Zur Verminderung der Ratingabhängigkeit der deutschen Versicherungswirtschaft

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ZVersWiss (2013) 102:455–471 DOI 10.1007/s12297-013-0243-5 ABHANDLUNG Zur Verminderung der Ratingabhängigkeit der deutschen Versicherungswirtschaft Uwe Siegmund Online publiziert: 21. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Zusammenfassung Die Abhängigkeit der deutschen Versicherungswirtschaft von externen Ratings ist hoch und steigend. Sie bezieht sich auf die Aktiva und Passiva ei- ner Versicherung. Erstmals wird die Ratingabhängigkeit systematisch dargestellt und mit den Erfahrungen aus den jüngsten Finanzkrisen verbunden. Es werden Maßnah- men zur Verminderung der Abhängigkeit diskutiert. Am Ende wird dazu ein eigener Vorschlag der Ratingglättung in der Zeit skizziert. Abstract The reliance of the German insurance industry on external credit ratings is strong and increasing. It relates to the assets and the liabilities of the insurer. For the first time, the paper systematically describes this reliance and combines it with the lessons from the current financial crises. The paper discusses measures to reduce the overreliance on external credit ratings and provides a new proposal in order to smooth the rating over time. 1 Einleitung Die Europäische Union hat gerade ein Gesetz zur Regulierung der Ratingagenturen erlassen. Darin wird sich als ein Ziel gesetzt, die Abhängigkeit von Ratingagenturen und Ratings zu vermindern. Dort steht: „Mittelfristig sollten weitere Schritte geprüft werden, um die Bezugnahme auf Ratings in Finanzvorschriften zu streichen und die auf externe Ratings gestützte Risikogewichtung von Aktiva abzuschaffen“ (EU 2013). Auch in früheren Äußerungen des Financial Stability Board, der Europäischen Zentralbanken oder amerikanischen Wertpapieraufsicht SEC wird eine hohe Abhän- U. Siegmund (B ) R + V Versicherung, Raiffeisenplatz 2, 65189 Wiesbaden, Deutschland e-mail: [email protected]

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ZVersWiss (2013) 102:455–471DOI 10.1007/s12297-013-0243-5

A B H A N D L U N G

Zur Verminderung der Ratingabhängigkeitder deutschen Versicherungswirtschaft

Uwe Siegmund

Online publiziert: 21. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Zusammenfassung Die Abhängigkeit der deutschen Versicherungswirtschaft vonexternen Ratings ist hoch und steigend. Sie bezieht sich auf die Aktiva und Passiva ei-ner Versicherung. Erstmals wird die Ratingabhängigkeit systematisch dargestellt undmit den Erfahrungen aus den jüngsten Finanzkrisen verbunden. Es werden Maßnah-men zur Verminderung der Abhängigkeit diskutiert. Am Ende wird dazu ein eigenerVorschlag der Ratingglättung in der Zeit skizziert.

Abstract The reliance of the German insurance industry on external credit ratingsis strong and increasing. It relates to the assets and the liabilities of the insurer. Forthe first time, the paper systematically describes this reliance and combines it withthe lessons from the current financial crises. The paper discusses measures to reducethe overreliance on external credit ratings and provides a new proposal in order tosmooth the rating over time.

1 Einleitung

Die Europäische Union hat gerade ein Gesetz zur Regulierung der Ratingagenturenerlassen. Darin wird sich als ein Ziel gesetzt, die Abhängigkeit von Ratingagenturenund Ratings zu vermindern. Dort steht:

„Mittelfristig sollten weitere Schritte geprüft werden, um die Bezugnahme aufRatings in Finanzvorschriften zu streichen und die auf externe Ratings gestützteRisikogewichtung von Aktiva abzuschaffen“ (EU 2013).

Auch in früheren Äußerungen des Financial Stability Board, der EuropäischenZentralbanken oder amerikanischen Wertpapieraufsicht SEC wird eine hohe Abhän-

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gigkeit von Investoren bzgl. Ratings festgestellt, die sich gerade in den jüngsten Kri-sen gezeigt hat.

In dieser Betrachtung wird ein Diskussionsbeitrag zu diesem Thema mit Bezugzur Versicherungswirtschaft geleistet. Es wird drei Fragen nachgegangen: WelcheAbhängigkeiten zwischen Versicherungswirtschaft und Ratings gibt es? Welche Leh-ren gibt es aus den jüngsten Krisen? Wie könnte die Ratingabhängigkeit vermindertwerden?

2 Betrachtete Ratings

„Ratings are opinions of creditworthiness based on our analysis. Ratings arenot precise probabilities of default but rather a relative ranking of creditwor-thiness“ (S&P 2009).

Ratings sind also nichts weiter als subjektive Messungen des Kreditrisikos, imKern des Ausfallrisikos einer Anlage. Sie sind zudem nur ein Instrument zur Messungvon Kreditrisiken.

Im Folgenden werden nur Ratings zur Finanzstärke betrachtet. Es werden nurRatings der großen Ratingagenturen, insbesondere die von Standard & Poor’s be-trachtet, um den Einfluss wichtiger externer Ratings zu erfassen. Interne Ratingswerden an geeigneter Stelle behandelt. Nicht betrachtet werden Scoring- und an-dere Verfahren auf der versicherungstechnischen Seite zur Kundenbeurteilung undRisikoeinschätzung. Dies erfolgt in Analogie zu Banken mit ihrer Unterscheidungin Kreditbuch (überwiegend interne Ratings) und Handelsbuch (überwiegend externeRatings). Das Thema wird bevorzugt anhand von Ratingabwertungen (Downgrades)behandelt, weil es den wichtigeren Fall der Betrachtung darstellt. Zudem wird unter-stellt, dass Ratingabwertungen mit einer Erhöhung der Zinsaufschläge (Spreads) ein-hergehen, was c.p. zu Kursrückgängen führt. Das ist zwar nicht immer im unmittelba-ren zeitlichen Zusammenhang zu beobachten, aber oftmals nehmen die Kapitalmärk-te die Ratingaktion bereits in den Kursen vorweg. Zudem wird fast ausschließlichangenommen, dass die Ratingagenturen nach bestem Wissen und Gewissen Ratingsvergeben, es also keine politischen Einflüsse oder gar Betrugsabsichten gibt. Rating-agenturen verhalten sich rational in einem mehrjährigen Wettbewerbsspiel, bei demsie ihre Reputation verteidigen müssen. Im Vordergrund stehen nicht die Interessen-konflikte der Ratingagenturen.

Unter Ratingabhängigkeit wird verstanden, dass Veränderungen der externen Ra-tings Veränderungen der Bilanz, der Solvenz oder des Geschäftes der Versichererbewirken. Es wird hier nicht das Rating der Versicherer selbst thematisiert, höchstensgestreift.

3 Abhängigkeiten

Obwohl das Problem der Ratingabhängigkeiten erkannt ist, ist bisher keine Übersichtfür Versicherungen dazu vorgelegt worden. Dies wird im Folgenden versucht. Dazu

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Abb. 1 Modell zur Ratingabhängigkeit der Versicherer. Quelle: Eigene Zusammenstellung

wird von einer einfachen Versicherungsbilanz mit Aktiva (Kapitalanlagen) und Pas-siva (Rückstellungen) ausgegangen. Sodann werden systematisch wichtige Regulie-rungen auf ihren Bezug zum Rating und ihre Wirkungsrichtung bei den Versichererndargestellt (Abb. 1). Dabei wird jeweils die Wirkung auf die Aktiva und/oder Passivabetrachtet. Hierbei geht es um qualitative Grundzusammenhänge, um so die Komple-xität der Wirklichkeit zu reduzieren.

3.1 Bilanz

Wir beginnen mit den Abhängigkeiten in der Bilanzierung. Der Grundzusammen-hang, dass eine Ratingabwertung zu einer Abschreibung führt, ist bekannt. In derBilanzierung nach HGB gibt es zwar keinen Automatismus, doch ist die Position derWirtschaftsprüfer klar:

„ . . . Umgekehrt kommt signifikanten Herabstufungen jedoch eine Indizfunkti-on für eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung zu. Dies gilt umso stär-ker, je stärker die Herabstufung ausfällt. So ist grundsätzlich bei einer Her-abstufung um zwei oder mehr notches oder bei einem Übergang in den Non-Investmentgrade-Bereich ein Abschreibungsbedarf widerlegbar zu vermuten.Etwas anderes kann dann gelten, wenn bei Vorliegen mehrerer, ebenfalls aktu-eller Ratings nur eine einzelne oder die Minderzahl der Ratingagenturen voneinem solchermaßen erhöhten Kreditrisiko ausgeht“ (IDW 2009).

Die dauerhafte Wertminderung bei Anlagen zu fortgeführten Anschaffungskostenund im Anlagevermögen wird hauptsächlich anhand des Ratings festgestellt und ver-mindert den Gewinn. Bei nicht dauerhafter Wertminderung dieser Bilanzposten wer-den sonst stille Lasten oder Reserven gebildet. Die vorrübergehende Wertminderungbei Anlagen im Umlaufvermögen vermindert ebenfalls den Gewinn bei Spreadaus-weitungen. Diese wiederum müssen nicht, können aber von Ratingabwertungen her-rühren. Zwar hat der Versicherer die Möglichkeit Anlagen auch umzuwidmen, bspw.

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vom Umlauf- in das Anlagevermögen und dort dann mit dauerhafter Wertminderungkleinere Abschreibungen zu vermeiden, doch sind dem enge Grenzen gesetzt. Siesind prinzipiell nur einmal in eine Richtung möglich. Sind Anlagen in HGB abge-schrieben, erfolgt die nächste Abschreibung wiederum aufgrund von neuen Indizien,wie einer weiteren Ratingverschlechterung. Auch hier gibt es somit keinen Automa-tismus. Allerdings gibt es immer einen Automatismus der Begründung, dass etwasnicht abgeschrieben wird. Und im Umkehrfall muss immer wieder zugeschriebenwerden.

Bezüglich der Passiva gibt es in HGB keine explizite Ratingabhängigkeit, insb.nicht bei der Festlegung der Abdiskontierung länger laufender Verpflichtungen in derLebensversicherung.

In der Bilanzierung nach IFRS ist der Grundzusammenhang recht ähnlich. NachIFRS 9 gibt es eine Abschreibung (Impairment) ebenfalls bei Indizien, insb. bei demeiner Spreadausweitung und Ratingabwertung. Auch hier spielt die Grenze zum Non-Investment Grade eine besondere Rolle. Ein wichtiger Unterschied ist der Automatis-mus nach erstmaliger Abschreibung, denn danach muss bei Spread- bzw. Ratingver-änderung immer wieder ab- und zugeschrieben werden. Ähnlich wie in HGB wird beiAnlagen in Kredite und Forderungen (Loans & Receivables) und in Gehalten bis zurEndfälligkeit (Held to Maturity) unterschieden in dauerhafte Abschreibungen, die ge-winnmindernd sind, und in vorrübergehende Abschreibungen, die zu stillen Reservenoder Lasten in der Bilanz führen. Und wiederum ähnlich zu HGB wird bei den Anla-gen Jederzeit veräußerbar (Available for Sale) und Mit dem Zeitwert erfolgswirksambewertet (Held for Trading, Fair Value Option) grundsätzlich gewinnmindernd abge-schrieben. Anders als in HGB kann auch die Rücklage unrealisierter Gewinne undVerluste im Eigenkapital der Bilanz belastet werden. Hinzu kommen Diskussionenüber die Verwendung des Expected-Loss- vs. des Incurred-Loss-Ansatzes. Geradebei einem auf Erwartungswerten beruhenden Ansatz könnte die Bedeutung der Ra-tings steigen, weil die Teilnehmer den Erwartungswert nicht unerheblich aus denhistorischen und erwarteten Ratingveränderungen ableiten würden.

Auf der Passivseite der Bilanz gibt es keine grundlegenden Ratingabhängigkeitenin IFRS 4. Doch ist nach den Entwürfen des IASB die Abdiskontierung der Ver-bindlichkeiten mit einer risikolosen Zinskurve oder aber mit einer Portfoliorenditemöglich. Da letztere um Spreads bereinigt werden soll, ist eine unterschwellige Ra-tingabhängigkeit gegeben. Auch soll das Kreditrisiko der Rückversicherung in denZahlungsströmen explizit modelliert werden.

Es bleibt festzuhalten, dass größere Ratingabwertungen semiautomatisch zu ge-ringeren Gewinnen und ggfs. geringerem Eigenkapital führen. Dies ist in der IFRS-Bilanzierung mit ihrer Marktwertorientierung stärker ausgeprägt als in der HGB-Bilanzierung mit ihrer Buchwertorientierung.

3.2 Solvenz

Unter Ratingabhängigkeit in der Solvenz einer Versicherung sollen die Anlagever-ordnung, Solvency 1 und 2 sowie die Deckungsrückstellungsverordnung behandeltwerden. Erstere, weil sie die Erlaubnis der Anlagen und somit sehr unmittelbar die

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Solvenz eines Versicherers beeinflusst. Letztere, weil darin die neue Zinszusatzreser-ve geregelt ist, die letztendlich der Solvenzsicherung von Lebensversicherungsunter-nehmen dient.

Die Anlageverordnung ist ein ratingintensives Dokument, wenn man die Ausfüh-rungsbestimmungen im Bafin-Rundschreiben R4/11 dazu nimmt. Es gibt unzähli-ge Ratingverweise. Im Kern legt die Anlageverordnung jedoch fest, dass zur Bede-ckung der Verbindlichkeiten nur Anleihen mit Investment-Grade-Rating im gebun-denen Vermögen zulässig sind. Erstaunlich ist, dass dies weder im Versicherungsauf-sichtsgesetz, noch in der Anlageverordnung, noch im Rundschreiben ganz deutlichgesagt wird im Sinne eines Satzes „Versicherer dürfen nur in Investment Grade Ra-ting anlegen.“ Es steht dort eher negativ (Bafin 2011a):

„Spekulative Anlagen sind unzulässig.“

Mit dem Rundschreiben ist eine direkte und automatische Ratingabhängigkeit ge-geben. Da diese Regelung sehr hart und weitgehend ist, hat die Aufsicht gewisseErleichterungen geschaffen. So können Anleihen im Non-Investment-Grade über ei-ne Öffnungsklausel von 5 %, eine eigene High Yield Quote von 5 % oder in Pu-blikumsfonds über die Bodensatztheorie von 3 % gehalten werden. Auch kann mandurch bestimmte Techniken wie der tranchierten Verbriefung Ratingtransfers nachoben vornehmen. Man kann mehrere Ratings verwenden, um so ein höheres Ratingzu erhalten. Zu den Passiva sagt die Anlageverordnung definitionsgemäß nichts aus.

Im immer noch herrschenden Aufsichtsregime Solvency 1 besteht weder bei denAktiva noch bei den Passiva eine explizite Ratingabhängigkeit.

Ganz anders sieht es bei dem kommenden Aufsichtsregime Solvency 2 aus. Hierbesteht auf der Seite der Kapitalanlagen eine explizite, hohe und umfassende Quer-verweisung auf externe Ratings. Dies betrifft mit den Spread-, Konzentrations- undForderungsausfallrisiken gleich drei Risikokategorien (GDV 2012):

– „Das Spreadrisiko setzt sich additiv aus [dem] . . . von Anleihen und Darle-hen . . . (mit Ausnahme der Hypothekendarlehen . . . ), . . . von Kreditverbrie-fungen in Form von handelbaren Wertpapieren oder anderen Finanzinstru-menten . . . , . . . von Kreditderivaten . . . [zusammen]. . . . Die Berechnungdes Risikofaktors . . . beruht auf der Bonitätsstufe der Anleihe . . . und aufihrer modifizierten Duration.“

– „Das Konzentrationsrisiko ist das mit einer kumulativen Anhäufung vonAusfallrisiken gegenüber derselben Gegenpartei verbundene Risiko. . . . ImNormalfall sind die Schwellenwerte [der Konzentration] abhängig von derBonitätsstufe . . . “

– „Das Ausfallrisiko bezeichnet das Risiko von Verlusten aufgrund von uner-warteten Ausfällen oder Verschlechterungen der Bonität von Gegenparteienund Schuldnern während der nächsten 12 Monate. In Abhängigkeit von derArt der Forderungen . . . sind Ausfallrisiken in zwei Kategorien eingeteilt. . . .Bei Forderungen Typ 1 besitzt üblicherweise die Gegenpartei ein Rating. . . .

Forderungen Typ 2 umfassen alle Kreditforderungen, die nicht zum Sprea-drisiko gehören und nicht Typ 1 sind. Üblicherweise besitzt die Gegenparteikein Rating.“

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Tab. 1 Bonitätsstufen in Solvency 2

DBRS Fitch JCRA Moody’s S&P S II

AAA AAA AAA Aaa AAA 0

AA (high) bis AA(low)

AA+ bis AA− AA+ bis AA− Aa1 bis Aa3 AA+ bis AA− 1

A (high) bis A (low) A+ bis A− A+ bis A− A1 bis A3 A+ bis A− 2

BBB (high) bis BBB(low)

BBB+ bis BBB− BBB+ bis BBB− Baa1 bis Baa3 BBB+ bis BBB− 3

BB (high) bis BB(low)

BB+ bis BB− BB+ bis BB- Ba1 bis Ba3 BB+ bis BB− 4

B (high) bis B (low) B+ bis B− B+ bis B− B1 bis B3 B+ bis B− 5

CCC (high) unddarunter

CCC+ unddarunter

CCC+ unddarunter

Caa1 unddarunter

CCC+ unddarunter

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Hinweis: DBRS = Dominion Bond Rating Service (Canada), Fitch (USA, UK, Frankreich), JCRA = JapanCredit Rating Agency (Japan), Moody’s (USA), S&P = Standard & Poor’s (USA). S II = Solvency 2.Quelle: GDV (2012, Anlage 11)

Dezidiert werden die externen Ratings dann technisch klassifiziert und übersetzt(siehe Tab. 1).

„Gibt es zwei oder mehr unterschiedliche Ratingeinstufungen von verschiede-nen Agenturen, so ist das schlechtere Rating der beiden besten Einstufungen zuverwenden.“

Zu dieser detaillierten Ratingabhängigkeit gehört dann noch die Festlegung der An-lageklassen, mit höherer oder niedrigerer externer Ratingabhängigkeit. So sind be-kanntlich Staatsanleihen aus Euroland nicht ratingmodelliert im Standardansatz. Undabgerundet wird das Bild noch durch eine feste Korrelation der Risiken, somit auchder Ratingrisiken.

Man kann bei Solvency 2 vereinfacht sagen: Je niedriger das Rating, je längerdie Laufzeit der Anleihe, je konzentrierter die Anlage bei einem Emittent und je ver-packter das Grundgeschäft, umso höher ist der Stressfaktor und umso niedriger ist dieSolvenz. Würden auch die Staatsanleihen noch ratingabhängig modelliert, wofür oftplädiert wird und was in internen Modellen von der Aufsicht gefordert wird, würdedie Abhängigkeit noch weiter steigen.

Auch bei Solvency 2 gibt es keine direkte Ratingabhängigkeit der Passiva. Ins-besondere das Grundmodell der Abdiskontierungskurve mit Hilfe eines Markt-Swapsatzes verbunden mit einer Ultimate Forward Rate ist nicht ratingabhängig.Doch die Erweiterung durch eine Countercyclical Premium oder ein Matching Ad-justment zeigen genauso wie die neue Testreihe zum Long Term Guarantee Assess-ment unterschwellige Ratingabhängigkeiten. Denn Abweichungen vom risikolosenZins beinhalten typischerweise Spreadrisiken und sind somit ratingabhängig.

In der Öffentlichkeit noch wenig beachtet ist die Ratingabhängigkeit der neuenZinszusatzreserve. Diese ist in der Deckungsrückstellungsverordnung geregelt, diesich definitionsgemäß nicht auf Aktiva, sondern nur auf Passiva bezieht. Die Zinszu-satzreserve wird zusätzlich dann gestellt, wenn ein Referenzzins unter den verspro-

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chenen Garantiezins (Höchstrechnungszins) fällt. Insofern ist zu schauen, inwiefernder Referenzzins ratingabhängig ist:

„Bei einer . . . erforderlichen Berechnung der zu erwartenden Erträge desUnternehmens ist als Rendite das über einen Referenzzeitraum von zehn Ka-lenderjahren errechnete arithmetische Mittel der Umlaufrenditen der Anlei-hen der öffentlichen Hand zugrunde zu legen. Maßgebend für die Errech-nung des arithmetischen Mittels sind die Jahresmittelwerte aus den von derEuropäischen Zentralbank in der Statistik der ‚Zinsstrukturkurven des Euro-Währungsgebiets‘ veröffentlichten Monatsendständen der Kassazinssätze fürAnleihen mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren“ (DeckRV, § 5(3)).

Und genau dort steht dann als Erläuterung der EZB, dass es sich um Anleihen mitAAA-Rating von Zentralstaaten des Euro-Währungsgebiets handelt, bei der zudemnur das Rating durch die Agentur Fitch maßgebend ist. Somit folgt, dass die Mengeder Anleihen, sprich Länder des Euro-Währungsgebietes mit Höchstrating den Re-ferenzzinssatz mitbestimmen. Je weniger Länder AAA geratet sind, umso niedrigerist der Zins und umso höher ist die zu stellende Zinszusatzreserve. Also neben demschon programmierten Herunterlaufen des Zinses, könnte noch eine Beschleunigungdurch Ratingabwertungen eintreten. Das heißt, dass entweder zusätzlicher Gewinnerwirtschaftet werden muss oder der erwirtschaftete Gewinn nicht an die Kundenausgeschüttet werden kann. Kurzfristig führt dies zu einem Gewinndruck insbeson-dere auf die Kapitalanlage, dem ggfs. einige Versicherer nicht standhalten können.Mittelfristig führt es aber zu einer Solvenzerhöhung, da auch über dem Markt- bzw.Referenzzins liegende Garantien besser bedient werden können.

Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dass Ratingabwertungen auto-matisch zur Einschränkung der Anlagemöglichkeiten durch die Anlageverordnung,zur unmittelbaren Verringerung der Solvenz von Versicherungen durch Solvency 2und zu einer kurzfristigen Gewinnbelastung, ggfs. Solvenzverminderung, aber mittel-fristigen Solvenzerhöhung durch die Deckungsrückstellungsverordnung führen. Dasgesamte Solvenzregime wird immer ratingabhängiger.

3.3 Sonstige

Hier werden vor allem interne Richtlinien der Versicherer betrachtet, die eine hoheRatingabhängigkeit aufweisen. Wir beginnen mit der Aktivseite.

Der Grundzusammenhang hier ist, dass schon aus dem Aufsichtsrecht heraus, dieVersicherer gehalten sind interne Limitierungen vorzunehmen, die ebenfalls an Ra-tings gebunden sind. Versicherer würden, wie alle Kapitalanleger, aber auch selbstsolche Limitierungen vornehmen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Anla-geverordnung mit ihrem Quotensystem und das Bafin-Rundschreiben R4/11 mit ihrerexpliziten Vorgabe von ratingabhängigen Limitierungen:

„Kreditrisiken sollten durch die Festlegung der von den Ausstellern (Schuld-nern) zu erfüllenden Mindestratings auf Einzel- und Konzernebene limitiertwerden. Externe Ratings müssen von anerkannten Ratingagenturen vergebensein; eine Einschätzung durch das Versicherungsunternehmen selbst (internes

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Rating) ist möglich und zur Vermeidung von Abhängigkeiten gegenüber Ratin-gagenturen sinnvoll, wenn das Versicherungsunternehmen unter Berücksich-tigung des Charakters der Anlage über die hierfür notwendigen personellenund fachlichen Voraussetzungen verfügt. Zusätzlich können Kriterien wie z.B.das haftende Eigenkapital oder die Berücksichtigung von Credit Default SwapSpreads vorgesehen werden. Außerdem kann der CreditValue at Risk ermitteltwerden“ (Bafin 2011a).

Ratings folgender registrierter Ratingagenturen können derzeit verwendet werden:

– Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH– Creditreform Rating AG– Euler Hermes Rating GmbH– Feri EuroRating Services AG– Fitch Deutschland GmbH– GBB-Rating Gesellschaft für Bonitätsbeurteilung mbH– Moody’s Deutschland GmbH– Scope Credit Rating GmbH– Standard & Poor’s Ratings Services.

Wie aus der Anlageverordnung und R4/11 ersichtlich wird, gibt es auch Verkaufs-Automatismen, so bei Überschreiten der High Yield Quote oder der 3 % Ratingquoteunter B- in Spezial- und Publikumsfonds. Bei High Yield Anleihen hat die Aufsichtinzwischen diesen Automatismus gemildert, indem eine Überlauflösung in die Öff-nungsklausel zugelassen wurde (Bafin 2010).

Versicherer verwenden ein ausgefeiltes System an internen Limitierungen, so Li-mite zu Transaktionen, Ländern, Emittenten, Ratings, Anlageklassen und in Bezugauf Benchmarks. Da Versicherer aufsichtsrechtlich sicher gehen wollen, schalten sieden Ratingvorgaben Ampelsysteme und Schwellenwerte vor, womit sich die Ratin-gabhängigkeit noch erhöht. Je niedriger das Rating, umso kleiner das Limit. Eini-ge Versicherer benutzen sogar interne Verkaufsautomatismen bei Ratingabstufungen,insbesondere kurz vor der Stufe zum Non-Investment-Grade-Rating. Die Ratingab-hängigkeit in internen Richtlinien kann dann zu systematischen und gar automati-schen Verlusten führen.

Hinzu treten interne Risikobudgetierungsmodelle, die versuchen über die mit an-deren Methoden bestimmten Kreditrisikomengen zu steuern. Auch hier gibt es oft-mals implizite oder gar explizite Ratingabhängigkeiten, wie man bspw. am „auf-sichtsrechtlichen Risikobudgetierungssystem“ Solvency 2 gut sehen kann.

Interessant ist die Ratingabhängigkeit bei internen Richtlinien mit Bezug zu denPassiva. Externe Vorgaben konnten hier bisher nicht gefunden werden. Doch auchin der Versicherungstechnik werden externe Ratings verwendet. Hervorzuheben sindaus der Praxis heraus Limitierungen im Rückversicherungsschutz und in der Kre-ditversicherung. Rückversicherung oder Retrozession hat in allen Unternehmen ei-ne Ratingkomponente. Je niedriger das Rating des Rückversicherers umso geringerdie Menge an Rückversicherung. Je geringer die Menge an Rückversicherung, umsohöher das Risiko in der Erstversicherung oder umso geringer die Menge an Erst-versicherung. In der Kreditversicherung wiederum werden externe Ratings weniger

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Tab. 2 Übersicht zur Ratingabhängigkeit der Versicherer

Aktiva Passiva Automatismus Hinweis

HGB X – (X) –

IFRS X (X) (X) IFRS 4

AnlV X – X –

S1 – – – –

S2 X (X) X –

DeckRV – X X ZZR

IBR X (X) (X) –

Hinweis: HGB = Handelsgesetzbuch, IFRS = International Financial Reporting Standards, AnlV = An-lageverordnung, S1 = Solvency 1, S2 = Solvency 2, DeckRV = Deckungsrückstellungsverordnung, IBR= innerbetriebliche Richtlinien, ZZR = Zinszusatzreserve. Quelle: Eigene Zusammenstellung

von den großen Ratingagenturen als vielmehr von den nationalen im breiten Firmen-kundengeschäft verankerten Ratingagenturen wie Creditreform verwendet. Mit EulerHermes bietet eine Versicherung selbst externe Ratings an. Auch hier gilt vereinfacht:je niedriger das Rating des Kunden umso weniger Risikonahme durch den Kreditver-sicherer. Ratingabwertung führt dann zur Geschäftseinschränkung.

Abschließend bleibt bei den internen Richtlinien der Versicherer festzuhalten, dassbei Ratingabwertungen Gewinne vermindert, die Anlagemöglichkeiten begrenzt undverschiedene Versicherungsgeschäfte eingeschränkt werden. Die bereits bestehendeRatingabhängigkeit aufgrund externer Vorgaben wird intern verstärkt.

In Tab. 2 sind die erörterten Ratingabhängigkeiten der deutschen Versicherungs-wirtschaft übersichtsartig zusammengefasst.

4 Warum vermindern?

Bevor zu den Erfahrungen der Krise Aussagen getroffen werden, wird hier grund-sätzlich gefragt, warum die Ratingabhängigkeit überhaupt vermindert werden soll?

Zuerst einmal ist zu vermuten, dass wenn ein solch starkes externes Rating undderen weit verbreitete Verwendung durch die Regulatoren, Versicherungen und Fi-nanzunternehmen seit Jahrzehnten existiert, es sich um ein sinnvolles System handelt.Im Kern geht es um die Vermeidung bzw. Begrenzung von Verlusten. Die Nutzungdes externen Ratings ist zudem relativ einfach. Und Ratingagenturen haben sicherlichSkalenvorteile, indem sie viele Ratings vornehmen. Sie reichern zudem Ratingwis-sen an, insbesondere in Form von Methodenwissen. Viele Versicherer haben im Laufeder Jahrzehnte dann auch zunehmend die Kreditexpertise – zumindest bei handelba-ren Anleihen – ausgelagert. Ratings haben zudem den Vorteil über einen gesamtenKonjunkturzyklus kaum zu schwanken. Sie sind keine reinen Marktwertsysteme. Si-cherlich auch deshalb passten sie gut zu dem Buchwertsystem der deutschen HGB-Bilanzierung und der eher langfristigen Orientierung der Kapitalanlage von Versiche-rern. Und die weit verbreiteten Ratings führten auch zu einem level playing field füralle Versicherer.

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Doch in den letzten Jahren mehrte sich die Kritik an diesem System. Vielleichtist es auch umgekehrt: Indem Ratingagenturen durch verschiedene Regulierungenquasi monopolistischen Status bekamen, erlahmte ihre Geschäftstätigkeit im Sin-ne der richtigen vorausschauenden Bewertung. Die Art und Weise der Bezahlungdurch den Geprüften wurde aufgrund von möglichen Interessenkonflikten in Fragegestellt. Mit der massiven Auslagerung ging bei den Versicherern Wissen über dieBonität von Emittenten und Anleihen verloren. Die Kehrseite des level playing fieldist das Herdenverhalten der Investoren bei Ratingveränderungen. Die Investoren ver-kaufen massenhaft synchron bei Ratingabwertungen, gefährden die Refinanzierungder Emittenten und erzeugen neuen Ratingdruck. Zudem wurden weitere Verfahrenzur Beurteilung von Ausfallrisiken entwickelt.

Insofern sind dies die Argumente zur Verminderung der Ratingabhängigkeit beiVersicherern. Die Finanzkrise bietet anschauliche Belege für die Wirkung der Ratin-gabhängigkeit, da sie ein Naturexperiment großen Ausmaßes ist.

5 Krisenerfahrungen

Hier wird sich auf die verschiedenen Krisen seit 2007 konzentriert, die mit dem Aus-fall der großen amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008und dem de-facto-Ausfall von Griechenland im Frühjahr 2012 ihre vorläufigen Kre-ditausfallhöhepunkte gefunden hat.

Eine erste Erfahrung ist, dass es sich um einen Ratingschock handelt. Dieser Ra-tingschock hat mehrfache Eigenschaften. Erstens handelt es sich um große Rating-änderungen über mehrere Stufen, also etwa von AA auf CCC oder AAA auf BBB.Zweitens wurden viele Assetklassen und Emittenten weltweit erfasst; erstaunlicher-weise die der entwickelten Länder. Drittens lässt sich ein kaskadenförmiges Musterder Ratingabwertungen erkennen:

Subprime Anleihen → ABS-Anleihen → Bankenanleihen → Staatsanleihen.

Es gibt zudem mehrfache Rückkopplungen, so von Ratingabwertungen von Staaten,die zu Ratingabwertungen von Banken führen, weil die finanzielle Hilfsmöglichkeitder Staaten für die Banken abnimmt. Oder Ratingabwertungen von Banken führen zuRatingabwertungen von Pfandbriefen, weil man die Fähigkeit neue Deckungsmas-se zuzuführen in Zweifel zieht. Viertens vollzog sich alles in historisch kurzer Zeitvon drei bis fünf Jahren. Insofern wurden alle wesentlichen Anlagen der Versicherermassiv erfasst. Man spricht nicht umsonst von einer Kreditkrise und Ratingwelle.

Eine zweite Erfahrung ist, dass es keine sicheren Anleihen mehr gibt. Seit Jah-ren dachten die Marktteilnehmer, dass Bankenanleihen entwickelter Staaten nichtausfallen können. Dies hat sich mit dem Lehman-Ausfall geändert. Auch im Geld-markt ging man davon aus, dass kurzfristige Anlagen jederzeit möglich sind. DieLiquiditätsknappheit in der Krise und die massiven Hilfen der Zentralbanken habenauch dies widerlegt. Auch ging man davon aus, dass Staatsanleihen in entwickeltenLändern wie in Euroland nicht ausfallen können. Mit dem sogenannten freiwilligenTausch griechischer Staatsanleihen durch private Investoren wurde auch dies de fac-to, wenn auch nicht de jure, widerlegt. Damit fehlt sowohl den Risikomanagern die

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theoretische Bezugsbasis des risikofreien Zinses wie auch den Portfoliomanagern ei-ne sichere Anlage auf die sie sich jederzeit zurückziehen können.

Hinzu treten in diesem Zusammenhang noch die Knappheit an hohen Bonitätenund somit Ratings. Je mehr Investoren sich auf diese Anlagen konzentrieren undje geringer das Angebot, umso höher der Preis und umso niedriger die Rendite.Große und vermutlich überzogenen Spreaddivergenzen zwischen hoch und niedriggerateten Anleihen sind die Folge. Am Geldmarkt und kürzer laufenden Renten-Sekundärmarkt (bis zu 5 Jahren in der Schweiz) wurden negative nominale Zinsenbeobachtet. Es gibt damit das neue Phänomen von nominal negativen Spreads.

Eine dritte Erfahrung ist, dass man den Ratingagenturen nicht mehr vertrauenkann. Sie waren konfrontiert mit Strukturbrüchen in ihren Ratingmodellen durch dieFinanzkrise. Dies hätte auch unternehmensinterne Ratings von Versicherern betrof-fen, doch hat man bei Ratingagenturen eine höhere Methodenkompetenz vermutet,mit diesen Brüchen umzugehen. Ratingagenturen haben ihre Ratingmethoden ver-ändert. Vereinfacht gesprochen wurde die Ratingskala nach unten verschoben. Auchgibt es nunmehr systemische Ratings bspw. bei Banken:

Rating des Staates → Rating der Bankengruppen im Staat

→ Rating der Bank der Bankengruppe → Rating der Anleihen der Bank.

Mit dem Rating des Staates ist sozusagen das Anleiherating der Bank nahezu gege-ben. Und nicht zuletzt gibt es Fragen zur Fehlbarkeit des Urteils. Die Ratingagenturenhaben immer betont kein mechanisches Rating zu vergeben, sondern auch subjektiveEinschätzungen hinzuzufügen. Sie haben immer betont, die Ratings nicht kurzfristigzu ändern. Zwar steht das Gesamtergebnis zur Finanzkrise noch aus. Doch ist schonjetzt klar, dass ein Überschießen der Ratings nach oben gegeben hat, nämlich vorder Krise. Und es scheint auch ein Überschießen nach unten gegeben zu haben, wieerste deutliche Ratingaufwertungen von ABS-Anleihen andeuten. Vielleicht sind dieRatings derzeit zu schlecht.

Wenn man nun diese Krisenerfahrungen zusammenbringt mit der oben beschrie-benen Ratingabhängigkeit der Versicherer ergaben sich folgende Wirkungen durchmassenhafte Ratingabwertungen:

– Die Gewinne gingen zurück aufgrund von Abschreibungen.– Die Aktiva fielen aufgrund von Abschreibungen und Kursverlusten.– Die Passiva fielen kaum.– Die Solvabilität nahm ab aufgrund erhöhter Kreditrisiken bei zurückgehendem Ei-

genkapital.– Die Investitionsmöglichkeiten verminderten sich von der Angebots- und Nachfra-

geseite.– Das Kauf- und Verkaufsverhalten beschleunigte den Marktpreisverfall und vergrö-

ßerte die Spreaddivergenz.

Diese Wirkungen wurden durch den starken Zinsrückgang und damit verbundenenKursanstieg von Rententiteln oft überdeckt.

Wie wirkgewaltig diese Zusammenhänge sind, zeigten sehr deutlich die Reaktio-nen der Beteiligten auf die Ratingabwertungen der Staatsanleihen von Griechenland,Portugal, Irland, Spanien und Italien. Hier sind wichtige Reaktionen:

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– Die Wirtschaftsprüfer äußersten sich dezidiert zu Einzelfällen, so einer Abschrei-bung auf griechische Staatsanleihen (IDW 2011) und einer Nichtabschreibung aufspanische Banken (IDW 2012).

– Die europäische Versicherungsaufsicht änderte nicht das Standardmodell von Sol-vency 2 bzgl. der Ratingabhängigkeit von Staaten in der Krise, obwohl es in seinereigenen Logik nicht sachgerecht ist.

– Die deutsche Versicherungsaufsicht verlangte zuerst ad hoc Meldungen zum En-gagement in den Krisenländern. Sie schuf seit 2010 mit Bezug zum Verbleib imgebundenen Vermögen eine Lex Griechenland und beabsichtigt mit der Verlautba-rung zu „Europäischen Staatsanleihen im gebundenen Vermögen“ ggfs. eine eige-ne „PIIGS-Quote“ zu schaffen (Bafin 2011b, 2013).

– Die Versicherer kauften über Nacht keine bzw. kaum Anleihen der Krisenländerund Anleihen aus diesen Krisenländern. Viele verkauften.

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass massive Ratingabwertungen (und vermutlichdemnächst Ratingaufwertungen) semi-automatisch und prozyklisch bei Versicherun-gen wirken. Ratingvolatilität ist ein neues und noch seltenes Phänomen. Was in derKrise um die Jahrtausendwende bei volatilen Marktpreisen von Aktienkursen schondiskutiert wurde und zum bekannten neuen Bilanzparagraphen 341(b) HGB mit sei-nem gemilderten Niederstwertprinzip bei der Abschreibung geführt hat, muss mitdieser Finanzkrise nun anhand von Spread- und Ratingveränderungen diskutiert wer-den. Der Unterschied ist gewaltig, sind doch die Versicherer zu 80–90 % in Renten-titeln investiert und ist das Rating in die Bilanzierung, in der Solvenzregulierung undin den internen Richtlinien tief verankert.

Natürlich sind die Ratingabwertungen Ausdruck der größeren Unsicherheit in ei-ner Finanzkrise. Und natürlich gab es Ausfälle, die in den Bilanzen verkraftet werdenmussten. Doch bleibt die Frage, ob sich alle Ratingänderungen – anstelle von echtenAusfällen – unmittelbar und so stark in den Geschäftsmodellen der Versicherer nie-derschlagen müssen. Antizyklisches Investieren und ruhigere Finanzinstitutionen, diesomit zu einer Krisenberuhigung beitragen, sind letztendlich der tiefere Grund für dieVerminderung der Ratingabhängigkeit.

6 Ansätze zur Verminderung

Das Problem ist erkannt und die Diskussion ist im Gange (siehe stellvertretendDe Haan und Amtenbrink 2011 sowie Theis und Wolgast 2012). Insbesondere dieEmpfehlungen des Financial Stability Board (2010) haben zur Belebung der Diskus-sion und ersten Schritten zur Verminderung der Ratingabhängigkeit beigetragen. ImFolgenden werden verschiedene Ansätze zur Verminderung der Ratingabhängigkeitgruppiert und mit Bezug zu Versicherungen diskutiert.

6.1 Keine Ratings

Natürlich ist die Abschaffung oder das Verbot von Ratings nicht sinnvoll. Doch ist esein guter logischer Ausgangspunkt zum Durchdenken verschiedener Vorschläge. Esgeht auch nicht um die Abschaffung von Ratings, sondern nur um die Durchtrennung

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des Nexus’ zu den Geschäftsmodellen der Versicherer. Man stelle sich bspw. vor, dassaus R4/11 alle Ratingverweise gestrichen würden. Was würde geschehen? Was würdeman an deren Stelle setzen wollen? Wenn man dann bedenkt, dass es früher vielesolcher Ratings nicht gab und Versicherer trotzdem ihr Kapital verantwortungsvollanlegten, ist es auch nicht ganz so utopisch, wie es zuerst klingt. Wie oben dargelegt,bräuchte noch nicht einmal das VAG geändert zu werden.

6.2 Interne Ratings

Dies führt dann unmittelbar zum ausschließlichen oder verstärkten Einsatz von unter-nehmensinternen Ratings. Dies gab es früher viel häufiger und weit verbreiteter. Derheutige Kreditleitfaden des GDV ist Zeugnis einer solch früheren Zeit. Die Versi-cherer mussten verstärkt eigene Kreditanalyse betreiben. Auch haben Banken immereigene interne Ratingmodelle zur Kreditvergabe gehabt, so wie Versicherer Scoring-modelle zur Beurteilung versicherungstechnischer Risiken haben. Auch diese Ban-kenratings können für Versicherer nutzbar gemacht werden.

Die mit den internen Ratings verbundenen Gefahren sind bekannt, wie etwa ei-ne zu optimistische Bewertung mit Wettbewerbsverzerrungen oder die Schwierig-keit der Beaufsichtigung der Vielzahl an Modellen. Interne Ratings haben aber dengroßen Vorteil einer größeren Heterogenität der Investorenentscheidungen. Die Pro-zyklik wird gebremst.

Es gilt derzeit als sichere Voraussage, dass sich die interne Kreditanalyse in denKapitalanlagen der Versicherer in den nächsten Jahren verstärken wird, da „Kredit“nach „Zins“ die zweitgrößte Ertrags- und Risikoquelle geworden ist.

6.3 Staatliche Ratings

Sozusagen als Gegenmodell ist in der Politik die Idee, staatliche Ratings zu nutzen,viel diskutiert worden. So gab es verschiedene Vorschläge einer europäischen Rating-agentur oder der Nutzung der EZB dafür. All diese Überlegungen stehen natürlich imVerdacht, dass politischer Einfluss auf die Ratings genommen wird und ein Rating-monopol entsteht. Deshalb versucht man diese Probleme zu mindern, etwa indemman die Form einer Stiftung öffentlichen Rechts verwendet.

Doch ist es per se nicht ausgeschlossen, dass einzelne Staaten oder -gruppen eige-ne Ratingagenturen schaffen oder fördern. Am ehesten ist dies noch in den EmergingMarkets zu vermuten, wie China zeigt. Die Dagong Global Credit Rating (DGCR) istsicherlich einer der neuen Wettbewerber für die etablierten Ratingagenturen. In ihrerBewertung der Länder kommt sie denn auch zu dem nicht unbegründeten Schluss,dass die Ratings der entwickelten Länder zu hoch und die der Emerging Markets zuniedrig sind.

6.4 Ratingwettbewerb und -regulierung

Dies führt dann unmittelbar zum Ratingwettbewerb. Auf der einen Seite sind diegroßen Ratingagenturen ein Oligopol. Auf der anderen Seite gibt es eine Vielzahlkleinerer und spezialisierter Ratingagenturen. Insofern gibt es einen gewissen Grund-wettbewerb. Dieser wird aber nicht als ausreichend erachtet. So gibt es inzwischen

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auch private Initiativen neue Ratingagenturen zu gründen, bspw. in Deutschlanddurch die Bertelsmann Stiftung die International Credit Rating Agency (ICRA). In-wieweit diese Initiativen zum Erfolg führen, wird der Markt zeigen, denn die eigentli-che Frage ist, ob die gegenwärtigen Ratingagenturen nicht ein „natürliches Oligopol“sind. Diese Natürlichkeit beruht auf der fast identischen Ratingmethode. Insofern istzu vermuten, dass wenn es keine methodologischen Neuerungen gibt, sich auch ander Agenturabhängigkeit nichts ändert. Zumindest ist die Aufsicht weltweit aufge-schlossener geworden, mehr Ratingagenturen aufsichtsrechtlich zu berücksichtigen.Dies gibt den Versicherern eine etwas größere Wahlmöglichkeit unter ähnlichen Ra-tingmethoden.

Als wohl schärfster Konkurrent zu den Ratingagenturen haben sich Credit DefaultSwaps entwickelt. Ihr Vorteil besteht in täglich verfügbaren Marktpreisen zum Kre-ditrisiko. Es dürfte inzwischen keine größere Versicherung geben, die nicht imPortfolio- und Risikomanagement diese Daten verwendet. Wirtschaftsprüfer und Ba-fin rekurieren ebenfalls auf diese Marktdaten. Zwar ist der CDS-Markt nicht ohneProbleme, doch beginnt der Markt und die Regulierung reifer zu werden. Die Ba-fin hat explizit CDS als Tool zur Kreditanalyse (siehe R4/11) und zur Kreditrisi-kosteuerung (siehe R5/07) zugelassen. Allerdings ist kein Versicherer bekannt, derschon eine übergeordnete Kreditrisikosteuerung (Credit Risk Overlay) mit CDS vor-nimmt. Der Nachteil der CDS ist ihre hohe Volatilität. Würden CDS-Sätze anstellevon Ratings in den oben beschriebenen Regulierungen eingesetzt, würde die Rating-abhängigkeit eingetauscht gegen eine CDS-Abhängigkeit. Diese wäre in ihren Aus-schlägen noch heftiger und kurzfristiger. Doch ergänzend könnten in einigen Jah-ren langfristige Zusammenhänge aus den CDS-Märkten durchaus Verwendung fin-den.

Sollte der Wettbewerb nicht zu den gewünschten Erfolgen führen, ist die Regulie-rung der Ratingagenturen möglich. Dies scheint der derzeit bevorzugte Weg zu sein.In der EU wurde gerade die Haftung der Ratingagenturen eingeführt, in Australiengab es einen ersten Richterspruch in diese Richtung und in den USA wird diese gera-de durch die Klage der Vereinigten Staaten gegen S&P getestet. Zudem müssen sichRatingagenturen bestimmten Verhaltensregeln unterwerfen und sich registrieren las-sen. Doch hat bisher keine dieser Regulierungsmaßnahmen die Ratingabhängigkeitder Versicherungen vermindert.

6.5 Änderungen in der Mechanik der Ratings

Deshalb sind Vorschläge, die die Wirkungsweise der Ratings in den Geschäftsmo-dellen der Versicherer verändern, ein weiterer und sehr unmittelbarer Ansatz. Hiersollen behandelt werden:

6.5.1 Ratingschwellen

Das gesamte Regulierungssystem ist mehr oder weniger auf die Schwelle zum Non-Investment-Grade-Rating fixiert. So stark, dass sogar volle oder teilweise Automa-tismen des Verkaufs und Nichtkaufs wirken. Das ist eigentlich verwunderlich, wennman die eingangs erwähnte Subjektivität der Ratings bedenkt.

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Dies wurde erkannt, denn in der Krise wurde flexibel darauf reagiert, so bei denAbschreibungen oder bei der Auslegung der Non-Investment-Grade-Fälle zum Ver-bleib im gebundenen Vermögen. Wäre Solvency 2 mit seiner hohen Ratingabhängig-keit schon eingeführt gewesen, hätte es sicherlich auch Anpassungen gegeben.

Es ist nun die Frage, ob nicht noch deutlich weiter gegangen werden muss. Solan-ge die Anlageverordnung gilt, könnte

– die Ratingschwelle weiter nach unten verschoben werden. Dies ist auch volkswirt-schaftlich sinnvoll, denn je weniger Anleihen es im Investment Grade gibt und jeniedriger deren Zins, umso niedriger die Erträge für die Kunden. Es beginnt sichin verschiedenen Verlautbarungen und Diskussionen schon B- als neue Schwelleherauszubilden.

– eine einzige große „Kredit-Ausnahme-Quote“ geschaffen werden. Vereinfacht istes eine Zusammenlegung von Öffnungsklausel, High-Yield-Quote und sonstigemRatingrelvantem. Vielleicht reicht auch eine Umdefinition der Risikokapitalquotefür Kreditrisiken gekoppelt mit der Einführung (Belebung) der Substanzwertquotefür Aktien, Immobilien- und Infrastrukturbeteiligungen und Rohstoffe.

6.5.2 Ratingdurchschnitte

Bereits heute werden Ratingdurchschnitte eingesetzt. Die Gesetzgebung und Auf-sicht fördert die Verwendung mehrerer Ratings. Bspw. gibt es in R4/11 und in derWirtschaftsprüfung die Regel von zwei Ratings, das schlechtere zu nehmen oder vonden beiden höchsten Ratings, das schlechtere zu nehmen. Auch wird in der Beurtei-lung der Kreditqualität auf den Ratingdurchschnitt des Portfolios abgestellt. Dieserkann nach Markt- oder Buchwerten gewichtet werden. Wenn demnächst also mehrRatings zum Einsatz kommen würden, müssten die Regeln überprüft werden. Wennzudem neben externe auch vermehrt interne Ratings treten, muss auch dies in mög-lichen Gewichtungen berücksichtigt werden. Erstaunlicherweise wurde dies bei derZinszusatzreserve nicht berücksichtigt. Auch hier hätte man einen Durchschnitt derbspw. 10 höchsten Länderratings nehmen können, um so bei Ratingabwertungen zubremsen. Doch all diesen Ratings ist gemein, dass sie auf einen bestimmten Zeitpunktabstellen.

6.6 Ein eigener Vorschlag: Ratingglättung

Deshalb wird in dieser Betrachtung vorgeschlagen, Ratingdurchschnitte nach der Zeitzu gewichten. Man nimmt nicht das zuletzt verfügbare Rating, sondern den Durch-schnitt der bspw. letzten drei Jahre. Das führt dann logischerweise dazu, dass bei Ab-wertungen Ratings langsamer herunter laufen und bei Aufwertungen langsamer wie-der herauf laufen. Der große Vorteil ist die Vermeidung der Ratingvolatilität. Ab- undZuschreibungen würden beruhigt, damit die Bilanz, und auch die Solvenz. Zudemwürde es dazu führen, dass sich tendenziell das bisherige auf das Investment-Grade-Rating abgestellte System stabilisiert, da weniger Non-Investment-Grade-Rating-Ausnahmen nötig sind.

Der große Nachteil des Vorschlags ist die Vermeidung von ggfs. notwendigen Ab-schreibungen und der Ausweis einer höheren Solvenz als in dem Zeitpunkt gegeben.

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Wie der Fall Griechenland gezeigt hat, hätte die Ratingglättung Abschreibungen ver-zögert und Versicherer mit hohen Anteilen griechischer Anleihen (relativ gesehen)solvenzseitig begünstigt. Doch solange es nicht zu Massenausfällen kommt, wäre ei-ne über mehrere Jahre verteilte Abschreibung für Versicherungen, Kapitalmärkte undzu refinanzierende Länder bzw. Emittenten verträglicher.

Man müsste pragmatische Formeln finden, etwa was die Zeitpunkte betrifft(3 Jahre×12 Monate vs. 3 Jahre×4 Quartale), die Verzögerungsdauer (1 vs. 5 Jahre)oder die Verbindung mit mehreren Ratings (siehe vorher Punkt 6.5.2). Der Datenauf-wand würde größer werden.

Am Ende steht dieser Vorschlag in der Tradition der Verwendung von längerfris-tigen Durchschnitten in der Versicherungswirtschaft, um dem längerfristigem Ge-schäftsmodell Rechnung zu tragen. Während man auf der Passivseite beim Höchst-rechnungszins und der Zinszusatzreserve gar auf zehnjährige gleitende Durchschnit-te zurückgreift, scheut man sich bei der Kapitalanlage davor. Dies war schon beider Einführung des § 341b HGB mit seinem gemilderten Niederstwertprinzip so,welches damals hauptsächlich vor abstürzenden Aktienkursen schützen sollte. DieWirtschaftsprüfer bevorzugten ein Zeitpunktmodell mit Abweichungstoleranz.

7 Fazit

Die Abhängigkeit der deutschen Versicherungswirtschaft von externen Ratings isthoch und tendenziell noch steigend. Die Abhängigkeit bezieht sich nicht nur auf dieAktiva, sondern auch auf die Passiva einer Versicherung. Erstmals wird die Rating-abhängigkeit systematisch zusammengetragen.

Die Wirkung von Ab- bzw. Aufwertungen, insbesondere wenn sie in einer Kri-se bzw. einem Boom massenhaft sind, erzeugen mannigfaltige betriebs- und volks-wirtschaftliche Effekte. Wie die jüngste Finanzkrise gezeigt hat, überträgt sich dieRatingabwertung – ohne nennenswerte Kapital- und Zinsausfälle – negativ in die Bi-lanz der Versicherer, auf deren Solvenz und allen voran auf die Kapitalanlage. Wieviele andere Regulierungen auch wirkt die Ratingabhängigkeit prozyklisch. Das isterstaunlich und bedauerlich zugleich, da das Rating doch eigentlich ein ruhigeresSystem sein sollte, als die täglichen Marktwertänderungen. Insofern bedarf es zu-mindest in Krisenzeiten zusätzlicher Maßnahmen zur Verminderung.

Es werden Vorschläge zur Verminderung der Ratingabhängigkeit zusammengetra-gen und diskutiert. Um die Abhängigkeit der Versicherungen von externen Ratingszu vermindern, erscheinen lohnenswert:

– der vermehrte Einsatz interner Ratings, der das Herdenverhalten dämpft und dieKreditkompetenz der Versicherer erhöht,

– der verstärkte Wettbewerb durch neue Ratingmethoden und Kreditmessverfahren,der das „natürliche Oligopol“ der bestehenden Ratingagenturen durchbricht,

und

– die Veränderung der Ratingmechanik, die den Nexus loser macht.

Zu letzterem Ansatz wird eine Glättung der Ratings in der Zeit vorgeschlagen.Wenn Ratingvolatilität das Problem ist, ist Ratingglättung die Lösung.

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Literatur

Bafin: Downgrading von Staatsanleihen: Überschreitung der 5 %-High-Yield-Quote bei Versicherern. Ba-Fin J. 05(10), 4 (2010)

Bafin: Rundschreiben 4/2011 (VA) – Hinweise zur Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungs-unternehmen (2011a)

Bafin: Duldung von auf “default” eingestuften griechischen Staatsanleihen. BaFin J. 06(11), 3 (2011b)Bafin: Europäische Staatsanleihen im gebundenen Vermögen. Konsultation 01/2013, 29 Januar (2013)De Haan, J., Amtenbrink, F.: Credit rating agencies. DNB working paper No. 278, Januar 2001, S. 1–37EU: Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Januar 2013 zu dem Vorschlag für

eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG)Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, 16 Januar (2013)

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verschlechterung. IDW Verlautbarungen, 9 November (2009)IDW: Abbildung der Risiken aus griechischen Staatsanleihen in Zwischenabschlüssen zum 30. Juni 2011

vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen. IDW Verlautbarungen, 20 Juli (2011)IDW: Zur Offenlegung von Risiken bei Spanien-Engagements. IDW Verlautbarungen, 12 Juli (2012)S&P: On the use of models by Standard & Poor’s rating services. RatingsDirect on the Global Credit

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