Zur Situation älterer Beschäftigter und zu den Übergängen in Rente · 2017-01-25 ·...

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Arbeitnehmerkammer Bremen BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 Der Wert der Jahre www.arbeitnehmerkammer.de Zur Situation älterer Beschäftigter und zu den Übergängen in Rente

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ArbeitnehmerkammerBremen

ArbeitnehmerkammerBremen

BER I CHT ZUR SOZ IA L EN L AGE 2 0 14

Der Wert der Jahre

Der Wert der Jahre

www.arbe i tnehmerkammer.de

Zur Situation älterer Beschäftigter und zu den Übergängen in Rente

Die zukünftig weiter sinkenden Renten lassen viele mit Sorge auf das Alter blicken.

Altersarmut ist deshalb inzwischen ein wichtiges Thema in der öffentlichen Debatte.

Hierzu tragen sowohl die beschlossenen Rentenreformen bei als auch ein sich ändernder

Arbeitsmarkt: Der Niedriglohnsektor ist deutlich gewachsen, befristete Beschäftigung,

Leiharbeit, unfreiwillige Teilzeit und Minijobs stagnieren auf hohem Niveau oder neh-

men sogar zu. Zudem sinken die Erwerbstätigenquoten nach wie vor und kontinuierlich

mit steigendem Alter. Und noch immer wechselt jeder dritte aktiv Versicherte nicht

aus einer Beschäftigung in Altersrente, sondern etwa aus Arbeitslosigkeit oder Krankheit.

Und rund jeder Fünfte verliert vorzeitig nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch

seine Erwerbsfähigkeit.

Zugleich wurde die Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre verlängert – die Folgen dieses

Projekts erzeugen Druck, neue Möglichkeiten des flexiblen Übergangs zu schaffen: Das

hat die sogenannte ›Rente mit 63‹ nach langen Jahren der Beschränkung sozialrechtlich

flankierter Vorruhestandsmöglichkeiten prominent gezeigt. Diese in sich teils wider-

sprüchlichen Befunde sind Grund genug, die Situation vor, während und nach dem

Übergang in die Rente genauer zu betrachten. Der vorliegende zwölfte ›Bericht zur sozia-

len Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land Bremen‹ hat sich dies zum

Ziel gesetzt.

www.arbe i tnehmerkammer.de

Zur Situation älterer Beschäftigterund zu den Übergängen in Rente

BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

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Inhalt

Impressum

Einleitung

Regine GeraedtsDer Wert der Jahre –Arbeiten vor und nach dem Übergang in die Rente

Ralf LorenzenVollgas bis zum letzen Arbeitstag Interview mit Rainer Pflaumbaum

Ralf Lorenzen›Das ist nicht fair‹Interview mit Johann Veverca

Ralf Lorenzen›Es war zu spät‹Interview mit Rüdiger Bröhan

Regine GeraedtsVor der Rente ohne Arbeit: Übergang in die Bedürftigkeit?

Ralf LorenzenJeden Tag Druck Interview mit Renate L.

Elke Heyduck Einblick in Bremer BetriebeGruppeninterview

Ralf Lorenzen Immer auf Sendung Interview mit Eckard Hasselmann

Ingo SchäferAm Ende des Übergangs: Beginn der Rente

Ralf Lorenzen Das Leben hat viele Baustellen Interview mit Eberhard Dengler

Gastbeitrag: Norbert FröhlerArbeiten bis zum Ende? Gegenwart und Zukunft des flexiblen Erwerbsausstiegs

Paul M. Schröder / Thomas SchwarzerZahlen, Daten, Fakten zur Armut im Land Bremen

Ralf LorenzenDie Wald-Oma Interview mit Alwine Delhougne

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32BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

HER AUSGEBER

Arbeitnehmerkammer Bremen

Bürgerstraße 1

28195 Bremen

Telefon 0421· 36301-0

Telefax 0421·36301-89

[email protected]

www.arbeitnehmerkammer.de

REDAK T ION

Regine Geraedts

Elke Heyduck

Peer Rosenthal

Nathalie Sander

Ingo Schäfer

Thomas Schwarzer

LEK TOR AT

Martina Kedenburg

GR AF I SCHE GESTALTUNG

Designbüro Möhlenkamp,

Marlis Schuldt

Jörg Möhlenkamp

FOTOS

Kay Michalak

DRUCK

Girzig & Gottschalk, Bremen

November 2014

Einleitung1Diese in sich teils widersprüchlichen Befunde sindGrund genug, die Situation vor, während und nachdem Übergang in die Rente genauer zu betrachten.Der vorliegende zwölfte ›Bericht zur sozialen Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerim Land Bremen‹ hat sich dies zum Ziel gesetzt.

Die Beiträge dieses Berichts

REGINE GERAEDTS, Referentin für Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik bei der Arbeitnehmer-kammer Bremen, analysiert die Arbeitsmarktsitua-tion Älterer im Land Bremen. In ihrem Beitrag ›DerWert der Jahre – Arbeiten vor und nach dem Über-gang in die Rente‹ betrachtet sie die demografi-schen und institutionellen Veränderungen, die aufden Arbeitsmarkt einwirken und untersucht dieBeschäftigungslagen von Älteren im Land Bremen.Verschiedene Berufe mit einer jeweils besonderendemografischen Situation werden genauer unterdie Lupe genommen – so etwa Teile des Pflege- undGesundheitspersonals, Reinigungsberufe undLager- und Transportarbeiter. Auch widmet sie sichdem Phänomen der wachsenden Gruppe von älte-ren Beschäftigten über 65 Jahren. In ihrem zweitenBeitrag ›Vor der Rente ohne Arbeit: Übergang in die Bedürftigkeit?‹ geht sie der Frage nach, wiesich die Arbeitslosigkeit Älterer entwickelt hat undwas es heute bedeutet, vor dem Renteneintrittarbeitslos zu sein oder zu werden. INGO SCHÄFER, Referent für Sozialversicherungs-und Steuerpolitik bei der Arbeitnehmerkammer,blickt dagegen auf das Ende des Übergangs: denBeginn der Rente. Höhe der Rente und Zeitpunktdes Renteneintritts lassen sich dabei nur begrenztfür das Land Bremen ermitteln. Bundesweit – unddie Bremer Daten werden sich nicht wesentlichunterscheiden – zeigt sich, dass die Rentenrefor-men und weitere Reformen der sozialen Sicherungmaßgeblich Einfluss nehmen auf das Rentenzu-gangsverhalten: Der Ruhestand fängt heute deut-lich später an als noch zur Jahrtausendwende –dabei steigen die Zahlbeträge seitdem praktischnicht mehr. Der Artikel wirft damit auch einenBlick auf die bisherigen und zukünftigen Wirkun-gen der Rentenreformen.

Die Lage am Arbeitsmarkt, die wirtschaftliche Ent-wicklung, der Abbau von Arbeitslosigkeit unddamit auch die Beschäftigung Älterer entwickelnsich so gut wie seit Langem nicht: Im Durchschnittgehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerimmer später in Rente, die BeschäftigungsquoteÄlterer nimmt zu, die Lebenserwartung steigt. Doch es gibt auch eine Kehrseite. Die zukünftig

weiter sinkenden Renten lassen viele mit Sorge auf das Alter blicken. Altersarmut ist deshalbinzwischen ein wichtiges Thema in der öffent-lichen Debatte. Hierzu tragen nicht nur politischeBeschlüsse aus den letzten Rentenreformen bei,sondern auch ein Arbeitsmarkt mit zunehmendatypischen Arbeitsverhältnissen. Der Niedriglohn-sektor ist deutlich gewachsen, befristete Beschäf-tigung, Leiharbeit, unfreiwillige Teilzeit und Mini-jobs stagnieren auf hohem Niveau oder nehmensogar noch zu. Zudem verstellt die gestiegenedurchschnittliche Lebenserwartung den Blick da-rauf, dass schon heute längst nicht alle die Alters-rente gesund erreichen. Eine Reihe von Berufen ist mit so großen Belastungen verbunden, dass einfrüherer Renteneintritt sich nicht vermeiden lässt.So sinken die Erwerbstätigenquoten nach wie vorund kontinuierlich mit steigendem Alter. Auchgehen insgesamt zwar wieder deutlich mehr Men-schen aus einem versicherten Beschäftigungsver-hältnis in Rente, doch immer noch wechselt jede/rdritte aktiv Versicherte nicht aus einer Beschäfti-gung in Altersrente, sondern aus Arbeitslosigkeitund Krankheit oder Ähnlichem. Und rund jederFünfte verliert vorzeitig nicht nur seinen Arbeits-platz, sondern auch seine Erwerbsfähigkeit. Zugleich wurde die Lebensarbeitszeit auf 67 Jah-

re verlängert – eines der umstrittensten politischenProjekte seit Langem. Die bestehenden und erwar-teten sozialen und materiellen Folgen dieses Pro-jekts erzeugen nun auf der anderen Seite Druck,neue Möglichkeiten des flexiblen Übergangs zuschaffen: Das hat die sogenannte ›Rente mit 63‹nach langen Jahren der Beschränkung sozialrecht-lich flankierter Vorruhestandsmöglichkeiten prominent gezeigt.

EINLEITUNG

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Altersübergänge – viel Licht, viel Schatten, viele Fragen offen

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Zudem ist eine Verbesserung des Kündigungs-schutzes für ältere Beschäftigte anzustreben:Bevor eine Kündigung aus gesundheitlichenGründen ausgesprochen wird, ist zunächst dieWeiterbeschäftigung auf sogenannten Schon-arbeitsplätzen zu ermöglichen.

Ältere Erwerbslose brauchen eine echte Pers-pektive für einen abgesicherten und planbarenÜbergang. Eine Vermittlung in den erstenArbeitsmarkt und aktive Förderung Älterermuss dabei an erster Stelle stehen. Und für dieälteren Arbeitslosen, für die sich der Arbeits-markt nicht mehr aufschließen lässt, müssenin größerem Umfang Ersatzarbeitsplätze ineinem sozialen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Dies würde für Ältere den Übergang ausArbeit in Rente und nicht aus Arbeitslosigkeitin Rente garantieren und zudem die Möglich-keit schaffen, sich durch sinnstiftende Tätig-keiten in die Gemeinwohlentwicklung einzu-bringen. Nicht hinnehmbar ist in diesemZusammenhang die Zwangsverrentung bei SGB-II-Bezug. Denn sie berücksichtigt nicht die Interessen der Versicherten und widersprichtden offiziellen Forderungen und Vorhaben derBundesregierung, die Erwerbstätigkeit zu verlängern.

Um einen finanziell abgesicherten Ruhestandzu ermöglichen, ist nicht zuletzt eine leistungs-fähige Rentenversicherung wesentliche Voraus-setzung. Dafür muss das Leistungsziel derLebensstandardsicherung wieder ins Zentrumder Rentenversicherung rücken. Eine ausrei-chend hohe Rente ist notwendige Bedingungfür einen selbstbestimmten Renteneintritt.Ergänzend muss der Solidarausgleich wiedergestärkt werden, da nur so auch bei längererErwerbslosigkeit oder Zeiten niedrig entlohnterBeschäftigung eine angemessene Rentenhöheerreicht werden kann. Das ist auch die Voraus-setzung dafür, dass die Gruppe derer begrenztbleibt, die nach dem Renteneintritt aus finan-ziellen Gründen bis ins hohe Alter beschäftigtbleiben muss.

Handlungsfelder aus Sicht der Arbeitnehmerkammer

Der Bericht zeigt deutlich die vier Bereiche,in denen Handlungsbedarf besteht.

Angesichts der auf 67 Jahre verlängerten Regelaltersgrenze und einer großen Zahl vonBeschäftigten, die dieses Alter in ihrem Berufnicht erreichen (können), bedarf es neuer staatlich geförderter und initiierter Möglichkei-ten, den Übergang flexibel zu gestalten. Dieskann ein früherer Renteneintritt bei gesund-heitlichen Problemen oder auch ein Ausstiegaus dem Erwerbsleben ›in Raten‹, also zum Bei-spiel in Teilzeit, sein. Bereits vorhandene Ideenund Konzepte zu Teilrenten-Modellen, Alters-flexi-Geld, Altersteilzeit oder Teilarbeitslosen-geld sind aus Sicht der Arbeitnehmerkammergute Ansätze, die jedoch noch auf ihre Wir-kung auf Beschäftigungsgruppen und Erwerbs-verläufe geprüft und tragfähig ausgestaltet werden müssen. Am Ende müssen auch Gering-verdienerinnen und Geringverdiener sowieBeschäftigte bei weniger finanzkräftigen oderauch sehr kleinen Betrieben reale Möglichkei-ten eines geregelten und finanziell vertretbarenÜbergangs vorfinden.

Für Beschäftigte wie Erwerbslose gilt, dass miteiner längeren Erwerbsphase auch die Bedeu-tung guter Gesundheit zunimmt. Das ›Arbeitenbei schlechter Gesundheit‹ darf für Ältere nichtzum Regelfall werden. Hier bedarf es über-greifender Angebote im Betrieb sowie in derArbeitsmarktpolitik. Die Maßnahmen reichendabei von präventiven Gesundheitsmaßnah-men, über eine alters- und alternsgerechteGestaltung von Arbeitsplätzen und der Einrich-tung von Schonarbeitsplätzen bis hin zu einerStärkung der medizinischen und beruflichenRehabilitation. Dabei sollte eine bessere undvor allem verbindliche Verzahnung von Maß-nahmen und Angeboten von Unfallkasse, Ren-tenversicherung, Arbeitsagentur und Jobcentersowie der Arbeitgeber angestrebt werden. Vor-schläge für eine gesetzlich institutionalisierteGesundheitsförderung im Rahmen der Arbeits-förderung und Leistungen bei Berufsunfähig-keit sind vielversprechende Ansätze, die es weiterzuentwickeln gilt.

EINLEITUNG

7

Der Gastbeitrag von NORBERT FRÖHLER (UniversitätDuisburg-Essen) thematisiert und diskutiert unterder Überschrift ›Arbeiten bis zum Ende? – Gegen-wart und Zukunft des flexiblen Erwerbsausstiegs‹bestehende und derzeit diskutierte Formen desgleitenden Übergangs. Dabei beschäftigt er sichunter anderem mit dem Vorschlag eines ›Altersfle-xi-Gelds‹ der IG BAU, dem Teilrenten-Modell desDGB und einer Wiedereinführung der Altersteilzeit.Aus seiner Sicht muss die angestrebte Re-Flexibili-sierung besonders diejenigen berücksichtigen, dieim (Vorrenten-)Alter verstärkt Risiken der Leistungs-einschränkungen, der Langzeiterwerbslosigkeitoder Armut tragen. Auch dem Fakt immer häufigeranzutreffender unterbrochener oder atypischerErwerbsverläufe sei Rechnung zu tragen, um denzunehmenden Tendenzen sozialer Polarisierung zubegegnen. Ein GRUPPENINTERVIEW MIT BETRIEBSRÄTINNEN

UND BETRIEBSRÄTEN gewährt Einblicke in diedemografische Situation in den jeweiligen Betrie-ben. Beteiligt waren ganz unterschiedliche Berei-che wie Krankenhäuser, Logistik, das StahlwerkArcelorMittal, der Umweltbetrieb Bremen und der Bremer Martinsclub als sozialer Dienstleister.Obwohl die Älteren in allen Betrieben mehr werden, gibt es so gut wie keinen systematischenUmgang mit dieser demografischen Herausforde-rung. Gefragt sei der Gesetzgeber, der für mehrund neue Möglichkeiten eines Übergangs in Rentesorgen muss. Gefragt sei aber auch – und zwar verbindlich – der Arbeitgeber, der dafür sorgenmuss, dass man in seinem Betrieb bis zur Rentearbeiten kann. Ansonsten verbleibt das Risiko einer›irregulären‹ Rente mit hohen Abschlägen odergesundheitlichen Einschränkungen allein bei denArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Der Journalist RALF LORENZEN illustriert die Fach-beiträge mit sechs Interviews. Er sprach mit Men-schen, die mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rentegehen konnten ebenso wie mit solchen, die freiwil-lig oder auch aus finanziellen Gründen weiterar-beiten. Eine seiner Interviewpartnerinnen ist dabeivon der sogenannten Zwangsverrentung durch das Jobcenter bedroht. Deutlich wird in diesen sehrpersönlichen Gesprächen, dass die Übergänge und die Rentensituation so vielfältig sind wie dieMenschen selbst. Das letzte Kapitel schließlich, erstellt von PAULSCHRÖDER UND THOMAS SCHWARZER, widmet sich,wie in jedem ›Bericht zur sozialen Lage der Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer‹, den Sozial- undArmutsdaten des Bundeslandes Bremen im Allge-meinen. Es zeigt sich, dass in den Städten Bremenund Bremerhaven die Gefährdung durch Armutweiterhin steigt. Im Jahr 2007 war im Land Bremenfast jede fünfte Bremerin und jeder fünfte Bremerdurch Armut gefährdet, im Jahr 2013 war es schonfast jeder Vierte. Der Anteil, der durch Armutgefährdeten Kinder ist ebenfalls in den vergange-nen Jahren weiter gestiegen. Dieser Anstieg erklärtsich durch mehrere Entwicklungen: Nach einigenJahren eines leichten Rückgangs derer, die vonGrundsicherungsleistungen abhängig sind, ist imJahr 2013 erstmals wieder ein leichter Anstiegsowohl bei Erwachsenen als auch bei den Kindernfestzustellen. Angestiegen ist auch die Zahl derer,die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsmin-derung beziehen sowie Hilfe zum Lebensunterhalt.Damit liefern auch die Armutsdaten einen hand-festen Hinweis auf den Handlungsbedarf in SachenRente und Beschäftigung Älterer.

Wir bedanken uns bei allen unseren Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern.

6BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Für Beschäftigte wie Erwerbslose gilt, dass mit einer längeren Erwerbsphase auch die Bedeutung guter Gesundheit zunimmt.

Der Wert der Jahre – Arbeiten vor und nach dem Übergang in die Rente

Die Bevölkerung wird älter. Diese Entwicklung istauch auf dem Arbeitsmarkt längst zu spüren. Diegeburtenstarken Jahrgänge der Wirtschaftswunder-jahre, die sogenannten Babyboomer, wachsen indas rentennahe Alter hinein und werden in dennächsten beiden Jahrzehnten in den Ruhestandgehen. Deutlich weniger Junge wachsen nach. DiePolitik unter verschiedenen vorangegangenen Bun-desregierungen hat darauf mit Verlängerung derLebensarbeitszeit reagiert. So ist der abschlagsfreiefrühere Renteneintritt systematisch beschränktund die Regelaltersgrenze auf 67 Jahre erhöht wor-den. Ältere sollen künftig möglichst lange imArbeitsprozess produktiv bleiben.Schon bald wird sich die Gruppe der Älteren in

der Arbeitswelt wesentlich vergrößern. Zugleichverändern sich die Arbeitsbedingungen und Anfor-derungen und Belastungen nehmen tendenziell zu.Die Auswirkungen dieser beiden Entwicklungslini-en werden in den nächsten Jahren an Bedeutunggewinnen. Damit rückt die Frage in den Blick-punkt, wie die Arbeitsmarktsituation von älterenArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu bewer-ten ist und ob es in der letzten Phase des Arbeits-lebens gut gelingt, in Beschäftigung zu bleiben.Dieser Beitrag betrachtet die Situation der Älte-

ren am Arbeitsmarkt aus regionaler Perspektive.Der erste Abschnitt befasst sich mit den demogra-fischen und institutionellen Veränderungen, dieauf die Altersstrukturen am Bremer Arbeitsmarkteinwirken und sie verändern. Im zweiten Schrittfolgen Überlegungen zu der Frage, in welchemZusammenhang Alter, Arbeit und Gesundheitzueinander stehen. Im Anschluss werden Struk-turmerkmale der älteren Beschäftigten nach Beru-fen, Qualifikation und Wirtschaftszweigen imLand Bremen betrachtet. Abschließend wird dis-kutiert, wie sich die steigende Zahl der älterenBeschäftigten über 65 Jahre in die Entwicklungeneinordnen lässt.

DER WERT DER JAHRE

98BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Demografie und Rentenreformen wirken auf den Arbeitsmarkt

Ab wann das ›Ältersein‹ am Arbeitsmarkt beginnt,wird nicht einheitlich beantwortet. In der Arbeits-marktforschung werden als ›Ältere‹ gemeinhin dieMenschen betrachtet, die in einem Zehnjahreszeit-raum das Rentenalter erreichen. Wenn wir also vonÄlteren sprechen, dann sind hier die 55- bis unter65-Jährigen gemeint.Über einen längeren Zeitraum betrachtet, ist die-

se Altersgruppe im Land Bremen kleiner geworden.2012 wohnten 13 Prozent beziehungsweise 12.000Menschen dieses Alters weniger im Land Bremenals noch 1999. Prägend für diese Entwicklung sinddie geburtenschwachen Jahrgänge des ersten Nachkriegsjahrzehnts. Es folgt jedoch ab Mitte der1950er-Jahre eine außerordentlich geburtenstarkeDekade. Sie ist der eigentliche Bezugspunkt für die lebhaften Diskussionen rund um die Renten-und die Arbeitsmarktpolitik. Danach gingen dieGeburtenzahlen rapide zurück. Für dieses Phäno-men ist der Begriff ›Pillenknick‹ geprägt worden.Die Abbildung 1 zum Bevölkerungsstand im

Land Bremen illustriert diese Entwicklungen. Es istdeutlich zu erkennen, wie die geburtenschwäche-ren Jahrgänge der Nachkriegszeit gerade in dasRentenalter hineinwachsen, während sich dahinterdie Welle der geburtenstarken Jahrgänge aufbaut,die im Begriff ist, die Gruppe der Älteren zu errei-chen. Den Kamm dieser Welle bilden in Deutsch-land die Jahre 1959 bis 1968. Mit mehr als 1,2 Mil-lionen Geburten pro Jahr ist der bundesweite Höhe-punkt 1964 erreicht, also den heute 50-Jährigen.1

Im Land Bremen liegt die Spitze beim Jahrgang1966.Der 1959er-Jahrgang hat unterdessen die Alters-

gruppe der 55-Jährigen erreicht. Damit beginnt dieBabyboomer-Generation mit Macht in die Gruppeder Älteren hineinzuwachsen und wird sie vonjetzt an Jahr um Jahr wesentlich vergrößern.

2REG INE GER AEDTS Arbeitnehmerkammer Bremen

1 Vgl. BiB (2014).

dass es weniger Ältere gibt, die den Arbeitsmarktsozial abgesichert vor Erreichen des 65. Lebens-jahrs verlassen können. In der Konsequenz ist dasdurchschnittliche Zugangsalter zur Altersrente seit2000 von 62,3 auf 64,0 Jahre in 2012 gestiegen,wobei zwischen Männern und Frauen kaum mehrUnterschiede bestehen.6 Schließlich wird seit 2012das reguläre Renteneintrittsalter sukzessive ange-hoben, so dass es im Jahr 2029 bei 67 Jahren liegenwird. Die ›Rente mit 67‹ wird in vollem Umfanggenau ab dem Zeitpunkt greifen, wenn der bundes-weite Spitzengeburtsjahrgang 1964 in den Ruhe-stand geht. Von der seit dem 1. Juli 2014 eingeführ-ten abschlagsfreien ›Rente mit 63‹ für besonderslangjährig Versicherte wird zwar auch ein kleinerTeil der Babyboomer profitieren, der größte Teilwird die Voraussetzungen wegen der spezifischenErwerbsverläufe dieser Geburtskohorte voraussicht-lich aber nicht erfüllen können.7 In den vollenGenuss der Rente mit 63 kommen zudem nur Versi-cherte, die zwischen Juni 1951 und Dezember 1952geboren sind. Für die darauffolgenden Jahrgängewird die Altersgrenze stufenweise angehoben, sodass ab dem Jahrgang 1964 auch für diese Renten-art wieder die Altersgrenze von 65 Jahren gilt.Es ist demnach eine Melange aus der demografi-

schen Alterung der Bevölkerung, den verändertenLebensentwürfen vor allem bei Frauen und den Ver-haltenseffekten durch die institutionellen Verände-

schaftskrise auf den Arbeitsmarkt in 2009 zeigen –die Arbeitsmarktposition dieser zahlenstarkenGruppe nicht nachhaltig schwächen können. DasBeschäftigungsniveau bricht weniger stark ein alsbei anderen Altersgruppen und erholt sich im Auf-schwung deutlicher. Die Babyboomer gelten als gutqualifizierte Kohorte, verfügen in diesen Phasenbereits über viel Erfahrungswissen und zählen inden dargestellten Jahren aus Sicht der Betriebenoch nicht zu den Älteren. Insgesamt erweisen siesich über die Zeitläufte hinweg als ausgesprochenrobust und als am Arbeitsmarkt gut positioniert.Dabei hatten sie einen erschwerten Einstieg insErwerbsleben. Denn sie waren als erste jungeErwachsenengeneration im Nachkriegsdeutsch-land mit Massenarbeitslosigkeit konfrontiert undmussten von Beginn an mit gestiegenen Unsicher-heiten auf dem Arbeitsmarkt umgehen.3

Es bedarf wenig Vorstellungskraft, um die Wel-lenbewegung der geburtenstarken Jahrgänge aufdie nahe Zukunft zu projizieren und in den kom-menden Zehnjahreszeitraum hinein weiterzuden-ken. Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung zeigen, dass die Älteren dannetwa ein Drittel des Erwerbspersonenpotenzialsausmachen.4 Die Babyboomer bleiben auch als älte-re Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wichtigeLeistungsträgerinnen und -träger und eine starkeSäule der Produktivität.Schon jetzt hat die Gruppe der sozialversiche-

rungspflichtig beschäftigten Älteren im Vergleichzu 1999 zugenommen. Diese Entwicklung wirdsich in den kommenden Jahren sehr deutlich be-schleunigen. Denn die geburtenstarken Jahrgängewerden zahlreich in die Altersgruppe 55 bis 64 Jah-re ›hineinaltern‹ und zudem im Unterschied zuden vorausgegangenen Geburtsjahrgängen voraus-sichtlich bis in ein höheres Alter beschäftigt bleiben. Denn die schrittweisen Veränderungendes Rentenrechts erfüllen offenbar ihre politischgewollte Steuerungsfunktion auf das Erwerbsver-halten und wirken auf den Arbeitsmarkt zurück.5

So erhöht das sinkende Rentenniveau die Notwen-digkeit, länger erwerbstätig zu bleiben. Denn werim Ruhestand mehr von seinem Lebensstandarddurch die gesetzliche Rente absichern will, musslänger Beiträge zahlen. Zudem sind die unter-schiedlichen Zugänge zu einem abschlagsfreienVorruhestand systematisch versperrt und zurErwerbsminderungsrente erschwert worden, so

Die markante Geburtenentwicklung des zweitenNachkriegsjahrzehnts prägt die Wohnbevölkerungund in der Folge auch die Altersstrukturen amArbeitsmarkt. Schon jetzt steigt die Erwerbs-beteiligung der rentennahen Jahrgänge merklich. Innerhalb der Eurozone weist Deutschland heutedie höchste Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen aus, innerhalb der Europäischen Unionerreicht nur Schweden höhere Werte.2 Paralleldazu geht der Anteil der sogenannten Nichter-werbspersonen deutlich zurück. Darunter verstehtman diejenigen in einer Altersgruppe, die keineauf den Erwerb ihres Lebensunterhalts gerichteteTätigkeit ausüben und auch nicht danach suchen.Dazu gehören so unterschiedliche Personengrup-pen wie Ehefrauen in einer klassischen Versorger-ehe oder Frührentnerinnen und -rentner.

DER WERT DER JAHRE

1110BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

2 Vgl. Eurostat (2014a).

3 Vgl. Tisch/Tophoven

(2011).

4 Vgl. Dietz (2014), S. 5.

5 Vgl. Knuth (2014), S. 22 ff.

6 Vgl. DRV (2013), S. 139.

7 Vgl. Tisch/Tophoven

(2011).

Tabelle 1: Erwerbsbeteiligung Älterer von 55 bis unter 65 Jahren im Vergleichin Prozent

gesamt

Männer

Frauen

1999 2012 1999 2012 1999 2012 1999 2012

38 61 54 34 39 60 56 37

47 68 44 27 52 67 46 27

29 55 65 42 24 53 67 45

Erwerbstätigen-quote

Deutschland Land Bremen

Quote der Nicht-erwerbspersonen

Erwerbstätigen-quote

Quote der Nicht-erwerbspersonen

Quelle: Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes 2013, eigene Berechnung

35.000

30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

Abb. 2 : Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Altersgruppen im Land BremenStichtag jeweils 30. Juni

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik; eigene Berechnungen und eigene Darstellung

15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64

1999 2004 2009 2013

Abb. 1: Bevölkerungsstand Land Bremen Stichtag 30.12.2012

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2014; Berechnung nach den vorläufigen Ergebnissen des Zensus 2011, eigene Darstellung

Jahre

Das Anwachsen der Gruppe der Erwerbspersonenauf der einen und das Schrumpfen der Nicht-erwerbspersonen auf der anderen Seite stehen inWechselwirkung zueinander. Bei den Frauen ver-läuft diese Entwicklung dynamischer als bei denMännern – wenn dieser Trend im Land Bremenauch etwas schwächer ausgeprägt ist. Als ursäch-lich dafür gilt, dass bei den Älteren der 1990er-Jah-re die Institution der ›Hausfrauenehe‹ noch weitverbreitet war, während heute eine Frauengenerati-on in diese Gruppe vorgerückt ist, in deren Lebens-entwurf die eigene Erwerbstätigkeit fest integriertist und die zu einer nicht mehr wegzudenkendenGröße am Arbeitsmarkt geworden ist.Betrachten wir wieder beginnend mit dem Jahr

1999 die sozialversichert Beschäftigten im LandBremen nach Altersgruppen – die Babyboomerwaren damals in den dreißiger Lebensjahren undstanden biografisch am Beginn der Haupterwerbs-phase –, dann bilden sich die geburtenstarken Jahr-gänge wie bei der Wohnbevölkerung als eine mar-kante Welle ab. Abbildung 2 zeigt, wie sich dieseWelle im Zeitverlauf von den jüngeren Arbeitskräf-ten allmählich nach rechts in Richtung Ältere undhin zur Altersübergangsphase bewegt. Dabei habenauch Konjunktureinbrüche und Krisen – exempla-risch markiert durch die beiden gestrichelten Linien, die den langen Abschwung in den ersten2000er-Jahren und die Auswirkungen der Weltwirt-

12.000

10.000

8.000

6.000

4.000

2.000

0unter 75 Jahreunter 1 Jahr

Pillenknick

Babyboomeretwa 1959 bis 1968

Jahrgang 1945

Männer

Frauen

Babyboomer ante portas – mehr Ältere in Bremer Betrieben

Auffällige Entwicklungen bei der Erwerbsbeteili-gung können unterschiedliche Gründe haben. Wie bei den geburtenstarken Jahrgängen kann dieGröße der entsprechenden Altersgruppe in derBevölkerung besonders kräftig gewachsen sein, sodass sie in Arbeit sind und bleiben und dabei älterwerden. Es können auch Wanderungsbewegungen– vom Land in die urbanen Zentren oder aus demAusland – für zusätzliche Arbeitsmarkteintritte sorgen oder das Erwerbsverhalten kann sich wan-deln, so dass sich innerhalb einer Altersgruppe derAnteil der Menschen verändert, die sich amArbeitsmarkt beteiligen.Noch wird die Gruppe der Älteren im Land Bre-

men nicht von den geburtenstarken Jahrgängengeprägt, sondern von der schwächer besetztenunmittelbaren Nachkriegsgeneration, die kleinergeworden ist. Das lässt sich an der Beschäftigungs-quote ablesen, mit der man ermitteln kann, wiegut einzelne Altersgruppen in Beschäftigung integ-riert sind. Denn sie gibt Auskunft über den Anteilder sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer an der entsprechendenAltersgruppe in der Wohnbevölkerung.9

Im Land Bremen ist das Arbeitsplatzangebot inder Zeitspanne von 1999 bis 2013 insgesamt ge-wachsen, die Beschäftigungsquote über alle Alters-gruppen hinweg ist um 4,5 Prozentpunkte auf 50 Prozent angestiegen. Jeder Zweite, der oder dieim Land Bremen wohnt, geht demnach einer sozialversicherten Arbeit nach.Die Beschäftigungsquote der Älteren steigt in

diesem Zeitraum überproportional. In der Gruppeder 55- bis 59-Jährigen wächst der Anteil der sozial-versichert Beschäftigten um 14 Prozentpunkte auf54 Prozent. Damit sind in dieser Altersgruppe imVerhältnis mehr Menschen beschäftigt als in derGesamtbevölkerung. Die Beschäftigungsquote der60- bis 64-Jährigen hat sich – allerdings von einemniedrigen Niveau kommend – sogar verdreifacht.Unterm Strich geht inzwischen etwa jede/r Drittein diesem Alter einer sozialversicherungspflichti-gen Arbeit nach.

rungen in der Rente, die in den nächsten Jahrendie Gruppe der Älteren auf dem Arbeitsmarkt deut-lich wachsen lassen wird. Das Einstellungsverhal-ten von Arbeitgebern hat sich dagegen bisher nichtnennenswert verändert. Martin Brussig und Katari-na Eggers vom Institut Arbeit und Qualifikationhaben die Neueinstellungen Älterer als einen derIndikatoren zur Beurteilung des Arbeitsmarkts fürÄltere untersucht. Demnach kommen ältere Bewer-berinnen und Bewerber bei Neueinstellungenunverändert vergleichsweise selten zum Zuge. DieGründe dafür werden sowohl bei den Älteren selbstals auch bei den Betrieben vermutet. Denn ältereBeschäftigte suchen seltener aktiv eine alternativeBeschäftigung, weil sie ihre individuellen berufli-chen Ziele vielfach bereits erreicht haben und Auf-wand und Risiken eines Wechsels nicht in einemangemessenen Verhältnis zu den Vorteilen stehen.Es müssten daher eher besondere Gründe vorlie-gen, weshalb sie eine neue Tätigkeit bei einem neu-en Arbeitgeber suchen. Aufseiten der Betriebebleibt eine Altersselektivität in den Auswahlprozes-sen zu beobachten. Ältere stoßen – unabhängigdavon, ob sie sich aus einer bestehenden Beschäfti-gung oder aus der Arbeitslosigkeit heraus bewer-ben – auf mehr Vorbehalte beispielsweise hinsicht-lich ihres Leistungsvermögens.8

DER WERT DER JAHRE

1312BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

60- bis unter 65-Jährigen mit Altersteilzeitfällen bei nur 13 Prozent.Für ein vollständiges Bild des Arbeitsmarkts für

Ältere muss auch die geringfügige, nicht sozialver-sicherte Teilzeitbeschäftigung in die Betrachtun-gen einbezogen werden. Bekannt ist diese Beschäf-tigungsform unter der Bezeichnung Minijob. DieZahl der Minijobs ist im Land Bremen seit der Neu-regelung der geringfügigen Beschäftigung im Jahr2003 bis 2013 um gut 26 Prozent auf rund 70.000angestiegen. In etwa einem Drittel der Fälle ist derMinijob ein Nebenjob, der für einen Zuverdienstsorgt. Bei den anderen zwei Dritteln – dabei geht esim Land Bremen um rund 45.000 Arbeitsplätze –ist er das einzige Arbeitsverhältnis. Mit dem Wach-sen der nicht sozialversicherten Teilzeitbeschäfti-gung ist auch die Zahl der Älteren gestiegen, dieeine solche Tätigkeit ausüben. Dabei fiel das Plusin dieser Altersgruppe mit 16 Prozent allerdingsunterdurchschnittlich aus.Die Minijobs gehen wegen des fehlenden Sozial-

versicherungsschutzes nicht in die offizielle Be-schäftigungsquote ein. Berechnet man eine ›Mini-job-Beschäftigungsquote‹ für das Land Bremen,zeigt sich, dass jede/jeder zwölfte Bremerin/Bremerausschließlich einem Minijob nachgeht, bei denFrauen ist es sogar jede zehnte. In der Gruppe derÄlteren ist der Anteil insgesamt etwas niedriger,wobei im Verhältnis etwas weniger ältere Frauenund etwas mehr ältere Männer ausschließlicheiner nicht sozialversicherten Teilzeitbeschäfti-gung nachgehen. Mit Blick auf den nahen Renten-eintritt ist diese Beschäftigungsform als besondersproblematisch zu bewerten, denn die spätere Ren-tenhöhe wird durch einen Minijob nur marginalbeeinflusst.

Die Beschäftigungsquoten zeigen deutlich, dassimmer mehr Ältere aktiv im Arbeitsprozess sindund bleiben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dassimmer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inden Betrieben zu den Älteren gehören.Für die Beurteilung der Arbeitsmarktsituation

von Älteren spielt nicht nur die in Beschäftigungs-quoten messbare Erwerbsintegration eine wichtigeRolle, sondern auch der Umfang der Beschäftigung.Schließlich errechnet sich am Ende die individuellzu erwartende Rente aus dem Arbeitseinkommen,das nach Vollzeit- oder Teilzeittätigkeit stark diffe-riert.Im Land Bremen hatten im Juni 2013 27 Prozent

der sozialversicherungspflichtig Beschäftigteneinen Teilzeitjob. Bei den Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern im Alter von 55 bis unter 60 Jahrenist der Anteil mit 30 Prozent etwas höher, bei den60- bis unter 65-Jährigen war fast jede/r Dritte inTeilzeit beschäftigt. Dabei ist zu bedenken, dasshier auch die Altersteilzeit eine Rolle spielt. Dennstatistisch zählen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer in der Freistellungsphase einer Altersteil-zeit als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte,obwohl sie nicht mehr in aktive Arbeitsprozesseeingebunden sind. Am Rande sei hier der Hinweisgegeben, dass sich dies auch auf die Berechnungder Beschäftigungsquoten Älterer auswirkt undderen Erwerbsintegration statistisch etwas stärkererscheinen lässt, als sie in der betrieblichen Wirk-lichkeit ist.Teilzeitbeschäftigung ist traditionell eine Frau-

endomäne. Das ist auch bei den Älteren nichtanders. Insgesamt arbeitet knapp jede zweite Fraumit reduzierter Stundenzahl, bei den Älteren sindes mit 57 Prozent deutlich mehr. Bei den Männernliegt die Teilzeitquote selbst in der Gruppe der

8 Vgl. Brussig/Eggers

(2014).

9 Siehe ›Methodische

Hinweise‹ (1), S. 27

60

50

40

30

20

10

0

Abb. 3: Beschäftigungsquoten nach Altersgruppen im Land Bremen

Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Bevölkerungsfortschreibung (auf Grundlage des Zensus 2011 mit Stand vom 31.12.2012); Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik; Berechnungen durch BIAJ,eigene Darstellung

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

15 bis 64 Jahre männlich 15 bis 64 Jahre weiblich

55 bis 59 Jahre männlich 55 bis 59 Jahre weiblich

60 bis 64 Jahre männlich 60 bis 64 Jahre weiblich

Prozent

Tabelle 2: Anteil der ausschließlich geringfügig Beschäftigten an der Wohnbevölkerung nach Altersgruppen im Land Bremenin Prozent

Altersgruppe

15 bis unter 64 Jahre

55 bis unter 60 Jahre

60 bis unter 65 Jahre

gesamt Frauen Männer gesamt Frauen Männer

4,6 10,3 7,4 6,2 10,2 8,2

3,6 8,9 6,2 4,5 9,2 7,0

7,2 10,9 9,1 7,2 10,9 9,1

2000 2013

Quelle: Statistisches Landesamt, Bevölkerungsfortschreibung (auf Grundlage des Zensus 2011 mit Stand vom 31.12.2012); Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik; Berechnungen durch BIAJ, eigene Darstellung

15 bis 64 Jahre gesamt

55 bis 59 Jahre gesamt

60 bis 64 Jahre gesamt

In der Gruppe der 55- bis 59-Jährigen wächst der Anteil der sozialversichert Beschäftigten um 14 Prozentpunkte auf 54 Prozent.Damit sind in dieser Altersgruppe im Verhältnis mehr Menschen beschäftigt als in der Gesamtbevölkerung.

DER WERT DER JAHRE

1514BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Zusammenfassend lässt sich über alle Beschäfti-gungsformen hinweg im Land Bremen ein überpro-portionaler Anstieg der Beschäftigung Älterer beob-achten. Zugleich lässt sich jedoch feststellen, dassdie wenigsten Arbeitsnehmerinnen und Arbeitneh-mer bis zu ihrem 65. Lebensjahr im Arbeitsprozessbleiben. Alle Rentenreformen haben den typischenAlterseffekt am Arbeitsmarkt nicht verändern können: Mit steigendem Alter geht die Erwerbs-integration zurück. Die Ursachen für diesen Dro-pout sind vielschichtig. Sehr häufig wird infragegestellt, ob die Gesundheit der Beschäftigten esüberhaupt zulasse, unterschiedslos bis zum gesetz-lichen Renteneintrittsalter zu arbeiten, das sichzudem durch die ›Rente mit 67‹ biografisch nochweiter nach hinten verschiebt.

Bei guter Gesundheit? Arbeit auf dem Weg zum Älterwerden

Mit den Diskussionen um die verlängerte Lebens-arbeitszeit sind die Belastungsfaktoren im Verlaufeines Arbeitslebens immer stärker in den Fokusder öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Dabeigilt Gesundheit als der oft entscheidende Faktorfür die Erwerbsteilhabe Älterer. Dennoch sind syste-matische Studien zum Gesundheitszustand vonBeschäftigten und zu den langfristigen Effektenvon Arbeit auf die Gesundheit dünn gesät, indenen die Gruppe der Älteren im Mittelpunkt steht.Die internationale Forschung zum gesundenAltern und zum Älterwerden in Arbeit steckt noch

in den Kinderschuhen.10 Für Deutschland liegenunseres Wissens keine Studien vor. Im Nachgangzu den bereits durchgesetzten Reformen, die dieVerlängerung der Lebensarbeitszeit festgeschriebenhaben, versucht eine noch laufende und vom Bun-desministerium für Bildung und Forschung ge-förderte Studie mit dem Titel ›lidA – leben in derArbeit‹11 diese Lücke zu schließen.Verschiedene internationale Forschungsarbeiten

haben bereits nachgewiesen, dass Berufszugehörig-keit und Krankheitslast eng zusammenhängen.12

Auch die Berechnung eines allgemeinen Index fürArbeitsbelastung in Berufen weist in diese Rich-tung.13 Zum Zusammenspiel von Alter, Gesundheitund Erwerbsteilhabe haben Hans Martin Hassel-horn und Angela Rauch in einem 2013 erschiene-nen Artikel die Ergebnisse von fünf nationalen Stu-dien unter dem Alters- und Berufsaspekt ausgewer-tet und miteinander in Bezug gesetzt.14 Sie berich-ten von in hohem Maße übereinstimmendenBefunden und übergreifend vergleichbaren Vertei-lungsmustern ›guter‹ und ›schlechter‹ Gesundheitzwischen verschiedenen Berufsgruppen. Demnachhaben akademische Berufe mit hohem Qualifika-tionsniveau wie Ärztinnen/Ärzte, Juristinnen/Juris-ten, Gymnasial- oder Hochschullehrerinnen/-lehrerebenso wie Ingenieurinnen/Ingenieure und anderetechnische Fachkräfte und Managerinnen/Managerdie günstigsten Gesundheitswerte. Am unterenEnde der Skala finden sich einfache manuelleBerufe wie Produktionshilfskräfte oder Straßenbau-er sowie einfache Dienstleistungen, zu denen bei-spielsweise Berufskraftfahrer/Berufskraftfahrerin-nen, Restaurantfachleute, Servicekräfte oder Reini-gungskräfte gehören. Auch niedrig qualifiziertekaufmännische und Verwaltungsberufe wie Ver-kaufs- oder Bürohilfskräfte zählen zu den Berufs-gruppen mit ungünstigen Gesundheitswerten. DieAutorin und der Autor kommen zu dem Schluss,›dass es definierbare Berufsgruppen mit im Mittelsehr guter Gesundheit gibt, und ebenso andere mitschlechter‹15 und dass mit zunehmendem Alter dieKluft zwischen den Berufsgruppen größer wird. Nun mag es wenig überraschen, dass ältere

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch-schnittlich weniger gesund sind als jüngere. Zubedenken ist sicherlich auch, dass Gesundheits-risiken unabhängig von der Arbeit von einemGeflecht unterschiedlicher Einflussfaktoren be-stimmt werden. Dazu gehören Sozialstatusmerk-

male wie Bildung und Einkommen ebenso wieLebensstile oder individuelle Lebensumstände undpersönliche Ressourcen. Es ist eine methodischeSchwierigkeit, den Anteil, den die Belastungen ausder Arbeit an der Krankheitslast tragen, trenn-scharf gegen andere Faktoren abzugrenzen. Alszuverlässiges Maß hat sich in der internationalenForschung dafür der selbst eingeschätzte allgemei-ne Gesundheitszustand durchgesetzt. Die subjek-tive Einschätzung von Befragten hat sich dabeihäufig als mindestens ebenso zuverlässig erwiesenwie objektiv erfasste Gesundheitsindikatoren. Auchder Zusammenhang von Arbeit und guter oderschlechter Gesundheit lässt sich so identifizieren.16

Der European Working Conditions Survey17 istein wichtiges internationales Erhebungsinstru-ment für die Erforschung des Zusammenhangs vonGesundheitsrisiken, Arbeitsbedingungen undArbeitsorganisation. Er liefert auch interessanteHinweise zur Altersdifferenz. Zuletzt im Jahr 2010wurden 44.000 Beschäftigte aus 34 europäischenLändern zu ihren Arbeitsbedingungen befragt.Bemerkenswert ist, dass über alle Altersgruppenhinweg in Deutschland mehr als jede/r fünfteErwerbstätige die eigene Gesundheit durch dieArbeit beeinträchtigt sieht – bei den Beschäftigtenab 50 Jahren war sogar etwa jede/r Vierte dieserMeinung – und dass gerade bei den Jüngeren dieSorge groß ist, unter den gegebenen Arbeitsbelas-tungen nicht bis 60 durchhalten zu können. Vomregulären Renteneintrittsalter mit derzeit 67 Jah-ren wäre diese Gruppe dann noch immer einigeJahre entfernt. Auch andere Erhebungen bestätigen diese Befun-

de zur gesundheitlichen Belastung von Beschäftig-ten. So befragt der DGB-Index Gute Arbeit seit 2007regelmäßig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerin Deutschland danach, wie viele der Erhebungs-teilnehmenden sich vorstellen können, ihre Tätig-keit bis zum Rentenalter ausüben zu können.Dabei weisen die Ergebnisse in eine ähnliche Rich-tung. In einer Sonderauswertung des DGB-Indexkonnte zudem gezeigt werden, dass der stärksteEinfluss für die Einschätzung der eigenen Gesund-heit von den aktuellen Arbeitsbedingungen aus-geht. Körperliche Schwerarbeit, hohe Arbeitsdichte,Zeitdruck, mangelnde Anerkennung und wenigAutonomie wirkten sich deutlich auf die Erwar-tung aus, bis zur Rente durchhalten zu können –oder eben auch nicht.18

Insgesamt lässt sich festhalten, dass für die subjek-tive Einschätzung der Arbeits- und Gesundheits-situation der jeweilige Belastungs-Ressourcen-Mixentscheidend ist. Seit Längerem wird dieses Phäno-men unter dem Begriff ›Arbeitsfähigkeit‹ diskutiertund beforscht. Dabei geht es dem Konzept der›Arbeitsfähigkeit‹, das Juhani Ilmarinen in der deut-schen Diskussion starkgemacht hat,19 darum, dassdie individuellen Ressourcen mit den Arbeitsbedin-gungen zusammenpassen. Allmählich setzt sich in der Diskussion durch, dass für die Gruppe derÄlteren unmittelbar altersbezogene Faktorenbedacht werden müssen.20 So kann es sich beispiels-weise positiv auf die Arbeitsfähigkeit auswirken,wenn Ältere ihr Erfahrungswissen und ihre Kompe-tenzen gezielt weitergeben können. Dauerhafteund einseitige Belastungen oder monotone Tätig-keiten haben hingegen einen ungünstigen Einfluss.Betriebliche Lösungen können darin liegen, dassdie Personaleinsatzplanung bewusst altersgemisch-te Teams vorsieht oder die Arbeitsorganisationgezielte Belastungswechsel ermöglicht.Gesundheit gilt als wichtige Ressource für die

Arbeitsfähigkeit. Tatsächlich ist sie jedoch für dieErwerbsteilhabe Älterer nicht der entscheidendeFaktor. Denn schlechte Gesundheit ist besondersim höheren Erwerbsalter ein Teil der Arbeitsrea-lität. In Deutschland bleibt nach einer Studie vonHermann Burr in der Altersgruppe von 55 bis 64Jahren beinahe jede/r dritte Beschäftigte trotzschlechter Gesundheit erwerbstätig, 2010 warendies demnach etwa 1,7 Millionen Menschen.21

›Arbeit bei schlechter Gesundheit‹ ist mit zuneh-mendem Alter keine Seltenheit.Gleichzeitig verändern sich Belastungsfaktoren

wie Zeit- und Leistungsdruck, andere oft berufs-spezifische Anforderungen oder auch die Unsicher-heit, den Arbeitsplatz zu verlieren, wie unter an-deren Andrea Lohmann-Haislah von der Bundes-anstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im›Stressreport‹ zeigt.22 Insgesamt besteht in der Wis-senschaft weitgehender Konsens, dass die Bedeu-tung der psychischen gegenüber den körperlichenArbeitsbelastungen eine stark zunehmende Tendenz aufweist und die Leistungsverdichtung dabei ein wichtiger Faktor ist. Zukünftig werdenBeschäftigte zudem den Anforderungen von immerstärker digitalisierten Produktions- und Dienst-leistungskonzepten gegenüberstehen und sich ineiner beschleunigten, sich schnell wandelnden

16 Vgl. Burr et al. (2013).

17 Siehe ›Methodische

Hinweise‹ (2), S. 27

18 Vgl. Kistler/Trischler

(2008).

19 Vgl. Ilmarinen/Tempel

(2003).

20 Vgl. Ilmarinen (o.J.).

21 Vgl. Burr et al. (2013).

22 Vgl. Lohmann-Haislah

(2012).

10 Vgl. Suhrcke et al. (2010),

S. 394.

11 Das Forschungsprojekt

untersucht aus interdiszi-

plinärer Perspektive den

Zusammenhang von Arbeit

und Gesundheit auf dem

Weg ins höhere Erwerbsal-

ter. Dazu werden mit den

Geburtsjahrgängen 1959

und 1965 zwei Kohorten

aus der Babyboomer-Gene-

ration in einer repräsenta-

tiven Längsschnittstudie

betrachtet. Laufzeit von

April 2009 bis März 2015;

für mehr Informationen

siehe www.lida-studie.de.

12 Vgl.

Hasselhorn/Rauch/Burr

(2013).

13 Vgl. Kroll (2011).

14 Vgl. Hasselhorn/Rauch

(2013).

15 Hasselhorn/Rauch (2013),

S. 341.

Abb. 4: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Älteren (am Arbeitsort) nach Altersjahrgängen im Land Bremen

Quelle: Sonderauswertung der Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Darstellung

Vollzeit

Teilzeit

55 56 57 58 59 60 61 62 63 64

5.000

4.500

4.000

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0Jahre

Alter und Altern in Branchen und Berufen

Es spricht vieles dafür, dass sich ein beschreiben-der Zugang zu den Arbeitssituationen von Beschäf-tigten und zu ihren Belastungen am Arbeitsplatzam ehesten über den Beruf oder die beruflicheTätigkeit finden lässt. Im folgenden Abschnitt solldeshalb auf Grundlage der regionalen Arbeits-marktdaten der Beschäftigtenstatistik untersuchtwerden, in welchen Wirtschaftszweigen und Beru-fen Ältere vornehmlich zu finden sind. Aus metho-dischen Gründen beziehen sich die nun folgendenAnalysen auf die im Land Bremen beschäftigtenÄlteren (Arbeitsortprinzip), während die vorherigeBetrachtung wesentlich auf Beschäftigten basierte,die im Land Bremen wohnen (Wohnortprinzip). Zu bedenken ist außerdem, dass die Beschäftigten-statistik eine Momentaufnahme darstellt, die ihreGrenzen da hat, wo es um das Nachzeichnen vonindividuellen Erwerbsverläufen geht. Es könnenalso keine Aussagen darüber getroffen werden, obältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihreberufliche Tätigkeit schon lange ausüben oder obsie zu den ›Wechslern‹ gehören, die in ihremBetrieb eine andere, vielleicht schonendere Aufga-be übernommen oder möglicherweise in der spä-ten Erwerbsphase eine ganz andere Beschäftigunggefunden haben. Es können auch keine Wande-rungsbewegungen zwischen Branchen und Beru-fen abgebildet werden. Zu bedenken ist zudem,dass sich Alterseffekte mit spezifischen konjunktu-rellen Entwicklungen in den Branchen oder Beru-fen überlagern können. Für das Land Bremen istzudem die Datenlage häufig lückenhaft, denn inder Beschäftigtenstatistik sind die regionalen Zah-lenwerte in der Tiefe oftmals zu klein oder garnicht vorhanden.25 Mit anderen Worten: Die folgen-de Beschreibung gibt zunächst nur Auskunft darü-ber, ob im Land Bremen in ausgewählten beruf-lichen Bereichen und Branchen eine Beschäftigungim höheren Alter häufig oder selten anzutreffenist und versucht daraus, Erkenntnisse zu gewinnen.Tabelle 3 gibt einen ersten Überblick über die

sozialversichert Beschäftigten im Land Bremennach den beruflichen Tätigkeiten und nach Alter.Dabei werden die Berufshauptgruppen nach der›Klassifikation der Berufe 2010‹ (KldB 2010) aus deramtlichen Beschäftigtenstatistik genutzt und nachAltersgruppen differenziert.26 Weil regional einigeBerufe eine größere, andere kaum eine Rolle spie-

DER WERT DER JAHRE

17

Arbeitswelt orientieren und bewegen müssen. Möglicherweise entstehen vor diesem Hintergrunddann neue und größere Gesundheitsrisiken für die künftigen älteren Beschäftigten, die zusätzlichdurch die gesetzlich verlängerte Lebensarbeitszeitbelastet sein werden. Es muss und wird sich erstnoch zeigen, ob angesichts dieser Entwicklungendie Zahl der ›gesunden Jahre‹ in der Arbeit undnicht zuletzt auch nach der Arbeit weiter wächst. In den Diskussionen um die Verlängerung der

Lebensarbeitszeit wird gerne davon ausgegangen,dass der prognostizierte Zuwachs an Lebenserwar-tung zugleich ein Zuwachs an Zeit in Gesundheitsein wird. Dabei wird oft übersehen, dass ein Ge-winn an Jahren bei guter Gesundheit nicht selbst-verständlich ist, sondern von vielerlei Vorausset-zungen abhängt, von denen ein gewichtiger Teil inder Arbeitswelt liegt. Die Diskrepanz zwischen denerwartbaren und den guten Lebensjahren kannindividuell groß sein. Die britische Statistikbehör-de hat jüngst in einer Studie für England herausge-arbeitet, dass die Lücke zwischen Lebenserwartungund der Erwartung gesunder Lebensjahre drama-tisch wächst. Demnach liegt die Healthy Life Ex-pectancy – also die Lebenszeit bei sehr guter oderguter Gesundheit – für Männer bei 63,4 Jahren und

für Frauen bei 64,1 Jahren. Die durch-schnittliche Lebenserwartung liegtdagegen bei 79,2 beziehungsweise 83,0 Jahren.23

Auch die Statistikbehörde der EUEurostat veröffentlicht regelmäßigDaten zur durchschnittlichen und zurgesunden Lebenserwartung. Dabeischneidet Deutschland im europäischenRanking schlecht ab und erreicht nurden vorletzten Platz. Es lässt sich beider gesunden Lebenserwartung sogarein Abwärtstrend verzeichnen. Männerkönnen demnach im Jahr 2012 57,4gesunde Lebensjahre erwarten, Frauen57,9 Jahre bei einer durchschnittlichenLebenserwartung von 78,6 beziehungs-weise 83,3 Jahren.24

Es lässt sich ein sehr enger Zusam-menhang zwischen Arbeitsbedingun-gen, Arbeitsfähigkeit und Gesundheitherstellen. Mit den Jahren und mitdem Alter gewinnt dieser Konnexsogar noch an Gewicht. Schon heute

zeigen die Befunde der Arbeits- und Gesundheits-wissenschaft, dass ein Teil der Beschäftigten vomTrend besserer Gesundheit und längerer Lebenser-wartung profitieren kann – sie bewegen sichgehäuft in akademisch geprägten Berufswelten, inLeitungspositionen oder auch in der Verwaltung –,während ein anderer Teil kaum damit rechnenkann, gesund älter und alt zu werden. Als berufli-che Risikogruppen gelten einfache Dienstleistun-gen, Gesundheitsberufe oder auch von manuellenTätigkeiten geprägte Berufsfelder. Zudem häufenältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inihrer Biografie verschiedenste Belastungssituatio-nen an. Kurz und knapp lässt es sich so auf denPunkt bringen: ›Schlechte Arbeit‹ und ›schlechteGesundheit‹ hängen zusammen und mit den Jah-ren fordern längerfristige Gesundheitsbelastungenihren Preis.Die Zahl der Älteren am Arbeitsmarkt wird aber

in den nächsten Jahren deutlich und unaufhaltsamzunehmen. Beide Effekte gemeinsam werden dafürsorgen, dass die Gesundheitsrisikogruppen amArbeitsmarkt an Größe zunehmen. Das ist ein Fak-tum, mit dem die Politik einen gestaltenden Um-gang finden muss und auf das sich Unternehmendringlich und unabwendbar einstellen müssen.

16BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

23 Vgl. Office for National

Statistics (2014), S. 5.

24 Vgl. Eurostat (2014b).

25 Siehe ›Methodische

Hinweise‹ (3), S. 27.

26 Siehe ›Methodische

Hinweise‹ (4), S. 27.

Abb. 5: Erwartung gesunder Lebensjahre bei Geburt nach Männern und Frauenim Vergleich ausgewählter europäischer LänderStand 2011

Quelle: Eurostat; eigene Darstellung

Männer

Frauen

75

70

65

60

55

50

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0

Schw

eden

Grie

chen

land

Irlan

d

Luxe

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Span

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Köni

grei

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k

Belg

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Italie

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ch

Port

ugal

Öst

erre

ich

Deut

schl

and

Finn

land

Tabelle 3: Anteil älterer sozialversicherungspflichtig Beschäftigter im Land Bremen nach BerufenStichtag 30. Juni 2013

Reinigungsberufe

Schutz-, Sicherheits-, Überwachungsberufe

Führer von Fahrzeug- und Transportgeräten

Gebäude- und versorgungstechnische Berufe

Lehrende und ausbildende Berufe

Rohstoffgewinn, Glas-, Keramikverarbeitung

Erziehung, soz., hauswirt. Berufe, Theologie

Berufe in Recht und Verwaltung

Bauplanung, Architektur, Vermessungsberufe

Techn. Entwickl. Konstr. Produktionssteuerung

Geistes-, Gesellschafts-, Wirtschaftswissensch.

Land-, Tier-, Forstwirtschaftsberufe

Berufe Unternehmensführung, -organisation

Metallerzeugung, -bearbeitung, Metallbau

Gartenbauberufe, Floristik

Finanzdienstl., Rechnungswesen, Steuerberatung

Alle Berufshauptgruppen

Darstellende, unterhaltende Berufe

Papier-, Druckberufe, techn. Mediengestaltung

Nichtmed. Gesundheit, Körperpfl., Med.tech.

Mechatronik-, Energie- und Elektroberufe

Lebensmittelherstellung und -verarbeitung

Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe

Verkehr, Logistik (außer Fahrzeugführ.)

Mathematik-, Biologie-, Chemie-, Physikberufe

Verkaufsberufe

Medizinische Gesundheitsberufe

Hoch- und Tiefbauberufe

Einkaufs-, Vertriebs- und Handelsberufe

Kunststoff- und Holzherstellung, -verarbeitung

Textil- und Lederberufe

Produktdesign, Kunsthandwerk

(Innen-)Ausbauberufe

Werbung, Marketing, kaufm. red. Medienberufe

Informatik- und andere IKT-Berufe

Geologie-, Geografie-, Umweltschutzberufe

Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe

Keine Zuordnung möglich

27,6%

24,0%

23,4%

22,7%

22,3%

22,0%

21,1%

20,8%

20,3%

20,2%

20,2%

19,8%

19,0%

18,2%

17,5%

17,4%

17,2%

17,1%

16,9%

16,6%

16,2%

15,9%

15,4%

15,2%

15,0%

14,9%

14,4%

14,3%

14,0%

13,9%

13,6%

13,0%

12,9%

11,4%

11,0%

9,5%

7,8%

2,8%

1,3%

4,0%

1,7%

2,4%

0,2%

4,5%

3,8%

0,9%

3,1%

0,2%

0,3%

12,6%

2,9%

0,5%

4,6%

100,0%

0,5%

0,6%

2,4%

3,2%

2,5%

7,5%

10,0%

0,7%

5,7%

7,3%

1,1%

3,1%

1,1%

0,4%

0,2%

1,0%

1,6%

2,3%

0,1%

2,6%

0,4%

47,2%

36,9%

39,8%

39,0%

32,5%

37,3%

37,1%

35,5%

36,5%

37,2%

35,1%

33,8%

33,1%

32,2%

32,9%

31,1%

31,1%

29,8%

27,6%

30,3%

28,8%

30,9%

31,6%

28,7%

29,3%

27,3%

27,7%

28,3%

25,8%

28,6%

24,3%

25,4%

25,5%

20,5%

21,3%

21,7%

15,3%

52,8%

63,1%

60,2%

61,0%

67,5%

62,7%

62,9%

64,5%

63,5%

62,8%

64,9%

66,2%

66,9%

67,8%

67,1%

68,9%

68,9%

70,2%

72,4%

69,7%

71,2%

69,1%

68,4%

71,3%

70,7%

72,7%

72,3%

71,7%

74,2%

71,4%

75,7%

74,6%

74,5%

79,5%

78,7%

78,3%

84,7%

Anteil derBeschäftigten55 Jahre und älter

Anteil derBeschäftigtenbis unter 50 Jahre

Anteil derBeschäftigten50 Jahre und älter

Anteil an der gesamtensozialvers.Beschäftigung

ausgeübte Tätigkeit nach der KldB* 2010;Berufshauptgruppen

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik; eigene Berechnungen und eigene Darstellung

*KldB = Klassifikation der Berufe

Lebensjahre

zu können.29 Bei der Auswahl der Berufsklassen –sie sind in diesem Kontext nicht gleichzusetzenmit dem Qualifikationsniveau einer abgeschlosse-nen Berufsausbildung – wurde darauf geachtet,dass die zugeordnete Zahl der sozialversichertBeschäftigten im Land Bremen eine relevanteGrößenordnung erreicht. Die Berufe sollten zudemfür die bremische Wirtschaftsstruktur relevantsein und exemplarisch für einen frauen- und einenmännerdominierten Bereich stehen. Untersuchtwurden die Berufsfelder ›Krankenschwestern, -pfleger‹ und ›Lager- und Transportarbeiter‹. Alsdrittes Tätigkeitsfeld wurde wegen der Auffällig-keiten in der Altersstruktur der Reinigungsbereichhinzugenommen.Die Abbildung 7 zeigt in den blauen Säulen, wie

sich der Anteil der ab 55-Jährigen an der Gesamt-beschäftigung im Land Bremen entwickelt hat.Erstmals sind hier auch die ab 65-Jährigen in dieBetrachtung einbezogen.

Branchen weisen ein mehr oder weniger stark dif-ferenziertes Spektrum von Qualifikationsniveausund Tätigkeiten auf, die arbeitsteilig organisiertsind. Die einzelnen Wirtschaftszweige werden dennoch von charakteristischen Berufsgruppen ge-prägt. Die Auswertung nach Wirtschaftszeigen und Alter ergibt deshalb ein zu den Berufsgruppen passendes Bild.Die mit Abstand ›jüngste‹ Branche ist im Land

Bremen das Gastgewerbe. 80 Prozent der Beschäf-tigten sind unter 50, nicht einmal jede/r Zehnte ist55 Jahre und älter. Erfahrungsgemäß arbeiten hierviele Jüngere wie beispielsweise Studierende. Auchauf dem Bau sind mit einem Anteil von 15 Prozenteher wenige Ältere beschäftigt. Hier gelten dieArbeitsbedingungen als überwiegend ungünstig,was sich in einer im Verhältnis zu anderen Wirt-schaftszweigen hohen Zahl von Arbeitsunfällen,Berufskrankheiten und Frühverrentungen nieder-schlägt.27 Besonders viele ältere Beschäftigte findensich dagegen im Grundstücks- und Wohnungswe-sen, gefolgt von der öffentlichen Verwaltung unddem Bereich Erziehung und Unterricht. Etwajede/r Vierte ist hier 55 Jahre und älter und die ab50-Jährigen wachsen schnell nach.

Berufe im Vergleich – eine Feinanalyse

Der grobe Überblick über die Altersentwicklungnach Branchen und Berufen im Land Bremendeckt sich mit feineren Analysen zur bundesweitenEntwicklung. Ab der Schwelle zum 55. Lebensjahrverändern sich die Erwerbsquoten über alle Berufs-klassen hinweg, wenn auch auf unterschiedlichemNiveau. Vor allem um das 60. Lebensjahr herum isteine Ausdifferenzierung der Erwerbstätigenquotennach Berufen zu beobachten.28 In dieser Altersgrup-pe üben Menschen mit einfachen und qualifizier-ten manuellen Tätigkeiten überdurchschnittlichhäufig ihren Beruf nicht mehr aus, während inhoch qualifizierten Berufen, aber auch in einfa-chen Dienstleistungstätigkeiten wie beispielsweiseder Raum- und Gebäudereinigung ihre Zahl relativstark bleibt.Um für das Land Bremen die Analyse zu vertie-

fen, werden im Folgenden exemplarisch drei Beru-fe nach ihrer Altersentwicklung näher untersucht.Dabei wurde die alte Berufsordnung (KldB 1988)zur Grundlage genommen, um Entwicklungenüber einen längeren Zeitraum bis 2011 darstellen

DER WERT DER JAHRE

19

len – im Land Bremen haben beispielsweise Tätig-keiten in der Land- und Forstwirtschaft traditionellkaum Bedeutung –, sind für die Gewichtung auchdie Anteile der Hauptgruppen an der gesamtensozialversicherungspflichtigen Beschäftigung imLand Bremen ausgewiesen. Die Spalte mit demAnteil der 50 Jahre und älteren Beschäftigten istaufgenommen, damit auch die rasch in die Gruppeder ab 55-Jährigen hineinalternden Beschäftigtensichtbar und die kommenden markanten Effekte durch die geburtenstarken Jahrgängeerkennbar werden.Die meisten Jungen und zugleich die wenigsten

Älteren arbeiten im Land Bremen in dem Segment,das den Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufenzugeordnet ist. Von den insgesamt 7.800 Beschäftig-ten sind 600 oder 7,8 Prozent 55 Jahre und älter.Die meisten Älteren und die wenigsten Jungen fin-den sich dagegen in den Tätigkeiten, die den Reini-gungsberufen zugerechnet werden. Obwohl Reini-gungsarbeiten als körperlich belastende und mitErkrankungsrisiken behaftete Tätigkeiten gelten,ist beinahe jede/r zweite Beschäftigte in diesemBereich 50 Jahre und älter, mehr als jede/r Vierteist älter als 55 Jahre.Nicht nur der Beruf, sondern auch das Qualifi-

kationsniveau spielt eine Rolle dabei, ob das Älter-werden in der Arbeit gut oder weniger gut gelingt.Wie im Bund, so bleiben auch im Land BremenAkademikerinnen und Akademiker länger imArbeitsprozess als Menschen mit beruflichemAbschluss und diese wiederum länger als Unge-lernte.

Die Kombination von höherem Alter und geringerQualifikation ist offenbar besonders ungünstig für Arbeitsfähigkeit und Beschäftigungschancen.Das Segment der Ungelernten ist das kleinste undzugleich jüngste am Arbeitsmarkt. Jede/r zweitegering qualifizierte Beschäftigte ist unter 30 Jahrenund nur ein verhältnismäßig kleiner Anteil gehörtzu der Gruppe ab 50 plus. Der Alterseffekt – alsoder kontinuierliche Rückzug aus der Beschäftigungmit steigenden Lebensjahren – fällt aber vergleichs-weise moderat aus. Die Gruppe der über 60-Jähri-gen bleibt in Relation zu den 50- bis 54-Jährigenrecht groß.Überdurchschnittlich stark ausgeprägt ist der

Alterseffekt dagegen bei den besonders qualifizier-ten Fachkräften (Meister- und Fachschulniveau)und den Beschäftigten mit abgeschlossener Berufs-ausbildung. Auf diesen Qualifikationsniveaus zie-hen sich besonders viele Ältere mit zunehmendemAlter aus dem Beruf zurück.Im Arbeitsmarktsegment der Akademikerinnen

und Akademiker macht sich dieses Phänomendeutlich weniger bemerkbar, die Gruppe ab 60 Jah-ren bleibt im Verhältnis zu den 50- bis 54-Jährigengut vertreten. Auch im Vergleich mit allen anderenQualifikationsniveaus lässt es sich in der Arbeits-welt am besten mit einer akademischen Tätigkeitälter werden. Die Konstellation von Belastungs-Ressourcen-Mix und Beschäftigungschancen in denspäten Berufsjahren scheint hier am günstigstenzu sein.

18BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Abb. 6: Anteil ausgewählter Altersgruppen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Berufsabschlussin Prozent, Stichtag 30.06.2013

ohne Berufsabschluss

akademischer Abschluss

abgeschlossene Berufsausbildung

Meister-/Techn./gleichw. Fachschulabschl.

2 4 6 8 10 12 14 16 1860–64 Jahre 55–59 Jahre 50–54 Jahre

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik; Sonderauswertung durch das Statistische Landesamt Bremen; eigene Berechnungen und eigene Darstellung

27 Vgl. BAuA (2014).

28 Vgl. Brussig (2010).

29 Siehe ›Methodische

Hinweise‹ (5), S. 27.

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15

10

5

0

Abb. 7 Anteile ausgewählter Altersgruppen sozialversiche-rungspflichtig Beschäftigter an der Gesamtbeschäftigung im Land Bremen und ausgewählten Berufsklassen*

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung, eigene Berechnungen und eigene Darstellung

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Prozent

Krankenschwestern, -pfleger 55 bis unter 60 Jahre

Lager- und Transportarbeiter

Raum- und Hausratreiniger

*Nach der Klassifikation der Berufe 1988, jeweils zum Stichtag 30. Juni

65 Jahre und älter

61bis unter 65 Jahre

nur wenige Junge nachwachsen. Die Krankenpflegehat es offensichtlich verpasst, für einen ausreichen-den Fachkräftenachwuchs zu sorgen. Der Berufkann deshalb als demografisch alt gelten. Zugleichschreitet der Alterungsprozess sehr schnell voran.Bereits in etwas mehr als fünf Jahren wird die zah-lenstärkste Beschäftigtengruppe zwischen 55 und65 Jahre alt sein. Die Arbeit in der Pflege gilt alszeitlich, körperlich und psychisch sehr belastend.Frauen in dieser Berufsgruppe tragen das höchsteRisiko für eine Erwerbsminderung, wie TatjanaMika vom Forschungsdatenzentrum der DeutschenRentenversicherung nachweist. Dabei schnellt dasRisiko erst im Alter ab Mitte 50 deutlich in dieHöhe.30 Möglicherweise lässt sich der Anstieg derÄlteren ab dem Jahr 2003 darauf zurückführen,dass es erkrankten Beschäftigten nach den Refor-men der Erwerbsunfähigkeitsrente weniger gutgelingt, sich aus dem Arbeitsprozess zurückzuzie-hen. Im DGB-Index Gute Arbeit halten es nur viervon zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

DER WERT DER JAHRE

21

Die Linien vollziehen die Entwicklungen in dendrei ausgewählten Berufsgruppen nach. Bei denstark konjunkturabhängigen Lager- und Transport-arbeitern verläuft der Anstieg des Anteils der Älte-ren mit drei Prozentpunkten moderat und wesent-lich ähnlich wie bei der Gesamtheit der Beschäftig-ten. Die Krankenpflegeberufe kommen von einemniedrigen Niveau über 55-Jähriger, erreichen abermit einem deutlichen Zuwachs ab 2005 fast dasLevel der Lager- und Transportarbeiter. Die Reini-gungsberufe weisen den vergleichsweise höchstenAnteil an älteren Beschäftigten auf mit der zu-gleich größten Steigerung. Schon 1999 haben sieeinem beachtlich hohen Ausgangspunkt von älte-ren Beschäftigten, mit einem Anstieg um sechs Pro-zentpunkte ist der Aufwärtstrend zudem am stärk-sten ausgeprägt. 2011 sind 28 Prozent der sozialver-sichert Beschäftigten 55 Jahre und älter.Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen

Berufsfelder näher betrachtet.Zu den ›Krankenschwestern/-pflegern‹ (Berufs-

klasse 853) zählen Einzelberufe wie Gesundheits-und Krankenpflegerin/-pfleger allgemein, Fachkran-kenschwestern/-pfleger, Hebammen und unterrich-tende Pflegefachkräfte. Die Berufsklasse repräsen-tiert in dieser Untersuchung zugleich die gut qualifizierten, semiprofessionellen Tätigkeiten. AlsKrankenschwestern/-pfleger sind im Land Bremenbeinahe drei Prozent der sozialversicherungspflich-tigen Beschäftigten tätig. Im Jahr 2011 waren das8.200 Menschen, davon waren 7.000 oder 85 Pro-zent Frauen. Die Teilzeitquote betrug 44 Prozent. Die Zahl der gesamten Beschäftigten stieg von

1999 bis 2011 mit leichten Schwankungen um elfProzent. Die Gruppe der Älteren wuchs im selbenZeitraum um 150 Prozent. 2011 ist sie bereits 1.040Menschen stark. Dabei nehmen die Jahrgänge biseinschließlich 60 Jahren am deutlichsten zu. Dasspricht dafür, dass der Alterungseffekt insbesonde-re darauf zurückzuführen ist, dass die beschäftig-ten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer älterwerden und im Verhältnis sehr wenige Jüngerenachwachsen. Ab 62 Jahren bleiben nur wenigePflegekräfte im Beruf.Zu den ›Lager- und Transportarbeitern‹ (Berufs-

klasse 744) gehören auch Verlader und Gütertrans-porteure. Die Berufsklasse repräsentiert hier dieeinfachen und qualifizierten manuellen Tätigkei-ten. Im Land Bremen sind ihr gut drei Prozent dersozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zuge-

ordnet. Im Jahr 2011 waren das 9.800 Menschen,davon waren 8.500 oder 86 Prozent Männer. DieTeilzeitquote betrug 14 Prozent. Die Zahl dergesamten Beschäftigten stieg von 1999 bis 2011 um36 Prozent. Die Gruppe der Älteren wurde im sel-ben Zeitraum um 86 Prozent größer. 2011 ist sie1.320 Menschen stark. Die Zunahme ist gleich-mäßig auf alle Altersjahrgänge verteilt. Auffallendist, dass es über den Zeitverlauf gleichbleibendwenige 62- bis 64-Jährige in diesem Berufsfeld gibt.Das heißt, dass die etwas jüngeren Jahrgänge nichtgeschlossen in die nächsthöhere Jahrgangsgruppehineinaltern, sondern ein Teil aus dem Beruf aus-scheidet. Bemerkenswert ist zudem die große Grup-pe der über 65-Jährigen, die in der Spitze (2001)nahezu 1,8 Prozent aller Beschäftigten ausmacht.Zu den ›Raum- und Hausratreinigern‹ (Berufs-

klasse 933) gehören neben den Raumpflegerinnenund Raumpflegern auch Geschirr- und Besteck-reinigerinnen. Die Berufsklasse repräsentiert hiereinfache manuelle Tätigkeiten. Ihr sind im LandBremen etwa zwei Prozent der sozialversicherungs-pflichtigen Beschäftigten zugeordnet. Im Jahr 2011waren das 6.200 Menschen, davon waren 5.500oder 88 Prozent Frauen. Die Teilzeitquote betrug 76 Prozent.Die Zahl der Beschäftigten reduzierte sich insge-

samt in diesem Bereich von 1999 bis 2011 um achtProzent. Die Gruppe der Älteren wurde im selbenZeitraum um 19 Prozent größer. 2011 ist sie 1.740Menschen stark. Die Anteile der einzelnen Alters-jahrgänge ab 55 Jahren sind in Relation zu denanderen beiden Berufsfeldern sehr viel stärker, dieZunahme ist gleichmäßig verteilt. Auffallend istauch hier, dass es über den Zeitverlauf gleichblei-bend etwas wenige 62- bis 64-Jährige gibt und die Gruppe der über 65-Jährigen tendenziell gleich-bleibend groß bleibt.In allen drei Berufsfeldern hat der Anteil der

älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerzugenommen. Dabei kommt der demografischenEntwicklung, den Arbeits- und den Arbeitsmarkt-bedingungen und schließlich der Rentenpolitikunterschiedliche Bedeutung zu.Am markantesten tritt das Muster, das die ge-

burtenstarken Jahrgänge am Arbeitsmarkt hinter-lassen haben, bei den Krankenpflegeberufen hervor.Die Welle der Babyboomer wandert in diesemBerufsfeld mit deren Älterwerden als stabile Grup-pe weiter nach rechts. Auffallend ist, dass danach

20BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

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16

12

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02011 1999

Abb. 8: Anteile ausgewählter Altersgruppen sozialversicherungspflichtig Beschäftigter in ausgewählten Berufsklassen* im Land Bremen in Prozent

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung, eigene Berechnungen und eigene Darstellung

Krankenschwestern/-pfleger

Lager- und Transportarbeiter

Raum- und Hausratreiniger

55 Jahre

56 Jahre

57Jahre

58 Jahre

59 Jahre

60 Jahre

61 Jahre

62 Jahre

63 Jahre

64 Jahre

65 Jahre und älter

2011 1999 2011 1999

* Nach der Klassifikation der Berufe 1988, jeweils zum Stichtag 30. Juni

in Gesundheitsberufen für wahrscheinlich, dass sie in ihrer Tätigkeit bis zur Rente werden durch-halten können.Auch bei den Lager- und Transportarbeitern

ist die Dominanz der geburtenstarken Jahrgängegut erkennbar. Die Nachwuchssicherung ist hierjedoch besser gelungen. Das Berufsfeld altert mo-derater und demografiekonform, das heißt, dieAnzahl der Älteren steigt ähnlich wie in der Bevöl-kerung kontinuierlich. Die Arbeit in diesem Feldgilt als körperlich sehr belastend. Männer in ein-fachen manuellen Berufen haben gegenüber derGesamtheit der Beschäftigten einen signifikantschlechteren Gesundheitszustand und die Krank-heitsrisiken steigen mit zunehmendem Alter.31 Einmöglicher Deutungsansatz für das gleichbleibendeAnsteigen des Anteils Älterer in allen Altersjahrgän-gen könnte sein, dass Beschäftigte kaum Möglich-keiten für sich sehen, sozial gesichert vorzeitig ausdem Arbeitsprozess auszuscheiden.

30 Vgl. Mika (2013), S. 395.

31 Vgl. Hasselhorn/Rauch

(2013).

Auch im Land Bremen hat sich die Erwerbstätig-keit im Rentenalter von einer seltenen Rander-scheinung zu einer Lebensrealität von einer zwarkleinen, aber doch nennenswerten und wachsen-den Gruppe entwickelt. 2013 hat sich allein dieZahl der Beschäftigten über 65 Jahre – die Selbst-ständigen und mithelfenden Familienangehörigenwerden aus dieser Betrachtung ausgenommen –gegenüber 2001 etwa verdoppelt und die Markeder 10.000 erreicht. Rund ein Viertel war sozialver-sichert beschäftigt, die überwiegende Mehrheit derArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Renten-alter verdiente sich mit einem Minijob etwas dazu.Ein Blick auf die prozentualen Anteile der

Beschäftigten an den entsprechenden Altersgrup-pen in der Wohnbevölkerung macht deutlich, dasssich der Zuwachs nicht allein auf demografischeUrsachen zurückführen lässt. Immer mehr ›jungeAlte‹, aber auch ›ältere Alte‹ im Land Bremengehen arbeiten. Bemerkenswert ist der Anstieg derZahl und der Beschäftigungsquote in den Alters-gruppen der 70- bis 74-Jährigen. Etwa jede/r Drei-zehnte ist in dieser Altersgruppe noch beschäftigt.Selbst die Anzahl der Beschäftigten ab 75 Jahrenist über die Jahre deutlich angestiegen.

Erwerbsminderungsrente abgebaut und in derAltersrente neue erreichbare Möglichkeitengeschaffen werden, bei einer vernünftigen Renten-höhe vorzeitig aus dem Arbeitsprozess auszuschei-den. Für den Pflegebereich gilt: Ganz unabhängigvom viel zitierten Fachkräftemangel muss dring-lich mehr ausgebildet werden, damit die Arbeitsbe-lastungen gleichmäßiger auf junge und ältereSchultern verteilt werden können.

Die Silver Workers – aktiv altern oder arbeiten bis zum bitteren Ende?

Bisher hat sich der Beitrag auf die Gruppe der Älte-ren am Arbeitsmarkt zwischen 55 und bis 64 Jah-ren – und wegen der Rente mit 67 ab dem Jahr2012 bis 65 plus x Monaten – vor dem Regelrenten-alter konzentriert. Durch die Detailanalyse derAltersentwicklungen in einzelnen Berufen hat sichgezeigt, dass es Beschäftigte gibt, die weit jenseitsdieser Altersgrenze noch im Arbeitsprozess sind.Erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner sind einenoch kleine, aber stark wachsende Gruppe amArbeitsmarkt, die zunehmendes Interesse weckt.So ist die EU-Kommission besorgt, dass der Über-gang der Babyboomer in den Ruhestand ›gewaltigeAuswirkungen auf die Zukunft von Arbeitsplätzenund Wachstum in der EU‹ haben wird. Dem solldas Paradigma des ›aktiven Alterns‹ als Teil dereuropäischen Leitstrategie ›Europa 2020‹ entgegen-wirken, indem Ältere dazu angehalten werden sol-len, ›mit ganzer Kraft ihren Beitrag innerhalb undaußerhalb des Arbeitsmarkts zu leisten‹34. Selbstnach dem Renteneintritt ist die Arbeitsmarktge-schichte der Generation der Babyboomer also nochnicht zu Ende erzählt, die Arbeitswelt soll sie auchim Ruhestandsalter noch nicht loslassen.Bereits heute gibt es eine nennenswerte Zahl

erwerbstätiger Menschen jenseits der Regelalters-grenze. Und sie steigt. Zwischen 2001 und 2011 hat sich ihre Zahl bundesweit auf rund 760.000verdoppelt. In keiner anderen Altersgruppe ist dieZuwachsrate so hoch. Im europäischen Vergleichliegt Deutschland damit bei der ›Alterserwerbs-tätigkeit nach der Rente‹ etwas unter dem Durch-schnitt. Etwa die Hälfte der Erwerbstätigen ist als Selbstständige oder mithelfende Familienan-gehörige tätig, die andere Hälfte sind Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer.35

DER WERT DER JAHRE

23

Die Reinigungsberufe können als demografischsehr alt und moderat alternd gelten. Anders ausge-drückt: Das Segment altert nicht übermäßig, weiles schon alt ist. Es zählt zu den sogenannten ›Jeder-mannsberufen‹ mit geringen Arbeitsplatzanforde-rungen und hoher Arbeitsmarktdynamik, die aufeinen niedrigschwelligen Zugang hinweist. Daskann als eine der Ursachen dafür gesehen werden,dass der Reinigungsbereich für ältere BeschäftigteArbeitsmarktgelegenheiten bietet, die sie anderswonicht finden. Denn offenbar rücken hier Älterenach, wenn noch Ältere ausscheiden. Die größtenGruppen sind über die Jahre hinweg konstant zwischen 45 und 60 Jahre alt. Die Arbeitsplätze indiesem Tätigkeitsfeld gelten als sehr belastend.Ganz besonders hohe Krankheitslasten tragen Frau-en im Alter von 55 bis 64 Jahren, weshalb die Rei-nigungsberufe für diese spezifische Gruppe sogarals gesundheitlich extrem belastend beurteilt werden.32 Nach der Repräsentativumfrage des DGB-Index Gute Arbeit 2012 rechneten 59 Prozent derReinigungskräfte nicht damit, unter den gegebe-nen Umständen bis zur Rente durchhalten zu kön-nen, obwohl sie mehrheitlich zu den Jahrgängengehören, bei denen das Renteneintrittsalter in zeit-lich erreichbarer Nähe liegt. Möglicherweise kön-nen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in solchen einfach strukturierten Arbeitsmarktseg-menten den Weg der Erwerbsminderung nicht invergleichbarem Ausmaß nutzen wie in anderenBereichen.33 Zusammengenommen sind dies deut-liche Hinweise auf ein dramatisch hohes Maß an›Arbeit bei schlechter Gesundheit‹ im Reinigungs-bereich.Alle drei Berufe gelten als besonders belastend

und weisen eine erhöhte Krankheitslast auf. Es istdavon auszugehen, dass ›Arbeiten bei schlechterGesundheit‹ zu den betrieblichen Realitäten gehört.Die Feinanalyse ermöglicht es, Handlungsbedarfezu identifizieren.So müssen auf der betrieblichen Ebene Arbeits-

umfeld und -organisation konsequent auf dieschon alten und noch älter werdenden Belegschaf-ten ausgerichtet werden. Darüber hinaus müssenInterventions- und Entlastungsmöglichkeiten für die absehbar steigende Zahl der Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer geschaffen werden, diemit wachsenden Krankheitsrisiken und ›beischlechter Gesundheit‹ weiterarbeiten müssen. Ren-tenpolitisch müssen Hürden für den Zugang zur

22BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

1.600

1.400

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1.000

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0

Abb. 9: Ausgewählte Altersgruppen sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigter im Land Bremen

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung,eigene Berechnungen und eigene Darstellung

1999 2011

Krankenschwestern/-pfleger

Lager- und Transportarbeiter

Raum- und Hausratreiniger

unter 20

20 bisunter25

45 bisunter50

40 bisunter45

35 bisunter40

65undälter

55 bisunter60

50 bisunter55

30 bisunter35

25 bisunter30

60 bisunter65

Nach der Klassifikation der Berufe 1988, jeweils zum Stichtag 30. Juni

Alter in Jahren

1.600

1.400

1.200

1.000

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600

400

200

0

1.600

1.400

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1.000

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9.000

8.000

7.000

6.000

5.000

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3.000

2.000

1.000

0

Abb. 10: Beschäftigte ab 65 Jahren nach Altersgruppen und Beschäftigungsform im Land Bremen jeweils zum Stichtag 30. Juni

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung, eigene Berechnungen und eigene Darstellung

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

65 bis unter 70 Jahre geringfügig Beschäftigte

65 bis unter 70 Jahre sozialversicherungspflichtig Beschäftigte

70 bis unter 75 Jahre geringfügig Beschäftigte

70 bis unter 75 Jahre sozialversicherungspflichtig Beschäftigte

75 Jahre und ältergeringfügig Beschäftigte

75 Jahre und ältersozialversicherungspflichtig Beschäftigte

32 Vgl. Burr et al. (2013),

S. 355.

33 Vgl. Hasselhorn/Rauch

(2013), S. 341.

34 Europäische Kommission

(2012), S. 3.

35 Vgl. Brenke (2013).

beruflichen Bildungsabschluss auf.43 So haben wires auf der einen Seite mit sehr gut qualifiziertenMenschen zu tun, die voraussichtlich aufgrundgünstigerer früherer Arbeitsbedingungen wenigerKrankheitslast tragen und bei guter Gesundheiteiner für sie interessanten Tätigkeit nachgehen.Mitunter werden sie auch von ihrem Unternehmengebeten zu bleiben oder zurückgerufen.44 Auf deranderen Seite haben wir eine bedenkenswerte Zahlvon Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ineinem hohen Alter vor uns, die einfachen manuel-len Tätigkeiten nachgehen, an Arbeitsplätzen, dieals besonders belastend gelten und besonders fürÄltere mit weiterer Krankheitslast und zusätzli-chen Gesundheitsrisiken verbunden sind. Ihre Zahlsteigt und diese Tendenz wird sich absehbar ver-stärken. Denn die Effekte von unterbrochenenErwerbsbiografien, prekärer Beschäftigung, Nied-riglöhnen und sinkendem Rentenniveau werdenerst bei den nun kommenden Rentengenerationenin aller Deutlichkeit zutage treten.Unterdessen verändert sich das Verhältnis von

Alter, Ruhestand und Arbeit. Der Ruhestand alslange, eigenständige und erfüllende Lebensphasejenseits der Arbeitswelt erfährt einen diskursivenBedeutungswandel, während der strukturelle undder politische Druck wachsen, auch in noch höhe-rem Alter weiter produktiv zu sein. Umso mehrmüssen die Fragen nach freier Wahl, selbstbe-stimmter Entscheidung und schließlich nach derErwartung gesunder Jahre in den Fokus rücken.Der Diskurs könnte eine Akzentverschiebung hinzum ›guten Leben‹ vertragen – will heißen mehrAutonomie, Lebenszufriedenheit, Gesundheit und schließlich ›gute Arbeit‹ – für die Zeit vor undnach dem Wechsel in den Ruhestand.

Ein kurzes Fazit – Ignoranz bringt uns nicht weiter

Es ist offensichtlich, dass der nach hinten verscho-bene Ruhestand politisch von anderen Aspektengesteuert worden ist als vom Gesundheitszustandder älteren Beschäftigten. Das Ziel der Renten- undder Arbeitsmarktpolitik unter verschiedenen Bun-desregierungen ist es, die geburtenstarken Jahr-gänge möglichst lange im Erwerbsleben zu halten.In den kommenden Jahren wird der Arbeits-

markt davon geprägt sein, dass die Gruppe der

dürfte es sich wirtschaftlich allenfalls in geringemUmfang lohnen, eine Arbeit aufzunehmen.Die Voraussetzung für eine Beschäftigung im Ren-tenalter ist ein passendes Arbeitsplatzangebot. DasRanking der Tätigkeitsfelder zeigt auch, dass sichgerade in wenig strukturierten Arbeitsmarktseg-menten Gelegenheiten für alte Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer bieten. Möglicherweise fungie-ren sie als Arbeitsmarktreserve, die für schlechtabgesicherte Tätigkeiten zur Verfügung steht, weilder Existenzdruck hoch und der Job zugleich nichtdie einzige Einkommensquelle ist. Der Median desBruttostundenlohns liegt bei abhängig Beschäftig-ten ab 65 Jahren bei 8,89 Euro pro Stunde.41 Dabeiist zu bedenken, dass in die Berechnungen diesesWerts auch die Gruppe der Ruheständler mit aka-demischen Qualifikationen eingehen, die ebenfallsnachgefragte Kräfte sind. Denn am anderen Pol der Qualifikationsniveaus ragen bei den Beschäftigtenab 65 Jahren die angestellten Geschäftsführungenoder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler imRentenalter heraus.42 Die Beschäftigungsstatistikfür das Land Bremen weist ähnliche Trends auf wiedie in der Tabelle 4 ausgewiesenen bundesweitenBefunde aus der Studie des DIW.Der Arbeitsmarkt für Rentnerinnen und Rent-

ner erscheint zwischen diesen beiden Polen gespal-ten: Die Gruppe der Erwerbstätigen ab 65 Jahrenweist den höchsten Anteil an Promotionen, aberauch den höchsten Anteil an Menschen ganz ohne

DER WERT DER JAHRE

25

Auf die Veröffentlichung der bundesweit wachsen-den Zahl der arbeitenden Rentnerinnen und Rent-ner reagierten die Medien mit Schlagzeilen wie›Malochen bis zum Tod‹ und stellten einen engenZusammenhang zur wachsenden Altersarmut her.36

Neuerdings wird medial eher die Sinngebungbetont, die die ›Silver Agers‹ in ihrer Arbeit fän-den.37 Tatsächlich ist über die wachsende Gruppeder Beschäftigten im Rentenalter und ihre Motiv-lagen wenig bekannt. Das von der Hans-Böckler-Stiftung beauftragte Forschungsprojekt ›Erwerbs-tätigkeit trotz Rente? Beschäftigte, Betriebe undAlterssicherung‹ am Institut Arbeit und Qualifikati-on der Universität Duisburg-Essen versucht dieseForschungslücke zu schließen.38 Es ist davon auszu-gehen, dass die individuellen Gründe der arbeiten-den Rentnerinnen und Rentner zwischen ökono-mischen Interessen und dem Wunsch nach aktiverLebensgestaltung changieren. Dabei stellt sich vorallem die Frage der Freiwilligkeit. Arbeiten Rentne-rinnen und Rentner, weil sie sich noch fit genugfühlen, unter Leute wollen und Spaß an der Arbeithaben, vielleicht auch nur vorübergehend, um sichetwas Besonderes leisten zu können? Oder tun siees aus finanzieller Not, weil die Rente sonst nichtzum Leben reicht oder der bisherige Lebensstan-dard nicht annähernd zu halten wäre?Nach einer Untersuchung von Karl Brenke vom

Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)sind alte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmeroft als Reinigungskräfte, Bürokräfte, Verkäuferin-nen/Verkäufer, Hausmeisterinnen/Hausmeister,Kraftfahrerinnen/Kraftfahrer, im Verkauf oder alsLagerarbeiterinnen/Lagerarbeiter tätig.39 Es steht zuvermuten, dass bei diesen beruflichen Tätigkeitenökonomische Gründe im Vordergrund stehen.Bestätigt wird diese Annahme durch eine Analysevon Carola Burkert und Daniela Hochfellner vomInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.Ihre Befunde zeigen, dass ein Großteil der arbeiten-den Rentnerinnen und Rentner ihre frühereErwerbstätigkeit nahtlos fortsetzt. Die Wahrschein-lichkeit des Weiterarbeitens nach der Rente istumso größer, je niedriger die Rente ausfällt.40

Dabei ist zu bedenken, dass Einkünfte aus Arbeitauf die bedarfsgeprüfte Grundsicherung angerech-net werden, mit der Menschen mit besonders nied-riger Rentenhöhe ihr Einkommen auf das Existenz-minimum aufstocken können. Für diese Gruppe

24BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

10.000

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7.000

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1.000

0

Abb. 11: Beschäftigungsentwicklung der über 65-Jährigen im Land Bremen

Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Bevölkerungsfortschreibung (auf Grundlage des Zensus 2011 mit Stand vom 31.12.2012); Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik; Berechnungen durch BIAJ, eigene Darstellung

Abb. 12: Anteil der Beschäftigten im Land Bremen an der Wohnbevölkerung von 65 bis unter 75 Jahren

Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Bevölkerungsfortschreibung (auf Grundlage des Zensus 2011 mit Stand vom 31.12.2012); Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik; Berechnungen durch BIAJ, eigene Darstellung

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Beschäftigte 75 Jahre und älter

Beschäftigte 70 bis unter 75 Jahre

Beschäftigte 65 bis unter 70 Jahre

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01999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Prozent

65 bis unter 70 Jahre

70 bis unter 75 Jahre

Rang

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Beruf

Gebäudereinigerinnen/-reiniger, Raumpflegerinnen/-pfleger

Bürofachkräfte, kaufmännische Angestellte

Berufskraftfahrerinnen/-fahrer

Hausmeisterinnen/-meister, Hauswarte

Verkäuferinnen/Verkäufer, Fachverkäuferinnen/Fachverkäufer

Lager-, Transportarbeiterinnen/-arbeiter

Geschäftsführende

Buchhalterinnen/Buchhalter

Bürohilfskräfte

Köchinnen/Köche

Seelsorge-, Kulturhelfer, Ordensleute

Hochschullehrerinnen/-lehrer und verwandte Berufe

Hauswirtschaftliche Gehilfen

Wächter, Aufseherinnen/Aufseher

Ärztinnen/Ärzte

Tabelle 4: Häufigste Berufe von Beschäftigten ab 65 Jahren im Jahr 2009

Quelle: DIW Wochenbericht Nr. 6.2013

36 Vgl. Lauerer (2009);

Focus (2011).

37 Vgl. Die Welt (2014).

38 Laufzeit vom 01.11.2012

bis 31.10.2014, nähere

Informationen siehe unter

https://www.uni-due.de/

soziologie/

schmitz_projekte.php

39 Vgl. Brenke (2013), S. 8.

40 Vgl. Burkert/Hochfellner

(2014).

41 Vgl. Brenke (2013), S. 9.

42 Vgl. Brenke (2013), S. 8.

43 Vgl. Erwerbstätigkeit und

Rente (2014).

44 Vgl. Sigge (2014).

DER WERT DER JAHRE

2726BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Die Erhebung deckt eine große Bandbreite vonThemen ab wie Arbeitsorganisation, Arbeitszeit,Chancengleichheit, Ausbildung, Gesundheitund Wohlbefinden sowie Arbeitszufriedenheit.Der Survey ermöglicht zudem die Differenzie-rung nach einzelnen Ländern, Geschlecht undschließlich auch nach Alter. Er bietet dadurchvielfältige Einsichten in die Erfahrungen, dieeuropäische Arbeitsnehmerinnen und Arbeit-nehmer in ihrem Arbeitsleben machen und wiesie damit umgehen; mehr Informationen siehehttp://www.eurofound.europa.eu/working/surveys/

3 Die Analyse stellt den Beschäftigungsstand inaggregierten Alterskohorten zu einem bestimm-ten Stichtag dar. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass in der Beschäftigtenstatistik für die Klassifikationen der Wirtschaftszweige undBerufe jeweils gänzlich neue Konzepte ent-wickelt worden sind. Die Daten aus vorherigenErhebungszeiträumen sind deshalb nicht mehrvergleichbar. Es wurde deshalb für die Struktur-analyse nach Branchen auf längere Zeitreihenverzichtet. Für die Analyse nach Berufen wurdedagegen auf das letztmögliche Datum des altenErhebungskonzepts zurückgegriffen.

4 Die Klassifikation der Berufe (KldB) gliedert inder Beschäftigtenstatistik die beruflichen Tätig-keitsfelder und ordnet die einzelnen Beschäftig-ten jeweils den zugehörigen Berufsgruppen zu. Die KldB 2010 untergliedert Berufe undTätigkeiten auf fünf Ebenen. Die erste Ebenebesteht aus zehn Berufsbereichen, die auf derzweiten Ebene in 37 Berufshauptgruppen, aufder dritten Ebene in 144 Berufsgruppen undschließlich auf der vierten Gliederungsebene in700 Berufsuntergruppen unterteilt sind. Aufder untersten Ebene erfolgt eine Untergliede-rung nach einer zweiten Dimension, dem›Anforderungsniveau‹, das die Komplexität derauszuübenden Tätigkeit abbilden soll. Insge-samt sind auf der fünften Gliederungsebenerund 24.000 Berufs- und Tätigkeitsbezeichnun-gen zugeordnet.

5 Seit dem Jahr 2012 gilt eine neue amtlicheBerufsklassifikationen (KldB 2010). Alle vorher-gehenden Entwicklungen in einzelnen Berufs-feldern können deshalb ab 2012 nicht mehrdargestellt werden.

1 Die Arbeitsmarktentwicklungen werden mitverschiedenen Konzepten und auf unterschied-licher Datengrundlage erhoben. Die Europä-ische Union und das Statistische Bundesamt folgen dem international vergleichbarenLabour-Force-Konzept der International LabourOrganization (ILO). Erwerbstätig im Sinne die-ses Konzepts ist jeder Mensch ab 15 Jahren, derim jeweiligen Berichtszeitraum gegen ein Ent-gelt gearbeitet hat und sei es auch nur für eineStunde in der Woche. Dazu zählen auch Selbst-ständige, mithelfende Familienangehörige undBeamtinnen/Beamte. Anders zählt die Beschäf-tigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit,die nur abhängige Beschäftigung erfasst undihre Daten aus den Meldungen der Arbeitgeberan die Sozialversicherungsträger gewinnt. Siewird hier im Weiteren zur Grundlage genom-men, weil der Fokus dieses Beitrags auf denArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern imLand Bremen liegt. Die Beschäftigungsquotemisst den Anteil der sozialversicherungspflich-tig Beschäftigten an der entsprechenden Grup-pe in der Wohnbevölkerung, ist also kleiner als die Erwerbstätigenquote. Weil geringfügigBeschäftigte nicht sozialversichert sind, gehenauch sie nicht in die Berechnung der Beschäf-tigungsquote ein.

2 Der European Working Conditions Survey wirdvon der Europäischen Stiftung zur Verbesse-rung der Lebens- und Arbeitsbedingungen(European Foundation for the Improvement ofLiving and Working Conditions – Eurofound)durchgeführt. Eurofound ist eine von der EUKommission, den europäischen Gewerkschaftenund Arbeitgeberverbänden gegründetes For-schungsnetzwerk, das wissenschaftliche Exper-tisen zur Verbesserung der Lebens- und Arbeits-bedingungen in Europa zur Verfügung stellt.Die Erhebung über die Arbeitsbedingungen inEuropa findet seit 1991 statt und wird in einemFünfjahreszyklus wiederholt, so dass kritischeFaktoren und Entwicklungen über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt werden kön-nen. Im Jahr 2010 wurden die Ergebnisse der 5. Befragungswelle vorgelegt, die tief gehende Einblicke in die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in 31 europäischen Ländern ermöglicht.

Methodische Hinweise

Älteren unaufhaltsam wächst. Daraus ergibt sichdie drängende Frage nach den Konsequenzen fürdie einzelnen älteren Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer, für Unternehmen und schließlichauch für die Politik.Dabei muss das gesellschaftliche Ziel sein, dass

Beschäftigte das gesetzliche Renteneintrittsaltergesund erreichen können und im Ruhestand mate-riell abgesichert sind. Nichts spricht gegen einTätigsein nach der Rente als frei gewählte Optionder Lebensgestaltung, aber alles gegen die Weiter-arbeit im Alter aus finanzieller Not. Auf die Politikwartet hier ein komplexes politisches Handlungs-feld dringend darauf, bearbeitet zu werden. Es wirddafür einen koordinierten Politikansatz zwischenArbeitsmarkt-, Gesundheits- und Rentenpolitikbrauchen. Dabei reicht die Palette von mehrArbeitsplatzsicherheit, mehr Zeitsouveränität (bei-spielsweise Teilzeitarbeit mit Rückkehrmöglich-keiten), Gesundheitsschutz und gesundheitlichePrävention mit dem spezifischen Blick auf Ältere,der auch das Arbeiten mit (chronischer) Krankheitberücksichtigt, und schließlich einer Rentenpolitik,die individuelle Lebensstandards auch bei einemfrüheren Renteneintritt sichert. Denn es fehlenakzeptable Optionen für Einzelne und vielleichtsogar für Gruppen, die ein vorzeitiges oder teilwei-ses Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsprozessermöglichen.Unternehmen werden zunehmend investieren

müssen, um die Arbeitsfähigkeit ihrer Beschäftig-ten zu erhalten. Dazu müssen sie ab sofort ihre Per-sonalpolitik, Arbeitsorganisation und Personalein-satzplanung auf die rasch wachsende Zahl ältererMitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen und inder gesundheitlichen Prävention für diese Gruppeaktiv werden. Die Politik muss die Rahmenbedin-gungen dafür schaffen, notfalls per Gesetz. Arbeit-geber und Politik gemeinsam müssen schließlichdazu beitragen, dass genügend Jüngere ausgebildetund qualifiziert werden, damit sie nachrücken unddie Älteren entlasten können.Bei all dem sollte der Aspekt der ›gesunden

Lebenserwartung‹ stärker in den diskursiven Fokusrücken. Denn individuell und gesellschaftlich sindes die ›gesunden Jahre‹, auf die es ankommt.

DER WERT DER JAHRE

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3130BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 INTERVIEW

31

Vollgas bis zum letzten Arbeitstag Rainer Pflaumbaum

Wenn Rainer Pflaumbaum im Dezember 1985 wie geplant zum Soli-daritätseinsatz nach Nicaragua gegangen wäre, dann würde er seine45 Arbeitsjahre nicht zusammenbekommen, um mit 63 Jahren inRente zu gehen. Ironie der Revolutionsgeschichte, könnte man sagen.Aber statt dem Ruf der Revolution folgte er dem Tipp eines Kollegenund fuhr mit VW-Bus, Friedenstaube und langen Haaren auf das Bremer VW-Gelände und wurde zu seinem eigenen Erstaunen alsVertriebsmitarbeiter eingestellt. Mittlerweile ist er zum Bezirksleiteraufgestiegen und kann in drei Jahren vorzeitig in den Ruhestandgehen. Bis dahin wartet aber noch eine Menge Arbeit auf ihn.››

30BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

R ALF LORENZENSoziologe und freier Journalist

Zum Gespräch treffen wir uns im kleinen Garten seines Hauses im Bremer Ostertor, daser zusammen mit seiner Frau bewohnt. DieUrlaubszeit steht bevor, die beiden planeneinen Wanderurlaub in Österreich.

Ralf Lorenzen: Können Sie sich noch an Ihrenersten Berufswunsch erinnern?

RAINER PFLAUMBAUM: Ich hatte keinen Traumbe-ruf. Meine Eltern führten einen kleinen Großhan-del für Kraftfahrzeugersatzteile, da habe ich als 14-Jähriger nach der Schule schon mitgearbeitet.Das waren die ersten beruflichen Prägungen – das Umgehen mit Menschen, das Verkaufen, das Handeln. Von daher hatte ich gar nicht so diesenFreiraum, mich nach der Schule zu fragen, was ich mit meinem zukünftigen Leben machen will.Ich war da gleich in so einer Spur drin.

Lorenzen: Wie war denn Ihr schulischer Weg?PFLAUMBAUM: Ich habe in Bremerhaven zunächstmeinen Realschulabschluss gemacht. Dann habenmeine Eltern versucht, mich in die kaufmännischeLinie zu drücken, aber einige Lehrer haben gesagt,dass ich Abitur machen solle. Nach langem Hinund Her waren meine Eltern damit einverstanden.Dann habe ich mein Abitur gemacht und michnebenbei politisiert. Ich bin für eine gerechtereWelt eingetreten – das war eine Wegentwicklungvon den Idealen meiner Eltern.

Lorenzen: Aber offensichtlich keine Weg-entwicklung von den beruflichen Prägungen,oder?

PFLAUMBAUM: Ein Lieferant des Betriebes meinerEltern hat mir einen Ausbildungsplatz angeboten.Das war eine Generalvertretung für Fichtel- undSachs-Produkte. Parallel dazu habe ich einen Stu-dienplatz im betriebswirtschaftlichen Bereichbekommen. Ich habe mich für die Lehre entschie-den, um danach zu sehen, welchen Weg ich weiter-gehe. Das hat dazu geführt, dass ich nach Bremenziehen musste. Hier habe ich mich sofort gewerk-schaftlich engagiert, bin in die HBV eingetretenund habe Funktionen übernommen. Ich habe indem Betrieb sowohl eine gewerkschaftliche Be-triebsgruppe als auch den Betriebsrat aufgebaut –

gegen die Interessen des Unternehmens. Ich wurdedann auch Betriebsratsvorsitzender und war da so stark involviert, dass ich von den StudienplänenAbstand genommen habe. Nach der Ausbildunghabe ich da als Sachbearbeiter in der AbteilungVerkauf gearbeitet. Ich merkte auch, dass ich sehrheimatverbunden bin und konnte mir nicht vor-stellen, meine neue Heimatstadt Bremen zu verlas-sen. Ich lebte zu der Zeit in einer Wohngemein-schaft mit einem großen Freundeskreis.

1985 ging die Firma in Konkurs und Pflaum-baum wickelte als Betriebsratsvorsitzenderden Betrieb ab – ohne vom Konkursverwalterdafür bezahlt zu werden. Anschließend fuhr erfür zwei Monate in Urlaub und kam mit demPlan zurück, für ein Jahr nach Nicaragua zugehen, wie es damals viele Bremer taten.

PFLAUMBAUM: Aber dann kam ein Tipp einesGewerkschaftskollegen, der bei einem Vertriebs-zentrum Weser-Ems von VW arbeitete: Die suchenjemanden für den Außendienst. Eigentlich hatteich mich zwar schon für Nicaragua entschieden.Aber der Kollege warnte mich vor einem einjähri-gen Bruch in der Arbeitsbiografie. Da ich es vomInnersten gar nicht wollte, bin ich unbeschwertmit meinem VW-Bus, Friedenstaube, Natojacke undlangen Haaren auf das Betriebsgelände gefahren.Nie und nimmer habe ich damit gerechnet, dassdie mich nehmen. In dem Großraumbüro, in demich landete, saßen alle mit Anzug und Krawatte –mich hielten die wohl für einen Botenjungen. Indem Vorstellungsgespräch mit der Führungskrafthabe ich zu meinem Auftreten gestanden – dasfand der wohl gut. Sie brauchten Außendienstlermit selbstbewusstem Auftreten. Drei Wochen spä-ter habe ich die Zusage bekommen, mir die Haareschneiden lassen und musste mir das erste Maleinen Anzug kaufen. Ich mochte gar nicht mehr in meine WG gehen. Nach einem halben Jahr habeich die neue Situation aber angenommen undhabe mich auch im neuen Kollegenkreis nichtmehr als Fremdkörper empfunden.

33INTERVIEW

33

Vollgas biszum letztenArbeitstag

tet hat und die Rente mit 63 bekommen kann, derhat ja nun wirklich ein langes Berufsleben hintersich. Es gibt mehrere Länder in Europa, wo dasschon lange gelebt wird. Ich habe mich da schlau-gemacht, um argumentativ gewappnet zu sein. Die Unternehmerseite hat ja einen unglaublichenDruck ausgeübt, um das Gesetz noch zu Fall zubringen. Angeblich sollte Deutschland daran ja ökonomisch zerbrechen. Unter meinen Kollegengab es keinen, der das Gesetz nicht nachvollziehbarfand – unabhängig davon, ob sie es selbst machen.Viele jüngere Kollegen sagen, dass sie das auch inAnspruch nehmen werden.

Lorenzen: Haben Sie Ihren Arbeitgeber schoninformiert, dass Sie mit 63 aufhören werden?

PFLAUMBAUM: Der ist schon informiert. Da es imHerbst einen neuen Manteltarifvertrag gibt, kannes sogar sein, dass es zusätzlich noch eine Alters-teilzeitregelung für mich gibt. Dann würde ichnicht mit 63 in Rente gehen, aber schon mit 62,5in die aktive Phase der Altersteilzeit. Das wärenoch weitaus attraktiver, weil ich dann bis 65 nochfast ein normales Gehalt bekommen würde. Abersicher ist, dass ich spätestens mit 63 in die Rentegehe.

Lorenzen: Haben Sie sich damit auseinanderge-setzt, wie Sie die Zeit danach nutzen wollen?

PFLAUMBAUM: Ganz massiv sogar. Weil ich aus meiner Lebenserfahrung heraus meine, dass mansich immer Ziele setzen muss und ein Projektbraucht, auf das man sich freut. Ich glaube, werdas nicht macht, wird die ersten drei, vier Monatevielleicht genießen, weil sie selbstbestimmt sind,aber dann kommt bei vielen die große Leere undAngst. Einige fangen tatsächlich wieder an, sich zubewerben, übernehmen 400-Euro-Jobs und dequa-lifizierte Arbeiten wie Auslieferungsfahrer. Nichtaus finanzieller Not, sondern um wieder eine Rou-tine im Alltag zu haben. Sie gehen dann tatsäch-lich wieder morgens aus dem Haus und sind zueiner bestimmten Uhrzeit wieder da. Das wird mirauf keinen Fall passieren. Ich habe mir ein kon-kretes Traumprojekt gesucht, das ich auch schonmit meiner Frau abgeklärt habe.

Lorenzen: Was ist das für ein Projekt?PFLAUMBAUM: Ich möchte mir im Umfeld von Bre-men, im Radius von 1,5 Stunden entweder einenkleinen Resthof oder eine heruntergekommeneImmobilie kaufen und daraus in Eigenarbeit einenFeriensitz machen. Das Know-how hole ich mirdurch Kurse an der Volkshochschule und durchSelbstkurse. Wenn ich etwas nicht selbst kann,dann bitte ich befreundete Handwerker um Hilfe.Ich spüre eine große Vorfreude, etwas zu schaffen.Die Immobilie soll auch so groß sein, dass ichmich mit meinen Freunden und deren Familiendort treffen kann, zu Doppelkopfturnieren oderÄhnlichem. Es sollte auch ein kleiner Fluss oderBadesee in der Nähe sein und eine kleine Ortschaft,wo man mal einen Kaffee trinken kann. Ich möch-te mich in neue Arbeitsfelder reinfuchsen und soein Projekt nach und nach auf die Beine stellen.

Das Schöne ist ja, dass man bei einem Ferien-haus nicht unter dem Duck steht, da zu einembestimmten Termin einzuziehen.Außerdem möchte ich mal Reisen machen, die

nicht in dieses Ferienschema reinpassen müssen.Vielleicht nimmt meine Frau auch mal ein Sabbat-jahr, so dass wir zusammen eine längere Reisemachen können. Aber das funktioniert natürlichnur, wenn man die finanziellen Möglichkeiten hat.

Lorenzen: Werden Sie weiter den Kontakt zur Firma und zu den Kollegen halten?

PFLAUMBAUM: Da habe ich noch nicht drübernachgedacht. Zu den VW-Händlern werde ich denKontakt halten. Ich muss mir dann ja auch daserste Mal seit langer Zeit ein eigenes Auto kaufen.Aber ich glaube, ich werde einen Abschluss mitder VW-Welt machen. Ich habe Kollegen erlebt,denen fällt es schwer, sich aus der Welt zu verab-schieden, andere haben das einfach gemacht.

Lorenzen: Können Sie sich vorstellen, noch als Senior-Experte einzuspringen?

PFLAUMBAUM: Da gibt es wohl tolle Projekte, aberdie sind eher in der Produktion angesiedelt. Beiden Außendienstlern sind die meisten Lonly Rider.Ich bin da aufgrund meiner politischen undgewerkschaftlichen Prägung anders herangegan-gen und habe dafür auch eine hohe Wertschät-zung bekommen.

Lorenzen: Werden Sie in der verbliebenen ZeitIhre Erfahrungen bewusst an Ihre Nachfolgerweitergeben?

PFLAUMBAUM: Das hängt stark von meinem Nach-folger an. Wenn das ein Mensch ist, den ich schät-ze und den ich menschlich für integer halte, dannwerde ich sicher viel Energie dafür aufwenden,dass er einen guten Einstieg bekommt, mit vielenInformationen, die er sich sonst hart erarbeitenmuss. Aber bei Außendiensttätigkeiten kann manvieles nicht transportieren, weil es auf einem per-sönlichen Beziehungsgeflecht und einem Vertrau-ensverhältnis basiert. Wer meint, er könne denHändlern sagen, wo es langgeht und da nur ratio-nal rangeht, beißt schnell auf Granit.

Lorenzen: Wie beurteilen Sie die Rentendis-kussion? Tun Ihnen die nachfolgenden Genera-tionen manchmal leid?

PFLAUMBAUM: Ja, das kann ich nur bestätigen. Ichgehöre noch zu der goldenen Generation, für dieder Übergang ins Rentenalter sehr gut abgesichertist – wenn man in einem Konzern gearbeitet hat,der seine Mitarbeiter vernünftig bezahlt hat. Mitdem von der damaligen Schröder-Regierung ange-dachten System, die Altersversorgung auf mehrereBeine zu stellen und den Menschen mehr eigeneVerantwortung zu geben, werden viele Schiffbrucherleiden. Mir ist es auch manchmal schwergefallen,die freiwillige Versicherung durchgängig aufrecht-zuerhalten. Ich glaube, wir haben da eine großeErrungenschaft aufgegeben: dass Menschen, dieihr Leben lang gearbeitet haben, auch sicher seinkönnen, eine vernünftige Alterssicherung zubekommen. ‹‹

32BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

32BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

PFLAUMBAUM: Nein, ich stehe nach wie vor jedenTag sehr stark in der beruflichen Auseinander-setzung. Ich bin jeden Tag sehr stark auf meinenJob fokussiert.

Lorenzen: Also haben Sie keinen Gang runtergeschaltet?

PFLAUMBAUM: Das würde ich mir wünschen. Aberdie ganze automobile Welt unterliegt so großenHerausforderungen, sich auf die Zukunft einzustel-len, dass man immer ein Bestandteil dieses Prozes-ses ist und gar nicht von sich aus das Bedürfnis hat,einen Gang zurückzuschalten. Auch die Vorgesetz-ten erwarten von mir, dass ich das nicht mache.Der Vorteil ist, dass die Arbeits- und Rahmenbedin-gungen so gut sind, dass man nicht in der Auf-gabenstellung untergeht.

Lorenzen: Was wäre denn Ihr Modell für früheren Ausstieg gewesen, wenn es die Rentemit 63 nicht gegeben hätte.

PFLAUMBAUM: Es war das große Pech, dass ich vom Alter her in keine manteltariflich vereinbar-ten Altersteilzeitregelungen fiel. Ich hätte dannzwangsläufig bis 65 arbeiten müssen. Ich bin mirziemlich sicher, dass die nächsten Jahre, die jetztauf mich zukommen, schwer werden – vielleichtnicht so wie für einen Handwerker, aber es gibt ja auch andere Formen von Anstrengung: Mit derganzen Entwicklung Schritt zu halten, sich mitden ganzen Programmen, Managementsystemenund Anforderungen auseinanderzusetzen. Ichmuss mich jetzt schon jeden Abend extrem reinknien, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Lorenzen: Würden Sie auch früher aufhören,wenn damit größere Abstriche verbundenwären?

PFLAUMBAUM: Ich glaube, ich würde auch dannfrüher aufhören und Abstriche in Kauf nehmen.Das hat aber auch damit zu tun, dass diese Sehn-sucht, endlich wieder über mich zu bestimmenund nicht nur fremdbestimmt zu leben, immerausgeprägter wurde. Ich freue mich sehr auf dienachberufliche Welt. Da ist eine große Sehnsucht,selbst entscheiden zu können und nicht jeden Tagden Erfolgsdruck zu haben und meine Ergebnissebringen zu müssen. Wir stehen untereinander ineinem persönlichen Ranking. Jeder Mitarbeiterwird genauestens mit seinen Erfolgen, Umsätzenund Maßnahmen analysiert. Man braucht schoneine Menge Erfahrung, um dem Druck standzuhal-ten. Wenn man permanent in einem Ranking steht,fängt man an, sich selber auszubeuten. Das ist derEhrgeiz, möglichst immer unter den ersten dreienzu stehen – ich habe den jedenfalls. Das ist eineviel stärkere Triebfeder, als jeder Arbeitgeber sieausüben kann. Es kostet aber viel Kraft.

Lorenzen: Haben Sie die Diskussion um die Einführung der Rente mit 63 aufmerksamverfolgt?

PFLAUMBAUM: Ja, das habe ich sehr aufmerksamverfolgt. Ich habe deshalb zwar nicht die gewählt,die das vertreten haben, aber es wäre ein guterGrund gewesen, das zu tun. Wer 45 Jahre gearbei-

Lorenzen: Haben Sie sich denn auch weitergewerkschaftlich engagiert?

PFLAUMBAUM: Zur IG Metall habe ich in der neuenFirma keinen Zugang mehr gesucht. Ich hatte vor-her die Themen Arbeit und Engagement überzogen.Es gab den Begriff noch nicht, heute weiß ich, dassich kurz vorm Burn-out stand. Nach der Zwangs-pause habe ich das Engagement beendet. Im neuenUnternehmen gab es durch die IG Metall ja auchschon gute und solide Strukturen.

Pflaumbaum begann im Fachaußendienst fürdie VW-Händler im Weser-Ems-Bereich undmachte in den folgenden Jahren diverse Meta-morphosen des Betriebes mit – wie die Fusionmit der Hamburger Betriebsniederlassung, dieEingliederung in die Originalteilstruktur derVW AG und schließlich die Gründung der Ver-triebsbetreuungsgesellschaft, für die Pflaum-baum seit 2012 mit komplett neuem Aufgaben-gebiet als Bezirksleiter Service/Verkauf arbeitet.

PFLAUMBAUM: Das war ein ziemlich gerader Weg.Am Anfang habe ich gedacht, das ist nur eine Etap-pe. Aber ich habe immer sehr gern da gearbeitet,ich hatte nette Vorgesetzte, Kollegen und vor allemKunden. Der Konzern hat mich in der persönlichenund beruflichen Entwicklung extrem vorange-bracht.

Lorenzen: Wann haben Sie sich denn das erste Mal mit Fragen der Altersversorgungbeschäftigt?

PFLAUMBAUM: Lange Zeit beschäftigt man sich garnicht mit dem Thema Älterwerden. Das erste Malist es mir bewusst geworden, als ich plötzlich nichtmehr das Nesthäkchen im Betrieb war, sondern derÄlteste. Einige Kollegen haben Altersteilzeitmodellewahrgenommen, die VW angeboten hat. Die hattenprivilegierte Stellen als Geschäftsführer und manhatte von denen gedacht, dass Arbeit für sie allesist. Aber die haben sich aufgrund ihrer finanziel-len Möglichkeiten Wohnmobile angeschafft oderandere Projekte vorgenommen. Die haben mirimmer erzählt, wie genial die Entscheidung war,aus dem täglichen Einerlei des beruflichen Alltagsauszuscheiden. Daraufhin, aber auch aufgrundmeines fortgeschrittenen Alters habe ich mich vordrei bis vier Jahren auch bewusst damit auseinan-dergesetzt, wie meine Möglichkeiten sind, früherauszuscheiden.

Lorenzen: War das Thema Alter denn jemalsvom Finanziellen her angstbesetzt?

PFLAUMBAUM: Ich habe schon mit Anfang 30 einezusätzliche Rentenversicherung abgeschlossen –bei Freunden, die eine eigene Versicherungsagen-tur hatten. Da habe ich entschieden, die erste Aus-zahlung mit 60 zu erhalten. Ich muss also schondamals den Gedanken gehabt haben, früher auszu-steigen. Monatlich habe ich 200 DM dafür aufge-wendet, was auch nicht immer einfach war.

Lorenzen: Gab es einen Zeitpunkt, an dem die Fokussierung auf den Beruf nachließ unddie Orientierung auf die Zeit danach begann?

3534BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 INTERVIEW

35

›Das ist nicht fair‹Johann Veverca

Die Jahrtausendwende verbrachte der LackiererJohann Veverca in Las Vegas. Damals hätte er sichnicht vorstellen können, dass er sich heute als Rent-ner nach 48 Arbeitsjahren nicht einmal mehr einekleine Reise leisten kann. Wie der Maschinenschlos-ser Rüdiger Bröhan war er in den letzten Berufs-jahren bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Füreine vernünftige Riester-Rente waren beide bei der Einführung zu alt, die gesetzliche Rente zwingtsie zum Weiterarbeiten. ››

34BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Johann Veverca (63) lebt in einer Mietwohnungin Bremen-Mahndorf. Als Erstes fallen diegroßen Lautsprecher der Stereoanlage auf.›Damit könnte ich Ihnen die Ohren wegpusten‹,sagt er. Das glaubt man gern, wenn man weiß,dass der freundliche Österreicher am liebstenAC/DC hört.

Lorenzen: Wo sind Sie aufgewachsen, HerrVeverca?

JOHANN VEVERCA: Ich komme aus Oberösterreichund habe dort in einer ländlichen Gegend Malerund Lackierer gelernt. Damals musste man nachder Malerlehre nur noch ein Jahr dranhängen, umauch den Gesellenbrief als Lackierer zu bekommen.Lackieren hat mit mehr zugesagt, weil man dortimmer in der Halle ist, im Sommer und Winter.

Lorenzen: Sind Sie denn ohne Unterbrechungdabeigeblieben?

VEVERCA: Nein, ich hatte immer im Kopf, zur Seezu fahren. Nach zwei Jahren als Geselle habe ichmir den Traum dann endlich realisiert und bin als Decksmann ein paar Jahre für verschiedene Reedereien durch die Welt gefahren. Das hat Spaßgebracht, war aber auch harte Arbeit. Stationiertwar ich in Dänemark, da habe ich dann irgend-wann meine Frau kennengelernt und bin landsäs-sig geworden. Mit ihr war ich bis zu unserer Tren-nung 18 Jahre verheiratet und habe zwei Kinderbekommen. Nach Abstechern nach Schweden undNorwegen sind wir nach Bremen gezogen –hauptsächlich wegen der Sprache.

Lorenzen: Haben Sie denn in Bremen gleicheinen Job gefunden?

VEVERCA: Ja, zunächst bei einer Kfz-Firma, dannwar ich sieben Jahre bei einer Industriewaschma-schinenlackiererei, die meiste Zeit als Vorarbeiter.Dann bin ich zu Mercedes gegangen, aber die Band-arbeit hat mir nicht so zugesagt und ich bin zuKrupp-Atlas gewechselt. Anschließend habe ichdann in zahlreichen Firmen gearbeitet, die alle indie Insolvenz gingen, insgesamt neun Firmen infünfzehn Jahren. Ich konnte immer schnell wiederirgendwo unterschlüpfen, damals war das ja nochnicht so kompliziert mit den ganzen Bewerbungs-

schreiben. Die Firmen haben draußen Schilder ein-fach aufgestellt ›Wir suchen Leute‹, dann ist manreingegangen und auf Probe eingestellt worden.Dann landete ich als Geselle bei einer Firma fürKesselwagenbeschichtung. Die haben mir irgend-wann das Angebot gemacht, als Subunternehmereinen Teil des Betriebes selbstständig zu überneh-men. Ich hatte über die Firma eine gesicherte Auf-tragslage und ein Gewerbe angemeldet. Da habeich dann neun Jahre richtig gut verdient, hattedafür aber auch immer den Druck, dass nichtsschiefgehen darf. Eine Heißbeschichtung kannman nicht einfach überlackieren, das muss wiederrausgestrahlt werden, wenn man einen Fehlermacht. Die Abnahmen waren sehr penibel.

Lorenzen: Warum haben Sie damit dann aufgehört?

VEVERCA: Weil eine tschechische Firma ein so günstiges Angebot gemacht hat, für das es sich fürmich nicht mehr gelohnt hätte. Das war vor fünfJahren und ich war noch nicht alt genug für dieRente. Wegen meines fortgeschrittenen Alters habeich dann nur Absagen bekommen und 2010 dannbei einer Zeitarbeitsfirma angefangen. Glücklicher-weise ist dann die Rente mit 63 eingeführt wor-den. Auf die hatte ich Anspruch, weil ich während meiner Selbstständigkeit freiwillig weiter in dieRentenkasse eingezahlt habe. Seit dem 1. Septem-ber bin ich nun Rentner.

Lorenzen: Wie war denn der Übergang in denRuhestand für Sie?

VEVERCA: Davon habe ich nicht viel gemerkt, weilich gleich weitergearbeitet habe. Ich mache auf450-Euro-Basis über eine Zeitarbeitsfirma Gelegen-heitsarbeiten als Allrounder. Neulich habe ichAbrissarbeiten gemacht, bei einer anderen FirmaMöbel zusammengebaut, als Aufsicht in einemBekleidungsmarkt habe ich auch schon gearbeitet.

Lorenzen: Sind Sie auf den Zuverdienst angewiesen?

VEVERCA: Ja, das bin ich. Sonst könnte ich mirzum Beispiel mein Auto nicht mehr leisten. Ichkomme gerade so über 1.000 Euro. Selbst wenn ichden Versorgungsausgleich, den ich an meineExfrau zahle, noch dazurechne, würde das nicht

R ALF LORENZENSoziologe und freier Journalist

37INTERVIEW

37

›Es war zu spät‹

ne. Das Geld brauche ich auch, um meinHobby zu finanzieren. Ich habe ein 40 Jahre altes Holzboot, das im Sommer in Dorum liegt.

Lorenzen: Wie verbringen Sie Ihre Zeit, wennSie nicht fräsen oder auf dem Boot sind?

BRÖHAN: Ich fotografiere wieder verstärkt, icharbeite in einer Fotogruppe in der KulturwerkstattWestend mit. Außerdem habe ich jetzt Zeit, dieWohnung zu renovieren, nächstes Jahr zieht meineLebenspartnerin ein.

36BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

36BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

reichen. Deshalb werde ich weiterarbeiten, solangedie Gesundheit mitmacht.

Lorenzen: Wie empfinden Sie Ihre Rente, wennSie sie in Bezug zu Ihrem Arbeitsleben setzen?

VEVERCA: Dann bin ich sehr unzufrieden damit.Wenn man 48 Jahre gearbeitet hat, müsste mandoch mit seiner Rente normal leben können. Siebezahlen 600 Euro Miete plus Strom, Telefon, Versi-cherungen, dann können Sie sich ausrechen, wasvon 1.000 Euro zum Leben bleibt. Dann können Sie anschließend gleich noch Hartz IV beantragengehen. Das kann doch nicht alles sein, was ich mirin meinem Leben erarbeitet habe! Wenn ich alleinbedenke, was ich in den 1980er- und 1990er-Jahrenfür Überstunden gemacht habe. Ich war schockiertund enttäuscht, als ich gesehen habe, dass da nicht mehr rauskam. Früher haben sie ja wesent-lich mehr Rente bekommen. Gerecht wären 1.400bis 1.500 Euro im Monat, das ist das, was man heute braucht. Fair ist es nicht, wie man mit normalen Arbeitermenschen umgeht, die 48 Jahrewirklich gearbeitet haben und nicht mal ein Jahrarbeitslos waren. Wenn ich faul gewesen wäre, hätte ich gesagt, das ist meine Schuld, aber so wares ja nicht.

Lorenzen: Haben Sie ein flaues Gefühl, wennSie daran denken, irgendwann nicht mehrarbeiten zu können?

VEVERCA: Natürlich. Aber dann bin ich wahrschein-lich so gebrechlich, dass ich weniger Ansprüchehabe. Dann würde ich mein Auto abgeben undandere Dinge, die nicht so wichtig sind. Essenbraucht man dann auch nicht mehr so viel undweggehen tut man auch nicht mehr. Das Alterschränkt ja alles ein bisschen ein.

Lorenzen: Hätte Sie rückblickend in IhremBerufsleben gern etwas anders gemacht?

VEVERCA: Natürlich nicht, warum? Das Berufsle-ben war ja in Ordnung. Mein Beruf hat mir immerSpaß gebracht und ich habe mich immer bemüht,was ich kann, auch umzusetzen. Ich war Vorar-beiter, ich war Kolonnenführer, ich war Gruppen-führer, ich war selbstständig, ich bin an alles mitEhrgeiz rangegangen. Die Rentenbeiträge sindimmer korrekt bezahlt worden und ich habe michdarauf verlassen, dass das alles seinen richtigenWeg geht. Wenn ich jetzt von Hartz IV leben würde,hätte ich mehr. Aber ich bin ein Mensch, der auf-recht steht und solange ich arbeiten gehen kann,will ich mein Geld selbst verdienen.

Lorenzen: Hatten Sie früher andere Pläne für den Ruhestand?

VEVERCA: Natürlich, ich bin ein reiselustigerMensch, ich habe in der Zeit meiner Selbstständig-keit weite Reisen gemacht, nach Kanada, Mexiko,Hawaii. Die Jahrtausendwende habe ich in LasVegas verbracht. Ein schönes Zuhause ist das eine,aber die Erlebnisse kann einem keiner nehmen.Aber heute kann ich mir keine Reisen leisten, vonwas? Meine Rücklagen brauche ich für unerwarteteEreignisse, wie eine Autoreparatur. Es gibt nichtviele Alternativen, denn Sport habe ich nie betrie-

‹‹Lorenzen: Haben Sie in der Zeit eine privateRentenversicherung aufgebaut?

BRÖHAN: Der Werkzeugbau hat die BetriebsrenteAnfang der 2000er in eine Riester-Rente umgewan-delt. Das Angebot war gut, von 100 Euro, die einge-zahlt wurden, habe ich nur 40 Euro bezahlt. In derLohnfräserei wollte der Chef nicht in die Riester-Rente einsteigen, da habe ich das dann selbstbezahlt. Aber es war für mich viel zu spät, umnoch viel anzusparen. Knappe 10.000 kamen dannda raus, die habe ich mir auszahlen lassen.

Lorenzen: Wie beurteilen Sie denn die Rentenreform der Agenda 2010 mit der Hinwendung zu mehr privater Vorsorge?

BRÖHAN: Die sehe ich nicht alsgerecht an. Das ist eine Umverteilungvon unten nach oben. Man muss dieRente jetzt ja auch noch versteuern.

Lorenzen: Wie sind Sie dannschließlich bei der Zeitarbeits-firma gelandet, für die Sie zumSchluss gearbeitet haben?

BRÖHAN: Als es der Lohnfräsereischlechter ging und sie keine Arbeitmehr für mich hatte, wurde icharbeitslos. Das hatte auch damit zutun, dass ich immer nur Einzelteilegemacht hatte, keine Serienfertigung.Da habe ich schon Angst gehabt, dass ich später in Hartz IV reinrutsche.Aber ich hatte die Wohnung bezahltund die Kinder gingen aus dem Haus.Ich habe mich immer gesträubt, zumSklavenhändler zu gehen. Als dasArbeitslosengeld nach zwei Jahren aus-lief, ging das nicht mehr. Dann mussteich da hin. Anfangs gab es 12,50 Euroin der Stunde, das ist natürlich unteraller Sau. Gleichzeitig hat die Firmavom Arbeitsamt 10.000 Euro Eingliede-rungshilfe für mich kassiert. Schließ-lich habe ich 14 Euro bekommen undzwei Jahre bei einer Firma in Bremen-Nord gearbeitet. Vor zwei Jahren binich dann mit 63 in Rente gegangen,mit Abschlägen. Wenn ich die restli-chen eineinhalb Jahre noch gebliebenwäre, hätte es keine 50 Euro mehrgegeben.

Lorenzen: Und wie kommen Siejetzt klar?

BRÖHAN: Jetzt bekomme ich 950 EuroRente. Damit komme ich hin, aber nur,weil ich seit 32 Jahren Wohneigentumhabe. Vom Pensionssicherungsverbandmüsste ich noch 50 Euro aus der alten Betriebsrente bekommen, aberich bin gerade erst 65 Jahre alt gewor-den. Außerdem arbeite ich noch für450 Euro im Monat in meinem letztenBetrieb weiter, an der gleichen Maschi-

Rüdiger Bröhan

ben. Das kostet ja auch wieder Geld, kein Studiomacht etwas umsonst. Das Einzige, was ich imSommer machen kann, ist Rad fahren und spazie-ren gehen. Aber was mache ich im Herbst und Winter? Ich muss mal schauen, was sich nächstesJahr noch entwickelt. Ich möchte nicht das aufge-ben, was ich habe. Ich möchte nicht hungern, dursten, den Kaffee zwischendurch weglassen odergar nicht mehr weggehen. Die Grundlage mussgesichert sein.

Auch der Maschinenbauer Rüdiger Bröhan (65)hat die letzten Arbeitsjahre bei einer Zeitar-beitsfirma verbracht und ist mit 63 in denRuhestand gegangen – allerdings mit Abschlä-gen. Seine freie Zeit kann er gut für die Renovierung seiner Altbauwohnung in Wallegebrauchen – nächstes Jahr zieht seine Lebenspartnerin ein.

RÜDIGER BRÖHAN: Ich habe drei abgeschlosseneBerufsausbildungen. Ich bin gelernter Fotograf und habe dann in Bremen an der Hochschule fürGestaltung Grafik und Design studiert. In demBeruf gab es in der zweiten Hälfte der Siebzigeraber keine Arbeit für mich, deshalb habe noch eineUmschulung zum Maschinenschlosser gemacht,speziell zum CNC-Fräser. Mir hat niemand gesagt,dass nur eine Ausbildung für die Rente angerech-net wird und mein Studium überhaupt nicht. Da fehlen mir schon mal vier Jahre für die Rente.

Lorenzen: Wo haben Sie denn als Maschinen-schlosser gearbeitet?

BRÖHAN: Bis Mitte der 90er-Jahre habe ich bei Hella als CNC-Fräser gearbeitet. Die Arbeit war sehrabwechslungsreich. Dann wurde der Werkzeugbauin ein eigenständiges Unternehmen ausgesourct.Da habe ich in der ersten Hälfte der 2000er gut verdient, mit Zulagen kam man auf 17 bis 18 Euro.Dann ging das bergab und die Geschäftsleitungwollte das Weihnachtsgeld nicht mehr auszahlen.Ich war der Einzige von siebzig Leuten, der dasnicht mitgemacht und das Geld immer angemahnthat. Ich habe auch auf die 35-Stunden-Wochebestanden. Bei der ersten Insolvenz bin ich dannrausgeflogen, der Zusammenhang war klar. AlsAbfindung habe ich 400 oder 800 Euro bekommen.

Lorenzen: Haben Sie Ihre Aufmüpfigkeitjemals bereut?

BRÖHAN: Ich finde es gut, dass ich so aufrechtdurch die Gegend gegangen bin und nicht einge-knickt. Man kann doch nicht für die 35-Stunden-Woche und das 13. Monatsgehalt auf die Straßegehen und sich das nachher alles wegnehmen las-sen. Das geht doch nicht. Außerdem ist die Firmakurz danach endgültig in die Insolvenz gegangen.Da habe ich schon in einer Lohnfräserei gearbeitet,mit der sich ein ehemaliger Kollege selbstständiggemacht hatte.

3938BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

mensetzungen geprägt. Denn angesichts der drän-genden Aufgabe, die hohe Zahl der Arbeitslosen zureduzieren, wurde die Entlastung des Arbeits-markts zu einem zentralen politischen Ziel. Erfolgversprachen sich Politik und Unternehmen glei-chermaßen von der frühzeitigen Ausgliederungälterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausdem Arbeitsleben. Ältere sollten früher gehen kön-nen und Jüngere ihre Plätze einnehmen. Mit dersogenannten 58er-Regelung wurden die gesetzli-chen Voraussetzungen dafür geschaffen: Eine über-gangsweise Arbeitslosigkeit ermöglichte den ver-gleichsweise sozial abgesicherten Eintritt in dieFrührente. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerab dem 58. Lebensjahr konnten bis zum RuhestandArbeitslosengeld beziehungsweise -hilfe bekom-men, wenn sie aus ihrem Betrieb ausschieden. DerArbeitsvermittlung mussten sie nicht zur Verfü-gung stehen, auch Melde- oder Aktivierungspflich-ten waren nicht zu erfüllen. Sie hatten allein dieAuflage, zum frühestmöglichen Zeitpunkt ihrenAnspruch auf eine abschlagsfreie Rente geltend zumachen.Bis Ende 2007 konnten Ältere ab 58 Jahren

unter diesen erleichterten Bedingungen Arbeitslo-sengeld beziehen. Die Arbeitslosenversicherungzahlte automatisch Beiträge zur gesetzlichen Ren-tenversicherung und in der Regel mit 60 Jahrenkonnten die ›Übergangsarbeitslosen‹ schließlichabschlagsfrei in Rente gehen. Die Unternehmenschickten ihre älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Arbeitsamt beziehungsweise spä-ter zur Agentur für Arbeit, um ihre Belegschaftenzu verjüngen. Ältere Beschäftigte nutzten dieArbeitslosigkeit als eine Art Vorruhestand und die Arbeitslosenstatistik wurde von alldem nichtbelastet. Denn weil die Arbeitslosen nach der 58er-Regelung nicht aktiv nach einer neuen Stellesuchten, galten sie gesetzlich nicht als arbeitslos.Der arbeitsmarktpolitische Politikwechsel der

2000er-Jahre hat mit tief greifenden Reformen die-sen Weg schrittweise und seit 2008 endgültig ver-schlossen (siehe hierzu auch den Beitrag ›Der Wertder Jahre – Arbeiten vor und nach dem Übergangin die Rente‹ in dieser Veröffentlichung). Die Rege-

Vor der Rente ohne Arbeit: Übergang in die Bedürftigkeit?

Immer mehr Ältere sind erwerbstätig. Das lässtsich wesentlich auf demografische Effekte zurück-führen. Denn die geburtenstarken Jahrgänge wach-sen allmählich in die Gruppe der älteren Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer hinein. Wereinen Arbeitsplatz hat, behält ihn meist und wirdälter. Die Schattenseite ist: Nicht alle Älteren wer-den von dieser Entwicklung mitgenommen. Dennwer älter ist und keinen Arbeitsplatz hat, kannsich auf dem Arbeitsmarkt nur selten durchsetzen.Mit über 55 Jahren arbeitslos zu sein heißt meist,auf Dauer draußen zu bleiben.Die Zahl der älteren Arbeitslosen steigt kontinu-

ierlich. Dennoch werden Ältere selten arbeits-marktpolitisch gefördert. Sie bleiben meist langearbeitslos und tragen ein erhöhtes Risiko, bis zurRente von Hartz-IV-Leistungen leben zu müssen.Zugleich reißen Zeiten der Arbeitslosigkeit Lückenin die Altersversorgung, zumal wenn sie über Jahreandauert.Dieser Beitrag befasst sich mit der regionalen

Entwicklung der Arbeitslosigkeit von Älteren. Dererste Abschnitt umreißt die institutionellen Verän-derungen in Renten- und Arbeitsmarktpolitik mitihren Wirkungen auf die Arbeitslosigkeit der Grup-pe ab 55 Jahren. Im Anschluss werden Quantitätund Strukturmerkmale der Arbeitslosigkeit dieserAltersklasse im Land Bremen näher beleuchtet und die regionalen Arbeitsmarktchancen für Älte-re in den Blick genommen. Im darauf folgendenAbschnitt wird erläutert, warum die reale Arbeits-losigkeit Älterer größer ist als in der Statistik sicht-bar. Abschließend wird die prekäre Lebenslagebetrachtet, die der langzeitige Bezug von Hartz-IV-Leistungen vor der Rente bedeutet.

Von der Übergangsarbeitslosigkeit zumprekären Ausstieg

Lange Zeit war Arbeitslosigkeit im höheren Alterstark von beschäftigungspolitischen Erwägungenund damit einhergehenden rentenpolitischen Rah-

VOR DER RENTE OHNE ARBEIT

Vor der Rente ohne Arbeit: Übergang in die Bedürftigkeit?3REG INE GER AEDTS Arbeitnehmerkammer Bremen

4140BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

SGB II um 1,6 Prozentpunkte niedriger als diejeweilige Arbeitslosenquote über alle Altersgrup-pen hinweg. Demnach ist im Land Bremen etwajede zehnte Erwerbsperson ab 55 Jahren als arbeits-los registriert.Im Zeitverlauf ist die durchschnittliche Arbeits-

losenquote über alle Altersgruppen hinweg etwakonstant geblieben, während sie bei den arbeits-losen Älteren trotz der besseren Arbeitsmarktlageeine steigende Tendenz aufweist (siehe dazu auchTabelle 3). Ältere Arbeitslose profitieren demnachkaum von den Beschäftigungsgewinnen der ver-gangenen Jahre. Dadurch verschiebt sich derAnteil der Älteren an allen Arbeitslosen und wirdkontinuierlich größer. Im Versicherungssystem desSGB III war im Juni 2014 beinahe jede/r vierteArbeitslose 55 Jahre und älter.Betrachtet man die Arbeitslosigkeit Älterer in

absoluten Zahlen, dann wird der beständigeAnstieg noch deutlicher. Angetrieben wird dieseEntwicklung von der vergleichsweise großen undweiter wachsenden Gruppe der ab 55-Jährigen im SGB II. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung derArbeitslosen in dieser Altersklasse seit 2007 insge-samt und differenziert nach den beiden Rechts-kreisen. Abbildung 3 betrachtet die Gruppe der ab

60-Jährigen noch einmal gesondert, weil hier dieWirkungen des Auslaufens der 58er-Regelungbesonders deutlich zutage treten, die es bis 2008ermöglicht hatte, die Arbeitslosigkeit mit 60 Jah-ren durch Eintritt in eine abschlagsfreie Rente zubeenden. Die registrierte Arbeitslosigkeit steigt in dieser Altersgruppe besonders steil an und hatsich seither vervierfacht.Hinsichtlich der Strukturmerkmale unterschei-

den sich ältere Arbeitslose teilweise deutlich vomDurchschnitt aller Arbeitslosen. Es sind etwasweniger Frauen als Männer darunter. Deutlich stär-ker differieren die Anteile der Ausländerinnen undAusländer. In der Gruppe der Älteren finden sichim Vergleich weniger Menschen mit einer nichtdeutschen Staatsangehörigkeit. Ausgeprägte Unter-schiede sind zudem bei den Berufsabschlüssen zu erkennen. Es verfügen signifikant mehr Ältereab 55 Jahren über einen Berufsabschluss als imDurchschnitt aller Altersklassen. Dennoch zähltauch in dieser Gruppe jeder Zweite zu den Gering-qualifizierten ohne Ausbildung. Obwohl die qualifikatorischen Voraussetzungen der älterenArbeitslosen vergleichsweise günstig sind, werdensie überdurchschnittlich lange als arbeitslos regis-triert. Über die Hälfte sind es mehr als ein Jahr.

VOR DER RENTE OHNE ARBEIT

Abb. 1: Entwicklung der Arbeitslosigkeit nach Rechtskreisen im Land BremenStichtag: Juni

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Juni 2010 Juni 2011 Juni 2012 Juni 2013 Juni 2014

12,0

20,4

5,7

13,4

23,9

11,314,3

23,3

12,5

15,1

21,6

13,6

15,8

23,0

14,2

25 %

20 %

15 %

10 %

5 %

0 %

Anteil der über 55-Jährigen an allen Arbeitslosen

Anteil der über 55-Jährigen Arbeitslosen im SGB III

Anteil der über 55-Jährigen Arbeitslosen im SGB II

lungen zum erleichterten Bezug von Arbeitslosen-geld I und II ab dem 58. Lebensjahr können seitdem 1. Januar 2008 nicht mehr in Anspruchgenommen werden. Nur Restfälle werden nochabgewickelt. Der frühestmögliche Renteneintrittaus Arbeitslosigkeit wurde im Jahr 2009 nach hin-ten auf das vollendete 63. Lebensjahr verschobenund im Unterschied zu der vorherigen Regelungsind nun Rentenabschläge hinzunehmen. Der Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik soll-te es für Ältere möglichst unattraktiv machen, dieJahre vor dem Ruhestand mit sozial abgesicherterArbeitslosigkeit zu überbrücken. Die Arbeitslosigkeit Älterer hat unterdessen ihr

strukturelles Profil gewandelt. Wer heute in derspäten Phase des Erwerbslebens den Arbeitsplatzverliert, ist nicht mehr ›übergangsarbeitslos‹, son-dern muss wegen der schlechteren sozialen Absi-cherung von vornherein an einer Rückkehr in eineBeschäftigung interessiert sein. Dabei sind dieArbeitsmarktchancen Älterer im Allgemeinengeringer und hängen zudem entscheidend von denBeschäftigungsmöglichkeiten auf dem regionalenArbeitsmarkt ab. Statt einer institutionalisiertenBrücke in die Rente, ist die späte Arbeitslosigkeitfür die Mehrheit der Älteren ein Risiko geworden,das in prekäre Lebenslagen und dauerhafte Alters-armut münden kann. Einer der unerwünschten Nebenwirkungen des

Zusammenspiels der Reformen in Renten- undArbeitsmarktpolitik ist der Anstieg der Arbeitslosig-keit von Älteren in der Statistik. Um diesen poli-tisch schwer zu kommunizierenden Effekt abzumil-dern, wird seit 2009 in der Grundsicherung nichtmehr als arbeitslos registriert, wer nach dem 58.Geburtstag mindestens ein Jahr lang Leistungenerhalten hat, ohne dass die Arbeitsverwaltung einAngebot für eine sozialversicherungspflichtigeArbeitsstelle unterbreitet hat. Solche und weitereSonderregelungen – der Beitrag kommt späternoch ausführlicher darauf zurück – entlasten dieArbeitslosenstatistik, weil ganze Personengruppennicht als arbeitslos registriert werden. Zugleichführen sie zu statistischen Abgrenzungsproblemender Gruppe der arbeitslosen Älteren, die die Ver-gleichbarkeit im Zeitverlauf erschweren. Das gilt es zu bedenken, wenn im nächsten Abschnitt dieEntwicklung der Arbeitslosigkeit im Land Bremengenauer betrachtet wird.

Arbeitslos – nicht ausreichend qualifiziert, zu krank oder doch einfach nur zu alt für den Markt?

Arbeitslosigkeit von Älteren spielt sich in zweiunterschiedlichen Systemen ab, dem System derArbeitslosenversicherung nach dem Dritten Sozial-gesetzbuch (SGB III) und dem System der Grund-sicherung für Arbeitsuchende nach dem ZweitenSozialgesetzbuch (SGB II). Wer älter ist und seineArbeit verliert, bezieht in der Regel zunächstArbeitslosengeld als Versicherungsleistung nachdem SGB III für 12 beziehungsweise ab 58 Jahrenmaximal 24 Monate. Auch nach Auslaufen desArbeitslosengeldes kann man sich weiter arbeitslosmelden, ohne Geldleistungen von der Agentur fürArbeit zu beziehen, weil man sich beispielsweiseweiter bei der Stellensuche unterstützen lassenoder zumindest beitragsfreie Rentenanrechnungs-zeiten sichern möchte.Arbeitslose, bei denen nach Auslaufen des

Arbeitslosengeldes das Haushaltseinkommen nichtzum Leben reicht, werden zumeist Arbeitslosen-geld II nach dem SGB II beantragen müssen. Dasgilt auch für diejenigen, die bei Eintritt der Arbeits-losigkeit keine ausreichenden Ansprüche an dieArbeitslosenversicherung aufgebaut haben und aufUnterstützung zum Lebensunterhalt angewiesensind. Typischerweise finden sich in der Grundsiche-rung Ältere, die bereits länger arbeitslos sind. Da-zu gehören auch diejenigen, die schon seit langerZeit Leistungen beziehen und demografisch in die Gruppe der älteren Arbeitslosen ›hineinaltern‹. Die Arbeitslosenquote ist eine wichtige Mess-

größe, um gesetzlich definierte Arbeitslosigkeit vergleichbar zu machen.1 Sie bildet das Verhältniszwischen den zivilen Erwerbspersonen – also allen,die einer Erwerbsarbeit nachgehen oder danachsuchen – und der Bestandszahl der Menschen ab,die zu einem bestimmten Zeitpunkt im SGB III undim SGB II als arbeitslos gezählt werden. Im Juni2014 betrug die Arbeitslosenquote im Land Bremeninsgesamt 10,8 Prozent. Dabei beziehen nur 18,5Prozent der Arbeitslosen Versicherungsleistungen,die überwältigende Mehrheit ist bei den Jobcen-tern registriert und erhält Hartz IV.Die Arbeitslosenquote der Älteren ab 55 Jahre

lag mit 9,8 Prozent einen Prozentpunkt niedrigerals über alle Altersklassen hinweg. Im RechtskreisSGB III ist sie um 0,6 Prozentpunkte höher und im

1 Die Daten in diesem

Abschnitt basieren, so weit

nicht anders angegeben,

auf der amtlichen Statistik

über Arbeitslosigkeit, die

von der Bundesagentur für

Arbeit auf der Basis der

gesetzlichen Vorgaben nach

§ 16 SGB III unter Verwen-

dung der Daten der Arbeits-

verwaltung erstellt wird.

Siehe auch http://stati-

stik.arbeitsagentur.de/

Navigation/Startseite/

Startseite-Nav.html

Ältere Arbeitslose profitieren kaum von den Beschäftigungsgewinnender vergangenen Jahre. Dadurch verschiebt sich der Anteil der Älteren an allen Arbeitslosen und wird kontinuierlich größer.

6.000

5.500

5.000

4.500

4.000

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

Juni

43

Auch danach bleiben viele ohne Arbeitsstelle undsind weiter auf Unterstützung angewiesen, wie dieser Beitrag an späterer Stelle darlegt.DeutlicheUnterschiede sind auch bei der Schwerbehinde-rung erkennbar. Bei den ab 55-Jährigen ist derAnteil der Schwerbehinderten etwa doppelt sohoch wie bei allen Arbeitslosen. Dies kann als einHinweis darauf gewertet werden, dass die Krank-heitslast älterer Arbeitsloser durchschnittlichhöher ist.Zahlreiche Studien belegen, dass Arbeitslose ins-

gesamt einen schlechteren Gesundheitszustandaufweisen als Vergleichsgruppen.2 Für dieses Phäno-men werden in der Arbeitswissenschaft zweiErklärungsansätze diskutiert, die sich gegenseitigverstärken. Der eine geht davon aus, dass schonbeim Zugang in Arbeitslosigkeit Selektionsprozessewirken, nach denen Menschen mit Gesundheits-problemen und chronischen Erkrankungen ihrenArbeitsplatz eher verlieren und häufiger arbeitsloswerden. Beim Abgang aus der Arbeitslosigkeit wirken ähnliche Prozesse, die den gleichen Perso-nenkreis in Bewerbungsverfahren kaum zum Zugekommen lassen. In diese Richtung weist der signi-fikant hohe Anteil der älteren Schwerbehindertenim Versicherungssystem des SGB III, in dem sichtypischerweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer finden, die ihren Arbeitsplatz vor kürzererZeit verloren haben. Der andere Erklärungsansatzverfolgt die Hypothese, dass die schlechtere Ge-sundheit von Arbeitslosen eine Folge des Zustandsder Arbeitslosigkeit selbst ist.3

Bei der Gruppe der älteren Arbeitslosen kannvon einer Wechselwirkung beider Muster ausgegan-gen werden, die im Sinne eines ›Teufelskreises‹ zueiner lang andauernden Arbeitslosigkeit führen.Dabei ist zu bedenken, dass die oben skizziertenRenten- und Arbeitsmarktreformen auch für dieje-nigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denWeg über die Arbeitslosigkeit in die frühe Alters-rente versperrt haben, die den Anforderungen undBelastungen an ihrem Arbeitsplatz nicht mehrstandhalten können, aber ›nicht krank genug‹ füreine Erwerbsunfähigkeitsrente sind. Im Grund-sicherungssystem des SGB II entscheidet sich dieErwerbsfähigkeit daran, ob jemand in der Lage ist,täglich drei Stunden zu arbeiten. Die Grenzen zwischen einer anerkennungsfähigen Erwerbsun-fähigkeit und der Zuordnung zu den ›erwerbs-fähigen Leistungsberechtigten‹ dürften individuellfließend sein. Dabei ist die systematische Gesund-

42BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

heitsförderung im SGB II ein bisher zu wenigbeachtetes Feld. Im Land Bremen hat sich dieArbeitslosigkeit bei Älteren ab 55 Jahren überpro-portional häufig zu Langzeitarbeitslosigkeit ver-festigt. Insgesamt 37 Prozent der Langzeitarbeits-losen sind 55 Jahre und älter. Ihr Anteil an allenArbeitslosen liegt dagegen bei etwa 16 Prozent.

Auf dem Abstellgleis? Schlechte Chancen bei der Arbeitssuche

Der Arbeitsmarkt ist ständig in Bewegung undauch Arbeitslosigkeit ist kein starrer Block. Hinterden Bestandsdaten, aus denen sich die Arbeitslosen-quoten berechnen, verbergen sich Bewegungen in weitaus größerem Umfang. So waren im LandBremen im Jahr 2013 im Bestand jahresdurch-schnittlich 37.200 Menschen arbeitslos registriert,neu zugegangen sind 80.000 Menschen, etwa eben-so viele beendeten die Arbeitslosigkeit in diesem Zeitraum. Darunter waren 10.300 Ältere aus derAltersklasse 50 Jahre und älter.4 Die Bewegung indieser Gruppe war mit 16.756 Zu- und 17.541Abgängen allerdings weniger dynamisch.

Dabei ist die statistische Beendigung der Arbeits-losigkeit nicht etwa damit gleichzusetzen, dassjemand eine neue Arbeitsstelle gefunden hätte. DieStatistik der Bundesagentur für Arbeit zählt auchMenschen als Abgänge aus Arbeitslosigkeit, dieeine arbeitsmarktpolitische Maßnahme beginnenoder kurzfristig erkranken. Umgekehrt tritt einreal Arbeitsloser virtuell statistisch immer wiederneu in Arbeitslosigkeit ein, sobald eine Maßnahmebeendet wird oder er wieder gesund ist.

VOR DER RENTE OHNE ARBEIT

6.000

5.500

5.000

4.500

4.000

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

Juni

Abb. 3: Entwicklung der Arbeitslosigkeit 60 Jahre und älter insgesamt und nach Rechtskreisen im Land BremenStichtag: Juni

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung; eigene Darstellung

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

SGB III 60 Jahre und älterinsgesamt 60 Jahre und älter SGB II 60 Jahre und älter

2 Vgl. Kroll/Lampert

(2012).

3 Vgl. Pech/Freude

(2010).

4 Die Statistikberichte der

Bundesagentur für Arbeit

weisen für die folgenden

Berichtsabschnitte nur abge-

grenzte Daten für die Gruppe

50 Jahre und älter aus.

Abb. 2: Entwicklung der Arbeitslosigkeit 55 Jahre und älterinsgesamt und nach Rechtskreisen im Land BremenStichtag Juni

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung; eigene Darstellung

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

SGB III 55 Jahre und älterinsgesamt 55 Jahre und älter SGB II 55 Jahre und älter

Tabelle 1: Arbeitslosigkeit undSchwerbehinderung im Land BremenStichtag: Juni 2014

insgesamtMerkmal

4,2 %

8,1 %

3,9 %

6,8 %

Quelle: Statistik der Agentur für Arbeit, Sonderauswertung

5,2 %

11,7 %

Anteil der Schwerbehinderten

unter den Arbeitslosen insgesamt

Anteil der Schwerbehinderten

unter den Arbeitslosen 55 Jahre und älter

davon SGB III SGB II

Abb. 4: Arbeitslosigkeit nach Strukturmerkmalenund Alter im Land Bremen Stichtag: Juni 2014

länger als 12 Monate arbeitslos

länger als 6 Monate arbeitslos

ohne angeschlossene Ausbildung

mit abgeschlossener Ausbildung

Ausländerinnen/Ausländer

Deutsche

Frauen

Männer

23,3%56,9%

17,7%72,0%

61,0%51,6%

37,0%46,0%

24,9%15,8%

75,1%84,2%

46,1%44,9%

53,9%55,1%

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Arbeitslose 55 Jahre und älteralle Arbeitslosen

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung; eigene Darstellung

100

4544BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Mehr als jeder Zweite über 60 Jahre zählt nicht als arbeitslos

Bis hierhin hat sich dieser Beitrag auf die regis-trierte Arbeitslosigkeit bezogen und an unter-schiedlichen Punkten darauf hingewiesen, dass dieverschiedenen Vorgaben des Gesetzgebers, wie›Arbeitslosigkeit‹ zu definieren ist, zu wesentlichenstatistischen Lücken führen: Nicht alle Menschenzählen statistisch zu den Arbeitslosen, die imSystem der beiden Rechtskreise SGB III und SGB IIGeldleistungen beziehen oder nach Arbeit suchen.Zu nennen sind hier die bereits beschriebenen Son-derregelungen, wonach Ältere ab 58 Jahren Arbeits-losengeld unter erleichterten Bedingungen bezie-hen können (Sonderregelungen für Ältere nach § 428 SGB III/§ 65 Abs. 4 SGB II/§ 252 Abs. 8 SGB VI)oder nicht als Arbeitslose registriert werden, wennsie von den Jobcentern länger als zwölf Monatekein Stellenangebot erhalten haben (Sonderrege-lung für Ältere nach § 53a Abs. 2 SGB II). Hinzukommen andere schon erwähnte Faktoren, die dieArbeitslosenstatistik entlasten. Dazu zählen bei-spielsweise die Teilnahme an arbeitsmarktpoliti-schen Förderangeboten oder kurzfristige Erkran-kungen. Auch wer einer Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Stunden pro Woche nachgeht,ergänzend Leistungen bezieht und weiter aufArbeitssuche ist, gilt nicht als arbeitslos. In der Folge bildet die Arbeitslosenstatistik das Ausmaßder Arbeitslosigkeit nicht vollständig ab. Die wirkliche Welt und ihr statistisches Abbild liegen weit auseinander.

Arbeitsverwaltung für das Land Bremen bestätigendieses Bild. Gemessen an ihrem Anteil an derArbeitslosigkeit sind Ältere ab 50 Jahren in beidenRechtskreisen zum Teil gravierend unterfördert.Nur an den Maßnahmen zur Aktivierung undberuflichen Wiedereingliederung nehmen sie imSGB III etwa entsprechend ihres Anteils an denArbeitslosen teil. Dabei handelt es sich um kurzzei-tige Förderangebote, die etwa an den Arbeitsmarktheranführen, die Integration in eine sozialversiche-rungspflichtige Beschäftigung unterstützen odersogenannte Vermittlungshemmnisse feststellen sollen. Die öffentlich oft als wenig sinnvoll wahrge-nommenen Bewerbungstrainings gehören in die-sen Maßnahmetypus. Von beruflicher Weiterbil-dung scheint die Altersgruppe hingegen in beidenRechtskreisen weitgehend abgeschnitten. Dabeizählt ein nicht geringer Anteil zu den Geringquali-fizierten. Überproportional investiert die Arbeits-verwaltung bei Älteren in öffentlich geförderteBeschäftigung. Beschäftigungsmaßnahmen wer-den als Arbeitsgelegenheiten mit einer Mehrauf-wandsentschädigung (die sogenannten ›Ein-Euro-Jobs‹) oder als sozialversicherungspflichtige Varian-te (›Förderung von Arbeitsverhältnissen‹ – FAV) ausschließlich im SGB II angeboten. Das sozialver-sicherungspflichtige Instrument weist bei einerinsgesamt niedrigen Bestandszahl von jahresdurch-schnittlich 249 Förderfällen mit 55,8 Prozenteinen besonders hohen Anteil von Älteren auf.

VOR DER RENTE OHNE ARBEIT

Abbildung 5 zeigt die Bewegungsdaten in einerMomentaufnahme für den Juni 2014 für alleArbeitslosen und für die Gruppe der Älteren ab 50 Jahren. Insgesamt wurden 6.100 Menschen neuals arbeitslos registriert, 6.100 Menschen beende-ten ihre Arbeitslosigkeit. Darunter waren 1.447 Zu- und 1.417 Abgänge von Älteren. In der Abbildungsind jeweils die Anteile der unterschiedlichen Zu- und Abgangsgründe in Prozent dargestellt.Der Vergleich zeigt, dass das Risiko, aus einemBeschäftigungsverhältnis heraus arbeitslos zu wer-den – in der Statistik als ›Zugänge aus Beschäfti-gung am 1. Arbeitsmarkt‹ ausgewiesen – bei denälteren Arbeitslosen durchschnittlich niedriger istals bei allen Arbeitslosen. Wenn Ältere jedoch ersteinmal arbeitslos sind, gelingt es ihnen deutlichseltener, wieder eine Stelle zu finden. Stattdessenverlassen sie überproportional häufig die Arbeits-losenstatistik wegen ›Nichterwerbstätigkeit‹. Füreinen Teil bedeutet dies, dass sie in Rente gehen.Die größere Zahl dürfte aber wegen kurzzeitigerErkrankung nicht mehr als arbeitslos gezählt werden, um bei Gesundung erneut als Zugang registriert zu werden.Insgesamt waren im Land Bremen die Menschen,

die ihre Arbeitslosigkeit im Juni 2014 statistischbeendeten, über alle Altersgruppen hinweg durch-schnittlich 48,4 Wochen arbeitslos, bei Aufnahmeeiner Erwerbstätigkeit waren es 29,9 Wochen.Arbeitslose Ältere waren dagegen im Durchschnitt70,2 Wochen beziehungsweise 37,4 Wochen arbeits-

los. Im Land Bremen, wo im Bundesvergleich dasRisiko, länger arbeitslos zu bleiben ohnehin über-durchschnittlich hoch ist, ist es für Ältere dem-nach noch schwieriger, am Arbeitsmarkt wiederFuß zu fassen. Diese Beobachtung deckt sich mitbundesweiten Befunden, wonach die Wiederbe-schäftigungschancen für Ältere in Regionen miteiner hohen Arbeitslosigkeit besonders schlechtsind.5

In der Folge ist im Land Bremen die Arbeitslosig-keit in der Altersgruppe ab 50 Jahren vor allem vonlangen Dauern geprägt. Im Juni 2014 waren 55,7Prozent der arbeitslosen Älteren länger als ein Jahrarbeitslos, 36,5 Prozent sogar mehr als zwei Jahre.Dabei vergrößert sich der Rückstand der Älterenhinsichtlich ihrer Arbeitsmarktchancen sogar noch,denn drei Jahre zuvor, im Juni 2011, waren es noch48,5 Prozent beziehungsweise 28,5 Prozent gewe-sen. Die Wahrscheinlichkeit für ältere Arbeitslose,in sozialversicherte Beschäftigung einzumünden,hat sich im Land Bremen trotz einer positiven kon-junkturellen Lage mit insgesamt wachsendenBeschäftigungszahlen deutlich verschlechtert.Die Arbeitsförderpolitik der Arbeitsverwaltung

scheint auf diese Problemlage kaum zu reagieren.Die Bewegungsdaten der Ab- und Zugänge inArbeitslosigkeit in Abbildung 5 geben bereits einenersten Hinweis darauf, dass Ältere durchschnittlichseltener an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmenwie beispielsweise einer Qualifizierungsförderungteilnehmen. Die Eingliederungsbilanzen der5 Vgl. Hirschenauer (2013).

Tabelle 2: Eingliederungsbilanzen nach § 11 SGB III und nach § 54 SGB II;Bestandsdaten an geförderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern2013 im Land Bremen 12-Monatsdurchschnitt

insgesamt

Aktivierung und berufliche Eingliederung

berufliche Weiterbildung

Aufnahme einer Erwerbstätigkeit

Beschäftigungschaffende Maßnahmen

darunter:

sozialversicherungspflichtige FAV*

7.171 2.258 31,5 30.025 8.079 26,9

196 60 30,6 1.002 117 11,7

710 73 10,3 1.743 110 6,3

210 62 29,5 420 128 30,5

0 0 0 2.433 1.038 42,7

249 139 55,8

SGB III SGB II

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Arbeitslose insgesamt

davonÄltere ab50 Jahren

Anteil Ältere in %

Arbeitslose insgesamt

davonÄltere ab50 Jahren

Anteil Ältere in %

*Förderung von Arbeitsverhältnissen

Abb. 5: Bewegungsdaten: Zugänge und Abgänge aus Arbeitslosigkeit im Vergleich im Land Bremen, Stichtag: Juni 2014

Abgänge

2,9%2,1%

40,3%50,6%

3,4%5,5%

25,4%16,3%

2,2%3,0%

25,7%22,4%

0 60 50 40 30 20 10 0

Sonstige

Nichterwerbstätigkeit (bsp. Erkrankung)

Beschäftigung am 2. Arbeitsmarkt

Qualifizierung u. sonst. Maßnahmeteilnahme

Selbstständigkeit

Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt

7,5%7,0%

41,8%56,4%

2,9%4,6%

20,1%11,9%

2,1%2,3%

25,7%17,8%

0 10 20 30 40 50 60

Ältere ab 50 JahrenArbeitslose insgesamt

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnung, eigene Darstellung

Zugänge

4746BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

gen Wohnbevölkerung. Bei den Älteren ist die Hilfequote von 9,8 Prozent im Jahr 2005 beständigauf 12,3 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Im LandBremen ist demnach inzwischen jeder achte Ältereab 55 Jahren bedürftig im Sinne des SGB II und auf Hilfeleistungen angewiesen.Die Auswertung der Grundsicherungsstatistik

ermöglicht Einblicke in die Struktur der älterenerwerbsfähigen Leistungsberechtigten ab 50 Jah-ren.6 Im Land Bremen handelt es sich insgesamtum 17.200 Menschen. Als arbeitslos gilt jedochnicht einmal jeder Zweite. Die Abbildung 8 zeigt die erwerbsfähigen Leis-

tungsberechtigten und darunter die Gruppe derLangzeitleistungsbeziehenden, also die Menschen,die in den vergangenen 24 Monaten mindestens 21 Monate hilfebedürftig waren. In der Altersklasseder 50- bis unter 58-Jährigen waren dies 82 Prozent,etwas mehr als die Hälfte war als arbeitslos regis-triert. Bei den ab 58-Jährigen bezogen sogar 86 Pro-zent langjährig Arbeitslosengeld II, nicht einmalein Drittel galt als arbeitslos. Bemerkenswert istdie Arbeitsmarktnähe und Erwerbsneigung der seitlanger Zeit Leistungen beziehenden Älteren: Jede/rDritte von 50 bis unter 58 Jahren und immer nochmehr als jede/r Vierte der 58 Jahre und Älteren isterwerbstätig, verdient jedoch nicht genug, um denLebensunterhalt alleine bestreiten zu

erwerbsfähig sind, grundsätzlich nach einer Arbeitsuchen und den Lebensunterhalt für sich undihren Haushaltskontext nicht aus eigener Kraftbestreiten können.Dieser letzte Abschnitt wechselt noch einmal

die Perspektive und betrachtet ausschließlich dieMenschen, die Grundsicherungsleistungen fürArbeitsuchende nach dem SGB II beziehen, alsoArbeitslosengeld II beziehungsweise Hartz-IV-Leistungen. In der Statistik wird diese Gruppe›erwerbsfähige Leistungsberechtigte‹ (eLb) genannt.Im Land Bremen waren im Juni 2014 insgesamt67.271 Menschen im Sinne des SGB II hilfebedürf-tig und bezogen Arbeitslosengeld II. Seit dem Jahr2005 hat ihre Zahl insgesamt um 2,4 Prozent abgenommen. Die Entwicklung bei den Älteren ab55 Jahre nimmt dagegen im Vergleichszeitraumeinen anderen Verlauf. Ihre Zahl ist kontinuierlichgestiegen und im Vergleichszeitraum um 2.451Menschen oder 32,1 Prozent angewachsen. Inzwi-schen ist die Marke der 10.000 überschritten. Dabeiist der Anteil der Männer überproportional groß,wenn er auch von 56 auf inzwischen 52 Prozentgesunken ist.Wie stark eine bestimmte Bevölkerungsgruppe

von Hilfebedürftigkeit betroffen ist, weist die Hilfequote aus. Sie setzt die Zahl der Leistungsbe-rechtigten ins Verhältnis zu der Zahl der jeweili-

VOR DER RENTE OHNE ARBEIT

Die Bundesagentur für Arbeit hat darauf reagiert,indem sie eine separate Unterbeschäftigungs-statistik führt. Sie gibt differenziert über die Men-schen Auskunft, denen ein Arbeitsplatz fehlt, dieaber dennoch nicht unter den gesetzlich gefasstenArbeitslosenbegriff fallen. Weil die Bundesagenturfür Arbeit davon ausgeht, dass die Arbeitslosen-quote ohne die statistischen Entlastungseffektehöher wäre, berechnet sie das strukturelle Beschäf-tigungsdefizit zusätzlich mit der sogenanntenUnterbeschäftigungsquote. Die Öffentlichkeitnimmt davon allerdings bisher wenig Kenntnis.In Tabelle 3 ist die Entwicklung von Arbeitslosig-

keit und Unterbeschäftigung bei Älteren in absolu-ten Zahlen dargestellt. Von den einzelnen Kompo-nenten der Unterbeschäftigung sind die ausschließ-lich für ältere Arbeitslose relevanten gesondert aus-gewiesen. Es ist deutlich erkennbar, wie sich dasAbschaffen der 58er-Regelung auswirkt. In wenigenJahren sind die Fallzahlen von 5.991 auf 371 abge-schmolzen. Im Gegenzug ist die Anzahl der Fällenach der 2009 neu eingeführten Regelung im SGBII gestiegen, die Ältere ab 58 Jahren aus der Arbeits-losenstatistik ausgliedert, weil das Jobcenter ihnenlänger nichts mehr angeboten hat. Im Land Bre-men waren das im Juni 2014 bereits rund 2.500Menschen mit einer stark ansteigenden Tendenz.Das individuelle Problem, keinen Arbeitsplatz zuhaben und zu finden, ist durch das Verschwindenaus der Statistik jedoch nicht gelöst.Zusätzlich zu Arbeitslosigkeit und Unterbeschäf-

tigung kennt die Arbeitsmarktstatistik das Merk-mal der Arbeitsuchenden, das in der letzten Zeileder Tabelle dargestellt ist. Zu dieser Gruppe zählenMenschen, die eine versicherungspflichtige Be-schäftigung als Arbeitnehmerin und Arbeitnehmersuchen, die angestrebte Tätigkeit auch tatsächlich

ausüben können und sich bei der Agentur fürArbeit oder einem Jobcenter gemeldet haben, umsich bei der Arbeitssuche unterstützen zu lassen.Die Arbeitslosen stellen eine Teilmenge dar. Derstarke Anstieg der registrierten Arbeitsuchendenab 55 Jahren lässt sich als ein Hinweis auf einwachsendes und großes Interesse Älterer interpre-tieren, eine sozialversicherte Arbeit aufzunehmen.Eine gesonderte Betrachtung der Entwicklung

von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung derArbeitslosen ab 60 Jahren findet sich in Abbildung6. Die statistischen Effekte der Sonderregelungenfür Ältere ab 58 Jahren lassen sich an dieser Alters-gruppe besonders gut nachvollziehen. Ab 2009 war der abschlagsfreie Übergang in die Altersrentenicht mehr möglich. Die Arbeitslosigkeit stieg in der Folge, wobei zugleich die Sonderregelung imSGB II für Ältere ab 58 Jahren ihre mildernde Wirkung zeigt. Die Abbildung vermittelt zudemeinen Eindruck über das Ausmaß der verdecktenArbeitslosigkeit in dieser Altersklasse.

Die Hilfebedürftigkeit wächst

Arbeitslosigkeit erscheint im alltäglichen Sprach-gebrauch als ein eindeutiger Begriff, statistisch ister dagegen vielschichtig. Aus dem vorhergehendenAbschnitt lässt sich zusammenfassend mitnehmen,dass der statistische Status Arbeitslosigkeit nichtdie individuelle Lebenslage widerspiegelt, ohneArbeit zu sein und nach einer geeigneten Stelle zusuchen. Es wäre ebenso ein Irrtum anzunehmen,mit dem Bezug von Arbeitslosengeld II wäre auto-matisch der Status der Arbeitslosigkeit oder gar derLangzeitarbeitslosigkeit gegeben. Denn die Grund-sicherung nach dem SGB II wird unabhängig vom Arbeitslosenstatus an Menschen gezahlt, die

6 In der Leistungsstatistik

nach dem SGB II (Grundsi-

cherungsstatistik) berich-

tet die Statistik der Bun-

desagentur für Arbeit

über die Anzahl der soge-

nannten hilfebedürftigen

Menschen nach dem SGB

II. Für die folgenden

Berichtsabschnitte sind

abgegrenzte Daten für die

Gruppe der 50- bis unter

58-Jährigen und der über

58-Jährigen und älter ver-

fügbar. Der Berichtsmonat

am aktuellen Rand ist hier

der Mai 2014.

8.000

7.000

6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

0Juni 2008 Juni 2009 Juni 2010 Juni 2011 Juni 2012 Juni 2013 Juni 2014

Abb. 6: Bestandsdaten Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung nach Altersgruppen 60 Jahre und älter im Land Bremen

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung, eigene Darstellung

Sonderregelungen für Ältere (§ 53a Abs. 2 SGB II)

Sonderregelungen für Ältere (§ 428 SGB III / § 65 Abs. 4 SGB II / § 252 Abs. 8 SGB VI)

60 Jahre und älter: Unterbeschäftigung insgesamt (ohne Kurzarbeit)

Unterbeschäftigung sonstige

60 Jahre und älter: als Arbeitslose registriert

Tabelle 3: Bestandsdaten Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung undArbeitsuchende im Land Bremen in der Altersgruppe 55 Jahre und älterStichtag: Juni

3.820 4.538 4.657 5.022 5.226 5.601 5.861

8,6% 9,9% 9,9% 10,2% 9,9% 9,7% 9,8%

11.694 11.191 11.252 11.052 10.580 10.436 10.168

5.991 4.441 3.357 2.524 1.641 960 371

212 1.089 1.549 1.884 2.195 2.483

6.141 7.678 8.673 9.381 9.971 10.738 11.369Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Sonderauswertung

Arbeitslose

Arbeitslosenquote

Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit)

darunter:

Sonderregelungen für Ältere (§ 428 SGB III /

§ 65 Abs. 4 SGB II / § 252 Abs. 8 SGB VI)

Sonderregelungen für Ältere (§ 53a Abs. 2 SGB II)

Arbeitsuchende

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

fähigkeit, wenn ihnen die Integrationin Arbeit gelingt. Ein sozialer Arbeits-markt könnte mit der Stadtteilpolitikverknüpft werden und weiteren sozia-len Zusammenhalt stiften. Individuellwürde er zudem die Ansprüche vonArbeitslosen an die Rentenversicherungerhöhen. Statt sie zwangsweise mitempfindlichen Ab-schlägen in dieFrührente zu schicken, würde alsoeffektiv zur Bekämpfung von Alters-armut beitragen.Wenn in einer Arbeitsgesellschaft

gesellschaftliche Teilhabe wesentlichan die möglichst lange Integration ingute Arbeit gebunden ist, dann darf sie Ältere nicht davon entkoppeln.

4948BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

zudem in der unterdurchschnittlichen FörderungÄlterer durch aktive Arbeitsmarktpolitik wider.Dabei haben Modelle wie beispielsweise das Bundesprogramm ›Perspektive 50plus‹ gezeigt, dass durch gute Angebote und eine verbesserteBegleitung durchaus Erfolge zu erzielen sind.8

Das Interesse von Älteren ohne Arbeitsplatz istgroß, eine Beschäftigung aufzunehmen. Sie findenjedoch zunehmend schlechtere Chancen auf demregionalen Arbeitsmarkt vor. Darauf muss dieArbeitsmarktpolitik neue Antworten finden. Einewäre die Etablierung eines dauerhaft geförderten›sozialen Arbeitsmarkts‹ für diejenigen, die sich inden vergangenen Jahren vor dem regulären Ren-teneintritt befinden. Bisher fehlt für eine solcheForm längerfristiger und sozialversicherter öffent-lich geförderter Beschäftigung ein gut geeignetesarbeitsmarktpolitisches Instrument. Vorschlägehierzu wurden in verschiedenen Zusammenhän-gen entwickelt.Im Land Bremen mit seiner strukturellen

Arbeitslosigkeit und einem engen Arbeitsmarkt fürÄltere ist es an der Zeit, sich nun auf den Weg zu machen. Mit dem Instrument ›Förderung vonArbeitsverhältnissen‹ ließe sich ein Anfangmachen, solange bundespolitische Reformen aufsich warten lassen. Nach allen Erfahrungen schät-zen Ältere die Anerkennung, sozialen Kontakteund den Zugewinn an individueller Handlungs-

VOR DER RENTE OHNE ARBEIT

können. Insgesamt gingen rund 4.500 ab 50-Jähri-ge im Land Bremen einer Erwerbstätigkeit nach und waren zusätzlich auf Arbeitslosengeld IIangewiesen.Unter dem Merkmal ›nicht arbeitslose Arbeit-

suchende‹ sind in der Grundsicherungsstatistikdiejenigen gefasst, die nicht als arbeitslos zählen,aber dennoch Arbeit suchen – beispielsweise weilsie an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahmeteilnehmen oder weil sie einer sozialversiche-rungspflichtigen Beschäftigung nachgehen.Es bleibt festzuhalten, dass im Land Bremen die

Hilfebedürftigkeit Älterer in der Übergangsphasezwischen Erwerbsleben und Ruhestand kontinu-ierlich steigt. Angesichts des nahen Rentenaltersist dies deshalb besonders problematisch, weil die Grundsicherung für Arbeitsuchende keineBeiträge zur Rentenversicherung leistet und ledig-lich beitragsfreie Zeiten für die künftige Renteangerechnet werden. Die ursprünglich gesetzlichfestgelegten Pflichtbeiträge im SGB II wurden zu-nächst gekürzt und schließlich ganz abgeschafft.Dabei erhöht insbesondere der langzeitige Bezugvon Hartz-IV-Leistungen die Risiken eines prekärenRentenübergangs in die dauerhafte Altersarmut. Seit dem Jahresbeginn 2008 droht älteren SGB-

II-Leistungsberechtigten zudem die zwangsweiseFrühverrentung. Denn wer die Voraussetzungen

für eine vorgezogene Altersrente erfüllt, kann nunvon den Jobcentern dazu aufgefordert werden,einen Rentenantrag zu stellen. Wenn dem nichtFolge geleistet wird, kann die Arbeitsverwaltungunter bestimmten Bedingungen direkt und ohneZustimmung der Betroffenen einen entsprechen-den Antrag bei der Rentenversicherung stellen.Denn die Grundsicherung für Arbeitsuchende istein nachrangiges Fürsorgesystem, so dass alle ande-ren Sozialleistungen – so auch die Rente – vorran-gig in Anspruch genommen werden müssen. Dassdie dann fälligen Abschläge die Renteneinkünftedauerhaft reduzieren, wird dabei vom Gesetzgebernicht als unbillige Härte gewertet, die eine Ausnah-me erlauben würde. Dabei muss, wer künftig erstmit 67 eine abschlagsfreie Rente beziehen kann,bei einem erzwungenen Altersübergang mit 63 Jahren bis an das Ende seiner Tage mit bis zu 14,4 Prozent weniger Rente auskommen.7

Diese Regelung mag den Bundeshaushalt vonAusgaben für Arbeitslosengeld II und auf Jahreauch die Rentenkassen entlasten, weil sie dauer-haft geringere Rentenzahlungen leisten muss. Aberdie Betroffenen werden erheblich belastet und ihrdauerhaftes Armutsrisiko im Alter steigt drastisch.Davon legt auch das Interview auf Seite 50ff. in die-sem Band ein beredtes Zeugnis ab. Die Praxis derZwangsverrentung muss schnellstmöglich beendetund falls nötig, die gesetzliche Grundlage verän-dert werden.

Ein kurzes Fazit –Teilhabe statt Bedürftigkeit

Die Rentenpolitik hat die Erwerbsphase verlängertund im Zusammenwirken mit der Arbeitsmarkt-politik den Altersübergang maßgeblich verändert.Die Arbeitsmarktpolitik muss sich deshalb ver-stärkt der Aufgabe zuwenden, ältere Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer länger in Beschäftigungzu halten. Zugleich muss sie ihrer Verantwortunggerecht werden, Ältere, denen ein Arbeitsplatzfehlt, wieder in Beschäftigung zu bringen.Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich die

Arbeitsmarktpolitik von den Älteren ohne Arbeitabwendet. Das zeigt sich daran, dass sich das Aus-maß der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer einer realistischen Bewer-tung und damit auch einer angemessenen politi-schen Wahrnehmung entzieht und spiegelt sich

Literatur

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Neue Typisierung der Agenturbezir-

ke: Integrationserfolge hängen von

regionalen Gegebenheiten ab, IAB-

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(IAB) der Bundesagentur für Arbeit

(Hrg.), Nürnberg; http://doku.iab.de/

kurzber/2013/kb0513.pdf, zuletzt

abgerufen am 07.10.2014.

❚ Knuth, M. et al. (2014):

Evaluation der Zweiten Phase des

Bundesprogramms ›Perspektive

50plus – Beschäftigungspakte für

Ältere in den Regionen‹ (2008–2010),

Abschlussbericht; Duisburg;

http://www.perspektive50plus.de/filea

dmin/_migrated/content_uploads/Ab

schlussbericht_50plus_Hauptband.

pdf; zuletzt abgerufen am 30.09.2014.

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zuletzt abgerufen am 28.09.2014.

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(Hrsg.); Internetdokument,

www.baua.de/de/Publikationen/

Fachbeitraege/artikel22.html,

zuletzt abgerufen am 28.09.2014.

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kammer Bremen (Hrsg.), Bericht zur

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S. 102–105, Bremen;

http://www.arbeitnehmerkammer.de/

publikationen/jahrespublikationen-

bericht-zur-lage-der-arbeitnehmerin-

nen-und-arbeitnehmer-im-lande-

bremen.html, zuletzt abgerufen am

30.09.2014.

❚ Statistik der Bundesagentur

für Arbeit:

verschiedene Internetdokumente,

abrufbar unter http://statistik.

arbeitsagentur.de/

7 Vgl. Schäfer/Hinz ( 2014).

8 Vgl. Knuth et al. (2014).

Abb. 8: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, Langzeitleistungsbeziehendeund Status, differenziert nach Altersgruppen Stichtag: Mai 2014

50 bis unter 58 Jahre

10.565

8.637

2.498 2.933

12.000

10.000

8.000

6.000

4.000

2.000

0

erwerbsfähige Leistungsberechtigte

5.038

58 Jahre und älter

6.635

5.698

2.799

1.484 1.635

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, eigene Darstellung

darunter arbeitslosdarunter nicht arbeitslose Arbeitsuchendedarunter erwerbstätig

davon Langzeitleistungsbeziehende

12.000

10.000

8.000

6.000

4.000

2.000

0

80.000

75.000

70.000

65.000

60.000

55.000

50.000

Abb. 7: Bewegungsdaten: Zugänge und Abgänge aus Arbeitslosigkeit im Vergleich im Land BremenStichtag: Juni

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

erwerbsfähige Leistungsberechtigte Männer 55 und älter

erwerbsfähige Leistungsberechtigte Frauen 55 und älter

erwerbsfähige Leistungsberechtigte insgesamt

erwerbsfähige Leistungsberechtigte insgesam

t

erwerbsfähige Leistungsberechtigte 55 Jahre und älter

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, eigene Darstellung

50BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

50BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

51INTERVIEW

51

Jeden Tag Druck Renate L.

Renate L. kann immer noch nicht glauben, dass sie fast ihr ganzes Leben hart gearbeitet hat und sich nun nicht einmal ein gesundes Stück Fisch leisten kann. Das empfindet sie als große Ungerechtigkeit, die genauso schwerauf ihrer Seele lastet wie Krankheit und Geldnot. Nach 31 Jahren Schuftereiwurde sie unschuldig arbeitslos – und vor ein paar Monaten zwangsweise mit63 in Rente geschickt – mit deutlichen Abschlägen. ›Ich möchte eigentlich nur meine Rente haben, die ich mit 65 bekommen hätte‹, sagt sie. ›Das würdemeiner Seele guttun. Ich denke viel darüber nach, warum das alles so unge-recht ist.‹ Um einigermaßen über die Runden zu kommen, sucht sie nun nacheinem kleinen Nebenverdienst – trotz stark eingeschränkter Gesundheit.

Lorenzen: Wie sah denn Ihre Arbeit aus?RENATE L.: In den ersten 17 Jahren habe ich aufdem Großmarkt gearbeitet. Von morgens um fünfbis teilweise acht Uhr abends. Ich musste allesmachen, Lkw entladen, 50 Kilo Draht oder 50 KiloPapier mit den Händen runterheben, Gabelstaplergab es noch nicht, anschließend verkaufen, weiterin die Firma, Waren zusammenstellen, zurückzum Großmarkt und für den nächsten Tag alleswieder einräumen. Pausen gab es nicht. Nach zweiJahren hatte ich die Verantwortung, musste Kun-den bedienen und die Abrechnung machen. Ichhabe das gern gemacht. Von heute aus gesehen,hätte ich das mal lieber nicht gemacht. Aber manwar ja noch jung und hat das alles gut weggesteckt.Am Anfang war das Betriebsklima auch noch gut.

Lorenzen: Was haben Sie in Ihrer Freizeitgemacht?

RENATE L.: Freizeit? Abends war man fertig. Mankonnte ja nicht um 17 Uhr Feierabend machen. Dawurde so lange gearbeitet, bis alles erledigt war.Wir hatten auch verkaufsoffene Sonntage undsamstags wurde früher auch noch gearbeitet. Unddann müssen sie auch ausgeschlafen sein, da kön-nen sie nicht kommen und sagen: Mir geht’s heutenicht gut. Wenn man gebraucht wurde, mussteman da sein. Ich bin auch kein Mensch, der groß-artig feiert.

Lorenzen: Was passierte dann nach 17 Jahren?RENATE L.: Da wurde die Arbeit auf dem Groß-markt dann doch zu schwer für mich. Ich bliebdann tagsüber im Betrieb und habe da die Leitungübernommen. Die Firma war zu der Zeit schonlängst von Gröpelingen nach Platjenwerbe bei Rit-terhude umgezogen – und ich mit. Von meinemMann war ich geschieden. Aber dann wollte derChef groß hinaus – und hat sich verkalkuliert. Ermusste dann abdanken und es kamen neue Ge-schäftsführer. Das waren fünf schlimme Jahre. Ichhabe das Ende der Firma kommen sehen. Wennman solange da ist, merkt man das. Ich wurde voneiner Abteilung in die andere gejagt, weil die michraushaben wollten. Da wurde ich das erste Malkrank – das kannte ich vorher gar nicht. ZumSchluss haben sie mich dann auch noch betrogen.

››Gleich nach dem Öffnen der Tür ihrer kleinenDachgeschosswohnung in Findorff beugt Renate L. Missverständnissen vor. ›Allesgeschenkt‹, sagt sie mit Blick auf ihre gemüt-liche und gepflegte Einrichtung. Das an-schließende Gespräch fällt ihr nicht leicht –nicht nur wegen der noch nicht lange über-standenen Mundhöhlenoperation. Sie hat eine Menge zu sagen.

Ralf Lorenzen: Wo sind Sie aufgewachsen, Frau L.?

RENATE L.: Ich bin in Rastede aufgewachsen. Wirwaren drei Mädchen und mussten schon als Kinderarbeiten, damit wir etwas zum Essen hatten, Rübenhacken und Kartoffeln sammeln. Nach der Volks-schule habe ich mir eine Lehrstelle als Einzelhan-delskauffrau in einer Buch- und Kunsthandlunggesucht. Ich habe immer sehr gern gelesen. Aber inder Berufsschule wurde ich von den Mitschülernsehr schlecht behandelt – wegen meinem Schattenauf der Lunge, den hatte ich durch meinen Vaterbekommen. Er war Bergmann in Recklinghausengewesen und schwer krank. Das war eine schlimmeZeit, an die ich nicht gerne erinnert werden möch-te. Ich musste meine Lehre abbrechen und habeden erstbesten Mann geheiratet. So bin ich nachBremen gekommen. Dort habe ich mich erst ganzfremd gefühlt, fand aber schnell eine Stelle ineinem Großhandel für Floristikbedarf. Das warAnfang der 1970er-Jahre. Da habe ich dann 31 Jahre lang gearbeitet.

R ALF LORENZENSoziologe und freier Journalist

52BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

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Lorenzen: Wie denn?RENATE L.: Ich habe da wieder in Bremen gelebt,weil die Einsamkeit da draußen nichts für michwar. Zur Arbeit bin ich immer mit einer Kollegingefahren. Die hat aber aufgehört und ich wusstenicht, wie ich nun nach Platjenwerbe kommen sollte. Die Leitung hat nach vielem Hin und Herbeschlossen, dass ich den Firmenwagen des Haus-meisters abends mitnehmen kann. Ich war langekein Auto gefahren und habe noch ein paar Fahr-stunden genommen. Als es dann so weit war, habeich den Firmenwagen plötzlich doch nicht bekom-men und musste mir ein billiges Auto kaufen.Nach ein paar Monaten ging die Firma in Konkursund ich saß auf meinem Kredit für das Auto. Diese Schulden bin ich bis heute noch nicht los.

Lorenzen: Haben Sie eine Abfindung bekommen?

RENATE L.: 300 Euro. Ich war damals 50. Ich bindurch ganz Bremen gelaufen und habe überallArbeit gesucht. Zu alt, zu teuer, das Gesicht passtnicht rein. Das musste ich mir alles anhören. Ichbin schon mit meinem Gehalt runtergegangen.Und auf dem Jobcenter wurde ich behandelt, als obich faul wäre. Ich wurde hinbestellt, sitzen gelas-sen und wieder nach Hause geschickt. Teilweisemusste ich mir persönliche Beleidigungen gefallenlassen – aber eine Arbeit konnten sie mir dieganzen Jahre nicht vermitteln.

Lorenzen: Haben Sie denn selbst eine gefunden?

RENATE L.: Ja, bei einem alleinstehenden Herrn imHaushalt, Vollzeit. Jedenfalls weg vom Jobcenter,habe ich mir gedacht. Aber dann bekam ich nacheinem Jahr einen doppelten Bandscheibenvorfall.Beim Medizinischen Dienst sagten sie mir, daskäme nicht von den 31 Jahren Plackerei im Groß-handel – nur um mich nicht für berufsunfähig zu erklären. Es dauerte etwas, bis das wieder inOrdnung war und anschließend habe ich Hartz IVbekommen. Zwischendurch sollte ich aus der Wohnung ausziehen, weil sie die nicht mehrbezahlen wollten. Das waren Dramen, das hatmich alles krank gemacht, der unendliche Druckimmer, wenn ich da hinmusste, da war ich fertig,das bin ich heute noch. Zwölf Jahre unter Druck,in denen man nicht weiß, wie es weitergeht. Das kann Krebs auslösen, das hat mir mein Arztgesagt.

Wenn Renate Renate l. von der Zeit ihrerArbeitslosigkeit spricht, davon, wie sie denbehördlichen Umgang mit ihr empfunden hat,schwingt neben Wut, Schmerz und Enttäu-schung auch immer noch ein tiefes Unver-ständnis mit. Wie kann jemand, der 31 Jahrelang schwer gearbeitet hat, in so kurzer Zeit sotief fallen gelassen werden? Ihr Glaube aneinen sozialen und gerechten Staat, der vorherwohl da war, ist in diesen Jahren schwererschüttert worden. Endgültig zerbrochen ist er dann durch die Art und Weise, wie sie verrentet wurde. Vorher gab es aber nocheinen Lichtblick, ein kurzes Aufatmen.

RENATE L.: Ich habe dann nebenbei noch fünf Jahrebei einer Familie 15 Stunden im Monat im Haus-halt gearbeitet. Das war meine schönste Stelle über-haupt, die Familie hat mich gut behandelt – alsMenschen. Doch letztes Jahr im Oktober wurde ichleider krank, erst bekam ich eine Gürtelrose unddann wurde bei mir Mundhöhlenkrebs diagnosti-ziert. Da musste ich bei der Familie leider wiederaufhören. Im Dezember bin ich dann operiert wor-den. Alle drei Monate gehe ich jetzt zur Nachunter-suchung – fünf Jahre lang, die man mit der Angstlebt.

Da lag das Ereignis, das Frau Renate l. bis heute empört wie kein anderes, schon ein paarMonate zurück.

RENATE L.: Im April 2013 bekam ich ein Schreibenvom Jobcenter, dass ich in Rente gehen soll. Wennich das nicht selbst veranlasse, würden sie das für mich machen. Sie hatten mir schon zwei Jahrevorher angekündigt, dass sie mich am liebsten lossein würden. ›Ich will sie hier nicht mehr sehen‹,hat man mir gesagt. Das fand ich heftig, ich warfix und fertig. Nach dem Schreiben bin ich zumJobcenter gegangen und habe gesagt: Das kannnicht sein, ich will gar nicht in Rente gehen. Doch,Sie müssen, war die Antwort. Seit April bin ichnun in Rente, mit 7,2 Prozent Abzügen, ohne dassich überhaupt gefragt wurde. Und der Kranken-kassenbeitrag kommt auch noch dazu.

53INTERVIEW

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Jeden Tag Druck

Lorenzen: Erhalten Sie Unterstützung aus dem privaten Bereich?

RENATE L.: Nein, die haben selbst alle gearbeitet.Meiner ältesten Schwester und meinem Schwagerist das Gleiche passiert. Er war 45 Jahre lang Maurer und als er nicht mehr arbeiten konnte,wollten sie ihm das Haus anrechnen. Ich willnichts geschenkt, ich will Gerechtigkeit. Am meisten ärgert mich, mich einfach in die Rente zujagen. Ich möchte eigentlich nur meine Rentehaben, die ich mit 65 bekommen hätte. Das wärefür mich gut, das würde meiner Seele guttun. Ich denke viel darüber nach, warum das alles soungerecht ist.

Lorenzen: Werden Sie sich wieder einen Zuverdienst suchen?

RENATE L.: Ich würde gern wieder etwas machen,ich will hier ja nicht vergammeln. Und ich würdeauch gern mal in die Stadt gehen, meine Schwestermit dem Zug besuchen oder einfach nur eine schö-ne Tagescreme kaufen. Ich habe mir auch schonetwas aus der Zeitung ausgesucht, aber wer nimmtmich denn für eineinhalb Stunden am Tag? Hebenoder tragen darf ich auch nicht mehr.

Lorenzen: Was sollte die Politik ändern?RENATE L.: Das Gesetz sollte so geändert werden,dass bei Leuten, die unschuldig in die Arbeitslosig-keit kommen, anders gerechnet wird, als bei Leuten, die gar keine Lust haben. Man kann dochnicht Menschen, die ihr Leben lang gearbeitethaben und dann krank werden noch einen drauf-geben und sie einfach in Rente schicken. Als ichnoch die feste Arbeit hatte, hatte ich eine Zusatz-rentenversicherung – die konnte ich nicht halten,das ist alles weg. Von dem Dachdecker erwarten sie,dass er bis 65 arbeitet. Die anderen werden einfachgezwungen, in Rente zu gehen, nur weil sie beimJobcenter sind. Das ist ungerecht, das vergesse ichauch nicht. Das wird mir jeden Tag bewusst, wennich einkaufen gehe. Ich kann mir nicht erlauben,gesund zu leben. Ich kann nicht ins Fischgeschäftlaufen und mir ein Stück Fisch kaufen. Die Rent-ner werden ausgebeutet. ‹‹

Wie Frau Renate l., bekommen viele andereBezieher von Hartz IV, die 63 Jahre alt sind,vom Jobcenter die Aufforderung, vorzeitig inRente zu gehen und damit Einbußen bei denAltersbezügen in Kauf zu nehmen. Für jedenMonat Frührente werden den Betroffenenrund 0,3 Prozent der Altersrente gekürzt. Aus-genommen von der Zwangsrente ist nur, werin diesem Altersabschnitt arbeitet und mitHartz IV aufstockt oder in absehbarer Zeit Aus-sicht auf eine sozialversicherungspflichtigeArbeitsstelle hat. Wer den Aufforderungennicht nachkommt, für den stellt das Jobcenterden Rentenantrag selbst. Grundlage hierfür ist eine Änderung des Sozialgesetzbuchs ausdem Jahre 2008, die nach einer Übergangsfristjetzt verstärkt umgesetzt wird.

RENATE L.: Es ist eine Frechheit, ich habe schließ-lich die ganzen Jahre in die Rentenversicherungeingezahlt und mein Arbeitgeber auch. Jetzt mussich zum Sozialamt gehen, um mir den Rest zuholen. Ich mache die Preise für Strom und allesandere nicht. Ich brauche auch eine besondereErnährung, weil ich nach meiner Operation nichtalles essen konnte – ich wog ja nur noch 96 Pfund. Dazu kam, dass die erste Rente Ende April aus-

gezahlt wurde, das Arbeitsamt aber nur bis zum28.2. bezahlt hat. Da stand ich einen Monat ohneGeld da. Es hat mir aber eine Frau vom Sozialamtgeholfen, die nicht so getan hat, als wenn ich einStück Dreck wäre. Ja, das ist mein Leben. So willich eigentlich nicht leben. Ich habe nur einenWunsch: Ich möchte mit 65 Jahren in Rente gehenund das Geld bekommen, für das ich gearbeitethabe.

Lorenzen: Könnten Sie denn davon leben?RENATE L.: Auf jeden Fall besser als heute. Ichbekomme 785 Euro ausgezahlt, da gehen schonüber 500 Euro für Miete, Strom und Fahrkartenweg. Vom Sozialamt-Zuschuss fallen jetzt auch 37 Euro weg, weil ich wieder selbstständig essenkann. Vor ein paar Jahren haben sie mir nochgeschrieben, dass ich mit 65 über 1.000 Euro Rentebekomme. Aber der Rentenanspruch ist in den letzten Jahren ja sowieso immer weiter runterge-gangen. Wenn ich das über die Jahre verfolge, istder jetzt viel niedriger als noch vor ein paar Jahren.Ich weiß nicht, wie das werden soll. Jetzt trage ich gebrauchte Klamotten, aber ich muss auch malSchuhe besohlen lassen. Als ich in der Reha war,brauchte ich ein paar Sachen, die musste ich miralle leihen. Was meinen Sie, was ich da gekämpfthabe. Ich kann mir nicht erlauben, mal eine TasseKaffee und ein Stück Kuchen zu kaufen. Aber dabin ich ja nicht die Einzige, ich sehe am Haupt-bahnhof viele Menschen in meinem Alter.

GRUPPENINTERVIEW

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KARL-HEINZ DAMMANN,

Konzernbetriebsratsvorsitzender EurogateEurogate ist ein globaler Konzern, der im Jahr2000 aus der BLG Logistics Group und EurokaiHamburg heraus gegründet wurde und Container-terminals in Europa und darüber hinaus betreibt.Am Standort Bremerhaven arbeiten über 2.000Beschäftigte. Die meisten davon im gewerblichenBereich Van-Carrier – als Kranfahrer. Da die Hafen-arbeit in der Vergangenheit eine männerdomi-nierte Arbeitswelt war, nimmt der Frauenanteil imgewerblichen Bereich erst in den letzten Jahrenlangsam zu.

BERNHARD ESTERS,

Personalratsvorsitzender Umweltbetrieb BremenDer Umweltbetrieb Bremen ist ein Eigenbetrieb derStadt, der sich unter anderem um die Pflege derGrünanlagen, Parks und Spielplätze kümmert. Esarbeiten in unserem Betrieb etwa 520 Beschäftigte,viele im gewerblichen Bereich als Gärtner und alsFacharbeiter. Der Frauenanteil liegt bei 25 Prozent.

MONIKA RÜßMANN,

Betriebsratsvorsitzende im Klinikum Bremen-OstDas Klinikum Ost ist Teil der EinheitsgesellschaftGesundheit Nord gGmbH, die die vier kommuna-len Kliniken Mitte, Links der Weser, Ost und Nordbündelt. Im Klinikum Ost arbeiten rund 2.200 vor-wiegend weibliche Beschäftigte. Die meisten in derPflege und medizinischen Versorgung, aber auchin Servicebereichen wie Küche und Reinigung.

KLAUS HERING,

Betriebsratsvorsitzender ArcelorMittal BremenDas Bremer Werk ist Teil des weltgrößten Stahlkon-zerns. Hier arbeiten mehr als 3.100 Beschäftigte.Ein großer Teil in Schichtarbeit und im gewerb-lichen Bereich fast ausschließlich Männer.

Im Oktober trafen wir uns in der Arbeitnehmer-kammer mit fünf Betriebsrätinnen und Betriebs-räten sowie einem Personalrat, um die demogra-fische Situation in ihrem Betrieb zu besprechen.Beteiligt waren ganz unterschiedliche Bereichewie Krankenhäuser, Hafen beziehungsweise Logis-tik, das Stahlwerk ArcelorMittal, der Umweltbe-trieb Bremen und der Bremer Martinsclub alssozialer Dienstleister. Wir wollten wissen, wie dieAltersstruktur in den Betrieben ist, ob es dieMöglichkeit gibt, gesund und womöglich bis zurRente seinen Job zu machen und wie die Kollegin-nen und Kollegen ihre Übergänge in die Rentegestalten. Offenkundig wurde, dass sich dieAltersstruktur in allen Betrieben hin zu den 50-, 55-Jährigen verlagert. Gleichwohl gibt es sogut wie keinen systematischen Umgang mit dieser demografischen Herausforderung. Am ehesten noch in den Großbetrieben der Metall-und Logistikbranche. Hier sorgen auskömmlicheLöhne auch – noch – dafür, dass Altersübergängezum Teil früher oder flexibel stattfinden. Aberauch hier zeigt sich: Diese individuellen Lösun-gen sind für eine größer werdende Anzahl Älte-rer keine Perspektive. ›Man kann nicht Menschenmit unterschiedlichen Belastungssituationen nur eine einzige Option, nämlich die Rente mit67, geben‹, so einer der Betriebsräte.

Und unisono stellen sie fest: Die Tarifvertrags-oder Betriebsparteien werden das Problem nichtlösen können. Gefragt ist der Gesetzgeber, der fürmehr und neue Möglichkeiten eines Übergangsin Rente sorgen muss. Gefragt ist aber auch – undzwar verbindlich – der Arbeitgeber, der dafür sorgen muss, dass man in seinem Betrieb bis zurRente arbeiten kann. Fehlen diese beiden Kompo-nenten, verbleibt das Risiko einer ›irregulären‹Rente mit hohen Abschlägen oder gesundheitli-chen Einschränkungen allein beim Arbeitnehmer.

Wir bedanken uns herzlich bei den Teilnehme-rinnen und Teilnehmern an diesem Gruppen-interview:

E LKE HEYDUCK Geschäftsführerin/Leitung Politikberatung Arbeitnehmerkammer Bremen

Gruppeninterview: Einblick in Bremer Betriebe4

Vielleicht finden wir heute noch individuelle Lösungen, aber das wird nicht reichen. Wir haben wirklich eine demografische Frage zu lösen.‹‹

››

GRUPPENINTERVIEW

5756BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Heyduck: Wie lässt es sich unter diesenUmständen altern? Versuchen viele, früher zugehen und gibt es entsprechende Möglich-keiten?

RÜßMANN: In der Pflege und im Reinigungsdienst,auch in der Küche, sind die Kolleginnen sehr starkbelastet. Und viele gehen in die Erwerbsminderung.Wir haben aber auch hohe Ausfallzeiten, weil die Leute den Belastungen nicht gewachsen sind.Und dann suchen sie nach individuellen Lösungen,zum Beispiel, indem die Arbeitszeit weiter redu-ziert wird. Die Frage heißt: ›Was brauche ich, umüber den Monat zu kommen?‹ Auch wenn sich die Rente dadurch reduziert.

Heyduck: Und im Klinikum Bremerhaven?RENATE SINDT: Alles ist sehr ähnlich in diesemBereich. Hinzu kommt bei uns im Haus ein relativhoher Altersdurchschnitt, so zwischen 48 und 52.Uns fehlt fast eine ganz Generation von Mitte 30bis Mitte 40 – weil das in die Phase massiver Perso-naleinsparungen fiel. Jetzt müssen wir unbedingt›auffüllen‹, aber es sind gar nicht so viele Auszu-bildende am Markt. Letzte Woche ist es ja leider auch durch die

Presse gegangen: Wir müssen Stationen schließenwegen Personalmangels. Das ist eine desaströseSituation. Und die Kolleginnen, die da sind, kön-nen sich überhaupt nicht vorstellen, es bis 67 indie Rente zu schaffen. Und bei der Rente mit 63haben wir das Probelm, dass die schulische Ausbil-dung nicht anerkannt wird. Ein Schlosser kann seine Ausbildungszeit auf die 45 Berufsjahreanrechnen, eine Krankenschwester nicht.

Heyduck: Und die sogenannte Flucht in Teil-zeit, die die Kollegin aus Bremen beschriebenhat?

SINDT: Ist bei uns nur zum Teil ein Thema. Machenwir uns nichts vor: Wir vertreten hier einen sozia-len Bereich – die Gehälter sind schlecht! Wenn duda in Teilzeit gehst, schrammst du immer an auf-stockenden Leistungen und Mietzuschuss vorbei.Das geht nur, wenn es noch einen Verdiener in derFamilie gibt. Kolleginnen, die allein für sich sorgenmüssen, sitzen manchmal mit Tränen in denAugen vor uns. Stunden reduzieren geht nicht,Vollzeit schaffen sie aber auch nicht mehr.

Heyduck: Wurde die demografische Situationuntersucht?

SINDT: Wir haben uns mit den Altersstrukturenbefasst, speziell in den besonders belasteten Berei-

die vier Prozent fallen, so dass dann wiederjemand einen Anspruch aus dem Tarifvertrag stel-len kann. Wir haben allerdings seit 2006 einen›Fond Demografischer Wandel‹, in den jährlichzwei Millionen aus Firmengeldern fließen und ausdem Maßnahmen – wie zum Beispiel Altersteilzeit– betrieblich gefördert werden können. Allerdingssind wir verpflichtet, dies aus den Zinserträgen des Fonds zu tun. Damit haben wir nun einmalden Jahrgang 55 bis 56 kofinanziert. Aber, dasreicht bei den Zahlen, die jetzt auf uns zukommen,bei Weitem nicht aus. In den nächsten geburten-starken Jahrgängen haben wir im Schnitt 3 bis 400 Leute. Und für die braucht man eine andereLösung.

Heyduck: Weil es vorhin Thema war: Kannman bis 67 bei euch arbeiten?

HERING: Ich würde es nicht pauschal mit Ja oderNein beantworten. Sicherlich gibt es Bereiche imBetrieb, wo die Kollegen sich das vorstellen können.Aber: der Kollege in Contischicht am Hochofen, amWarmwalzwerk höchstens in Einzelfällen.

Heyduck: Wie sieht es in den Krankenhäusernaus?

MONIKA RÜßMANN: Im Klinikum Ost haben wir circa 2.200 Beschäftigte. Es gibt keinen Unterneh-mensbeschluss, die demografische Entwicklung inder Klinik über eine Altersstrukturanalyse berufs-gruppenbezogen zu dokumentieren. Das wäre aberwichtig! Bisher gab es nur den Unternehmensbeschluss,

Demografieberater auszubilden. Und das wurdeinnerhalb der Kliniken großflächig getan. DieGesundheit Nord ist ja auf einem Sanierungskursund überall wird gespart, natürlich auch Personal.Diese Sanierungsprojekte haben allererste Priorität.2008 bis 2010 sind überproportional befristete Verträge ausgelaufen, besonders bei der Berufs-gruppe Pflege. Die Jungen sind also nicht über-nommen worden oder deren Verträge sind ausge-laufen. Durch den Wegfall von Stellen hat sich die Arbeit massiv verdichtet. Der nächste Punkt istder Drei-Schicht-Betrieb in 24 Stunden. Der Ladenmuss einfach immer laufen. Die Patienten sindkränker, multimorbider und sie sind kürzer beiuns – das alles lastet auf allen Schultern. Nichtzuletzt entsteht neuer Stress durch die Zentralisie-rung von Diensten für alle Kliniken. Dadurch gibtes bewährte Strukturen nicht mehr, was Arbeits-abläufe komplizierter macht.

THOMAS GRÖNE,

Betriebsrat beim Martinsclub Bremen und Schwerbehindertenvertreter

Der Martinsclub Bremen ist ein Arbeitgeber derfreien Wohlfahrtspflege, überwiegend beschäftigtmit Behindertenhilfe, die zum Beispiel etwa 600 Schülerinnen und Schülern den Schulbesuchin Bremen ermöglicht. Hier arbeiten etwa 600Beschäftigte, die meisten von ihnen als Assistenz-kräfte in Schule beziehungsweise im Wohnbereich,im Fachbereich Bildung und Freizeit, der Pflegeund so weiter.

RENATE SINDT,

Betriebsratsvorsitzende im Klinikum Bremerhaven (Reinkenheide)

In diesem kommunalen Krankenhaus arbeitenrund 1.700 – hauptsächlich weibliche – Beschäftig-te, die meisten in der Pflege, aber auch in den Servicebereichen Küche und Reinigung.

Elke Heyduck: Ist die demografische Situationim Betrieb beziehungsweise der Dienststellebekannt? Wenn ja: Auf wessen Betreiben hinwurde sie untersucht?

THOMAS GRÖNE: Im Martinsclub haben wir heuteetwas über 600 Beschäftigte. 2010 haben wir alsBetriebsrat mit großer Mühe eine Erhebung imBetrieb durchgesetzt und hatten damals, also vorvier Jahren, ein Durchschnittsalter der Beschäftig-ten von 45 Jahren. Aber niemanden im Alter von63, 64 oder 65 Jahren. Die Thematik beschäftigtuns immer noch sehr, aber wir erfahren wenigUnterstützung von der Geschäftsleitung, bekom-men also zum Beispiel keine neuen Zahlen.Gefühlt sagen die Kollegen, wir sind immer nochbei einem Durchschnittsalter von 45. Inzwischenhaben wir auch einige Kollegen um die 60 – aberwir erleben im Betrieb nicht, dass jemand gesundin die volle Altersrente geht. Die Kollegen hörenalle vorher auf, weil sie nicht mehr können odersogar in die Erwerbsminderung gehen.

Heyduck: Wo ist die besondere Belastung imBetrieb? Was ist der Grund?

GRÖNE: Die liegt vor allem im Fachbereich ›Assis-tenz in Schule‹. Die Kolleginnen und Kollegen wer-den psychisch hoch belastet und körperlich nichtaltersgerecht eingesetzt. Der Einsatz berücksichtigtnicht das Lebensalter, sondern nur, wer gerade

wo frei ist und mit welchen Formal-Qualifikatio-nen sie eingesetzt werden können.KLAUS HERING: Die demografische Situation beiArcelorMittal lässt sich einfach auf den Punkt brin-gen: Wir haben eine Fluktuation von unter einemProzent. Wer einmal bei uns anfängt, bleibt bei uns bis zur Altersphase. Wir haben ein Durch-schnittsalter von derzeit 44 Jahren. Wobei sich daseben nicht homogen darstellt. In den Jahrgängenvon 20 bis Ende 30 haben wir relativ wenig, abersehr viele in den Jahrgängen darüber. Seitdem wir2002 zum Konzern übergegangen sind, sind wirauch ständig im Restrukturierungsprogramm, alsoRationalisierungen. Wir bauen Personal ab. Was wir wissen: Ab dem Jahr 2020 wird jeder

zweite Beschäftigte bei der Hütte – bei Arcelor –über 50 Jahre alt sein. Und das in erheblichen Be-lastungssituationen, die dadurch geprägt sind, dasswir in weiten Produktionsbereichen Contischichthaben. Also kontinuierliche Schicht über 24 Stun-den, sieben Tage die Woche. Wir arbeiten im Fünf-Schicht-System. Ärzte sagen uns, das ist nach Lageder Dinge die angenehmste Form. Die Belastung isttrotzdem hoch, zumal durch die Rationalisierungs-programme auch der psychische Druck auf die Kollegen in den Leitständen gestiegen ist: Dort, wofrüher drei, vier waren, ist heute noch einer undder ist der Verantwortliche.Und noch ein Aspekt ist bei uns ganz wichtig.

Die Kollegen sind eines immer gewohnt gewesen:Sie planen nicht bis zur Rente – sie planen bis zurAltersteilzeit. In der Vergangenheit sind die ganzenRationalisierungsprogramme bei der Hütte überSozialpläne abgefedert gewesen. Die Kollegen mitMitte 50 fragen: ›Wann kommt denn mein Plan?‹Sie fragen nicht nach dem Renteneintritt. Durchdie Probleme mit der Fortsetzung der Altersteilzeit(sie wird nicht mehr gegenfinanziert durch dieAgentur für Arbeit, Anm. der Redaktion) müssenwir für viele Kollegen hin und wieder Seifenblasenzerplatzen lassen: ›Sozialplan kann ja sein, aberdeinen Platz müssen wir wieder besetzen und vondaher ist es schwer, Gelder vom Betrieb zu bekom-men, damit du früher gehen kannst.‹

Heyduck: Habt ihr tarifvertraglich die Möglichkeit, früher zu gehen?

HERING: Ja, aber Arcelor Bremen hat zurzeit eineAltersteilzeitquote von rund zwölf Prozent, tarifver-traglich abgesichert sind aber nur vier Prozent.Wir werden also erst 2018/2019 vermutlich unter

››

Die Kollegen sind eines immer gewohnt gewesen: Sie planen nicht bis zur Rente – sie planen bis zur Altersteilzeit.

GRUPPENINTERVIEW

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chen: Reinigungsdienst, Küche, Wäscherei und imPflegedienst, wo zur körperlichen auch die psychi-sche Belastung kommt. Wir haben die Ergebnisseund alle sitzen mit großen Kinderaugen davor –und nun? Wir können nicht zaubern. Wir sind jalaut Gesundheitsminister immer noch viel zu teuer.Also soll weiter rationalisiert werden. Irgendwannhaben wir Waschstraßen, nicht nur für Betten, sondern auch für Patienten. Und das machen wirdann mit Hilfskräften, weil die viel billiger zuhaben sind.

Heyduck: Was heißt das für die psychischenBelastungen?

SINDT: Es wird sowohl für die Beschäftigten wieauch die Patienten langsam unwürdig.Die Beschäftigten gehen mit schlechtem Gewissennach Hause. Und ein Teil der Patienten fühlt sichnicht gut versorgt, teils zu Recht.

Heyduck: Aus zwei ganz unterschiedlichenBereichen – Arcelor und Krankenhäuser – wur-de nun das Nachwuchsproblem angesprochen:Will ein Betrieb den demografischen Wandelbewältigen, braucht er logischerweise Arbeits-kräfte, die aus jüngeren Kohorten nachwach-sen. Wie sieht es bei euch aus, beim Umwelt-betrieb?

BERNHARD ESTERS: Die Ausbildungszahlen, die wirhaben müssten, um einen stabilen Personalstandzu erreichen, kriegen wir nicht. Obwohl man sichbemüht, hier aufzustocken, gehen die Ausbildungs-zahlen eher runter. Der Job des Gärtners ist offen-sichtlich nicht so attraktiv, dass viele ihn wählen.Über Ausbildung alleine funktioniert die Entlas-tung der Älteren also nicht.Bei unserem Betrieb sind ja die gewerblichen

Bereiche das Problem, mit katastrophalen Alters-strukturen. Wir haben schon einen Schnitt von circa 50 Jahren. Und es handelt sich hier zum Teilum körperlich schwerste Arbeit, dazu nochdraußen. Das bekommen wir permanent zu spüren.Durch unser betriebliches Eingliederungsmanage-ment und Gesundheitsmanagement sind wir nun in der Lage, erste Bewertungen vorzunehmen.Das gab es früher nicht. Dabei glaube ich, wir haben nicht nur ein Pro-

blem mit der Belastung Älterer. Die, die jetzt 40sind, steuern ja auf dasselbe Desaster zu, die kannman ja jetzt nicht verheizen und in zehn Jahrensind sie auch 50. Wir hängen als Eigenbetrieb derStadt Bremen am Haushalts- oder am Gebühren-

tropf. Daher ist der Vergleich mit normalen Betrie-ben schwierig, wo ein Geschäftsführer das Sagenhat. Die Mechanismen der Privatwirtschaft geltenhier nicht. Weil nicht die Frage der Produkte zählt,sondern die Kopfzahlen (beim Personal, Anm. d.Redaktion), die man reduzieren möchte. Für dengewerblichen Bereich wurden gerade wieder Ziel-zahlen zum Stellenabbau festgelegt: 80 von circa320 Stellen in den nächsten Jahren. Das führtnatürlich zu weiterem Druck.

Heyduck: Wie sieht im Moment der Übergangin Rente aus?

ESTERS: Da, wo überwiegend gewerblich gearbeitetwird, schaffen es nur sehr wenige, ganz regulär in Rente zu gehen. Die meisten gehen vorzeitig, inder ganzen möglichen Bandbreite: freiwillig, mitAbschlägen, Erwerbsminderung, bis hin dazu, dassnichts mehr geht. Und dann geht’s in Hartz IV. Solche Situationen sind künftig vermehrt absehbar.Da sehe ich eine große Verantwortung der Stadtge-meinde Bremen, dies in ihre Personalbetrachtungmit aufzunehmen.

Heyduck: Machen wir die Runde komplett miteinem weiteren großen Arbeitgeber: Eurogate.

KARL-HEINZ DAMMANN: Wir haben, wie bei Arcelorauch, wenig Fluktuation in der Belegschaft. Aberdurch die Belastungen – sieben Tage rund um dieUhr Betrieb und zusätzlich hohe körperliche Belastungen – gehen sehr wenige Kollegen tatsäch-lich zum normalen, regulären Renteneintritt nachHause. Viele müssen aus gesundheitlichen Grün-den vorher ausscheiden und kommen damit zuuns in den Betriebsrat. Wir haben das früher mitder Altersteilzeit lösen können, aber leider habenwir keine tarifliche Verpflichtung, dies nach derFörderung durch die Agentur für Arbeit tariflichweiterzuführen. Altersteilzeit gibt es nur im gegen-seitigen Einvernehmen. Und der Arbeitgeber istmomentan nicht dazu bereit, weil der Zuschuss ja entfallen ist. Er beklagt die zu große Belastung für das Unternehmen. So haben wir derzeit keinePerspektive für Kolleginnen und Kollegen, die jetztin den rentennahen Jahrgängen auflaufen – undzwar auch bei uns zu einem erhöhten Anteil, dennauch wir haben in Wellen eingestellt!

Heyduck: Wie ist denn der Altersschnitt imMoment?

DAMMANN: Wir liegen schon jetzt über 45 Jahrenim Durchschnitt und laufen in den nächsten Jahren eher Richtung 50, 52 Jahre. Positiv wirkt

THOMAS GRÖNE RENATE SINDT

ELKE HEYDUCK

KARL-HEINZ

DAMMANN

GRUPPENINTERVIEW

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bau. Diese ›Schonarbeitsplätze‹ gab es auch schonmal auf den Stationen. Da sind die Kolleginnensorgfältig miteinander umgegangen. Wenn eineältere Kollegin aus dem Nachtdienstmodus nichtmehr raus kam – der Übergang ins normale Lebenwird leider im Laufe der Jahre schwerer – sagtendie Kolleginnen: ›Dann nehmen wir dich ein Stückweit raus. Du machst nur noch zwei Nächte, denRest teilen wir uns.‹ Inzwischen haben wir aber sowenige qualifizierte Kolleginnen auf den Stationen,dass denen das ganze soziale Leben dann flötengeht, wenn sie nur noch nachts arbeiten. Also werden solche Lösungen seltener.

Heyduck: Vielleicht zum Hintergrund: Häufiggibt es nachts nur eine Kraft auf den Stationenund das muss logischerweise eine Fachkraftsein. Da es immer mehr Hilfskräfte gibt, wirdes für die Fachkräfte enger, diese Nachschich-ten überhaupt zu besetzen?

SINDT: Ja, keine Frage.RÜßMANN: Das ist der eine Aspekt. Der andere istnoch: Allein durch die Hilfskräfte, wie Service-mitarbeiterinnen oder Versorgungsassistentinnen, verdichtet sich die Arbeit für diejenigen in derKrankenpflege noch zusätzlich. Das war ja auchimmer noch ein ›Schonarbeitsplatz‹, wenn ich maladministrative Aufgaben übernehmen konnte. DieMöglichkeit besteht nicht mehr und die Kollegin-nen sind im Grunde doppelt belastet. Genau daranmüssen wir arbeiten. Momentan gucken wir einzel-fallbezogen und finden dann auch meistens Lösun-gen. Da geht die Geschäftsführung ganz viel mit.

Heyduck: Wie sieht so eine Lösung aus? RÜßMANN: Ja, da war ich zuletzt sehr beeindruckt:Ein Kollege aus der Pflege kam nach schwererErkrankung sehr eingeschränkt zurück. Er be-kommt eine halbe Rente und sollte im Grundehalb beschäftigt werden. Klar war, dass er in derPflege nicht mehr eingesetzt werden kann. Jetztarbeitet er bei uns in der Kulturwerkstatt undmacht dort leichte Tätigkeiten wie fotokopieren.Solche Lösungen sind aber selten und Ost ist hierauch eine Ausnahme.

Heyduck: Man kann aber letztlich sagen: Jevielfältiger ein Betrieb von den verschiedenenTätigkeiten aufgestellt ist, desto größer dieChance, auf einen weniger belasteten Arbeits-platz auszuweichen. Bei kleineren Betriebenwie dem Martinsclub schon schwieriger – und beim Umweltbetrieb?

man nicht 40 Stunden Assistenz in den Schulenmachen kann. Dann ist man nämlich nach zweiJahren gesundheitlich durch. Auch junge Leutegehen schnell auf 30 oder 28 Stunden runter. Wiekönnen ältere Arbeitnehmer gesund in die Rentekommen? Bei uns geht das in der Regel nicht. Mansieht Kollegen mit 50, 55 häufiger im Streit mitihren Vorgesetzten über ihren Einsatz. Kritisiertwird, dass sie nicht mit bisherigem Engagementauf der Arbeit sind. Der Betriebsrat wird manch-mal hinzugezogen. Die Kolleginnen und Kollegensind überlastet, werden krank, vielleicht sogarüber 42 Tage, dann gehen sie ins betriebliche Ein-gliederungsmanagement. So hört der Druck auf sieeine Zeit lang auf – und nimmt oft zu, wenn sieaus dem betrieblichen Eingliederungsmanagementraus sind. Und mit Ende 50 streichen sie die Segel,nicht selten über Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzver-lust. Sie kündigen teilweise selber. Oder gehen mitder Stundenzahl weiter runter. Aber, wer einmalreduziert, kommt nicht wieder hoch. Belastete Kollegen mit Familie scheiden relativ schnell aus,wenn sie über die 55 kommen. Alleinverdienerkrebsen länger herum und landen öfter in derErwerbsminderungsrente.

Heyduck: Könnten sie denn eine andere Tätig-keit im Betrieb machen? Was ist überhauptmöglich?

GRÖNE: Wenn die Kolleginnen und Kollegen schoneine Krankheitsbiografie entwickeln, ist das meistein Einstieg in das Ende. Natürlich haben wir dieüblichen Erkrankungen, aber diejenigen mit psy-chischen Beschwerden, Burn-out-Syndrom, Panik-störungen sind oft weit vor der Rente raus aus demBetrieb. Vorhin hörte ich, dass es bei euch beidenkeine Fluktuation gibt. Ich habe es jetzt mal imKopf überschlagen: Wir haben an die zehn ProzentFluktuation pro Jahr. Im Vergleich erscheint mirdas dann plötzlich sehr hoch. Wir stellen immernoch entsprechend ein. Die Tendenz geht dahin,dass wir nicht genug Fachkräfte bekommen, demKunden dann eine niedrigwertigere Arbeit anbie-ten. Das hat der Kunde, in unserem Fall das Bil-dungs- oder Sozialressort, gern, weil er dafür weni-ger bezahlen muss. Er verlangt auch danach. DieHelferberufe nehmen ganz rapide zu. Während derAnteil höher qualifizierter, älterer Arbeitnehmerdeutlich abnimmt.SINDT: Wir haben mit alternsgerechten Arbeitsplät-zen ein massives Problem durch den Personalab-

sich jetzt aus, dass wir eine Regelung haben, beider sich die Kolleginnen und Kollegen ab 55 imgewerblichen Bereich aus der Nachtschicht befrei-en lassen können. Das wird zum großen Teil wahr-genommen. Auf der anderen Seite wird Bremerha-ven leider wegen der Schiffsrouten überwiegendzum Wochenende mit hohem Containerumschlagbelastet. Wir haben als Betriebsrat versucht, diegesundheitlichen Belastungen abzufedern und2010/2012 wegen altersgerechter Arbeitsplätze aufbetrieblicher Ebene verhandelt. Das ist aber ge-scheitert. Die Kluft zwischen Arbeitgeberseite undArbeitnehmerseite war zu groß. Die Arbeitnehmer-seite hatte arbeitsmedizinische Unterstützung,auch von wissenschaftlicher Seite. Die Arbeitgeber-seite war überwiegend mit Wirtschaftsberatungbesetzt, die erst mal in die Tarifverträge geguckthaben, wie man den Arbeitnehmer noch weitergünstiger beschäftigen kann.An der Küste konzentriert sich der Container-

umschlag an wenigen Standorten. Und es findetsofort ein Benchmarking statt. Wenn einer aus-schert und sagt: ›Ich will jetzt mehr Geld in dieseDemografie stecken‹, kommt beim Anteilseignersofort die Frage auf: ›Was kostet mich das?‹ Logischerweise kostet es. Zum Nulltarif wird es so etwas nicht geben.Wir haben auf Arbeitnehmerseite nun die Hoff-

nung, dass es auf Bundesebene etwas leichter geht,damit nicht ein einzelner Betrieb in Vorleistunggehen muss. Andere Industriebereiche haben javorgemacht, dass man mit einem Branchentarifver-trag solche Schwierigkeiten besser lösen kann.Noch überwiegt der Optimismus, dass wir da washinbekommen. Hafenkolleginnen und -kollegen imgewerblichen Bereich werden jedenfalls nicht bis67 unter den jetzigen Bedingungen arbeiten kön-nen. Wobei auch die Arbeitsverdichtung und dieAutomatisierung in den Softwaresystemen einehohe Belastung bei den kaufmännischen Arbeits-plätzen darstellt, die nicht zu unterschätzen ist.

Heyduck: Thema in den Betrieben ist also: Wie können neue flexible Übergänge in dieRente geschaffen werden, die den unterschied-lichen Belastungen im Berufsleben und denunterschiedlichen finanziellen MöglichkeitenRechnung tragen? Aber noch einen Schrittzurück: Es wäre ja durchaus erfreulich, wennLeute solange wie möglich gesund im Job blei-ben. Gibt es so etwas wie Schonarbeitsplätze

in euren Betrieben, gibt es Lösungen für Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem ange-stammten Beruf aus Altersgründen nicht mehrarbeiten können? Oder ist der frühe Eintritt in die Rente die einzige Alternative?

HERING: Arcelor hat im Zuge der Restrukturierung2002 einen Auffangbetrieb gegründet, in dem Kollegen arbeiten sollten, die aus Rationalisierungs-gründen nicht mehr in ihrem Bereich verbleibenkonnten. Sie sollten für andere Tätigkeiten umqua-lifiziert werden, um dann wieder in den Betrieb zu gehen. Im Laufe der Jahre wurde daraus eingewisses Auffangbecken für Kollegen, die nichtmehr in den Contischichtbereichen oder belastetenArbeitsstellen bleiben konnten. Dieser Betrieb, derursprünglich nur eine Brückenfunktion hatte, istmittlerweile ein Dauerbetrieb geworden. Von denrund 300 Kollegen, die dort arbeiten, hat ein Teilgesundheitliche Einschränkungen – die werdendort disponiert für temporäre Tätigkeiten. DieserBetrieb ist autorisiert zu gucken, welche Tätigkei-ten gibt es auf der Hütte, die unsre Leute machenkönnen? Von daher ist das vorhanden. Allerdingskönnte der Bedarf in Zukunft zu groß werden. Außerdem gibt es die Vorgabe vom Konzern: Kern-geschäft machen wir selber, Nicht-Kerngeschäftmachen wir nicht selber. Und diese Kollegen bewe-gen sich eigentlich im Nicht-Kerngeschäft. Es gibteine permanente Diskussion, auch mit dem Kon-zern: Warum müssen es eigene machen? Undimmer: Kann man das nicht ausgliedern, fremdvergeben? Was die ›Nachtschichtuntauglichkeit‹ betrifft,

die ihr im Hafen habt: Davon träumen auch beiuns viele Kollegen. Aber, es muss dann halt jemandanders übernehmen. Und auch die jungen Kolle-gen sind heute nicht mehr automatisch geneigt zusagen: ›Nachtschicht ist mein Traum.‹ Solche Syste-me sind theoretisch gut, aber die praktische Um-setzung ist schwierig. Sind es wenige, kann man es managen, bei zu vielen nicht. Wir haben jetztschon in manchen Bereichen einen Altersdurch-schnitt von 55 – wenn da keiner mehr Nacht-schicht macht …Wir brauchen einfach mehr Programme, damit

der Mensch länger und dabei gesund bleiben kann. Und viel mehr Möglichkeiten, Menschen inBeschäftigung zu halten bis zur gesetzlichen Rente.GRÖNE: Wir haben fast nur Kollegen, die in Teilzeitarbeiten. Der hauptsächliche Grund dafür ist, dass

Wir haben mit alternsgerechten Arbeitsplätzen ein massives Problem durch den Personalabbau.

GRUPPENINTERVIEW

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zentige Tochtergesellschaft, wo wir Kolleginnenund Kollegen mit gesundheitlichen Einschränkun-gen auch gewisse Zeit beschäftigen können, abereben auch nur in begrenzter Anzahl.Auch wir sind jetzt gerade so an der Schwelle,

finden immer noch mit viel Anstrengungen unddem Arbeitgeber zusammen Einzelfalllösungen. Da ist jetzt aber eine Schmerzgrenze erreicht. DieRente mit 63 gilt nur für wenige – und wir laufenauf 67 Regelaltersgrenze zu. Die Kolleginnen undKollegen bei uns vor dem Schreibtisch fragen: ›Wie soll ich das denn hinkriegen?‹ Im Momentläuft es aus meiner Sicht völlig kontraproduktiv.Die Arbeitgeber machen Arbeitsplatzverdichtung,belasten mehr, machen Druck, um die Produk-tivität zu steigern. Und eigentlich müssten wir dasGegenteil machen: Die heutigen Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer entlasten, damit sie nach-her, über 65, noch arbeiten können.

Heyduck: Was könnte man in Ihrem Betriebdenn konkret machen, damit ein Arbeitslebenbis 67 überhaupt vorstellbar ist?

SINDT: Wir hatten da schon sehr gute Entwicklun-gen, und zwar nicht nur für die Älteren, sondernfür alle. Wir haben eine junge Kollegin eingestellt,die Gesundheitsmanagement studiert hat und mitsehr guten Ideen ins Haus kam. Nach anderthalbJahren vor geschlossenen Türen hatte sie die Faxendicke und ist gegangen. Schade.Sie hatte mit den Kolleginnen in der Küche ein

ganz kleines Bewegungstraining, gemeinsam mitPhysiotherapeuten ausgearbeitet, um einseitigeBelastungen am Band zu mildern. Das waren ein-fache Sachen, die sie auch mit den Kolleginnenzusammen entwickelt hat – zum Beispiel mal zutauschen, um einseitige Belastung zu vermeiden.Oder auch einfach Plakate im Blickfeld der Kolle-ginnen aufhängen, auf denen entlastende Übun-gen gezeigt wurden. Der Arbeitgeber fand alles zuteuer. Es hat eben Zeit und damit Geld gekostet,weil die Kolleginnen sich zusammengesetzt haben,um Konzepte zu erarbeiten.HERING: Was das Thema Gesundheitsschutz undArbeitssicherheit betrifft, sind wir sehr weit. Wirhaben kaum Unfälle und seit vielen Jahren eineEingliederungswerkstatt. Seit einigen Jahren gibtes auch ein Gesundheitsförderungsprogramm, daseine halbe Million Euro kostet. Wir bieten unserenMitarbeitern an, für 15 Euro im Monat in fast 100Sportstudios in Bremen und umzu Fitness zu

ESTERS: In der Vergangenheit sind uns in ganz vie-len Fällen Lösungen gelungen, aber ich kann zumBeispiel nicht alle älteren Kollegen schulen. Dableiben dann häufig Tätigkeiten, für die keine spe-ziellen Qualifikationen erforderlich sind. Wennwir Konzepte für Arbeitsplatzwechsel entwickelnwollen, kommen wir in ein Dilemma. Rein theore-tisch müssten wir jemanden von seinem Arbeits-platz nehmen, weil er besser anderswo einsetzbarist, als der, der gerade oder dauerhaft eine Ein-schränkung hat. Das ist schwierig und wir habendas bisher nicht durchgezogen. Aber, ich habePanik, dass immer mehr kommen und wir nichtwissen, wie wir damit umgehen sollen. Und dasswir damit Dritte zu Betroffenen machen, die vorher gar nichts damit zu tun hatten. Wenn derTreckerfahrer zu den Grünpflegern muss, weil einanderer nun mal nur noch Trecker fahren kann. Ein wichtiger Punkt aus meiner Sicht: Um Auf-

gaben zu finden für Menschen, die eingeschränktsind, muss ich den Betrieb verdammt gut kennen.Dazu muss man im Arbeits- und Gesundheits-schutz topp sein, braucht Gefährdungsbeurteilun-gen, um zu wissen: Kann ich da überhaupt jeman-den reinsetzen? Wird das, was ihn belastet, weni-ger oder sogar ausgeschlossen? Für die öffentlicheVerwaltung würde ich pauschal sagen: Das ist suboptimal, was da läuft.

Heyduck: Okay, es wird immer ein anstrengen-der Job sein, Gärtner zu sein. Und Kranführerwahrscheinlich auch. Oder ist es denkbar, dasssich die Berufe im Hafen so entwickeln, dasssie irgendwann weniger belastend sind als zurzeit?

DAMMANN: Im Gegenteil, in den letzten zehn,zwanzig Jahren hat sich der Hafen ja immer mehrspezialisiert. Früher war das ein überwiegend körperlich-betonter Job. Heute hat es sich völliggewandelt. In Bremerhaven haben wir hauptsäch-lich zwei Bereiche: den Container- und den Auto-mobilumschlag. Und dafür haben wir Spezialisten,die entweder dem BLG Automobil Terminal Bre-merhaven oder den Eurogate Container Terminalszugeordnet sind. Ein Personalaustausch findetnicht statt. Und dann schleppt man zwar heutekein Sackgut mehr, aber die Arbeit des Kranfahrersoder Van-Carriers ist einseitig, kaum abwechselnd.Wir haben daher weit mehr Skelett- und Muskeler-krankungen als bei der Durchschnittsbevölkerung.Wir haben ähnlich wie Arcelor eine hundertpro-

KLAUS HERING

BERNHARD ESTERS

MONIKA

RÜßMANN

einen altersgerechten Einsatz für die Kolleginnenund Kollegen. Wir wünschen uns mehr Personal-entwicklungsmaßnahmen, eine bessere Wahrneh-mung der Arbeitnehmer und eine Entdichtung der Arbeit.Aber die Geschäftsleitung sagt: Es gibt bei uns

kein Demografie-Problem und ihr kriegt auch erst mal keine Zahlen. Wir haben keine aktuellenAltersstrukturanalysen. Also, wir sind weit weg von der Problemlösung.Auf Betriebsversammlungen hören wir dann:

›Komm‘ mir bloß nicht mit Alter, ich hab schonjetzt keine Ahnung, wie ich die nächsten fünf Jahre hinkriegen soll, wenn die Arbeitsverdichtungso zunimmt.‹ DAMMANN: Bei uns hat nach der Krise ein gewissesUmdenken stattgefunden. Vorher wurde nurgespart, aber jetzt sind auch Gesundheitsprojektewieder aktiviert worden. Ähnlich, wie bei denStahlwerken, bieten wir den Kolleginnen und Kolle-gen eine Fitnesskarte an. Das soll natürlich alles in der Freizeit stattfinden. Bewegung, Ernährung,Gesundheitsverständnis: Das sind die Themen, dieim Fokus stehen müssen, um die Gesundheit derKolleginnen und Kollegen nach vorne zu bringen.

Heyduck: Das kann man natürlich auch kritisch sehen, so wie Bernhard Esters dasbeschrieben hat: Die Kolleginnen und Kollegensind erst mal selbst und individuell dafür verantwortlich, gesund zu bleiben?

DAMMANN: Eine Nichtteilnahme in der Freizeitdarf natürlich kein Thema im nächsten Personal-gespräch werden und das ist auch nicht der Ansatzdes eben beschriebenen Projektes.RÜßMANN: Ich kann jedenfalls bestätigen, dass wirzum Beispiel bei unseren Auszubildenden immergrößere Probleme mit Übergewicht haben. Unserbetriebsärztlicher Dienst hat in der Krankenpflege-schule den Getränkeautomaten abbauen lassen,weil es absolut auffällig war, wie die Auszubilden-den im Laufe von drei Jahren zugenommen haben.... Aber das nur nebenbei. Es ging ja darum, wasbrauchen wir in unserem Betrieb konkret? Und wir bräuchten fürs Klinikum Ost zunächst maleine berufsbezogene Altersstrukturanalyse. Undder nächste Schritt wäre dann, die unterschied-lichen Kolleginnen und Kollegen einzubinden undmit ihnen gemeinsam berufsgruppenbezogeneMaßnahmen zu entwickeln, wie der Arbeitsplatzin der Pflege, in der Küche, im Service, in der

wird doch in Zukunft nicht ausreichen. Wir habenwirklich eine demografische Frage zu lösen. Undwenn die Arbeitgeber da nicht einsteigen, werdensie den Schaden am Schluss selber haben. Es wirdja nicht einfacher, gerade bei den belastendenTätigkeiten, junge Leute zu werben.HERING: Nur: So langfristig denkt keiner. Seit derWirtschaftskrise hat sich zumindest die Stahlbran-che nicht mehr wirklich erholt. Und die Geschäfts-führungen denken in sehr kurzfristigen Zyklen.2020 ist für die weit, weit weg. Aber ich nehme nur mal das Beispiel Wissenstransfer: Heutzutagebeherrscht ein Kollege im Stahlwerk eine Anlageerst nach zwei bis drei Jahren. Der Kollege, der2020 den Job übernimmt, muss ihn also spätestens2017 haben. So wird aber nicht gedacht.GRÖNE: Das können, glaub‘ ich, alle hier unter-schreiben. Eine Perspektive auf die Personalent-wicklung gibt es im Grunde nicht. Geschielt wirddarauf, was in diesem oder im nächsten Jahr seinmuss. Und dem hat sich alles im Betrieb unter-zuordnen. Bei uns zum Beispiel hat die Arbeits-belastung in den letzten beiden Jahren exzessiv zugenommen. Unser größter Kunde ist die Stadt Bremen und

die hat sich vor zwei Jahren mit dem Thema Inklusion weit aus dem Fenster gelehnt. Sie finan-ziert es aber überhaupt nicht ausreichend. Unddann findet natürlich ein Preiswettbewerb bei denTrägern statt, der auf den Rücken der Beschäftig-ten ausgetragen wird. Wir wünschen uns in dieser Situation erst mal

ein anderes Führungsverhalten, mehr Unterstüt-zung und weniger Druck. Aber der Druck vom Kunden wird einfach eins zu eins an uns weiterge-geben. Unsere Kolleginnen und Kollegen bekom-men häufig scheinbar individuelle psychische Probleme – weil sie zwischen zwei Arbeitgebernzerrieben werden. Dazu kommt, dass die Rahmen-bedingungen für die Inklusion eben oft nicht stim-men. Es gibt zu wenig Pflegehilfsmittel, die Räumepassen nicht ...

Heyduck: Und was ist euer Vorschlag?GRÖNE: Erst mal haben wir versucht, im Bereichdes Betrieblichen Eingliederungsmanagementetwas zu bewirken. Das ist auch gut gelungen, imGrunde vorbildlich. Aber wir kommen nicht mehrhinterher, auch bei den Erkrankungszahlen nicht.Wir wünschen uns deshalb ein anderes Führungs-verhalten, frühere Unterstützung, mehr Zeit und

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machen. Das nutzt jeder Dritte von den dreiein-halbtausend Beschäftigten. Mit 1.300 Kollegen sindwir somit größer als manche Sportvereine. Manmuss aber dazu sagen: Diese Kollegen fühlen sichdazu auch in der Lage. Wir haben aber eine Grup-pe, die wir damit nicht ansprechen, weil dieSchwelle eigentlich schon zu hoch ist. Bezahlt wirddieses Angebot übrigens auch aus den Zinserträgendes vorher erwähnten Fonds. Dazu haben wir nochBasis-Maßnahmen:Physiotherapeuten kommen an den Arbeitsplatz. Sie machen mit den Kollegen-gruppen das, was die Kollegin aus der Klinik gerade besprochen hat.Zwei Dinge will ich noch sagen, zu denen wir

als Betriebsrat auch stehen. Erstens und vielleichtein bisschen provokant: Für seine Gesundheit istzunächst mal der Kollege auch selber verantwort-lich. Sich ungesund zu verhalten und dann zusagen: ›Ich kann nicht mehr‹, ist keine Lösung, dievom Arbeitgeber getragen wird. Wir fordern denArbeitgeber auf, zu schützen, Gefährdungsanaly-sen zu machen, Missstände abzustellen, Angebote –wie zum Beispiel die Ernährungsberatung – fürKollegen im Betrieb zu machen. Aber der Kollegemuss da auch mitmachen. Weil es um seineGesundheit geht. Klar ist aber auch: Das alleinewird nicht ausreichen. Wir kommen bei denArbeitsplätzen aus gewissen Situationen einfachnicht raus. Wir können eine Nachtschicht nichtschöner machen. Es wurde mal überlegt, auf sechsStunden zu gehen. Dafür müssten aber andereSchichten zehn Stunden dauern. Wir werden unsandere Dinge überlegen müssen. Älteren Kollegenbieten wir jetzt freiwillige Arbeitszeitverkürzung –vier Prozent – an. Damit bekommen sie zusätz-liche Erholtage, die im Schichtrhythmus mit dem Arbeitgeber geplant werden können. Lohnaus-gleich gibt es nicht, aber bei uns haben wir ja nochrecht gute Löhne, deshalb akzeptieren das die älteren Kollegen. Sie sagen: ›Das Haus ist bezahlt.Mir ist meine Freizeit mehr wert.‹ Ursprünglichwar der Arbeitgeber davon gar nicht begeistert. Es hieß, da würden ja wieder Leute fehlen. Nachlanger Überzeugungsarbeit mündete das aber ineiner Betriebsverein-barung. Ausreichend ist estrotzdem nicht, weil wir es deckeln mussten. DerBetrieb sagt: ›Mehr als 30 Prozent pro Abteilungdürfen diese Arbeitszeitverkürzung nicht nutzen.‹Es gibt aber Abteilungen mit höherem Bedarf. Und da gucken wir dann: Was ist da los, in diesen

Abteilungen? Häufig werden dort auch Führungs-probleme offenkundig.

Heyduck: Noch mal ganz konkret. Im Jahr 2020ist jeder Zweite im Werk über 50.

HERING: Die Antwort des Arbeitgebers ist: ›Warumsagt ihr als Betriebsrat eigentlich, mit über 50kann man nicht mehr arbeiten? Die haben noch 17 Jahre vor sich.‹ Bei einer Belegschaftsversamm-lung würde man das so wohl nicht sagen, aber uns als Betriebsrat wird es so gesagt.

Heyduck: Das heißt also, dem Arbeitgeberdient die Rente mit 67 mindestens dazu, sichnicht mit den Belastungen im Betrieb ausein-anderzusetzen?

HERING: Ja, aber tatsächlich plant keine Abteilungin der Hütte Mitarbeit bis zu diesem Alter ein. JedeFührungskraft sagt unter vier Augen: Das kannstdu vergessen. Einzelfälle gibt es bei Kollegen, dietopfit sind. Was können wir tun? Mehr Arbeitneh-mer wären gut, um die Arbeit besser zu verteilen.Unsere Geschäftsführer können aber niemandenohne vorherige Erlaubnis vom Konzern einstellen.Letztlich entscheidet Herr Mittal, ob es in Bremeneine Einstellung gibt, und dabei geht es ausschließ-lich um Zahlen und Produktivität. Bei allen gutenRahmenbedingungen und auch durchgesetztenAngeboten – wir werden nicht zaubern können.SINDT: Für mich ist schon sehr die Frage, wer dieVerantwortung trägt. Was ich erlebe: Der Arbeitge-ber möchte die Schwierigkeiten, die durch dieÜberlastung der älteren Kollegen auftreten, gernenach außen verlagern. Wenn jemand krank ist undden Beruf nicht mehr ausüben kann, braucht ereigentlich auch nicht mehr wiederzukommen. DasProblem wird verlagert zum Krankengeld, in Auf-fangleistungen, zur Agentur für Arbeit. Da lassensich mal bis zu zweieinhalb Jahre überbrücken.Und dann sieht man weiter. Bei den ausgedünnten personellen Ressourcen,

von denen wir hier alle berichten, können wir Ältere nicht schonen. Und dann sagt der Betrieb:Tut uns leid, wir haben nichts, müssen sich ebenandere Gedanken machen.ESTERS: Ich will das auch noch mal aufgreifen: Wie soll einer mit 50 sagen, die nächsten 17 Jahreschaff ich auch noch? Ich finde schon die Fragefalsch, weil sie das Problem individualisiert. Es isteben nicht das Problem von vielen Einzelnen, wiesie es gesund in Rente schaffen. Vielleicht findenwir heute noch individuelle Lösungen, aber das

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bin ich froh, dass überhaupt der Einstieg geschafftworden ist. Das kann aber nicht das Ende der Dis-kussion sein. Man kann nicht Menschen mit unter-schiedlichenBelastungssituationen nur eine einzigeOption, nämlich die Rente mit 67, geben. Das funk-tioniert in der Gesellschaft und auch bei uns nicht.Tarifverträge können neue Regelungen da nur

flankieren. Der Gesetzgeber muss die Grundlageschaffen. Die Tarifvertragsparteien oder die Be-triebsparteien werden das Problem nicht lösenkönnen. Da sind aber auch die Sozialkassen in derPflicht, mit Lösungen zu suchen und flankierendeMaßnahmen zu entwickeln.

Heyduck: Also doch das Problem zu den Sozialkassen verschieben? Welche Verantwor-tung haben Arbeitgeber?

HERING: Nicht verschieben. Aber es müssen mehre-re zusammenkommen, weil es keine Lösung gibt,die einer alleine stemmen kann. Der Gesetzgeber,die Tarifvertragsparteien, die Kassen müssenzusammenkommen. Und auch der Kollege selberwird am Ende einen Teil tragen müssen. Schonjetzt ist ja die Rente mit 67 eindeutig ein Ren-tenkürzungsprogramm. Ich kenne keinen, der beiuns mit 67 in Rente geht. Man scheidet vorher ausund berechnet seine Abschläge. Und dann schautman, ob man sich das leisten kann. Aus dieser Rentenkürzungsnummer müssen wir raus.DAMMANN: Die Rente mit 67 wird auch bei uns alsreines Rentenkürzungsprogramm gesehen. Wirhaben zum Beispiel das Problem, die jungen Kolle-ginnen und Kollegen zu motivieren, von sich ausnoch eine andere Altersvorsorge zu treffen. In vie-len Bereichen sind ja Betriebsrenten stillgelegt wor-den. Wir haben ja auch nicht nur die Rente mit 67,die faktisch auf eine Kürzung rausläuft, sondernauch noch die Absenkung des Rentenniveaus. Unddann noch die Steuerpflicht. Selbst wenn Beschäf-tigte aus einem guten tariflichen Bereich kommen,werden sie künftig finanzielle Probleme bekom-men. Die Rente mit 63 ist schon ein erster Schritt,der dauerhaft fortgeführt werden muss. Wobei ichden Ansatz von Renate durchaus nachvollziehenkann: Dann müssen wir die Frauen, die Kinderbekommen haben, anders bewerten.

Heyduck: Immer noch schwer haben es danndie prekär Beschäftigten, deren Erwerbslebenimmer wieder von Arbeitslosigkeit oder sehrgeringen Bezügen geprägt ist. Nehmen wirzum Beispiel Leiharbeitnehmer.

HERING: Das ist richtig, aber wir müssen an einerStelle mal anfangen, das System wieder in eineandere Richtung zu bewegen. Und dabei ziehenwir dann Gruppen, für die es noch schwieriger ist,mit. Wenn wir schon diejenigen weiter absenken,die noch in guten Verhältnissen sind, dann fallendie anderen noch weiter runter. GRÖNE: Die Rente mit 63 ist ein Schritt. Es gibtaber auch Beschäftigte, die gerne mit 60, 63, 65, 67noch arbeiten wollen, aber eben unter entspre-chenden Bedingungen. Die ihre Erfahrungen weitergeben möchten, das muss möglich sein. Ichvermisse an der Diskussion über frühzeitige Ren-teneintritte den Wert der Arbeit Älterer. Es ist, als ob wir als Betriebs- und Personalräte schonstückchenweise die Haltung von Betriebswirtenübernehmen, die sagen, die Arbeit von Älteren iststatistisch nicht produktiv. ESTERS: Das Stichwort Wissenstransfer ist zentralund das ist auch keine Frage nur von Hochquali-fizierten. Wenn ich mir unsere Personalstrukturanschaue, sind da ganz viele Leute, die Wissen auf-gebaut haben, das im Betrieb nicht dokumentiertist. Wir haben beispielsweise zwei Leute, die zen-tral für die Bewässerung von Spiel- und Sportplät-zen zuständig sind. Beide können Mitte 2015gehen. Die Geschäftsführung hat sich dazu keiner-lei Gedanken gemacht, es gibt zum Beispiel keinKataster. Zwei Köpfe, in denen alles drin ist, gehen. SINDT: Das ist völlig richtig. Ich gehe nicht einfachweg, weil ich körperliche Gebrechen habe, sondernich nehme mein gesamtes Wissen mit. Wenn die-ser sogenannte erste Berg der Demografie sich ausdem Arbeitsleben verabschiedet: Was gebe ich jüngeren Menschen noch mit auf den Weg? Viel-leicht kann ich als Krankenschwester nicht mehralle Schichten machen. Aber, ich kann jungen Kollegen die Sicherheit geben, einen Stationsablaufim Blick zu haben. Es ist nicht nur eine Belastung,ältere Kollegen zu haben. Wenn ich bereit bin,kann ich auch von deren Wissen profitieren.

Reinigung denn aussehen kann, damit ich bis 67 arbeiten und gesund in Rente kann. Diese klareForderung stellen wir auf.SINDT: Wir haben zwar schon in die einzelnenBereiche reingeguckt, aber dann leider nicht denzweiten Schritt gemacht. Wir haben viel Wissen,aber keine Handlungsvollmacht. Nur gemeinsammit dem Arbeitgeber könnten wir da etwas ent-wickeln, aber es gibt halt keine Ressourcen. ImGesundheitswesen geht es nur noch um eins: Wir müssen die schwarze Null haben. Und noch mal: Wir haben die Situation bei den

psychsichen Belastungen in der Pflege sogar nochverschärft – und zwar durch die massive Umwand-lung von Fachkraftstellen in Hilfskraftstellen. Die Arbeitsteilung ist eine zusätzliche Belastung,weil die Fachkraft die Verantwortung für die Hilfs-kraft trägt. Wenn die Hilfskraft das Essen bringtund abräumt, trägt trotzdem die Fachkraft die Verantwortung dafür, dass die Diabetes-Patientingegessen hat.

Heyduck: Zusammenfassend lässt sich sagen:Bei allen hier versammelten Betrieben hat Arbeitsverdichtung stattgefunden underschwert eine alternsgerechte oder sogarschonende Arbeit für ältere Beschäftigte.Zugleich aber wird die Belegschaft älter, dieBabyboomer wachsen in die rentennahen Jahr-gänge hinein und das Problem wird in dennächsten zehn Jahren sicher nicht kleiner. Oftwird wenig, zu wenig, eingestellt, um insge-samt Personal abzubauen. Die Ursachen sindvielfältig. Bei den Sozialen Diensten, in den Kliniken, aber auch beim Umweltbetrieb sindleere öffentliche Kassen teils dafür verantwort-lich, dass Personal abgebaut, Arbeit verdichtetwird und Mittel fehlen, um dem demografi-schen Wandel im Betrieb zu begegnen. Bei dengroßen Betrieben Arcelor und Eurogate gibt es ebenfalls Arbeitsverdichtung, aber auch Spezialisierungen, die entlastendes Arbeitenfür Ältere erschweren. Zumal etliche der hier versammelten Betriebe rund um die UhrSchicht arbeiten. Das alles macht es kompli-ziert, Programme aufzulegen, in denen dieBeschäftigten gesund bis zur Rente durchhal-ten. Daher nun noch eine letzte Runde: Brau-chen wir wieder mehr Möglichkeiten, umfrüher und finanziell verträglich in Rente zugehen? Und müssen diese Regelungen gesetz-

lich sein oder genügt aus eurer Sicht diebetriebliche oder tarifliche Ebene?

SINDT: Als dieser kleine Stern am Himmel aufging,die ›Rente mit 63‹ hatten ganz viele Kolleginnenund Kollegen leuchtende Augen. Dann gab es denersten Schatten: Dazu muss man 45 Jahre gearbei-tet haben, die schulische Ausbildung wird nichtanerkannt. Bei uns arbeiten fast 80 Prozent Frauen– also kommen nur ganz wenige auf diese Zeiten.Das wurde traurig zur Kenntnis genommen. DieKolleginnen haben Kinder erzogen, das Familien-leben gemanagt und waren berufstätig. Häufigaber nicht in Vollzeit. Große Rentenabschläge kann man da nicht in Kauf nehmen. Wer aus dem Sozialwesen in die Rente geht, wird ganz bestimmt nicht reich. Außerdem gilt die Rente mit 63 erstmal nur für die Jahrgänge 51 und 52 und ab dawerden Monate draufgepackt. Das hat man wohlvergessen zu kommunizieren. Für unsere Kollegin-nen war aber auch die Altersteilzeitregelung in vielen Fällen nicht attraktiv. Ich glaube, es mussspezielle Lösungen geben, sowohl für Männer als auch für Frauen. Weil Frauenbiografien imErwerbsleben andere sind und sie eben häufigschlechter verdienen.

Heyduck: Altersteilzeit war nicht attraktiv,weil die Kolleginnen bereits in Teilzeit waren?

SINDT: Ja und weil die Gehälter zu gering sind. Für Frauen gab es mal die Rente mit 60 und ichfand das durchaus angemessen. Viele Frauen habendrei Bälle zugleich jongliert: Familie organisiert,Kinder erzogen und gearbeitet. Bis heute gibt es für diese Leistung keine angemessene Wertschät-zung. Jetzt gendern wir alles schön, aber im Grun-de findet eine Angleichung auf schlechtem Niveaustatt. Da muss es ganz dringend wieder Verbesse-rungen geben, auch in Betrachtung der Biografie.Und das geht nur gesetzlich, auf betrieblicher Ebene können wir das nicht durchsetzen. RÜßMANN: Ich kann dem nur zustimmen. JedeRegelung, die wieder flexible Übergänge ermög-licht und sich auch an Frauenbiografien anpasst,wird Geld kosten. Da haben wir in den Kliniken imMoment überhaupt keine Verhandlungsposition.Das muss schon der Gesetzgeber machen und er hat aus meiner Sicht auch die Verantwortungdafür.HERING: Die Rente mit 63 hat natürlich auch Kritikhervorgerufen. Aber wir wissen, wie schwierig dieDiskussion auf der politischen Ebene war und da

Ich kenne keinen, der bei uns mit 67 in Rente geht. Man scheidet vorher aus und berechnet seine Abschläge.

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Ralf Lorenzen: Können Sie sich an Ihren erstenBerufswunsch erinnern?

ECKARD HASSELMANN: Ingenieur für Nachrichten-und Elektrotechnik. Das wusste ich schon mit 12Jahren. Ich hatte einen sehr guten Physiklehrer, der viel mit Flugmodellbau gemacht und die erstenFunk-Fernsteuerungen gebaut hat. Das war dieInitialzündung. Radio hören – Radio basteln. Daserste eigene Detektorradio mit einstellbarem Kris-tall habe ich mit 13 Jahren gebaut. Erst war dastechnische Interesse da, danach wurde das Nach-richtenhören wichtig über internationale Radio-sender, insbesondere englischsprachige Sender. Ichwollte wissen, was in anderen Ländern los ist.

Lorenzen: Wie haben Ihre Eltern Sie beruflichgeprägt?

HASSELMANN: Mein Vater ist gelernter Kaufmann.Meine Mutter ist Hausfrau und hat drei Kindergroßgezogen. Das war harte Arbeit und das nachdem Krieg. Sie haben alles mitbekommen, wasman als Eltern im Krieg erlitten und erfahren hat – das überträgt sich vielleicht ein Stück auf dieKinder.

Lorenzen: Wie war Ihr schulischer Weg?HASSELMANN: Ich bin in Bad Pyrmont aufgewach-sen. In der vierten Klasse konnte man damals einekleine Prüfung machen, ob man für die Realschuleoder das Gymnasium geeignet ist. Ein Lehrer hatmir gesagt: Lass die Finger davon, das schaffst dunicht, mach die Hauptschule, das reicht. Ein Jahrspäter habe ich die Prüfung doch gemacht undkam auf die Realschule. Da war dann auch der Physiklehrer, der mein Interesse für Technikgeweckt hat.

Lorenzen: Haben Ihre Eltern Einfluss auf dieBerufswahl genommen?

HASSELMANN: Daran kann ich mich nicht erinnern.Eher war die Haltung: Es soll den Kindern gutgehen, sie sollen eine gute Ausbildung machenund gut Fuß fassen. Sie haben meine Interessengefördert: Reisen mit dem Fahrrad und Technik.Mit 17 Jahren habe ich die Amateurfunk-Prüfunggemacht. Für meine Station haben meine Elternmich beim Kauf von Altgeräten unterstützt,obwohl sie es finanziell kaum konnten.

INTERVIEW

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Immer auf SendungEckard Hasselmann

Sein erstes Radio hat Eckard Hasselmann mit 13 Jahrengebaut und Nachrichten aus aller Welt gehört. Die hat erdann später als Nachrichteningenieur in einer seiner vielenTätigkeiten selbst in die Welt gesendet – von einer Rund-funkstation in Gambia aus. Doch die meiste Zeit hat er dafür gearbeitet, benachteiligten Jugendlichen eine vernünftigeBerufsausbildung zu ermöglichen. Das macht er auch alsRuheständler noch – als Bremer Koordinator des Senior Experten Service (SES) unterstützt er Auszubildende, die inSchwierigkeiten stecken. Aber das ist längst nicht alles.

Nach dem Realschulabschluss machte Hassel-mann eine Ausbildung zum Rundfunk- undFernsehmechaniker, lernte bei der Bundes-wehr Flugzeugfunkmechaniker und erwarbüber diverse Praktika die Fachhochschulreife.Mit der begann er an der Ingenieur-Akademiein Hannover ein Studium in Elektrotechnik,das er nach drei Semestern an der Hochschulefür Technik (HFT) in Bremen fortführte.

HASSELMANN: Das war ein Lichtblick. Hier lief eswie geschmiert. Bremen war eine massive Verände-rung nach vorne für mich. Nach der HfT bin ich an die Uni gegangen und habe im AufbaustudiumHochfrequenztechnik studiert.

Hasselmann finanzierte sein Studium teilwei-se durch ein Stipendium des Studienwerks Vil-ligst. Im letzten Semester erhielt er vom DAADdas Angebot, für ein Jahr in die USA zu gehen.Das Studium in Denver, wohin ihn seine Fraubegleitete, erlebte er allerdings als sehr ver-schult und wenig forschungsorientiert. Nachdem Studium wusste er noch nicht genau, inwelchen Bereich er gehen wollte und landetezunächst in der Forschungs- und Entwick-lungs-Abteilung bei Nordmende.

HASSELMANN: Aber nach ein paar Jahren fragtman sich, ob man die nächsten 20 Jahre vor 3qmMessgeräten sitzen will und abhängig von den Entscheidungen der Chefetage forschen will. Ichbekam auch Einblicke in die Produktion mit ihren110 Lohngruppen. Aus den untersten kam manschwer raus, das regte zum Widerstand an. Ichhabe mich dann für den Betriebsrat aufstellen lassen, dabei leider einen Fehler gemacht und wur-de von heute auf morgen vor die Tür gesetzt. Ichwar anfangs geschockt, was einem passierten kann,wenn man sich als Diplom-Ingenieur politischbetätigt. Dann hat es aber nur 14 Tage gedauert,dann bin ich in dem Bereich gelandet, der michvorher schon interessiert hat: Bildung und Aus-bildung.

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R ALF LORENZENSoziologe und freier Journalist

70BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

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will, über eine Consulting-Firma berufliche Bildung im Ausland zu organisieren.

Lorenzen: Am ersten Tag?HASSELMANN: Ja, das war vielleicht etwas heftig,aber ich habe mich kurzfristig entschieden, das zumachen. Es ging darum, in Addis (Äthiopien) instaatlichen Einrichtungen der beruflichen Bildung,Multiplikatoren für die Planung von Bildungszen-tren auszubilden. Mit einem Bekannten, einemBerufschullehrer, habe ich vier Monate diesen Lehr-gang für 25 Multiplikatoren vorbereitet. Dann sindwir nach Addis Abeba gegangen und haben fünfWochen lang die Schulung für die Mitarbeiter desBildungsministeriums gemacht. Die sollten danachausschwärmen und mit gutem Handwerkszeug 40Institutionen bei der Planung unterstützen. Alleinfür diese Vorbereitung musste ich ›gefühlt‹ so vieltun, wie in den ganzen Jahren vorher nicht mehr.

Lorenzen: Warum haben Sie das gemacht?HASSELMANN: Ich wollte es noch einmal wissen.Unter anderen Bedingungen hätte ich ja auch meine Arbeit locker bis 65 gemacht, mit Spaß auch noch länger. Dies war noch mal eine andere Herausforderung. Zwischendurch habe ichgedacht: Muss ich mir das mit dieser Intensitätantun?

Lorenzen: Was hat Ihre Frau dazu gesagt?HASSELMANN: ›Mach das mal.‹ Solche Sachenwaren immer abgesprochen. Wenn sie Nein gesagthätte, wäre ich da nicht hingegangen. Meine Frauhat zu der Zeit noch gearbeitet, sie war Lehrerin.

Lorenzen: Wie haben Sie sich denn Ihren Ruhe-stand vorgestellt, bevor das Angebot kam?

HASSELMANN: Ich hatte keinen Überblick. Ich habemich dann mit dem Bekannten zusammengesetztund die komplette inhaltliche Gestaltung diesesLehrgangs gemacht.

Lorenzen: Klingt nach sportlichem Ehrgeiz.HASSELMANN: Ja, das war sehr herausfordernd. Einkomplettes Curriculum für Bildungsarbeit mitErwachsenen, für das keine Grundlagen vorhandensind – das war ein hoher Anspruch.

Lorenzen: Ein paar Monate später standen sie dann aber wieder vor der Situation: Wasmache ich mit meiner Zeit?

HASSELMANN: Ich fühlte mich körperlich nochgenügend fit und wollte etwas bewegen, etwasNützliches tun, mit dem anderen eine Unterstüt-zung oder Perspektive gegeben wird. Als Erstesfand ich ein Projekt in Bremen für Frauen (ebnExpertinnen-Beratungsnetz: einsteigen, umsteigen,aufsteigen), die das Ziel haben aufzusteigen, aufdiesem Weg aber an die sogenannte ›gläserneDecke‹ stoßen. Da habe ich eineinhalb Jahre alsMentor gearbeitet, mit zwei bis drei Treffen imMonat und begleitenden Seminaren. Dann habeich für die Bewegung ›Weltwärts‹ junge Menschenauf eine Tätigkeit im Ausland vorbereitet (interkul-turelle Kompetenzen). 2009, als ich dann tatsäch-lich in Rente ging, kam noch einmal die Bremer

Ab 1978 baute Hasselmann beim Berufsbil-dungswerk in Bremen den Fachbereich Elektrotechnik und Nachrichtentechnik aufund war auch dort im Betriebsrat tätig.

HASSELMANN: Ich habe mit Mitarbeitern das Curri-culum und Ausbildungsstrukturen aufgebaut undgemeinsam Projekte entwickelt, die für Auszubil-dende sinnvoll und praxisnah sind. Arbeitsergeb-nisse, die den Vorgaben entsprachen, konnten sie dann auch mitnehmen – also möglichst nichtfür die Schrottkiste fertigen.

1984 wurden die Zuweisungen der Bundesan-stalt für Arbeit geringer und die Betriebsrats-arbeit schwierig. Hasselmann ging mit einemAufhebungsvertrag wieder in die Welt hinaus.Nach einem Zwischenstopp in Libyen, wo erbeim Aufbau von Bildungszentren tätig war,ging er über das Centrum für internationaleMigration (CIM) mit Frau und zwei kleinen Kindern nach Gambia, wo er in der staatlichenRundfunkanstalt Techniker ausbildete, dengesamten Service machte und als stellvertre-tender Sendeingenieur mit 250 Mitarbeiternund 40 Technikern einen Mittel- und einenUKW-Sender am Laufen hielt. 1986 kehrte erzurück, arbeitete vier Jahre bei einer Firma fürDurchflussmessgeräte und landete schließlichwieder beim Berufsbildungswerk, wo die Stelledes Ausbildungsleiters frei geworden war. Dort war er mit seinen 50 Mitarbeitern zustän-dig für 32 Berufe. 2006 ging er in Altersteilzeit,dessen aktive Phase er mit 62 Jahren antrat.

Lorenzen: Wann tauchte die Frage, wann Sie in den Ruhestand gehen, das erste Mal auf?

HASSELMANN: Ich habe zum Schluss sehr viel darü-ber nachgedacht. Ich hätte auch ohne Weiteres biszum Ende weitergearbeitet, fand aber die Situationder letzten Jahre schwierig. Ich konnte mich nichtmehr so einsetzen und die Kollegen so fördern, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Geschäftsfüh-rer, der mich eingestellt hatte, ging leider schonnach einem Dreivierteljahr. Danach war es aufrei-bend – aber die Arbeit selbst war nach wie vor her-vorragend. Ich hatte sehr engagierte Kollegen, mitdenen wir ein Maximum dessen erreichen wollten,was man für die berufliche Förderung von benach-teiligten jungen Menschen tun kann.

Lorenzen: Haben Sie sich denn irgendwie aufdie Zeit nach ihrem Ausstieg vorbereitet?

HASSELMANN: Eigentlich nicht, ich habe es eherverdrängt. Ich habe darüber nachgedacht, wieschaffe ich es gesundheitlich, noch möglichst lan-ge zu arbeiten und bin dann auf das Altersteilzeit-konstrukt gekommen. Ich habe schon gemerkt,dass ich nicht so schnell aufhören kann. Gleich amersten Tag meines Ruhestandes hat mich einBekannter gefragt, ob ich nicht daran mitarbeiten

71INTERVIEW

71

ImmeraufSendung

Firma, mit der ich zu ›Weltwärts‹ arbeitete mitdem Angebot, das QM-System der Niederlassung inBangalore/Indien zu sichten. Kurz danach kam der Senior Experten Service (SES) mit dem Projekt›VerA – stark durch Ausbildung‹. Das wurde hier inDeutschland gerade aufgebaut und da haben wir,meine Frau und ich, gedacht, dass eine möglicheehrenamtliche Arbeit hier vor Ort einfach prakti-scher und ebenso nützlich ist. Ich habe mich dannals Koordinator für Bremen beworben.

Lorenzen: Worum geht es in dem Projekt?HASSELMANN: In dem Projekt nutzen Experten, diealle pensioniert oder in Rente sind, ihre fachlichenund Lebenserfahrungen, um Auszubildende, dieaus irgendwelchen Gründen abbruchgefährdetsind, zu unterstützen. Die können anders argumen-tieren als die Eltern, so wie früher vielleicht derOnkel als externe Autorität. Im Moment sind wir inBremen 28 bis 30 Experten. Es ist natürlich trotzaller Lebenserfahrung nicht ganz einfach, mit jun-gen Menschen zwischen 18 und 30 richtig zu kom-munizieren. Sie können unpünktlich sein, sprin-gen wieder ab oder sind einfach nicht genügendzuverlässig. Darauf muss man vorbereitet sein oderwerden, um unterstützend tätig zu sein. Zu Beginnder Begleitung wird vom SES ein Seminar zur Qualifizierung von SES-Ausbildungsbegleiterndurchgeführt. Ich organisiere zweimal im Jahreinen sogenannten Erfahrungsaustausch der Beglei-ter. Während dieser Treffen werden seit 2013 auchkollegiale Fallberatungen mit professioneller Anlei-tung durchgeführt zur Unterstützung der Arbeit.

Lorenzen: Betreuen Sie neben der Koordination auch noch eigene Fälle?

HASSELMANN: Im engeren Sinne nicht. Aber ichführe seit zwei Jahren die Erstgespräche mit denAuszubildenden. Da versuche ich dann, mit denJugendlichen ein klärendes Gespräch zu führen,um ihr Anliegen deutlicher herauszuarbeiten. Diese Informationen sind dann eine erste Grund-lage für die Begleitung und die Auswahl des SeniorExperten.

Lorenzen: Gibt es eine gemeinsame Motivation,die die Senior Experten verbindet?

HASSELMANN: Zunächst kann ich da nur für michselbst sprechen. Für mich ist es wichtig, auch nachder abgelaufenen Lebensarbeitszeit in diesem zwei-ten Abschnitt Wertschätzung, Anerkennung undBestätigung zu erfahren, in diesem Fall durchehrenamtliche Tätigkeit. In Einzelgesprächen mitden Senior Experten höre ich heraus, dass diesesauch für sie eine wesentliche Motivation ist nebeneigenen individuellen Überlegungen.

Lorenzen: Sprechen Sie auch über den Ruhe-stand als gemeinsames Thema?

HASSELMANN: Das war bislang noch nicht unserThema.

Lorenzen: Welchen Teil macht das Engagementdenn für Sie aus? Wie viel Prozent eines Voll-Erwerbstätigen arbeiten sie noch?

HASSELMANN: Meine Frau sagt, es ist teilweise zu viel. Ich ziehe mir vielleicht auch einiges zu viel an Aufgaben an, wie zum Beispiel die Erstgespräche. Ich glaube, dass ich etwa drei Viertel eines Voll-Erwerbsfähigen noch arbeite.

Lorenzen: Macht es für Sie einen Unterschiedaus, ob eine Tätigkeit ehrenamtlich oderbezahlt ist?

HASSELMANN: Ich freue mich sehr, wenn ehren-amtliche gute Arbeit anerkennend bewertet undangesprochen wird. Ich leugne aber auch nicht,dass ein angemessenes Entgelt/Aufwandsentschädi-gung guttut und auch eine Bestätigung für diegeleistete Arbeit ist. Ein anderer Aspekt ist, dieErweiterung der Lebensarbeitszeit bei einem redu-zierten Stundendeputat auf demselben oder auchauf einem anderen Arbeitsplatz auf freiwilligerBasis zu überlegen. Da gibt es sicher noch vielGestaltungsmöglichkeit.

Lorenzen: Sehen Sie das als gesellschaftlicheAufgabe?

HASSELMANN: Ich denke ja! Ich kann mir vorstel-len, dass die Lebensarbeitszeit ab einem bestimm-ten Lebensalter flexibel gestaltet werden könnteund vielleicht einen zeitlich gestreckten und stun-denreduzierten Auslauf bekommt, also kein abrup-tes Ende.

Lorenzen: Welche Gedanken haben Sie an die Zukunft?

HASSELMANN: Was mache ich in den nächsten 20 Jahren? Die Zeit möchte ich genießen und ichmöchte sehen, dass das, was ich machen kann,noch diese oder jene Wirkung hat.

Lorenzen: Wie lange möchten Sie die Tätigkeitbeim SES noch ausüben?

HASSELMANN: Solange es Spaß bringt. Man mussden richtigen Zeitpunkt erkennen, wann manSchluss macht. Und wissen, was man dann macht.

Lorenzen: Haben Sie schon Ideen?HASSELMANN: Das fällt mir schon vor die Füße,wie die anderen Sachen auch. Ich beschäftige michsehr mit Entschleunigung, der Einfachheit desLebens, Befreiung vom Überfluss – nicht nur beimFahrradfahren. Weniger ist mehr – das ist ein wich-tiger Punkt. Auf dem taz-Kongress ›Wie wollen wirleben‹ vor ein paar Jahren habe ich viele Anregun-gen bekommen. Ich denke und arbeite daran, wieich das umsetzen kann und danach leben kann. ‹‹

AM ENDE DES ÜBERGANGS

7372BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Die Vollrente wegen Alters ist üblicherweise dasEnde des Übergangs vom Erwerbsleben in die Ren-te. Ein Übergang darf als ›gelungen‹ gelten, wenner zum gewünschten Termin in eine entsprechen-de Rente mündet. Ob Zugänge in Rente in diesemSinne gelingen, hängt zuerst an der grundsätzli-chen Möglichkeit, einen Übergang tatsächlich mög-lichst selbstbestimmt zu gestalten. Mit einer unbe-fristeten, tarifgebundenen Stelle in Vollzeit bietensich bessere und mehr Möglichkeiten, als beiArbeitslosigkeit oder prekärer Beschäftigung. Wergesund ist, kann eher bis zum gewünschten Zeit-punkt arbeiten. In belastenden Berufen ist dieshäufig wesentlich schwieriger. Die Beschäftigungslage am Ende der Erwerbs-

phase war Thema in den vorhergehenden Kapiteln.In diesem Beitrag wird das Augenmerk auf dieSituation bei Beginn der Rente gelegt. Im Folgenden sollen die verschiedenen Aspekte

des Rentenzugangs beleuchtet werden. Dabei wer-den Rentenhöhe und Zugangsalter ebenso betrach-tet, wie die versicherungsrechtliche Situationunmittelbar vor Rentenbeginn. Es kann dabeigezeigt werden, dass die Reformen der Rentenversi-cherung und der sozialen Sicherung insgesamtmaßgeblichen Einfluss auf das Rentenzugangsver-halten haben. Die Absenkung des Leistungsniveausverschlechtert die Bedingungen, sich einen frühzei-tigen Erwerbsausstieg überhaupt ›leisten‹ zu kön-nen. Die Anhebung der Altersgrenzen erschwerteinen frühen Rentenzugang und viele Möglichkei-ten wurden sogar ganz abgeschafft. Die verschlech-terte Absicherung bei Arbeitslosigkeit und Erwerbs-minderung/Berufsunfähigkeit stellt diese Men-schen vor zusätzliche besondere Herausforderun-gen beim Altersübergang. Generell ist beimÜbergang zu beachten, dass mit dem Erwerbsaus-tritt nicht zwingend die Rente beginnt.

Eckwerte des Rentenzugangs

Im Jahr 2013 bezogen in den alten Bundesländern279.486 Männer (51,2 Prozent) und 265.919 Frauen(48,8 Prozent) erstmals eine Altersrente. In Bremensah es mit 2.474 Männern (50,4 Prozent) und 2.435Frauen (49,6 Prozent) sehr ähnlich aus.

BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 201

INGO SCHÄFERArbeitnehmerkammer Bremen

Am Ende des Übergangs: Beginn der Rente5

In diesem Beitrag werden überwiegend dieDaten der Deutschen Rentenversicherung Bundausgewertet. Die Fallzahlen für das Land Bre-men sind jedoch zu niedrig, um differenzierteAussagen über den Rentenzugang machen zukönnen. Auch beziehen sich die Daten auf denWohnort bei Rentenzugang und spiegeln nichtwider, wer wann wo gearbeitet und gelebt hat.Es werden daher die Daten für die alten Bundes-länder insgesamt ausgewertet, in der Annahme,dass sich der eigentliche Sachverhalt für Bremen nicht wesentlich von dem der anderenwestdeutschen Bundesländer unterscheidet.

Anmerkungen zu den verwendeten Daten:

1.000

800

600

400

200

0

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, Zeitreihen, alte Bundesländer; eigene Darstellung

2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

436

433

421

417

408

396

411434

449463

479487

493

505

916915

909879

841820

817

863865

860857

868898

913

Männer Frauen

Abb. 1: Altersrenten – durchschnittlicher Zahlbetrag in Euro

Die durchschnittlichen Rentenzahlbeträge (ver-gleiche Infokasten) lagen in Bremen mit 927 Eurofür Männer und 561 Euro für Frauen geringfügighöher als im Schnitt der alten Bundesländer (913Euro für Männer und 505 Euro für Frauen). Seitdem Jahr 2000 sanken die durchschnittlichen Ren-tenzahlbeträge für neue Altersrentner (Männer) imLand Bremen von 960 auf 913 Euro im Jahr 2013.In den alten Bundesländern insgesamt von 916 auf913 Euro. Bei den Frauen stiegen sie in Bremen von 463 Euro auf 561 Euro (alte Bundesländer von436 auf 505 Euro) hingegen deutlich an.

AM ENDE DES ÜBERGANGS

7574BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

lich an der Rentenart ›Altersrente für Frauen‹. ImJahr 2011 vollendeten mit dem Jahrgang 1951 dieletzten Frauen das 60. Lebensjahr, die noch die›Altersrente für Frauen‹ beziehen dürfen. TrotzAbschlägen von 18 Prozent und den versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen (die viele Frauennicht erfüllen) ging im Jahr 2011 in den alten Bun-desländern fast jede vierte Frau (rund 74.000) mit60 Jahren in Rente. Zwei Jahre später, als der Jahr-gang 1953 das 60. Lebensjahr vollendete, ging nurnoch eine von 30 Frauen (unter 9.000) mit 60 Jah-ren in Rente (90 Prozent Altersrente für Schwerbe-hinderte, der Rest ›Altfälle‹). Im Jahr 2000 gingenFrauen in den alten Bundesländern noch fast dop-pelt so häufig mit 60 Jahren in Rente wie im Jahr

2004 schrittweise angehoben und entsprechendeAbschläge bei vorzeitigem Bezug eingeführt. Inden Abbildungen 2 und 4 ist zu sehen, dass im sel-ben Zeitraum das durchschnittliche Rentenein-trittsalter deutlich angestiegen ist. Dies lässt ver-muten, dass viele Menschen den Renteneintritt ausfinanziellen Aspekten nach hinten verschobenhaben. Drei Faktoren – Arbeitsmarkt, Rentenniveau

und Altersgrenzen – bestimmen maßgeblich dieindividuelle Rentenhöhe. Sie alle wirken momen-tan tendenziell mindernd auf die Höhe der eige-nen Rente. Aber, je niedriger die Rente ausfällt,desto weniger können sich die Versicherten einen(teilweisen) Erwerbsaustritt leisten, wollen sie imAlter ihren Lebensstandard nicht verlieren.

Möglichkeiten des vorzeitigen Rentenzugangs wurden beschränkt

Beginnend mit dem Rentenreformgesetz 1992 wur-den die Möglichkeiten eines vorzeitigen Zugangsin Altersrenten erschwert (Einführung von Abschlä-gen und Anhebung der maßgeblichen Altersgren-zen). In weiteren Reformen Ende der 1990er- undin den 2000er-Jahren wurden diese Maßnahmenweiter verschärft und das frühestmögliche Zu-gangsalter bei Altersrenten auf das 63. Lebensjahr(für anerkannt Schwerbehinderte das 62. Lebens-jahr) von ehemals 60 Jahren deutlich angehoben.Obwohl der Prozess der steigenden Altersgrenzennoch nicht abgeschlossen ist, hat er bereits erheb-liche Auswirkungen auf das durchschnittliche Rentenzugangsalter (vergleiche Abbildungen 2 und 4). Wird das Alter des frühestmöglichen Rentenbe-

zugs angehoben, wird der Handlungsspielraum derVersicherten, über ihren Rentenzugang selbst zuentscheiden, eingeengt; und zwar unabhängig vonihrer individuellen Situation. Bis zum Jahr 2005wurde der Zugang vor allem durch Abschläge ver-teuert, die Möglichkeit des Rentenzugangs bliebjedoch grundsätzlich bestehen. Ab 2005 wurdendie Möglichkeiten, vor dem 63. Lebensjahr in Rentezu gehen, jedoch systematisch abgeschafft (Ausnah-me: Rente für Schwerbehinderte und im Einzelfallnoch wegen Vertrauensschutz1). Die Wirkung der fehlenden Zugangsmöglich-

keiten auf das Renteneintrittsalter können derAbbildung 4 entnommen werden; besonders deut-

1 ›Altersrente für langjährig

Versicherte‹ kann für die

Jahrgänge 1948 bis 1954

bei Vertrauensschutz

bereits ab dem 62. Lebens-

jahr mit Abschlägen bezo-

gen werden, wenn sie vor

dem Jahr 2007 Altersteil-

zeit vereinbart hatten.

Ebenfalls ab 62 Jahren kön-

nen jene Versicherten mit

Abschlag in Rente, die vor

1964 geboren wurden und

›Anpassungsgeld für entlas-

sene Bergarbeiter‹ bezo-

gen. Für beide wird außer-

dem das Alter für den

abschlagsfreien Bezug die-

ser Altersrente nicht ange-

hoben, verbleibt also bei

65 Jahren.

Im Jahr 2013 sind die Männer in den alten Bundes-ländern im Schnitt mit 64,1 und Frauen mit 64,3Jahren in eine Altersrente gegangen. Damit fängtder Ruhestand heute deutlich später an als nochzur Jahrtausendwende. Im Jahr 2000 gingen Frau-en mit 62,8 Jahren anderthalb Jahre früher in Rente als im Jahr 2013. Die Männer gingen im Jahr2000 mit 62,4 Jahren sogar noch fast zwei ganzeJahre früher in Rente. Im Jahr 2013 bezogen gut 140.000 Menschen

erstmals eine Erwerbsminderungsrente. Davonbekam die Hälfte eine unbefristete Rente gewährt.Zumindest 70.000 Menschen scheiden also un-freiwillig dauerhaft aus dem Erwerbsleben aus.

65

64

63

62

60

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, Zeitreihen, alte Bundesländer; eigene Darstellung

1995 2000 2005 2010 2013

MännerFrauen

Abb. 2: Durchschnittlicher Beginn einer Altersrente

Abb. 3: Altersrenten mit mindestens 35 Versicherungsjahren

über 1.950

über 1.850

über 1.750

über 1.650

über 1.550

über 1.450

über 1.350

über 1.250

über 1.150

über 1.050

über 950

über 850

über 750

über 650

über 550

über 450

über 350

2,92%0,31%

0,66%

2,24%

3,65%

5,66%

68,38%26,84%

75,62%36,21%

81,6%47,7%

86,65%60,83%

90,97%74,34%

94,65%86,53%

97,64%94,99%

99,25%98,58%

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Frauen kumulierte AnteileMänner

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenzugang 2013, alte Bundesländer;eigene Darstellung

Die Angaben zur Höhe der Rente erfolgen,sofern nicht anders angegeben als Rentenzahl-betrag. Der Rentenzahlbetrag entspricht regel-mäßig der Bruttorente abzüglich der Abgabenfür Kranken- und Pflegeversicherung. Unberück-sichtigt bleibt ein eventueller steuerlicherAbzug, da dieser von der Rentenversicherungnicht zu ermitteln ist.

Rentenzahlbetrag

Rente: Spiegel des Erwerbslebens

Die durchschnittlichen Rentenzahlbeträge lassennur begrenzt Rückschlüsse auf die Einkommens-situation der Rentnerinnen und Rentner zu. VieleRenten haben sehr kurze Versicherungszeiten; beispielsweise weil die Betroffenen frühzeitig alsSelbstständige oder Beamte aus der gesetzlichenRentenversicherung ausschieden. Bei den Männernhatte im Jahr 2013 jeder Zehnte weniger als 20 Ver-sicherungsjahre. Bei den Frauen war es sogar fastjede Dritte. Bei den Frauen dürfte das ›klassische‹Familienmodell häufigste Ursache der sehr kurzenBeitragszeiten sein. Die Rentenzahlbeträge sind indiesen Fällen natürlich auch entsprechend niedrig.In aller Regel haben diese Menschen aber andereEinkommen im Alter (Hinterbliebenenrente, Pensi-on, private Rente) oder sind im Haushaltskontextabgesichert.Abbildung 3 zeigt, welcher Anteil der Versicher-

ten mit wenigstens 35 Versicherungsjahren im Ren-tenzugang 2013 eine Altersrente oberhalb einesbestimmten Rentenzahlbetrags hat. So bekommtrund die Hälfte dieser langjährig versicherten Frau-en (48 Prozent) eine Rente von 850 oder mehr Euroausgezahlt. Bei den Männern gilt dies sogar fürüber 80 Prozent (vier von fünf Rentnern). Undknapp die Hälfte (49 Prozent) der Männer hat sogareine Rente von 1.250 oder mehr Euro. Im Jahr 2000verfügten noch rund 70 Prozent der langjährig ver-sicherten Männer über eine Rente, die den heuti-gen 1.250 Euro entspricht (gemessen an der Lohn-entwicklung; Euro = 1,95583 DM; eigene Berech-nungen). Und bei den Frauen hatte mehr als jedezweite Frau (etwa 57 Prozent) in ›heutigen Werten‹eine Rente von über 850 Euro. Die Rentenzahlbeträge steigen seit dem Jahr

2000 praktisch nicht mehr (Abbildung 1). Ursachehierfür sind einerseits niedrigere individuelle Ren-tenansprüche (gemessen in Entgeltpunkten) auf-grund langer Jahre der Massenarbeitslosigkeit undeiner insgesamt geringen Lohnentwicklung. Ande-rerseits sorgt die Politik des sinkenden Rentenni-veaus dafür, dass die bereits niedrigeren Rentenan-wartschaften zusätzlich relativ an Wert verlierenund weiter verlieren werden. Parallel wurden undwerden die Altersgrenzen angehoben. Bei gleichemRenteneintrittsalter steigen damit die Abschläge. Ab dem Jahr 1997 wurden die Altersgrenzen für

den abschlagsfreien Rentenzugang bis zum Jahr

5,91%

10,48%1,26%

16,2%

22,67%

30,11%

38,9%

49,21%8,84%

13,34%

19,27%59,5%

Euro

AM ENDE DES ÜBERGANGS

7776BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

altersrente 27,3 pEP) bemessen, um einen Ver-gleich über die verschiedenen Jahre zu ermögli-chen. Berücksichtigt werden der Zugangsfaktor(Ab- beziehungsweise Zuschläge aufgrund Renten-beginn), die steigenden Altersgrenzen sowie dieEntwicklung des Rentenniveaus. Die Unterschiede zwischen dem Jahr 1996

und dem Jahr 2005 sind dabei wesentlich auf diesteigenden Altersgrenzen und die eingeführten

Sinkendes Rentenniveau erschwert die Übergänge zusätzlich

In den vergangenen 15 Jahren wurden die Alters-grenzen angehoben und der vorzeitige Rentenbe-ginn durch Abschläge verteuert. Zusätzlich wurdebeschlossen, das Rentenniveau zu senken (verglei-che Abbildung 5). Vom Jahr 2000 bis zum Jahr2030 um gut 20 Prozent und auch danach nochweiter. Mit dem Rentenniveau wird angegeben, inwelchem Verhältnis eine Standardrente zumDurchschnittslohn steht. Sinkt das Rentenniveau,steigen die Renten langsamer als die Löhne. Die gesetzliche Rentenversicherung soll seit der

Jahrtausendwende nicht mehr den Lebensstandardoder gar den Status sichern. Vielmehr ist politischfestgelegt worden, wie hoch der Beitragssatz noch sein darf und das Rentenniveau muss diesemfolgend entsprechend niedriger ausfallen. Das sinkende Rentenniveau, genauer die

gedämpften Rentenerhöhungen sorgen dafür, dassdie Rentenerhöhungen hinter der Lohnsteigerungzurückbleiben (vergleiche Abbildung 6). Die Betrof-fenen benötigen also für die gleiche Rentenhöhe(in Euro) mit sinkendem Rentenniveau immermehr Entgeltpunkte (regelmäßig also mehr Bei-tragsjahre). Die Wirkung beeinflusst also, ähnlichwie die Abschläge, den Zeitpunkt, zu dem sich die Betroffenen einen Rentenbeginn frühestens leisten können, wollen sie sich nicht zusätzlichfinanziell beschränken. Im Gegensatz zu denAbschlägen sinkt das Rentenniveau schleichendund sogar während des Rentenbezugs weiter. Seit dem Jahrtausendwechsel sind die Renten

bereits rund fünf Prozent hinter der Lohnentwick-lung zurückgeblieben. Dies entspricht den Ab-schlägen für anderthalb Jahre vorzeitigen Renten-beginn. Bis zum Jahr 2030 soll das Niveau um weitere rund 12 bis 14 Prozent sinken. Dies ent-spräche Abschlägen von deutlich über drei Jahren.Zusammen wirkt die Senkung des Rentenniveausim Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 2000 also so, alswürden vier bis fünf Jahre zusätzliche Abschlägeerhoben. Hinzu kommt die Anhebung der Alters-grenzen bis 2030 um zwei Jahre (›Rente mit 67‹). Der Abbildung 7 ist zu entnehmen, wie viele

Entgeltpunkte erworben sein müssten, um eineAltersrente in Höhe der Grundsicherung zu bezie-hen. Die Höhe der Grundsicherung ist hier in persönlichen Entgeltpunkten (2012 bei einer Regel-

2011. Damals wurde gerade erst mit dem Jahrgang1940 begonnen, die Abschläge auf diese Rentenarteinzuführen und lagen für diesen Rentenzugangzwischen 0,3 und unter 3,6 Prozent. Noch deutlicher ist dieser Rückgang in Ost-

deutschland. Aufgrund der hohen Erwerbsbeteili-gung erfüllen in den neuen Bundesländern wesent-lich mehr Frauen die Anspruchsvoraussetzungender Altersrente für Frauen. Im Jahr 2011 gingendort noch rund 31.000 Frauen (fast jede Zweite) mit60 Jahren in Rente. Im Jahr 2013 noch gerade 2.000(eine von 20 Frauen), mit 1.971 praktisch alle in die Altersrente für Schwerbehinderte. Bei den Männern ist dieser Effekt über einen

längeren Zeitraum eingetreten. Männer nutztenhäufig die (auch für Frauen zugängliche) Rentenart›Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit‹. Auch diese kann grundsätzlich nurvon vor 1952 geborenen Versicherten genutzt wer-den. Abschläge wurden aber bereits ab 1997 (Jahr-gang 1937) eingeführt. Anders als bei der Rente fürFrauen wurde, beginnend mit dem Jahrgang 1946,auch der frühestmögliche Zeitpunkt vom 60. aufdas 63. Lebensjahr angehoben. Nur bei Vertrauens-schutz konnte diese Rente weiterhin ab dem 60.Lebensjahr bezogen werden, mit den entsprechen-den Abschlägen. 2005 und 2011 gingen daherschon deutlich weniger Männer mit 60 Jahren inRente.

Ab dem Jahrgang 1952 können die Rentenarten›Altersrente für Frauen‹ und ›Altersrente wegenArbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit‹ nichtmehr beansprucht werden. Möglich ist der Bezugdieser Rentenart im Jahr 2014 daher nur noch mitdem 63. Lebensjahr (Jahrgang 1951) beziehungswei-se mit dem 64. Lebensjahr für den Jahrgang 1950. Als einzige Möglichkeit, eine Altersrente vor

dem 63. Lebensjahr zu beziehen, verbleibt damitdie ›Altersrente für Schwerbehinderte‹. Der frühest-mögliche Bezug im Jahr 2014 liegt allerdings bei60 Jahren und sieben Monaten (Jahrgang 1953)beziehungsweise bei 60 Jahren und acht Monatenfür den Jahrgang 1954.Ab dem Jahrgang 1958(imJahr 2019) kann dann niemand mehr vor dem 61.und ab Jahrgang 1964(im Jahr 2026) niemand mehrvor dem 62. Lebensjahr in eine Altersrente gehen. Allerdings wird nur jede zehnte Altersrente

wegen Schwerbehinderung geleistet. Damit ist klar,dass für 90 Prozent der Versicherten die Altersrentefrühestens noch zum 63. Lebensjahr beginnenkann. In diesem Alter bezog im Jahr 2000 rund dieHälfte bereits ihre Rente. Innerhalb von zehn Jah-ren wurde der früheste Rentenbeginn deutlich umdrei Jahre nach hinten verlegt. Die Möglichkeiteneines geplanten Übergangs werden dadurch unab-hängig vom Arbeitsmarkt und der Beschäftigungs-situation der Versicherten massiv beschnitten.Damit trifft die Generation der ›Baby-Boomer‹neben der steigenden Regelaltersgrenze (Rente mit 67) auch auf verschlossene Möglichkeiten einesfrüheren Renteneintritts.

Abb. 4: Alter bei Rentenbeginn

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenzugang, Altersrenten, alte Bundesländer; eigene Darstellung

60 61/62 63/64 65 + älter 60 61/62 63/64 65 + älter

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%

Männer Frauen

2000200520112013

53%

48%

43%

Quelle: Rentenversicherungsbericht 2013; BT-Drs. 18/909, alte Bundesländer; eigene Berechnungen

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

2011

2013

2015

2017

2019

2021

2023

2025

2027

2029

›Lebensstandardsicherung‹: etwa 53%Sicherungsniveau vor Steuern

Abb. 5: Rentenniveau

120

110

100

Quelle: Rentenversicherungsbericht 2013 inklusive Wirkungen ›Rentenpaket 2014‹,alte Bundesländer; eigene Berechnungen

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

2027

Lohnindex Rentenindex

Index: 2013 = 100; deflationiert: 1,5 Prozent p. a.

Abb. 6: Entwicklung Löhne und Rente

AM ENDE DES ÜBERGANGS

7978BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

lange bei den passiv Versicherten ihr letzter Bei-trag jeweils zurücklag. Besonders auffällig ist, dassweit über die Hälfte der passiv Versicherten (unddamit knapp jeder vierte Rentenzugang) bereitsseit 20 und mehr Jahren nicht mehr versichert war(vergleiche Abbildung 8a). Darunter fallen Berufs-gruppen mit eigenen Alterssicherungssystemen(Beamte, Architekten, Anwälte etc.) sowie pflichtver-sicherte (18 Jahre lang) Handwerker. Diese Ver-sicherten zahlen am Anfang ihres Erwerbslebensregelmäßig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversi-cherung, bevor sie von der Versicherungspflichtbefreit werden und gegebenenfalls in ein Sonderver-sorgungssystem wechseln. Die zweite große Gruppedürfte insbesondere bei den Frauen zu finden sein.Nämlich wenn diese eine Erwerbstätigkeit für dieKindererziehung unterbrechen und anschließendkeine Erwerbstätigkeit mehr aufnehmen.Im Rentenzugang 2012 lag der durchschnitt-

liche Rentenzahlbetrag der Gruppe der zuletzt pas-siv Versicherten nur bei gut 200 Euro. Dies liegtvor allem an der regelmäßig sehr kurzen Beitrags-zeit und weniger an der jeweiligen Lohnhöhe. Beiden passiv Versicherten, deren letzter Beitrag nichtmehr als vier Jahre zurückliegt, war der durch-schnittliche Rentenzahlbetrag mit 560 Euro (2012)schon mehr als doppelt so hoch. Demgegenüberlag der durchschnittliche Rentenzahlbetrag beiden aktiv Versicherten, die zuletzt pflichtversi-chert waren, im Rentenzugang 2013 bei Frauen bei800 Euro und bei Männern bei 1.300 Euro. Die passiv Versicherten dürften in aller Regel –

aber nicht immer, beispielsweise manche (Solo-)Selbstständigen – anderweitig abgesichert sein.Entweder durch ihre Versorgungswerke, die Beam-tenversorgung oder im Rahmen des Haushaltskon-texts. Anhand der Daten der DRV kann hier jedochwenig zur Frage ihrer ›Übergänge‹ gesagt werden.

Aus versicherter Beschäftigung in Rente

Die größte Gruppe im Rentenzugang ist jene deraktiv Versicherten. Also jene Menschen, die im Jahrvor dem Rentenbeginn beitragspflichtig waren,freiwillige Beiträge zahlten oder eine Berücksich-tigungs- beziehungsweise Anrechnungszeit hatten.Unter den aktiv Versicherten ist wiederum diegrößte Gruppe jene, die aus einem versichertenBeschäftigungsverhältnis kommt. Dazu zählenneben der ›regulären‹ sozialversicherungspflichti-

Jahres, vor dem die jeweilige Rente begann, waretwa ein Drittel also nicht mehr versichert. DerAnteil am Rentenzugang der Frauen ist – Abbil-dung 8b – mit gut 40 Prozent deutlich höher alsderjenige der Männer (etwa 30 Prozent). Im Jahr2005 war es sogar jede zweite Frau, die zuletzt vorder Rente passiv versichert war. Dafür ist der Anteilder passiv Versicherten bei den Frauen tendenziellrückläufig, was vermutlich auch auf eine steigendeErwerbsbeteiligung der Frauen zurückzuführensein dürfte. Aber auch die Einführung des SGB IIführte dazu, dass zuvor in der Sozialhilfe oder aufgrund des Haushaltskontexts nicht selbst versicherte Frauen nun im Kontext des SGB II (pflicht-)versichert wurden. Bis zum Jahr 2012 wies die Deutsche Rentenver-

sicherung (DRV) Bund zusätzlich noch aus, wie

Abschläge zurückzuführen. Die Änderungen von2005 bis 2013 sind vor allem auf das sinkende Ren-tenniveau zurückzuführen. Vom Jahr 2013 bis zumJahr 2030 ist eine Mischung aus steigenden Alters-grenzen (›Rente mit 67‹) und sinkendem Siche-rungsniveau in der Rente ursächlich. Mit dieserModellrechnung soll die Wirkung von steigendenAltersgrenzen und sinkendem Rentenniveau veran-schaulicht werden. Daher bleibt eine bei späteremRenteneintritt mögliche weitere Beitragszahlungunberücksichtigt.Bei Beginn einer Rente im Alter von 65 Jahren

im Jahr 2013 sind rund 28 Entgeltpunkte ausrei-chend für eine Rente in Höhe der Grundsicherung.Im Jahr 1996 waren es noch 25 Entgeltpunkte und2030 werden es voraussichtlich über 33 Entgelt-punkte sein. Um mit 65 Jahren eine Rente in Höheder Grundsicherung zu beziehen, muss ein Durch-schnittsverdiener 2030 rund acht Jahre (etwa einDrittel) länger arbeiten als noch 1996. Noch deutlicher wird die Auswirkung der Refor-

men, wenn wir einen Menschen betrachten, der imAlter von 60 Jahren eine Rente in Höhe der Grund-sicherung erreichen soll. Im Jahr 1996 wären hier-für noch rund 25 Entgeltpunkte ausreichend ge-wesen. Im Jahr 2005 wären schon über 30 Entgelt-punkte nötig gewesen. Im Jahr 2030 wären es dann

voraussichtlich fast 42 Entgeltpunkte; theoretischjedenfalls, denn 2030 soll niemand mehr mit 60Jahren in eine Altersrente gehen dürfen. Ein Durch-schnittsverdiener müsste 2030 also gut 15 Jahrenlänger Beiträge gezahlt haben als 1996, um einegesetzliche Rente in Höhe der Grundsicherung zuerreichen – fast doppelt so lange. Diese Modellrechnung soll veranschaulichen,

dass die Spielräume, den Rentenbeginn selbstbe-stimmt zu wählen, von vielen Seiten und auf vie-len Wegen verengt werden. Die Maßnahmen zielendarauf ab, die Versicherten länger im Erwerbsleben›zu halten‹. Unberücksichtigt bleibt dabei jedochvöllig, ob und unter welchen Bedingungen diestatsächlich gelingt (vergleiche die Kapitel 2 und 3).

Versicherungsstatus vor Rentenbeginn: Indizien für Übergänge

Die Rentenversicherung Bund weist in ihren Datenden Versicherungsstatus am Ende des Jahres vordem Jahr des Rentenbeginns aus. Im Extremfallliegt also fast ein komplettes Jahr zwischen diesemStichtag und dem Rentenbeginn. Außerdem ist eseine Momentaufnahme. Die Daten sind also vor-sichtig zu interpretieren. Sie zeichnen kein Bilddes sich üblicherweise über mehrere Kalenderjahreerstreckenden ›Übergangs‹. Auch sind Mehrfach-nennungen möglich, so dass jemand beispielsweisesowohl einen versicherungsfreien Minijob als aucheine versicherte Beschäftigung haben könnte. Die Zugänge in Rente erfolgen aus zwei

grundsätzlich verschiedenen versicherungsrecht-lichen Situationen. Einerseits gibt es die aktiv Versi-cherten, also all jene, die Beiträge zahlen, für dieBeiträge gezahlt werden oder als gezahlt geltensowie weitere Tatbestände, die als versichert gelten(Berücksichtigungszeiten und Anrechnungszeiten).Demgegenüber gibt es passiv Versicherte. Passiv versichert bedeutet, dass jemand irgendwann inder Vergangenheit zwar mal Beiträge gezahlt hat,aber zuletzt – am Stichtag – nicht mehr aktiv versichert war.

Passiv Versicherte: Jeder dritte Zugang war zuletzt nicht versichert

Im Zeitverlauf erfolgt rund jeder dritte Zugang ineine Altersrente aus einem passiven Versicherungs-verhältnis (vergleiche Abbildung 8a). Am Ende des

Abb. 7: Notwendige Anzahl an Entgeltpunkten für Rente in Höhe der Grundsicherung nach Zugangsjahr und Alter

Quelle: Eigene Berechnungen; Annahmen: Entwicklung Rentenniveau netto vor Steuernnach DRV Bund, Grundsicherung im Alter für 2012 Westdeutschland: 699 Euro ⇔ 27,3 per-sönliche Entgeltpunkte; vor (nach) Regelaltersgrenze reduzierter (erhöhter) Zugangsfaktor;Versicherte nicht schwerbehindert, maximal mögliche Abschläge bei vorzeitigem Zugang.

67 65

40

35

30

25

20

1563 60

Entgeltpunkte

Abb. 8 b: Anteil passiv Versicherte amRentenzugangVersicherungsverhältnis am Jahresende vor Rentenbeginn

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, alte Bundesländer; eigene Darstellung

2000 2005

50%

25%

0%2011 2013

Abb. 8 a: Anteil an passiv Versicherten im RentenzugangVersicherungsverhältnis am Jahresende vor Rentenbeginn

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, alte Bundesländer; eigene Darstellung

2000 2005

50%

25%

0%2011 2013

Männer Frauen

1996

2005

2013

2030* Im Jahr 2013/2030 Zugang in Altersrente mit 60 Jahrennicht möglich – 2013 noch für Schwerbehinderte

darunter mit letztem Beitrag vor 20 und mehr Jahrenpassiv versichert

*

*

AM ENDE DES ÜBERGANGS

8180BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

altersrente, frühestens also mit 65 in Rente. Heuteerfolgt auch nach versicherter Beschäftigungbereits jeder vierte Rentenzugang in eine Regelal-tersrente und dies aufgrund der steigenden Alters-grenzen regelmäßig erst mit 65 Jahren und zweiMonaten. Dennoch kann die Mehrzahl dieser Gruppe

sicherlich auf geplante und gelungene Übergängeblicken. So liegt die durchschnittliche Rente in dieser Gruppe bei deutlich über 1.000 Euro. Undauch die Frauen, welche zuletzt einer versiche-rungspflichtigen Beschäftigung nachgingen, kom-men durchschnittlich auf Renten von über 800Euro. Hier wird noch einmal deutlich, wie ent-scheidend die Beschäftigungssituation für dieAltersrente ist. Gute Löhne und eine Beschäftigungbis zum Rentenbeginn bilden die Basis für einegute Rente und einen planbaren Übergang.

ten‹ sind bereits vor dem 65. Lebensjahr beziehbar;teilweise bereits ab dem 60. Lebensjahr. Drei Vier-tel der Bezieher dieser Altersrenten machen vonder Möglichkeit des vorzeitigen Rentenbeginnsauch Gebrauch. Zwei von drei Rentenzugängen indie besonderen Rentenarten gehen sogar schon mit63 Jahren oder früher in Rente. Die Versichertenmit einer Beschäftigung nutzen also regelmäßigdie Möglichkeiten, vorzeitig in Rente zu gehen –selbst mit Abschlägen von bis zu 18 Prozent. Wer eine versicherte Beschäftigung hat, scheint

regelmäßig den Rentenbeginn vorzuverlegen.Dabei ist allerdings nicht auszuschließen, dass dies,beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Ein-schränkungen oder der Arbeitsbedingungen, nurbedingt freiwillig erfolgt. Insgesamt ist jedochauch hier ein Trend zum späteren Rentenbeginnfeststellbar. Im Jahr 2000 gingen nur zehn Prozentaus einer versicherten Beschäftigung in eine Regel-

gen Beschäftigung – zu der in den Daten der Ren-tenversicherung auch rentenversicherungspflichti-ge Minijobs zählen – Beschäftigungen im Rahmender Altersteilzeit sowie Vorruhestandsregelungen.

Abbildung 9a zeigt die Entwicklung der Rentenzu-gänge, die direkt (Jahresende vor Rentenbeginn)aus einer versicherten Beschäftigung erfolgten. DieZahlen spiegeln die wirtschaftliche Lage seit demJahr 2005 recht deutlich wider. Die Altersteilzeitverliert zwar an Bedeutung – vermutlich auchwegen Ende der Förderung von Neuverträgen. Ins-gesamt gelingt es heute jedoch wieder deutlichmehr Menschen als noch 2005, unmittelbar auseinem versicherten Beschäftigungsverhältnis in dieRente zu wechseln. Dabei ist weniger davon aus-zugehen, dass ältere Arbeitslose wieder eine Stellegefunden haben. Vielmehr dürften weniger Be-schäftigte entlassen worden sein, während sie inihrer Beschäftigung älter wurden und auf die Ren-te zugingen. Einerseits, weil die Betriebe die einge-arbeiteten Arbeitskräfte im Aufschwung gebrau-chen konnten. Zum Teil aber auch, weil (für Arbeit-geber wie Arbeitnehmer) attraktive Möglichkeitenfür einen vorzeitigen Erwerbsaustritt ausliefen (beispielsweise die sogenannte ›58er-Regelung‹).Die geänderten Anteile innerhalb der Gruppe

der zuletzt aktiv Versicherten bestätigen diesenBefund. In Abbildung 9b ist der Zugang aus versi-cherter Beschäftigung in Rente als Anteil an allenaktiv Versicherten dargestellt. Hier wird deutlich,dass der Übergang aus versicherter Beschäftigungin Rente deutlich an Bedeutung gewonnen hat.

Mittlerweile sind sechs von zehn Zugängen ausaktiver Versicherung aus einem versicherungs-pflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

Dass Übergänge wieder verstärkt unmittelbar aus einer versicherten Beschäftigung erfolgen, istgrundsätzlich eine positive Entwicklung. Einunmittelbarer Übergang aus Beschäftigung in Ren-te ist notwendige Bedingung für planbare Übergän-ge. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäu-schen, dass auch diese Übergänge nicht pauschalals ›gelungen‹ bezeichnet werden können. Einer-seits sind darin auch Mini- und Midijobs enthalten,die für sich genommen nicht existenzsichernd sind.Zum Zweiten bleibt unklar, ob der Zeitpunkt desRentenbeginns freiwillig, das Einkommen sowiedie Rente ausreichend und wie die Arbeitsbedin-gungen insgesamt waren. Anhand der Daten lässt sich zeigen, dass bei Ren-

tenzugängen aus versicherter Beschäftigung nurjede Vierte in eine Regelaltersrente (frühestens ab65 Jahren beziehbar) erfolgt. In Abbildung 9c istder Zugang aus versicherter Beschäftigung nochzwischen Zugang in eine ›Regelaltersrente‹ und die›besonderen Altersrenten‹ differenziert. Die ›beson-deren Altersrenten‹ sind beispielsweise die Alters-renten ›für Frauen‹, ›für langjährig Versicherte‹oder ›wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteil-zeit‹.Wer bis zum Rentenbeginn beschäftigt ist, geht

meistens in eine der besonderen Rentenarten (ver-gleiche Abbildung 9c). Die ›besonderen Altersren-

Abb. 9 a: Aus sozialversicherungspflichtigerBeschäftigung in RenteVersicherungsverhältnis am Jahresende vor Rentenbeginn

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, alte Bundesländer; eigene Darstellung

2000 2005

40%

30%

20%

10%

0%2011 2013

sozialversicherungspflichtig beschäftigt

Altersteilzeit Vorruhestand

Abb. 9 b: Anteil an den aktiv Versichertenaus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in RenteVersicherungsverhältnis am Jahresende vor Rentenbeginn

2000 2005

80%

60%

40%

20%

0%2011 2013

Abb. 9 c: Bedeutung der Regelaltersrente beim Zugang aus sozialversicherungspflichtiger BeschäftigungVersicherungsverhältnis am Jahresende vor Rentenbeginn

Rege

lalte

rsre

nte

beso

nder

eRe

nten

arte

n

Rege

lalte

rsre

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beso

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n

Rege

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nte

beso

nder

eRe

nten

arte

n

Rege

lalte

rsre

nte

beso

nder

eRe

nten

arte

n

100%

75%

50%

25%

0%

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, alte Bundesländer;eigene Darstellung

sozialversicherungspflichtig beschäftigt

Altersteilzeit Vorruhestand

sozialversicherungspflichtig beschäftigt Altersteilzeit Vorruhestand

2000 2005 2011 2013

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, alte Bundesländer; eigene Darstellung

AM ENDE DES ÜBERGANGS

8382BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

im Leistungsbezug des Arbeitslosengelds II (SGB II)Beiträge entrichtet wurden und diese damitpflichtversichert waren. Andererseits dürften aucheinige vormals in der Arbeitslosenhilfe befindlicheMenschen aufgrund der Konstruktion der Bedarfs-gemeinschaft ihren Versicherungsstatus zusam-men mit ihrem Leistungsanspruch verloren habenund so nicht mehr versichert oder als ›arbeitslosohne Leistungsbezug‹ anrechnungszeitversichertwaren. Der in Abbildung 10 feststellbare weitere Rück-

gang des Anteils der zuletzt nach SGB III Versicher-ten bis 2011 dürfte neben der wirtschaftlichen Ent-wicklung auch auf die Verkürzung der Bezugsdau-er des Arbeitslosengelds sowie dem Auslaufen der›58er-Regelung‹2 zu Beginn des Jahres 2008 geschul-det sein. Seit 2010 bleibt der Anteil an den Renten-zugängen relativ stabil bei knapp unter zehn Pro-zent. Dies dürfte einerseits auf die leichte Verlänge-rung der maximalen Bezugsdauer für Ältere von 18auf 24 Monate gegen Ende der 2000er-Jahre zurück-zuführen sein. Andererseits gibt es natürlich wei-terhin Entlassungen Älterer mit einem entspre-chenden Bezug des Arbeitslosengeldes oder Arbeits-lose, die einfach in diese Altersgruppe hineinwach-sen, ohne erneut einen Job zu finden.Deutlich sichtbar ist der Effekt, dass Arbeits-

losengeld-II-Bezug seit 2011 (sichtbar ab Rentenzu-gang 2012) eine Anrechnungszeit und keine Bei-

Arbeitslosigkeit vor der Rente seltener

In der gesetzlichen Rentenversicherung bezie-hungsweise im deutschen System sozialer Siche-rung sind auch Zeiten der Arbeitslosigkeit, Krank-heit oder Ähnliches (mehr oder minder) abgesi-chert. Beim Rentenzugang weißt die DRV die Tatbe-stände SGB III (Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe),SGB II (Arbeitslosengeld II), andere Sozialleistun-gen und Anrechnungszeiten als Versicherungssta-tus am Ende des Jahres vor Rentenbeginn aus. Während die Tatbestände ›versicherungspflich-

tig beschäftigt‹, ›Altersteilzeit‹ oder ›Vorruhestand‹sich in aller Regel gegenseitig ausschließen, istdies bei den folgenden Tatbeständen keineswegszwingend. Ein Mensch mit Anrechnungszeit oder›Leistungsbezug nach dem SGB III‹, könnte zusätz-lich noch eine rentenrechtliche Zeit wegen versi-cherungspflichtiger Beschäftigung haben. MancheMenschen sind hier also mehrfach erfasst. DieDaten können also nicht einfach addiert werden.

Geringfügige Beschäftigung: zunehmende Bedeutung

Eine regelmäßig festgestellte Zunahme der gering-fügigen Beschäftigung (Minijobs) zeigt sich auchdeutlich in der Rentenzugangsstatistik. Die renten-versicherungspflichtigen Minijobs sind in den Zah-len zur sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-gung enthalten (vergleiche Abbildung 9a). Separatausgewiesen werden diejenigen, welche im Jahrvor Rentenbeginn einen versicherungsfreien Mini-job ausübten. Ob diese Minijobs ausschließlichoder parallel zu einer sozialversicherungspflichti-gen Beschäftigung oder dem Bezug von Arbeitslo-sengeld II stattgefunden haben, ist damit nicht fest-zustellen. Ein doppelter Eintrag ist hier also mög-lich.Bezeichnend ist, dass der Anteil derjenigen, die

vor der Rente zuletzt (auch) einen unversichertenMinijob ausübten, deutlich gestiegen ist, von dreiProzent im Jahr 2000 auf mittlerweile 8,5 Prozent(2013). Deutliche Unterschiede zeigen sich hierbeizwischen Männern und Frauen. Im Jahr 2000 hattenicht mal einer von 100 Männern zuletzt (auch)eine geringfügige unversicherte Beschäftigung aus-geübt. Bei den Frauen waren es über vier Prozent.Im Jahr 2013 hatten knapp sieben Prozent der Män-ner und über zehn Prozent der Frauen vor demRentenbeginn einen Minijob ausgeübt (versiche-rungsfrei). Rund jeder dritte Mann und jede zweite Frau,

die zuletzt einen Minijob ausübten, ging im Jahr2013 in eine Regelaltersrente. Dabei fällt auf, dassdie durchschnittlichen Rentenzahlbeträge derjeni-gen, die zuletzt (auch) einen Minijob ausübten undin eine Regelaltersrente gingen, sehr niedrig waren.Bei den Frauen dieser Gruppe betrug der durch-schnittliche Rentenzahlbetrag nicht mal 300 Euround bei den Männern nur rund 600 Euro. Bei den-jenigen, die vor Rentenbeginn (auch) einen Minijobausübten und in eine ›besondere Rentenart‹ gingen,lagen die Rentenzahlbeträge wiederum deutlichhöher. Bei den Frauen bei gut 650 Euro und denMännern bei fast 1.150 Euro. Damit liegt derSchluss nahe, dass diejenigen, welche nach einemMinijob in eine Regelaltersrente gingen, den Mini-job regelmäßig ausschließlich ausübten und gege-benenfalls mit Arbeitslosengeld II aufstockten.

Abb. 10: Rentenzugang aus Arbeitslosigkeit,Sozialleistungsbezug oder AnrechnungszeitVersicherungsverhältnis am Jahresende vor Rentenbeginn

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, alte Bundesländer;eigene Darstellung

2000 2005

30%

20%

10%

0%2011 2013

Anrechnungszeitandere SozialleistungenSGB III SGB II SGB III SGB II

Abb. 11: Status vor Rentenbeginn, Bezug von SGB II und SGB III

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, alte Bundesländer; eigene Darstellung

2005 2006

Frauen Männer70.000

50.000

30.000

10.000

02005 2006

2 Die 58er-Regelung (§ 428

SGB III beziehungsweise

§ 65 Abs. 4 SGB II) erlaub-

te es Leistungsbeziehen-

den, die das 58. Lebens-

jahr vollendet hatten, ihre

Leistungen bis zur ab-

schlagsfreien Rente weiter

zu beziehen, ohne dafür

dem Arbeitsmarkt zur Ver-

fügung stehen zu müssen.

Im ›Gegenzug‹ zählten sie

offiziell nicht als arbeitslos.

Mit dem Jahr 2008 ist die-

se Regelung, mit Ausnahme

von übergangsweisem Ver-

trauensschutz (wenn 2008

bereits das 58. Lebensjahr

vollendet war und seitdem

ununterbrochen Arbeitslo-

sigkeit vorlag) ausgelaufen.

Seitdem müssen die Men-

schen sich dem Arbeits-

markt voll zur Verfügung

stellen und außerdem ab

dem 63. Lebensjahr zum

frühestmöglichen Zeitpunkt

in Rente gehe, auch mit

Abschlägen.

Zeiten des SGB-II-Bezugs sind erst ab 2005 (Rentenzugang 2006) möglich. Zuvor warendies entweder ›SGB-III‹-Zeiten (bei Bezug vonArbeitslosenhilfe) oder keine Zeiten (bei Bezugvon Sozialhilfe). Von 2005 bis 2010 (für den Rentenzugang 2011) wurden der Bezug vonArbeitslosengeld II als Beitragszeit aufgrundSGB II erfasst, da Pflichtbeiträge gezahlt wurden (wenn auch sehr niedrige). Seit demJahr 2011 (für Rentenzugänge ab 2012) zählenArbeitslosengeld-II-Zeiten nun zu den Anrech-nungszeiten, denn es werden keine Beiträgemehr für sie gezahlt. Hierbei gibt es eine Über-gangsregel. In den Jahren 2011 und 2012 (Ren-tenzugänge 2012 und 2013) zählt der Bezug vonArbeitslosengeld II, wenn gleichzeitig Pflicht-beiträge aufgrund versicherter Beschäftigunggezahlt wurden, nicht als Anrechnungszeit.

Arbeitslosengeld II und Rente

Abbildung 10 zeigt, wie sich der Anteil beim Rentenzugang aus Leistungen des SGB III, des SGB II, anderen Sozialleistungen und Anrechnungs-zeiten entwickelt hat. Insgesamt ist hier ein rück-läufiger Anteil festzustellen. Dies ist jedoch weit-gehend auf den Rückgang des VersicherungsstatusSGB III vor Rentenzugang zurückzuführen, welcherwiederum ab Rentenzugang 2006 deutlich her-vortritt.Die überwiegende Ursache für den Rückgang

des SGB III als Leistungsbezug vor Rente ist in derAbschaffung der Arbeitslosenhilfe (vormals SGB-III-Leistung) und der Einführung des Arbeitslosen-gelds II (SGB-II-Leistung) zu sehen. Um dies zu ver-deutlichen, zeigt die Abbildung 11 die Verschiebun-gen zwischen dem SGB III und dem SGB III / II vomRentenzugang 2005 zum Zugang 2006, getrenntfür Männer und Frauen. Ab dem Rentenzugang2006 fallen diejenigen, die vormals Arbeitslosen-hilfe bezogen haben (erfasst als SGB III), regel-mäßig in den Status SGB-II-Bezug (Arbeitslosengeld-II-Bezug). Auffällig ist, dass hiervon zwar absolutmehr Männer (rund 20.000) als Frauen (rund10.000) betroffen sind. Insgesamt gab es bei denFrauen jedoch sogar einen Anstieg der SGB-III- / SGB-II-Beziehenden um etwa 1.000. Dies dürfte sicher-lich, wie schon oben erwähnt, darauf zurückzu-führen sein, dass für erwerbslose Frauen, die vor-mals nicht im Rechtskreis des SGB III waren, nun

AM ENDE DES ÜBERGANGS

8584BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Abschläge blieben jedoch bestehen. Neben der Fra-ge der präventiven Vermeidung von Erwerbsminde-rung an sich, besteht hier weiterhin erheblicherHandlungsbedarf, um bei steigenden Altersgren-zen die Frage der gesundheitlichen Einschränkun-gen nicht zum finanziellen Risiko für die Versi-cherten werden zu lassen. Dies gilt insbesonderevor dem Hintergrund des von der Bundesregierungvorgegebenen Drei-Säulen-Modells. Denn in derzweiten und dritten Säule fehlt meist ein (adäqua-ter) Schutz bei Erwerbsminderung. Eines der größten Probleme, gerade auch bei

steigenden Altersgrenzen, ist nicht nur die Frageder Erwerbsminderung, sondern auch diejenigeder Berufsunfähigkeit. Die aktuell rentennahenJahrgänge (vor 2.1.1962 geboren) fallen noch untereine Übergangsregelung. Dennoch ist schon heuteein Problem sichtbar. Gesundheitlich beeinträch-tigte Menschen, die ihren Beruf nicht mehr aus-üben können, gelten nach der aktuellen Rechtslageregelmäßig weiterhin als voll erwerbsfähig. Sie fin-den jedoch keinen oder zumindest keinen gleich-wertigen Beruf zu ihrem bisherigen. Die Einkom-mensrückgänge sind hier teilweise erheblich undmeist sind es noch fünf bis 15 Jahre bis zum Be-ginn der Altersrente. In diesen Fällen droht häufigder Verlust des bisherigen erarbeiteten sozialen Status. Gleichzeitig wird bei der Altersgruppe jen-seits der 55 regelmäßig keine Weiterbildung oderUmschulung mehr finanziert, weder von der Bun-desagentur noch von der Rentenversicherung. Wer

zahlen. Ohne Zuschüsse des Arbeitgebers gelingt eskaum, diese mindernde Wirkung bis zum Beginnder Vollrente wieder auszugleichen. Wenn derArbeitgeber jedoch bereit ist, einen Zuschuss zuzahlen, stellt sich die Frage, wieso dieser nichtdazu genutzt wird, analog zur Altersteilzeit dasEntgelt bei reduzierter Erwerbstätigkeit aufzu-stocken, ohne dafür eine unter Umständen mithohen Abschlägen behaftete Teilrente zu beziehen.

Rente wegen Erwerbsminderung

In diesem Beitrag wurden überwiegend Altersren-ten betrachtet, da es um Fragen des Übergangsgeht. Aber rund jede fünfte Versichertenrente isteine Rente wegen Erwerbsminderung. Rund einDrittel dieser Renten beginnt bereits vor dem 50.Lebensjahr. Das bedeutet aber im Umkehrschluss,zwei von drei Erwerbsminderungsrenten begannen2013 ab dem 50. Lebensjahr. Eine von drei Erwerbs-minderungsrenten wird erstmals ab dem 56.Lebensjahr gezahlt. Hierbei wird deutlich, dasseiner nicht unerheblichen Zahl von Versichertenauf den letzten Metern vor der Altersrente die Luftausgeht.3

In den vergangenen zehn Jahren sind die Ren-tenzahlbeträge bei den Erwerbsminderungsrentendeutlich gesunken. Im Rentenpaket 2014 der Bun-desregierung waren daher auch Verbesserungenbei den Erwerbsminderungsrenten enthalten. Dasgrundsätzliche Problem und insbesondere die

tragszeit mehr ist. Deswegen gibt es beim Renten-zugang 2013 keinen Zugang mehr aus dem ›Bezugdes SGB II‹. Diese Menschen fallen wie erwähntdem Grunde nach nun unter die Kategorie ›Anrech-nungszeit‹. Allerdings zählen in den Jahren 2011und 2012 diejenigen, welche ihre versicherungs-pflichtige Erwerbstätigkeit mit Leistungen des SGB II aufstocken müssen nicht als ›Anrechnungs-zeit‹-Versicherte – sondern ausschließlich als sozial-versicherungspflichtig Beschäftigte. Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit musste im Jahr 2012rund jeder achte erwerbsfähige Leistungsbeziehen-de seine sozialversicherungspflichtige Beschäfti-gung aufstocken (in Westdeutschland 360.000). Die-se Quote unterstellt, dürften rund 4.000 Menschenin der Zugangsstatistik der Rentenversicherungtrotz ergänzendem Arbeitslosengeld-II-Bezug keineAnrechnungszeit haben. Beim Rentenzugang 2014(Versicherungsstatus Ende 2013) ist also, nach Aus-laufen dieser Regelung, ein weiterer Anstieg derAnrechnungszeitversicherten zu erwarten. Erst imLaufe des nächsten Jahres werden die Zahlen hier-zu veröffentlicht. Im Zugangsjahr 2011 erfolgte jeder zwölfte

Zugang aus dem SGB-II-Leistungsbezug. Im Jahr2013 ist der Zugang aus Anrechnungszeiten aufetwas mehr als diesen Wert angestiegen, was maß-geblich auf die erwähnte Rechtsänderung beimSGB-II-Bezug zurückzuführen sein dürfte. Insge-samt machen die Zahlen deutlich, dass nochimmer für einen großen Anteil der Versichertender Übergang in Rente aus einer finanziell pre-kären Situation erfolgt – egal ob diese Menschen(langzeit-)arbeitslos sind oder ihren unzureichen-den Lohn durch Arbeitslosengeld II aufstockenmüssen. Zu beachten ist außerdem, dass An-spruchsberechtigte im SGB II verpflichtet sind, abdem 63. Lebensjahr ihre Altersrente zu beantragen– auch mit Abschlägen. In letzter Konsequenz sinddie Jobcenter sogar berechtigt, den Rentenantraganstatt der Betroffenen zu stellen. Dieses unterdem Begriff ›Zwangsverrentung‹ bekannte Problemist natürlich das Gegenteil eines ›geplanten‹ odergar freiwilligen Übergangs in Altersrente. DieseÜbergänge müssen regelmäßig als missglückt und prekär betrachtet werden. Dies zeigt auch dasInterview mit Renate L. (siehe Seite 50ff.). Erwähnenswert ist noch der Rentenzugang aus

dem Bezug anderer Sozialleistungen (also außerSGB II / SGB III). Dies sind meist Arbeitslosigkeit

ohne Leistungsbezug oder Krankengeld. Zwar gingim Jahr 2013 nur jede / jeder Vierzigste (2,5 Prozentdes Rentenzugangs) aus anderen Sozialleistungenin Rente. Aber der Anteil ist im Zeitverlauf deutlichgestiegen. Hier könnte als Ursache der erschwerteZugang zur Erwerbsminderungsrente ihre Wir-kung zeigen. Wer längerfristig erkrankt ist, aberauf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch minde-stens sechs Stunden erwerbsfähig ist, verbleibt häu-fig im Krankengeldbezug. Auch wenn diese Über-gänge relativ abgesichert stattfinden, so können sie aufgrund der Langzeiterkrankung kaum als›gelungen‹ gelten, dürfte doch der Rentenbeginngesundheitsbedingt häufig ›unfreiwillig‹ vorge-zogen werden.

Teilrente: eine Möglichkeit des Altersübergangs?

Bereits Anfang der 1990er-Jahre wurde die Möglich-keit einer Teilrente eingeführt. Die Idee ist, dassjemand nur einen Teil seiner Rente vorzeitig inAnspruch nimmt und parallel dazu seine Arbeits-zeit (sein Einkommen) reduziert. Im Ergebnis hätteer etwa das gleiche Einkommen wie zuvor. Die Teilrenten sind als zwei Drittel, die Hälfte oder einDrittel der Vollrente beziehbar. Abhängig vomUmfang der Teilrente (je größer der Anteil der Rente, desto geringer der Zuverdienst) und demeigenen vorherigen Einkommen, gibt es individuel-le Zuverdienstgrenzen. In der Praxis spielen die Teilrenten keine Rolle.

Nur rund 3.000 (Rentenbestand) Teilrenten wurden2013 gezahlt. Dies hat sicherlich auch mit denstarr festgelegten Anteilen zu tun. Denn wird dieZuverdienstgrenze auch nur um einen Cent über-schritten, wird die Rente auf die nächst niedrigereStufe gemindert (also beispielsweise von einer Zweidrittel- auf eine halbe Rente). In einem solchenFall liegt das Einkommen dann natürlich deutlichniedriger als zuvor. Teilrenten stoßen sicherlich auch deshalb auf

geringes Interesse, weil sie wenig bekannt sind.Aber auch, weil bisher Regelungen zur gefördertenAltersteilzeit und andere Modelle des gleitendenAusstiegs vorlagen, die wesentlich attraktiverwaren. Denn vorzeitig eine Teilrente zu beziehen,bedeutet natürlich auch, entsprechend hoheAbschläge auf den Rententeil hinnehmen zu müs-sen und für die weitere Zeit weniger Beiträge zu

Abb. 12: Anteil an Renten wegen Erwerbsminderung an allen Erwerbsminderungsrentenkumulierter Anteil

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund, alte Bundesländer; eigene Darstellung

50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

100%

50%

0%

Männer Frauen

Alter in Jahren

3 Zur Problematik der

Erwerbsminderungsrente

hat die Arbeitnehmerkam-

mer bereits 2013 eine

detaillierte Studie herausge-

geben: ›Risiken für eine

Erwerbsminderungsrente –

Bremen im Länderver-

gleich‹, Bremen, Mai 2013.

AM ENDE DES ÜBERGANGS

8786BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung stattder diskutierten freiwilligen Möglichkeit. Ergänzend bedarf es auch bei längerer Erwerbs-

losigkeit einer am sozialen Status und der Lebens-standardsicherung orientierten Absicherung in derRente. Dies gilt insbesondere für die letzten zehnbis 15 Jahre vor Rentenbeginn. Denn gerade in den letzten Jahren der Erwerbsphase bedeutet einArbeitsplatzverlust regelmäßig Arbeitslosigkeit bis zur Rente und/oder prekäre Beschäftigung mitentsprechend schlechteren Bedingungen für denRentenübergang. Dies gilt umso mehr, wenngesundheitliche Einschränkungen vorliegen. Völliginakzeptabel ist in diesem Zusammenhang dieZwangsverrentung bei SGB-II-Bezug. Denn sie ent-mündigt die Versicherten. Auch widerspricht sienatürlich den offiziellen Forderungen und Vorha-ben der Bundesregierung, die Erwerbstätigkeit zuverlängern. Ein Konzept zur Gestaltung der Übergänge und

des längeren Erwerbslebens muss flankiert seinvon Schutzregelungen für den Kreis derjenigen,die wegen gesundheitlicher Einschränkungen zwarihren oder einen gleichwertigen Beruf nicht mehrausüben können, aber auf dem abstrakten allge-meinen Arbeitsmarkt noch als voll erwerbsfähiggelten. Denn selbst wenn dieser Personenkreis eineweitere Beschäftigung findet, bedeutet dies regel-mäßig einen harten finanziellen Einschnitt. Dabeigeht vielfach der zuvor aufgebaute Lebensstandarddauerhaft verloren. Die sozialpolitische Gestaltung des Übergangs

ist für die Beschäftigten von vitalem Interesse.Dabei muss insbesondere darauf geachtet werden,dass sich die Arbeitgeber nicht noch weiter ausihrer Verantwortung zurückziehen. Den Beschäftig-ten wie den Erwerbslosen muss ermöglicht werden,den Übergang aktiv und abgesichert zu gestalten.Die nächste Zeit wird zeigen, ob und wie die Bundesregierung hier gesetzlich aktiv wird.

›zu gesund‹ für die Erwerbsminderungsrente und›zu krank‹ für den Arbeitsmarkt beziehungsweiseeinen den Qualifikationen entsprechenden Berufist, trägt ein erhebliches finanzielles Risiko. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Schlussbetrachtung

Die eingehende Analyse des Rentenzugangs machtdeutlich, dass das Rentenzugangsverhalten sehr differenziert zu sehen ist. ›Rente‹, dies wird dabeideutlich, ist zuallererst ein Spiegelbild des Erwerbs-lebens. Wer nur zehn oder zwanzig Jahre aktiv ver-sichert war und kaum Beiträge zahlte, kann keine auskömmliche Rente aus der gesetzlichenRentenversicherung erwarten. Dieser Personen-kreis ist jedoch regelmäßig über andere Versor-gungssysteme (Pensionen, berufsständische Versor-gungswerke etc.) oder über den Haushaltskontextversorgt.Auch wer lange Zeit zu niedrigen Löhnen und

/oder in Teilzeitarbeit beschäftigt ist, muss regel-mäßig mit entsprechend niedrigeren Renten rech-nen. Gleiches gilt für Menschen, welche häufigerund/oder für längere Zeit arbeitslos waren. BeideGruppen trifft zusätzlich, dass Elemente des Soli-darausgleichs abgebaut wurden und ihre Rentenan-sprüche so noch weiter gemindert wurden. Eineniedrigere Rente aber erschwert unter sonst glei-chen Bedingungen, über den Renteneintritt selbst-bestimmt zu entscheiden. Gegen Ende seinesErwerbslebens langfristig erkrankt zu sein, ist einweiteres Risiko. Denn der Rentenbeginn muss dannmeist gesundheitsbedingt und damit unfreiwilligvorverlegt werden. In den nächsten Jahren wird der Übergang darü-

ber hinaus für alle schwieriger, weil geförderteMöglichkeiten des Übergangs auslaufen und Alters-renten regelmäßig frühestens ab dem 63. Lebens-jahr bezogen werden können. Gleichzeitig soll dasRentenniveau weiter sinken, so dass die Rentenan-wartschaften aller gegenüber den Löhnen an Wert verlieren. Das Zusammenspiel von Rentenpo-litik und Arbeitsmarkt bedeutet für viele Beschäf-tigte die systematische Verengung von gestalt- und finanzierbaren Übergängen in die Rente. Be-schäftigte wollen den Übergang in die Rente nichtunbedingt möglichst früh, sondern vor allem möglichst selbstbestimmt gestalten. Prinzipiellspricht daher auch nichts dagegen, eine längere

Erwerbstätigkeit anzustreben, ist sie doch auch fürdie Beschäftigten oft erfüllend und finanziell meistlukrativer als die Altersrente. Allerdings dürfenüber das Ziel des längeren Erwerbslebens nicht alljene verloren gehen und vergessen werden, die ausgesundheitlichen Gründen, wegen Entlassungenoder fehlender Arbeitsplätze dazu unverschuldetnicht in der Lage sind. Grundsätzlich bedarf eshierfür alters- und alternsgerechte Arbeitsplätzemit guten Arbeitsbedingungen, die ein Verbleibenim Job nicht nur theoretisch ermöglichen, sondernvielmehr Rahmenbedingungen setzen, damit diesauch für die Beschäftigten machbar und vorstell-bar ist. Hier stehen die Arbeitgeber in der Pflicht.Nicht zuletzt auch, indem sie, statt einen Mangelan Fachkräften zu beklagen, diesem selbst aktiventgegenwirken.Wichtiger als eine Arbeitswelt des verlängerten

Erwerbslebens anzustreben, ist, dass Beschäftigteregelmäßig die Rente aus einer guten Beschäfti-gung heraus tatsächlich geplant und gesund errei-chen. Denn noch immer geht jeder dritte aktiv Ver-sicherte nicht aus einer Beschäftigung in Rente,sondern aus Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Ähn-lichem. Und rund jeder Fünfte verliert vorzeitignicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch seineErwerbsfähigkeit. Auch hier stehen zuallererst dieArbeitgeber in der Pflicht, durch geeignete Arbeits-plätze die Grundlage für ein Arbeiten bis zur Renteüberhaupt erst zu legen. Eine Verlängerung desErwerbslebens könnte, wenn dies gelänge, dannnur der zweite Schritt sein. Wichtig für die Beschäftigten sind gesetzliche

Regelungen, die es ihnen ermöglichen, ihren Über-gang weitgehend selbstbestimmt zu gestalten. Die-se müssen mit Rechtsansprüchen verbunden seinund auch die Arbeitgeber verpflichten, sich an denKosten zu beteiligen. Dabei kann es nicht nur umTeilrentenmodelle gehen, denn damit zahlen dieBeschäftigten den gleitenden Ausstieg über dielebenslangen Abschläge auf ihre Rente selbst. Auchwürde in diesen Fällen der Verlust des Arbeitsplat-zes zu entsprechend geringerem Arbeitslosengeldbei kürzerer Dauer führen. Hier wäre zumindestsicherzustellen, dass der volle Anspruch aufArbeitslosengeld auf Basis des Entgelts vor derArbeitszeitreduktion gewährt wird. An den Kostenmüssten die Arbeitgeber aber entsprechend betei-ligt sein. Zu bevorzugen wäre auch eine obligatori-sche und paritätisch finanzierte Aufstockung des

Noch immer geht jeder dritte aktiv Versicherte nicht aus einer Beschäftigung in Rente, sondern aus Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Ähnlichem.

88BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

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Ralf Lorenzen: Wie fühlen Sie sich bei demGedanken, dass ihr Berufsleben in drei Tagenvorbei ist?

EBERHARD DENGLER: Ich habe mich innerlich lan-ge darauf vorbereitet. Es gibt ein weinendes Auge,aber ich freue mich auch auf das, was jetzt kommt.Ich spitze keine Gefühle auf diesen Tag zu. Fürmich ist es ein Übergang von der Beschäftigung indie freie Zeit.

Lorenzen: Wie kommt es, dass Sie sich schonlänger damit beschäftigen?

DENGLER: Das hat etwas mit meiner Arbeitssituati-on zu tun, die sich in den letzten eineinhalb Jah-ren erheblich gewandelt hat. Das Umfeld und dieAufgaben haben eigentlich nichts mehr mit mei-nem Beruf zu tun. Ich habe als Architekt in der Vergangenheit immer eher kreativ gearbeitet, aberjetzt geht es fast nur noch um Verwaltung. Inso-fern habe ich mich innerlich schon ein bisschenverabschiedet und konnte mich leichter darauf vorbereiten, was ich danach mache.

Lorenzen: Ist das auch der Grund, warum Siesich für das Altersteilzeit-Modell entschiedenhaben?

DENGLER: Ja, ganz wesentlich. Als ich 1990 imöffentlichen Dienst anfing, gab es noch das klassi-sche Hochbauamt mit all seinen Facetten. Dieanschließende Reformzeit war sehr spannend fürmich. Ich war immer vorne dabei, die alten hierar-chischen Strukturen aufzubrechen und Begriffewie Effizienz und Wirtschaftlichkeit einzuführen.Das hat sich dann gesteigert bis zur Gründung derBauManagement Bremen. Dort wurden alle Kräftezusammengezogen, die gedanklich in die gleicheRichtung arbeiteten, die etwas Neues für Bremenwollten, die innovativ tätig werden und sich vomalten Muff verabschieden wollten. Das hat amAnfang gut geklappt. Durch einen unglücklichenUmstand wurden wir wieder von der alten Gesell-schaft übernommen. Da kam die alte bürokrati-sche Tsunamiwelle mit aller Macht von hinten undist nach meinem Empfinden schlimmer als das,was ich 1990 kennengelernt habe. Insofern atmeich tief durch: Ich habe die Chance, frühzeitig zugehen.

INTERVIEW

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Das Leben hat viele Baustellen Eberhard Dengler

Als Eberhard Dengler noch Kapitän werden wollte, schüttelte er den Nach-fahren der Meuterer von der Bounty die Hand. Aber irgendwann sehntesich das Arbeiterkind aus dem Wedding wieder nach dem Geruch von frischem Beton und baute als Architekt nicht nur den alten Schlachthofzum Kulturzentrum, sondern auch marode Hochschulgebäude zu moder-nen, energieeffizienten Forschungseinrichtungen um. Der Freigeist hatihn dabei nie verlassen. Bevor er im Bürokratismus versinkt, steuert er in die Altersteilzeit und sucht sich selbst seine Baustellen. Zwei davonhaben mit frischer Luft zu tun – Dengler ist nicht nur der Flachland-Chefder Drachen- und Gleitschirmflieger, sondern bringt auch Schülern bei,wie man richtig lüftet, damit die Wohnung keinen Schimmel ansetzt.

Lorenzen: Und ohne diese Welle ...?DENGLER: ... hätte ich bis 65 gearbeitet. Wenn ich noch die Tätigkeiten wie vor wenigen Jahren ausüben würde, hätte ich gerne weitergearbeitet.Für mich gab es keine knallharte Trennung zwi-schen Arbeit und Freizeit. Für spannende Aufgabenhabe ich auch mal zehn oder zwölf Stunden gearbeitet. Für mich zählte immer die zielorien-tierte Arbeit, das hat uns allen Spaß gebracht, aber das durfte man nachher nicht mehr. Nach achtStunden musste man stempeln, das war für michneu, da ist für mich die Klappe gefallen.

Lorenzen: Wann stand fest, dass Sie Architektwerden wollen?

DENGLER: Das liegt länger zurück. Ich wollteeigentlich Kapitän werden. Erst Flugkapitän, aberdafür war ich angeblich nicht intelligent genug.Dann habe ich mir gesagt, dann werde ich ebenein Kapitän zur See. Eigentlich bin ich Berliner,war eingezäunt und hatte immer das Gefühl, ichmuss raus. Über einen Ferienjob als Kombüsenjun-ge auf einem kleinen Kümo bin ich nach Englandgekommen, nach Liverpool, wo ›Satisfaction‹ gerade groß war. Mich faszinierte, dass ich für so ein Erlebnis auch noch Geld bekomme, anderemussten dafür bezahlen, fremde Länder kennen-zulernen. Dann habe ich mich nach der Seemanns-laufbahn erkundigt und erfahren, dass ich nachder Realschule die Fachhochschulreife nachholenund damit Kapitän werden kann.

Lorenzen: Wie haben Ihre Eltern das gesehen?DENGLER: Mein Vater war Maurerpolier, meineStiefmutter war Schneiderin und Erzieherin. Dagab es immer Streit, vor allem über die Haare undPolitik. Ich habe mich dann klammheimlich beider FOS Seefahrt in Brake angemeldet. Eines Tageshabe ich meinen Koffer gepackt und ins Fenstergestellt. Dann habe ich meinen Eltern gesagt, dassich zum Friseur gehe, habe ihre leuchtendenAugen gesehen, bin rausgegangen, habe meinenKoffer genommen und mich auf den Weg nach Brake gemacht. Nach der FOS bin ich dann als Offi-ziersassistent zur See gefahren und auf der ganzenWelt rumgekommen – unter anderem habe ich

››

R ALF LORENZENSoziologe und freier Journalist

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DENGLER: Ich war immer derjenige, der gernedafür genommen wurde, etwas das erste Mal zumachen. Ich habe mich immer für das interessiert,was neu war und habe dann meine Hand gehoben.Das Schöne ist, dass einige Ideen, die ich auch mitZahlen hinterlegt habe, umgesetzt wurden. Ein-schließlich der Skateranlage am Schlachthof.

Lorenzen: Und dann doch noch Frust auf denletzten Metern.

DENGLER: Ja, das hat einen bitteren Beigeschmack.Vor gut einem Jahr hatte ich einen kleinen Pla-nungs- und Umsetzungsauftrag von der Universitätbekommen. Da sagte man mir: Wir als ImmobilieBremen machen keine Planungsleistungen mehr,nur noch Projektsteuerung. Damit wurde mir derAuftrag entzogen – ich durfte meiner ureigenenProfession nicht mehr nachgehen. Mit dem Argu-ment, das würde sich nicht rechnen – was meinerMeinung nach nicht stimmt. Aber ich habe mirauch gesagt: Vielleicht war das ein Fingerzeig.Wenn ich die Aufgaben meiner Blütezeit weiterbekommen hätte, hätte ich auch bis 67 gearbeitet.Das ist ja auch immer eine Frage der Gesundheit.Ich bin zwar stressresistent, aber das schlägt sichdann körperlich durch, das hätte man möglicher-weise zu spät erkannt. Jetzt erkenne ich es frühgenug.

Lorenzen: Die Entscheidung für die Altersteilzeit hatten Sie aber schon frühergetroffen, oder?

DENGLER: Ja, die rührte daher, dass sich meineTätigkeit und mein Berufsbild insgesamt gewan-delt haben – dahin, was ich am Anfang als bürokra-tische Tsunamiwelle bezeichnet habe. Es geht nichtmehr um Inhalte, nur noch ums Geld. Es ist allesformalistischer geworden. 1998 brauchte ich füreine Haushaltsvorlage für ein Projekt mit einemUmfang von zehn Millionen DM zwei Unterschrif-ten. Heute hat eine Haushaltsunterlage ab 500.000Euro sechs Unterschriften. Das war für mich einIndikator zu sagen, das hältst du bis 65 nichtdurch. Einmal, als ich eine Vorlage sechsmal her-stellen, lochen und einheften musste, habe ichplötzlich an die beiden Männer am Kopierergedacht. Jetzt ist es soweit, dachte ich. Jetzt musstdu aufhören. Am 15. Dezember vor fünf Jahren,kurz bevor das Programm auslief, habe ich dannden Antrag gestellt. Fünf Jahre mit 82 Prozent Net-togehalt arbeiten, die restlichen fünf Jahre mitdem gleichen reduzierten Gehalt nicht arbeiten.Man konnte das Modell auch reduziert anwenden,ich habe das knallharte Blockmodell gewählt, ichwollte da schnell raus.

Lorenzen: Wann haben Sie sich denn zumersten Mal mit dem Gedanken an den Ruhe-stand befasst?

DENGLER: Da lag das noch in weiter Ferne. MeineFrau und ich haben irgendwann beschlossen,Eigentum zu bilden – mit einem hohen Abtrag,damit es bis 60 bezahlt ist. Damit wir dann, mitweniger Geld, aber ohne Schulden, die gleicheKaufkraft haben. Das war die nüchterne Rechnung.

den Nachkommen der Meuterer von der Bounty dieHand geschüttelt.

Lorenzen: Wie lange haben Sie es denn bei derSeefahrt ausgehalten?

DENGLER: Zunächst bin ich nach Bremen an dieHochschule für Nautik gegangen und da habe ichgemerkt, dass es an Land auch sehr schön ist. MeinVater hatte mich im Sommer oft mit auf Baustellengenommen, da durfte ich Beton nass spritzen. DerGeruch des Betons hat bei mir ausgelöst: Da wirdetwas gebaut, da entsteht etwas, für Menschen.Und so bin ich nach zwei Semestern zur Architek-tur gewechselt – mit dem Anspruch, etwas für dieGesellschaft zu tun, zum Beispiel Kindergärtenund Krankenhäuser zu bauen.

Nach dem Studium arbeitete Dengler zunächstin einem Büro, das Altenheime baute. Nachdem Konjunktureinbruch Mitte der 1980er-Jah-re, bei dem die Arbeitnehmer ohne Familienals Erste entlassen wurden, trat er auf ABM-Basis die Stelle des Architekten am Kulturzen-trum Schlachthof an, wo er schon als Studentfür den Erhalt der Fleischmarkthalle gekämpfthatte und in den folgenden Jahren aus einerRuine ein attraktives Veranstaltungszentrumentstand.

DENGLER: ›Da konnte ich fünf Jahre eigenständigarbeiten, etwas aufbauen, zueinanderfügen, mitein-ander verzahnen. Da gab es auch einen großen An-teil sozialer Arbeit. Das hatte wieder etwas mit derHerkunft des Arbeiterkindes aus Wedding zu tun.

Lorenzen: Wie kam es dann zum Schritt rausaus den prekären Strukturen, rein in denöffentlichen Dienst. Hatte das auch mit demWunsch nach Sicherheit zu tun?

DENGLER: Das stand nicht an erster Stelle. Es wareneher die Aufgaben, die mich interessiert haben. Esgab ein Senatsprogramm zum Neu- und Ausbauder Kindergärten, das war ja mein altes Thema.Dafür wurde ein Architekt gesucht. Da sah ichGestaltungspotenzial. Erst als ich die Stelle bekam,dachte ich: Oh, jetzt bist du im öffentlichen Dienst.Dass ich eigentlich nicht mehr kündbar bin, habeich erst nach ein, zwei Jahren realisiert. Gleichzei-tig bekam ich Panik, nun in so eine Mühle reinzu-kommen. Alles lief in geordneten Bahnen, für allesgab es Formulare. Einmal habe ich zwei ältere Kol-legen am Kopierer gesehen, die alles fünffachkopierten, ordneten, lochten und abhefteten. Aberdann entwickelte sich eine weitere Perspektive imHochbauamt, der Hochschulbau.

In den folgenden Jahren entwickelte Denglereine Reihe anspruchsvoller Projekte, führte imehemaligen Rechenzentrum die erste Asbest-sanierung im laufenden Betrieb durch und entwickelte innovative Konzepte für die um-weltschonende und benutzerorientierte Sanierung der Gebäude aus den 1970er-Jahren.

91INTERVIEW

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VieleBau-stellen

Außerdem muss man sich ja eingestehen, dass mitdem Alter auch die Gesundheit etwas leidet. Eskommen Zipperlein, man hat nicht mehr die Fit-ness, man weiß nicht, wie schnell man zerfällt.Solange man das Gefühl hat, dass man noch gutdrauf ist, sollte man die Zeit nutzen: Noch mehrvon der Welt sehen, die eigenen Interessen pflegen.Mein Hobby als Drachenflieger kostet viel Zeit. Hierim Norden bin ich der Vorsitzende und im Zentral-verband der Regionalvertreter für die Flachländer.

Lorenzen: Können Sie nach so einem engagier-ten Berufsleben einfach loslassen?

DENGLER: Ich engagiere mich ja auch noch in ande-ren Bereichen. Beim BUND gibt es das Projekt Zim-merwetter, da gehe ich als Ehrenamtlicher in Schu-len und lehre dort, wie man richtig lüftet. Geradeim sozialen Wohnungsbau mit den hochgedämm-ten Fassaden gibt es ein erhebliches Problem mitSchimmelpilzbildung. Über die Kinder versuchenwir, an die Familien heranzukommen und bringenihnen auf einfachem Niveau bei, warum es über-haupt zu Schimmelbildung kommt und wie mansie verhindert. Es ist ja eigentlich die Aufgabe derAlten, noch etwas von ihren Erfahrungen weiterzu-geben, bevor sie in die Kiste springen.

Lorenzen: Das beruht bei Ihnen sehr stark aufEigeninitiative. Haben Sie eine Idee, wie dasgesellschaftlich organisiert werden könnte?

DENGLER: Ich habe gerade letzte Woche mit einemKollegen gesprochen, der eine Menge Leute in einerähnlichen Situation kennt, die noch etwas machenwollen. Wir haben überlegt, die mal zu einer losenGruppe zusammenzutrommeln und zu gucken, obes da gemeinsame lose Drähte gibt, die man ver-flechten kann. Zum Beispiel haben wir die Idee, beiArchitekturwettbewerben unerfahrene Büros zuunterstützen, die eine Chance verdient haben. Ichhabe ja demnächst Zeit, lose Drähte zusammenzu-fügen und da Strom durchzujagen.

Lorenzen: Also haben Sie keine Angst voreinem weniger strukturierten Alltag?

DENGLER: Ich finde es nicht schlecht, auch maleinen unstrukturierten Alltag kennenzulernen.Außerdem habe ich ja noch andere Aufgaben. Ichbin nebenbei Mitglied des Eintragungsausschussesder Architektenkammer, die über die Zulassungbefindet, und dann bin ich noch Fluglehrerassis-tent für Drachenflieger. Das sind für mich allesBaustellen. Je nachdem, wie ich meine, den Alltagstrukturieren zu müssen, fange ich an, die eineoder andere Baustelle aufzubauen. Die Grundsteinesind gelegt.

Lorenzen: Das hört sich nach einer freudigenErwartung des neuen Lebensabschnitts an.

DENGLER: Ja, ich bin aufgeregt und finde es span-nend. Ich habe ja auch immer mit meiner Frau vieldarüber geredet und gesehen, wie sie es angegan-gen ist, als sie in Altersteilzeit gegangen ist. Sie haterst einen Kursus nach dem anderen belegt undgemerkt, dass das Quatsch ist. Ich will die Zeitgenießen. Ich habe manchmal das Bild des Großva-ters in amerikanischen Western im Kopf, der im

Schaukelstuhl sitzt. Das habe ich früher belächelt,jetzt nicht mehr. Ich finde, das ist eine wichtigeZeit. Man hängt seinen Träumen und seiner Ver-gangenheit nach, verarbeitet sie und schöpft dar-aus Kraft. Aber man sollte sich rechtszeitig vorbe-reiten und Möglichkeiten schaffen. Ein wichtigerAspekt ist auch, dass man ja jetzt viel mehr Zeit zuHause bei seiner Frau ist. Das muss man auch erstmal zusammen bearbeiten, wie man damitzurechtkommt.

Lorenzen: Haben Sie schon durchgespielt, wiedas aussehen könnte?

DENGLER: Nein, das kann man nicht vorherbestim-men. Das muss sich entwickeln, da muss man auf-einander zugehen und die Interessen harmonisie-ren. Wir haben einen gemeinsamen Grundstock,das sind Kunst und die Kultur. Auch die Fäden wer-den wir noch mehr zusammenfügen.

Lorenzen: Wie sind Sie in der letzten Phase anIhre Arbeit herangegangen?

DENGLER: Ich habe noch zwei große Aufgabenbekommen, Architektenwettbewerbe vorzubereiten.Da sollte ich meine Kollegen sowieso einbinden,ich habe das dann aber ganz an sie abgegeben undsie nur noch als Senior-Assistent begleitet. MeineMitarbeiterin habe ich ins kalte Wasser geschubst,aber ich bin mitgesprungen und habe ihr gesagt:Ich schwimme an deiner Seite, falls du keine Luftmehr kriegst. Aber sie haben sich schnell freige-schwommen. Sie holen sich dann nur noch deneinen oder anderen Tipp von mir als Senior-assistenten. Das ist auch ein erfreuliches Ergebnisdavon, dass man sich selbst entkoppelt. Das mussman ja erst mal kapieren als Alter: Man kann sichda rausentwöhnen.

Lorenzen: Wie beurteilen Sie die Diskussionenüber eine verlängerte Lebensarbeitszeit?

DENGLER: Vom Grundsatz finde ich das nicht inOrdnung. Ich finde aber, dass in jeder Arbeitsphaseeine viel höhere Flexibilität eingeführt werdenmuss, besonders in der Endphase. Jeder Mensch istanders strukturiert, auch in seinem Durchhaltever-mögen. Auf diese Unterschiedlichkeit muss dieArbeitswelt viel mehr reagieren. Aber jetzt ist Sche-ma F und da passt keiner rein, das ärgert mich.Wenn jemand bis 67 arbeiten will und der Arbeit-geber kann das auch gebrauchen, dann ist dasdoch das Beste, sich zusammenzutun. Wenn einersagt, er kann nicht mehr, er hat schon einen Burn-out, dann kann man sagen, wir haben noch andereMöglichkeiten, stressfreier, reduziert mitzuarbei-ten. Vor vielen Jahren hätte man gesagt: Burn-outin der öffentlichen Verwaltung gibt es nicht. Aberdurch die modernen Kommunikationsmittel istman viel gestresster.

Lorenzen: Was werden Sie am meisten an IhrerArbeit vermissen?

DENGLER: Dengler: Die klassische Arbeit am Reiß-brett. Das ist die direkte neuronale Umsetzung desGedankens in die Hand. ‹‹

9392BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

schenden rentenpolitischen Idealbild einer fortge-setzten sozialversicherungspflichtigen Erwerbs-tätigkeit bis hin zum Erreichen der Regelalters-grenze.9

Angesichts dieser Umstände und dem nach wievor weitverbreiteten Wunsch nach einem vorzeiti-gen Ausstieg aus der kapitalistischen Arbeitsweltist es wenig verwunderlich, dass kaum eine derzahlreichen regressiven Sozialreformen der vergan-genen 20 Jahre so umstritten war und ist, wie die›Rente mit 67‹. In den wiederkehrenden Umfragender Meinungsforschungsinstitute wird sie regel-mäßig von mindestens drei Vierteln der bundes-deutschen Bevölkerung abgelehnt.10 Die Hälfte der abhängig Beschäftigten glaubt nicht daran, biszum Erreichen der neuen Regelaltersgrenze er-werbsfähig bleiben zu können.11 Entsprechendwünschen sich rund 80 Prozent der Bevölkerungflexiblere Altersgrenzen.12 Bei freier Wahlmöglich-keit würden nur sieben Prozent der Erwerbsperso-nen über das 65. Lebensjahr hinaus erwerbstätigsein wollen, ein Drittel möchte am liebsten zwi-schen 60 und 64 in Rente gehen, ein weiteres Drit-tel zwischen 55 und 60 und rund 20 Prozent sogarnoch früher.13 Diese Umfrageergebnisse werdendurch wissenschaftliche Studien untermauert.14

Der nach wie vor bestehende Bedarf an Vorruhe-standsoptionen und der anhaltende Widerstandgegen die ›Rente mit 67‹ haben die Diskussion übereine erneute partielle Flexibilisierung des Renten-übergangs befördert.15 Die Mitte dieses Jahres inKraft getretene Absenkung der Altersgrenze fürbesonders langjährig Versicherte von 65 auf 63 Jah-re erfüllt den verbreiteten Wunsch nach flexible-ren Altersgrenzen jedoch nur bedingt. Zum einensetzt die Inanspruchnahme dieser abschlagsfreienAltersrente eine Mindestversicherungszeit von 45 Jahren voraus, wobei unter anderem Zeiten desBezugs von Arbeitslosenhilfe, Arbeitslosengeld IIund von Arbeitslosengeld in den letzten beiden Jah-ren vor dem Rentenzugang nicht berücksichtigtwerden. Zum anderen handelt es sich bei der ›Ren-te mit 63‹ um eine zeitlich befristete Sonderrege-lung, denn für alle nach 1952 Geborenen wird das Eintrittsalter schrittweise um zwei Monate pro

1. Die Wiederentdeckung des Vorruhestands

Die ›Rente mit 63‹ hat es deutlich gezeigt: NachJahrzehnten der sukzessiven Einschränkung dersozialrechtlichen Vorruhestandsmöglichkeitenund der Anhebung der Altersgrenzen ist die fle-xiblere Gestaltung des Übergangs von der Erwerbs-in die Ruhestandsphase wieder ein Thema. Aus-schlaggebend hierfür sind die mit der Anhebungder Regelaltersgrenze auf 67 Jahre verbundenensozialen und politischen Verwerfungen. Zwar gehtmit der steigenden Lebenserwartung eine Verjün-gung des Alters einher1, die eine längere Erwerbs-beteiligung durchaus als zumutbar erscheinen lässt; auf der anderen Seite aber sind die gegenwär-tigen Prozesse sozialer Beschleunigung2 mit einerenormen Intensivierung und Entgrenzung vonArbeit verbunden, die eben dies erheblich infragestellt. Die arbeitsbedingten gesundheitlichen Be-lastungen – und damit auch das Risiko des vorzei-tigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben – sindin den vergangenen beiden Jahrzehnten in derSumme deutlich gestiegen.3

Kein Wunder also, dass die ErwerbsbeteiligungÄlterer trotz ihrer Zunahme weiterhin erheblichenRestriktionen unterliegt. Nach wie vor sinken dieErwerbstätigenquoten mit zunehmendem Alterkontinuierlich ab.4 Noch immer gehen zwei Drittelder Beschäftigten vorzeitig in Rente.5 Außerdemerfolgt nur jeder dritte Zugang in eine Altersrenteunmittelbar aus einer sozialversicherungspflichti-gen Beschäftigung (inklusive Altersteilzeit undgeringfügiger Beschäftigung).6 Nach wie vor ist derRentenübergang in überdurchschnittlichem Maßevon Arbeitslosigkeit geprägt, die aufgrund der zahlreichen arbeitsmarktpolitischen Reformen dervergangenen beiden Dekaden zudem nicht mehrwie früher einen relativ abgesicherten Weg in denRuhestand darstellt.7 Weitere Prekarisierungsge-fahren gehen von der steigenden Bedeutung von Erwerbsunfähigkeit und der Zunahme von ›atypischer‹ Beschäftigung im Rentenübergangaus.8

Insgesamt entsprechen noch immer lediglichsechs Prozent der Rentenzugänge dem vorherr-

ARBEITEN B IS ZUM ENDE?

1 Kennzeichen eines verjüng-

ten Alters sind unter ande-

rem die zeitliche Ausdeh-

nung der Altersphase bei

relativ früher Erwerbsent-

pflichtung, die bessere

Gesundheit und höhere Vita-

lität im Vergleich zu früheren

Rentnergenerationen sowie

entsprechende Veränderun-

gen in den altersbezogenen

Selbst- und Fremdwahrneh-

mungen (vgl. Tews 1990;

Dyk/Lessenich 2009).

2 Vgl. Rosa (2005).

3 Vgl. Eurofound (2012).

4 Von den 64- bis 65-Jährigen

gehen schließlich nur noch

17 Prozent einer sozial-

versicherungspflichtigen

Erwerbstätigkeit nach (vgl.

Neumann/Nakielski 2014,

S. 262).

5 Vgl. DRV (2013a), S. 67.

6 Vgl. ebenda, S. 79.

7 Vgl. Mümken/Brussig

(2013).

8 Vgl. Bäcker (2012); Deut-

scher Bundestag (2011),

S. 329.

9 Vgl. DRV (2013b), S. 33.

10 Vgl. zuletzt Infratest dimap

(2012); TNS Emnid (2013).

11 Vgl. DGB-Index Gute Arbeit

(2013).

12 Vgl. Forsa (2012).

13 Vgl. GfK (2013).

14 Vgl. z.B. Becker/Hallein-

Benze (2012).

15 Vgl. u.a. FES (2006);

Hanau/Rolfs (2008);

Rische/Kreikebohm (2012).

NORBERT FRÖHLERUniversität Duisburg-Essen

Arbeiten bis zum Ende?Gegenwart und Zukunft des flexiblen Erwerbsausstiegs6

9594BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Erstattungspflichten erschwert. Die ›Hartz‹-Gesetzebrachten eine weitere Verschärfung des Arbeitsan-gebotsdrucks für Ältere mit sich, zumal die maxi-male Bezugsdauer von Arbeitslosengeld von 32 auf24 Monate (zwischenzeitlich sogar auf 18 Monate)verkürzt wurde. Des Weiteren wurde Ende 2007der erleichterte Arbeitslosengeldbezug ab dem 58.Lebensjahr abgeschafft. Hingegen können seitdemBezieherinnen und Bezieher von ›Hartz IV‹ mit 63Jahren von der Arbeitsverwaltung zur Inan-spruchnahme einer vorgezogenen Altersrente mitentsprechenden Abschlägen gezwungen werden.Weitere Beschränkungen für den Vorruhestand

gehen schließlich von der Absenkung des gesetzli-chen Rentenniveaus aus, werden dadurch doch dieindividuellen Ressourcen für dessen Finanzierungzunehmend eingeschränkt. Zum einen stellt dasfallende Rentenniveau einen Anreiz zur Verlänge-rung des Erwerbslebens dar, um den relativenWertverlust durch eine höhere Anzahl von Bei-tragsjahren zumindest teilweise wieder auszuglei-chen. Zum anderen führt die Notwendigkeit ver-mehrter Investitionen in die betriebliche und private Alterssicherung zu einer Verringerung derfür die Gestaltung des Rentenübergangs zur Ver-fügung stehenden Mittel. In der Summe kann sichein zunehmend größer werdender Teil der Versi-cherten einen vorzeitigen Erwerbsausstieg kaummehr leisten, ohne (massive) Einschränkungen des Lebensstandards im Alter in Kauf nehmen zumüssen.

2.2. Verlagerung auf die tarifliche undbetriebliche Ebene

Parallel zur Einschränkung der sozialrechtlichenMöglichkeiten schuf der Staat Rahmenbedingun-gen und Anreize für eine Verlagerung der Über-gangsgestaltung und -finanzierung auf die Tarif-und Betriebsparteien. Auch dies hatte primär dieEntlastung der öffentlichen Haushalte und die Sen-kung der Sozialabgaben zum Ziel, während gleich-zeitig der staatliche Leistungsabbau legitimiertund Konflikte mit den Arbeitsmarktverbänden vermindert werden sollten. Andererseits sollte aberauch die arbeitsmarktentlastende Funktion des vorzeitigen Erwerbsausstiegs erhalten und die personalpolitische Flexibilität der Unternehmengefördert werden. Schließlich spielt die angestreb-te Verdrängung des vollständigen vorzeitigenErwerbsausstiegs durch einen gleitenden Renten-

rente Schritt für Schritt angehoben. Der vorzeitigeBezug wurde mit dauerhaften Rentenabschlägenvon 0,3 Prozent pro Monat versehen und so dieKosten des vorzeitigen Rentenzugangs auf die ein-zelnen Versicherten übertragen. Für die nach 1951Geborenen wurden die vorgezogenen Altersrentenfür Frauen, für Erwerbslose und für Altersteilzeit-beschäftigte schließlich gänzlich abgeschafft. Fürdie verbliebenen vorgezogenen Altersrenten wer-den die Altersgrenzen parallel zur Regelaltersgren-ze schrittweise weiter angehoben. Die Altersgrenzeder Altersrente für langjährig Versicherte (mit min-destens 35 Versicherungsjahren) wird von 65 auf67 Jahre erhöht, wobei der vorzeitige Bezug weiter-hin ab 63 Jahren möglich ist. Die Altersgrenze derAltersrente für Schwerbehinderte wird von 63 auf65 Jahre und die des vorzeitigen Bezugs von 60 auf62 Jahre angehoben.Um zu verhindern, dass ältere Beschäftigte ver-

mehrt auf die Invaliditätsrenten ausweichen, wur-den auch diese im Jahr 2001 grundlegend umge-staltet. Dabei wurden die Anspruchsvoraussetzun-gen erheblich verschärft, indem der Berufs- undQualifikationsschutz abgeschafft, jede auf dem all-gemeinen Arbeitsmarkt vorzufindende Tätigkeitals zumutbar definiert und die Schwelle zurErwerbsminderung von unter acht auf weniger alssechs Stunden abgesenkt wurde. Des Weiteren wurden die Anforderungen im Antrags- und Bewil-ligungsverfahren durch die Etablierung des Grund-satzes ›Reha vor Rente‹, die Verschärfung der medizinischen Begutachtung und die regelmäßigeÜberprüfung des Vorliegens der Leistungsvoraus-setzungen erhöht. Schließlich wurde auch das Leistungsniveau abgesenkt, indem Abschläge beieinem vorzeitigen Bezug vor dem 63. Lebensjahreingeführt und der Rentenartfaktor für die Teiler-werbsminderungsrente reduziert wurden. Infolgedieser regressiven Reformen ist der Zwang zumVerbleib auf dem Arbeitsmarkt für Leistungseinge-schränkte – unter denen sich weit überproportio-nal viele Ältere befinden20 – erheblich gestiegen.Die rentenrechtliche Einschränkung des vorzei-

tigen Erwerbsausstiegs wurde durch eine Reihevon arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ergänzt,die auf eine Aktivierung von älteren Lohnabhängi-gen zielen. So wurde ab Mitte der 1990er-Jahre dieNutzung des Arbeitslosengeldes für die Finanzie-rung des Rentenübergangs durch verstärkte Kon-trollen und die Einführung von Sperrzeiten und

ARBEITEN B IS ZUM ENDE?

20 Vgl. DRV (2013b), S. 39 ff.

Jahr erhöht, bis schließlich Ende 2028 für die Jahr-gänge 1964 und jünger wieder die alte Altersgren-ze von 65 Jahren erreicht ist.Zeitgleich mit Verabschiedung des ›RV-Leistungs-

verbesserungsgesetzes‹ wurde deshalb von derRegierungskoalition aus CDU/CSU und SPD die Ein-richtung einer Arbeitsgruppe vereinbart, die imLaufe des Herbstes weitere Maßnahmen erarbeitensoll. Dabei geht es jedoch nicht um genuin gesetz-liche Übergangsoptionen wie die ›Rente mit 63‹,sondern um einen verbesserten rechtlichen Rah-men für die Gestaltung und Vereinbarung vonÜbergängen auf tariflicher und betrieblicher Ebe-ne. Dieser Auftrag steht ganz in der Tradition derSteuerungsstrategie der Vertariflichung und Verbe-trieblichung sozialstaatlicher Aufgaben, von derdie Rentenübergangspolitik – und zunehmend diegesamte Alterssicherungspolitik – seit nunmehrdrei Jahrzehnten geprägt ist: Der Staat zieht sichaus der direkten Regulierung und insbesondereFinanzierung des vorzeitigen Erwerbsausstiegszurück und fördert beziehungsweise vereinfachtentsprechende Vereinbarungen der Tarif- undBetriebsparteien.16 Die ›Rente mit 63‹ ist in diesemZusammenhang lediglich als zeitlich begrenzteAusnahme zu verstehen, die nicht zuletzt dazu die-nen soll, die SPD ein wenig mit ihrer traditionellenWählerbasis zu versöhnen.Ohnehin sollten die aktuellen Bestrebungen

einer sozial- und arbeitsrechtlichen Re-Flexibilisie-rung des Rentenübergangs nicht darüber hinweg-täuschen, dass damit keineswegs ein politischerParadigmenwechsel verbunden ist. Vielmehr gehtes vor allem darum, die mit der Altersgrenzenanhe-bung und dem langjährigen Abbau staatlicher Vor-ruhestandsoptionen verbundenen sozialen Härtenetwas abzumildern. Vor dem Hintergrund derdemografischen Entwicklung bleiben die Verlänge-rung der Lebensarbeitszeit und die Begrenzung derSozialausgaben nach wie vor zentrale Ziele staatli-cher Alterssicherungs- und Arbeitsmarktpolitik.Dies zeigen nicht zuletzt die aktuellen Bestrebun-gen zur Förderung der Weiterbeschäftigung Ältererüber die Regelaltersgrenze hinaus (›Flexi-Rente‹).Ein erster Schritt hierzu wurde mit dem ›RV-Leis-tungsverbesserungsgesetz‹ bereits getan. Nunmehrkönnen Arbeitsverträge, die mit Erreichen derRegelaltersgrenze enden, von den Vertragsparteienübereinstimmend verlängert werden – und zwarbeliebig lang und beliebig oft. Die Koalitionsar-

beitsgruppe soll weitere Vorschläge zur Förderungdes zeitlichen Aufschubs des Rentenzugangs undder Fortsetzung beziehungsweise Neuaufnahmeeiner Erwerbstätigkeit neben dem Rentenbezugerarbeiten.17 Dabei stehen vor allem weitere Erleich-terungen bei der befristeten Beschäftigung sowiedie Abschaffung der Arbeitgeberbeiträge zur Ren-ten- und Arbeitslosenversicherung bei der Beschäf-tigung von Rentenberechtigten beziehungsweise Rentenbeziehenden im Mittelpunkt.

2. Vertariflichung und Verbetrieblichung als Kernelemente staatlicher Übergangsregulierung

Seit Mitte der 1980er-Jahre befinden sich die Alters-sicherungs- und die Arbeitsmarktpolitik in einempermanenten Umbauprozess, der den vorzeitigenErwerbsausstieg zusehends erschwert und den Rentenübergang entflexibilisiert hat. Unter demzunehmenden Einfluss neoliberaler Politikstrategi-en und der damit verbundenen hegemonialen Dis-kurse über die Folgen der öffentlichen Verschul-dung, der Globalisierung und des demografischenWandels für die ›nationale Wettbewerbsfähigkeit‹ist die Verlängerung des Erwerbslebens zu einemzentralen politischen Ziel geworden. Auf diese Wei-se sollen die staatlichen Sozialausgaben reduziert,die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt und dieBereitstellung eines ausreichenden Arbeitskräftean-gebots sichergestellt werden. In diesem Zusammen-hang ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeitnur ein – wenngleich zentraler – Bestandteil einerumfassenderen Politik der Altersaktivierung, in derdas Modell des ›wohlverdienten‹, sozial gesichertenRuhestands immer mehr unter Legitimationsdruckgerät.18 Im Fokus sozialstaatlicher Regulierung desAlter(n)s steht zunehmend die präventive Vermei-dung und aktive Kompensation der durch das Alterund die gesellschaftliche Alterung entstehendenBelastungen, während gleichzeitig die sozialenRechte und Sicherheiten älterer Menschen einge-schränkt werden.19

2.1. Leistungsabbau auf staatlicher EbeneIm Zentrum der Politik der Lebensarbeitszeitverlän-gerung stand und steht die Anhebung der Alters-grenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung.Beginnend mit dem Jahr 1996 wurden die Alters-grenzen für den Bezug einer vorgezogenen Alters-

16 Vgl. Fehmel (2013); Fröhler

(2015a).

17 Vgl. Deutscher Bundestag

(2014).

18 Vgl. Denninger u.a. (2014).

19 Vgl. Dyk/Lessenich (2009).

9796BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

gezogenen Altersrenten, die Invaliditätsrenten unddie Nutzung des Arbeitslosengeldbezugs konntenbislang weder auf tariflicher noch auf betriebli-cher Ebene auch nur ansatzweise ausgeglichenwerden.34 Im Gegenteil: Auch hier ist der Zugangzu einem abgesicherten Erwerbsausstieg in denvergangenen Jahren zusehends schwieriger gewor-den. Zugleich haben sich die Nutzungsbedingun-gen insgesamt deutlich verschlechtert, sowohl imHinblick auf die finanzielle Ausstattung der Über-gangsinstrumente als auch den frühestmöglichenZeitpunkt und den Zeitraum ihrer Inanspruchnah-me. Dadurch steigt die soziale Selektivität derÜbergangsoptionen, weil Beschäftigte mit geringe-ren individuellen Ressourcen sich deren Inan-spruchnahme zunehmend nicht mehr leisten kön-nen beziehungsweise bis zum Erreichen des not-wendigen Mindestalters bereits aus dem Betriebausgeschieden sind.Schon dem Grundsatz nach sind Vertarifli-

chung und Verbetrieblichung mit einer höherenZugangsselektivität verbunden, da die staatlichenÜbergangsinstrumente einem größeren Personen-kreis offenstehen und ihre Inanspruchnahmenicht von der hinreichend langen Zugehörigkeitzu einer bestimmten Branche oder einem Betriebabhängig ist. Zudem besteht auf staatliche Leistun-gen bei Erfüllung der Zugangsbedingungen in derRegel ein individueller Rechtsanspruch, währenddies bei tariflichen und betrieblichen Leistungenmeist nicht der Fall ist. Schließlich werden aufstaatlicher Ebene weitgehend einheitliche Leistun-gen und Bedingungen garantiert, während dietarifliche und betriebliche Übergangslandschafteine wesentlich höhere Heterogenität des Instru-mentariums als auch eine stärkere Differenzierungdes Regelungsgehalts innerhalb der einzelnenÜbergangsinstrumente aufweist.35

Die ohnehin geringere Reichweite und Homoge-nität kollektivvertraglicher Regelungen hat sichdurch die bekannten Deregulierungstendenzen imSystem der industriellen Beziehungen – Erosiondes Flächentarifvertrags, Fragmentierung der Tarif-landschaft und zunehmenden Verlagerung derRegulierung der Arbeitsbedingungen auf diebetriebliche Ebene – noch zusätzlich verringert.Gleichzeitig lassen sich auch auf betrieblicher Ebe-ne Erosionstendenzen beobachten, die unter ande-rem zur Folge haben, dass immer weniger Beschäf-tigte von einem Betriebsrat vertreten werden. Insge-

stalters von 58 auf 55 Jahre und der neu geschaffe-nen Altersrente für Altersteilzeitbeschäftigte wur-de die Altersteilzeit so zum tariflichen und betrieb-lichen Erfolgsmodell der 2000er-Jahre. Zum Zeit-punkt der Abschaffung der Kostenzuschüsse Endedes Jahres 2009 befanden sich 2,6 Prozent allersozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Alter-steilzeit.29 Seitdem sind die Nutzungszahlen jedochdeutlich rückläufig: Im Jahr 2011 befanden sichnur noch 492.000 beziehungsweise 1,8 Prozent derBeschäftigten in Altersteilzeit. Aufgrund der gestie-genen Kosten bieten viele Betriebe Altersteilzeitnun nicht mehr oder in geringerem Umfang bezie-hungsweise zu deutlich schlechteren Konditionen(niedrigere Bezüge, höheres Zugangsalter, reduzier-te Dauer) an.30

Schließlich wurde 1998 mit dem sogenannten›Flexi-Gesetz‹ ein erster gesetzlicher Rahmen zurFörderung und sozialrechtlichen Absicherung vonaltersbezogenen und optionalen (für mehrere Frei-stellungszwecke nutzbare) Langzeitkonten geschaf-fen, die sich im Laufe der 1990er-Jahre im Zuge derArbeitszeitflexibilisierung insbesondere in denGroßunternehmen zu etablieren begannen.31 Dabeiwurden unter anderem Regelungen für den ›Stör-fall‹ der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhält-nisses getroffen und ein gesonderter Insolvenz-schutz für Wertguthaben eingeführt, weil diese imInsolvenzrecht nicht abgesichert waren. Da sichdie gesetzlichen Vorgaben auch in der Folgezeit alsunzureichend erwiesen,32 wurden diese 2009 mitdem ›Flexi-II-Gesetz‹ nachjustiert. Dabei wurdenunter anderem die Insolvenzschutz-, Anlage- undVerwaltungsvorschriften deutlich verschärft.Zudem wurde die Übertragung der Wertguthabenbeim Wechsel des Arbeitgebers erleichtert und dieMöglichkeit der treuhänderischen Verwaltungdurch die Rentenversicherungsträger geschaffen.Dennoch boten im Jahr 2010 weiterhin lediglichzwei Prozent aller Betriebe mit rund zehn Prozentaller Beschäftigten Langzeitkonten an und in nurjedem vierten dieser Betriebe war der Rentenüber-gang ein möglicher Nutzungszweck.33

3. Folgen der Entstaatlichung, Vertariflichung und Verbetrieblichung

Die genannten Daten lassen es bereits erahnen:Der Abbau beziehungsweise die Einschränkung dergenuin staatlichen Übergangsoptionen wie die vor-

ARBEITEN B IS ZUM ENDE?

29 Dies entsprach einer Nutzungs-

quote innerhalb der anspruchs-

berechtigten Altersgruppe der

55- bis 64-Jährigen von rund 17

Prozent (vgl. DRV 2013a, S.30;

Wanger 2010, S. 396).

30 Vgl. Fröhler u.a. (2013),

S. 563.

31 Vgl. ebenda, S. 71 ff.

32 So verfügte im Jahr 2004

immer noch lediglich ein Drittel

der Betriebe mit Langzeitkonten

überhaupt über irgendeine Form

der Insolvenzabsicherung (vgl.

Schietinger 2005, S. 341).

33 Vgl. Ellguth u.a. (2013), S. 5.

34 Vgl. Fröhler (2015a).

35 Vgl. Fröhler u.a. (2013).

übergang eine nicht unerhebliche Rolle, wodurchdie Beschäftigten sowohl länger im Erwerbslebengehalten als auch besser auf die Nacherwerbsphasevorbereitet werden sollten.Einen ersten Versuch der Vertariflichung und

Verbetrieblichung stellte 1984 die Einführung desVorruhestandsgeldes dar, das vor allem auf die Ein-dämmung der betrieblichen Vorruhestandsmodellemit ›kalkulierter Erwerbslosigkeit‹ zielte. Unter-nehmen konnten von der Arbeitsverwaltung einenKostenzuschuss erhalten, wenn sie Beschäftigte ab dem 58. Lebensjahr bis zum frühestmöglichenBezug einer Altersrente unter Fortzahlung vonmindestens 65 Prozent des vorherigen Bruttoent-gelts freistellten und die Arbeitsstelle wiederbesetz-ten. Trotz der relativ grußzügigen Zuschüsse (35Prozent des Mindestentgelts) wurde dieses Zieljedoch nur bedingt erreicht, woraufhin die staat-liche Förderung Ende 1988 eingestellt wurde.21 Ver-einzelt lassen sich jedoch bis heute Tarifverträgeoder Betriebsvereinbarungen zum Vorruhestands-geld oder ähnlichen Vorruhestandsregelungen finden. Dabei sind die Nutzungsquoten meist hoch.So machten im privaten Bankgewerbe im Jahr 2012 rund 2.000 Beschäftigte von ihrem tariflichenRecht auf Ruhestandsgeld Gebrauch, was einemAnteil von immerhin 1,8 Prozent an allen Bankbe-schäftigten entsprach.22 Im selben Jahr schieden imöffentlichen Dienst mehr als 10.000 Beamte übereine Vorruhestandsregelung oder eine besondereAltersgrenze aus dem Erwerbsleben aus, was einemAnteil von rund 18 Prozent an den Ruhestandsein-tritten entsprach.23

Als Ersatz für das Vorruhestandsgesetz trat 1989das erste Altersteilzeitgesetz in Kraft, das sowohl in der Funktionsweise als auch in der Leistungsge-staltung seiner Vorgängerregelung stark ähnelte.Diesmal wurde aber nicht der vollständige, son-dern der gleitende Erwerbsausstieg gefördert, denndas Gesetz sah zwingend eine Halbierung der vor-herigen regelmäßigen Arbeitszeit während dergesamten Dauer der Altersteilzeit vor. Nicht zuletztdeshalb blieb die Nutzung weit hinter den politi-schen Erwartungen zurück, woraufhin das GesetzEnde 1992 ersatzlos gestrichen wurde.24

Im selben Jahr wurde die bis heute existierendeMöglichkeit geschaffen, eine gesetzliche Altersren-te auch nur teilweise (als 1/3-, 1/2- oder 2/3-Rente)in Anspruch zu nehmen und parallel dazu weitereiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch das

Betriebsrentengesetz sieht die Möglichkeit des Teil-rentenbezugs vor. Bislang wurde dieses gleitendeÜbergangsinstrument jedoch kaum genutzt. ImJahr 2012 befanden sich unter den Neuzugängen ineine gesetzliche Altersrente exakt 1.617 Bezieherin-nen und Bezieher einer Teilrente, was einem Anteilvon 0,2 Prozent entsprach.25 Überdies kommen viele Teilrenten offensichtlich nur unfreiwilligzustande, indem unwissentlich die Hinzuverdienst-grenze für eine Vollrente überschritten wird.26

Ähnlich ungenutzt blieb bislang die mit Beginnder Altersgrenzenanhebung im Jahr 1996 geschaf-fene Möglichkeit, die bei einem vorzeitigen Renten-bezug nun fälligen Abschläge durch zusätzlicheRentenbeiträge ganz oder teilweise wieder auszu-gleichen. Hierbei hatte der Gesetzgeber vor allemAbfindungszahlungen im Rahmen von Sozial- undVorruhestandsplänen als Finanzierungsquelle imBlick. Obwohl im Jahr 2012 fast die Hälfte allerNeurentnerinnen und Neurentner Abschläge inKauf nehmen musste, machten jedoch nur 1.009beziehungsweise 0,4 Prozent von ihnen von derMöglichkeit des Abschlagsausgleichs Gebrauch.27

Dabei ist die Kombination einer vorgezogenenAltersrente mit einer Abfindung oder anderenbetrieblichen Leistungen ein durchaus gängigesbetriebliches Übergangsinstrument.28 Ganz offen-sichtlich ziehen die Versicherten jedoch die privateGeldanlage (oder den Verbrauch) der Einzahlung in die Rentenkassen vor.Unter dem Eindruck der vereinigungs- und kri-

senbedingt stark steigenden Inanspruchnahme derArbeitslosenversicherung für den Vorruhestandwurde 1996 die Altersteilzeit neu aufgelegt, wobeidas Instrument diesmal jedoch für den vollständi-gen vorzeitigen Erwerbsausstieg geöffnet wurde,indem man die Verteilung der Arbeitszeit den Ver-tragsparteien überließ und so die Möglichkeit derAbfolge einer Phase der ungeminderten Weiterar-beit und einer gleich langen Phase der vollstän-digen Freistellung (›Blockmodell‹) eröffnete. DerKostenzuschuss der Arbeitsverwaltung in Höhe dergesetzlich vorgeschriebenen Mindestaufstockungdes Altersteilzeitentgelts auf 70 Prozent der vorhe-rigen Nettobezüge und 90 Prozent der Rentenversi-cherungsbeiträge für maximal sechs Jahre bei Wiederbesetzung der frei gewordenen Arbeitsstellewurde ebenso beibehalten, wie die grundsätzlicheSteuer- und Beitragsfreiheit der Aufstockungsbe-träge. In Verbindung mit der Absenkung des Minde-

21 Vgl. Frerich/Frey (1993),

S. 188.

22 Vgl. AGV Banken (2013),

S. 50.

23 Vgl. StBA (2014), S. 96.

24 Vgl. Barkholdt (2001),

S. 151.

25 Vgl. DRV (2013b), S. 74.

26 Vgl. Hoffmann (2007).

27 Vgl. DRV (2013b), S. 25.

28 Vgl. Fröhler (2014a), S. 86,

Abb. 5.

Die Kombination einer vorgezogenen Altersrente mit einer Abfindung oder anderen betrieblichen Leistungen ist ein durchaus gängiges betriebliches Übergangsinstrument.

9998BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Diese Entwicklungstendenzen haben erheblicheAuswirkungen auf die Handlungsoptionen derBeschäftigten. Neben der Branchen-, Betriebs- undBerufszugehörigkeit spielen auch die individuellenRessourcen wie Qualifikation, Einkommen undArbeitsfähigkeit eine immer wichtigere Rolle fürden Zugang zu einer tariflichen oder betrieblichenÜbergangsoption, deren Leistungsniveau und dieMöglichkeit, von einem solchen Angebot auchtatsächlich Gebrauch machen zu können. Bereitsin der Vergangenheit war diesbezüglich eine erheb-liche Selektivität feststellbar, die sich in den ver-gangenen Jahren zusehends verstärkt hat. Dabeierweisen sich ausgerechnet jene Personengruppenals benachteiligt, die aufgrund ihrer schwächerenArbeitsmarktposition eigentlich am dringlichsteneines abgesicherten Rentenübergangs bedürften:geringer Qualifizierte, geringer Verdienende,prekär Beschäftigte und sonstige Erwerbspersonenmit einem hohen Beschäftigungs- beziehungsweiseInvaliditätsrisiko.39

4. Bedarfsgerechte Weiterentwicklung derÜbergangsregulierung

Die zunehmenden Interessendifferenzen zwischenden Tarif- und Betriebsparteien, die sinkendenAngebots- und Nutzungsquoten, die erheblicheDiversität der Übergangsbedingungen und die stei-gende Selektivität der Zugangs- wie der Nutzungs-chancen lassen die aktuellen politischen Bestre-bungen, bei der Re-Flexibilisierung des Rentenüber-gangs vor allem auf die tarifliche und betrieblicheEbene zu setzen, mehr als fragwürdig erscheinen.Sind flexiblere Übergänge – im Sinne einer Erwei-terung der Möglichkeiten zu einem selbstbestimm-ten und finanziell abgesicherten Erwerbsausstieg –wirklich gewünscht, so sind hierfür genuin staatli-che Übergangsoptionen im Rahmen der Renten-oder Arbeitslosenversicherung der deutlich Erfolgversprechendere Ansatzpunkt. Mit ihnen kann einwesentlich größerer Personenkreis erreicht werden,können einheitliche Ansprüche, Bedingungen undLeistungen garantiert sowie ressourcenschwächerePersonengruppen gezielt gefördert werden. Den-noch lassen sich auch im Hinblick auf die tarif-liche und betriebliche Ebene Entwicklungsperspek-tiven formulieren, in deren Mittelpunkt insbeson-dere die Verringerung der gegenwärtigen Selek-tivität des Übergangssystems stehen sollte.

samt bewegt sich somit nur noch eine Minderheitvon rund einem Drittel der Beschäftigten in der›Kernzone‹ des dualen Verhandlungssystems ausTarifvertrag und Betriebsvereinbarung, sprich: imeigentlichen Wirkungskreis der nichtstaatlichenÜbergangsregulierung.36 Denn das RegelungsfeldRentenübergang ist geradezu ein Paradebeispielfür die Dezentralisierung des Verhandlungssystems.Nahezu alle Tarifverträge gewähren betrieblicheGestaltungsspielräume, zum Teil stellen sie ledig-lich Öffnungsklauseln oder Rahmenvereinbarun-gen dar, deren Konkretisierung vollständig an dieBetriebsparteien delegiert ist. Ein Drittel der Über-gangsvereinbarungen ist sogar ganz ohne Bezugauf einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinba-rung, stellt somit also eine rein freiwillige Unter-nehmensleistung dar.37

In Verbindung mit diesen strukturellen Gege-benheiten und Entwicklungen sorgen Macht-verschiebungen zwischen den Tarif- und Betriebs-parteien sowie zunehmende Differenzen in denvorruhestandsbezogenen Interessen dafür, dasssich nicht nur auf staatlicher, sondern auch auftariflicher und betrieblicher Ebene insgesamt eine Entflexibilisierung des Rentenübergangs vollzieht. Auf Unternehmerseite ist seit geraumerZeit generell ein sinkendes Interesse an der Über-gangsregulierung festzustellen. Ausschlaggebendhierfür ist die allgemeine politische und organisa-torische Schwächung des Arbeitnehmerlagers, derzunehmende Ersatz interner Personalanpassungs-strate-gien, in denen der Vorruhestand schonimmer eine zentrale Rolle spielte, durch effiziente-re Externa-lisierungsstrategien sowie die erwarteteSchrumpfung des Arbeitskräfteangebots im demografischen Wandel.38 Die staatliche Alters-grenzen- und Übergangspolitik stärkt die unterneh-merischen Regu-lierungsinteressen, während siegleichzeitig die Verhandlungsposition der Beschäf-tigten und ihrer Interessenvertretungen schwächtund somit das Machtverhältnis weiter zugunstendes Unternehmerlagers verschiebt. Auch in Bran-chen mit einer noch vergleichsweise hohen Tarif-bindungs- und Interessenvertretungsquote sindGewerkschaften und Betriebsräte daher mit derKompensation der staatlichen Leistungseinschrän-kungen überfordert und selbst zur Verteidigungder tariflichen und betrieblichen Errungenschaf-ten früherer Jahre mehrheitlich nicht in der Lage.

ARBEITEN B IS ZUM ENDE?

36 Vgl. WSI-Tarifarchiv (2014),

Tab. 1.13.

37 Vgl. Fröhler (2015b).

38 Vgl. Teipen (2003); Fröhler

(2015a).

39 Vgl. Fröhler (2015b).

101100BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

wichtige Rolle dürften jedoch die Zugangsvoraus-setzungen spielen, die einen Teilrentenbezug stetserst dann erlauben, wenn auch bereits eine vorge-zogene Vollrente bezogen werden kann. Der Haupt-grund für die geringe Nutzung dürfte aber schlichtdarin zu finden sein, dass es sich um ein gleiten-des Übergangsinstrument handelt.Eine weitreichende Flexibilisierung und Anhe-

bung der Hinzuverdienstgrenzen böte der mit demReferentenentwurf zum letztlich nicht verabschie-deten ›Alterssicherungsstärkungsgesetz‹ verfolgteAnsatz.46 Demnach würde eine individuelle Gesam-teinkommensgrenze in Höhe des höchsten jahres-durchschnittlichen Erwerbseinkommens der letz-ten 15 Jahre festgelegt. Bis zu dieser Grenze wäreeine flexible und stufenlose Kombination von Teil-rente und Erwerbseinkommen möglich. Die Einhal-tung der Hinzuverdienstgrenze würde jährlichüberprüft, das gegebenenfalls darüber hinausge-hende Einkommen im nächsten Jahr auf die Renteangerechnet. Ergänzend zu diesen Regelungen sollte geringfügige und nicht sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigung ausgeschlossen werden,um eine Überforderung der Versicherten zu verhin-dern. Des Weiteren sollte der Teilrentenbezug von der

Erfüllung der Zugangsvoraussetzungen zu einervorgezogenen Altersrente losgelöst werden. DerDGB fordert die Schaffung eines eigenständigenVersicherungsfalls für Teilrenten mit einer Alters-grenze von 60 Jahren.47 Dies könnte ein ersterSchritt hin zu einem allgemeinen flexiblen Renten-zugang ab dem 60. Lebensjahr sein. Auch für denTeilrentenbezug sollte die vorgeschriebene Mindest-versicherungszeit 15 Jahre nicht überschreiten.Zusätzlich könnte der Ausschluss der Grundsiche-rungsbedürftigkeit vorausgesetzt werden. Um hoheRenteneinbußen zu vermeiden, könnte auch hierder Ausgleich der Rentenabschläge und die min-destens paritätische Finanzierung der Ausgleichs-beiträge zur Bedingung gemacht werden.48 Zumin-dest sollte die Möglichkeit entsprechender kollek-tivvertraglicher Vereinbarungen eröffnet werden.Schließlich muss gewährleistet sein, dass Arbeits-losengeld-II-Bezieher nicht in eine Teilrentegezwungen werden können.Um den Zugang zu einer Teilzeitbeschäftigung

zu erleichtern, müssten die Rechte der Beschäftig-ten gestärkt werden. Rentenrechtlich besteht bislang lediglich ein Anspruch auf Erörterung der

Berücksichtigungs- und Ersatzzeiten) ist ein vorzei-tiger Renteneintritt grundsätzlich nicht mehr möglich. Vom Rentenzugang 2012 erfüllten jedoch48 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männerdiese Zugangsvoraussetzung nicht.42 Die notwendi-ge Versicherungszeit von 45 Jahren für die Alters-rente für besonders langjährig Versicherte konntensogar mindestens 83 Prozent der Frauen und 52Prozent der Männer nicht erfüllen.43 Deshalb grei-fen gewerkschaftliche Forderungen nach dauerhaf-ter Beibehaltung der ›Rente mit 63‹ oder der Ein-führung einer abschlagsfreien Rente mit 60 nach40 Versicherungsjahren zu kurz.44 Die rentenrecht-liche Begünstigung von langen Erwerbsbiografienist aus verteilungspolitischer Perspektive generellproblematisch, da sie gleichzeitig eine Benachtei-ligung von Versicherten mit diskontinuierlichenVersicherungsverläufen bedeutet. Diese Benachtei-ligung trifft vor allem Frauen, prekär Beschäftigtesowie Versicherte mit hohen Arbeitsbelastungenund vorzeitigem Verschleiß des Leistungsvermö-gens.Der Zugang zu einer vorgezogenen Altersrente

sollte deshalb von der Erfüllung umfangreicherMindestversicherungszeiten losgelöst werden. Einmöglicher Ansatzpunkt wäre die grundsätzlicheFlexibilisierung des Rentenzugangs ab dem 60.Lebensjahr bis hin zur Regelaltersgrenze. Der Pro-blematik hoher Rentenabschläge ließe sich damitbegegnen, dass der vorzeitige Zugang an den voll-ständigen Ausgleich der Abschläge durch zusätzli-che Beitragszahlungen geknüpft wird. Dazu wäreeine Reform des Abschlagsausgleichs notwendig(siehe unten). Um eine angemessene Arbeitgeberbe-teiligung zu garantieren, sollte eine mindestensparitätische Finanzierung der Ausgleichsbeiträgegesetzlich vorgeschrieben werden. WeiterreichendeVereinbarungen, zum Beispiel über den Ausgleichder zeitratierlichen Renteneinbußen oder die Einrichtung von Tariffonds zur Finanzierung derAusgleichsbeiträge, könnten den Tarif- und Be-triebsparteien vorbehalten bleiben.

4.2. TeilrentenDie geringe Inanspruchnahme der dreistufigengesetzlichen Teilrente wird, neben der komplizier-ten Gesamtkonstruktion, vor allem auf die infle-xiblen und einen vollständigen Einkommensaus-gleich nicht ermöglichenden Hinzuverdienstgren-zen zurückgeführt.45 Eine mindestens ebenso

ARBEITEN B IS ZUM ENDE?

42 Vgl. DRV Bund (2013b),

S. 36 f.; eigene Berechnungen.

43 Vgl. ebenda, S. 36. Tatsächlich

liegen die Zahlen noch deutlich

niedriger, da in der Statistik alle

Beitrags- und beitragsfreien

Zeiten enthalten sind, von denen

etliche beim Zugang zu dieser

Rentenart aber gar nicht ange-

rechnet werden.

44 Vgl. Urban/Ehlscheid (2014),

S. 267.

45 Vgl. Fröhler u.a. (2013),

S. 64 ff.

46 Vgl. BMAS (2012).

47 Vgl. DGB (2014).

48 Die SPD hat in der Vergangen-

heit sogar eine Verpflichtung

der Arbeitgeber zum vollständi-

gen Abschlagsausgleich vorge-

schlagen, um zu verhindern,

dass Beschäftigte unfreiwillig in

den Teilrentenbezug gedrängt

werden (vgl. SPD 2008).

Um den Tendenzen der sozialen Polarisierungsowohl im Übergang vom Erwerbsleben in denRuhestand als auch im Rentenalter entgegenzuwir-ken, sollte die angestrebte Re-Flexibilisierung inbesonderer Weise die Belange und Interessen der-jenigen berücksichtigen, die im Alter verstärkt mitden Risiken der Leistungseinschränkung bezie-hungsweise Invalidität, der Langzeiterwerbslosig-keit oder der Armut konfrontiert sind. BesondereBerücksichtigung sollte des Weiteren denjenigenBeschäftigten zuteilwerden, denen aufgrund von›atypischen‹ oder prekären Arbeitsverhältnissen,längeren Unterbrechungen in der Erwerbsbiografieoder der Beschäftigung in Klein(st)betrieben bis-lang keine oder nur in eingeschränktem Maßeabgesicherte Übergangsoptionen zur Verfügung stehen.Solange die Bestrebungen zur Förderung des

gleitenden Erwerbsausstiegs offensichtlich an denvorherrschenden Interessen der Arbeitsmarktakteu-re vorbeizielen, sollten sich Re-Flexibilisierungs-maßnahmen außerdem bis auf Weiteres vorwie-gend auf die Ermöglichung des vollständigenErwerbsausstiegs konzentrieren. Zwar lassen sicherste Anzeichen dafür finden, dass der gleitendeErwerbsausstieg vor dem Hintergrund des befürch-teten Arbeitskräftemangels zumindest unterneh-mensseitig eine Aufwertung erfährt.40 Dennoch istdas Interesse an gleitenden Übergangsinstrumen-ten nicht nur bei den Beschäftigten, sondern auchbei den Unternehmen nach wie vor gering. Bei denBeschäftigten ist Teilzeitbeschäftigung nochimmer weithin als minderwertig stigmatisiert undmit Anerkennungsverlust verbunden. Da Ältere imbetrieblichen Alltag zudem ohnehin oftmals mitNachteilen und Diskriminierungen konfrontiertsind, ist ihre Neigung gering, am Ende des Berufs-lebens noch in Teilzeit zu wechseln. Hinzu kommt,dass Teilzeitbeschäftigung oft mit Tätigkeitswech-seln, Arbeitsverdichtung und höheren Mobilitäts-kosten einhergeht. Deshalb ist im Regelfall nur mitdem vollständigen Erwerbsausstieg der angestrebteGewinn an Zeitsouveränität zu erzielen. Doch auchjenseits dieser mit einer Teilzeitbeschäftigung verbundenen Probleme sind die Beschäftigtenmehrheitlich an einem vollständigen Erwerbsaus-stieg und einer solchermaßen gewonnenen Ver-längerung der Ruhestandsphase interessiert. Auchdie Unternehmen bevorzugen nach wie vor über-wiegend einen vollständigen Erwerbsausstieg,

da dieser Personalanpassungen erleichtert. Zudemist Vollzeitbeschäftigung in arbeitsorganisatori-scher Hinsicht oft vorteilhafter, weil keine Teilungdes Arbeitsplatzes oder Neuverteilung von Arbeitnotwendig ist sowie Übergabe- und Abspracheko-sten entfallen. Auch werden viele Arbeitsplätze (vor allem Schichtarbeit, Projektarbeit und wissens-basierte Tätigkeiten) nach wie vor als nur schwerteilbar betrachtet.Ausgehend von diesen Prämissen werden nun

abschließend die im Re-Flexibilisierungsdiskursvirulenten Vorschläge diskutiert und eigene Ansät-ze für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Übergangssystems entwickelt. Dabei stehensechs verschiedene Übergangsinstrumente imFokus: flexible Altersgrenzen, Teilrenten, Zusatz-beiträge zum Ausgleich von Rentenabschlägen, dasModell ›flexibler Anwartschaften‹, das ›flexibleAltersübergangsgeld‹ und eine reformierte Alters-teilzeit.

4.1. Flexible AltersgrenzenSolange die Voraussetzungen auf dem Arbeits-markt und in den Betrieben für eine Erwerbstätig-keit bis zum 67. Lebensjahr mehrheitlich nichtgegeben sind, bleibt die Anhebung der Regelalters-grenze aus sozial- und arbeitsmarktpolitischenGründen problematisch. Darüber hinaus ist sieauch aus legitimatorischen Gründen zweifelhaft,da sie konstant von einer großen Mehrheit derBevölkerung abgelehnt wird. Die Forderung nacheiner Wiedereinsetzung der alten Regelaltersgren-ze von 65 Jahren, wie von Gewerkschaften undSozialverbänden unvermindert erhoben, wird imParteiensystem jedoch lediglich von der Linkenund der Piratenpartei unterstützt. Stattdessen wirdin den Entscheidungseliten bereits seit geraumerZeit über eine weitere Anhebung der Regelalters-grenze auf 69 Jahre und mehr diskutiert.41

Hingegen hat die ›Rente mit 63‹ gezeigt, dass die Flexibilisierung des Rentenzugangs unterhalbder Regelaltersgrenze eine durchaus realistischeOption ist. Hier haben die vergangenen Reformenerhebliche Einschnitte mit sich gebracht. Für dieJahrgänge 1952 und jünger ist der Renteneintrittaktuell frühestens mit 63 Jahren beziehungsweise60 Jahren und 6 Monaten (Schwerbehinderte) mög-lich und gegebenenfalls mit erheblichen Abschlä-gen verbunden. Für Versicherte mit weniger als 35 Versicherungsjahren (inklusive Anrechnungs-,

40 Vgl. Fröhler u.a. (2013).

41 Vgl. u.a. SVG (2013),

S. 390; Werding (2013),

S. 57; Neuerer (2014).

103102BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

rungsbiografie geschlossen oder Zeiten mit unter-durchschnittlichen Beiträgen aufgefüllt werden.Im Rahmen des Rentenübergangs könnten mit

den flexiblen Anwartschaften Abschläge bei einemvorzeitigen Rentenzugang oder Zeiten geringererBeitragszahlung bei gleitendem Erwerbsausstiegkompensiert werden. Sie könnten aber auch eineeigenständige Übergangsoption darstellen, wennmit ihnen der Anspruch auf einen vorzeitigen Rentenzugang begründet werden könnte. Wer imVersicherungsverlauf fünf Entgeltpunkte als fle-xible Anwartschaft erworben hat und diese nichtzum Ausgleich anderer Zeiten einsetzt, könntesomit bereits fünf Jahre vor der Regelaltersgrenze(oder der vorgezogenen Altersgrenze) in Rentegehen und bekäme dennoch fünf zusätzliche Ent-geltpunkte angerechnet. Auch eine Kombinationzwischen früherem Renteneintritt und Abschlags-ausgleich wäre denkbar. Mit einem solcherartmodifizierten Modell ließe sich ein Instrumentmit hoher Reichweite, geringen Zugangshürdenund hoher Flexibilität schaffen.

4.5. Flexibles Altersübergangsgeld (›Altersflexi-Geld‹)

Das flexible Altersübergangsgeld ist ein Modell-vorschlag der IG BAU, der sich an die gesetzlichenRegelungen zum Saison-Kurzarbeitergeld anlehntund insbesondere für wenig regulierte Branchenmit einem hohen Anteil prekärer Beschäftigunggedacht ist.55 Das Altersflexi-Geld lässt sich aberauch auf andere Branchen übertragen beziehungs-weise verallgemeinern. Es zielt auf eine besondereProblemgruppe des Rentenübergangs: ältereBeschäftigte mit hohen beruflichen Belastungenund Anforderungen, die ihrer Tätigkeit aus gesund-heitlichen Gründen nicht mehr uneingeschränktnachgehen können, die Kriterien für eine Erwerbs-minderungsrente oder eine Altersrente aber nochnicht erfüllen. Dem Grundsatz nach handelt essich um ein präventiv ausgerichtetes arbeitsmarkt-politisches Instrument, das partielle Einkommens-ausfälle kompensieren, Arbeitslosigkeit und Dequalifizierungsprozesse verhindern und so denendgültigen Erwerbsaustritt hinausschieben soll.Bezugsberechtigt sind gemäß des Modellvor-

schlags Beschäftigte ab dem 58. Lebensjahr miteiner mindestens 20-jährigen Branchenzugehörig-keit, die ihre Tätigkeit aus gesundheitlichenund/oder betrieblichen Gründen nachweislich nur

Auch die Begrenzung der Einzahlung auf denArbeitgeber ist durchaus begrüßenswert, werdendie Arbeitsvertragsparteien doch dadurch zu ent-sprechenden Vereinbarungen gezwungen, was die Chancen auf eine finanzielle Beteiligung derUnternehmen erhöht. Diese ließe sich wiederumdurch die gesetzliche Festlegung einer mindestensparitätischen Finanzierung garantieren. Ergänzendsollte die Möglichkeit kollektivvertraglicher Vereinbarungen und der Verknüpfung mit anderen Übergangsinstrumenten eröffnet werden. Um die Souveränität der Beschäftigten zu erhöhen,könnte ihnen – analog zur betrieblichen Alters-vorsorge – ein Rechtsanspruch auf Entgeltum-wandlung für Ausgleichsbeiträge eingeräumt werden. Diese Beiträge sollten zumindest steuerfreigestellt werden, um ihre Attraktivität gegenüberder betrieb-lichen und privaten Altersvorsorge zu steigern. Gleiches gilt für Abfindungen oderandere unternehmensfinanzierte Einmalbeträge,die in Ausgleichsbeiträge umgewandelt werden.

4.4. Flexible AnwartschaftenInteressante Ansatzpunkte für eine Flexibilisierungdes Renteneintritts innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bietet auch das Modell der ›flexiblen Anwartschaften‹, das Ende der 1990er-Jahre in der Bundesversicherungsanstalt für Ange-stellte (BfA), der heutigen DRV Bund, entwickeltwurde.54 Eigentliche Zielsetzung des Modells ist dieSchließung von Beitragslücken während der Ver-sicherungsbiografie, es lässt sich aber auch für Beitragslücken am Ende des Erwerbslebens undsomit für den Rentenübergang nutzen.Der Modellentwurf sieht vor, dass Versicherte

mit ihrer Beitragszahlung neben den regulärenAnwartschaften weitere Anwartschaften erwerben.Alle vier Beitragsjahre erhalten sie einen zusätz-lichen Entgeltpunkt – und zwar unabhängig vonder individuellen Beitragshöhe. Insgesamt könnenmaximal fünf zusätzliche Entgeltpunkte erworbenwerden, die nach 20 Versicherungsjahren erreichtwerden. Dabei entspricht ein Entgeltpunkt der Rentenanwartschaft, die für ein Jahr Beitragszah-lung bei einem Durchschnittseinkommen erwor-ben wird. Die zusätzlichen Anwartschaften werdennicht den Versicherungszeiten zugeordnet, indenen sie erworben wurden, sondern sind flexibeleinsetzbar. Somit können Lücken in der Versiche-

ARBEITEN B IS ZUM ENDE?

54 Vgl. Langelüddeke u.a.

(1999).

55 Vgl. Mathes (2014).

Möglichkeit einer den Teilrentenbezug ergänzen-den Teilzeitbeschäftigung. Auch der im ›Teilzeit-und Befristungsgesetz‹ normierte Teilzeitanspruchist von einem wirklichen materiellen Rechtsan-spruch noch immer weit entfernt, da der Wunschnach einer Arbeitszeitreduktion relativ leicht ausbetrieblichen Gründen (unverhältnismäßigeKosten, wesentliche Beeinträchtigung des Arbeits-ablaufs, der betrieblichen Organisation oder derBetriebssicherheit) zurückgewiesen werden kann.Deshalb sollte das Gesetz dahingehend reformiertwerden, dass betriebliche Gründe dem Teilzeit-wunsch im Alter nur noch im absoluten Ausnah-mefall entgegenstehen können. Der Rechtsan-spruch sollte zudem auf Betriebe mit weniger als16 Beschäftigten und auf Beamte ausgeweitet werden.Schließlich sollte die Möglichkeit eines vollstän-

digen Erwerbsausstiegs mittels Teilrente eröffnetwerden, etwa durch die Ermöglichung einer ›Ver-blockung‹ von Erwerbstätigkeit und Rentenbezuganalog zur Altersteilzeit. Dabei könnte auch dieMöglichkeit der Entgeltaufstockung und der Auf-stockung der Rentenversicherungsbeiträge einge-räumt werden. Des Weiteren sollten bestehendeHindernisse bei der Kombination mit anderenÜbergangsinstrumenten wie Abfindungszahlungen,Langzeitkonten, Betriebsrenten oder Altersteilzeitbeseitigt werden. Ein interessanter Ansatz zur Förderung der Akzeptanz des gleitenden Über-gangs könnten Modelle einer stufenweisen Reduzie-rung der Arbeitszeit bis hin zum vollständigen vorzeitigen Erwerbsausstieg sein, wie zum Beispieldie vor geraumer Zeit in der SPD diskutierte ›Altersgleitzeit‹.49

4.3. Beiträge zum Ausgleich von Rentenabschlägen

Die Zahlung von zusätzlichen Beiträgen zumAbschlagsausgleich ist nach geltendem Recht zahl-reichen Beschränkungen unterworfen.50 So mussdie Erfüllung der persönlichen Voraussetzungenfür den Zugang zu einer vorgezogenen Altersrentemöglich sein, um überhaupt zusätzliche Beiträgeleisten zu können. Dies wird im Rahmen einerbesonderen Rentenauskunft geprüft. Die Aus-gleichszahlung ist zudem frühestens nach Vollen-dung des 55. Lebensjahres zulässig und auf denAusgleich der höchstmöglichen Rentenminderungbeschränkt. Schließlich ist die Einzahlung auf

einen Zeitraum von drei Monaten nach Erhalt derbesonderen Rentenauskunft begrenzt. Der kurz-fristige hohe Beitragsaufwand dürfte denn aucheiner der Hauptgründe für die bislang so geringeNutzung des Abschlagsausgleichs sein. Hinzukommt das (zunächst) schlechtere Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu einer privaten Geldan-lage, zumal Letztere vollständig vererbt werdenkann.51

Um die Attraktivität des Abschlagsausgleichs zu steigern, müsste also zunächst die Möglichkeitder kontinuierlichen Beitragszahlung eröffnet werden. Dies würde die Schwelle des hohen Ein-malbetrags beseitigen und begleitende Tarif- undBetriebsvereinbarungen vereinfachen. Des Weite-ren sollte die Beitragszahlung bereits vor Vollen-dung des 55. Lebensjahres möglich sein, am bestenwährend des gesamten Erwerbslebens bis hin zumErreichen der Regelaltersgrenze. Hierzu müsste sie von der Erfüllung der Voraussetzungen für denBezug einer vorgezogenen Altersrente losgelöst werden. Außerdem sollte die Beschränkung aufden Ausgleich der höchstmöglichen Rentenminde-rung aufgehoben werden. Somit könnten dieBeiträge zusätzlich oder anstelle des Abschlagsaus-gleichs auch einfach zur Erhöhung der Rentenan-wartschaften genutzt werden. Um die Ausgleichs-beiträge bei einer vorzeitigen Erwerbsunfähigkeitvor dem Verfall zu schützen, sollten diese stets das Erwerbsminderungsrisiko in voller Höhe mitabdecken. Außerdem sollten sie vollwertig bei allenrentenrechtlichen Regelungen Berücksichtigungfinden.Erste Anregungen zu entsprechenden gesetzli-

chen Anpassungen kamen schon Mitte der 2000er-Jahre aus den Reihen der Rentenversicherungsträ-ger.52 Auch der Referentenentwurf zum ›Alterssiche-rungsstärkungsgesetz‹ wies in diese Richtung.53

Demnach sollten Unternehmen jederzeit zusätz-liche Rentenversicherungsbeiträge zugunsten ihrerBeschäftigten entrichten können. Diese Beiträgesollten in ihrer Höhe auf den vollen Beitragssatzaus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsäch-lichen Arbeitsentgelt und dem bis zu 1,5-fachendes Arbeitsentgelts (maximal bis zur Beitragsbemes-sungsgrenze) begrenzt werden. Zwar schränkt dieBegrenzung der Bemessungsbasis die Flexibilitätdes Instruments unnötig ein, ansonsten aber ent-hält dieser Gesetzentwurf weitgehend die erforder-lichen Reformen.

49 Vgl. Deutscher Bundestag

(2007).

50 Vgl. Fröhler (2014b).

51 Ein westdeutscher Durch-

schnittsverdiener, der nach

42 Versicherungsjahren drei

Jahre vorzeitig in Rente

gehen möchte, müsste aktu-

ell zur Vermeidung des Ren-

tenabschlags von 10,8 Pro-

zent einen Betrag von rund

33.500 Euro entrichten

(ebenda). Dieser Betrag

amortisiert sich bei Annah-

me eines gleichbleibenden

Rentenniveaus erst nach

über 21 Jahren, die durch-

schnittliche fernere Lebens-

erwartung liegt bei diesem

Versicherten aber lediglich

bei rund 17 Jahren.

52 Vgl. Thiede (2006).

53 Vgl. BMAS (2012).

105104BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

lungsspielräume für eine bessere finanzielle Aus-stattung oder eine längere Dauer der Altersteilzeitentstünden. Zugleich könnte Altersteilzeit so auchfür Branchen und Betriebe interessant werden, in denen sie bislang finanziell nur schwer zu reali-sieren war.

der Altersteilzeit ist ein wichtiges arbeitsmarkt-politisches Ziel.57

Diese Ziele könnten mit der Wiedereinführung der BA-Förderung und einem Neuzuschnitt der Förderkriterien verfolgt werden. Um die Beschäfti-gungswirksamkeit zu erhöhen und Mitnahme-effekte zu minimieren, sollte die Wiederbesetzungüber Umsetzungsketten sowie mit Auszubildendenund Ausbildungsabsolventinnen und -absolventennicht mehr förderfähig sein. Aufgrund der demo-grafischen Entwicklung werden die Unternehmenihre Bemühungen zur Nachwuchsrekrutierungohnehin verstärken müssen. Vielmehr sollte die Förderung auf Erwerbslose, besser noch auferwerbslose Ältere (über 50 Jahre) begrenzt werden,womit sich deren nach wie vor geringe Beschäfti-gungschancen erheblich verbessern ließen. DesWeiteren könnten die Förderkonditionen stärkerauf eine Förderung der unteren Entgeltgruppenund von Berufsgruppen mit hohen gesundheitli-chen Belastungen und Anforderungen ausgerichtetwerden. Entsprechende Ansätze lassen sich verein-zelt bereits in Tarifverträgen und Betriebsverein-barungen finden. So sieht der aktuelle Altersteil-zeittarifvertrag in der Metall- und Elektroindustriesowohl eine umgekehrt proportionale Staffelungder Entgeltaufstockung nach Entgeltgruppen alsauch einen besonderen Anspruch und eine eigen-ständige Anspruchsquote für Beschäftigte in konti-nuierlicher Wechselschicht und ähnlich belasten-den Arbeitsverhältnissen vor.58

Ein Ansatzpunkt zur Förderung des gleitendenErwerbsausstiegs könnte die Lockerung oderAbschaffung der gesetzlichen Vorschrift der zwin-genden Halbierung der Arbeitszeit über denGesamtzeitraum der Altersteilzeitbeschäftigunghinweg darstellen.59 Hierdurch würden Modellemit einer durchgängigen Arbeitszeit von 70 oder80 Prozent der tarifvertraglichen Arbeitszeit mög-lich, die näher an einer Vollzeitbeschäftigung liegen und deshalb eventuell größere Akzeptanzbei den Beschäftigten finden und besser mit derbetrieblichen Arbeitsorganisation vereinbar sindals eine hälftige Teilzeitbeschäftigung. Außerdemkönnte dadurch ›echte‹ Altersteilzeit auch unterTeilzeitbeschäftigten an Attraktivität gewinnen,hat doch die bisher vorgeschriebene Halbierungbei ihnen häufig sehr geringe Arbeitszeiten zur Folge. Solche Modelle hätten gleichzeitig den Nebeneffekt geringerer Kosten, so dass Verhand-

ARBEITEN B IS ZUM ENDE?

58 Vgl. Fröhler u.a. (2013),

S. 252 ff.

59 Vgl. Brussig u.a. (2009),

S. 19.

noch eingeschränkt ausüben können. Sie erhalteneine Kompensation für nicht geleistete Arbeitsstun-den in Höhe von 60 Prozent (Kinderlose) bezie-hungsweise 67 Prozent des Bemessungsentgelts.Das Altersflexi-Geld ersetzt den Anspruch aufArbeitslosengeld. Es soll zuvörderst dazu dienen,die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit im bisherigenBetrieb durch flexible Teilzeitbeschäftigung zuermöglichen. In diesem Fall bleibt das Arbeitsver-hältnis bestehen und das Altersflexi-Geld wird auf Basis der monatlichen Arbeitszeitreduzierungüber den Arbeitgeber ausgezahlt. Scheidet der/dieBeschäftigte aus dem Betrieb aus, kann er/sie aufeine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemei-nen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Dabei geltendie Kriterien des SGB III. Ein ›Transferberater‹ sollbei der Vermittlung behilflich sein und die Versi-cherten im Hinblick auf geeignete Fördermaßnah-men beraten. Ist eine Wiedereingliederung nichtmöglich, wird das ›Altersflexi-Geld‹ als Vollzeit-Lohnersatzleistung gewährt. Es wird prinzipielllängstens für fünf Jahre und bis zur Vollendungdes 63. Lebensjahres gezahlt. Im Anschluss ist derÜbergang in eine vorgezogene Altersrente ver-pflichtend.Zugangsvoraussetzung ist ein medizinisches

Gutachten, das die Minderung der Berufsfähigkeitattestiert. Des Weiteren muss im bisherigen Betriebein Verfahren analog zum betrieblichen Eingliede-rungsmanagement (BEM) durchgeführt wordensein. Dabei wird geprüft, ob und mit welchen Leistungen beziehungsweise Hilfen der Arbeits-platz erhalten werden kann oder andere Tätigkei-ten mit vergleichbaren Qualifikationsanforderun-gen im Betrieb ausgeübt werden können. Schließ-lich müssen die Gründe für eine wirksame (Ände-rungs-)Kündigung aus gesundheitlichen Gründenoder wegen der Ausnahmeregelung des Kündi-gungsschutzgesetzes für Kleinbetriebe (mit nichtmehr als zehn Beschäftigten) vorliegen. Über dieErfüllung der Anspruchsvoraussetzungen entschei-den die Arbeitsagenturen.Die Finanzierung soll über einen Mix aus Mit-

teln der Arbeitslosenversicherung (40 Prozent), ausSteuermitteln (40 Prozent) und einem tariflichenUmlagefonds (20 Prozent) erfolgen. Grundlage für die Einrichtung eines solchen Branchenfondsist allerdings die Allgemeinverbindlicherklärungeines entsprechenden Tarifvertrags sowie die Existenz beziehungsweise Schaffung einer durch-

führenden Einrichtung. Dies schränkt die Reich-weite des Instruments unnötig ein, denn die Allge-meinverbindlicherklärung ist überaus vorausset-zungsvoll: Die Tarifbindung muss mindestens 50Prozent der Beschäftigten umfassen und es bedarfnicht nur einer entsprechenden Übereinkunft derTarifvertragsparteien, sondern auch der einver-nehmlichen Zustimmung des Bundesministeriumsfür Arbeit und Soziales (BMAS) und des Tarifaus-schusses. Deshalb sind Finanzierungsmodelle mitkonkreten gesetzlichen Vorgaben zu bevorzugen,die ohne Tarifvereinbarung auskommen.

4.6. AltersteilzeitTrotz der rückläufigen Nutzungszahlen bleibt dieAltersteilzeit mit Abstand das erfolgreichste nicht-staatliche Übergangsinstrument der vergangenen15 Jahre. Bei der Förderung des tariflichen undbetrieblichen Rentenübergangs sollte man deshalbbei diesem Instrument ansetzen, das seine weitge-hende Akzeptanz sowohl bei den Beschäftigten als auch seitens der Unternehmen bereits bewiesenhat.Die rückläufige Inanspruchnahme ist wesent-

lich auf den Wegfall der Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) zurückzuführen, die in der Summe ein sinkendes Angebot, höhereZugangshürden und Einschränkungen bei den Nut-zungskonditionen zur Folge hatte. Diese Entwick-lung ist verbunden mit einer steigenden Selekti-vität der Zugangs- und der Nutzungschancen sei-tens der Beschäftigten. Schon in der Vergangenheitwar diesbezüglich eine deutliche Schieflage zubeobachten.56 Altersteilzeit wird vor allem von denmittleren Qualifikations- und Einkommensgrup-pen sowie von Vollzeitbeschäftigten genutzt. Hin-gegen scheuen Beschäftigte mit geringeren Bezü-gen oftmals den Wechsel in Altersteilzeit, weil diedamit verbundenen Einkommenseinbußen beiihnen schwerer wiegen. Auch Beschäftigte mithohen gesundheitlichen Belastungen kommen sel-tener in den Genuss von Altersteilzeit, weil sie oft-mals schon vor dem Mindestalter aus dem Betriebausscheiden oder nur schwerlich bis zum Ende derArbeitsphase durchhalten könnten. Bei der Fort-entwicklung der Altersteilzeit sollte deshalb, neben der Förderung des Angebots, die Verringe-rung der Selektivität der Inanspruchnahme imZentrum der Bestrebungen stehen. Auch die Verbes-serung der beschäftigungsfördernden Wirkung

56 Vgl. Wanger (2009); Fröhler

u.a. (2013).

57 In der Vergangenheit wurde

nur rund ein Drittel der frei

werdenden Stellen wieder

besetzt (vgl. Wanger 2009,

S. 4).

Die Altersteilzeit bleibt mit Abstand das erfolgreichste nichtstaatliche Übergangsinstrument der vergangenen 15 Jahre.

107106BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

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109108BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

deren Kinder in staatliche Obhut genommen werden müssen, um ihr Kindeswohl zu sichern;andere beschreiben, dass es beim Thema Armutnicht allein um ›Geld‹ geht (Einkommensarmut).Denn viele Bremerinnen und Bremer sind inArmut geraten, weil sie krank geworden sind, ihrePartnerschaft in die Brüche ging oder sie aufSprachbarrieren oder Rassismus treffen. Wiederandere Politikerinnen und Politiker beharren dar-auf, dass es beim Thema Armut vor allem umsGeld geht, als die zentrale Grundlage für Teilhabean der bremischen Stadtgesellschaft.Wenn in Bremen also von Armut geredet wird,

wird meistens über ganz unterschiedliche ›Armuts-gruppen‹ und ›Armutssituationen‹ geredet – oftauch aneinander vorbei! Sollen diese Gruppen inihren jeweiligen Lebenssituationen unterstützt werden oder Hilfen erhalten, müssen diese entspre-chend ›passgenau‹ sein. Ideologische Grundsatz-positionen helfen nicht weiter. Außerdem könnenund müssen unterstützende Hilfen an verschiede-nen ›Orten‹ erfolgen: im Wohnumfeld (Nachbar-schaft, Treffpunkte, Kitas, Schulen usw.), in zentra-len Einrichtungen (Jobcenter, Beratungsstellen),durch die lokale Politik (Ortsämter, Beiräte), durchdie Stadtregierung (politische Schwerpunkte, Finan-zen) sowie durch die Bundespolitik (Höhe der Regel-sätze, des Wohngelds, des Mindestlohns, der Renten,der Steuereinnahmen sowie deren Verteilung).Sollen möglichst wirksame Maßnahmen zur

Armutsprävention und zur Reduzierung vonArmut umgesetzt werden, muss als Erstes politischgeklärt werden, welche ›Armutsgruppen‹ vorrangiggefördert und unterstützt werden sollen. Das istjedoch gar nicht so einfach. Immerhin sind diePolitikerinnen und Politiker nicht allein ›ihren‹Wählerinnen und Wählern verpflichtet, sondernauch dem ›Gemeinwohl‹. Als Nächstes stellt sichdann die Frage, über welche Armutsgruppen über-haupt Informationen vorliegen, um sie gegenüberanderen Gruppen unterscheiden zu können. Des-halb wird nachfolgend ein Überblick über die von Armut betroffenen Gruppen im Land Bremengegeben. Nach diesem Überblick folgen danndetailliertere Zahlen, Daten und Fakten zu denStädten Bremen und Bremerhaven.

ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Die Städte Bremen und BremerhavenWovon reden wir, wenn wir in Bremen über Armut reden?

Endlich hat die Stadtpolitik in Bremen auf die stetig steigende Armut in den vergangenen Jahrenreagiert. Im November 2013 hatte ein breites Bünd-nis von Wohlfahrtsverbänden, Arbeitnehmerkam-mer, Kirchen, DGB, Kinderschutzbund, Quartiers-management und lokalen Einrichtungen zur erstenBremer Armutskonferenz eingeladen. Dieser Ein-ladung folgten eine beeindruckend große Zahl vonTeilnehmenden und ein breites Medienecho. Auchder Bremer Senat reagierte. Im Frühjahr des Jahres2014 haben Bürgermeister Jens Böhrnsen und Sozialsenatorin Anja Stahmann zu einem Bündnisfür sozialen Zusammenhalt ins Rathaus eingela-den. Doch nicht allein dort wird seitdem regel-mäßig über erforderliche Maßnahmen gegen diesteigende Armut in Bremen debattiert. Auch dieBremer Bürgerschaft beschäftigt sich in einem neueingerichteten Ausschuss mit Armutsursachen und möglichst wirksamen Schritten zur Armuts-prävention. Doch wovon wird geredet, wenn in der Stadt derzeit über Armut geredet wird? Auffällig ist die große Vielfalt von jeweils ganz

unterschiedlichen Aspekten und Erfahrungen mitdem Thema ›Armut‹: Die zu Anhörungen eingela-denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerstützen sich vor allem auf Studien und Zahlen zurEntwicklung der Armut; einzelne Vertreterinnenund Vertreter von Wohlfahrtsverbänden berichtenüber Armut von Flüchtlingen, die nicht einmalüber die lebensnotwendigen Grundsicherungs-leistungen verfügen; andere haben Erfahrungenmit den Bremer Tafeln, wo sich viele Arme mitLebensmitteln versorgen müssen und zum Teil keine Hoffnung mehr auf eine Verbesserung ihrerLage haben. Erzieherinnen und Erzieher sowieGrundschullehrerinnen und -lehrer berichten vonnicht wenigen Kindern, die hungrig in ihre Ein-richtungen kommen und sich erst nach einerMahlzeit aufs Spielen und Lernen konzentrierenkönnen. Vertreterinnen und Vertreter des DGB wiederum sprechen von Niedriglöhnen, dem erfor-derlichen Mindestlohn und Beschäftigten, die trotzErwerbsarbeit arm sind und ›aufstockende‹ Soziall-eistungen vom Jobcenter benötigen. Fachpolitike-rinnen und -politiker verweisen auf arme Familien,

Zahlen, Daten, Faktenzur Armut im Land Bremen7PAUL M . S CHRÖDER | THOMAS SCHWARZER Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe

Arbeitnehmerkammer Bremen

111110BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

erwerbstätige ›Aufstockerinnen und Aufstocker‹(8.539 Menschen), die aufgrund von Niedriglöhnennoch aufstockende Sozialleistungen vom Amtbenötigen; als Teilnehmende an Fördermaßnah-men der Jobcenter (6.629 Menschen); als Lernendein Schule, Ausbildung oder Studium (5.383) undals Betreuende von Kindern, Kranken und Älteren(4.561). Außerdem gibt es eine Gruppe von älterenLeistungsbeziehern (3.022 Menschen), die frühzei-tig in den Ruhestand gegangen sind (sogenannte58er-Regelungen) sowie eine Gruppe von krankge-meldeten Menschen (unterhalb von 6 Monaten).Weiterhin gibt es eine insgesamt jedoch sehr großeGruppe von 29.178 Arbeitslosen, die zu einemgroßen Teil von den Jobcentern als relativ ›arbeits-marktfern‹ eingestuft werden. Sie kennzeichneteine Mehrzahl von sogenannten Vermittlungs-hemmnissen (zum Beispiel geringe Qualifikation,gesundheitliche Einschränkungen, Sprachdefizite).Deshalb haben sie ziemlich geringe Integrations-chancen in den Arbeitsmarkt.

und welche Kosten dadurch entstehen. Außerdemliegen über die Leistungsbezieher detailliertereInformationen vor, als über die größere Gruppeder durch Armut Gefährdeten. Denn wer staatlicheSozialleistungen beantragt, muss genaue Angabenmachen, wenn er Unterstützung erhalten will.Im Land Bremen erhielten 2013 insgesamt

89.571 Menschen Leistungen zur Sicherung desLebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetz-buch. Dazu zählen 24.948 Kinder unter 15 Jahrenund 64.623 erwerbsfähige Leistungsberechtigtezwischen 15 und 65 Jahren. Abbildung 2 relativiert vor allem einige in den

Medien, in der Politik und in Teilen der Gesell-schaft verbreiten Vorstellungen über ›die‹ Arbeits-losen beziehungsweise über ›Hartz-IV‹-Empfänger.Eine deutliche Mehrheit der 64.623 als erwerbsfä-hige Leistungsbezieher eingestuften Menschen (55Prozent) sind keineswegs passive Arbeitslose, dieaktiviert werden müssen. Tatsächlich sind sie imRahmen rechtlicher Regelungen beschäftigt: als

ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Mehr Menschen sind armutsgefährdet, als staatliche Leistungen beziehen

Rein rechnerisch waren im Jahr 2013 im Land Bremen rund 161.000 Menschen durch Armutgefährdet (24,6 Prozent). Wenn ein alleinlebenderMensch (Einpersonenhaushalt) über weniger als869 Euro im Monat verfügt, gilt er offiziell alsarmutsgefährdet. Doch nicht alle Menschen, diebeispielsweise eine niedrige Rente erhalten, zu den Geringverdienern gehören oder als Studentenüber wenig Geld verfügen, beantragen staatliche Leistungen. Die Gründe dafür sind ganz unter-schiedlich: zum Beispiel auch Unwissenheit,Scham oder weil lediglich geringe Leistungenbeziehungsweise eine kurze Leistungsdauer erwar-tet werden. Manche dieser ›verdeckt‹ Armen lebenauch mit einem (Ehe-)Partner zusammen, der über

ein hinreichendes Einkommen verfügt und wiederandere wollen sich nicht den Reglementierungendurch die Jobcenter aussetzen. Würden auch die›verdeckten Armen‹ Sozialleistungen beantragen,wäre der Kreis der Leistungsbezieher um 30 bis 40Prozent größer. Darum ist auch in Bremen dieZahl der Menschen, die von Einkommensarmutbetroffen sind (Quote der Armutsgefährdung) deut-lich höher, als die Zahl der Menschen, die Grund-sicherungsleistungen erhalten (SGB II beziehungs-weise Hartz IV). Das zeigt Abbildung 1.

Wer erhält im Land Bremen Grundsicherungsleistungen?

In der Öffentlichkeit und in der Politik ist dasAugenmerk vor allem darauf gerichtet, wie vieleMenschen tatsächlich Sozialleistungen beziehen

Abb. 2: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte 2013, Land Bremen

Quelle: Bundesagentur für Arbeit 2014

64.623 erwerbsfähige

Leistungsberechtigte (SGB II)

29.178Arbeitslose

(geringe Integrationschancen)

8.539erwerbstätige Aufstocker

6.629in arbeitsmarktpolitischen

Maßnahmen

5.383in Schule, Studium,

ungeförderter Ausbildung

4.561in Erziehung,

Haushalt, Pflege 3.355krankgemeldet

unter 6 Monaten

3.022Ältere mit

58er-Regelung

2.896›Sonstige‹

(unbekannt)Abb. 1: Armutsgefährdete Menschen im Land Bremen 2013

Quelle: Bundesagentur für Arbeit 2014; Statistisches Landesamt Bremen 2014

161.000 durch Armut gefährdete Menschen (24,6%)

89.571 Leistungsberechtigte (SGB II)

›verdeckt‹ Arme

Geringverdiener*

Studenten*

Senioren mit ›niedriger Rente*

Wohngeldempfänger(6.651)

64.623 erwerbsfähige Leistungsberechtigte

24.948 leistungsberechtigte Kinder

Ältere undErwerbsgeminderte (SGB XII)

(14.262)

Asylbewerber(4.240)

*keine Zahlen vorhanden

113112BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

1 Differenzen immer ermittelt

aus ungerundeten Werten

(Jahresdurchschnitte).

2 Bis 2011: 15 bis unter 65

Jahre; 2013: 15 bis unter

65 Jahre und zwei Monate.

3 Quelle: PROSOZ Bremen,

übermittelt von der Senato-

rin für Soziales, Kinder,

Jugend und Frauen; eigene

Berechnungen.

ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Nachrichtlich:3 In der Stadt Bremen erhielten imDezember 2013 insgesamt 1.763 Menschen Hilfenzum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtun-gen gemäß Kapitel 3 SGB XII (Sozialhilfe), 61 (3,6Prozent) mehr als ein Jahr zuvor. 193 davon warenKinder im Alter von unter 15 Jahren, 1.476 waren15 bis unter 65 Jahre alt und 94 waren 65 Jahreund älter. Von den 1.476 Menschen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren 789 Frauen (53,5 Pro-zent).

Zu Tabelle 1.1Menschen insgesamt, Frauen, Kinder undÄltere in Bedarfsgemeinschaften (SGB II)Stadt Bremen

Im Jahr 2013 waren in der Stadt Bremen durch-schnittlich insgesamt 73.263 Menschen auf Leis-tungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ange-wiesen (SGB II). Dies waren lediglich 575 Menschenweniger als im Jahr 2008 (-0,8 Prozent), jedoch 619 Menschen mehr als 2012 (0,9 Prozent).1 DieseGruppe setzte sich 2013 wie folgt zusammen:

❚ 19.751 (nicht erwerbsfähige) Kinder unter 15 Jahren(27 Prozent);

❚ 929 (nicht erwerbsfähige) Leistungsberechtigte 15 Jahreund älter (1,3 Prozent);

❚ 52.584 (erwerbsfähige) Leistungsberechtigte 15 Jahreund älter (71,8 Prozent);2

❚ darunter: 13.184 (erwerbsfähige) Leistungsberechtigte50 Jahre und älter (25,1 Prozent).

Im selben Jahr waren von den 19.751 Kindernunter 15 Jahren 4.202 unter 3 Jahre (21,3 Prozent),5.697 Kinder im Alter 3 bis unter 7 Jahren (28,8Prozent) und 9.852 Kinder 7 bis unter 15 Jahren(49,9 Prozent).Von den 52.584 erwerbsfähigen Leistungsberech-

tigten waren 26.820 Frauen (51 Prozent wie im Vor-jahr). 2013 wurde in der Altersgruppe der 25- bisunter 50-Jährigen erstmals seit Inkrafttreten desSGB II ein höherer Frauenanteil mit 52,2 Prozentermittelt, als in der Altersgruppe 15 bis unter 25Jahre (51,6 Prozent). Deutlich gestiegen ist, zusätz-lich zur demografischen Alterung, die Zahl dererwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Alter von50 Jahren und älter: von 11.567 (21,9 Prozent) imJahr 2008 auf 13.184 (25,1 Prozent) im Jahr 2013.

2013Jahresdurchschnitt

73.838

20.213

27,4

4.771

23,6

5.544

27,4

9.898

49,0

916

1,2

504

55,1

52.709

71,4

26.853

50,9

9.439

17,9

5.049

53,5

31.703

60,1

16.391

51,7

11.567

21,9

5.413

46,8

73.129

19.527

26,7

4.557

23,3

5.484

28,1

9.486

48,6

942

1,3

519

55,1

52.660

72,0

26.611

50,5

9.453

18,0

5.001

52,9

31.405

59,6

15.994

50,9

11.802

22,4

5.615

47,6

74.824

19.964

26,7

4.531

22,7

5.785

29,0

9.648

48,3

930

1,2

499

53,6

53.930

72,1

27.145

50,3

9.650

17,9

5.100

52,8

31.957

59,3

16.201

50,7

12.323

22,9

5.845

47,4

73.056

19.595

26,8

4.318

22,0

5.698

29,1

9.579

48,9

964

1,3

512

53,1

52.497

71,9

26.623

50,7

9.161

17,5

4.844

52,9

30.699

58,5

15.796

51,5

12.637

24,1

5.983

47,3

72.644

19.542

26,9

4.209

21,5

5.676

29,0

9.657

49,4

983

1,4

520

53,0

52.120

71,7

26.576

51,0

9.091

17,4

4.750

52,2

30.069

57,7

15.682

52,2

12.959

24,9

6.144

47,4

2008 2009 2010 2011 2012

Personen insgesamt (nEf und eLb)

davon (Personen = 100 Prozent)

Kinder im Alter von unter 15 Jahren (nEf unter 15 Jahren)

Kinder im Alter von unter 15 Jahren (in Prozent von Personen)

davon (von nEf unter 15 Jahren = 100 Prozent)

Kinder im Alter von unter 3 Jahren

Kinder im Alter von unter 3 Jahren (in Prozent von nEf unter 15 Jahren)

Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren

Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren (in Prozent von nEf unter 15 Jahren)

Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren

Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren (in Prozent von nEf unter 15 Jahren)

nEf im Alter von 15 Jahren und älter (nEf 15+)

nEf im Alter von 15 Jahren und älter (in Prozent von Personen)

darunter:

weibliche nEf im Alter von 15 Jahren und älter

weibliche nEf im Alter von 15 Jahren und älter (in Prozent von nEf 15–65 Jahre)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte (in Prozent von Personen)

darunter: Frauen

Frauen (in Prozent von eLb)

davon (eLb = 100 Prozent)

15 bis unter 25 Jahre (eLb unter 25 Jahren)

15 bis unter 25 Jahre (in Prozent von eLb)

darunter: Frauen 15 bis unter 25 Jahre

Frauen 15 bis unter 25 Jahre (in Prozent von eLb unter 25 Jahren)

25 bis unter 50 Jahre (eLb 25 bis unter 50 Jahren)

25 bis unter 50 Jahre (in Prozent von eLb)

darunter: Frauen 25 bis unter 50 Jahre

Frauen 25 bis unter 50 Jahre (in Prozent von eLb 25 bis unter 50 Jahren)

50 Jahre und älter (eLb 50+)

50 Jahre und älter (in Prozent von eLb)

darunter: Frauen 50 Jahre und älter

Frauen 50 Jahre und älter (in Prozent von eLb 50+)

73.263

19.751

27,0

4.202

21,3

5.697

28,8

9.852

49,9

929

1,3

475

51,2

52.584

71,8

26.820

51,0

9.285

17,7

4.789

51,6

30.115

57,3

15.730

52,2

13.184

25,1

6.300

47,8

Tabelle 1.1: Personen in den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt BremennEf = nicht erwerbsfähige LeistungsberechtigteeLb = erwerbsfähige Leistungsberechtigte bzw. erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (15 Jahre und älter)

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Berechnungen

115114BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Nachrichtlich:6 In der Stadt Bremerhaven erhieltenim Dezember 2013 insgesamt 316 Menschen Hilfenzum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtun-gen gemäß Kapitel 3 SGB XII (Sozialhilfe), fünfmehr als ein Jahr zuvor. 35 davon waren Kinder imAlter von unter 18 Jahren, wie ein Jahr zuvor. 270waren 18 bis unter 65 Jahre alt (Dezember 2012:273) und 11 waren 65 Jahre und älter (Dezember2012: 3). Von den 270 Menschen im Alter von 18 bisunter 65 Jahren, die im Dezember 2013 Hilfen zumLebensunterhalt außerhalb von Einrichtungengemäß Kapitel 3 SGB XII (Sozialhilfe) erhielten,waren 133 (49,3 Prozent) Frauen (Dezember 2012:120 beziehungsweise 44,0 Prozent).

Zu Tabelle 1.2Menschen insgesamt, Frauen, Kinder undÄltere in Bedarfsgemeinschaften (SGB II)Stadt Bremerhaven

Im Jahr 2013 waren in der Stadt Bremen durch-schnittlich insgesamt 19.365 Menschen auf Leistun-gen zur Sicherung des Lebensunterhalts angewie-sen (SGB II). Dies waren insgesamt 2.830 Menschenweniger als im Jahr 2008 (-12,7 Prozent), aber ledig-lich 28 Menschen weniger als 2012 (0,1 Prozent).4

Diese Gruppe setzte sich 2013 wie folgt zusammen:

❚ 5.197 (nicht erwerbsfähige) Kinder unter 15 Jahren(26,8 Prozent);

❚ 181 (nicht erwerbsfähige) Leistungsberechtigte 15 Jahreund älter (0,9 Prozent);

❚ 13.986 (erwerbsfähige) Leistungsberechtigte 15 Jahreund älter (72,2 Prozent);5

❚ darunter: 3.769 (erwerbsfähige) Leistungsberechtigte50 Jahre und älter (26,9 Prozent).

Im selben Jahr waren von den 5.197 Kindern unter15 Jahren 1.060 unter 3 Jahre (20,4 Prozent), 1.462Kinder im Alter 3 bis unter 7 Jahren (28,1 Prozent)und 2.675 Kinder 7 bis unter 15 Jahren (51,5 Pro-zent). Von den 13.986 erwerbsfähigen Leistungsbe-rechtigten waren 7.144 Frauen (51,1 Prozent). ImJahr 2008 waren es lediglich 50,5 Prozent. Deutlichgestiegen ist, zusätzlich zur demografischen Alte-rung, die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberech-tigten im Alter von 50 Jahren und älter: von 3.421(21,5 Prozent) im Jahr 2008 auf 3.769 (26,9 Prozent)im Jahr 2013.

4 Differenzen immer ermittelt

aus ungerundeten Werten

(Jahresdurchschnitte).

5 Bis 2011: 15 bis unter 65

Jahre; 2013: 15 bis unter

65 Jahren und zwei Monate.

6 Quelle: Open PROSOZ,

übermittelt von der Senato-

rin für Soziales, Kinder,

Jugend und Frauen; eigene

Berechnungen

2013Jahresdurchschnitt

22.194

6.102

27,5

1.378

22,6

1.694

27,8

3.030

49,7

169

0,8

90

53,0

15.923

71,7

8.037

50,5

3.375

21,2

1.776

52,6

9.127

57,3

4.639

50,8

3.421

21,5

1.621

47,4

20.868

5.627

27,0

1.265

22,5

1.580

28,1

2.782

49,4

177

0,8

94

52,9

15.063

72,2

7.578

50,3

3.193

21,2

1.654

51,8

8.492

56,4

4.322

50,9

3.378

22,4

1.601

47,4

21.014

5.644

26,9

1.260

22,3

1.589

28,2

2.795

49,5

188

0,9

106

56,4

15.183

72,3

7.568

49,8

3.140

20,7

1.630

51,9

8.564

56,4

4.307

50,3

3.479

22,9

1.631

46,9

20.192

5.196

25,7

1.111

21,4

1.452

27,9

2.633

50,7

181

0,9

102

56,4

14.815

73,4

7.414

50,0

2.912

19,7

1.516

52,1

8.242

55,6

4.173

50,6

3.661

24,7

1.725

47,1

19.392

5.128

26,4

1.082

21,1

1.420

27,7

2.626

51,2

161

0,8

93

57,3

14.103

72,7

7.229

51,3

2.698

19,1

1.434

53,1

7.656

54,3

3.987

52,1

3.749

26,6

1.808

48,2

2008 2009 2010 2011 2012

Personen insgesamt (nEf und eLb)

davon (Personen = 100 Prozent)

Kinder im Alter von unter 15 Jahren (nEf unter 15 Jahren)

Kinder im Alter von unter 15 Jahren (in Prozent von Personen)

davon (von nEf unter 15 Jahren = 100 Prozent)

Kinder im Alter von unter 3 Jahren

Kinder im Alter von unter 3 Jahren (in Prozent von nEf unter 15 Jahren)

Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren

Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren (in Prozent von nEf unter 15 Jahren)

Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren

Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren (in Prozent von nEf unter 15 Jahren)

nEf im Alter von 15 Jahren und älter (nEf 15+)

nEf im Alter von 15 Jahren und älter (in Prozent von Personen)

darunter:

weibliche nEf im Alter von 15 Jahren und älter

weibliche nEf im Alter von 15 Jahren und älter (in Prozent von nEf 15–65 Jahre)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte (in Prozent von Personen)

darunter: Frauen

Frauen (in Prozent von eLb)

davon (eLb = 100 Prozent)

15 bis unter 25 Jahre (eLb unter 25 Jahren)

15 bis unter 25 Jahre (in Prozent von eLb)

darunter: Frauen 15 bis unter 25 Jahre

Frauen 15 bis unter 25 Jahre (in Prozent von eLb unter 25 Jahren)

25 bis unter 50 Jahre (eLb 25 bis unter 50 Jahren)

25 bis unter 50 Jahre (in Prozent von eLb)

darunter: Frauen 25 bis unter 50 Jahre

Frauen 25 bis unter 50 Jahre (in Prozent von eLb 25 bis unter 50 Jahren)

50 Jahre und älter (eLb 50+)

50 Jahre und älter (in Prozent von eLb)

darunter: Frauen 50 Jahre und älter

Frauen 50 Jahre und älter (in Prozent von eLb 50+)

19.365

5.197

26,8

1.060

20,4

1.462

28,1

2.675

51,5

181

0,9

102

56,5

13.986

72,2

7.144

51,1

2.652

19,0

1.371

51,7

7.566

54,1

3.927

51,9

3.769

26,9

1.847

49,0

Tabelle 1.2:Personen in den SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt BremerhavennEf = nicht erwerbsfähige LeistungsberechtigteeLb = erwerbsfähige Leistungsberechtigte bzw. erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (15 Jahre und älter)

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Berechnungen

117116BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Die personelle Zusammensetzung der Bedarfs-gemeinschaften zeigt eine starke Tendenz zumAlleinwohnen. Fast 60 Prozent dieser Haushaltesind keine ›Gemeinschaften‹, sondern Singlehaus-halte. Auch wenn das nicht grundsätzlich im All-tag so sein muss, können durch das Alleinwohnendie sowieso schon wirksamen Mechanismen dessozialen Rückzugs aufgrund geringer finanziellerMittel sich noch verstärken. Der Trend zum Allein-wohnen, in den Großstädten stark verbreitet, prägt auch die Wohnsituation von großen Teilender Menschen im Leistungsbezug (SGB II). IhrAnteil steigt außerdem, allein zwischen 2008 und2013 um 8 Prozent. Dagegen sind die Zahl und der Anteil der Bedarfsgemeinschaften mit Kindernunter 15 Jahren zwischen 2008 und 2013 leichtrückläufig und liegen unterhalb von 30 Prozent. Inknapp über der Hälfte dieser Bedarfsgemeinschaf-ten mit Kindern, lebt lediglich ein Kind im Altervon unter 15 Jahren (53,5 Prozent). Zwei Kinderleben in 30 Prozent dieser Bedarfsgemeinschaften,drei Kinder in knapp über 11 Prozent der Bedarfs-gemeinschaften mit Kindern und fast 5 Prozentmit vier und mehr Kindern. In insgesamt 7.472Bedarfsgemeinschaften leben Alleinerziehende.Ihre Anzahl ist zwischen 2008 und 2013 fast genaugleich geblieben. In 5.591 Haushalten lebte 2013ein Paar mit Kindern unter 18 Jahren.

Zu Tabelle 2.1Anzahl und Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaften (SGB II) Stadt Bremen

Im Jahr 2013 wurden in der Stadt Bremen im Jah-resdurchschnitt insgesamt 39.908 sogenannteBedarfsgemeinschaften gezählt, im Sinne des SGBII7. Dies waren 302 Bedarfsgemeinschaften mehrals 2012 und 1.129 mehr als 2008.8 Im Zeitraumvon 2008 bis 2013 stieg die Anzahl der Bedarfsge-meinschaften auf einem relativ hohen Niveau weiter langsam an. In diesen 39.908 Bedarfsge-meinschaften lebten im Jahr 2013 die Menschen in folgender Zusammensetzung (im Sinne der amtlichen Statistik9). In

❚ 23.573 Bedarfsgemeinschaften lebte ein Mensch (59,1 Prozent);

❚ 7.236 Bedarfsgemeinschaften lebten zwei Menschen(18,1 Prozent);

❚ 4.416 Bedarfsgemeinschaften lebten drei Menschen(11,1 Prozent);

❚ 2.628 Bedarfsgemeinschaften lebten vier Menschen (6,6 Prozent);

❚ 2.055 Bedarfsgemeinschaften lebten fünf und mehrMenschen (5,2 Prozent);

❚ 29.660 Bedarfsgemeinschaften lebte ein Mensch imerwerbsfähigen Alter (74,3 Prozent);

❚ 11.665 Bedarfsgemeinschaften lebten Kinder unter 15 Jahren (29,2 Prozent);

❚ 7.472 Bedarfsgemeinschaften lebte eine Alleinerziehen-de mit Kindern unter 18 Jahren (18,7 Prozent):

❚ 5.591 Bedarfsgemeinschaften lebt ein Paar mit Kindern unter 18 Jahren (14 Prozent).

7 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.

8 Veränderungen immer

ermittelt aus ungerundeten

Werten (Jahresdurchschnit-

te beziehungsweise Anteile

in Prozent).

9 Als BG mit einem Menschen

gelten in der Statistik der

Grundsicherung für Arbeit-

suchende auch die Bedarfs-

gemeinschaften, in denen

die Mutter und/oder Vater

eines Kindes keinen

Anspruch auf Arbeitslosen-

geld II hat (i.d.R. wegen

des Ausschlussgrundes

BAföG-Bezug), aber

Anspruch auf Sozialgeld

(und Leistungen für Unter-

kunft und Heizung) für ihr

Kind. Deren Zahl ist im Ver-

lauf des Beobachtungszeit-

raums in der Stadt Bremen

von rechnerisch 934

(2008) auf 1.348 (2013)

gestiegen.

2013Jahresdurchschnitt

38.779

21.518

55,5

7.607

19,6

4.815

12,4

2.825

7,3

2.015

5,2

1,90

27.829

71,8

8.605

22,2

1.679

4,3

621

1,6

46

0,1

1,36

12.074

31,1

6.542

54,2

3.695

30,6

1.292

10,7

545

4,5

7.467

19,3

6.039

15,6

39.302

22.514

57,3

7.542

19,2

4.629

11,8

2.673

6,8

1.945

4,9

1,86

28.716

73,1

8.325

21,2

1.552

3,9

618

1,6

91

0,2

1,34

11.711

29,8

6.415

54,8

3.522

30,1

1.242

10,6

532

4,5

7.359

18,7

5.748

14,6

40.426

23.476

58,1

7.595

18,8

4.570

11,3

2.745

6,8

2.041

5,0

1,85

29.636

73,3

8.473

21,0

1.557

3,9

628

1,6

132

0,3

1,33

11.902

29,4

6.478

54,4

3.589

30,2

1.263

10,6

572

4,8

7.404

18,3

5.865

14,5

39.707

23.213

58,5

7.499

18,9

4.366

11,0

2.629

6,6

2.000

5,0

1,84

29.312

73,8

8.192

20,6

1.469

3,7

562

1,4

171

0,4

1,32

11.651

29,3

6.335

54,4

3.472

29,8

1.284

11,0

560

4,8

7.441

18,7

5.557

14,0

39.606

23.278

58,8

7.381

18,6

4.352

11,0

2.600

6,6

1.994

5,0

1,83

29.385

74,2

8.046

20,3

1.438

3,6

551

1,4

186

0,5

1,32

11.593

29,3

6.264

54,0

3.470

29,9

1.310

11,3

550

4,7

7.481

18,9

5.478

13,8

2008 2009 2010 2011 2012

39.908

23.573

59,1

7.236

18,1

4.416

11,1

2.628

6,6

2.055

5,2

1,84

29.660

74,3

8.026

20,1

1.483

3,7

570

1,4

169

0,4

1,32

11.665

29,2

6.235

53,5

3.539

30,3

1.335

11,4

556

4,8

7.472

18,7

5.591

14,0

Tabelle 2.1: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt BremeneLb = erwerbsfähige Leistungsberechtigte bzw. erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (15 Jahre bis zur gesetzlichen Altersgrenze)Anmerkung: Die Summe der BG mit einem oder mehr eLb ist kleiner als die BG insgesamt, da (statistisch) auch BG ohne eLb bestehen. Dies sind im Wesentlichen BG von Studentinnen und Studenten, die lediglich für ihr Kind/ihre Kinder SGB-II-Leistungen erhalten.

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen

Bedarfsgemeinschaften (BG) insgesamt

davon (BG = 100 Prozent)

BG mit 1 Person

BG mit 1 Person (in Prozent von BG)

BG mit 2 Personen

BG mit 2 Personen (in Prozent von BG)

BG mit 3 Personen

BG mit 3 Personen (in Prozent von BG)

BG mit 4 Personen

BG mit 4 Personen (in Prozent von BG)

BG mit 5 und mehr Personen

BG mit 5 und mehr Personen (in Prozent von BG)

Personen pro Bedarfsgemeinschaft (durchschnittlich)

davon (BG = 100 Prozent)

BG mit 1 eLb

BG mit 1 eLb (in Prozent von BG)

BG mit 2 eLb

BG mit 2 eLb (in Prozent von BG)

BG mit 3 eLb

BG mit 3 eLb (in Prozent von BG)

BG mit 4 und mehr eLb

BG mit 4 und mehr eLb (in Prozent von BG)

BG ohne eLb (siehe Anmerkung)

BG ohne eLb (in von BG) (siehe Anmerkung)

eLb pro Bedarfsgemeinschaft (durchschnittlich)

BG mit Kindern unter 15 Jahren

BG mit Kindern unter 15 Jahren (in Prozent von BG)

davon (BG mit Kindern unter 15 Jahren = 100 Prozent)

BG mit 1 Kind unter 15 Jahren

BG mit 1 Kind unter 15 Jahren (in Prozent von BG mit Kindern)

BG mit 2 Kindern unter 15 Jahren

BG mit 2 Kindern unter 15 Jahren (in Prozent von BG mit Kindern)

BG mit 3 Kindern unter 15 Jahren

BG mit 3 Kindern unter 15 Jahren (in Prozent von BG mit Kindern)

BG mit 4 und mehr Kindern unter 15 Jahren

BG mit 4 und mehr Kindern unter 15 Jahren (in Prozent von BG mit Kindern)

Alleinerziehende BG mit Kindern unter 18 Jahren

Alleinerziehende BG mit Kindern unter 18 Jahren (in Prozent von BG)

Paar-BG mit Kindern unter 18 Jahren

Paar-BG mit Kindern unter 18 Jahren (in Prozent von BG)

119118BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Dagegen sind die Zahl und der Anteil der Bedarfs-gemeinschaften mit Kindern unter 15 Jahren zwischen 2008 und 2013 weiter rückläufig undliegt mittlerweile bei etwas über 28 Prozent. Inknapp über der Hälfte dieser Bedarfsgemeinschaf-ten mit Kindern, lebt lediglich ein Kind im Altervon unter 15 Jahren (53 Prozent). Zwei Kinderleben in 30 Prozent dieser Bedarfsgemeinschaften,drei Kinder in knapp über 11 Prozent der Bedarfs-gemeinschaften mit Kindern und rund 6 Prozentmit vier und mehr Kindern. In insgesamt 2.005Bedarfsgemeinschaften leben Alleinerziehende.Ihre Anzahl war zwischen 2008 und 2013 leichtrückläufig (142 Haushalte weniger). In 1.393 Haus-halten lebten 2013 ein Paar mit Kindern unter 18 Jahren.

Zu Tabelle 2.2Anzahl und Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaften (SGB II)Stadt Bremerhaven

Im Jahr 2013 wurden in der Stadt Bremerhaven imJahresdurchschnitt insgesamt 10.524 sogenannteBedarfsgemeinschaften gezählt, im Sinne des SGBII10. Dies waren 75 Bedarfsgemeinschaften wenigerals 2012 und 823 weniger als 2008.11 In diesen10.524 Bedarfsgemeinschaften lebten im Jahr 2013die Menschen in folgender Zusammensetzung (im Sinne der amtlichen Statistik12). In

❚ 6.166 Bedarfsgemeinschaften lebte ein Mensch (58,6 Prozent);

❚ 1.996 Bedarfsgemeinschaften lebten zwei Menschen (19 Prozent);

❚ 1.131 Bedarfsgemeinschaften lebten drei Menschen(10,8 Prozent);

❚ 698 Bedarfsgemeinschaften lebten vier Menschen (6,6 Prozent);

❚ 532 Bedarfsgemeinschaften lebten fünf und mehr Menschen (5,1 Prozent);

❚ 7.796 Bedarfsgemeinschaften lebte ein Mensch imerwerbsfähigen Alter (74,1 Prozent);

❚ 3.003 Bedarfsgemeinschaften lebten Kinder unter 15 Jahren (28,5 Prozent);

❚ 2.005 Bedarfsgemeinschaften lebte eine Alleinerziehen-de mit Kindern unter 18 Jahren (19,1 Prozent);

❚ 1.393 Bedarfsgemeinschaften lebt ein Paar mit Kindern unter 18 Jahren (13,2 Prozent).

Die personelle Zusammensetzung der Bedarfsge-meinschaften zeigt auch in Bremerhaven eine starke Tendenz zum Alleinwohnen. Fast 60 Prozentdieser Haushalte sind keine ›Gemeinschaften‹, sondern Singlehaushalte. Auch wenn das nichtgrundsätzlich im Alltag so sein muss, könnendurch das Alleinwohnen die sowieso schon wirk-samen Mechanismen des sozialen Rückzugs auf-grund geringer finanzieller Mittel noch verstärktwerden. Der Trend zum Alleinwohnen, in denGroßstädten stark verbreitet, prägt auch die Wohn-situation von großen Teilen der Menschen im Leistungsbezug (SGB II). Ihr Anteil steigt außerdem,allein zwischen 2008 und 2013 um 4,9 Prozent-punkte.

10 Vgl. § 7 Abs. 3 SGB II.

11 Veränderungen immer

ermittelt aus ungerundeten

Werten (Jahresdurchschnit-

te beziehungsweise Anteile

in Prozent).

12 Als BG mit einem Men-

schen gelten in der Stati-

stik der Grundsicherung für

Arbeitsuchende auch die

Bedarfsgemeinschaften, in

denen die Mutter und/oder

Vater eines Kindes keinen

Anspruch auf Arbeitslosen-

geld II hat (i.d.R. wegen

des Ausschlussgrundes

BAföG-Bezug), aber

Anspruch auf Sozialgeld

(und Leistungen für Unter-

kunft und Heizung) für ihr

Kind. In der Stadt Bremer-

haven wurden dazu im

zweiten Halbjahr 2011 und

auch noch zu Beginn des

Jahres 2012 jene Bedarfs-

gemeinschaften Alleinerzie-

hender gezählt, deren Kin-

der durch das Jobcenter

entgegen den geltenden

Verfahrensregeln der Statis-

tik der Bundesagentur für

Arbeit (vorübergehend) aus

dem Bestand entfernt bzw.

nicht erfasst wurden (vgl.

Bericht zur sozialen Lage

2012, Seite 157).

2013Jahresdurchschnitt

11.347

6.099

53,7

2.284

20,1

1.438

12,7

857

7,6

670

5,9

1,96

7.859

69,3

2.663

23,5

604

5,3

219

1,9

2

0,0

1,40

3.542

31,2

1.887

53,3

1.068

30,1

383

10,8

205

5,8

2.147

18,9

1.857

16,4

10.921

6.026

55,2

2.194

20,1

1.346

12,3

746

6,8

609

5,6

1,91

7.738

70,9

2.454

22,5

522

4,8

198

1,8

9

0,1

1,38

3.297

30,2

1.784

54,1

967

29,3

366

11,1

181

5,5

2.086

19,1

1.635

15,0

11.117

6.268

56,4

2.188

19,7

1.292

11,6

741

6,7

628

5,6

1,89

7.975

71,7

2.425

21,8

504

4,5

199

1,8

15

0,1

1,37

3.289

29,6

1.779

54,1

946

28,7

373

11,4

191

5,8

2.079

18,7

1.612

14,5

11.015

6.481

58,8

2.086

18,9

1.189

10,8

698

6,3

562

5,1

1,83

8.067

73,2

2.269

20,6

482

4,4

181

1,6

16

0,1

1,34

3.033

27,5

1.645

54,2

877

28,9

328

10,8

183

6,0

2.038

18,5

1.499

13,6

10.599

6.221

58,7

2.040

19,2

1.131

10,7

690

6,5

518

4,9

1,83

7.855

74,1

2.127

20,1

441

4,2

159

1,5

17

0,2

1,33

2.983

28,1

1.596

53,5

878

29,4

334

11,2

175

5,9

2.059

19,4

1.358

12,8

2008 2009 2010 2011 2012

10.524

6.166

58,6

1.996

19,0

1.131

10,8

698

6,6

532

5,1

1,84

7.796

74,1

2.128

20,2

419

4,0

161

1,5

20

0,2

1,33

3.003

28,5

1.583

52,7

899

29,9

341

11,4

180

6,0

2.005

19,1

1.393

13,2

Tabelle 2.2: SGB-II-Bedarfsgemeinschaften – Stadt BremerhaveneLb = erwerbsfähige Leistungsberechtigte bzw. erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (15 Jahre bis zur gesetzlichen Altersgrenze)Anmerkung: Die Summe der BG mit einem oder mehr eLb ist kleiner als die BG insgesamt, da (statistisch) auch BG ohne eLb bestehen. Dies sind im Wesentlichen BG von Studentinnen und Studenten, die lediglich für ihr Kind/ihre Kinder SGB-II-Leistungen erhalten.

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen

Bedarfsgemeinschaften (BG) insgesamt

davon (BG = 100 Prozent)

BG mit 1 Person

BG mit 1 Person (in Prozent von BG)

BG mit 2 Personen

BG mit 2 Personen (in Prozent von BG)

BG mit 3 Personen

BG mit 3 Personen (in Prozent von BG)

BG mit 4 Personen

BG mit 4 Personen (in Prozent von BG)

BG mit 5 und mehr Personen

BG mit 5 und mehr Personen (in Prozent von BG)

Personen pro Bedarfsgemeinschaft (durchschnittlich)

davon (BG = 100 Prozent)

BG mit 1 eLb

BG mit 1 eLb (in Prozent von BG)

BG mit 2 eLb

BG mit 2 eLb (in Prozent von BG)

BG mit 3 eLb

BG mit 3 eLb (in Prozent von BG)

BG mit 4 und mehr eLb

BG mit 4 und mehr eLb (in Prozent von BG)

BG ohne eLb (siehe Anmerkung)

BG ohne eLb (in von BG) (siehe Anmerkung)

eLb pro Bedarfsgemeinschaft (durchschnittlich)

BG mit Kindern unter 15 Jahren

BG mit Kindern unter 15 Jahren (in Prozent von BG)

davon (BG mit Kindern unter 15 Jahren = 100 Prozent)

BG mit 1 Kind unter 15 Jahren

BG mit 1 Kind unter 15 Jahren (in Prozent von BG mit Kindern)

BG mit 2 Kindern unter 15 Jahren

BG mit 2 Kindern unter 15 Jahren (in Prozent von BG mit Kindern)

BG mit 3 Kindern unter 15 Jahren

BG mit 3 Kindern unter 15 Jahren (in Prozent von BG mit Kindern)

BG mit 4 und mehr Kindern unter 15 Jahren

BG mit 4 und mehr Kindern unter 15 Jahren (in Prozent von BG mit Kindern)

Alleinerziehende BG mit Kindern unter 18 Jahren

Alleinerziehende BG mit Kindern unter 18 Jahren (in Prozent von BG)

Paar-BG mit Kindern unter 18 Jahren

Paar-BG mit Kindern unter 18 Jahren (in Prozent von BG)

121120BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

❚ Erwerbsfähige Leistungsberechtigte 15 bis unter 25 Jahren 14,5 Prozent;

❚ Erwerbsfähige Leistungsberechtigte 25 bis unter 50 Jahren 15,5 Prozent;

❚ Erwerbsfähige Leistungsberechtigte 50 bis unter65 Jahren 12,2 Prozent.

Der Vergleich der altersspezifischen Quoten dererwerbsfähigen Leistungsberechtigten zeigt:Anders als die Quote insgesamt und die Quotender 15- bis unter 25-Jährigen und 25- bis unter 50-Jährigen, ist die Quote der 50- bis unter 65-Jährigenim Beobachtungszeitraum leicht gestiegen. Von11,4 Prozent (2008) auf 12,2 Prozent (2013). Den-noch liegt die Quote in dieser Altersgruppe (50 bisunter 65 Jahre) auch 2013 noch immer deutlichunter der Quote der 25- bis unter 50-Jährigen(2013: 15,5 Prozent). Eine Erklärung für diese imVergleich zur Altersgruppe der 25- bis unter 50-Jährigen niedrigeren Quote sind die Rentnerinnenund Rentner in der Altersgruppe 50 bis unter 65Jahre. Dies ist zugleich eine Erklärung dafür, dassnur in dieser Altersgruppe die Quote der weibli-chen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (2013:11,5 Prozent) unter der Quote der männlichenerwerbsfähigen Leistungsberechtigten liegt (2013:13 Prozent).

Anmerkung: Die insgesamt gesunkene SGB-II-Quo-te – unter anderem auch wegen diverser gesetzli-cher Änderungen, wie zum Beispiel die Neurege-lung des Kinderzuschlags zum 1. Oktober 2008und die seit dem 1. Januar 2011 in der Regel voll-ständige Anrechnung des Elterngeldes – gibt keineAuskunft darüber, wie viele Menschen nicht oderlediglich über die ›materiellen Voraussetzungen,die für seine physische Existenz und für ein Min-destmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kultu-rellen und politischen Leben unerlässlich sind‹15,verfügen und wie sich die Zahl dieser Menschen in den vergangenen Jahren in der Stadt Bremenentwickelt hat.

Zu Tabelle 3.1SGB-II-Quoten und Quoten der erwerbsfähigen LeistungsberechtigtenStadt Bremen

Die SGB-II-Quote der Kinder im Alter von unter 15Jahren (Sozialgeld) ist von 29,5 Prozent im Jahr2008 leicht angestiegen auf 29,8 Prozent im Jahr2013. In den einzelnen Altersgruppen der Kinderzeigen sich die folgenden Quoten:

❚ Kinder im Alter von unter drei Jahren 31,8 Prozent;❚ Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren 33,3 Prozent;❚ Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren 27,3

Prozent;❚ Kinder im Alter von unter 15 Jahren insgesamt

29,8 Prozent.

Ein Vergleich der SGB-II-Quoten unter den Kindernim Alter von unter 3 bis unter 15 Jahren in derStadt Bremen zeigt: Die SGB-II-Quote der Kinder imAlter unter 3 Jahren, die bis 2009 die höchste war,ist seit 2011 niedriger als die SGB-II-Quote der Kin-der im Alter von 3 bis unter 7 Jahren. Die SGB-II-Quote der Kinder im Alter von unter 3 Jahren sankbis 2013 von 35,7 Prozent (2008) um 3,9 Prozent-punkte auf 31,8 Prozent.13 Anders die SGB-II-Quotender Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren und 7bis unter 15 Jahren: Sie lagen im Jahr 2013 in derStadt Bremen über der entsprechenden SGB-II-Quo-te im Jahr 2008. 2013 betrug die SGB-II-Quote derKinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren 33,3 Pro-zent (2008: 32,2 Prozent) und die SGB-II-Quote derKinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren 27,3 Pro-zent (2008: 26,2 Prozent). Der Abstand zwischender höheren SGB-II-Quote der Kinder im Alter vonunter 3 Jahren und der niedrigeren SGB-II-Quoteder Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren, der2008 noch 9,5 Prozentpunkte betrug, verringertesich bis 2013 auf 4,5 Prozentpunkte.14

Die Quote der erwerbsfähigen Leistungsberech-tigten an der Bevölkerung im Alter von 15 bisunter 65 Jahren (Arbeitslosengeld II) ging in derStadt Bremen zwischen 2008 von 14,5 Prozentgeringfügig auf 14,4 Prozent 2013 zurück. In deneinzelnen Altersgruppen zeigen sich die folgendenQuoten:

13 Im Jahresdurchschnitt

2010 allerdings nur beim

Vergleich der ungerundeten

SGB-II-Quoten: unter 3 Jahre

33,48 Prozent, 3 bis unter

7 Jahren 33,51 Prozent.

14 Abstände immer berechnet

aus ungerundeten SGB-II-

Quoten.

15 ›Menschenwürdiges Exis-

tenzminimum‹; Bundesver-

fassungsgericht, 1 BvL

1/09 vom 9.2.2010.

2013**Jahresdurchschnitt in Prozent

17,1

29,5

35,7

32,2

26,2

1,8

14,5

14,2

14,8

15,0

14,2

15,8

15,9

15,1

16,8

11,4

12,4

10,4

17,0

28,7

33,8

32,0

25,3

1,3

14,5

14,3

14,7

15,0

14,2

15,7

15,9

15,3

16,5

11,6

12,4

10,7

17,4

29,4

33,5

33,5

26,1

1,2

14,9

14,7

15,0

15,2

14,5

16,0

16,3

15,7

16,9

11,9

12,9

11,0

17,0

29,2

32,6

33,1

26,1

1,5

14,5

14,2

14,7

14,4

13,6

15,2

15,8

15,0

16,6

12,1

13,0

11,1

16,9

29,4

32,2

33,2

26,6

1,9

14,3

14,0

14,7

14,2

13,5

14,9

15,5

14,5

16,5

12,2

13,1

11,3

2008 2009 2010 2011 2012

17,0

29,8

31,8

33,3

27,3

2,0

14,4

14,0

14,8

14,5

14,0

15,0

15,5

14,5

16,6

12,2

13,0

11,5

Tabelle 3.1: SGB-II-Quoten und eLb-Quoten: Stadt Bremen*nEf = nicht erwerbsfähige LeistungsberechtigteeLb = erwerbsfähige Leistungsberechtigte bzw. erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (15 Jahre bis zur gesetzlichen Altersgrenze)* ab 2011 neu berechnet auf Grundlage der ›neuen‹ Bevölkerungsfortschreibung (Basis: Zensus 2011)** vorläufig: berechnet auf Basis der ›neuen‹ Bevölkerungsfortschreibung Ende 2012

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Berechnungen

SGB-II-Quoten (Anteil an der altersgleichen Bevölkerung)

insgesamt (nEf und eLb zusammen: 0 bis unter 65 Jahren)

Kinder im Alter von unter 15 Jahren (nEf unter 15 Jahren)

Kinder im Alter von unter 3 Jahren

Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren

Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren

eLb-Quoten (Anteil an der altersgleichen Bevölkerung)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte insgesamt (eLb)

eLb männlich

eLb weiblich

15 bis unter 25 Jahre (eLb unter 25 Jahren)

eLb unter 25 Jahren männlich

eLb unter 25 Jahren weiblich

25 bis unter 50 Jahre (eLb 25 bis unter 50 Jahren)

eLb 25 bis unter 50 Jahren männlich

eLb 25 bis unter 50 Jahren weiblich

50 bis unter 65 Jahre (eLb 50 bis unter 65 Jahren)

eLb 50 bis unter 65 Jahren männlich

eLb 50 bis unter 65 Jahren weiblich

123122BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

❚ Erwerbsfähige Leistungsberechtigte 15 bis unter 25 Jahre 21,6 Prozent;

❚ Erwerbsfähige Leistungsberechtigte 25 bis unter 50 Jahre 21,9 Prozent;

❚ Erwerbsfähige Leistungsberechtigte 50 bis unter 65 Jahre 16,4 Prozent.

Der Vergleich der altersspezifischen Quoten dererwerbsfähigen Leistungsberechtigten zeigt:Anders als die Quote insgesamt und die Quotender 15- bis unter 25-Jährigen und 25- bis unter 50-Jährigen, ist die Quote der 50- bis unter 65-Jährigenim Beobachtungszeitraum nicht gesunken, son-dern von 15,2 Prozent (2008) auf 16,4 Prozent(2013) gestiegen. Dennoch liegt die Quote in dieserAltersgruppe (50 bis unter 65 Jahre) auch 2013noch immer deutlich unter der Quote der 25- bisunter 50-Jährigen (2013: 21,9 Prozent). EineErklärung für diese im Vergleich zur Altersgruppeder 25- bis unter 50-Jährigen niedrigeren Quotesind die Rentnerinnen und Rentner in der Alters-gruppe 50 bis unter 65 Jahre. Dies ist zugleich eineErklärung dafür, dass nur in dieser Altersgruppedie Quote der weiblichen erwerbsfähigen Leistungs-berechtigten (2013: 15,1 Prozent) unter der dermännlichen erwerbsfähigen Leistungsberechtigtenliegt (2013: 17,8 Prozent).

Anmerkung: Die insgesamt gesunkene SGB-II-Quo-te – unter anderem auch wegen diverser gesetzli-cher Änderungen, wie zum Beispiel die Neurege-lung des Kinderzuschlags zum 1. Oktober 2008und die seit dem 1. Januar 2011 in der Regel voll-ständige Anrechnung des Elterngeldes – gibt keineAuskunft darüber, wie viele Menschen nicht oderlediglich über die ›materiellen Voraussetzungen,die für seine physische Existenz und für ein Min-destmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kultu-rellen und politischen Leben unerlässlich sind‹16

verfügen und wie sich die Zahl dieser Menschen inden vergangenen Jahren in der Stadt Bremerhavenentwickelt hat.

Zu Tabelle 3.2:SGB-II-Quoten und Quoten der erwerbsfähigen LeistungsberechtigtenStadt Bremerhaven

Die SGB-II-Quote unter den Kindern im Alter vonunter 15 Jahren (Sozialgeld) ist von 40 Prozent imJahr 2008 auf 36,3 Prozent im Jahr 2013 zurück-gegangen. In den einzelnen Altersgruppen der Kinder zeigen sich die folgenden Quoten:

❚ Kinder im Alter von unter drei Jahren 39,1 Prozent;❚ Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren 39,1 Prozent;❚ Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren 33,9

Prozent;❚ Kinder im Alter unter 15 Jahren insgesamt

36,3 Prozent.

Ein Vergleich der SGB-II-Quoten unter den Kindernim Alter von unter 3 Jahren, 3 bis unter 7 Jahrenund 7 bis unter 15 Jahren in der Stadt Bremerha-ven zeigt: Die SGB-II-Quoten der Kinder im Altervon unter 3 Jahren und der Kinder von 3 bis unter7 Jahren sind weiterhin in allen Jahren des Beob-achtungszeitraums die höchsten. Die in allen Jah-ren zweithöchste SGB-II-Quote unter den Kindernin der Stadt Bremerhaven ist die der Kinder imAlter von 3 bis unter 7 Jahren. Sie sank im Beob-achtungszeitraum von 44,7 Prozent (2008) um 5,6Prozentpunkte auf 39,1 Prozent (2013). Die in allenJahren niedrigste SGB-II-Quote unter den Kindernin der Stadt Bremerhaven ist die der Kinder imAlter von 7 bis unter 15 Jahren. Allerdings sank diese SGB-II-Quote lediglich um 1,4 Prozentpunkte,von 35,3 Prozent (2008) auf 33,9 Prozent (2013).Das heißt: Der Abstand zwischen der höheren SGB-II-Quote der Kinder im Alter von unter 3 Jahrenund der niedrigeren SGB-II-Quote der Kinder imAlter von 7 bis unter 15 Jahren, der 2008 noch 12,5Prozentpunkte betrug, verringerte sich bis 2013auf 5,2 Prozentpunkte.Die Quote der erwerbsfähigen Leistungsberech-

tigten an der Bevölkerung im Alter von 15 bisunter 65 Jahren (Arbeitslosengeld II) sank in derStadt Bremerhaven zwischen 2008 von 21,3 Pro-zent auf 20 Prozent 2013. In den einzelnen Alters-gruppen zeigen sich die folgenden Quoten:

16 ›Menschenwürdiges Exis-

tenzminimum‹; Bundesver-

fassungsgericht, 1 BvL

1/09 vom 9.2.2010.

2013**Jahresdurchschnitt in Prozent

24,7

40,0

47,8

44,7

35,3

3,2

21,3

20,5

22,2

23,9

22,1

25,9

24,1

22,5

25,8

15,2

16,0

14,3

23,4

37,4

44,4

41,8

33,1

3,2

20,3

19,6

21,1

23,0

21,5

24,6

22,7

21,2

24,3

14,9

15,7

14,0

23,7

38,1

45,0

41,8

34,0

2,8

20,6

20,0

21,1

22,8

21,4

24,4

23,2

21,8

24,7

15,1

16,1

14,0

23,4

35,8

40,6

38,7

32,8

2,9

20,7

20,3

21,1

22,3

21,0

23,6

23,1

21,7

24,6

16,0

17,5

14,6

23,1

35,8

40,0

38,1

33,2

3,9

20,2

19,6

20,9

21,8

20,1

23,6

22,1

20,2

24,1

16,5

18,1

15,0

2008 2009 2010 2011 2012

23,0

36,3

39,1

39,1

33,9

3,8

20,0

19,4

20,6

21,6

20,4

22,9

21,9

20,1

23,8

16,4

17,8

15,1

Tabelle 3.2: SGB-II-Quoten und eLb-Quoten: Stadt Bremerhaven*nEf = nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, eLb = erwerbsfähige Leistungsberechtigte bzw. erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (15 Jahre bis zur gesetzlichen Altersgrenze), * ab 2011 neu berechnet auf Grundlage der ›neuen‹ Bevölkerungsfortschreibung (Basis: Zensus 2011)** vorläufig: berechnet auf Basis der ›neuen‹ Bevölkerungsfortschreibung Ende 2012*** wegen nicht korrekter Erfassung eines Teils der Kinder in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften in mehreren Monaten im zweiten Halbjahr2011 und zu Beginn des Jahres 2012 liegen die errechneten Quoten der Jahre 2011 und 2012 leicht unter den tatsächlichen Quoten(siehe dazu Seite 157 im ›Bericht zur sozialen Lage 2012‹)

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Berechnungen

SGB-II-Quoten (Anteil an der altersgleichen Bevölkerung)

insgesamt (nEf und eLb zusammen: 0 bis unter 65 Jahren)

Kinder im Alter von unter 15 Jahren (nEf unter 15 Jahren)***

Kinder im Alter von unter 3 Jahren

Kinder im Alter von 3 bis unter 7 Jahren

Kinder im Alter von 7 bis unter 15 Jahren

eLb-Quoten (Anteil an der altersgleichen Bevölkerung)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte insgesamt (eLb)

eLb männlich

eLb weiblich

15 bis unter 25 Jahre (eLb unter 25 Jahren)

eLb unter 25 Jahren männlich

eLb unter 25 Jahren weiblich

25 bis unter 50 Jahre (eLb 25 bis unter 50 Jahren)

eLb 25 bis unter 50 Jahren männlich

eLb 25 bis unter 50 Jahren weiblich

50 bis unter 65 Jahre (eLb 50 bis unter 65 Jahren)

eLb 50 bis unter 65 Jahren männlich

eLb 50 bis unter 65 Jahren weiblich

125124BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

In einer ähnlich schwierigen Situation befandensich auch viel zu viele Kinder im Dezember 2013.In der Altersgruppe von 7 bis unter 15 Jahren leb-ten ebenfalls zwei Drittel (6.515) bereits vier Jahreund länger in einer Bedarfsgemeinschaft (SGB II),in der ihre Mütter und/oder Väter auf Grundsiche-rungsleistungen angewiesen sind. Einen relativkurzfristigen Leistungsbezug, von weniger alseinem Jahr, erlebten hingegen lediglich 1.171 Kin-der in dieser Altersgruppe (12 Prozent). Die auffäl-lig geringere Zahl der Kinder, die im Alter vonunter 7 Jahren bereits länger als vier Jahre in einerBedarfsgemeinschaft leben (27,4 Prozent), hängt inerster Linie damit zusammen, dass ein großer Teildieser Kinder noch jünger als vier Jahre ist. Etwajedes vierte Kind (2.499 Kinder) in dieser Alters-gruppe von unter 7 Jahren (insgesamt 9.798 Kin-der) lebt relativ kurzfristig – unter einem Jahr – ineiner Bedarfsgemeinschaft, die auf Grundsiche-rungsleistungen angewiesen ist.

Zu Tabelle 4.1Verweildauer von erwerbsfähigen Leistungs-berechtigten und Kindern im LeistungsbezugStadt Bremen

In Einkommensarmut zu leben und dementspre-chend mit wenig Geld wirtschaften zu müssen,wird umso schwieriger, je länger eine Phase imGrundleistungsbezug (SGB II) anhält. Einigenerwerbsfähigen Leistungsberechtigten gelingt zwarder ›Ausstieg‹ aus dem Leistungsbezug, zum Bei-spiel, wenn sie eine hinreichend bezahlte Erwerbs-tätigkeit aufnehmen. Immer schwieriger wird dieSituation jedoch, wenn sich der Leistungsbezuglänger hinzieht und letztlich auch die Hoffnungverloren geht, den Leistungsbezug überwinden zukönnen. Denn längere Phasen des Leistungsbezugskönnen das Selbstbewusstsein untergraben undhaben nachweislich negative Wirkungen, insbeson-dere auch auf im Haushalt lebende Kinder. Des-halb ist die Verweildauer im Leistungsbezug einwichtiger Faktor bei der Einschätzung der Folge-wirkungen von Armut. Ein Blick auf die 51.922erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zeigt(Dezember 2013), dass sich etwas mehr als die Hälf-te von ihnen (52 Prozent) bereits vier Jahre und länger im Leistungsbezug befindet (Arbeitslosen-geld II). Bei diesen Menschen, die bereits vier Jahreund länger Leistungen beziehen, ist der Anteil derMänner etwas kleiner (48,5 Prozent), der Anteil der Frauen etwas größer (55 Prozent). Bereits zweiJahre und länger bezogen 35.599 Menschen Leistungen (68,6 Prozent).17 Relativ kurzfristig imLeistungsbezug (weniger als 12 Monate) waren imDezember 2013 lediglich 10.037 Menschen (19,3Prozent). Noch schwieriger ist die Situation für die13.071 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten imAlter von 50 Jahren und älter. Von ihnen waren imDezember 2013 insgesamt 8.508 Menschen bereitsvier Jahre oder länger auf Grundsicherungsleistun-gen angewiesen (65,1 Prozent).

ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

17 Nachrichtlich: Als ›Lang-

zeitbezieher‹ im Sinne der

Kennzahlen nach § 48a SGB

II und der entsprechenden

Verordnung galten im

Dezember 2013 in der

Stadt Bremen insgesamt

36.649 (70,6 Prozent) der

51.922 erwerbsfähigen

Leistungsberechtigten

(Quelle: sgb2.info; eigene

Berechnungen). Als ›Lang-

zeitbezieher‹ gelten alle

erwerbsfähigen Leistungs-

berechtigten (im Alter von

17 Jahren und älter), die in

den vergangenen 24 Mona-

ten mindestens 21 Monate

hilfebedürftig waren.

insgesamtDezember 2013

100%

7,1%

6,8%

11,6%

19,0%

14,8%

13,3%

27,4%

100%

7,1%

6,8%

11,6%

19,0%

14,8%

13,3%

27,4%

100%

5,8%

5,3%

8,2%

12,1%

9,3%

7,4%

51,9%

100%

3,3%

3,1%

4,9%

8,8%

7,9%

7,0%

65,1%

5.003

5.074

25.423

1.680

1.435

2.271

3.274

2.496

1.935

12.332

6.815

100%

100%

100%

6,6%

5,6%

8,9%

12,9%

9,8%

7,6%

48,5%

100%

4.795

4.742

26.499

1.354

1.309

1.988

3.012

2.318

1.906

14.612

6.256

100%

100%

100%

5,1%

4,9%

7,5%

11,4%

8,7%

7,2%

55,1%

100%

männlich weiblich

Kinder in SGB-II-BG** im Alter von unter 7 Jahren

davon mit einer bisherigen Verweildauer von …

… unter 3 Monaten

… 3 bis unter 6 Monaten

… 6 bis unter 12 Monaten

… 1 bis unter 2 Jahren

… 2 bis unter 3 Jahren

… 3 bis unter 4 Jahren

… 4 Jahren und länger

Kinder in SGB-II-BG** im Alter von 7 bis unter 15 Jahren

davon mit einer bisherigen Verweildauer von …

… unter 3 Monaten

… 3 bis unter 6 Monaten

… 6 bis unter 12 Monaten

… 1 bis unter 2 Jahren

… 2 bis unter 3 Jahren

… 3 bis unter 4 Jahren

… 4 Jahren und länger

erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)

davon mit einer bisherigen Verweildauer von …

… unter 3 Monaten

… 3 bis unter 6 Monaten

… 6 bis unter 12 Monaten

… 1 bis unter 2 Jahren

… 2 bis unter 3 Jahren

… 3 bis unter 4 Jahren

… 4 Jahren und länger

darunter

erwerbsfähige Leistungsberechtigte 50 Jahre und älter

davon mit einer bisherigen Verweildauer von …

… unter 3 Monaten

… 3 bis unter 6 Monaten

… 6 bis unter 12 Monaten

… 1 bis unter 2 Jahren

… 2 bis unter 3 Jahren

… 3 bis unter 4 Jahren

… 4 Jahren und länger

9.798

694

665

1.140

1.864

1.446

1.307

2.682

9.816

304

331

536

818

668

644

6.515

51.922

3.034

2.744

4.259

6.286

4.814

3.841

26.944

13.071

432

400

640

1.146

1.033

912

8.508

Tabelle 4.1: Kinder und erwerbsfähige Leistungsberechtigte: Bestand klassiert nach bisheriger Verweildauer * – Stadt Bremen(31-Tage-Lücke-Regel: Nettodauer*),*›Dauer mit Unterbrechungen von bis zu 31 Tagen: Unterbrechungen von bis zu 31 Tagen werden als unschädlich bewertet und begründen keine neue Dauerermittlung. Unterbrechungszeiten werden herausgerechnet, es handelt sich also um eine Nettodauer‹ (Statistik der Bundesagentur für Arbeit).**SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (Hartz IV)

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Berechnungen

127126BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

In einer ähnlich schwierigen Situation befandensich auch viel zu viele Kinder im Dezember 2013.In der Altersgruppe von 7 bis unter 15 Jahren(2.717 Kinder) leben ebenfalls rund zwei Drittelbereits vier Jahre und länger in einer Bedarfsge-meinschaft (SGB II), in der ihre Mütter und/oderVäter auf Grundsicherungsleistungen angewiesensind. Einen relativ kurzfristigen Leistungsbezug,von weniger als einem Jahr, erlebten hingegenlediglich 376 Kinder in dieser Altersgruppe (14 Pro-zent). Die auffällig geringere Zahl der Kinder, dieim Alter von unter 7 Jahren bereits länger als vierJahre in einer Bedarfsgemeinschaft leben (22,5 Pro-zent), hängt in erster Linie damit zusammen, dassein großer Teil dieser Kinder noch jünger als vierJahre ist. Etwa jedes vierte Kind in dieser Alters-gruppe von unter 7 Jahren (insgesamt 727 Kinder)lebt relativ kurzfristig – unter einem Jahr – ineiner Bedarfsgemeinschaft, die auf Grundsiche-rungsleistungen angewiesen ist.19

Zu Tabelle 4.2Verweildauer von erwerbsfähigen Leistungs-berechtigten und Kindern im LeistungsbezugStadt Bremerhaven

In Einkommensarmut zu leben und dementspre-chend mit wenig Geld wirtschaften zu müssenwird umso schwieriger, je länger eine Phase imGrundleistungsbezug (SGB II) anhält. Einigenerwerbsfähigen Leistungsberechtigten gelingt zwarder ›Ausstieg‹ aus dem Leistungsbezug, zum Bei-spiel, wenn sie eine hinreichend bezahlte Erwerbs-tätigkeit aufnehmen. Immer schwieriger wird dieSituation jedoch, wenn sich der Leistungsbezuglänger hinzieht und letztlich auch die Hoffnungverloren geht, den Leistungsbezug überwinden zukönnen. Denn längere Phasen des Leistungsbezugskönnen das Selbstbewusstsein untergraben undhaben nachweislich negative Wirkungen, insbeson-dere auch auf im Haushalt lebende Kinder. Des-halb ist die Verweildauer im Leistungsbezug einwichtiger Faktor bei der Einschätzung der Folge-wirkungen von Armut. Ein Blick auf die 13.849erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (Dezember2013) zeigt, dass sich etwas mehr als die Hälfte vonihnen (54,7 Prozent) bereits vier Jahre und längerim Leistungsbezug befindet (Arbeitslosengeld II),davon 51,4 Prozent der Männer und 57,9 Prozentder Frauen. Bereits zwei Jahre und länger bezogen9.655 Menschen Leistungen (69,7 Prozent).18 Relativkurzfristig im Leistungsbezug (weniger als 12Monate) waren im Dezember 2013 lediglich 2.643Menschen (19 Prozent). Noch schwieriger ist dieSituation für die 3.744 erwerbsfähigen Leistungsbe-rechtigten im Alter von 50 Jahren und älter. Vonihnen waren im Dezember 2013 insgesamt 2.511Menschen bereits vier Jahre oder länger auf Grund-sicherungsleistungen angewiesen (67,1 Prozent).

18 Nachrichtlich: Als ›Lang-

zeitbezieher‹ im Sinne der

Kennzahlen nach § 48a

SGB II und der entsprechen-

den Verordnung galten im

Dezember 2013 in der

Stadt Bremerhaven insge-

samt 9.914 (71,6 Prozent)

der 13.849 erwerbsfähigen

Leistungsberechtigten

(Quelle: sgb2.info; eigene

Berechnungen). Als ›Lang-

zeitbezieher‹ gelten alle

erwerbsfähigen Leistungs-

berechtigten (im Alter von

17 Jahren und älter), die in

den vergangenen 24 Mona-

ten mindestens 21 Monate

hilfebedürftig waren.

19 Die Netto-Verweildauern,

insbesondere die der Kin-

der im Alter von unter 7

Jahren, sind verzerrt, da in

der zweiten Jahreshälfte

2011 ein nicht unerheb-

licher Teil der Kinder in der

Stadt Bremerhaven durch

das Jobcenter aus dem

Bestand entfernt bezie-

hungsweise nicht erfasst

wurde (vgl. Bericht zur

sozialen Lage 2012,

S. 157). Diese aus der

Statistik ›verschwundenen‹

Kinder wurden im Verlauf

des Jahres 2012 wieder

beziehungsweise neu erfas-

st. Dabei wurde offensicht-

lich i.d.R. eine neue Ver-

weildauer (beginnend mit

der Neu- beziehungsweise

Wiedererfassung) ermittelt

und vorangegangene Ver-

weildauern außer Acht

gelassen. Deutlich wird

dies insbesondere an dem

im Vergleich zur Stadt Bre-

men besonders hohen

Anteil von Kindern mit einer

Verweildauer von 6 bis

unter 12 Monaten. Mit

anderen Worten: Der Anteil

der Kinder mit einer Ver-

weildauer von vier Jahren

und länger ist aufgrund der

unkorrekten statistischen

Erfassung der Kinder in

der Stadt Bremerhaven

(2011/12) anders, als der

Anteil an den erwerbsfähi-

gen Leistungsberechtigten,

geringer als in der Stadt

Bremen. Eine statistische

›Spätfolge‹.

insgesamtDezember 2013

100%

9,3%

7,6%

11,7%

24,1%

14,9%

9,8%

22,5%

100%

3,8%

3,4%

6,6%

15,5%

7,3%

4,3%

59,0%

100%

6,0%

5,2%

7,8%

11,2%

8,7%

6,3%

54,7%

100%

2,8%

2,5%

4,6%

8,4%

8,6%

6,0%

67,1%

1.320

1.368

6.766

469

376

589

812

597

445

3.478

1.920

100%

100%

100%

6,9%

5,6%

8,7%

12,0%

8,8%

6,6%

51,4%

100%

1.222

1.349

7.083

366

349

494

739

604

427

4.104

1.824

100%

100%

100%

5,2%

4,9%

7,0%

10,4%

8,5%

6,0%

57,9%

100%

männlich weiblich

Kinder in SGB-II-BG** im Alter von unter 7 Jahren

davon mit einer bisherigen Verweildauer von …

… unter 3 Monaten

… 3 bis unter 6 Monaten

… 6 bis unter 12 Monaten

… 1 bis unter 2 Jahren

… 2 bis unter 3 Jahren

… 3 bis unter 4 Jahren

… 4 Jahren und länger

Kinder in SGB-II-BG** im Alter von 7 bis unter 15 Jahren

davon mit einer bisherigen Verweildauer von …

… unter 3 Monaten

… 3 bis unter 6 Monaten

… 6 bis unter 12 Monaten

… 1 bis unter 2 Jahren

… 2 bis unter 3 Jahren

… 3 bis unter 4 Jahren

… 4 Jahren und länger

erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)

davon mit einer bisherigen Verweildauer von …

… unter 3 Monaten

… 3 bis unter 6 Monaten

… 6 bis unter 12 Monaten

… 1 bis unter 2 Jahren

… 2 bis unter 3 Jahren

… 3 bis unter 4 Jahren

… 4 Jahren und länger

darunter

erwerbsfähige Leistungsberechtigte 50 Jahre und älter

davon mit einer bisherigen Verweildauer von …

… unter 3 Monaten

… 3 bis unter 6 Monaten

… 6 bis unter 12 Monaten

… 1 bis unter 2 Jahren

… 2 bis unter 3 Jahren

… 3 bis unter 4 Jahren

… 4 Jahren und länger

2.542

237

193

297

612

380

250

573

2.717

103

93

180

422

199

116

1.604

13.849

835

725

1.083

1.551

1.201

872

7.582

3.744

105

92

173

315

323

225

2.511

Tabelle 4.2: Kinder und erwerbsfähige Leistungsberechtigte: Bestand klassiert nach bisheriger Verweildauer * – Stadt Bremerhaven(31-Tage-Lücke-Regel: Nettodauer*),*›Dauer mit Unterbrechungen von bis zu 31 Tagen: Unterbrechungen von bis zu 31 Tagen werden als unschädlich bewertet und begründen keine neue Dauerermittlung. Unterbrechungszeiten werden herausgerechnet, es handelt sich also um eine Nettodauer‹ (Statistik der Bundesagentur für Arbeit).**SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (Hartz IV)

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Berechnungen

129128BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Zu Tabelle 5.1Erwerbsfähige Leistungsberechtigte Bremen im Großstädtevergleich

Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigteninsgesamt ist in Deutschland zwischen 2008 und2013 leicht rückläufig. Das gilt, wie Tabelle 5.1zeigt, auch für viele der großen Großstädte. Ange-stiegen ist die Gesamtzahl lediglich in Essen undgeringfügig in München. In Düsseldorf, Dortmundund Stuttgart verharrt die Gesamtzahl der Leis-tungsberechtigten in etwa auf dem gleichenNiveau. Das gilt auch für die Stadt Bremen: Hierwaren im Jahr 2008 insgesamt 52.710 leistungs-berechtigt (14,5 Prozent), im Jahr 2013 waren es mit 52.584 nur etwas weniger Menschen (14,4 Pro-zent).20

Höhere Quoten beim Arbeitslosengeld II als in Bre-men kennzeichnen im Jahr 2013 die Ruhrgebiets-städte Essen21 (16,5 Prozent), Duisburg (15,1 Pro-zent) und Dortmund (15,4 Prozent) sowie Leipzig(15,9) und besonders Berlin (18,2 Prozent). BessereQuoten erreichen im Jahr 2013 Köln (11,5 Prozent),Düsseldorf (11,4 Prozent), Dresden (11,1 Prozent),die Region Hannover (11,3 Prozent), Hamburg (11,1Prozent), Frankfurt am Main (10,1 Prozent) undNürnberg (9,9 Prozent). Mit Abstand am geringstensind die Quoten in München (5,4 Prozent) undStuttgart (6,9 Prozent).

20 Anders ausgedrückt: 144

von 1.000 Einwohnerinnen

und Einwohnern im Alter

von 15 bis unter 65 Jahren.

21 2007 und 2008 noch auf

(dem besseren) Rang 5 und

in den Jahren 2009 bis

2010 auf Rang 4 hinter

Berlin, Leipzig und Duis-

burg (und Dortmund in den

Jahren 2007 und 2008).

Tabelle 5.1: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb) und eLb-Quote: Städtevergleich BremenStadt Bremen und 14 Vergleichsstädte (alle bundesdeutschen Großstädte mit mehr als 400.000 Einwohnerinnen und

Einwohnern insgesamt)

Hamburg

Hannover (Region)

Bremen

Düsseldorf

Duisburg

Essen

Köln

Dortmund

Frankfurt am Main

Stuttgart

München

Nürnberg

Berlin

Dresden

Leipzig

Deutschland

Westdeutschland

2008 2009 2010 2011 2012 2013

144.972 142.689 142.965 135.250 131.232 130.701

85.183 85.981 87.825 85.276 82.422 82.991

52.710 52.660 53.930 52.497 52.120 52.584

46.135 45.828 47.537 46.955 45.654 45.472

51.124 50.711 51.398 49.498 48.645 48.361

57.444 57.862 59.138 57.856 59.268 61.344

85.491 83.592 85.095 82.870 81.121 81.501

59.023 57.809 59.460 58.523 57.797 58.726

50.355 50.138 50.512 48.676 48.124 48.897

28.886 29.467 30.456 28.703 26.967 28.384

51.221 52.682 55.106 53.490 51.662 51.761

35.577 35.672 36.458 34.166 32.770 32.867

446.764 439.376 440.083 432.525 422.227 418.150

45.359 43.827 43.534 41.035 39.056 37.857

64.446 62.738 61.557 58.864 55.634 54.329

5.011.438 4.909.085 4.894.219 4.615.057 4.442.894 4.423.731

3.241.229 3.224.817 3.265.763 3.086.243 2.988.698 3.006.413

Großstädte(> 400.000 EW)

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; Statistische Ämter des Bundes und der Länder; eigene Berechnungen

* Berechnungsgrundlage: eLb einschließlich der geringen Zahl von eLb im Alter von 65 Jahren und einen Monat (2012) bzw. 65 Jahren und zwei

Monate (2013); Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, bis Ende 2010 ›alte‹, ab Ende 2011 ›neue‹ Bevölkerungsfortschreibung

** vorläufig; bezogen auf Bevölkerung Ende 2012 (›neue‹ Bevölkerungsfortschreibung)

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)Jahresdurchschnitt

Berlin

Essen

Leipzig

Dortmund

Duisburg

Bremen

Köln

Düsseldorf

Hannover (Region)

Hamburg

Dresden

Frankfurt am Main

Nürnberg

Stuttgart

München

Deutschland

Westdeutschland

2008 2009 2010 2011 2012 2013**

18,8% 1 18,5% 1 18,6% 1 18,7% 1 18,5% 1 18,2% 1

15,2% 5 15,4% 4 15,8% 4 15,5% 3 15,9% 3 16,5% 2

18,6% 2 18,2% 2 17,8% 2 17,3% 2 16,4% 2 15,9% 3

15,3% 4 15,1% 5 15,5% 5 15,3% 5 15,1% 5 15,4% 4

15,9% 3 15,8% 3 16,1% 3 15,5% 4 15,2% 4 15,1% 5

14,5% 6 14,5% 6 14,9% 6 14,5% 6 14,3% 6 14,4% 6

12,5% 8 12,2% 8 12,4% 8 11,9% 8 11,5% 7 11,5% 7

11,7% 10 11,6% 11 12,0% 9 11,8% 9 11,5% 9 11,4% 8

11,5% 11 11,6% 10 11,8% 10 11,6% 10 11,3% 10 11,3% 9

11,9% 9 11,8% 9 11,8% 11 11,3% 11 11,2% 11 11,1% 10

13,3% 7 12,8% 7 12,7% 7 12,1% 7 11,5% 8 11,1% 11

10,9% 12 10,8% 12 10,7% 13 10,3% 12 10,0% 12 10,1% 12

10,5% 13 10,6% 13 10,8% 12 10,2% 13 9,9% 13 9,9% 13

7,0% 14 7,1% 14 7,3% 14 7,0% 14 6,6% 14 6,9% 14

5,6% 15 5,7% 15 5,9% 15 5,7% 15 5,4% 15 5,4% 15

9,2% x 9,1% x 9,1% x 8,6% x 8,4% x 8,3% x

7,5% x 7,5% x 7,6% x 7,2% x 7,0% x 7,0% x

Großstädte(> 400.000 EW)

eLb-Quote* (Rang: negativ)Jahresdurchschnitt

131130BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Der Anteil der erwerbsfähigen Leistungsberechtig-ten (eLb) an der Bevölkerung im Alter von 15 bisunter 65 Jahren reicht dagegen von 5,3 Prozent inMünchen bis 18 Prozent in Berlin (Dezember 2012:von 5,2 Prozent in München bis 18,1 Prozent inBerlin).24 In der Stadt Bremen waren 14,2 Prozentder Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jah-ren auf Arbeitslosengeld II angewiesen (Dezember2012: 14,1 Prozent). In allen Städten liegt diese eLb-Quote im Dezember 2013 über der Arbeitslosen-quote, bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen,mal mehr, mal weniger deutlich. In den StädtenBerlin, Leipzig, Bremen, Essen und Hamburg istdiese eLb-Quote im Vergleich zur registriertenArbeitslosenquote besonders hoch. Der wesentlichengere Zusammenhang zwischen der Höhe derArbeitslosenquote und der eLb-Quote (Anteil dererwerbsfähigen Leistungsberechtigten an der Bevöl-kerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren), alszwischen der Arbeitslosenquote und der Arbeitslo-sengeld-Quote (Anteil der Arbeitslosengeld-Empfän-ger gemäß SGB III an der Bevölkerung im Alter von15 bis unter 65 Jahren) zeigt: Das Arbeitslosengeldgemäß SGB III (Sozialgesetzbuch Drittes Buch –Arbeitsförderung) hat keine oder kaum eine (finan-ziell) ausgleichende Wirkung zwischen den Städ-ten mit einer hohen und denen mit einer niedri-gen Arbeitslosenquote. Der Ausgleich zwischenden Städten mit hoher und Städten mit niedrigerArbeitslosigkeit erfolgt nahezu ausschließlichdurch das in der Regel wesentlich geringereArbeitslosengeld II.

Zur Abbildung 3Arbeitslosengeld- und Arbeitslosengeld-IIEmpfänger pro 100 Einwohner im Alter von15 bis unter 65 Jahren im Vergleich zurArbeitslosenquotealle 15 Großstädte(einschließlich Region Hannover)

Der Vergleich der Zahlen der Arbeitslosengeld- undArbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfän-gern pro 100 Einwohnerinnen und Einwohner imAlter von 15 bis unter 65 Jahren mit der Arbeitslo-senquote in den 15 Großstädten mit mehr als400.000 Einwohnern und Einwohnerinnen (ein-schließlich Region Hannover) zeigt: Die Arbeitslo-senquote, bezogen auf alle zivilen Erwerbsperso-nen, reichte in den 15 Großstädten im Dezember2013 von 5 Prozent in München bis 12,5 Prozent in Duisburg und Dortmund (Dezember 2012: von4,9 Prozent in München bis 12,6 Prozent in Dort-mund).Die Höhe der Arbeitslosenquote hat (in diesem

Querschnittsvergleich) weiterhin kaum einen Einfluss auf den Anteil der Menschen mit einemAnspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosen-geld (SGB III) an der Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren. Lediglich der Anteil dererwerbsfähigen Leistungsberechtigten (Menschen,die auf das steuerfinanzierte Arbeitslosengeld IIangewiesen sind) an der Bevölkerung im Alter von15 bis 65 Jahren ist in Städten mit einer höherenArbeitslosenquote wesentlich höher als in Städtenmit einer niedrigeren Arbeitslosenquote.Der Anteil der arbeitslosen22 Frauen und Männer

mit einem Anspruch auf das beitragsfinanzierteArbeitslosengeld reicht in den 15 Großstädten von1,2 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohnerim Alter von 15 bis unter 65 Jahren in Stuttgart(Minimum) bis jeweils 1,8 Prozent in Nürnberg, Leipzig, Berlin, Duisburg und Dortmund (Maxi-mum aller 15 Großstädte). In der Stadt Bremen hat-ten bei einer Arbeitslosenquote23 von 9,9 Prozent(Dezember 2012: 10,2 Prozent) lediglich 1,5 Prozent(Dezember 2012: 1,6 Prozent) der Bevölkerung imAlter von 15 bis unter 65 Jahren einen Anspruchauf Arbeitslosengeld (SGB III).

22 Registrierte und nicht

registrierte Arbeitslose.

23 Hier immer die Arbeitslo-

senquote bezogen auf alle

zivilen Erwerbspersonen.

24 eLb-Quoten im Dezember

2012 und 2013 berechnet

auf Grundlage der Ergebnis-

se der ›neuen‹ Bevölkerungs-

fortschreibung: Bevölkerung

im Alter von 15 bis unter 65

Jahren Ende 2012. Entspre-

chende Bevölkerungsdaten

für Ende 2013 lagen bei

Redaktionsschluss nicht vor.

Insofern sind die eLb-Quoten

im Dezember 2013 als vor-

läufige Quoten zu betrachten.

M S F HH N H DD D K HB L B E DU DO

Arbeitslosenquote (bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen) (linke Skala) 12/2013

Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen (SGB II/›Hartz IV‹) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala) 12/2013

Arbeitslosengeld-Empfänger/innen (SGB III) pro 100 EW (15-64) (rechte Skala)12/2013

Abb. 3: Arbeitslosengeld- und Arbeitslosengeld-II-Empfänger/innen pro 100 Einwohner/innen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren1 im Vergleich zur Arbeitslosenquote2

Alle 15 Großstädte (>400.000 EW), Dezember 2013 (revidierte Daten)

Quellen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA); Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

20

19

18

17

16

15

14

13

12

11

10

9

8

7

6

5

4

3

2

1

0

20%

19%

18%

17%

16%

15%

14%

13%

12%

11%

10%

9%

8%

7%

6%

5%

4%

3%

2%

1%

0%

5,3

6,9

10,1 10

,9

9,8

11,2

10,7 11

,3

11,4

14,2

15,4

18,0

16,5

14,9 15

,2

5,0%

5,5%

7,0% 7,

3% 7,4% 7,

8%

8,4% 8,

6%

9,5% 9,

9% 10,3

%

11,2

%

12,1

% 12,5

%

12,5

%

1,5

1,2

1,5 1,7 1,8

1,6 1,7

1,7

1,7

1,5 1,

8

1,8

1,7 1,8

1,8

M MünchenS StuttgartF Frankfurt / Main

HH HamburgN NürnbergH Hannover

(Region)

D DüsseldorfK KölnDD Dresden

HB BremenL LeipzigE Essen

B BerlinDO DortmundDU Duisburg

1 Ende 2011 (neuere Bevölkerungsdaten lagen bei Redaktionsschluss nicht für alle Städte vor)

2 bezogen auf die abhängigen Erwerbspersonen

133132BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

In allen anderen 11 vergleichbaren Großstädtenwaren die Quoten 2013 erheblich niedriger. Eben-falls relativ hohe Quoten kennzeichnen auch dieStädte Wilhelmshaven (16,1 Prozent) und Offen-bach am Main (16 Prozent), wie auch Gera (15,9Prozent) und Rostock (15,4 Prozent). Mit einemdeutlichen Abstand folgen Oldenburg und Osn-abrück (jeweils 11,1 Prozent). In Darmstadt (8,4 Pro-zent), Heilbronn (7,5 Prozent), Wolfsburg (6,7 Pro-zent) und in Regensburg (5,8 Prozent) liegen dieQuoten der erwerbsfähigen Leistungsberechtigtenzum Teil deutlich unterhalb von 10 Prozent.

Zu Tabelle 5.2:Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)und eLb-Quote: Städtevergleich Bremerhaven

Wie die Tabelle zeigt, sind auch in den mit Bremer-haven vergleichbaren Großstädten zwischen 2008und 2013 die Quoten der erwerbsfähigen Leistungs-berechtigten rückläufig. Das gilt jedoch nicht fürOsnabrück mit einem leichten Anstieg und fürBottrop, wo die Gesamtzahl in etwa auf dem glei-chen Niveau geblieben ist. Für die Stadt Bremerha-ven ist ein Rückgang von 15.924 Leistungsberech-tigten (2008) auf 13.986 im Jahr 2013 erkennbar.Das entspricht einem Rückgang von 21,3 Prozentauf 20 Prozent im entsprechenden Zeitraum (bezo-gen auf alle Einwohnerinnen und Einwohner imerwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren).25

25 Anders ausgedrückt: 200

von 1.000 Einwohnerinnen

und Einwohnern im Alter

von 15 bis unter 65 Jahren.

Die Quoten in diesem

Abschnitt beziehen sich

auf die Zahl der Einwoh-

ner/innen im Alter von 15

bis unter 65 Jahren nach

der ›alten‹ Bevölkerungs-

fortschreibung bis Ende

2010 und der ›neuen‹

Bevölkerungsfortschreibung

ab Ende 2011. Auf Basis

der ›alten‹ Bevölkerungs-

fortschreibung bis Ende

2013 (Quelle: Magistrat

Bremerhaven), die aus

Sicht des Magistrats der

Stadt Bremerhaven den

Bevölkerungsbestand in der

Stadt Bremerhaven kor-

rekt(er) zum Ausdruck

bringt, ergäbe sich in der

Stadt Bremerhaven für

2013 eine eLb-Quote von

19,1 Prozent statt 20 Pro-

zent. Siehe dazu die Anmer-

kungen zur ›alten‹ und ›neu-

en‹ Bevölkerungsfortschrei-

bung auf Grundlage des

Zensus 2011 in Abschnitt

7.2.

Tabelle 5.2: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb) und eLb-Quote: Städtevergleich BremerhavenStadt Bremerhaven und 11 Vergleichsstädte

Wolfsburg

Oldenburg (Oldb.)

Osnabrück

Wilhelmshaven

Bremerhaven

Bottrop

Darmstadt

Offenbach am Main

Heilbronn

Regensburg

Rostock

Gera

Deutschland

Westdeutschland

2008 2009 2010 2011 2012 2013

6.322 6.142 6.196 5.592 5.274 5.259

12.861 13.094 13.235 12.552 12.118 12.135

11.286 11.792 12.256 11.998 11.599 11.741

8.528 8.425 8.514 8.200 7.849 7.827

15.924 15.063 15.183 14.815 14.103 13.986

8.258 8.158 8.494 8.399 8.312 8.242

9.063 8.886 8.697 8.160 8.146 8.601

12.931 12.649 12.738 12.256 12.177 12.579

6.113 6.247 6.521 5.848 5.506 5.732

7.051 7.150 7.074 6.218 5.775 5.653

24.929 23.635 23.375 22.239 21.124 20.673

11.670 11.308 11.055 10.245 9.817 9.567

5.011.438 4.909.085 4.894.219 4.615.057 4.442.894 4.423.731

3.241.229 3.224.817 3.265.763 3.086.243 2.988.698 3.006.413

Bremerhaven und11 Vergleichsstädte

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; Statistische Ämter des Bundes und der Länder; eigene Berechnungen

* Berechnungsgrundlage: eLb einschließlich der geringen Zahl von eLb im Alter von 65 Jahren und einen Monat (2012) bzw. 65 Jahren und zwei

Monate (2013); Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, bis Ende 2010 ›alte‹, ab Ende 2011 ›neue‹ Bevölkerungsfortschreibung

** vorläufig; bezogen auf Bevölkerung Ende 2012 (›neue‹ Bevölkerungsfortschreibung)

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)Jahresdurchschnitt

Bremerhaven

Wilhelmshaven

Offenbach am Main

Gera

Rostock

Oldenburg (Oldb.)

Osnabrück

Bottrop

Darmstadt

Heilbronn

Wolfsburg

Regensburg

Deutschland

Westdeutschland

2008 2009 2010 2011 2012 2013**

21,3% 1 20,3% 1 20,6% 1 20,1% 1 19,7% 1 20,0% 1

16,2% 4 16,1% 4 16,3% 4 15,6% 4 15,6% 4 16,1% 2

16,1% 5 15,7% 5 15,8% 5 14,9% 5 15,0% 5 16,0% 3

17,4% 3 17,3% 3 17,2% 3 16,1% 3 15,9% 2 15,9% 4

18,3% 2 17,5% 2 17,4% 2 16,4% 2 15,6% 3 15,4% 5

11,7% 6 11,9% 6 11,9% 6 11,2% 6 11,0% 6 11,1% 6

10,2% 8 10,6% 7 11,0% 8 10,7% 8 10,6% 8 11,1% 7

10,6% 7 10,6% 8 11,0% 7 10,9% 7 10,8% 7 10,7% 8

9,3% 9 9,1% 9 8,9% 9 8,1% 9 7,9% 9 8,4% 9

7,6% 12 7,8% 11 8,1% 10 7,2% 10 6,9% 10 7,5% 10

8,2% 10 8,0% 10 8,0% 11 7,2% 11 6,7% 11 6,7% 11

7,7% 11 7,7% 12 7,6% 12 6,6% 12 6,0% 12 5,8% 12

9,2% x 9,1% x 9,1% x 8,6% x 8,4% x 8,3% x

7,5% x 7,5% x 7,6% x 7,2% x 7,0% x 7,0% x

Bremerhaven und11 Vergleichsstädte

eLb-Quote (Rang: negativ)Jahresdurchschnitt

135134BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Zu Tabelle 6.1Menschen in SGB-II-Bedarfsgemeinschaftennach Erwerbsstatus: arbeitsuchend, arbeitslosStadt Bremen

Von den 51.922 erwerbsfähigen Leistungsberechtig-ten im Dezember 2013 galten im Sinne der amt-lichen Statistik der Grundsicherung für Arbeit-suchende nach dem SGB II 72 Prozent (37.370) alsarbeitsuchend (nicht arbeitslose und arbeitsloseArbeitsuchende zusammen) und lediglich 42,3 Pro-zent (21.948) als arbeitslos (arbeitslose Arbeitsu-chende). Bei den 25.423 männlichen erwerbsfähi-gen Leistungsberechtigten stellt sich dies wie folgtdar: 78 Prozent (19.826) galten als arbeitsuchend(nicht arbeitslose und arbeitslose Arbeitsuchende)und 47,4 Prozent (12.045) als arbeitslos (arbeitsloseArbeitsuchende).Im Sinne der amtlichen Statistik deutlich

seltener arbeitsuchend beziehungsweise arbeitslossind die weiblichen erwerbsfähigen Leistungsbe-rechtigten: Im Dezember 2013 galten von den26.499 weiblichen erwerbsfähigen Leistungsberech-tigten 66,2 Prozent (17.544) als arbeitsuchend(nicht arbeitslose und arbeitslose Arbeitsuchende)und 37,4 Prozent (9.903) als arbeitslos (arbeitsloseArbeitsuchende).

Als nicht arbeitslos im Sinne der amtlichen Statis-tik gelten unter anderem erwerbsfähige Leistungs-berechtigte in arbeitsmarktpolitischen Maßnah-men, in Erwerbstätigkeit (15 und mehr Wochen-stunden), in Schule und Ausbildung, wegen Erzie-hung kleiner Kinder (unter drei Jahren) und Pflege Angehöriger, wegen Arbeitsunfähigkeit undaufgrund von Sonderregelungen für Ältere (unteranderem § 53a Abs. 2 SGB II).

Anmerkung: Die Zahl von 21.948 arbeitslosenerwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Dezem-ber 2013 (revidierte Daten der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach einerWartezeit von drei Monaten) weicht geringfügigvon der (höheren) Zahl der von der Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeitnah berichtetenArbeitslosen im Rechtskreis SGB II ab. Dies warenim Dezember 2013 insgesamt 22.366.

Tabelle 6.1: Personen in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften nach Erwerbsstatus:arbeitsuchend, arbeitslos – BremenDezember 2013

Personen in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG)

nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte

erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)

darunter:

n arbeitsuchend (arbeitslose und nicht arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitsuchend (in % von eLb)

darunter:

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende) (in % von eLb)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter 25 Jahren

(eLb unter 25 Jahren)

n darunter:

n arbeitsuchend (arbeitslose und nicht arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitsuchend (in % von eLb unter 25 Jahren)

darunter:

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

(in % von eLb unter 25 Jahren)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte 25 Jahre und älter

(eLb 25 Jahre und älter)

darunter:

n arbeitsuchend (arbeitslose und nicht arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitsuchend (in % von eLb 25 Jahre und älter)

darunter:

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

(in % von eLb 25 Jahre und älter)

insgesamt männlich weiblich

72.386 35.918 36.468 50,4%

20.464 10.495 9.969 48,7%

51.922 25.423 26.499 51,0%

37.370 19.826 17.544 46,9%

72,0% 78,0% 66,2% x

21.948 12.045 9.903 45,1%

42,3% 47,4% 37,4% x

9.157 4.438 4.719 51,5%

2.922 1.652 1.270 43,5%

31,9% 37,2% 26,9% x

2.011 1.144 867 43,1%

22,0% 25,8% 18,4% x

42.765 20.985 21.780 50,9%

34.448 18.174 16.274 47,2%

80,6% 86,6% 74,7% x

19.937 10.901 9.036 45,3%

46,6% 51,9% 41,5% xQuelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Berechnungen

137136BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Anmerkung: Die Zahl von 6.419 arbeitslosenerwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Dezem-ber 2013 (revidierte Daten der Statistik der Grund-sicherung für Arbeitsuchende nach einer Warte-zeit von drei Monaten) weicht geringfügig von der(höheren) Zahl der von der Statistik der Bundes-agentur für Arbeit zeitnah berichteten Arbeits-losen im Rechtskreis SGB II ab. Dies waren imDezember 2013 insgesamt 6.830.

Zu Tabelle 6.2Menschen in SGB-II-Bedarfsgemeinschaftennach Erwerbsstatus: arbeitsuchend, arbeitslosStadt Bremerhaven

Von den 13.849 erwerbsfähigen Leistungsberechtig-ten im Dezember 2013 galten in Sinne der amtli-chen Statistik der Grundsicherung für Arbeitsu-chende nach dem SGB II 74,8 Prozent (10.359) alsarbeitsuchend (nicht arbeitslose und arbeitsloseArbeitsuchende zusammen) und lediglich 46,3 Pro-zent (6.419) als arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchen-de). Bei den 6.766 männlichen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten stellt sich dies wie folgt dar:81,1 Prozent (5.487) galten als arbeitsuchend (nichtarbeitslose und arbeitslose Arbeitsuchende) und52,4 Prozent (3.544) als arbeitslos (arbeitsloseArbeitsuchende).Im Sinne der amtlichen Statistik deutlich selte-

ner arbeitsuchend beziehungsweise arbeitslos sinddie weiblichen erwerbsfähigen Leistungsberechtig-ten: Im Dezember 2013 galten von den 7.083 weib-lichen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten 68,8Prozent (4.872) als arbeitsuchend (nicht arbeitsloseund arbeitslose Arbeitsuchende) und 40,6 Prozent(2.875) als arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende). Als nicht arbeitslos im Sinne der amtlichen

Statistik gelten unter anderem erwerbsfähige Leistungsberechtigte in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, in Erwerbstätigkeit (15 und mehrWochenstunden), in Schule und Ausbildung,wegen Erziehung kleiner Kinder (unter drei Jahren)und Pflege Angehöriger, wegen Arbeitsunfähigkeitund aufgrund von Sonderregelungen für Ältere(unter anderem § 53a Abs. 2 SGB II).

Tabelle 6.2: Personen in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften nach Erwerbsstatus:arbeitsuchend, arbeitslos – BremerhavenDezember 2013

Personen in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften (BG)

nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte

erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb)

darunter:

n arbeitsuchend (arbeitslose und nicht arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitsuchend (in % von eLb)

darunter:

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende) (in % von eLb)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter 25 Jahren

(eLb unter 25 Jahren)

n darunter:

n arbeitsuchend (arbeitslose und nicht arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitsuchend (in % von eLb unter 25 Jahren)

darunter:

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

(in % von eLb unter 25 Jahren)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte 25 Jahre und älter

(eLb 25 Jahre und älter)

darunter:

n arbeitsuchend (arbeitslose und nicht arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitsuchend (in % von eLb 25 Jahre und älter)

darunter:

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

n arbeitslos (arbeitslose Arbeitsuchende)

(in % von eLb 25 Jahre und älter)

insgesamt männlich weiblich

19.312 9.549 9.763 50,6%

5.463 2.783 2.680 49,1%

13.849 6.766 7.083 51,1%

10.359 5.487 4.872 47,0%

74,8% 81,1% 68,8% x

6.419 3.544 2.875 44,8%

46,3% 52,4% 40,6% x

2.568 1.236 1.332 51,9%

888 490 398 44,8%

34,6% 39,6% 29,9% x

555 303 252 45,4%

21,6% 24,5% 18,9% x

11.281 5.530 5.751 51,0%

9.471 4.997 4.474 47,2%

84,0% 90,4% 77,8% x

5.864 3.241 2.623 44,7%

52,0% 58,6% 45,6% xQuelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II; eigene Berechnungen

139138BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Zu Tabelle 7.1Anteil der erwerbsfähigen Leistungsberech-tigten und nicht erwerbsfähigen Leistungs-berechtigten (unter 15 Jahren) an der Bevölkerung im entsprechenden AlterStadt Bremen: Stadtteile und ausgewählte Ortsteile

Im Dezember 2013 waren im stadtbremischenDurchschnitt 14,2 Prozent der Bevölkerung imAlter von 15 bis unter 65 Jahren auf Arbeitslosen-geld II angewiesen (erwerbsfähige Leistungsberech-tigte), 13,9 Prozent der Männer und 14,6 Prozentder Frauen im entsprechenden Alter.26 Im selbenMonat lebten im stadtbremischen Durchschnitt29,6 Prozent der Kinder im Alter von unter 15 Jah-ren in Bedarfsgemeinschaften, in denen ihre Müt-ter und/oder Väter – ganz oder ergänzend – aufArbeitslosengeld II angewiesen waren. Diese beidenDurchschnittswerte sagen jedoch nichts darüberaus, ob es in bestimmten Bremer Stadtteilen undOrtsteilen nicht viel höhere oder auch geringereWerte gibt. Deshalb sind in der nebenstehendenTabelle die kleinräumigen Werte für die BremerStadtteile und Ortsteile aufgeführt.

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Arbeitslosengeld II)

Die entsprechenden Anteile in den Bremer Stadttei-len reichten insgesamt von 3,9 Prozent in Schwach-hausen bis 27,9 Prozent in Gröpelingen. Die Stadt-teile mit der höchsten Arbeitslosengeld-II-Quotesind neben Gröpelingen, die Stadtteile Huchting(20,2 Prozent), die Vahr (20 Prozent) und Osterholz(19,4 Prozent). Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen

reichten von 1,5 Prozent in Borgfeld bis 34 Prozentin Gröpelingen. Die Ortsteile mit der höchstenArbeitslosengeld-II-Quote sind neben Gröpelingendie Ortsteile Tenever (31,9 Prozent), die Neue VahrNord (26,2 Prozent), Kattenturm (23,4 Prozent) undSodenmatt (23,3 Prozent). Die Arbeitslosengeld-II-Quoten der Frauen reichten auf Ortsteilebene von1,2 Prozent bis 36,8 Prozent, die der Männer von1,7 Prozent bis 31,2 Prozent.

Nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Alter von unter 15 Jahren (Sozialgeld)

Die entsprechenden Quoten der Kinder unter 15Jahren, die von Sozialgeld leben, reichten in denStadtteilen von 6,4 Prozent in Schwachhausen bis58,1 Prozent in Gröpelingen. Die vier Stadtteile mit der höchsten Quote sind neben dem StadtteilGröpelingen die Stadtteile Huchting (44,7 Prozent),die Vahr (42,7 Prozent) und Osterholz (39,2 Pro-zent). Die entsprechenden Quoten in den Ortstei-len reichten von 1,3 Prozent in Borgfeld bis 58,1Prozent in Gröpelingen (Ortsteil). Die Ortsteile mitder höchsten Quote sind neben Gröpelingen, dieOrtsteile Tenever (54,6 Prozent), die Neue VahrNord (53,2 Prozent), Grohn (52 Prozent), Soden-matt (49,6 Prozent) und Kattenturm (47,1 Prozent).

14,2% 13,9% 14,6% 29,6%

12,5% 13,8% 11,0% 24,6%

12,4% 13,0% 11,8% 26,1%

9,9% 10,4% 9,6% 17,8%

13,7% 11,8% 15,6% 33,5%

16,1% 16,7% 15,4% 33,7%

12,7% 11,7% 13,6% 26,3%

2,6% 2,8% 2,4% 4,6%

23,4% 21,7% 25,2% 47,1%

20,2% 17,8% 22,6% 44,7%

23,3% 19,6% 26,8% 49,6%

3,5% 3,6% 3,3% 5,0%

17,1% 16,8% 17,4% 35,6%

18,5% 18,2% 18,8% 38,5%

11,3% 11,1% 11,5% 24,2%

8,6% 10,5% 6,9% 13,6%

7,2% 9,1% 5,4% 10,2%

10,7% 12,0% 9,4% 19,8%

3,9% 4,1% 3,7% 6,4%

20,0% 16,9% 22,9% 42,7%

9,9% 9,1% 10,7% 21,8%

26,2% 21,6% 30,5% 53,2%

5,5% 5,1% 5,8% 12,0%

1,5% 1,7% 1,2% 1,3%

2,8% 3,2% 2,5% 3,0%

19,4% 17,5% 21,4% 39,2%

31,9% 28,5% 35,4% 54,6%

5,0% 4,9% 5,0% 7,9%

21,6% 20,2% 23,1% 45,8%

13,9% 13,4% 14,4% 28,4%

20,7% 18,9% 22,8% 41,3%

6,7% 6,1% 7,3% 13,0%

10,0% 10,6% 9,5% 18,8%

17,6% 17,9% 17,3% 34,8%

27,9% 26,4% 29,6% 51,6%

34,0% 31,2% 36,8% 58,1%

18,5% 16,6% 20,6% 42,5%

13,6% 12,7% 14,4% 30,3%

19,7% 17,8% 21,6% 39,9%

5,4% 5,6% 5,3% 11,9%

17,0% 16,2% 17,8% 35,7%

20,1% 19,1% 21,2% 52,0%

9,5% 8,4% 10,7% 22,4%

18,5% 17,1% 20,0% 35,5%

21,3% 20,4% 22,3% 35,7%

22,2% 20,0% 24,4% 43,8%

7,0% 5,6% 8,4% 13,7%

34,0% 31,2% 36,8% 58,1%

1,5% 1,7% 1,2% 1,3%

insgesamt Männer Frauen

Tabelle 7.1: Anteil der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten (unter 15 Jahren) an der Bevölkerungim entsprechenden Alter – Stadt- und ausgewählte Ortsteile Bremen1

Dezember 2013

Stadt Bremen insgesamt

dar. Stadtteile und ausgewählte Ortsteile2

11 Stadtteil Mitte

21 Stadtteil Neustadt

213 Neustadt

215 Gartenstadt Süd

218 Huckelriede

23 Stadtteil Obervieland

231 Habenhausen

233 Kattenturm

24 Stadtteil Huchting

242 Sodenmatt

244 Grolland

25 Stadtteil Woltmershausen

251 Woltmershausen

252 Rablinghausen

31 Stadtteil Östliche Vorstadt

312 Fesenfeld

314 Hulsberg

32 Stadtteil Schwachhausen

33 Stadtteil Vahr

331 Gartenstadt Vahr

332 Neue Vahr Nord

34 Stadtteil Horn-Lehe

351 Borgfeld3

361 Oberneuland3

37 Stadtteil Osterholz

373 Tenever

374 Osterholz

375 Blockdiek

38 Stadtteil Hemelingen

383 Hemelingen

384 Arbergen

42 Stadtteil Findorff

43 Stadtteil Walle

44 Stadtteil Gröpelingen

442 Gröpelingen

445 Oslebshausen4

51 Stadtteil Burglesum

513 Burgdamm

515 St. Magnus

52 Stadtteil Vegesack

522 Grohn

523 Schönebeck

53 Stadtteil Blumenthal

531 Blumenthal

533 Lüssum-Bockhorn

535 Rekum

Maximum (Ortsteile)

Minimum (Ortsteile)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte pro Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren1

nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigteunter 15 Jahren1

pro EW unter 15 Jahren2

Quellen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; Statistisches Landesamt Bremen; eigene Berechnungen

StadtStadtteilOrtsteile

1 Bevölkerung im entsprechenden

Alter (15 bis unter 65 Jahren

bzw. unter 15 Jahren) Ende 2012

(›neue‹ Bevölkerungsfortschrei-

bung auf Grundlage des Zensus

2011).

2 Ohne Stadtteil Häfen und ohne

die Ortsteile Blockland, Seehau-

sen, Strom und Überseestadt.

3 Ortsteile, die keinem Stadtteil

zugeordnet sind.

4 Inklusive Ortsteil In den Wischen.

26 Die Berechnung der Quo-

ten in diesem Abschnitt

erfolgte auf Grundlage des

Bevölkerungsbestandes

nach der ›neuen‹ Bevölke-

rungsfortschreibung Ende

2012. Der entsprechende

Bevölkerungsbestand Ende

2013 lag bei Redaktions-

schluss noch nicht vor.

Insofern sind die Quoten in

diesem Abschnitt als vorläu-

fige Quoten zu betrachten.

Anmerkung: In die Berechnung

der Quote ist eine geringe

Zahl von erwerbsfähigen

Leistungsberechtigten, die

das 65. Lebensjahr vollen-

det haben (gesetzliche

Altersgrenze in 2013: 65

Jahre und zwei Monate),

einbezogen. In der Stadt

Bremen waren dies Ende

2013 insgesamt 73

erwerbsfähige Leistungs-

berechtigte.

141140BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Arbeitslosengeld II)

Die entsprechenden Anteile in den Stadtteilenreichten von 3,5 Prozent in Surheide bis 23,5 Pro-zent in Geestemünde. Die Stadtteile mit den höchs-ten Anteilen erwerbsfähiger Leistungsberechtigtersind neben Geestemünde die Stadtteile Lehe (21,6 Prozent), Mitte (18,9 Prozent) und Leherheide(18,1 Prozent).Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen

reichten von 2,3 Prozent in Speckenbüttel bis 38,7Prozent im Ortsteil Goethestraße. Die Ortsteile mitder höchsten Arbeitslosengeld-II-Quote sind nebendem Ortsteil Goethestraße die Ortsteile Grünhöfe(32,4 Prozent) und Leherheide-West (30,7 Prozent).Auf Ortsteilebene reichen die Arbeitslosengeld-II-Quoten bei den Frauen von 2,3 Prozent bis 41,1 Prozent, bei den Männern von 2,3 Prozent bis 37Prozent.

Nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Alter von unter 15 Jahren

Die entsprechenden Quoten für die Kinder unter15 Jahren, die von Sozialgeld leben, reichten inden Stadtteilen von 3,9 Prozent in Weddewardenbis 45,3 Prozent in Geestemünde. Die Stadtteilemit der höchsten Quote sind neben dem StadtteilGeestemünde die Stadtteile Mitte (43,4 Prozent),Lehe (37,5 Prozent) und Leherheide (34,8 Prozent).Die entsprechenden Quoten in den Ortsteilen

von Bremerhaven reichten im März 2014 von 5,1Prozent im Ortsteil Speckenbüttel bis 65,6 Prozentim Ortsteil Goethestraße. Die Ortsteile mit denhöchsten Quoten sind neben dem Ortsteil Goethe-straße die Ortsteile Klushof (54,3 Prozent), Geesten-dorf (53,4 Prozent), Leherheide-West (51,6 Prozent)und Grünhöfe (50,9 Prozent).

Zu Tabelle 7.2Anteil der erwerbsfähigen Leistungsberech-tigten und nicht erwerbsfähigen Leistungs-berechtigten (unter 15 Jahren) an der Bevölkerung im entsprechenden AlterStadt Bremerhaven: Stadtteile und Ortsteile

Im März 201427 waren in Bremerhaven im Durch-schnitt 19,6 Prozent der Bevölkerung im Alter von15 bis unter 65 Jahren auf Arbeitslosengeld II ange-wiesen (erwerbsfähige Leistungsberechtigte), 18,8Prozent der Männer und 20,4 Prozent der Frauenim entsprechenden Alter.28 Im selben Monat lebtenin Bremerhaven im Durchschnitt 37 Prozent derKinder im Alter von unter 15 Jahren in Bedarfsge-meinschaften, in denen ihre Mütter und/oderVäter – ganz oder ergänzend – auf ArbeitslosengeldII angewiesen waren. Diese beiden Durchschnitts-werte sagen jedoch nichts darüber aus, ob es inbestimmten Stadtteilen und Ortsteilen in Bremer-haven nicht tatsächlich viel höhere oder auchgeringere Werte gibt. Deshalb sind in der nebenste-henden Tabelle die kleinräumigen Werte für dieStadtteile und Ortsteile aufgeführt.

27 Bei Redaktionsschluss

lagen auf Stadtteil und Orts-

teilebene Daten bis März

2014 vor.

28 Alle Quoten in diesem

Abschnitt wurden auf Basis

der Bevölkerungsstatistik

des Magistrats (Altersgrup-

penstatistik gemäß Ein-

wohnerbestand der Melde-

stelle – Hauptwohnung/allei-

nige Wohnung, Stand: Ende

2012) ermittelt. Die Quoten

für die Stadt Bremerhaven

in diesem Abschnitt beru-

hen auf der ›alten‹ Bevölke-

rungsfortschreibung auf

Grundlage der Volkszählung

1987. Begründung des

Magistrats der Stadt Bre-

merhaven: Gegen die Fest-

stellung der Einwohnerzahl

Bremerhavens aus dem

Zensus 2011 hat die Stadt

Bremerhaven Klage erho-

ben. Bis zu einer Entschei-

dung in der Hauptsache ist

die Einwohnerzahl zugrunde

zu legen, die sich aus der

Fortschreibung der Volks-

zählung 1987 ergibt

(Beschluss des VG Bremen

vom 31.07.2014). Das

heißt, eine Anpassung der

Bevölkerungsstatistik des

Magistrats an die ›neue‹

Bevölkerungsfortschreibung

erfolgte bisher nicht.

Anmerkung: In die Berech-

nung der Quote ist eine

geringe Zahl von erwerbs-

fähigen Leistungsberechtig-

ten, die das 65. Lebensjahr

vollendet haben (gesetzli-

che Altersgrenze in 2013:

65 Jahre und zwei Monate),

einbezogen. In der Stadt

Bremerhaven waren dies

Ende 2013 insgesamt 16

erwerbsfähige Leistungs-

berechtigte.

insgesamt Männer Frauen

Tabelle 7.2: Anteil der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten (unter 15 Jahren) an der Bevölkerungim entsprechenden Alter – Stadt- und ausgewählte Ortsteile Bremerhaven1

März 2014

Stadt Bremerhaven insgesamt

dar. Stadtteile und Ortsteile3

11 Stadtteil Weddewarden

12 Stadtteil Leherheide

121 Königsheide

122 Fehrmoor

123 Leherheide-West

13 Stadtteil Lehe

131 Speckenbüttel

132 Eckernfeld

133 Twischkamp

134 Goethestraße

135 Klushof

136 Schierholz

137 Buschkämpen

14 Stadtteil Mitte

141 Mitte-Süd

142 Mitte-Nord

21 Geestemünde

211 Geestemünde-Nord

212 Geestendorf

213 Geestemünde-Süd

214 Bürgerpark

215 Grünhöfe

22 Stadtteil Schiffdorferdamm

23 Stadtteil Surheide

24 Stadtteil Wulsdorf

241 Dreibergen

242 Jedutenberg

25 Stadtteil Fischereihafen

Maximum (Ortsteile)

Minimum (Ortsteile)

erwerbsfähige Leistungsberechtigte pro Einwohner/in im Alter von 15 bis unter 65 Jahren1

nicht erwerbsfähigeLeistungsberechtigteunter 15 Jahren1

pro EW unter 15 Jahren2

Quellen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; Magistrat Bremerhaven; eigene Berechnungen

StadtStadtteilOrtsteile

1 Bevölkerung im entsprechenden

Alter (15 bis unter 65 Jahren bzw.

unter 15 Jahren) Ende 2013

(›alte‹ Bevölkerungsfortschreibung).

2 Stadt- und Ortsteildaten auf Basis

der nicht erwerbsfähigen Leistungs-

berechtigten insgesamt errechnet

(geschätzt).

Anteil der Kinder unter 15 Jahren

an den nicht erwerbsfähigen

Leistungsberechtigten in der Stadt

Bremerhaven: 96,182%.

19,6% 18,8% 20,4% 37,0%

3,6% 3,7% 3,4% 3,9%

18,1% 15,4% 20,7% 34,8%

7,2% 7,4% 7,0% 13,5%

3,1% 3,3% 2,9% 7,4%

30,7% 25,4% 35,7% 51,6%

21,6% 21,2% 22,1% 37,5%

2,3% 2,3% 2,3% 5,1%

7,6% 7,2% 7,9% 13,5%

22,1% 21,5% 22,7% 41,5%

38,7% 37,0% 41,1% 65,6%

28,9% 26,6% 31,5% 54,3%

9,5% 10,1% 8,8% 15,1%

4,3% 4,3% 4,4% 14,3%

18,9% 17,7% 20,2% 43,4%

16,6% 16,3% 17,0% 30,9%

20,4% 18,7% 22,2% 47,6%

23,5% 22,8% 24,3% 45,3%

15,7% 16,1% 15,3% 32,6%

26,8% 25,2% 28,5% 53,4%

18,9% 17,1% 20,7% 44,2%

17,0% 17,0% 16,9% 32,7%

32,4% 31,9% 32,8% 50,9%

3,9% 3,8% 3,9% 9,2%

3,5% 3,7% 3,2% 10,7%

11,4% 10,9% 11,8% 23,1%

15,8% 14,8% 17,0% 29,1%

6,7% 6,6% 6,8% 15,1%

4,6% 5,9% 2,9% 8,7%

38,7% 37,0% 41,1% 65,6%

2,3% 2,3% 2,3% 3,9%

143142BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Hinweis: Die in dieser Tabelle dargestellte Entwick-lung der bewilligten Leistungen zur Sicherung desLebensunterhaltes gibt keine Auskunft über die inden Antragsverfahren anerkannten Bedarfe derSGB-II-Bedarfsgemeinschaften in der Stadt Bremen.Im Dezember 2013 wurden den insgesamt 39.359Bedarfsgemeinschaften, darunter 23.523 Bedarfsge-meinschaften (59,8 Prozent der Bedarfsgemein-schaften) mit verfügbarem Einkommen, Einkom-men in Höhe von durchschnittlich 282,51 Euroangerechnet. (Dezember 2012: 274,75).33 Unter deninsgesamt 39.359 Bedarfsgemeinschaften imDezember 2013 waren 14.046 Bedarfsgemeinschaf-ten (35,7 Prozent) mit Einkommen aus Erwerbs-tätigkeit und 13.960 Bedarfsgemeinschaften (35,5Prozent) mit Einkommen aus Kindergeld. In 4.290Bedarfsgemeinschaften (10,9 Prozent) wurde Unter-halt34, in 2.509 der Bedarfsgemeinschaften (6,4 Pro-zent) wurden Sozialleistungen, in 62 Bedarfsge-meinschaften (0,2 Prozent) Einkommen aus Kapi-talvermögen, Vermietung und Verpachtung und in2.526 Bedarfsgemeinschaften (6,4 Prozent) sonstigeEinkommen angerechnet.

Zu Tabelle 8.1SGB-II-Leistungen zur Sicherung des LebensunterhaltsStadt Bremen

Im Berichtsjahr 2013 wurden in der Stadt BremenLeistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes(SGB II) von insgesamt 429,9 Millionen Euro (brut-to) bewilligt. Dies war (nominal) etwa genau so vielwie im Jahr 2010 und 13,1 Millionen Euro29 mehrals im Vorjahr 201230. Diese Gesamtleistungen setzen sich wie folgt zusammen:

❚ 172,9 Millionen Euro (40,2 Prozent) für Arbeitslosen-geld II;

❚ 7,8 Millionen Euro (1,8 Prozent) für Sozialgeld;❚ 182,9 Millionen Euro (42,6 Prozent) für Leistungen

für Unterkunft und Heizung;❚ 63,9 Millionen Euro (14,9 Prozent) für Beiträge zur

Sozialversicherung;❚ 2,4 Millionen Euro (0,6 Prozent) für sonstige

Leistungen.31

Die bewilligten Zahlungsansprüche für das Arbeits-losengeld II lagen 2013 (nominal) immerhin um8,4 Prozent (13,3 Millionen Euro) über dem Wertvon 2008, die bewilligten Kosten für Unterkunftund Heizung um immerhin 17,3 Prozent (27 Millio-nen Euro) über dem Wert von 2008.32 Von den (Net-to-)Leistungen in Höhe von 366 Millionen Euro imJahr 2013 entfielen 50 Prozent auf die Leistungenfür Unterkunft und Heizung (2008: 47,7 Prozent).Im Jahr 2013 wurden vom Jobcenter Bremen-

Stadt monatliche (Netto-)Leistungen in Höhe vondurchschnittlich 764 Euro pro Bedarfsgemein-schaft bewilligt, im Jahr 2012 waren es 748 Euro.Pro Leistungsempfänger wurden im Jahr 2013 ins-gesamt 416 Euro bewilligt (2012: 408 Euro) bezie-hungsweise 580 Euro pro erwerbsfähigen Leis-tungsberechtigten (2012: 569 Euro). Innerhalb dervergangenen fünf Jahre stiegen die bewilligtenmonatlichen Leistungen pro Leistungsempfängervon 369 Euro (2008) um (nominal) 48 Euro (12,9Prozent) auf 416 Euro (2013). Dieser Anstieg ergabsich zum überwiegenden Teil aus dem Anstieg der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Diesestiegen von 2008 mit 176 Euro pro Leistungsemp-fänger um 32 Euro (18,2 Prozent) auf 208 Euro imJahr 2013.

29 Veränderungen immer

ermittelt aus ungerundeten

bewilligten Leistungen.

30 Der Rückgang von 2010

auf 2011 erklärt sich zum

überwiegenden Teil aus der

Abschaffung der Beiträge

zur gesetzlichen Rentenver-

sicherung für erwerbsfähi-

ge Leistungsberechtigte

(Arbeitslosengeld II). Zudem

wurde zum 1. Januar 2011

der befristete Zuschlag

gemäß § 24 SGB II (›Befris-

teter Zuschlag nach Bezug

von Arbeitslosengeld‹)

abgeschafft, die in der

Regel vollständige Anrech-

nung des Elterngeldes ein-

geführt und zum 1. April

2011 die ›Zusätzliche

Leistung für die Schule‹

(§ 24a SGB II) nicht mehr

als ›Leistung zur Sicherung

des Lebensunterhalts‹

gewährt und gebucht,

sondern als Teil des anders

finanzierten sogenannten

›Bildungs- und Teilhabepa-

kets‹.

Tabelle 8.1: SGB-II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Stadt BremenJahressumme (JS) in Millionen Euro bzw. Monatsdurchschnitt (MD)

pro Bedarfsgemeinschaft, Leistungsempfänger/in bzw. erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Euro pro Monat

Zahlungsansprüche insgesamt (JS in Mio. Euro)

n pro Bedarfsgemeinschaft (in Euro pro Monat)

n pro Leistungsempfänger/in (in Euro pro Monat)

n pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten

(m/w) (in Euro pro Monat)

davon

Arbeitslosengeld II (ohne KdU) (JS in Mio. Euro)

n pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten

(m/w) (in Euro pro Monat)

Sozialgeld (ohne KdU) (JS in Mio. Euro)

n pro nicht erwerbsfähigem

Leistungsberechtigten (m/w) (in Euro pro Monat)

Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU)

(JS in Mio. Euro)

n pro Bedarfsgemeinschaft (in Euro pro Monat)

n pro Leistungsempfänger/in (in Euro pro Monat)

Sozialversicherungsbeiträge (JS in Mio. Euro)

n pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten

(m/w) (in Euro pro Monat)

Sonstige Leistungen (JS in Mio. Euro)

n pro Leistungsempfänger/in (in Euro pro Monat)

darunter

Zahlungsansprüche netto (JS in Mio. Euro)

n pro Bedarfsgemeinschaft (in Euro pro Monat)

n pro Leistungsempfänger/in (in Euro pro Monat)

n pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten

(m/w) (in Euro pro Monat)

2008 2009 2010 2011 2012 2013

398,2 419,0 430,5 406,1 416,7 429,9

856 889 887 852 877 898

449 478 479 463 478 489

629 663 665 645 666 681

159,6 166,0 170,2 164,6 168,1 172,9

252 263 263 261 269 274

8,4 9,8 8,6 6,9 7,1 7,8

33 40 34 28 29 31

155,9 163,4 169,8 172,6 178,1 182,9

335 346 350 362 375 382

176 186 189 197 204 208

71,6 76,7 78,5 59,6 61,1 63,9

113 121 121 95 98 101

2,7 3,2 3,4 2,4 2,3 2,4

3 4 4 3 3 3

326,6 342,3 352,0 346,5 355,6 366,0

702 726 726 727 748 764

369 390 392 395 408 416

516 542 544 550 569 580 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II;eigene Berechnungen

31 Als sonstige Leistungen

werden von der Statistik

der Bundesagentur für

Arbeit insbesondere die

nicht von der Regelleistung

umfassten kommunalen

Leistungen zusammen-

gefasst: Leistungen für

Erstausstattungen für die

Wohnung einschließlich

Haushaltsgeräte, für

Erstausstattungen für

Bekleidung einschließlich

bei Schwangerschaft und

Geburt sowie (bis zum 31.

Dezember 2010) für mehr-

tägige Klassenfahrten im

Rahmen der schulrechtli-

chen Bestimmungen (§ 23

SGB II). Die mehrtägigen

Klassenfahrten werden ab

2011 im Rahmen des soge-

nannten Bildungs- und Teil-

habepakets abgerechnet.

32 Die Summe der Zahlungs-

ansprüche ergibt sich aus

der Summe der Leistungs-

ansprüche abzüglich der

vom Jobcenter ausgespro-

chenen Sanktionen.

Die Summe der Leistungs-

ansprüche ergibt sich aus

der Summe der Bedarfe

gemäß dem SGB II abzüg-

lich der Summe der

gemäß SGB II zu berück-

sichtigenden (anzurech-

nenden) Einkommen.

33 Statistik der Bundes-

agentur für Arbeit (BA):

Statistik der Grundsiche-

rung für Arbeitsuchende

nach SGB II, Report für

Kreise und kreisfreie

Städte, Berichtsmonate

Dezember 2012 und

2013, Nürnberg; eigene

Berechnungen.

34 Gemessen an den 7.375

Bedarfsgemeinschaften

Alleinerziehender im

Dezember 2013 ent-

spricht dies einer rechne-

rischen Quote von 58,2

Prozent. (Dezember 2012:

60,8 Prozent).

145144BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Hinweis: Die in dieser Tabelle dargestellte Entwick-lung der bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gibt keine Auskunft über diein den Antragsverfahren anerkannten Bedarfe derSGB-II-Bedarfsgemeinschaften in Bremerhaven. Im Dezember 2013 wurden den insgesamt 10.464Bedarfsgemeinschaften, darunter 6.228 Bedarfsge-meinschaften (59,5 Prozent der Bedarfsgemein-schaften) mit verfügbarem Einkommen, Einkom-men in Höhe von durchschnittlich 273,11 Euroangerechnet (Dezember 2012: 262,94).39 Unter deninsgesamt 10.464 Bedarfsgemeinschaften imDezember 2013 waren 3.777 Bedarfsgemeinschaf-ten (36,1 Prozent) mit Einkommen aus Kindergeldund 3.358 Bedarfsgemeinschaften (32,1 Prozent)mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit. In 1.093Bedarfsgemeinschaften (10,4 Prozent) wurde Unter-halt40, in 830 der Bedarfsgemeinschaften (7,9 Pro-zent) wurden Sozialleistungen, in 48 Bedarfsge-meinschaften (0,5 Prozent) Einkommen aus Kapi-talvermögen, Vermietung und Verpachtung und in699 Bedarfsgemeinschaften (6,7 Prozent) sonstigeEinkommen angerechnet.

Zu Tabelle 8.2SGB-II-Leistungen zur Sicherung des Lebens-unterhaltesStadt Bremerhaven

Im Berichtsjahr 2013 wurden in der Stadt Bremer-haven Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-halts (SGB II) von insgesamt 107,5 Millionen Euro(brutto) bewilligt. Dies waren 2 Millionen Euro35

mehr als im Vorjahr 201236. Diese Gesamtleistun-gen setzen sich wie folgt zusammen:

❚ 45,8 Millionen Euro (42,6 Prozent) für Arbeitslosengeld II;

❚ 2,0 Millionen Euro (1,8 Prozent) für Sozialgeld;❚ 42,4 Millionen Euro (39,4 Prozent) für Leistungen

für Unterkunft und Heizung;❚ 16,8 Millionen Euro (15,7 Prozent) für Beiträge

zur Sozialversicherung;❚ 0,5 Millionen Euro (0,4 Prozent) für sonstige

Leistungen.37

Die bewilligten Zahlungsansprüche für das Arbeits-losengeld II lagen 2013 (nominal) immerhin um3,9 Prozent (1,9 Millionen Euro) unter dem Wertvon 2008. Die bewilligten Kosten für Unterkunftund Heizung lagen ebenfalls um 1,8 Prozent (0,8Millionen Euro) unter dem Wert von 2008.38 Vonden (Netto-)Leistungen in Höhe von 90,6 MillionenEuro im Jahr 2013 entfielen 46,8 Prozent auf dieLeistungen für Unterkunft und Heizung (2008:45,9 Prozent).Im Jahr 2013 wurden vom Jobcenter Bremer-

haven monatliche (Netto-)Leistungen in Höhe vondurchschnittlich 718 Euro pro Bedarfsgemein-schaft bewilligt, im Jahr 2012 waren es 701 Euro.Pro Leistungsempfänger wurden im Jahr 2013 ins-gesamt 390 Euro bewilligt (2012: 383) beziehungs-weise 540 Euro pro erwerbsfähigen Leistungsbe-rechtigten (2012: 527). Innerhalb der vergangenenfünf Jahre stiegen die bewilligten monatlichen Leis-tungen pro Leistungsempfänger von 353 Euro(2008) um (nominal) 37 Euro (10,6 Prozent) auf 390Euro (2013). Über die Hälfte dieses Anstiegs erfolgtedurch den Anstieg der Leistungen für Unterkunftund Heizung. Sie erhöhten sich von 2008 mit 162Euro pro Leistungsempfänger um 20 Euro (12,6Prozent) auf 182 Euro im Jahr 2013.

Tabelle 8.2: SGB-II-Leistungen zur Sicherung des LebensunterhaltsStadt BremerhavenJahressumme (JS) in Millionen Euro bzw. Monatsdurchschnitt (MD)

pro Bedarfsgemeinschaft, Leistungsempfänger/in bzw. erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Euro pro Monat

Zahlungsansprüche insgesamt (JS in Mio. Euro)

n pro Bedarfsgemeinschaft (in Euro pro Monat)

n pro Leistungsempfänger/in (in Euro pro Monat)

n pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten

(m/w) (in Euro pro Monat)

davon

Arbeitslosengeld II (ohne KdU) (JS in Mio. Euro)

n pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten

(m/w) (in Euro pro Monat)

Sozialgeld (ohne KdU) (JS in Mio. Euro)

n pro nicht erwerbsfähigem

Leistungsberechtigten (m/w) (in Euro pro Monat)

Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU)

(JS in Mio. Euro)

n pro Bedarfsgemeinschaft (in Euro pro Monat)

n pro Leistungsempfänger/in (in Euro pro Monat)

Sozialversicherungsbeiträge (JS in Mio. Euro)

n pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten

(m/w) (in Euro pro Monat)

Sonstige Leistungen (JS in Mio. Euro)

n pro Leistungsempfänger/in (in Euro pro Monat)

darunter

Zahlungsansprüche netto (JS in Mio. Euro)

n pro Bedarfsgemeinschaft (in Euro pro Monat)

n pro Leistungsempfänger/in (in Euro pro Monat)

n pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten

(m/w) (in Euro pro Monat)

2008 2009 2010 2011 2012 2013

115,7 114,9 114,0 107,4 105,5 107,5

850 877 855 812 829 851

434 459 452 443 453 462

605 636 626 604 623 640

47,7 46,5 46,9 45,8 44,9 45,8

250 257 257 258 265 273

2,3 2,6 2,3 1,8 1,8 2,0

31 38 33 28 28 30

43,1 43,1 42,2 42,6 42,1 42,4

317 329 316 322 331 336

162 172 167 176 181 182

21,7 21,9 21,9 16,6 16,3 16,8

114 121 120 94 96 100

0,8 0,8 0,8 0,6 0,4 0,5

3 3 3 2 2 2

93,9 93,0 92,1 90,7 89,2 90,6

690 709 691 686 701 718

353 371 365 374 383 390

492 514 506 510 527 540 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II;eigene Berechnungen

35 Veränderungen immer

ermittelt aus ungerundeten

bewilligten Leistungen.

36 Zu den Gründen für Verän-

derungen insbesondere in

2011 siehe Fußnote 30.

37 Als sonstige Leistungen

werden von der Statistik

der Bundesagentur für

Arbeit insbesondere die

nicht von der Regelleistung

umfassten kommunalen

Leistungen zusammenge-

fasst: Leistungen für

Erstausstattungen für die

Wohnung einschließlich

Haushaltsgeräte, für

Erstausstattungen für

Bekleidung einschließlich

bei Schwangerschaft und

Geburt sowie (bis zum 31.

Dezember 2010) für mehr-

tägige Klassenfahrten im

Rahmen der schulrechtli-

chen Bestimmungen (§ 23

SGB II). Die mehrtägigen

Klassenfahrten werden ab

2011 im Rahmen des soge-

nannten Bildungs- und Teil-

habepakets abgerechnet.

38 Die Summe der Zah-

lungsansprüche ergibt

sich aus der Summe der

Leistungsansprüche

abzüglich der vom Job-

center ausgesprochenen

Sanktionen. Die Summe

der Leistungsansprüche

ergibt sich aus der Sum-

me der Bedarfe gemäß

dem SGB II abzüglich der

Summe der gemäß SGB II

zu berücksichtigenden

(anzurechnenden) Einkom-

men.

39 Statistik der Bundes-

agentur für Arbeit (BA):

Statistik der Grundsiche-

rung für Arbeitsuchende

nach SGB II, Report für

Kreise und kreisfreie

Städte, Berichtsmonate

Dezember 2012 und

2013, Nürnberg; eigene

Berechnungen.

40 Gemessen an den 2.000

Bedarfsgemeinschaften

Alleinerziehender im

Dezember 2013 ent-

spricht dies einer rechne-

rischen Quote von 54,7

Prozent (Dezember 2012:

50,9 Prozent).

147146BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014 ZAHLEN , DATEN , FAK TEN ZUR ARMUT IM LAND BREMEN

Stadt Bremerhaven

In der Stadt Bremerhaven waren im Dezember2013 1.555 Menschen (6,4 Prozent) im Alter von 65Jahren und älter auf Grundsicherung im Alterangewiesen (Leistungsempfänger außerhalb vonEinrichtungen). Diese Leistungen beziehen auch inBremerhaven erheblich mehr ältere Frauen (1.064),als Männer in dieser Altersgruppe (491). Seit 2008ist die Gesamtzahl der auf Grundsicherung imAlter angewiesenen Menschen von 1.367 auf 1.555gestiegen (2013). Das entspricht einem Anstieg von13,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2008. Zu diesemAnstieg haben die älteren Männer deutlich stärkerbeigetragen als die älteren Frauen. Deshalb ist der noch wesentlich höhere Frauenanteil an denLeistungsempfängerinnen und Leistungsempfän-gern von 71,9 Prozent (2008) auf 68,4 Prozent(2013) zurückgegangen. Der Anteil der Frauen imAlter von 65 Jahren und älter, die auf Grundsiche-rung im Alter angewiesen sind, war mit 7,8 Pro-zent dennoch weiterhin wesentlich höher als derentsprechende Anteil der Männer mit 4,6 Prozentim Jahr 2013.

Zu Tabelle 9:Grundsicherung im Alter (Kapitel 4 SGB XII)41

Stadt Bremen

Im Dezember 2013 waren in der Stadt Bremen6.602 Menschen (5,7 Prozent) im Alter von 65 Jah-ren und älter auf Grundsicherung im Alter ange-wiesen (Leistungsempfänger außerhalb von Ein-richtungen). Diese Leistungen beziehen erheblichmehr ältere Frauen (4.176), als Männer in dieserAltersgruppe (2.426). Seit 2008 (5.167) steigt dieGesamtzahl der auf Grundsicherung im Alter ange-wiesenen Menschen kontinuierlich, auf 6.602 Men-schen im Jahr 2013. Das entspricht einem Anstiegin diesem Zeitraum von 27,8 Prozent gegenüberdem Jahr 2008. Zu diesem Anstieg haben die älte-ren Männer deutlich stärker beigetragen als dieälteren Frauen. Deshalb ist der Frauenanteil an denLeistungsempfängerinnen und Leistungsempfän-gern von 67,4 Prozent (2008) auf 63,3 Prozent(2013) zurückgegangen. Dennoch liegt der Anteilder Frauen im Alter von 65 Jahren und älter, dieauf Grundsicherung im Alter angewiesen waren,mit 6,2 Prozent immer noch über dem entspre-chenden Anteil der Männer mit 5,1 Prozent imJahr 2013.

41 Die (vorläufigen) Quoten im

Dezember 2013 wurden auf

Grundlage des Bevölke-

rungsbestandes (65 Jahre

und älter) Ende 2012 (›neue‹

Bevölkerungsfortschreibung)

berechnet. Der Bevölke-

rungsbestand (65 Jahre und

älter) Ende 2013 lag bei

Redaktionsschluss nicht vor.

Die Quoten vor 2011 wur-

den auf Grundlage der

›alten‹ Bevölkerungsfort-

schreibung berechnet. Ein

(kleiner) Teil des Anstiegs

der Quoten im Verlauf des

Beobachtungszeitraums

2008 bis 2013 dürfte aus

der Umstellung auf die

›neue‹ Bevölkerungsfort-

schreibung resultieren.

insgesamt Männer Frauen

Tabelle 9: Grundsicherung im Alter (Kapitel 4 SGB XII)65 Jahre und älterStadt Bremen und Stadt Bremerhaven

Leistungsempfänger/innen1

1 am Hauptwohnsitz erfasste Leistungsempfänger/innen

* ›neue‹ Bevölkerungsfortschreibung (auf Grundlage des Zensus 2011)

** vorläufig: berechnet auf Grundlage der Bevölkerung Ende 2012

in v. H.absolutabsolutabsolut

Einwohner/innen im Alter von 65 Jahren und älter

Leistungsempfänger/innen1 pro EW 65 Jahre und älter

Leistungsempfänger/innen1

Einwohner/innen im Alter von 65 Jahren und älter

Leistungsempfänger/innen1 pro EW 65 Jahre und älter

5.167 1.685 3.482 67,4%

5.380 1.787 3.593 66,8%

5.491 1.862 3.629 66,1%

5.931 2.080 3.851 64,9%

6.140 2.192 3.948 64,3%

6.602 2.426 4.176 63,3%

116.321 47.988 68.333 58,7%

117.170 48.771 68.399 58,4%

116.542 48.733 67.809 58,2%

114.568 47.587 66.981 58,5%

115.173 48.023 67.150 58,3%

- - - -

4,4% 3,5% 5,1%

4,6% 3,7% 5,3%

4,7% 3,8% 5,4%

5,2% 4,4% 5,7%

5,3% 4,6% 5,9%

5,7% 5,1% 6,2%

1.367 384 983 71,9%

1.312 401 911 69,4%

1.340 406 934 69,7%

1.408 437 971 69,0%

1.498 473 1.025 68,4%

1.555 491 1.064 68,4%

25.106 10.642 14.464 57,6%

25.135 10.758 14.377 57,2%

24.941 10.740 14.201 56,9%

24.130 10.540 13.590 56,3%

24.204 10.619 13.585 56,1%

- - - -

5,4% 3,6% 6,8%

5,2% 3,7% 6,3%

5,4% 3,8% 6,6%

5,8% 4,1% 7,1%

6,2% 4,5% 7,5%

6,4% 4,6% 7,8%

Stadt Bremen

Dezember 2008

Dezember 2009

Dezember 2010

Dezember 2011

Dezember 2012

Dezember 2013

Ende 2008

Ende 2009

Ende 2010

Ende 2011*

Ende 2012*

Ende 2013*

Dezember 2008

Dezember 2009

Dezember 2010

Dezember 2011

Dezember 2012

Dezember 2013**

Stadt Bremerhaven

Dezember 2008

Dezember 2009

Dezember 2010

Dezember 2011

Dezember 2012

Dezember 2013

Ende 2008

Ende 2009

Ende 2010

Ende 2011*

Ende 2012*

Ende 2013*

Dezember 2008

Dezember 2009

Dezember 2010

Dezember 2011

Dezember 2012

Dezember 2013**

Quellen: Statistisches Landesamt Bremen: a) Tab. 333-32: Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach Altersgruppen (SGB XII) b) Tab. 173-41: Bevölkerung nach Geschlecht, Nationalität und Altersgruppen; eigene Berechnungen

148BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

148BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

149

Ralf Lorenzen: Wie kommt es, dass Sie nochrelativ jung mit 58 Jahren in den Ruhestandgehen konnten?

ALWINE DELHOUGNE: Ich war beim Amt für SozialeDienste beschäftigt, da gab es in Verbindung mitLeistungen vom Arbeitsamt die Möglichkeit, früherin den Ruhestand zu gehen. Das Modell gibt es heu-te nicht mehr. Ich habe mich damals bei der Ange-stelltenkammer beraten lassen, was finanziell aufmich zukommt. Bis zum 63. Lebensjahr lief dasGehalt noch in gleicher Höhe weiter. Bei der Rentegab es dann aber Abstriche. Aber mein Mann hatteja auch noch seine Rente.

Lorenzen: Wie sähe es dann aus, wenn Sie heute allein von Ihrer Erwerbsrente lebenmüssten?

DELHOUGNE: Ich müsste sicher mehr rechnen. Seitmeine Tochter 1973 geboren wurde, habe ich jaauch nur noch halbtags gearbeitet, das wirkt sichaus. Aber es würde auch so gehen. Ich brauchenicht so viel Geld, ich bin es nicht gewöhnt, vielauszugeben.

Lorenzen: Warum haben Sie sich denn damalsüberhaupt entschieden, so früh in den Ruhe-stand zu gehen?

DELHOUGNE: Überlegt habe ich schon, als das Ange-bot auf mich zukam, weil es finanziell doch weni-ger ist. Ein wichtiger Punkt war, dass mein Mannacht Jahre älter war als ich. Ich habe gedacht: Wer weiß, wie lange wir noch zusammen sind undeine gute gemeinsame Zeit haben? Mein Mann warschon in Rente, aber wir hatten nicht so viel freieZeit zusammen, als ich noch berufstätig war. Jederhatte auch immer seinen eigenen Bereich. Das fandich auch gut, denn so hatten wir immer Gesprächs-stoff. Jeder hatte seine Erlebnisse und dann kamenwir zusammen und haben uns davon erzählt. Wirwaren dann noch zehn Jahre zusammen. MeinMann ist 2011 gestorben und ich bin so froh, dassich diese Entscheidung getroffen habe. Als wennich schon so eine Vorahnung gehabt hätte. Eswaren noch erlebnisreiche und schöne Jahre.

INTERVIEW

149

Die Wald-OmaAlwine Delhougne

Als die Sozialarbeiterin Alwine Delhougne mit 58 in den Vor-ruhstand ging, um mehr Zeit mit ihrem Mann zu verbringen,hat sie das nicht als Einschnitt empfunden. Denn Sozialarbeitmacht die 72-Jährige heute immer noch – eben nur ehren-amtlich: im Waldkindergarten, bei der Bremer Tafel und alsGerichtsbetreuerin. Das sei eine Lebenseinstellung, sagt sie, diekönne man nicht einfach abstreifen, wenn man in Rente geht.Den nötigen Ausgleich findet sie bei Radtouren, auf ihrer Parzelle oder beim Skypen mit ihrer Tochter, die in Wien lebt. Das Gespräch führen wir in ihrer gemütlichen Wohnung in Findorff.

An diesem Punkt geht das Gespräch zurück indie Kindheit von Alwine Delhougne. Siestammt aus einem kleinen Ort in Westfalen,nicht weit entfernt von Osnabrück. Ihre Elternhatten einen großen Bauernhof, auf dem siezusammen mit ihrer älteren Schwester auf-wuchs. Ihr Ausbildungsweg war typisch fürjene Zeit: Volksschule, katholische Realschuleim Nachbarort, dann eine landwirtschaftlicheLehre auf einem anderen Bauernhof undschließlich zwei Jahre Besuch der Landfrauen-schule mit Abschluss als ›ländliche Hauswirt-schaftsleiterin‹. War das auch das, was sieselbst wollte?

DELHOUGNE: Am Anfang konnte ich gut dahinter-stehen. Ich hätte mir gut vorstellen können, einenBauern zu heiraten und auf dem Land zu bleiben.Aber mich interessierten auch immer andere Berei-che. Ich habe viel gelesen, damals war es eine klei-ne Sensation im Dorf, wenn der Postbote einmaldie Woche DIE ZEIT ins Haus brachte. Meine Fami-lie dachte, ich wäre verrückt. Ich habe mich auchfrüh für Sozialarbeit und den Beruf des Dorfhelfersinteressiert. Nachdem ich auf der Landfrauenschu-le war, sind meine Eltern plötzlich gestorben undein Onkel hat mich beraten, was ich beruflich wei-ter machen könnte. Da habe ich mich entschieden,auf der westfälischen Wohlfahrtschule in MünsterSozialarbeit zu studieren.

Nach dem Abschluss als diplomierte Sozialar-beiterin und einem Anerkennungsjahr in Kölnzieht es Alwine Delhougne 1964 nach Bremen– hauptsächlich wegen des norddeutschen Klimas.

››

R ALF LORENZENSoziologe und freier Journalist

150BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

150BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

Als ich in Rente ging, bekam ich als Abschiedsge-schenk eine Dose mit einer englischen Telefonzelle.

Lorenzen: Haben Sie jemals das Landleben vermisst?

DELHOUGNE: Nein, ich könnte mir nicht vorstellen,auf dem Land zu leben. Ich interessiere mich sehrfür bildende Kunst und gehe sehr gern in Ausstel-lungen aller Art. Mit meinem Mann habe ich auchhäufiger Ausstellungen in Hamburg besucht.

Lorenzen: Welche Gedanken hatten Sie denn an den Ruhestand, als Sie noch voll imBerufsleben standen?

DELHOUGNE: Da habe ich schon mal drüber nach-gedacht, aber ich habe das nie als Problem gesehen.Ich weiß nicht, ob es schwieriger ist, wenn manalleine lebt. Ich habe auch mal in Bad Zwischen-ahn einen Bildungsurlaub zum Thema ›Umstellungauf den Ruhestand‹ gemacht, aber ich habe da niemals Ängste mit verbunden. Für mich war nurwichtig, dass die Woche auch im Ruhestand struk-turiert ist, darüber habe ich mir schon vorherGedanken gemacht.

Lorenzen: Und als es dann soweit war?DELHOUGNE: Das war für mich nicht so ein Ein-schnitt. Ich bin auch nicht, wie man es immer hört,in ein tiefes Loch gefallen. Ich bin ja immer nochvoll im Sozialbereich. Gerade als ich aufhörte, wurde der Waldkindergarten eröffnet, in dem ichseitdem jeden Freitag ehrenamtlich tätig bin. Undzur Bremer Tafel, meinem zweiten Termin in derWoche, hatte ich schon vorher Kontakt. Außerdemhabe ich die gerichtliche Betreuung von vier Personen übernommen. Das hat mein Mann schonwährend seiner Berufstätigkeit gemacht.

Lorenzen: Was wäre passiert, wenn Sie dasAngebot der Vorruhestandsregelung nichtbekommen hätten?

DELHOUGNE: Dann hätte ich weitergearbeitet, daswäre auch in Ordnung gewesen.

Lorenzen: Haben Sie während Ihres Berufsle-bens zusätzlich etwas für Ihre Altersversor-gung getan?

DELHOUGNE: Im Laufe der Jahre haben wir untenim Haus eine kleine Appartementwohnung dazuge-kauft, die ich nun als Gästewohnung vermiete.Reichtümer verdiene ich damit nicht, aber es isteine gute Sache.

Lorenzen: Nach der Entscheidung hat es janoch über ein Jahr gedauert, bis Sie ausschei-den konnten. Haben Sie da schon einen Gangruntergeschaltet?

DELHOUGNE: Nein, ich war ja weiter voll verant-wortlich für meinen Bereich. Wenn neue Fällekamen, hatte ich gar nicht die Zeit, darüber nach-zudenken. Viele legen sich ja auch einen Kalenderan und streichen die Tage bis zum Ruhestand ab.Das habe ich auch nicht gemacht. Manchmal warallerdings eine gewisse Erschöpfung oder Müdig-keit zu spüren. Bei schwierigen Fällen merkte ichschon, dass ich mich mein ganzes Berufsleben mit

DELHOUGNE: Dort hatte ich die freie Auswahl, dieArbeitgeber sind mir fast nachgelaufen. Ich habedann eine Ganztagsstelle beim Amt für SozialeDienste im Bereich Neustadt bekommen. Dort warich für alle Bevölkerungsgruppen außer fürJugendliche zuständig. Am Anfang war es nichteinfach, denn meine Vorgängerin hatte ihr ganzesBerufsleben in dem Bezirk verbracht. Wenn ichdann kam, sagten die Klienten oft: Aber bei FrauSoundso ist das immer so gelaufen. Aber ich hatteviel Unterstützung von Kolleginnen. Dann bautedie Gewoba ein neues Projekt auf und suchte Sozi-alarbeiter. Mich reizte, dass ich da von Anfang andabei sein konnte und wechselte dahin. Wir warenfür Mieter mit sozialen und finanziellen Proble-men zuständig.

Nach der Geburt ihrer Tochter setzte Delhoug-ne als Sozialarbeiterin zwar für drei Jahre aus,blieb beruflich aber nicht untätig.

DELHOUGNE: Zwischendurch habe ich andereSachen gemacht, weil es mir sonst zu langweiliggeworden wäre. Mein Mann fuhr damals Taxi und was er erzählte, interessierte mich so, dass ichauch den Taxischein gemacht habe. Wenn meinMann zu Hause war, bin ich dann Taxi gefahren.Das war eine interessante Zeit. Ich wollte nicht nur zu Hause sein, sondern mehr Kontakte haben.Irgendwann habe ich dann in einem Café meineehemalige Dienststellenleiterin getroffen, bei dergerade eine Halbtagsstelle frei wurde.

Im Amt für Soziale Dienste macht Delhougnein den kommenden Jahren diverse Neuorgani-sationen und Verlegungen der Dienststellenmit.

DELHOUGNE: Es müssen natürlich auch mal neueWege beschritten werden, aber es nahm immer vielZeit in Anspruch, die für die eigentliche Arbeitnicht mehr zur Verfügung stand. Mir war immerdie Arbeit mit den Klienten wichtig. Ich kam erstin den Bereich Mitte, dann nach Ost. Später muss-ten wir uns spezialisieren, es wurden Fallgruppengebildet: Familien mit Kindern, Alleinstehende undältere Menschen. Ich hätte gern mit Kindern gear-beitet, kam aber zu den älteren Menschen – inSchwachhausen. Darauf habe ich mich eingestellt,aber es hat mich immer sehr belastet, zu entschei-den, ob jemand, der sich nicht mehr gut versorgenkann und keinen Überblick mehr hat, noch in der Wohnung bleiben kann oder ob eine andereLösung gefunden werden muss. Bei meinem letz-ten Fall lebte der Mann in einer Telefonzelle. Dakam ich immer auf dem Weg zur Dienstelle vorbei,habe ihm Kaffee mitgebracht und mich langsamgenähert. Er hatte es nicht verkraftet, dass er vonseiner Parzelle beim Flughafen wegmusste, er woll-te nicht ins Altersheim. Ich konnte ihn dann ineine Wohnung für alleinstehende Männer vermit-teln und habe ihn noch einmal die Woche besucht.

151INTERVIEW

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Die Wald-Oma

solchen Fällen beschäftigt hatte. Da kam dannschon mal der Gedanke hoch, dass es gut ist, wennes bald zu Ende ist.

Lorenzen: Können Sie sich noch an die erstengemeinsamen Unternehmungen mit IhremMann erinnern, nachdem Sie aufgehört hat-ten?

DELHOUGNE: Etwas Besonderes ist da nicht passiert.Gereist sind wir auch vorher immer schon viel.

Lorenzen: Für ein Paar ist es ja auch eine neueSituation, wenn beide plötzlich den ganzenTag zu Hause sind. Wie war das bei Ihnen?

DELHOUGNE: Das war nicht immer ganz reibungs-los – vor allem, weil ich als Naturliebhaberin vielZeit auf unserer Parzelle verbracht habe – das warnicht so das Ding von meinem Mann. Auf meineParzelle muss ich mindestens einmal am Tag. ZumGlück liegt sie in der Nähe.

Lorenzen: Sie hatten erzählt, dass Sie zumEnde ihres Berufslebens ganz froh waren,nicht mehr diese Verantwortung für schwer-wiegende Entscheidungen zu haben. DurchIhre Tätigkeit als gerichtliche Betreuerinhaben Sie sich aber weiter Verantwortung ansBein gebunden. Warum?

DELHOUGNE: Manchmal ist das ganz intensiv undes gibt schwierige Situationen – aber insgesamt ist alles gut zu machen. Das belastet mich nicht.Ich gebe ja nicht nur, ich bekomme ja auch etwaszurück. Dass ich den Beruf im sozialen Bereichgewählt habe, ist auch eine Lebenseinstellung. Diekonnte ich nicht mit dem Ruhestand abstreifen.Die Situation anderer Menschen hat mich immerinteressiert und ich bin immer schnell bereit zuhelfen, wenn Not am Mann ist. Ich muss nur auf-passen, dass ich nicht zu sehr ins Helfer-Syndromreinkomme und mich ausnutzen lasse. Aber ichhabe auch schon ein bisschen dazugelernt undkann mal Nein sagen.

Lorenzen: Was machen Sie freitags mit denKindern im Wald?

DELHOUGNE: Ich bin die Wald-Oma! Wir machenimmer schöne Sachen zusammen. Die Kinderbeschäftigen sich mit Naturmaterialein und ichhelfe ihnen dabei oder gebe ihnen Ideen. Oder wirmalen zusammen, ich lese ihnen etwas vor – wassich so ergibt. Nur in die pädagogischen Dingemische ich mich nicht ein. Klar, wenn ich dazugefragt werde, sage ich meine Meinung auch. Aberich möchte da keine berufliche Rolle einnehmen.Es ist einfach ein schöner Vormittag für die Kinderund für mich, sie freuen sich und ich freue mich.

Lorenzen: Und wie sieht Ihre Arbeit bei derBremer Tafel aus?

DELHOUGNE: Die Waren werden ja mit Autos undKühlwagen von den Supermärkten geholt – diemüssen wir erst angucken und sortieren. Dann binich bei der Obst- und Gemüse-Ausgabe dabei undhinterher müssen wir alles wieder putzen, das istsehr anstrengend. Wir haben viele Stammkunden,die seit zehn Jahren kommen. In letzter Zeit kom-men vermehrt Flüchtlinge, die in ihrer Einrich-

tung kochen. Insgesamt sind das 250 bis 300 Personen an einem Tag. Besonders wenn wir nicht so viel Ware haben, kommt es auch manchmal zu Zoff, damit muss man umgehen können. Die meisten sind aber sehr verständnisvoll.

Lorenzen: Kommen viele Rentner?DELHOUGNE: Ja, ich denke ein Drittel aller Kundensind ältere Menschen, die mit der Rente nicht aus-kommen. Für viele ist das auch ein sozialer Treff-punkt, um Kontakt zu bekommen. Familien mitKindern machen auch ein Drittel aus. Dazu kom-men viele alleinstehende Männer, die keine Arbeithaben. Die können teilweise sehr gut kochen – sieerzählen mir oft, was sie aus den Sachen zu Hausemachen.

Lorenzen: Haben Sie Pläne, was Sie noch allesmachen möchten?

DELHOUGNE: Nein, habe ich im Moment nicht. Ichbin sehr ausgefüllt. Neben der Zeit auf der Parzellesind mir meine Radtouren sehr wichtig, in derGruppe oder mit Freundinnen. Einmal im Jahrbesuche ich meine Tochter, die als freie Künstlerinin Wien lebt. Mit ihr skype ich oft, das geht wun-derbar. Seit es diese Möglichkeit gibt, hat sich auchder Kontakt zu einer Studienfreundin aus Kölnintensiviert – wir skypen jede Woche eine Stunde.Und dann habe ich noch eine Frauengruppe, mitder wir zweimal die Woche rund um den Bürger-park walken.

Lorenzen: Gibt es manchmal den Gedanken,bei Ihren Aktivitäten etwas kürzerzutreten?

DELHOUGNE: Im Moment noch nicht. Die Zeit, inder ich nicht so beweglich war, ist mir sehr, sehrschwer gefallen. Ich bin ein Bewegungsmenschund da war ich manchmal unzufrieden. Aber jetzthat sich das ja alles normalisiert. Es kann natür-lich mal passieren, dass ich nicht mehr so beweg-lich bin. Dann muss ich mir etwas anderes über-legen. Es ist beruhigend, dass es für mich die Mög-lichkeit gibt, in die kleine Wohnung unten umzu-ziehen. Aber ich war mein ganzes Leben aktiv undwerde immer etwas finden. Ich würde gern, nochmindestens zehn Jahre so aktiv sein.

Lorenzen: Wie beurteilen Sie die Möglich-keiten für andere, im Ruhestand so aktiv zubleiben wie Sie?

DELHOUGNE: Das frühere Leben spielt dabei eineRolle. Wer sein ganzes Leben aktiv ist, wird auchim Ruhestand etwas finden. Angebote gibt esgenug, wie zum Beispiel bei der Freiwilligenagen-tur. Wenn jemand aber einen Beruf ausgeübt hat,der für ihn hauptsächlich Anstrengung war, derwird Schwierigkeiten haben, sich zu aktivieren.Wer einen körperlich anstrengenden Beruf gehabthat, ist vielleicht froh, wenn er nichts mehrmachen muss. ‹‹

Die Arbeitnehmerkammer hat rund 360.000 Mit-glieder – das sind alle in Bremen und Bremerhavenbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer (mit Ausnahme der Beamten), also auch die,die jenseits der Landesgrenze ihren Wohnsitzhaben, aber im Land Bremen arbeiten. So be-stimmt es das Gesetz über die Arbeitnehmerkam-mer im Lande Bremen. Auch Arbeitslose, diezuletzt ihren Arbeitsplatz im Land Bremen hatten,sind Mitglieder der Arbeitnehmerkammer.Mitglieder können unsere Dienstleistungen in

Anspruch nehmen: Unsere Juristinnen und Ju-risten beraten kostenlos in Fragen des Arbeits- undSozialversicherungsrechts, in Steuerfragen und inRechtsfragen in Zusammenhang mit einer Arbeits-losigkeit. Außerdem bieten wir Beratung fürBetriebs- und Personalräte. Der Mitgliedsbeitragvon 0,15 Prozent des Brutto-Gehalts wird direktvon den Finanzämtern eingezogen.Ein Team von Referentinnen und Referenten

berät die Politik durch Gutachten und Stellung-nahmen – zum Teil in Zusammenarbeit mit exter-nen Sachverständigen. Auch mit Veranstaltungenund öffentlichen Debatten wirken wir an dergesellschaftlichen Meinungsbildung mit. Neben dem umfangreichen Beratungs- und

Informationsangebot bieten wir auch etwas fürIhre Bildung: In der Wirtschafts- und Sozialakade-mie (wisoak), einer der größten Anbieter von beruf-licher und politischer Weiterbildung in Bremen,können Sie jedes Jahr unter einer Vielzahl vonSeminaren, Trainingsmaßnahmen und Fortbildun-gen zu unterschiedlichen Themen wählen.

Die Kammer vertritt als Körperschaft des öffentli-chen Rechts die Interessen ihrer Mitglieder. DieRechtsgrundlage ist das Gesetz über die Arbeitneh-merkammer im Lande Bremen, die Ausgestaltungund Schwerpunktsetzung erfolgt in der Satzungund die Selbstfinanzierung der Kammer durchihre Zugehörigen regelt die Beitragsordnung. DieKammer ist damit aus der bremischen Verwal-tungshierarchie ausgegliedert und übernimmt dieihr übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich inForm der Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltungder Arbeitnehmerkammer wird durch Urwahl für eine sechsjährige Amtszeit von den Kammer-zugehörigen gewählt. Hervorgegangen ist dieArbeitnehmerkammer aus den 1921 gegründeten,ursprünglich selbstständigen Kammern für Arbeiter und Angestellte. Diese schlossen sich imJahr 2001 zusammen zur ArbeitnehmerkammerBremen.Die Arbeitnehmerkammer unterhält nicht nur

eigene Einrichtungen wie etwa die Wirtschafts-und Sozialakademie (wisoak). Die Kammer betei-ligt sich auch an Kooperationen und Netzwerken,um über Themen wie Bildung, Arbeitsmarktpolitikoder Mitbestimmung mit anderen Akteuren imLand Bremen zu diskutieren und gemeinsame Vor-haben voranzubringen. Kooperationspartner sindunter anderem:❚ Zentrum für Arbeit und Politik ❚ Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW)❚ Kulturwerkstatt westend ❚ Statistisches Landesamt Bremen ❚ Technikerschule Bremen

KURZPORTRÄT

Arbeitnehmerkammer Bremen

152BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

ArbeitnehmerkammerBremen

ArbeitnehmerkammerBremen

BER I CHT ZUR SOZ IA L EN L AGE 2 0 14

Der Wert der Jahre

Der Wert der Jahre

www.arbe i tnehmerkammer.de

Zur Situation älterer Beschäftigter und zu den Übergängen in Rente

Die zukünftig weiter sinkenden Renten lassen viele mit Sorge auf das Alter blicken.

Altersarmut ist deshalb inzwischen ein wichtiges Thema in der öffentlichen Debatte.

Hierzu tragen sowohl die beschlossenen Rentenreformen bei als auch ein sich ändernder

Arbeitsmarkt: Der Niedriglohnsektor ist deutlich gewachsen, befristete Beschäftigung,

Leiharbeit, unfreiwillige Teilzeit und Minijobs stagnieren auf hohem Niveau oder neh-

men sogar zu. Zudem sinken die Erwerbstätigenquoten nach wie vor und kontinuierlich

mit steigendem Alter. Und noch immer wechselt jeder dritte aktiv Versicherte nicht

aus einer Beschäftigung in Altersrente, sondern etwa aus Arbeitslosigkeit oder Krankheit.

Und rund jeder Fünfte verliert vorzeitig nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch

seine Erwerbsfähigkeit.

Zugleich wurde die Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre verlängert – die Folgen dieses

Projekts erzeugen Druck, neue Möglichkeiten des flexiblen Übergangs zu schaffen: Das

hat die sogenannte ›Rente mit 63‹ nach langen Jahren der Beschränkung sozialrechtlich

flankierter Vorruhestandsmöglichkeiten prominent gezeigt. Diese in sich teils wider-

sprüchlichen Befunde sind Grund genug, die Situation vor, während und nach dem

Übergang in die Rente genauer zu betrachten. Der vorliegende zwölfte ›Bericht zur sozia-

len Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land Bremen‹ hat sich dies zum

Ziel gesetzt.

www.arbe i tnehmerkammer.de

Zur Situation älterer Beschäftigterund zu den Übergängen in Rente

BERICHT ZUR SOZIALEN LAGE 2014

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