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    Zusammenarbeit in der Gruppe

    Prozess und Struktur

    Die Tatsache der gemeinsamen Bewegung ist fr eine Arbeitsgruppeentscheidend.

    Wer bewegt sich in der Gruppe wohin? Wer zieht, wer schiebt, wer legt sich

    quer? Wer tritt wen auf die Zehen? Wer verbndet sich mit wem gegen

    wen? Ziehen alle an einem Strang? Wohin bewegt sich die Gruppe? Wer

    gehrt zur Gruppe, wer nicht?

    Grenzziehungen sind immer mehr oder weniger bewusste

    Wahlhandlungen- und nicht fixe Gegebenheiten. Das gilt auch imphysiologischen Sinn: Wo ist z.B. die Grenze von Lunge und Luft? Wo hrt

    denn meine Lunge auf und wo fngt die Luft an? Die Lunge. Die Luft. Eine

    fixe Trennung gibt es nicht. Unsere Sprache fhrt uns aber oft in die Irre

    und wir sehen oft den Wald vor lauter Bumen nicht mehr. Aber zuerst ist

    immer das Versprechen des Waldes da, der Samen und der Boden. Wenn

    der Samen in fruchtbaren Boden fllt, dann wchst ein Baum, der wiederum

    Samen und Humus produziert, etc. Was war zuerst, der einzelne Baum oder

    der Wald? Woher kommt ein Same? Von einem bereits vorhandenen Baum,oder? Und woher stammt der Baum her? Wir nehmen die Einzelteile

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    heraus und sagen mal die Lunge, der Krper, die Bume. Aber zuerst

    ist immer alles nur als Potential da der Same, der Baum und der Boden.

    Das Zusammenspiel, das Zusammenwirken dieser Potentialitten lsst alles

    erst entstehen. Das Zusammenspiel ist das Primre. Unsere abtrennende

    und substantivierende Sprache und fhrt uns aber oft in die Irre. Sie macht

    uns die Prozesshaftigkeit und Auf-einander-Bezogenheit aller Dinge

    vergessen.

    Wenn aber etwas ber lngere Zeit nicht spontan weitergehen kann, dann

    liegen dem Teufelskreise- Prozessblockaden - zugrunde, etwas, das

    einfach nicht weitergeht, sich nicht erlst. Das kann man viele Jahre mit sichherumtragen, und wir knnen uns berlegen, was diese angehaltene

    Prozessbewegung mit ganz bestimmten Strukturgebundenheiten

    (Charakterstrukturen, Organisationsstrukturen, etc.) zu tun hat.

    Und wie kommen solche blockierenden Strukturenzustande? Durch

    etwas, das ich gerne Kopfkinonenne:

    Ich komme morgens zur Arbeit. Ich komme zur Tr rein und denke oh

    Gott, die oder der ist auch hier, neben dem oder die setze ich mich sichernicht hin. Oder umgekehrt: Oh, die ist da, super. Da setze ich mich gleich

    hin. Oder Ihr trefft Euch in einen unbekannten Meeting-Raum, kennt

    niemanden und denkt/sprt, der oder die sieht freundlich aus, da setze ich

    mich mal daneben. Oder: Nahe bei der Tr, dann kann ich sofort raus, wenn

    es hier zu langweilig wird. Wir haben lauter solche Erinnerungen in

    unseren Krpern, verkrpert Die Situation reinkommen in einen Raum,

    zu irgendeiner Sitzung, das haben wir schon x-mal erlebt. Wir haben solche

    Situationen prsent, die begleiten uns, whrend wir mit unserem

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    (physischen) Krper reinlaufen und uns JETZT, in DIESER Situation

    irgendwo hinsetzen.

    Wir erleben x-mal dasselbe.

    ICH ein lebender Krper in Situationen

    Dieses Kopfkinospielt sich aber nicht nur im Kopf, sondern im ganzen

    Krper ab. Als denkende und fhlende Krper befinden wir uns nmlich die

    ganze Zeit immer in SITUATIONEN. Aber was ist eine Situation? Eine

    Situation ist niemals nur etwas ueres,etwas ausserhalb von mir, um

    mich herum. Michgibt es nie isoliert, sondern immer nur in Situationen.

    Ichund die geschlossene Trsituativ verstanden:

    Ich bin drin in einem Haus oder einem Zimmer, da ist die Tr, und

    draussen wollen drei Typen rein. Ich will aber nicht, dass die rein

    kommen. Also bemhe ich mich nach Krften, dass die Tr zu bleibt.

    Oder: Es klingelt, ich bin drin, die Tr ist geschlossen, und ich findeden Schlssel nicht, ich mchte aber gerne, dass die Person

    reinkommt, die da draussen wartet und rein will.

    Oder: ich bin draussen, ich mchte nach Hause, finde den Schlssel

    nicht.

    Oder: ich stehe vor der Tr zu einem fremden Haus, die noch

    geschlossen ist, ich weiss nicht, was mich erwartet, wenn ich gleich

    reinkomme und die Tr sich ffnet.

    Oder: die Tr zu diesen Gedankengebuden ist mir nochverschlossen, aber ich hoffe, dass sie sich whrend meiner

    Ausbildung ffnen wird.

    Das Ich und die geschlossenen Tr ist eine erinnerte und verinnerlichte

    Ereignisabfolge: es ist alles. was ich jemals in meinem Leben verbunden

    habe mit geschlossenen oder geffneten Tren, alle Erlebnisse, die ich

    schon hatte, drauen stehen, drinnen sein, Tr auf, Tr zu. Also alles, was

    ich mit geschlossener Tr verbinde. Plus der ganze kulturelle Kontext:geschlossene Tren in Mitteleuropa sind andere geschlossene Tren als in

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    Afrika oder in Japan. Die Tren sind anders und damit ist alles andere auch

    anders. Es gibt vielleicht keine Schlsser, es gibt andere Formen von raus

    und rein, von Abmachungen und Gebruchen ALL DAS ist, was wir

    Situationnennen. Wie wir uns in der Welterleben. Wie wir die

    Arbeitsgruppe erleben.......

    Wie kommt also eine blockierte Arbeitsgruppe wieder in produktive

    Bewegung?

    Die Schlsselfrage dazu lautet: Wie kann ich mich in den aktuellen

    Situationen der Arbeitsgruppe anders erleben?Wie kann ich die

    gegebenen Situationen anders erleben?Und mit andersist gemeint: So,

    dass ich mich in der Zusammenarbeit wohl und sicher fhle, so sicher, dass ich

    meine Strken entfalten kann.

    Arbeitsauftrge klren, Qualittsstandards klren

    Nun, dazu mssen wir die Arbeitsttigkeit, den Arbeitsauftrag der Gruppe

    in den Blick nehmen. Was sind die zu erfllenden Auftrge, Ziele? Und wie

    sind sie zu erfllen (Qualitts-Standards)? Wissen wir das gemeinsam?

    Und haben wir uns abgestimmt. zusammen gerauft?

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    Gehe ich gern in die Arbeit, weil diese meinen Traumberufdarstellt, oder

    bringe ich den Arbeitstag hinter mich? Aber selbst wenn man seinen

    Traumberuf gefunden hat, dann muss man zumeist vieles erledigen, von

    dem man sich nichts hat trumen lassen, und auf das man liebend

    verzichten wrde. Verspanne und verkrampfe ich mich, weil mich das alles

    so rgert und krnkt? Oder kann ich diese unerwnschten Vorgaben und

    Anforderungen auch als Herausforderungen sehen? Bin ich auf mich, meine

    Kolleginnen und die Kunden neugierig, oder habe ich das alles schon

    ziemlich satt? Was wrde mich reizen? Wenn nichts mehr da ist, dann

    werde ich reizbar, gereizt.

    Spaltungen und Einbrche

    Dort, wo fr mich die Arbeit und die Kollegen einseitig, stereotyp geworden

    sind und andere Erlebensformen kaum noch hochkommen, wird alles

    langsam, aber sicher, immer grauslicher. Dann fhlt sich alles eher eng an,

    und folgerichtig erleben wir dann rundum Verengungen. Wenn dieser

    Prozess unaufhaltsam fortschreitet, landen wir in der Regel in einem von

    zwei Polen: Entweder-Oder, Ja-Neinwir sagen dann, wir landen in einem

    Einbruch: das Ausgeschlossene, Verdrngte meldet sich, bricht ins

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    Gewohnte ein. Krise! Eine Riesenchance tut sich auf, aber zugleich auch eine

    Riesengefahr!

    Denn jetzt kann es schnell weiter werden, weitergehen - oder noch

    enger werden.

    Wenn die Verengung weiter vorherrscht, dann kann es zu folgenden

    Spaltungen und Verhrtungen in der Wahrnehmung (zu folgenden einander

    entgegengesetzten Sensibilitten)kommen:

    Wertsensibilitt: sich und andere aufwerten - sich und

    andere abwerten

    Vertrauenssensibilitt: vertrauen, alle sind freundlich -

    misstrauen, alle sind feindlichSymptomsensibilitt: nur noch krperliche Symptome

    wahrnehmen davon gnzlichweggehen

    Angstsensibilitt: Angst, Panik - Beschnigung,

    Verharmlosung

    Machtsensibilitt: alles ist machbar, strategisch planbar

    ausgeliefert sein, nichts mehr machen

    knnen

    Regelsensibilitt: alle Abmachungen gehorsam einhalten -gegen alle Regeln rebellieren, sie

    unterlaufen

    Intensittssensibilitt: intensives Zuviel - intensives Zuwenig

    Aufmerksamkeitssensibilitt: ber-aufmerksam sein, hngen bleiben,

    verharren - allesvergessen, zerstreut,

    unaufmerksam sein.

    Die Auflsung

    Solange diese Spaltungen im Erleben einer Gruppe vorherrschen, kann sich

    nichts ndern. Es geht also darum, sich dieser Dynamiken bewusst zu

    werden, sie gemeinsam sehenzu lernen. Dieses Sehen-Knnenist dererste und wichtigste Schritt der Vernderung.

    Das gengt.

    Denn solche Einbrche in der Teamarbeit sollten nicht wie eine Krankheitbehandelt werden, die heilt und dann vorbei ist und nach der man wieder

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    zum gewohnten Arbeitsalltag zurckkehren kann. Die tieferliegenden

    Erlebnisweisen / Alltagsneigungen bleiben ja noch bestehen, sie knnen

    aber durch verbesserte Selbst- und Fremdwahrnehmung (Empathie) und

    das Lernen von Neuem so verndert werden, dass knftige Einbrche

    seltener werden, nicht so heftigverlaufen, und vor allem: dass knftig hinfrh genug angemessene externe Untersttzung geholt werden kann.

    Darber hinaus knnen kontinuierlich alternative Zusammenarbeitsweisen

    erlernt werden. Alle zusammen brauchen eine Weile, um diese zu

    verkrpern, in Beziehungsfeldern auszuprobieren und einzuben - bis sie

    Dann als neue funktionierende Routinenautomatisiert zur Verfgungstehen.

    Lit.:

    Bohm, David:Der Dialog.Der Dialog. Das offene Gesprch am Ende der

    Diskussionen.Aus dem Englischen von Anke Grube. Herausgegeben von Lee Nichol.Klett-Cotta, Stuttgart 1998Bion, Wilfred R.:Erfahrungen in Gruppen und andere Schriften, bers. H. O. Rieble,Stuttgart: Klett-Cotta, 3. Aufl. 2001Gendlin, Eugene T.:Focusing-orientierte Psychotherapie. Ein Handbuch dererlebensbezogenen Methode.Pfeiffer, Mnchen 1998Geiser,Christiane: Input an der Jahresversammlung der schweizerischen

    Gesellschaft fr krper- und klientenzentrierte Theorie und Praxis, 26.03.2011

    Geiser,Christiane: Depressiv oder problemsensibel? Nachforschungen in Alltag

    und Therapie. In: Regina Bumer/Michael Plattig (hg.), Dunkle Nacht und

    Depression Geistliche und psychische Krisen verstehen und unterscheiden.Matthias Grnewald Verlag, S. 76-86