ebd. 44 Blank 2001, 92.

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Der antiphrastischen Bedeutungswandel beruht auf einem „salienten Gegensatz im

Weltwissen oder bei den Konnotationen:“47

(15) afr. Oste ‘Gast’ > Geisel (16) fr. bel(l)ette, sp. comadreja nit. donnola ‘Gevatterin’ > ‘Wiesel’

„Beim selteneren zweiten Typ von kontrastbasiertem Bedeutungswandel steht die neue

Bedeutung in direkter Antonymie zur alten; wir können also, analog zur Auto-Konverse, von

Auto-Antonymie sprechen:“

(17) lt. sacer ‘heilig, geheiligt’ > ‘verflucht’ (fr. sacré) (18) engl. bad ‘schlecht’ > engl. (slang) ‘gut, hervorragend’

2.3.10. Analogischer Bedeutungswandel

Bei dieser Art des Bedeutungswandels handelt es sich um „die Kopie der Polysemie eines

Lexems bei einem anderen, wobei die ältere Bedeutung des ‘kopierenden’ Lexems in [einer

lexikalischen Relation] zum ‘kopierten’ Lexem steht.“48

(19) engl. hardly ‘hart’ > ‘schwierig’

Dieser Typ findet sich vor allem im Substandard (cf. dt. Kohle → Kies → Schotter), kann

aber auch standardsprachlich werden.49

2.3.11. Intensivierung und Deintensivierung

Expressive und euphemistische Bezeichnungen unterliegen [...] durch häufigen Gebrauch einer gewissen Abnutzung, sodass sie im Laufe der Zeit zum einfachen Normalwort für den jeweiligen Sachverhalt werden. Wenn eine euphemistische Markierung verloren geht, können wir von Intensivierung oder Bedeutungsverstärkung sprechen, da der abschwächende verhüllende Charakter wegfällt; wenn ein expressiv oder drastisch markiertes Wort zum Normalwort wird, so handelt es sich bei diesem Prozess um eine Deintensivierung oder Bedeutungsabschwächung.50

Einige Beispiele:51

(20) fr. décéder ‘weggehen’ > [Metapher] ‘sterben (euphemistisch’ > [Intensivierung] ‘sterben’

(21) lt. infirmus ‘schwach’ > [Metonymie] ‘krank (euphemistisch)’ > [Intensivierung] afr. enferm, sp. enfermo ‘krank’, it. infermo ‘sehr krank’

45 Cf. Blank 2001, 92. 46 Cf. Blank 2001, 43f. 47 Blank 2001, 92f. 48 Blank 2001, 93. 49 Cf. Blank 2001, 93f. 50 Blank 2001, 94. 51 Zit. n. Blank 2001, 94f.

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(22) lt. perna ‘Hinterkeule’ > [Metapher] sp. pierna ‘Bein (expressiv)’ > [Deintensivierung] ‘Bein’

Intensivierung und Deintensivierung sind Sekundärprozesse des Bedeutungswandels, insofern ihnen in den meisten Fällen ein anderer (metaphorischer, metonymischer etc.) Bedeutungswandel vorausgeht, bei dem eine abtönend-euphemistisch oder eine drastisch-expressiv markierte Bedeutung entstanden ist.52

2.4. Motive für den lexikalischen Bedeutungswandel

Die Durchsetzung einer Bedeutung im Sprachsystem kann ein langer Prozess mit mehreren

Etappen sein. Man unterscheidet in diesem Zusammenhang die okkasionelle Bedeutung in der

parole von der usuellen Bedeutung in der langue.53

Beeinflusst bzw. ausgelöst wird der Bedeutungswandel durch folgende Faktoren:54 Ein

konkreter Bedarf an Bedeutungswandel kann bestehen, wenn im Wortschatz keine passende

Bezeichnung für einen neu auftauchenden Referenten vorhanden ist (engl. mouse ‘kleines

Nagetier’ > ‘grafisches Zeigegerät für Computer’). Hinzu kommen außersprachliche

Faktoren, wie die Veränderung des Referenten (dîner ‘Mittagessen’ > ‘Abendessen’) oder das

Wissen über den Referenten. Eine gewisse Rolle spielt auch, dass sich Gruppen durch ihre

Sprache sozial identifizieren und dass die Veränderungen einer Gruppensprache in den

Standard eingehen können. Häufig werden abstrakte oder „fern liegende“ Konzepte „über die

Hervorhebung einer Similarität zu einem Konzept, das uns ‘näherliegt’ [sic], konzeptualisiert

und dann metaphorisch versprachlicht“55. Ein soziokultureller Wandel kann sich auch in der

Sprache abzeichnen und eine Veränderung der Bedeutung eines Lexems bewirken (z.B.

machte ein Wandel des römischen Rechtssystems die lateinische Unterscheidung zwischen

Verwandtschaft mütterlicher- und väterlicherseits obsolet). Das Streben der Sprecher nach

möglichst geringem kommunikativem Aufwand bei möglichst großem kommunikativen

Effekt (Ökonomieprinzip) bewirkt, dass in enger Frame-Relation stehende Konzepte sich

wandeln und lexikalische Irregularität oder Komplexität verringert wird. Schließlich kann die

emotionale Markierung eines Konzeptes einen Bedeutungswandel bewirken; das jeweilige

Konzept kann verhüllend-euphemistisch oder drastisch-expressiv versprachlicht werden.

52 Blank 2001, 95. 53 Cf. Ullmann 1963, 165-168. Ullmann bspw. sieht den Bedeutungswandel in drei Etappen: Stufe der parole, Zwischenstufe, Stufe der langue. 54 Cf. Blank 2001, 95-100; Ullmann 1963, 170-185. 55 Blank 2001, 96.

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2.5. Nutzen der Merkmals- und Prototypensemantik für die Beschreibung semantischen Wandels

In der Summe ist die Prototypensemantik eine „Mehr-oder-Weniger-Semantik“, die mit ihrem

ganzheitlichen Ansatz der Kategorisierung im Alltag und insgesamt der psychologischen

Realität deutlich mehr entspricht als die traditionelle Merkmals- (bzw. „Alles-oder-Nichts“-)

Semantik in der strukturalistisch geprägten Lexikologie. Das mindert allerdings nicht die

Nützlichkeit der Merkmalssemantik bei der Beschreibung und dem Vergleich von

Wortbedeutungen und deren Wandel, insbesondere in der Herausarbeitung semantischer

Strukturen wie Wortfeldern oder Sinnrelationen. Und selbst als Theorie der mentalen

Repräsentation von Bedeutung muss die Merkmalssemantik nicht aufgegeben werden: Auch

die Prototypensemantik, ob in der Standardversion oder der jüngeren, auf Familienähnlichkeit

abstellenden Version, kann ja nicht auf den Abgleich von Merkmalen verzichten. Prototypen

und Merkmalssemantik ergänzen sich also letztlich, indem die Merkmalssemantik eine

solidere psychologische Grundlage erhält.56

3. Zusammenfassung der Ergebnisse

Bedeutungswandel wird zumeist als das Hinzukommen einer neuen Bedeutung bei einem

Zeichen verstanden (innovativer Bedeutungswandel), aber auch der Wegfall einer Bedeutung

bei einem Wort sollte hinzugerechnet werden (reduktiver Bedeutungswandel). Bei der

Klassifikation des Bedeutungswandels unterscheidet man Erweiterung, Verengung und

Verschiebung der Bedeutung, genauer der Extension eines Wortes. In einer möglichen

Verlaufsform kann zwischen der semantischen Innovation, verschiedenen Stufen der

Habitualisierung (Usualisierung als Diskursregel, Lexikalisierung als Sprachregel) und

verschiedenen Möglichkeiten eines Abbaus einer Bedeutung („Aussterben“, Homonymie)

unterschieden werden. Zu jedem Bedeutungswandel tragen grundsätzlich drei Aspekte bei:

eine ihn auslösende sprachliche oder außersprachliche Ursache, eine den Wandel

ermöglichende Assoziation und ein sprachliches Verfahren. Bei den Assoziationsprinzipien,

auf Grund derer ein Zeichen eine neue Bedeutung erhält, muss neben den Prinzipien der

Similarität und Kontiguität auch der Kontrast berücksichtigt werden, auch wenn er beim

Bedeutungswandel keine dominante Rolle spielt. Die verschiedenen Typen des

56 Cf. Koch 1996; Kleiber 1990.

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Bedeutungswandels sind Metapher, Metonymie, Auto-Konverse, Kohyponymie,

Generaliseriung, Spezialisierung, lexikalische Absorption, volksetymologischer

Bedeutungswandel, Antiphrasis, Auto-Antonymie, Analogie, Intensivierung und

Deintensivierung. Als mögliche Motive für den lexikalischen Bedeutungswandel kommen in

Frage: Versprachlichung eines neuen Konzepts, abstraktes oder fernliegendes Konzept, sozio-

kultureller Wandel, enge konzeptuelle oder sachliche Verbindung, lexikalische Irregularität

sowie emotionale Markierung eines Konzepts. Hinter diesen Motiven steht das Streben der

Sprecher nach möglichst effektiver Kommunikation. Zur Beschreibung des semantischen

Wandels können sowohl die Merkmals- als auch die Prototypensemantik nützlich sein,

letztere aber vor allem in ihrer erweiterten Form.

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