Zur nosologischen Stellung der Paraphrenie

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(Aus der Psyehiatrischen und 'Nervenklinik der Universit~t Breslau [Direktor: Prof. Dr. J. Lange] und der Prov. Heft- und Pflegeanstalt in Plagwitz [DirekCor:

Prov. 0bermedizinalrat Dr. Ziertmann].)

Zur nosologischen Stellung der Paraphrenie. Von

Prof. :Dr. Siegfried Fischer, Breslau und Dr. Otto Jaschke, Piagwitz.

(Eingegangez~ am 24. September 1931. )

Seitdem Kraepelin im Jahre 1912 das Krankheitsbild der Para- phrenie aufgesteUt hat, ist der Streit um die nosologische Stellung dieser Krankheitsform noch nicht erloschen. Kraepelin bezeichnete damals die yon ihm vorgenommene Abgrenzung und Gruppierung der para- noiden Erkrankungen als ersten, tastenden Versueh, da die einzelnen Krankheitserscheinungen nut sehr unzuverl/issige Handhaben Ifir die Umgrenzung der Krankheitsformen liefern. In den darauffolgenden Jahren erhoben sieh bald Stimmen, die sich gegen die Einteilung Ifrae- pelins richteten. Stransky behauptete 1915, die Paraphrenien gehSrten an die Seite der Paranoia, wenn nicht zu der Gruppe der Paranoia, eine Ansicht, die Eisath einige Jahre spiiter ebenfalls vertrat. Gleichzeitig mit Stransky suchte H. Krueger den Nachweis zu erbringen, dal3 die Paraphrenia systematica und confabulatoria Kraepelins grundver- schieden yon der Dementia paranoides, also der Schizophrenie seien, daB sie yon der Paranoia aber nicht getrennt werden kSnnen.

Im Gegensatz dazu richteten sich andere Autoren gegen die Abtren- nungder Paraphrenie yon dem Krankheitsbild der Schizophrenie. Schon 1914 berichtete P/ersdor// auf der Stral3burger Psychiatertagung fiber seine Untersuchungen, die ibm eine Abgrenzung der beiden Krankheits- gruppen nicht mSglich erscheinen liel3en. 1915 sprach sich Krambach ebenfalls gegen die Trennung aus. Vor allem aber kam W. Mayer auf Grund der fortlaufenden Beobaehtungen jener F//lle, die Kraepelin seinerzeit Veranlassung zu seiner Trennung gegeben hatten, 1921 zu dem Ergebnis, ,,dab ein grol3er Tell der Paraphrenien dem Verlauf na~h sieher zur :Dementia praecox gehSrt, und dal3 ein kleiner Teil eine Gruppe Iiir sich bildet, die nach ihrem u als endogene paranoide Defekt- psychose ohne stiirkere WillensstSrungen zu bezeichnen ist".

Der Streit ist sp~ter ruhiger geworden, obwohl bis heutigen Tags eine Einigung nicht erzielt ist. Aus den letzten Jahren ist vor allem

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~mch Bum~ zu erw/~hnen, der in der letzten Auflage seines Lehrbuehes die Paraphrenie in der Schizophrenie aufgehen 1/~Bt, und insbesondere Kehrer, der in seiner Abhandlung fiber die Paranoiafrage vor ~llem im Hinblick auf das Problem der VerstRndlichkeit zu dem SehluB kommt, daft eine seharfe Grenze zwischen Paranoia und Paraphrenie nieht besteht.

Ein Weg, diese Schwierigkeiten der Abgrenzung zu fiberwinden und die Stellung der Paraphrenie zur Paranoia und zur Sehizophrenie zu kl/~ren, sehien uns im AnschluB an frfihere Untersuehungen des Einen yon uns (Fisoher) yon einer ganz anderen Seite her gegeben.

Vor einigen Jahren konnte festgestellt werden, dab bei der Sohizo- phrenie sich immer eine St6rung der Oxydationsenergie finder, trod zwar entweder des Grundumsatzes oder der spezifisch-dynamischen EiweiBwirkung oder beider Werte. Die Herabsetzung der spezifiseh- dynamisehen EiweiBwirkung allein land sieh fast nur in beghmenden F/i]len. Solange der KrankheitsprozeB besteht oder aueh nur irgend. welehe psychischen Restsymptome oder eine herabgesetzte Libido oder ein Fettansatz nachzuweisen sind, bestehen auch StSrungen im Stoff- wechsel. Diese Befunde haben sieh im Laufe der Jahre an 260 Sehizo- phrenen, die fast s/~mtlich vielfaeh untersucht worden sind, ausnahmslos best/~tigt.

Einige Jahre sp/~ter konnte weiterhin festgestellt werden, dab auch bei der Paranoia StoffwechselstSrungen zu den Regelm/~Bigkeiten geh6ren. Es wurde damals fiber 4 FMle beriehtet, die jahrelang beobachtet waren, und die s/~mtlieh eine sehr erhebliche Herabsetzung des Grundumsatzes und eine zum Teil erhebliehe Steigerung der spezifiseh-dynamisehen Eiwei0wirkung zeigten. Nur bei einem Falle, einera Querulanten, land sieh keinerlei St6rung der Oxydationsenergie, und es wurde darum flit wahrscheinlich gehalten, dab die Ansicht Kraepelins, der Querulanten- wahn sei eine yon der Paranoia abzugrenzende Erkrankung, zu Reeht bestehe.

Es war nun naheliegend, den Stoffweehsel bei Paraphrenen zu unter- suchen, um aus dem Ergebnis der Gasstoffwechseluntersuchungen viel- leicht richtunggebende Zeichen ffir ihre nosologische Stellung entnehmen zu kSnnen.

Voraussetzung fiir eine solche Untersuchung war, kliniseh absolut einwandfreie F~lle herauszufinden, d. h. solche F~lle, die den Forderungen Kraepdins entspraehen, und die nach NISglichkeit jahrelang beobachtet waren, sodaB ein VerblSdungsprozel3 oder andere ffir die Schizophrenie typischen Sy-mptome ausgesehlossen werden konnten.

Durch die aul~erordentliche Freundliehkeit des Landeshauptmanns yon Sehlesien Herrn yon Thaer und der Herren Landesr~te Dr. Graeger und Dr. Matthias, sowie durch das Entgegenkommen der Herren Direk- toren der Provinzial-Heilanstalten in Schlesien waren wir in der Lage,

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eine Anzahl von typ i schen Pa raph renen in der Kl in ik zu untersuchen. Le ider war es, wie so h/iufig bei Psychosen, n icht m6glich, alle K r a n k e n zu einer Gass toffwechseluntersuchung zu bewegen, in manchen Fa l l en war wiederum die A t m u n g so schlecht, dal3 die Un te r suchungen keine e inwandfre ien Ergebnisse l ieferten. Da we e inwandfre ie W e r t e des Grundumsa tzes erziel t werden konnten, waren die K r a n k e n abe r zuweilen n icht dazu zu bewegen, das Fleisch, das zur Pr i i fung der spezifisch- dynamischen Eiweil3wirkung notwendig ist, zu verzehren. Dieser le tz te U m s t a n d fi~llt n icht so schwer ins Gewicht , da bei de ra r t ig lange bestehen- den Erk rankungen , die in die Gruppe der Schizophrenie fallen, auf j eden Fa l l eine Herabse t zung des Grundumsa tzes zu e rwar ten ist, der W e r t fiir die spezif isch-dynamische Eiweil3wirkung also yon ger ingerer Be- deu tung ist.

Bei den erw/~hnten Schwierigkei ten, e inersei ts nur kl inisch wirkl ich e inwandfre ie F/~lle zu untersuchen, andererse i t s die K r a n k e n zu einer Gass toffwechseluntersuchung zu bewegen, waren wir leider nur in der Lage, insgesamt 5 F/i, lle zu untersuchen, die in jeder Beziehung ver- wendbar waren.

1. Der im Jahre 1874 geborene Postschaffner Hugo Kolbe war bis zu seinom 31. Lebensjahr ein lebenslustiger, geselliger Mann. In diesem Alter hatte or Ver- folgungsideen; bald traten Halluzinationen in Form yon K6rpersensationen auf, dazu kamen Geruchs- und akustische Halluzinationen, die jahrelang ununterbrochen anhielten und den Patienten derart qui~lten, dab er sich zeitweise mit Selbstmord- gedanken trug und zeitweilig erregt wurde. Der Kranke glaubte, dal~ seine Angeh6ri- gen etwas gegen ihn hii, tten, dann wieder war es die Postdirektion, sp~ter glaubte er, er wfirde yon den Patienten verfolgt, die mit ihm in einem Saal sehliefen. Manehmal i~uBerte er, dab die Verfolgung mit der Reichstagswahl zusammen- hi~nge, ohne dab er aber den Ursachen weiter nachging. Trotz all dieser krank- haften Erscheinungen blieb K. die vielen Jahre hindurch /iuBerlieh vollkommen geordnet; seine Intolligenz hat auch jetzt im 25. Jahre seiner Krankheit kaum gelitten. K. erlernte den ihm v611ig neuen Gii, rtnerberuf und arbeitete viele Jahre wi~hrend seiner Krankheit fleil~ig und ordentlich. Seine Mfektiviti~t zeigte auch zuletzt keine Abstumpfung. Nur insofern k6nnte man yon einer L/ihmung des Mfektes sprechen, als Kolbe keine energischen MaBnahmen gegenfiber seinen Verfolgern ergreift und sich mit seinem Los, in der Anstalt zu bleiben, zufrieden gibt.

2. Die jetzt 48j~,hrige Martha Gbbel erkrankte vor 16 Jahren. Sie litt damals an Beziehungs- und Verfolgungsideen und glaubte, dab die Menschen sich fiber sie lustig machten. Sie h6rte auch allerlei Stimmen und geriet dadurch in solche Angst, dab sie eines Tages zum Fenster heruntersprang und auf die Wache lief. Von diesen Stimmen wurde sie die ganzen Jahre hindurch ununterbrochen bel~stigt. W/ihrend sie anfangs uns~glich darunter litt, ist sie jetzt diesen Erlebnissen gegen- tiber gleichgfiltiger geworden. Die Stimmen sagen ihr auch jetzt nicht mehr so schreckliche Dinge wie frfiher. Abgesehen yon zeitweisen Erregungszust/inden, die als Reaktion auf die Stimmen auftreten, war sie w/~hrend der vielen Jahre ihres Aufenthaltes in der Anstalt ruhig. Beeintriichtigungsideen wurden w~hrend der ganzen Dauer der Erkrankung beobachtet; sie waren jedoch nie systematisi'ert und erstreckten sich in wechselnder Form auf die versehiedensten Pers6nlichkeiten. Gr61lenideen traten nie auf. Wenn auch bei der Kranken allm~hlich eine gewisse Gleichgiiltigkeit eingetreten ist, so kann doch yon einer Affektstumpfheit keino

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Redo sein. Ihre Intelligenz ist ebenfalls nicht geseh/~digt. In ihren Handlungen ist sie nicht auff/~llig, sie konnte sich abor trotzdem aul]erhalb der Anstalt nieht halten, da sie unter den Stimmen so lift, daft ihro Aufnahmo nach einj/~hriger Untorbrechung wieder erfolgen mul]te.

Diese beiden F~l le en tsprechen in ihrer Symptoma to log ie der yon Kraepelin beschr iebenen sys temat i s i e renden Paraphrenie , obgleich GrSBen. ideen bei beiden, auch im sp~teren Verlauf, n ich t beobach te t wurden .

3. Bei dem 3. Fall Anna Vogel handelt es sich ebenfalls um eine unverheiratote~ ]etzt 48jghrige Frau, die im 40. Lebensjahr erkrankte. Die Erkrankung begann mit Verfolgungs- und Gr6I]enideen; die letzteren standen wghrend des Krankheits- verlaufes im Vordergrund. Die Kranke guBerte, dal~ ihr das Haus geh6re, in dem sie wohne; ein Graf wolle sie als Toehter annehmen, sie babe eine grebe Erbschaft gemacht, die aber durch die Post beschlagnahmt sei. Andererseits glaubte sie, dab die Speisen vergiftet solon, und dal3 man ihr naehstelle. An einzelnen dieser Ideen hi, It die Kranke seit Jahren lest, ohne dal3 sic aber ihren Wahn in ein goord- notes System bringt. Im Beginn der Erkrankung und aueh wi~hrend des Verlaufes lift sie hgufig an akustischen Halluzinationen. Diese Trugwahrnehmungen erlebt sie fraglos auch noch heute, sie versucht sio aber zu dissimulieren. In ihrem Ver- halten ist sie nicht auffgllig, sie besehgftigte sich die Jahre hindureh sehr fleil3ig in der Nghstube. Ihr Affektleben zeigte keine StSrungen; zu erwi~hnen ist nur ihr leicht ablehnendes Verhalten, dal3 in erster Linie wohl auf die Dissimulation der akustischen Halluzinationen zuriickzufiihren ist.

Der vorl iegende Fa l l un te r sche ide t sich yon den be iden ers ten vor a l lem durch die zahlre ichen Erinnerungsf/~lschungen und die Leb- haf t igke i t der E inb i ldungskra f t . Man wird daher in de r A n n a h m e n ich t fehlgehen, dab dieser Fa l l als konfabul ie rende F o r m der Pa raphren ie im Sinne Kraepelins aufzufassen ist .

4. Vor etwa 7 Jahen erkrankte das damals 60]/~hrige Fraulein Emilio Seholz, so dab sie in einem Siechonhaus untergebracht werdon mu/]te. Sie wurde dort bald dadurch auffMlig, da sie an Beeintr/~chtigungsideen lift. Sie meinte, dab der Haus- rater sic mit starken Mitteln zu bet/iuben versuche, und dab eine Arztfrau auf sie eifersiichtig sei. Infolgedessen muSte sie in eine Heilanstalt iiberfiihrt werden, we die gleichen Wahnideen beobachtet wurden. Sic glaubte, dab die Arztfrau ihr nachstelle und sic beobachten lasse. Zum Schutze dagegen verbarrikadierte sic ihre Fenster mit M6beln. Die Kranke litt auch an optischen und haptischen Halluzinationen; sie behauptete, dal] ihr in die Fenster geleuchtet, und dal] sie mit Spritzen und Pulvor vergiftet wiirde. Auch akustische Halluzinationen wurden im Verlaufo der Krankheit bei ihr beobachtet. Zuweilen erz/~hlte sie auch yon allerlei Erfindungen, die sie gemacht h~tte. So h~tte sie z. B. einen Tee erfunden, der bei den versehiedensten Krankheiten Wunder wirke, und mit dem sie sehr viol Gold verdiene.

In dor Unterhaltung war die Kranke meist recht gespr/~chig, heiteren Tempera- ments und yon gehobenem SelbstbewuBtsein; sie neigte aueh gern zu komisehen Anspielungen. Zuweilen war sic wiederum reeht goreizt und setzte dem Willen ihrer Umgebung hartn~ekigen Widerstand entgegen. Im fibrigen verhielt sic sieh ruhig. Ihr Intelligenzniveau und ihr Affektleben zeigten keinerlei St6rungen.

Dieser Fa l l is t wahrscheinl ich wie de r vorige als konfabul ie rende Fo~m der Pa raphren ie anzusehen.

5. Der fiinfte Fall betrifft einen 39]/~hrigen Mann, Georg Scheller. Die Krankheit besteht in diesem Falle zwar erst 11/2 Jahr; der Fall liegt aber kliIfisch so klar, dal] es berechtigt ist, ihn trotz der kurzen Beobachtungsdauer hier zu verwerten.

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Vor 11/2 Jahren ~ui]erte Scheller, dab die Menschen ihn auf der StraBe ansehen. Dann glaubte er, dab andere Menschen seine Gedanken erraten; er wollte sich deswegen schon das Leben nehmen. Bei seiner Aufnahme in die Klinik meinte er, es herrsche in ihm ein Widerstreit zwischen dem Guten und dem BSsen, zwischen dem Christus und dom Teufcl; er sei der Christus, auf den die Juden warten. Er miisse etwas Besonderes sein, da ihn die Lcute so merkwfirdig ansehen. Macht man dem Kranken Einwendungen, so hat man immer wieder den Eindruck, dab er ernsthaft versucht, der Beweisffihrung zu folgen. Neben diesen Wahnideen bestehen bei Sch. akustische Halluzinationen, fiber die er sich jedoch nicht ausspricht. - - I)er Zustand blieb bis in die letzte Zeit hinein im wesentlichen derselbe. Der Patient konnte sich monatelang auBerhalb der Anstalt aufhalten. Die ganze Zeit fiber litt er jedoch stark an seinen Verfolgungsideen, i~uBerte abcr zwischendurch immer wieder mit einer gewissen Unsicherheit aller]ei GrSBenideen, er sei etwas Besonderes und zu besonderen Taten ausersehen. - - Die Pers0nlichkeit war zu jedem Zeitpunkte der Krankheit voUkommen erhalten. Hat te man sein Vertrauen gewonnen, so ging er aus sich heraus. Seine Stimmungslage war den wahnhaften Gedanken- g~ngen, unter denen er sehr litt, immer ad~quat. Oft, wenn er yon seinen Gedanken abgelenkt wurde und nicht unter den Trugwahrnehmungen litt, zeigte er vorfiber- gehend auch eine gewisse Heiterkeit. Sein Handeln war, soweit es nicht durch die Wahnideen beeinfluSt war, in keiner Weise auff~llig. Er beschgftigte sich auch Monate hindurch in dem Gesch~ft seiner Ehefrau und erledigte die Arbeiten mit Flei6 und Sorgfalt.

D e r vo r l i egende F a l l d i i r f te bei d e m ira w e s e n t l i c h e n u n v e r ~ n d e r t e n

Z u s t a n d s b i l d w ~ h r e n d de r g a n z e n D a u e r de r E r k r a n k u n g , m i t R f i cks i ch t

da rauf , dab das Geff ih l s leben ke ine r l e i S t S r u n g e n a u f w e i s t u n d f e rne r deswegen , weft d ie Pe r sSn l i chke i t vSl l ig e r h a l t e n bl ieb, als s y s t e m a t i -

s i e rende P a r a p h r e n i e a n g e s e h e n w e r d e n - - .

Es w u r d e bere i t s e ingangs erw~thnt, da~ bei S c h i z o p h r e n e n u n d bei

P a r a n o i k e r n (mi t A u s n a h m e des Q u e r u l a n t e n w a h n s ) rege lms Stoff -

w e c h s e l s t 5 r u n g e n zu f i n d e n sind. Z u r E r l s s ind in T a b e l l e 1

e in ige B e f u n d e y o n Sch izophrenen , die aus 260 F a l l e n he rausgeg r i f f en

sind, aufgef i ih r t . Tabelle 1. Schizop]~rene.

Spezifisch-dynamische Name Grnndmnsatz Eiwei~wirkung

normal: • 5% normal: mindestens 18% Steigerung

Eva K . . . . . . . . . Marta T . . . . . . . . Werner t ) . . . . . . . . Max E . . . . . . . . .

- - 11O/o - - 11O/o -- 240/0 -- 12O/o

+ 32O/o + 250/0 + 31~ + 18~

Tabelle 2. Paranoiker.

Spezifisch-dynamische Name Grundumsatz EiweiBwirkung

normal: _4- 5% normal: mindestens 18% Steigerung

Fritz T . . . . . . . . . Erich W . . . . . . . . Heinr. G . . . . . . . . ! Kur t L . . . . . . . . . I

- 47 ~ - - 14O/o - - 340/0 - - 11o/o

+ 500/o + 550/0 + 290/0 + 27 ~

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In TabeUe 2 sind die 8toffwechselbefunde von 4 Paranoikern wieder- gegeben, die bereits 1928 verSffentlicht wurden, F/file, die jahrelang beobachtet worden sind.

Bei beiden Erkrankungen fanden wir also regelm/~Big erhebliche Herabsetzungen des Grundumsatzes (bei manchen Schizophrenen auch eine tterabsetzung der spezifisch-dynamischen EiweiBwirkung, ein Befund, der in diesem Zusammenhang aul3er Betracht bleiben kann), bei einigen Paranoikern auch sehr hohe Werte ffir die spezifisch-dyna- mische Eiweiftwirkung. Aus diesen Befunden kann und darf selbstver- st/~ndlich keinerlei SchluB fiber die Beziehungen der Schiz:ophrenie zur Paranoia gezogen werden, zumal ja bekanntlich diese Befunde nicht spezifischer Natur sin&

Tabelle 3. Paraphrene.

Spezifisch-dynamische Grundumsatz EiweiBwirkung

Name normal: _+ 5% normal: mindestens 18% Stoigorung

Hugo K . . . . . . . . . Marta G . . . . . . . . Anna V . . . . . . . . . Emilie Sch . . . . . . . Georg Sch . . . . . . .

-- 1,7~ + 3,80/o + 4,30/o + 0,50/0 + 4,60/0

+ 360/0

+ 23~

+ 19~

In Tabelle 3 haben wit die Gasstoffwechselergebnisse der beschriebenen 5 F~lle yon Paraphrenie aufgezeichnet. Interessanterweise unterscheiden sich die Befunde in siimtlichen 5 F~llen yon den Befunden der Schizo- phrenen sowohl wie yon denen der Paranoiker: Die Werte/fir den Grund- umsatz wie /iir die spezi/isch-dynamische Eiweiflwirkung sind in allen Fdllen normal.

Diese Befunde geben natfirlich keinen Aufschluft fiber das Vor- handensein oder Nichtvorhandensein yon kSrperlichen StSrungen bei Paraphrenen; sie geben auch keinen Anhaltspunkt fiir die Frage, ob die Paraphrenie eine Prozeftkrankheit ist oder nicht. Aber sie zeigen zun~chst einwandfrei, dab der Stoffwechsel sich anders verhMt als bei 260 Schizophrenen, bei denen wir bis heute keine einzige Ausnahme gefunden haben. Damit dfirfte ein deutlicher Hinweis darauf gegeben sein, dab die Paraphrenie yon der Schizophreniegruppe als etwas Anders- artiges abzugrenzen ist.

Die Befunde zeigen zweitens, daft Verschiedenheiten im Stoffwechsel zwischen Paraphrenen und Paranoikern bestehen. Ws bei den Paranoikern (mit Ausnahme des Querulantenwahns) sich regelm~flig Abweichungen der Oxydationsenergie yon der Norm nachweisen lassen, bewegen sich die Werte bei den Paraphrenen innerhalb der Norm. Wir glauben aus diesen Befunden im Zusammenhang mit der klinischen

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Betrachtung den Schlul3 herleiten zu dfirfen, dab bei den Paranoikern eine Erkrankung vorliegt, die yon dem Krankheitsbild der Paraphrenie zu trennen ist.

Wir wissen zwar heute noch nicht, worauf die St6rungen im Energie- wechsel bei den Schizophrenen sowohl wie bei den Paranoikern zuriick- zufiihren sind; wir sind deshalb auch nicht in der Lage, eine Trennung der Krankheitsbilder auf Grund /~tiologischer Faktoren vorzunehmen. Insbesondere fehlt zur Zeit noch jeder Anhaltspunkt fiir die/~tiologische Forschung bei der Paraphrenie. Die gefundenen Abweichungen in der Oxydationsenergie, die zwar nur symptomatologisch zu werten sind, dfirften aber trotzdem als eine objektiv navhweisbare Stiitze /iir die Trennuny der drei Krankheitsgruppen angesehen werden.

Die klinische Methode, die klare und niichterne Beobachtung, wird selbstverst/indlich immer der Wegweiser und die Grundlage aller psychia- trischen Forschung sein. Mit ihr hat Kraepelin die Abgrenzung dieser drei Krankheiten voneinander vorgenommen, die jetzt durch diese Zahlen eine Stfitze gefunden hat.

Literaturverzeichnis.

Eisath, G.: Paranoia, Querulantenwahn und Paraphrenie. Z. Neur. 29 (1915). Fischer, S.: Gasstoffwechselveri~nderungen bei Schizophrenen. I. Mitt. Klin. Wschr. 1927, Nr 42. - - Gasstoffwechsclveranderungen bei Schizophrenen. II. Mitt. Arch. f. Psychiatr. 1928, 83. - - l~ber kSrperliche StSrungen bei Paranoikcrn. Arch. f. Psychiatr. 1928, 84. - - Kehrer: Handbuch der Psychiatric, 1929. - - Kraepelin: l)ber paranoide Erkrankungen. Z. Neur. 11 (1912). --Psychiatrie, 8. Aufl. 1913.- Kraepelin-Lange: Psychiatric, Bd. 1. - - Krambach: Chronische paranoide Erkran- kungen. Arch. f. Psychiatr. 1915, 55. - - Kriiger, H.: Zur Frage nach der noso- logischen Stellung der Paraphrencn. Z. Neur. 28 (1915). - - Mayer: ?Jber para- phrene Psychosen. Z. Neur. 71 (1921). - - P/ersdor//: (Jber Paraphrenien. Zbl. Neur. 19, 95 (1914).

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