Zwischen Markt und Staat...Zwischen Markt und Staat Gedächtnisschrift für Rain er Walz...

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,, , ., ' I ' Zwischen Markt und Staat Gedächtnisschrift für Rain er Walz Herausgegeben von Helmut Kohl Friedrich Kühler Claus Ott Karsten Schmidt Sonderdruck ISBN des Gesamtwerks 978-3-452-26740-5 (2008) Carl Heymanns Verlag

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    Zwischen Markt und Staat

    Gedächtnisschrift für Rain er Walz

    Herausgegeben von

    Helmut Kohl Friedrich Kühler

    Claus Ott Karsten Schmid t

    Sonderdruck ISBN des Gesamtwerks

    978-3-452-26740-5 (2008)

    ~ Carl Heymanns Verlag

  • Inhalt

    Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

    FLORIAN ASCHE Jagd im stiftungseigenen Forstbetrieb- Zweckverfolgung oder Freizeitvergnügen?

    PETER BEHRENS Erneuerung des Stiftungskollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

    HELMUT BÜCHEL Der Regress des Letztverkäufers nach § 478 BGB -viel Lärm um nichts?. . . . . . . . . . . . . 33

    HANS PETER BULL Wie »öffentlich« sind Stiftungen und Non-Profit-Organisationen?.................. 53

    ULRICH BURGARD Der Aufsichtsrat bei Verein und Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

    RICHARD BUXBAUM The Patent-Antitrust Debate Revisited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

    AXEL FRHR. V. CAMPENHAUSEN Zur Zusammensetzung der Organe kirchlicher Stiftungen am Beispiel der Samariterstiftung, Nürtingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

    GEBI-IARD CARSTEN Schwedische Stiftungen zur Förderung der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

    ZOL T AN CSEHI Über die Atlantis-Insel des ungarischen Handelsrechts - Unordnung staatlicher Regulierung oder Freiheit für Unternehmen - . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

    PETER FISCI-I ER Überlegungen zur >>Autonomie des Steuerrechts « (Walz) am Beispiel der sog. Gesamtplan-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

    RICHARD J. FRIES Public Benefit at the Heart of English Charity Law............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

    GERRIT FROTSCHER Europarechtliche Fragen des Rechts der steuerbegünstigten Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

    TI-I OMAS VON HIPPEL Zukunftsperspektiven für grenzüberschreitend tätige gemeinnützige Nonprofit-Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

    HAGENHOF Die U nverfügbarkeit der selbständigen Stiftung bürgerlichen Rechts -Kern der Stiftungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

    WOLFGANG HOFFMANN-RIEM Über Wikis und FOSS - Zum Wirken von >>Non Profit Non Organizations« (NPNO's) in offenen kollaborativen Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . 251

    RAINER HüTTEMANN Grundfragen der partiellen Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

    MAlTHIASJACOBS Entgcltfindung zwischen Markt und Staat- Bemerkungen zur aktuellen Diskussion um einen gesetzlichen Mindestlohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 289

  • HANSGEORG jEHNER Gründe für einen Wechsel von der Gewinnbesteuerung zur nachgelagerten Besteuerung der Unternehmenserträge- Argumentativer Zwischenbericht über das Reformvorhaben einer Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

    SUSANNE KALSS Die vorzeitige Abberufung des Stiftungsvorstands aus wichtigem Grund nach österreichischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

    HELMUTKOHL Ein »Foundation Governance Kodex« - ein Gebot der Zeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

    THOMAS KOLLER Der steuerbefreite gemeinnützige Verein im schweizerischen Recht -eine »unmögliche« Rechtsform? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

    FRIEDRICH KüBLER Generationengerechtigkeit und Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

    GUSTAV LINDENCRONA Die schwedischen Universitäten zwischen Markt und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

    jüRGEN LüDICKE Die korrespondierende Behandlung von Leistungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft nach dem JStG 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

    HANS-jÜRGEN LWOWSKI Fragen der Kündigung der Sicherungszweckerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

    ULRICH MAGNUS Der Acquis communautaire im Schadensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435

    KARLHEINZ MUSCHELER Satzungsdurchbrechung in der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

    KLAUS NEUHOFF ,Ewige Dauer' als Problem des Stiftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465

    BERND ÜPPERMANN Die Anwendung von Wettbewerbsrecht auf privatrechtliche Beziehungen der Akteure des nationalen Gesundheitssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485

    CLAUSOTT Kontrolle und Transparenz von Nonprofit-Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505

    CARLOS PALAO T ABOADA Das Grundrecht, sich selbst nicht zu belasten, im spanischen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . 527

    DIETER REUTER Die privat gegründete kirchliche BGB-Stiftung im Spannungsfeld von staatlicher Verantwortung, Kirchenautonomie und Autonomie von Stifter und Stiftung . . . . . . . . . 539

    ANDREAS RICHTER Gebot der zeitnahen Mittelverwendung oder Ausschüttungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559

    HANS MICHAEL RIEMER Reformen im schweizerischen Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571

    SUSAN ROSE-ACKERMAN Government Accountability and Civil Society in Eastern Europe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583

    GREGORROTH Die rechtsfähige Stiftung als Kapitalmarktteilnehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593

  • ANNERÖTHEL Vermögenswidmung durch Stiften oder Vererben: Konkurrenz oder Konkordanz? . . . . 617

    THOMAS SAMBUC Marken »echt gefälscht«- Zum Schutzinhalt des Markenrechts in der Wettbewerbsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635

    HANS-BERND SCHÄFER Austrittsbarrieren: zu den ökonomischen Wirkungen des Insolvenzverfahrens in Entwicklungs- und Transformationsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645

    STEPHAN SCHAUHOFF Wettbewerbsschutz und steuerliche Gemeinnützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661

    KARSTEN SCHMIDT Privatisierung der Rechtsformkontrolle durch Konkurrentenklagen im Nonprofit-Bereich? - Nachdenken über Grenzen der UWG-Praxis unter der Geltung der§§ 3, 4 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677

    MARTIN SCHULTE Grundfragen der Errichtung, Umwandlung und Auflösung von Stiftungen der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689

    ULRICH SEGNA Schulden als Dank fürs Ehrenamt?- Überlegungen zur haftungsrechtlichen Privilegierung unentgeltlicher Vorstandstätigkeit im Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705

    RUPERT GRAF STRACHWITZ Stiftungen in einer modernen Gesellschaft- V ersuch einer Theoriebildung . . . . . . . . . . . . 725

    GERHARD STRUCK Die paradoxe Funktionalität gesellschaftlicher Reproduktion und das Recht der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741

    WINO J. M. VAN VEEN Corporate Governance for Non-Profit Organisations - ALegalApproach . . . . . . . . . . . 757

    RÜDIGER VEIL Staatliche Aufsicht und Rechtsdurchsetzung durch private Dritte im Bank-, Kapitalmarkt- und Bilanzrecht- Strukturen und Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . . 769

    BIRGIT WEITEMEYER Die Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783

    ÜLAFWERNER Haftung eines Treuhänders für den Bestand des Kapitals einer von einer öffentlichen Behörde verwalteten fiduziarischen Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799

    Schrifttumsverzeichnis W. Raincr Walz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817

    Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825

  • Die korrespondierende Behandlung von Leistungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft

    nach dem JStG 2007

    ]ÜRGEN LÜDICKE*

    I. EINFÜHRUNG

    Mit W. Rainer Walz verbindet mich vor allem die Erinnerung an ein von ihm vorge-schlagenes gemeinsames Seminar im Januar 2001, zugleich mein erstes Seminar an der Universität Hamburg. Es bot den Studenten das breite Spektrum der nationalen und internationalen Aspekte der Reform der Unternehmensbesteuerung und des Stiftungsrechts. Unser beider Anliegen war, in den stark von der Praxis beherrsch-ten steuerlichen Einzelfragen die dogmatischen Grundlagen herauszuarbeiten. Nur sie können rechtsstaatliche und voraussehbare Besteuerung gewährleisten. Eines der Seminarthemen handelte vom Einfluss der Unternehmenssteuerreform auf ver-deckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen.

    Im vergangeneu Jahr sind die verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen ins Visier des Gesetzgebers geraten; er hat im Jahressteuergesetz 2007 QStG 2007) ein sog. Korrespondenzprinzip hinsichtlich ihrer Behandlung bei der Gesellschaft und beim Gesellschafter eingeführt. Dogmatische Fragen, System- und Steuergerechtigkeit, mit denen sich W. Rainer Walz immer wieder wissenschaftlich auseinander gesetzt hat, 1 standen dabei offenbar nicht im Zentrum des gesetzgeberi-schen Interesses.

    * Ich danke Herrn StB Dr. Dirk Nitzschke für seine wertvolle Unterstützung bei der Anfer-tigung des Manuskripts.

    1 V gl. z. B. Walz Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, 1980; ders. Gutachten F zum 53. Deutschen Juristentag in Berlin, 1980.

    401

  • JüRGEN LüDICKE

    II. ÜBERBLICK ÜBER DIE NEUREGELUNGEN ZUR KORRESPONDIERENDEN BEHANDLUNG VON LEISTUNGEN

    ZWISCHEN GESELLSCHAFTER UND GESELLSCHAFT DURCH DAS JSTG 2007

    Durch das JStG 2007 wurde eine seit längerem geforderte2 verfahrensrechtliche Re-gelung in § 32a KStG eingefügt. Absatz 1 der Vorschrift ermöglicht die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids oder Feststellungsbescheids eines Gesell-schafters, soweit gegenüber einer Körperschaft der Erlass, die Änderung oder die Aufhebung eines Steuerbescheids hinsichtlich einer erfolgten verdeckten Gewinn-ausschüttung erfolgt. Durch Absatz 2 wird die Korrektur des bestandskräftigen Steuerbescheids einer Körperschaft ermöglicht, soweit ein Steuerbescheid oder Feststellungsbescheid des Gesellschafters hinsichtlich einer verdeckten Einlage er-lassen, aufgehoben oder geändert wird. Die Korrekturen sind selbst nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist noch möglich.

    Ziel der Regelung ist die Verzahnung der Wirkungen verdeckter Gewinnaus-schüttungen und verdeckter Einlagen zwischen Gesellschafts- und Gesellschafter-ebene. Wird auf Ebene der Gesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung aufge-deckt, soll sich diese steuerliche Würdigung auch auf den Gesellschafter auswirken können und das Halbeinkünfteverfahren oder die Steuerbefreiung für diese Beteili-gungserträge Anwendung finden.3 Eine Besteuerung der Gesellschaft soll rückgän-gig gemacht werden, wenn der Vermögensmehrung eine auf Ebene des Gesell-schafters nachträglich festgestellte verdeckte Einlage zugrunde liegt. § 32a KStG soll unabhängig von den übrigen Korrekturvorschriften der AO verfahrensrechtlich ei-ne korrespondierende Änderung von Steuerbescheiden und Feststellungsbescheiden auch bei deren Bestandskraft sicherstellen. 4

    Neben dieser verfahrensrechtlichen oder formellen Korrespondenz wurden durch das JStG 2007 Sicherungsregelungen eingeführt, die in entgegen gesetzter Richtung wirken: Nach§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG bzw. §Sb Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG kommen das Halbeinkünfteverfahren oder die Befreiung von Beteiligungs-erträgen beim Gesellschafter nur zur Anwendung, wenn verdeckte Gewinnaus-schüttungen das Einkommen der Gesellschaft nicht gemindert haben. Vorausset-zung der einkommensmindernden Berücksichtigung einer verdeckten Einlage auf Ebene der Gesellschaft ist nach § 8 Abs. 3 Sätze 4 ff KStG eine entsprechende Be-handlung beim Gesellschafter; hat die verdeckte Einlage das Einkommen des Ge-sellschafters gemindert, erhöht sie das steuerliche Einkommen der Gesellschaft.

    2 Wissenschaftlicher Arbeitskreis des DWS-Instituts DStR 2005, 989; Gosch KStG, § 8 Rn 530 ff (nur für vGA); Bippus GmbHR 2002, 951, 953; ablehnend Briese DStR 2005, 999; zur früheren Rechtslage vgl. BMF vom 29. 9. 2005, BStBl. I 2005, 903.

    3 Vgl. Gesetzesbegründung zum JStG 2007, BR-Drs. 622/06 S. 121 f; für den Fall der ver-deckten Einlage wird allerdings keine entsprechende inhaltliche Begründung gegeben.

    4 Vgl. auch Benecke NWB 2006, Beratung Aktuell 3341, 3343; Trossen DStR 2006, 2295, 2297.

    402

  • KORRESPONDEZPRINZIP NACH DEM JSTG 2007

    Während die in § 32a KStG normierte verfahrensrechtliche Absicherung einer korrespondierenden Korrektur auf eine übereinstimmende »richtige« Besteuerung bei Gesellschaft und Gesellschafter abzielt, wird dem Empfänger einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Leistung nach den genannten Sicherungsrege-lungen eine Begünstigung nicht gewährt, wenn beim Leistenden bestimmte Voraus-setzungen - aus der Sicht des materiellen Steuerrechts: unzutreffenderweise - nicht erfüllt sind. Insoweit kann man auch von Vorschriften zur Sicherstellung der mate-riellen Korrespondenz sprechen.

    1. Formelle Korrespondenz

    Die Vorschriften des § 32a Abs. 1 und 2 KStG ermöglichen die Durchbrechung der formellen Bestandskraft von Steuerbescheiden. Ziel ist eine verfahrensrechtliche Absicherung einer korrespondierenden Behandlung der verdeckten Gewinnaus-schüttung und der verdeckten Einlage beim Gesellschafter und bei der Gesell-schaft.5 Nach bisherigem Recht war eine korrespondierende Behandlung der Leis-tungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter verfahrensrechtlich nicht sicherge-stellt. Eine Änderung bereits bestandskräftiger Bescheide war nach §§ 173 bis 175 AO nicht möglich.6

    So trat häufig der Fall auf, dass Bezüge des Gesellschafters, vor allem in Form von Gehaltszahlungen, bereits der vollen Steuerpflicht unterworfen waren, aufgrund der festgestellten verdeckten Gewinnausschüttung nachträglich aber auch auf Ebene der Gesellschaft besteuert wurden. Die nunmehr in § 32a Abs. 1 KStG verankerte ver-fahrensrechtliche Korrespondenz soll eine derartige, dem Halbeinkünfteverfahren und der Beteiligungsertragsbefreiung widersprechende Behandlung verhindern, in-dem auch beim Gesellschafter die Einkünfte nachträglich der »richtigen« Ein-kunftsart zugeordnet werden können. In diesem Sinne wirkt sich die formelle Kor-respondenz zu Gunsten des Steuerpflichtigen aus. Der Effekt kehrt sich hingegen um, wenn erstmals Einkünfte des Gesellschafters in Form der verdeckten Gewinn-ausschüttung erfasst werden: Lagen bisher Vermögensmehrungen des Gesellschaf-ters in der nicht steuerbaren Vermögenssphäre vor, z. B. bei Veräußerung von Pri-vatvermögen an die Gesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis, erlaubt § 32a KStG auch insoweit eine Korrektur des Steuerbescheids des Gesellschafters.!

    In ähnlicher Weise wirkt die Vorschrift des § 32a Abs. 2 KStG zur formellen Kor-respondenz bei verdeckten Einlagen. Erbringt der Gesellschafter eine verdeckte

    5 Zur der- zu verneinenden- Frage, ob dieses Ziel vollumfänglich erreicht wird, vgl. Frot-scher KStG/UmwStG, § 32a KStG Rn 8; Pohl/Raupach FR 2007, 210, 211 f; Dötsch/Pung DB 2007, 11 ff.

    6 Dötsch/Pung DB 2007, 11; Wissenschaftlicher Arbeitskreis des DWS-Instituts DStR 2005, 989, 990 f.

    7 Es erstaunt, dass dieser Umstand in der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 622/06 S. 121 f) keine Erwähnung fand.

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  • JüRGEN LüDICKE

    Einlage aus der steuerbaren Vermögenssphäre und wird aufgrund der verdeckten Einlage in die Gesellschaft ein Steuerbescheid des Gesellschafters erlassen oder kor-rigiert, können die Folgerungen der verdeckten Einlage auch bei der Gesellschaft ungeachtet etwaiger Bestandskraft ihrer Veranlagung noch gezogen werden. Hat sich das Einkommen der Gesellschaft aufgrund des Vermögenszuflusses erhöht, erfolgt nach Aufdeckung der verdeckten Einlage beim Gesellschafter eine entspre-chende gewinnmindernde Berücksichtigung auf Ebene der Gesellschaft. Allerdings ist eine gewisse Inkongruenz zur Regelung der verdeckten Gewinnausschüttung festzustellen. Erfolgt nämlich die verdeckte Einlage aus der nicht steuerbaren V er-mögenssphäre des Gesellschafters und führt sie deshalb8 nicht zu einer Änderung des Steuer- oder Feststellungsbescheides, ist nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Korrektur des Steuerbescheides der Gesellschaft nicht möglich.

    Praktische Bedeutung wird§ 32a Abs. 2 KStG wohl nur bei rein nationalen9 Vor-gängen entwickeln. In nicht wenigen Fällen wird die Veranlagung des Gesellschaf-ters allerdings vor der Veranlagung der Gesellschaft bestandskräftig sein.

    Durch beide Absätze des § 32a KStG wird in verfahrensrechtlicher Hinsicht le-diglich die Möglichkeit einer korrespondierenden Berücksichtung eröffnet. Die korrespondierenden Bescheide können berichtigt werden. Die Bescheide von Ge-sellschaft und Gesellschafter stehen aber nicht etwa in einem Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid.10 Daraus folgt, dass eine Änderung der Steuerfest-setzung unter Aufdeckung einer verdeckten Gewinnausschüttung oder einer ver-deckten Einlage nicht zwangsläufig eine korrespondierende Änderung nach sich zieht. Hierauf wird zurückzukommen sein.11

    2. Materielle Korrespondenz

    a) Verdeckte Gewinnausschüttungen,§ Sb Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG

    Durch § Sb Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG und § 3 N r. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG wird die Anwendung von Halbeinkünfteverfahren und Beteiligungsertragsbefrei-ung ~ei verdeckten Gewinnausschüttungen - abstrakt - von einer Besteuerung auf Ebene der Gesellschaft abhängig gemacht. Hat eine verdeckte Gewinnausschüttung

    8 Der Fall, dass eine Änderung des Steuerbescheids wegen einer Saldierung nach § 177 AO unterbleibt, kann auch bei verdeckten Gewinnausschüttungen vorkommen; vgl. Nachwei-se oben in Fn 5.

    9 Zur Kontroverse, ob überhaupt an ausländische Verwaltungsakte angeknüpft wird (wer-den darf), vgl. Pohl!Raupach FR 2007, 210, 215 einerseits, Frotscher KStG/UmwStG, § 32a KStG Rn 6 andererseits.

    10 Frotscher KStG/UmwStG, § 32a KStG Rn 14; Trossen DStR 2006, 2295, 2297; Korn KÖSDI 2007, 15428, 15430.

    11 Siehe unten IV. 1.

    404

  • KORRESPONDEZPRINZIP NACH DEM ]STG 2007

    das Einkommen der Gesellschaft gemindert bzw. nicht erhöht, 12 soll eine Privilegie-rung der Beteiligungserträge ausgeschlossen sein.

    Im Gegensatz zu den Vorschriften der formellen Korrespondenz wird Hauptan-wendungsbereich der Normen der grenzüberschreitende Sachverhalt sein, nämlich verdeckte Gewinnausschüttungen im Ausland ansässiger Gesellschaften an ihren inländischen Anteilseigner .13 Denn bei Inlandsfällen wird die verdeckte Gewinnaus-schüttung in der Regel durch eine Betriebsprüfung aufgedeckt werden. Daher wer-den die Bescheide der leistenden Körperschaft im Zeitpunkt der Aufdeckung der verdeckten Gewinnausschüttung nur im Ausnahmefall bestandskräftig sein. Nach ihrer Änderung entsprechend der materiellen Rechtslage liegt aber keine Minderung des Einkommens der leistenden Körperschaft mehr vor.

    Bei verdeckten Gewinnausschüttungen einer ausländischen Gesellschaft stellt sich die Frage, wie der Klammerzusatz »§ 8 Abs. 3 Satz 2« (KStG) zu verstehen ist. Im Ergebnis wird darauf abzustellen sein, ob die nach deutschem Steuerrecht vorlie-gende verdeckte Gewinnausschüttung nach einer dem § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ver-gleichbaren Vorschrift einkommenserhöhend berücksichtigt worden ist.14 In diesem Zusammenhang ist auch auf eine von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben zu § 8a KStG getroffene Regelung hinzuweisen.15 Im Fall der Fremdfinanzierung einer im Inland nicht steuerpflichtigen (ausländischen) Tochtergesellschaft sollen die Rechtsfolgen des § 8a KStG für die inländischen Beteiligten eintreten. Eine aus deutscher Sicht schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung führt beim inländischen Anteilseigner zum Bezug von Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Um-qualifikation soll allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn die gezahlten Vergütungen die Bemessungsgrundlage der Besteuerung der ausländischen Gesell-schaft nicht gemindert haben. Einer derartigen Einschränkung fehlte bisher die ge-setzliche Grundlage. Durch die Neuregelung wird diese gesetzliche Grundlage16

    nunmehr für alle verdeckten Gewinnausschüttungen geschaffen.

    b) Verdeckte Einlagen, § 8 Abs. 3 Sätze 4 ff KStG

    Die verdeckte Einlage wird gern. § 8 Abs. 3 Sätze 4 ff KStG auf Ebene der Gesell-schaft abweichend von der Grundregel des § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG nicht neutrali-siert, sondern erhöht das Einkommen der Gesellschaft, wenn sie das Einkommen des Gesellschafters gemindert oder nicht erhöht17 hat.18 Die Vorschrift soll nach

    12 Dötsch!Pung DB 2007, 11, 13; Frotscher KStG/UmwStG, § 8b KStG Rn 29i; a. A. Strnad GmbHR 2006, 1321, 1323.

    13 Gratherr RIW 2006,898, 900; Frotscher KStG/UmwStG, § 8b KStG Rn 29d. 14 So auch Dötsch!Pung DB 2007, 11, 13; Frotscher KStG/UmwStG, § 8b KStG Rn 29h, 29i. 15 BMF v. 15. 7. 2004, BStBL I 2004, 593, Tz. 27. 16 Lüdicke in: Schön (Hrsg.) DStJG 30 (2007) 289, 300 f; Dötsch/Pung DB 2007, 11, 13;

    Frotscher KStG/UmwStG, § 8b KStG Rn 29d. 17 Dötsch!Pung DB 2007, 11, 14. 18 Auf die Verwerfungen bei Dreieckssachverhalten soll in diesem Beitrag nicht eingegangen

    werden.

    405

  • JüRGEN LüDICKE

    zweifelhafter, aber herrschender Auffassung im Schrifttum auch auf verdeckte Ein-lagen ausländischer Gesellschafter anwendbar sein; dabei soll auf deren Behandlung nach Maßgabe des ausländischen Steuerrechts abgestellt werden.19

    Anders als in den oben behandelten Fällen der verdeckten Gewinnausschüttung werden Inlandsfälle sehr viel öfter von der Vorschrift erfasst werden, nämlich im-mer dann, wenn die verdeckte Einlage bei der Gesellschaft festgestellt wird, der Steuerbescheid des Gesellschafters aber bereits bestandskräftig ist, ohne die ver-deckte Einlage einkommenserhöhend zu berücksichtigen. Allerdings fragt sich, wa-rum der Gesetzgeber zur V erknüpfung der steuerlichen Behandlung zwischen Ge-sellschafter und Gesellschaft nicht eine § 32a KStG entsprechende Änderung der Steuerbescheide des Gesellschafters vorsieht.20 Eine solche Lösung hätte zwei Vor-züge: Sie würde erstens eine übereinstimmende materiellrechtlich »richtige« statt ei-ner übereinstimmend »falschen« Besteuerung ermöglichen. Zweitens würde sie die Notwendigkeit eines komplizierten gesellschaftsrechtlichen Ausgleichs der- mate-riellrechtlich unzutreffenden - steuerlichen Mehrbelastung der Gesellschaft zu Gunsten etwaiger weiterer Gesellschafter erübrigen.

    Bei verdeckter Einlage durch einen nicht im Inland ansässigen Gesellschafter stellt sich die Frage, warum das Gesetz überhaupt an dessen Besteuerung im Ausland an-knüpft. Dem deutschen Fiskus geht kein Steuersubstrat verloren, wenn der einer verdeckten Einlage zugrunde liegende Vorgang beim Gesellschafter ohnehin keiner Besteuerung im Inland unterliegt. Es bleibt zu vermuten, dass in erster Linie aus fiskalischen Interessen eine- aus deutscher Sicht materiellrechtlich unrichtige- Be-steuerung der Gesellschaft erfolgen soll.

    Diese Vermutung wird auch dadurch genährt, dass die materiellrechtliche Rege-lung des § 8 Abs. 3 Sätze 4 ff KStG- so sie denn auf verdeckte Einlagen ausländi-scher Gesellschafter unter Anknüpfung an deren Besteuerung nach ausländischem Steuerrecht anwendbar ist21 - nur einseitig zu Lasten der betroffenen Gesellschaft wirkt. Die Vorschrift versagt die einkommensmindernde Berücksichtigung einer nach zutreffender deutscher Rechtswertung vorliegenden verdeckten Einlage, so-weit dieselbe das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat. Wird hierfür auf das nach ausländischem Steuerrecht ermittelte Einkommen abgestellt, führt ein Qualifikationskonflikt zur - für die Gesellschaft nachteiligen - Nichtanwendung der deutschen Grundsätze über die Behandlung von (verdeckten) Einlagen. Denk-bar ist selbstverständlich auch der umgekehrte Fall, in welchem nach deutscher Rechtswertung keine verdeckte Einlage, sondern eine steuerpflichtige Betriebsein-nahme vorliegt, während das ausländische Steuerrecht den Vorgang als verdeckte

    19 Strnad GmbHR 2006, 1321, 1322; Pohl!Raupach FR 2007, 210, 215; Frotscher KStGI UmwStG, § 8 KStG Rn 86d, 86e; a. A. Lüdicke in: Schön (Hrsg.) DStJG 30 (2007) 289, 310 f; die Gesetzesbegründung enthält sich jeglicher Aussage- anders als zu §Sb Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG.

    20 Kritisch auch Frotscher KStG/UmwStG, § 8 KStG Rn 86d. 21 Zur ausführlichen Begründung der Gegenansicht wird auf Lüdicke in: Schön (Hrsg.)

    DStJG 30 (2007) 289, 310 f verwiesen; vgl. auch oben Fn 19.

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  • KORRESPONDEZPRINZIP NACH DEM JSTG 2007

    Einlage des Gesellschafters qualifiziert. Hier kommt es zur Doppelbesteuerung. Das ist inkonsequent und -wieder einmal- nur fiskalisch zu erklären.

    Bei Inlands- und Auslandsfällen gleichermaßen zweifelhaft ist die Frage, worauf für die Feststellung abzustellen sein soll, ob das Einkommen des Gesellschafters gemindert oder nicht erhöht ist. Im Zusammenhang mit der verfahrensrechtlichen Regelung des § 32a Abs. 2 KStG wird im Schrifttum zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erfassung der verdeckten Einlage bei der Gesellschaft und dem leistenden Gesellschafter »u.U. zeitlich extrem auseinander fallen kann«,22 weil etwa in den Fällen einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG möglicherweise erst bei Anteilsveräuße-rung über das Vorliegen einer Einlage zu befinden ist. Dieser Aspekt stellt freilich nur einen Teil der sehr viel weiter reichenden Problematik der materiellen Vor-schriften zur korrespondierenden Behandlung verdeckter Einlagen dar. Wird näm-lich die verdeckt geleistete Einlage beim Gesellschafter nicht als solche der Besteue-rung zugrunde gelegt (sondern bspw. als Betriebsausgabe abgezogen), ist zwar sein Einkommen in diesem Veranlagungszeitraum gemindert. Dem steht jedoch später mangels Erhöhung des Beteiligungsansatzes ein höherer Veräußerungsgewinn ge-genüber. Ob der Veräußerungsgewinn ganz oder zum Teil steuerbefreit sein wird, steht im Zeitpunkt der verdeckten Einlage dahin. Dieser Befund lässt Zweifel daran aufkommen, dass eine fehlerhafte Behandlung der verdeckten Einlage beim Gesell-schafter- über die Zeit betrachtet- überhaupt bzw. in allen Fällen zu einer Minde-rung des Einkommens des Gesellschafters i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG führt. Diese im Schrifttum bisher vernachlässigte Frage kann hier nicht weiter vertieft werden;23

    für die folgende Untersuchung wird davon ausgegangen, dass der Vorschrift ein Anwendungs hereich verbleibt.

    Ill. WÜRDIGUNG DER NEUREGELUNGEN MIT BLICK AUF DAS TRENNUNGSPRINZIP UND DAS LEISTUNGSFÄHIGKEITSPRINZIP

    Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist das Fundamentalprinzip der Besteuerung.24 Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG fordert eine »gleiche Besteuerung wirtschaftlich gleicher Sachverhalte mit gleicher Belastungswirkung«25 und ist damit wie W. Rain er Walz es formulierte »Ausprägung qualitativ gleicher Verantwortung aller Staatsbürger für das Gemein-wohl unter Berücksichtigung quantitativ unterschiedlicher Situationen, in denen sich die Steuerbürger befinden.«26

    22 Dötsch/Pung DB 2007, 11, 14 (Hervorhebungen im Original). 23 Vgl. für den Auslandfall Lüdicke in Schön (Hrsg.) DStJG 30 (2007) 289, 310 f. 24 Tipke Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 479 ff; speziell für Körperschaften Pezzer in:

    Widmann (Hrsg.) DStJG 20 (1997) 5, 12. 25 Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht,§ 4 Rn 84. 26 Walz Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, 1980, S. 163.

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  • JüRGEN LüDICKE

    Fordert man, wie W. Rainer Walz, 27 einen Dualismus von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer als Gegensatz zur gleichmäßigen Besteuerung des Unter-nehmensertrages, muss das Leistungsfähigkeitsprinzip auch auf Kapitalgesellschaf-ten Anwendung finden.28 Konkretisiert wird das Leistungsfähigkeitsprinzip auf Unternehmensebene durch das objektive Nettoprinzip.29

    Kapitalgesellschaften unterliegen als eigenständige Steuersubjekte der Körper-schaftsteuer. Die Vermögenssphären von Gesellschafter und Gesellschaft sind strikt zu trennen. Als Ausfluss dieses Trennungsprinzips stehen sich Gesellschaft und Ge-sellschafter als fremde Dritte gegenüber. Leistungsbeziehungen zwischen Gesell-schafter und Gesellschaft werden grundsätzlich anerkannt. 30

    Dieser Grundsatz bedarf dann einer Einschränkung, wenn die konkrete Ausges-taltung der Leistungsbeziehungen ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Das betrifft zum einen die Gewinnverteilung der Gesellschaft,31 zum anderen die Zu-führung von Vermögen durch den Gesellschafter, die ihre Ursache nicht in der Er-werbstätigkeit der Gesellschaft hat.32 Derartige gesellschaftsrechtlich veranlasste Vorgänge sind von betrieblichen Vorgängen abzugrenzen und auf Ebene der Ge-winnermittlung der Gesellschaft zu korrigieren.

    1. Verdeckte Gewinnausschüttungen,§ Bb Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG

    Bei der Beurteilung der Besteuerung verdeckter Gewinnausschüttungen stellt sich die Frage, ob und wann das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Anwendung des Halb-einkünfteverfahrens oder eine Freistellung von Beteiligungserträgen gebietet. Daran muss sich die Frage anschließen, inwieweit eine Differenzierung der Besteuerung in Abhängigkeit von der Besteuerung bei der Gesellschaft mit dem Trennungsprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar ist.

    Die Ergebnisverwendung hat keinen Einfluss auf den Gewinn der Gesellschaft (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KStG). Gesellschaft und Gesellschafter sind eigenständige Steuer-subjekte, deren Gewinn unabhängig voneinander zu ermitteln und zu versteuern ist. Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter sind aus dem zu versteuernden Ein-kommen der Gesellschaft zu bestreiten. Dieser auf dem Trennungsprinzip beru-hende Grundsatz gilt nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auch, wenn eine Gewinnvertei-lung nicht den dafür vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entspricht (verdeckte Gewinnausschüttung).

    27 Walz Gutachten F zum 53. Deutschen Juristentag in Berlin, 1980, S. 72 f, 115. 28 Tipke Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 1173; Pezzer FS Tipke, S. 424. 29 BVerfG v. 30. 9. 1998 - 2 BvR 1818/90, DStR 1998, 1742; Hey in: H/H/R, Einf. KSt

    Rn28. 30 H ey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11 Rn 1. 31 Frotscher in: Widmann (Hrsg.) DStJG 20 (1997) 205, 208; Hey in: H/H/R, Einf. KSt Rn 4. 32 Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht,§ 11 Rn 49.

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  • KORRESPONDEZPRINZIP NACH DEM JSTG 2007

    Zweck des Halbeinkünfteverfahrens ist die Abmilderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Gewinnen, die von Körperschaften erzielt und an ihre Anteilseigner ausgeschüttet werden.33 Solange die Gewinne im Bereich von Körper-schaftsteuersubjekten verbleiben, werden sie nur einmal mit Körperschaftsteuer belastet. Technisch geschieht dies durch Freistellung der Dividenden von der Be-steuerung. Bei Dividendenausschüttungen an natürliche Personen als letztem An-teilseigner in einer Beteiligungskette fällt Einkommensteuer an. Die dadurch aus-gelöste wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Einkünfte wird jedoch abgemildert, indem die Ausschüttungen technisch zur Hälfte steuerfrei gestellt werden.

    Halbeinkünfteverfahren und Beteiligungsertragsbefreiung liegt zwar der Gedanke zugrunde, dass eine privilegierte Besteuerung von Beteiligungserträgen eine Vorbe-lastung mit Körperschaftsteuer der Gesellschaft voraussetzt.34 Bei der Einführung von Halbeinkünfteverfahren und Beteiligungsertragsbefreiung hat der Gesetzgeber allerdings die Grundentscheidung getroffen, dass beide Vergünstigungen tatbe-standsmäßig nicht von einer konkret vorliegenden körperschaftsteuerliehen V orbe-lastung35 in einer bestimmten Höhe abhängig sind.

    Von dieser Grundlinie wird nunmehr durch die Neuregelungen in § 8b Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG und§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG eine eng begrenzte Ausnahme gemacht. Für verdeckte Gewinnausschüttungen soll letztlich erreicht werden, dass in Fällen, in denen dieselben nicht aus versteuertem Einkommen der Gesellschaft finanziert werden, sondern deren Einkommen gemindert haben, den-noch eine annähernd gleiche Belastungswirkung erreicht wird. Wenn der als ver-deckte Gewinnausschüttung qualifizierte Vorgang auf der Ebene der Kapitalgesell-schaft nicht der Besteuerung unterliegt, ist eine Vermeidung oder Abmilderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung durch partielle oder vollständige Freistellung auf Ebene des Gesellschafters nicht erforderlich.

    Mit der Einführung der materiellen Maßgeblichkeit zwischen verdeckter Ge-winnausschüttung der Gesellschaft und Dividendenbesteuerung beim Gesellschafter durchbricht der Gesetzgeber den Grundsatz, dass die Besteuerung beim Gesell-schafter unabhängig von der Belastung bei der Gesellschaft erfolgt. Diese Ein-schränkung der begünstigten Besteuerung von Beteiligungserträgen erscheint rechtspolitisch verständlich. Eine Vermeidung oder Abmilderung einer Doppelbe-steuerung beim Gesellschafter ist insoweit nicht erforderlich, als auf Ebene der Ge-sellschaft eine Besteuerung unterblieben ist, weil die Leistung der Gesellschaft als Betriebsausgabe deren Einkommen gemindert hat. Unverständlich und mit dem Gesetzeswortlaut kaum vereinbar ist allerdings die in der Gesetzesbegründung ent-

    33 Gosch KStG, § Sb Rn 1; v. Beckerath in: Kirchhof, EStG, § 3 Rn 112. 34 Vgl. für§ Sb KStG: Gosch KStG, §Sb Rn 2. 35 Auf die Hinzurechnungsbesteuerung bei niedrig besteuerten passiven ausländischen Ein-

    künften ist hier nicht einzugehen.

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  • JüRGEN LüDICKE

    haltene Aussage, dass eine Minderung des Einkommens auch in den Fällen vorliege, in denen bei der Gesellschaft noch keine erstmalige Steuerfestsetzung ergangen ist. 36

    Im Schrifttum ist Verwunderung zum Ausdruck gebracht worden, dass der Aus-schluss von Halbeinkünfteverfahren und Beteiligungsertragsbefreiung nur an eng umgrenzte Sachverhalte - hier die verdeckte Gewinnausschüttung - anknüpft.3 7

    Denn die fehlende Besteuerung auf Ebene der Gesellschaft von Einkünften, die ei-ner offenen Gewinnausschüttung zugrunde liegen, löst keine Folgen38 für die Be-steuerung des Gesellschafters aus. Man wird die Begrenzung der Neuregelung auf verdeckte Gewinnausschüttungen gleichwohl als sachgerecht ansehen können. Denn die Gefahr einer unzutreffenden Behandlung auf Ebene der Gesellschaft -durch fälschliehe Annahme einer betrieblichen Veranlassung der Leistung an den Gesellschafter - besteht im Wesentlichen bei verdeckten und nicht bei offenen Aus-schüttungen.39 Indem das Gesetz bei der Einkommensminderung und nicht bei der Höhe der Besteuerung ansetzt, entscheidet es sich für eine qualitative und nicht für eine quantitative Grenze der steuerlichen Vorbelastung. Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu begrüßen. Demgegenüber wäre jede Anknüpfung an eine be-stimmte Höhe der steuerlichen Vorbelastung von Ausschüttungen dem Vorwurf ei-ner gewissen Willkür und Beliebigkeit ausgesetzt.

    2. Verdeckte Einlagen,§ 8 Abs. 3 Sätze 4 ff KStG

    Die verdeckte Einlage ist in gewisser Weise die Kehrseite der verdeckten Gewinn-ausschüttung, wenngleich sie mit dieser nicht völlig vergleichbar ist. Verdeckte Einlagen führen auf Ebene der Kapitalgesellschaft weder zu Nennkapital noch zu Kapitalrücklagen. Sie stellen handelsrechtlich vielmehr Ertrag dar. Die über § 8 Abs. 1 KStG anwendbare Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG stellte bislang si-cher, dass dieser Ertrag steuerlich nicht als Einkommen der begünstigten Kapitalge-sellschaft erfasst wurde;40 dies ist nunmehr in § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG ausdrücklich geregelt. Die Vermögensmehrung beruht auf den gesellschaftsrechtlichen Beziehun-gen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern. Sie hat ihre Ursache nicht in der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft, sondern ist den Einlagen, die ein Ein-zelkaufmann in sein Betriebsvermögen macht, vergleichbar.41

    36 BR-Drs. 622/06 S. 65; durch solche- allenfalls als fiskalische Entgleisung zu bezeichnende - Äußerungen diskreditieren die Gesetzesverfasser den an sich nachvollziehbaren Ge-setzeszweck.

    37 Dötsch/Pung DB 2007, 11, 13. 38 Außerhalb des Anwendungsbereichs der Hinzurechnungsbesteuerung. 39 Zutreffend Frotscher KStG/UmwStG, § 8b KStG Rn 29g. 40 Vgl. auch R 40 Abs. 2 KStR 2004. 41 Knobbe-Keuk Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 16 II. 1., S. 578; vgl. be-

    reits RFH vom 28. 7. 1936- I A 83/36, RStBl1936, 951, 952; Strutz Kommentar zum Ein-kommensteuergesetz, 1927, § 12 Anm. 23b, 47.

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  • KORRESPONDEZPRINZIP NACH DEM]STG 2007

    Trotz grundsätzlicher Geltung des Trennungsprinzips ist zu prüfen, ob eine Ver-mögensmehrung oder -minderung durch Teilnahme am Marktgeschehen erwirt-schaftet und damit Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit ist.42 Verdeckte Einla-gen - ebenso wie verdeckte Gewinnausschüttungen - dürfen wegen ihrer V eranlas-sung im Gesellschaftsverhältnis das Einkommen der Gesellschaft weder erhöhen noch mindern.

    Dieser Grundsatz wird durch§ 8 Abs. 3 Satz 4 KStG für einen Sonderfall suspen-diert: Eine verdeckte Einlage erhöht das Einkommen der begünstigten Gesellschaft, wenn sie auf Ebene des Gesellschafters das Einkommen gemindert oder nicht er-höht hat.

    Aus dem Blickwinkel der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist die Erhe-bung von Körperschaftsteuer bei der Gesellschaft auf verdeckte Einlagen des Ge-sellschafters bedenklich. Eine verdeckte Einlage erhöht die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft nicht deswegen, weil der Vorgang beim Gesellschafter - aus der Sicht des deutschen Steuerrechts in unzutreffender Weise - das Einkommen gemindert oder nicht erhöht hat.

    An dieser Beurteilung kann sich auch nichts ändern, wenn man grundsätzlich fordern will, dass eine Einlage beim Gesellschafter und der Gesellschaft korrespon-dierend zu behandeln ist. Hierfür könnte man möglicherweise die Behandlung von sog. Nutzungseinlagen ins Feld führen. Vom Gesellschafter der Gesellschaft unent-geltlich oder verbilligt überlassene Nutzungsvorteile sind bei letzterer nicht als Einlage zu behandeln. Die Begründung hierfür ist darin zu finden, dass der Ansatz des Nutzungswerts als Einlage dazu führen würde, dass der auf der Nutzung beru-hende und im Betrieb erwirtschaftete Gewinn der Besteuerung entzogen würde.43

    Denn die tatsächlich von der Gesellschaft gezogenen Nutzungen begründen keine fiktiven Einnahmen des Gesellschafters. Die Ablehnung der Einlagefähigkeit der Zuführung schlichter Nutzungen nimmt also die Gesellschafterebene mit in den Blick. Die Situation ist gleichwohl der hier untersuchten nicht vergleichbar.

    Vorliegend soll mit der korrespondierenden Behandlung von Gesellschaft und Gesellschafter bewusst an eine fehlerhafte Behandlung beim Gesellschafter ange-knüpft wird. Das ist nämlich der einzige Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 Sätze 4 ff KStG. Durch diese Regelung wird eine Verbindung zwischen der Besteuerung des Gesellschafters und der Gesellschaft hergestellt, die vollkommen systemwidrig ist. Als Folge der unsystematischen, den allgemeinen Prinzipien widersprechenden Re-gelung wird eine »Strafbesteuerung«44 auf Ebene der Kapitalgesellschaft eingeführt, weil bei der Besteuerung des Gesellschafters ein Rechtsfehler vorliegt. Die fehlende Systemgerechtigkeit der Regelung zeigt sich auch daran, dass das Gesetz die Ver-

    42 Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht,§ 11 Rn 49. 43 BFH v. 26. 10. 1987- GrS 2/86, BStBl. li 1988, 348, 353. 44 Briese GmbHR 2006, 1308, 1312.

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  • JüRGEN LüDICKE

    mögenszuführung- anders als bei der Zuführung schlichter Nutzungen- durchaus als (verdeckte) Einlage qualifiziert;45 sie wird aber einkommenserhöhend angesetzt.

    Die zeitgleiche Einführung der Regelung des § 8 Abs. 3 Sätze 4 ff KStG mit den Vorschriften zur materiellen Korrespondenz bei verdeckten Gewinnausschüttungen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden Fallgruppen in keiner Weise vergleichbar sind. Anders als bei einer Besteuerung von Dividenden (verdeckten Gewinnausschüttungen), welche zwecks Vermeidung oder Abmilderung wirt-schaftlicher Doppelbesteuerung an deren Vorbelastung anknüpft, trägt die steuerli-che Behandlung (verdeckter) Einlagen ihrer fehlenden Erwirtschaftung durch die Gesellschaft - und nicht etwa der Besteuerung beim Gesellschafter - Rechnung. Durch Besteuerung der Gesellschaft die unterbliebene Besteuerung des Gesell-schafters nachholen zu wollen, ist schon im Ausgangspunkt verfehlt.

    Wenn der Gesetzgeber unbesteuerte (sog. »weiße«) Einkünfte verhindern will, darf er nicht bei der die Einlage empfangenden Gesellschaft ansetzen. Die V ermö-gensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung ist beim Gesellschafter ein-getreten, nur bei diesem kann eine Besteuerung ansetzen. Wenn eine Korrektur des Steuerbescheides beim Gesellschafter nicht mehr möglich ist, weil der Bescheid be-standskräftig ist oder weil im Ausland eine verdeckte Einlage nicht bekannt oder abweichend definiert ist, rechtfertigt dies keine Besteuerung bei einem anderen Steuersubjekt.

    Im Inlandsfall obliegt es Gesetzgeber und Finanzverwaltung, eine Besteuerung beim »richtigen« Steuersubjekt sicherzustellen, indem dessen Bescheide änderbar bleiben oder rechtzeitig geändert werden. Davon abgesehen ist die gelegentliche Er-hebung zu hoher oder zu niedriger, materiellrechtlich mithin »falscher« Steuer eine zwingende Folge der Bestimmungen über die Bestandskraft von Steuerbescheiden. Sie ist hinzunehmen. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der »falsch« be-steuerte Vorgang bei einem anderen Steuerpflichtigen ebenfalls steuerrelevant ist, etwa als Betriebseinnahme oder -ausgabe.46 Zwar ist bei verdeckten Gewinnaus-schüttungen die ausnahmsweise erfolgende materiell korrespondierende Besteue-rung des Gesellschafters ohne Anwendung von Halbeinkünfteverfahren oder Betei-ligungsertragsbefreiung wegen bestandskräftiger »falscher« einkommensmindernder Berücksichtigung bei der Gesellschaft systematisch vertretbar, denn die Dividen-denbegünstigungen sollen gerade der Besteuerung auf Gesellschaftsebene Rechnung tragen. Demgegenüber ist die materiellrechtlich unzutreffende Besteuerung der Ge-sellschaft bei verdeckten Einlagen als Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip abzulehnen. Denn die Ausscheidung offener und verdeckter Einlagen bei der Ge-sellschaft trägt der Tatsache Rechnung, dass die Gesellschaft diese Vermögensmeh-rungen nicht erwirtschaftet hat, diese also ihre Leistungsfähigkeit nicht erhöht ha-

    45 So wird der Wert dem Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG zugeführt; Dötsch/Pung DB 2007, 11, 14; Frotscher KStG/UmwStG, § 8 KStG Rn 86g.

    46 Auf Sonderfälle widerstreitender Steuerfestsetzung i.S.d. § 174 AO ist hier nicht einzu-gehen.

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  • KORRESPONDEZPRINZIP NACH DEMJSTG 2007

    ben. Ob, wann und wie der Vorgang beim Gesellschafter besteuert wird, ist hierfür unerheblich.

    Bei grenzüberschreitenden Einlagevorgängen besteht bei der Besteuerung der in-ländischen Gesellschaft noch weniger Anlass, darauf abzustellen, ob eine Besteue-rung des Vorgangs beim Gesellschafter im Ausland stattgefunden hat.47 Wenn hierfür - mir der herrschenden Meinung - ausländisches Steuerrecht maßgebend sein soll, ist die Besteuerung ausschließlich eine Angelegenheit des Ansässigkeits-staats des Gesellschafters. Im Übrigen ist erneut48 darauf hinzuweisen, dass der Einkommensminderung im Zeitpunkt des fraglichen Vorgangs später ein entspre-chend erhöhter Veräußerungsgewinn gegenüberstehen kann.

    IV. GEWÄHRLEISTUNG EFFEKTIVEN RECHTSSCHUTZES

    Die Ausgestaltung der Vorschriften zur formellen und materiellen Korrespondenz bei verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen wirft die Frage nach den Rechtsschutzmöglichkeiten von Gesellschaft und Gesellschafter auf. 49

    Soweit im Gesetz eine uneingeschränkte Anknüpfung an Feststellungen bei einer anderen Person verankert ist, könnte das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 1 9 Abs. 4 GG tangiert sein.

    1. Verdeckte Gewinnausschüttungen- formelle Korrespondenz

    Wie bereits erörtert, wirkt § 32a Abs. 1 KStG in der Mehrzahl der Fälle zugunsten des Steuerpflichtigen. Etwas anderes gilt, wenn infolge der Aufdeckung der ver-deckten Gewinnausschüttung erstmals steuerpflichtige Einkünfte des Gesellschaf-ters der Besteuerung zugrunde gelegt werden. In diesem Fall wird die Frage viru-lent, ob der Gesellschafter gegen eine Änderung des Bescheids der Gesellschaft oder - nur - gegen eine Änderung seines eigenen Steuerbescheides vorgehen kann.

    Anders als im Referentenentwurf des JStG 200750 zunächst vorgesehen, ist der Steuerbescheid der Gesellschaft dem Gesellschafter nicht bekannt zu geben. Er kann ihn auch nicht anfechten.

    Allerdings enthält § 32a Abs. 1 KStG in seiner Gesetz gewordenen Fassung die Formulierung, dass der Steuerbescheid des Gesellschafters geändert werden »kann«, während es in der Entwurfsfassung noch »ist« lautete. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit der Änderung des Steuerbescheides. Von dieser Möglichkeit muss das

    47 So ist auch die Verstrickung bei Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts an einem Wirtschaftsgut nach§ 4 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. Sa EStG zu Recht unabhängig von einer Entstrickungsbesteuerung im anderen Staat.

    48 Vgl. oben Il.2.b). 49 Pohl!Raupach FR 2007,210,212 ff. 50 Stand 10. 7. 2006.

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  • JüRGEN LüDICKE

    Finanzamt Gebrauch machen, denn die Festsetzung der Steuer nach Maßgabe der Gesetze erfordert eine Änderung der Bescheide des Gesellschafters, wenn die Vor-aussetzungen dafür vorliegen. Die Festsetzung der Steuer nach Maßgabe der Gesetze gebietet eine Änderung des Bescheides des Gesellschafters allerdings nur dann, wenn der gegenüber der Gesellschaft erlassene Bescheid formell und materiell rechtmäßig ist. Eine Bindungswirkung des für die Besteuerung des Gesellschafters zuständigen Finanzamtes an die Beurteilung durch das Finanzamt der Gesellschaft besteht nicht.51 Ob aus Sicht des Gesellschafters tatsächlich eine verdeckte Gewinnaus-schüttung vorliegt, ist bei Erlass des Bescheides gegenüber dem Gesellschafter daher selbstständig zu beurteilen. Der Gesellschafter hat insofern effektiven Rechtsschutz.

    2. Verdeckte Gewinnausschüttungen- materielle Korrespondenz

    Abweichend stellt sich das Problem im Bereich der materiellen Korrespondenz gern. §Sb Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG dar. Ist tatsächlich eine verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten des Gesellschafters erfolgt, kann dieser die für ihn günstigen Rechtsfolgen nicht geltend machen, sofern die verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene der Gesellschaft nicht einkommens-erhöhend berücksichtigt wurde. Anders als bei der formellen Korrespondenz wird die Besteuerung des Gesellschafters hier uneingeschränkt an die Besteuerung bei der Gesellschaft angeknüpft. Der Gesellschafter kann Steuerbescheide der Gesellschaft gleichwohl nicht anfechten. Ihn treffen dennoch die negativen Konsequenzen eines materiell nicht rechtmäßigen Bescheids der Gesellschaft. Auf Grund der Vorschrif-ten zur formellen Korrespondenz kann eine fehlerhafte Behandlung bei der Gesell-schaft sogar noch nach Eintritt der Bestandskraft des ursprünglichen »richtigen« Bescheids des Gesellschafters durch eine ebenso fehlerhafte Behandlung beim die-sem »ausgeglichen« werden.

    Insoweit muss tatsächlich die Frage erlaubt sein, ob effektive Rechtsschutzmög-lichkeiten vorliegen. Als Rechtfertigung ließe sich allenfalls ins Feld führen, dass ein Gesellschafter, dem eine verdeckte Gewinnausschüttung zugerechnet wird, über ei-nen gewissen Einfluss auf die Gesellschaft verfügen wird. Ist der Gesellschafter frei-lich zwischenzeitlich ausgeschieden, fehlt es auch hieran.

    3. Verdeckte Einlagen -materielle Korrespondenz

    Im gleichen Maße stellt sich die Frage nach einem effektiven Rechtsschutz auch bei der Besteuerung einer tatsächlich erfolgten verdeckten Einlage bei der Gesellschaft. Die von den negativen Folgen der materiellen Korrespondenz gern. § 8 Abs. 3 Sät-ze 4 ff KStG betroffene Gesellschaft hat keine Möglichkeit, gegen einen fehlerhaften

    51 Dötsch!Pung DB 2007, 11, 12; Benecke NWB 2006, Beratung Aktuell 3341, 3343; unzu-treffend Briese BB 2006, 2110, 2111.

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  • KORRESPONDEZPRINZIP NACH DEM}STG 2007

    Bescheid ihres Gesellschafters vorzugehen. Die belastenden Folgen treten auf Ebene der Gesellschaft über die materielle Korrespondenz kraft Gesetzes ein. Auf Grund der Vorschriften zur formellen Korrespondenz kann eine fehlerhafte Behandlung beim Gesellschafter sogar noch nach Eintritt der Bestandskraft des ursprünglichen »richtigen« Bescheids der Gesellschaft durch eine ebenso fehlerhafte Behandlung beim dieser »ausgeglichen« werden.

    Die materielle Bindung an die Besteuerung des Gesellschafters kann auch insofern misslich sein, als die zusätzliche Steuerbelastung der Gesellschaft ihren handels-rechtlichen Gewinn mindert und damit auch etwaige weitere Gesellschafter trifft.

    Anders als im oben erörterten Fall der materiellen Bindung bei einer verdeckten Gewinnausschüttung lässt sich der fehlende Rechtsschutz der Gesellschaft jedenfalls nicht mit denkbaren Einflussmöglichkeiten auf den Gesellschafter rechtfertigen.

    V. AUSBLICK

    Die vorstehenden Überlegungen haben nur einen kleinen Teil der seit Einführung des formellen und materiellen Korrespondenzprinzips erkannten Fragen und Probleme zum Gegenstand. Gleichwohl ist deutlich geworden, dass die Regelungen sich nicht ohne weiteres in die Systematik der Besteuerung des ohnehin schwierigen Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Gesellschafter einfügen. Deutlich gewor-den ist aber auch, dass dem Gesetzgeber und den ihm zuarbeitenden Formulie-rungshelfern an dogmatisch und systematisch sauberen Lösungen tatsächlicher oder vermeintlicher Probleme kaum gelegen ist.

    Der Gesetzgeber hat die berechtigte Forderung, bei der Gesellschaft aufgedeckte verdeckte Gewinnausschüttungen auch beim Gesellschafter noch nachträglich zu-treffend zu besteuern (§ 32a Abs. 1 KStG), zum Ausgangspunkt einer weit umfas-senderen Regelung genommen. Dabei ging es ihm um die Schließung von Besteue-rungslücken und die Vermeidung von Minderbesteuerungen. Beides ist an sich nicht zu beanstanden. Die getroffenen Regelungen sind allerdings wieder einmal unaus-gewogen und unsystematisch. So gilt die materielle Korrespondenz bei verdeckten Gewinnausschüttungen (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG, § Sb Abs. 1 Sät-ze 2 und 3 KStG) nur bei fehlender Besteuerung auf Gesellschaftsebene; wird hin-gegen eine verdeckte Gewinnausschüttung zu Unrecht einkommenserhöhend ange-setzt, besteht keine Bindungswirkung zugunsten des Gesellschafters mit dem Ziel, eine doppelte Besteuerung zu vermeiden. Noch weniger überzeugt die materielle Korrespondenz bei verdeckten Einlagen(§ 8 Abs. 3 Sätze 4 ff KStG). Sie ist wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Besteuerung der Gesellschaft nach der Leis-tungsfähigkeit schon im Ansatz verfehlt.

    Schließlich muss die vorstehend nicht näher erörterte Frage erlaubt sein, ob das nach herrschender Meinung auch für grenzüberschreitende Sachverhalte geltende Regelungsgewirr für die deutsche Finanzverwaltung administrierbar ist oder ob auch in diesem Fall ein strukturelles Vollzugsdefizit droht.

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  • }üRGENLÜDICKE

    W. Rainer Walz hat vor mehr als zwei Jahrzehnten davor gewarnt, dass die Steu-ergesetze immer detailbesessener, komplizierter und undurchdringlicher, dadurch aber allenfalls formal demokratischer werden, »weil Details die Abgeordneten überfordern. Erheblich gestärkt wird die Ministerialbürokratie, die aus verwal-tungswissenschaftlich nachweisbaren Gründen nicht gerade als geborener Banner-träger für das Interesse an Steuervereinfachung und dogmatischer Transparenz an-gesehen werden kann.« 52 Die hier besprochenen Regelungen widerlegen diese Be-fürchtungen leider nicht.

    52 Stu W 1984, 170, 171.

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