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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen Köcherfliegen (Trichoptera) Artenspektrum, Bedeutung, Leistung und Bioindikation der Zusammengestellt von Dipl.-Ing. (FH) Dennis Gräwe

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

Köcherfliegen(Trichoptera)

Artenspektrum, Bedeutung, Leistung und Bioindikation

der

Zusammengestellt von Dipl.-Ing. (FH) Dennis

Gräwe

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

Potamophylax sp.

Taxonomische und morphologische Abgrenzung

• Klasse Insecta• Unterklasse Ectognatha - Mundwerkzeuge frei am Kopf• Pterygota – Fluginsekten• Holometabola - mit vollkommener Verwandlung• Ordnung Trichoptera - Köcherfliegen

• den Schmetterlingen (Lepidoptera) nahe verwandt• Flügel dicht behaart (Schmetterlinge mit Schuppen)• Ordnung Trichoptera mit weltweit über 12.600 Arten• weitere 488 fossile Arten bekannt• in Europa fast 900, in Mitteleuropa etwa 300 Arten

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

• 20 – 85 Mill. Jahre alte Bernsteineinschlüsse (Tertiär, Kreide)• verschiedene Perioden der Einwanderung und Entfaltung in

den früheren Interglazialen und dem Präglazial• im letzten Glazial lebensfeindliche Bedingungen zwischen den

skandinavischen und alpinen Gletschern• besondere Verhältnisse in Fließgewässern (insb. Temperatur)• Überleben von großen Teilen der präglazialen

Fließwasserfauna vor Ort in eisfreien Bächen

Besiedlungsgeschichte der Trichopteren

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

• ein Ei-, mehrere Larven-, ein Puppen- und ein Imaginalstadium

• Imagines terrestrisch, Larven meist aquatisch• Ausnahme: Larven von Enoicyla pusillus terrestrisch• Generationsdauer meist ein Jahr

Merolimnische Lebensweise

• Weibchen tauchen schwimmend oder schreitend unter Wasser

• kleben Eier auf verschiedene Unterlagen (Stein, Kies, Totholz, Vegetation)

• andere werfen Eier über der Wasseroberfläche ab oder sitzen auf ihr

• einige wenige legen den Laich außerhalb des Wassers an Pflanzen ab

• Eier rund oder elliptisch, gelb bis braun, manchmal grün

• Zahl pro Gelege artspezifisch zwischen zehn und mehreren hundert

• oftmals mehrere Gelege mit einigen tausend Eiern• Entwicklung stark temperaturabhängig in ein bis

drei Wochen

Eiablage

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• mit dem Schlupf erste Larvenhäutung• danach vier weitere Häutungen mit fünf Larvenstadien• nur wenige Arten haben sechs oder sieben Larvenstadien• Larvalphase meist 9 bis 10 Monate

Larven

• Kopf sklerotisiert• beißende Mundwerkzeuge mit kräftigen Mandibeln• Fühler meist unscheinbar kurz und wenig gegliedert• drei kräftige Beinpaare (Schreitbeine, Schwimm- oder Raubbeine)• Abdomen relativ dünnhäutig, meist mit fädigen Tracheenkiemen

(einzeln oder im Büscheln)• letztes Segment mit ein Paar Nachschiebern und Krallen• zwei Spinndrüsen an der Spitze der Unterlippe für Seide zum Bau

von Kokon, Köcher oder Netz

• zwei Grundtypen:• walzenförmige, raupenähnliche Larven (Limnephiloidae)• abgeflachte Larven (Rhyacophiloidae und Hydropsychoidae)

• Nahrung vielfältig: Zerkleinerer, Räuber, Weidegänger, Filtrierer (Aas, Pflanzen, Bakterien, Algen, Detritus)

Rhyacophila nubila

Phryganea grandis

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

• nach dem Schlupf beginnen Larven mit dem Köcherbau• transportable Köcher oder ortsfeste Gehäuse (Schutzfunktion)• zylindrisch, gerade und m.o.w. nach hinten verjüngt, konisch und

manchmal stark kommaförmig gebogen• Material: Steinchen (Fließgewässerarten), Pflanzenteile

(Standgewässerarten), Schneckengehäuse, Rindenstückchen, Ästchen etc. sowie feine Spinnfäden der Labial- oder Spinndrüse

• pflanzliches Baumaterial wird herausgenagt, mit den Mandibeln zurechtgeschnitten und an den Köcher angefügt

• mit dem Heranwachsen wird nach vorn angebaut und der hintere Teil abgebissen

• Köcherbau m.o.w. variabel (Larvenstadium, Materialdargebot)

Köcherbau

• röhren-, trichterförmige oder sackartige Gespinste mit Fangnetzen• Larve wartet im Wohngespinst auf angeströmte Nahrung im

Stellnetz (lebende und tote organische Bestandteile)

Netzbau

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• letzte Larve heftet Köcher an Hartsubstrate oder spinnt ortsfesten Kokon zur Verpuppung

• Ruhezeit von max. 1 Monat• Puppe öffnet Kokon und steigt an die Wasseroberfläche• Imago schlüpft unverzüglich, meist nachts

Puppen

• Habitus mottenartig• 0,3 - 6 cm, unscheinbar bräunlich, grau, schwarz• lange, fadenförmige vielgliedrige Fühler• vier häutige schmale Flügel, dachförmig zusammengelegt• Komplexaugen, zusätzlich meist 3 Ocellen• Mundwerkzeuge leckend-saugend, oft reduziert• meist dämmerungs- oder nachtaktiv• Schwärmtänze zur Partnerfindung• Verbreitung, Kompensationsflug

Imagines

Neureclipsis bimaculata

Limnephilus rhombicus

Phryganea grandis

Potamophylax latipennis

Notidobia ciliaris

Agapetus fuscipes

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

• 1993: 126 Arten bekannt• Rote Liste M-V 2000: 146 Arten in 19 Familien• aktuell 160 Arten für M-V belegt• darunter aber 4 ausgestorbene Taxa

Trichopteren-Fauna Mecklenburg-Vorpommerns

• 86 % Fließgewässerorganismen• 40 % m.o.w an Standgewässer angepasst,

aber auch in langsam fließenden Gewässern• große Überschneidung zu Fließgewässerarten• 4 % Hochmoorarten

Kastorfer See

Darzer Moor

KraakerMühlbach

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

ungefährdet51%

gefährdet18%

selten2%

stark gefährdet17%

vom Aussterben bedroht

9%

ausgestorben/verschollen

3%

Gefährdung

Chimarra marginatain Deutschland selten nur ein Fundort in M-VNebeldurchbruchstal Serrahnvom Aussterben bedroht

Hagenella clathratain Deutschland selten sehr wenige Vorkommen in M-Vu.a. Darzer Moor bei Parchimvom Aussterben bedroht

Potamophylax nigricornisin weiten Teilen Europas vereinzelt in nördl. und mittlerenTeilen M-Vsgefährdet

• gut 50 % ungefährdet• 12 % ausgestorben oder vom Aussterben bedroht• 35 % gefährdet oder stark gefährdet• 2 % selten• Standgewässer- und insbesondere Hochmoorarten

besonders gefährdet

• Gewässerausbau und Unterhaltung• Entwässerung und Abtorfung• stoffliche Gewässerbelastungen• Unterbrechung der ökologischen Durchgängigkeit

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• besiedelte Habitate sehr divers• von der Quelle bis in das Brackwasser, in Mooren und im Litoral

unterschiedlicher Standgewässer• Strömung

• direkte Strömung bevorzugen z.B. die netzbauenden Larven der Hydropsychidae

• andere Arten bauen strömungsangepasste Köcherformen (z.B. Goeridae)

• strömungsberuhigte Zonen durch Limnephiliden besiedelt• Beraeidae u.a. in der hygropetrischen Zone

• Substrate• Hartsubstrate: Steine, Totholz (Potamophylax und Halesus sp.)• Weichsubstrate: Feindetritus (Molanna angustata)• Vegetation (Limnephilidae und Phryganeidae)

• Standgewässer• Leptoceridea und Molannidea an Brandungsufern• Limnephilidae und Phryganeidae in Verlandungszonen

Autökologie

Lype reducta

• Besiedlung temporärer Gewässer• Überdauerung (z.B. Imaginal-Diapause Limnephilus affines)• Vermeidung (Widerbesiedlung aus Refugien)

• Nahrungsspezialisten• Xylophage (z.B. Lype sp.)• Algen und Diatomeen (z.B. Hydroptila sp.)

Spezifische Anpassungen

Hydroptila sp.

Feuerstellenbach

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• Schlupfwespe Agriotypus armatus, solitärer Ektoparasit• befällt Puppen von Goeriden und Odontoceriden• Weibchen legt Ei in Puppenköcher des Wirts• madenförmige Larve saugt Köcherfliegenpuppe aus• zuletzt frisst sie die Puppe• vor der Verpuppung wird ein 1 mm breites und 10 – 50 mm langes respiratorisches

Band für den Gasaustausch gesponnen

Parasitismus

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• besondere Eignung als Bioindikator

Bioindikation

BIOINDIKATION

im aquatischen Bereich im amphibischen Bereich

im terres trischen Bereich

phys ika lis cheFaktoren

SubstratRäuber-Beute-Verhältnis Habitats trukturen

Konkurrenz

chemischeFaktoren

Plankton

Gewäs ser-morphologie

Strömungs-charakteris tik

Eros ion, Transportund Sedimentation

Nahrungs-angebot

Mikroklima

Ufers trukturen

Überschwemmungs- bereiche und - häufigkeit

Bodenwass ergehalt

Merolimnische Arten

Konkurrenz

Mikroklima

Mesoklima

Habitat-s trukturen

Räuber-Beute-Verhältnis

Rückzugsräume

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

Bioindikation

• Köcherfliegen als hochindikative Gruppe der Wasserwirbellosen seit langem zur Bioindikation genutzt• Fließgewässer

• Teil des Saprobienindex (SI) – organische Belastung• Bestandteil von ASTERICS/PERLODES – allgemeine Degradation• Standorttypieindex (STI-Trichopteren) – ökologischer Zustand

• Standgewässer• Bestandteil in LACCESS – biologische Bewertung von Stehgewässern

• Hochmoore• Teil des Standorttypieindex-Hochmoore – ökologischer Zustand

• Typisierung

Distance (Objective Function)

Information Remaining (%)

2,8E-01

100

2,6E+00

75

4,9E+00

50

7,2E+00

25

9,5E+00

0 DRO1 DRO2 MEC1 UE3 FEU2 HAR1 WOK1 HA1 SC3 G1 WB1 KM2 KM3 SU1

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

Bioindikation

• Ökologische Profile• Eingrenzen der für eine unterschiedliche

Besiedlung ausschlaggebenden Umweltfaktoren

0

2

4

6

8

10

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14

16

Sa St LT To We Sr Fl Lf Le Pe Te AV MA UV Fa Ge TH Br Hä AcÖkologische Gruppen

Arte

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BOI 1

Ref.

Ökologisches Gruppenprofil Trichopteren – Gefällearme Fließgewässer der Moränenbildungen

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„insektengerechte Gewässergestaltung“

• typspezifische Ausprägung• hohe Strömungsdiversität• kleinräumig wechselnde Substratvielfalt (insbesondere auch natürliche Hartsubstrate)• Totholz als Besiedlungssubstrat (Nahrungsspezialisten)• typgerechte Wasserwechselzone (amphibischer Bereich)• standorttypische Ufergehölze (Wurzeln, Falllaub, Beschattung, Mikroklima, Rückzugsräume,

Schwärmplätze)

• intakte Uferstrukturen bedeutend für zügige Wiederbesiedlung• Lage des Schwärmplatzes entscheidet über die Besiedlung des

nächst gelegenen Gewässers

Klosterbach

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Bioindikatoren unserer Landschaft: Eintags-, Stein- und Köcherfliegen

Literatur

• MALICKY (1973): Handbuch der Zoologie – Trichoptera (Köcherfliegen)

• WICHARD (1988): Die Köcherfliegen

• WARINGER & GRAF (1997): Atlas der Österreichischen Köcherfliegen

• MALICKY (2004): Atlas der Europäischen Köcherfliegen

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