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M I T T E I L U N G E N

Nr. 11 von 12

November 2006 · 88. Jahrgang

GeschäftsstelleEntfelderstrasse 115001 AarauTelefon 062 837 18 18 Telefax 062 837 18 19E-Mail: [email protected]

IN DIESER NUMMER

Unsere Wirtschaft braucht 93gute Rahmenbedingungen!

Wenn die Sozialpartnerschaft versagt 94

Beurteilung des neuen Pensionskassendekrets 96

Wir altern und schrumpfen: 97Die demographische Entwicklung alszukünftige Herausforderung für die Politik

Bürgerliche Denkfabriken 100

Parolen Volksabstimmungen 100vom 26. November 2006

VOLKSABSTIM-

MUNGEN VOM

26. NOVEM-

BER 2006

Unsere Wirtschaft brauchtgute Rahmenbedingungen!von Peter Lüscher, Vorsitzender der Geschäftsleitung der AIHK, Aarau

Am 26. November 2006 stimmen wir über drei Vorlagen ab, welche die Rah-menbedingungen für die Wirtschaft spürbar verändern können (vgl. Pa-rolenkasten auf der letzten Seite sowie die Vorstellung der Abstimmungsvor-lagen in der Ausgabe Nr. 10/2006, S. 85 ff.). Ein Ja zur Aargauer Steuerge-setzrevision verbessert sie, ein Nein zur Bundeskinderzulagenregelung ver-hindert eine Verschlechterung.

Ja zur Steuergesetzrevision

Der Grosse Rat hat eine ausgewogene Steuer-gesetzrevision beschlossen, von der eine VielzahlAargauerinnen und Aargauer direkt profitierenkönnen. Das Paket entlastet sowohl Familien mitKindern als auch Personen mit tiefen Einkom-men. Es stärkt den Mittelstand durch die Entlas-tung von Familien, Rentnern sowie Unterneh-mern. Das revidierte Steuergesetz verbessert dieStandortattraktivität des Kantons Aargau fürFirmen und Steuerpflichtige. Dadurch wird derWirtschaftsraum Aargau mit seinen Unterneh-mungen gestärkt. Es wird vermehrt investiert,neue Arbeitsplätze entstehen. Aus der Steigerungdes Wachstums resultieren höhere Steuereinnah-men. Das nützt dem Kanton wie den Gemeindenund damit allen Aargauerinnen und Aargauern.Die Aargauer Steuergesetzrevision verdient des-halb ein klares Ja an der Urne!

Nein zu Bundeskinderzulagen

Diese neue Bundesregelung kostet gesamtschwei-zerisch 600 Mio. Franken pro Jahr zusätzlich. ImKanton Aargau würden aus der Erhöhung der Zu-lagen von 170 auf 200 bzw. 250 Franken pro Kind

und Monat massive Mehrkosten resultieren. Durchdie notwendige Erhöhung der Arbeitgeberbeiträgeverschlechtern sich die Rahmenbedingungen fürprivate Arbeitgeber merklich. Die beim Kanton alsgrossem Arbeitgeber anfallenden Kosten sind vonden Steuerzahlenden zu tragen. Die Betriebe wer-den durch die Bundeslösung administrativ kaumentlastet, weil es weiterhin kantonale Vorschriftengibt. Aus dem Wegfall der Befreiungsmöglichkeitvon der Anschlusspflicht an eine Familienaus-gleichskasse entstehen sogar vielerorts Mehrauf-wendungen. Die Schaffung einer neuen Sozial-versicherung ist deshalb mit einem Nein zu ver-hindern!

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Eine der möglichen Definitionen von Streik (Aus-stand, von engl. strike) im arbeitsrechtlichen Sinneist: «Die gemeinschaftliche Verweigerung von ver-traglich geschuldeter Arbeitsleistung durch meh-rere Arbeitnehmende zum Zweck der Durchset-zung bestimmter Arbeitsbedingungen (Lohn, Ar-beitszeit, Gesamtarbeitsvertrag usw.)»1.

In der Schweiz ist das Streikrecht anerkannt, so-fern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (u.a.als letztes Mittel, Verhältnismässigkeit). Die recht-liche Grundlage des Streikrechts findet sich in derBundesverfassung (BV). Darüber hinaus sind dievon der Schweiz ratifizierten internationalen völ-kerrechtlichen Garantien zum Schutz der Koali-tionsfreiheit und des Streikrechts zu beachtenbzw. wie schweizerisches Recht direkt anwendbar.Im Folgenden sollen diese rechtlichen Grund-lagen und deren praktische Bedeutung kurz erläu-tert werden.

Bundesverfassung, Art. 28

Das Streikrecht wurde bereits gestützt auf dieBV von 1874 als so genanntes «ungeschriebenesGrundrecht» anerkannt. Lehre und Rechtspre-chung wiesen dem Streikrecht einen instrumenta-len Charakter im Hinblick auf das Ziel der Erhal-tung und Sicherung der liberalen Arbeits- undWirtschaftsverfassung zu2. In der heute geltendenBV wird die Zulässigkeit von Streik (und Aussper-rung) ausdrücklich erwähnt: «Streik und Aussper-rung sind zulässig, wenn …», Art. 28 Abs. 3 BV. Esfehlt jedoch die explizite Erwähnung eines Streik-rechts, wie es noch im Vorentwurf zur neuen BVvorgesehen war: «Das Recht auf Streik und Aus-sperrung ist gewährleistet.» Die geltende Formu-lierung ist ein politischer Kompromiss, da be-fürchtet worden war, die ausdrückliche Nennungeines Streikrechts werde als Provokation oder garals eigentliche Aufforderung zu Streiks verstan-

den. Unter den Rechtsgelehrten bis heute nichtrestlos geklärt ist zudem die Grundsatzfrage, obdas Streikrecht als individuelles Freiheitsrechtjeder/jedem Arbeitnehmenden direkt zusteht oder«nur» von einer Arbeitnehmerorganisation als Kol-lektiv ausgeübt werden kann. Gestützt auf das Völ-kerrecht (vgl. nächster Abschnitt) wird aber ver-mehrt der ersteren Ansicht der Vorzug gegeben.

Völkerrechtliche Garantien

Völkerrecht bezeichnet, kurz gesagt, die über demLandesrecht stehenden Normen, die von souverä-nen Staaten untereinander vereinbart werden. Be-kannt sind Staatsverträge. Daneben existierenaber auch unzählige Übereinkommen, Pakte, Ab-kommen usw. für sämtliche auch im innerstaat-lichen Recht bekannten Themengebiete3.

Im Bereich Arbeits-, Koalitions- und Streikrechtsind einerseits das ILO-Übereinkommen Nr. 87der Internationalen Arbeitsorganisation (für dieSchweiz in Kraft seit 25. März 1976, SR 0.822.719.7),andererseits der Internationale UNO-Pakt I überwirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (fürdie Schweiz in Kraft seit 18. September 1992,SR 0.103.1) als massgebende völkerrechtlicheSchutznormen zu beachten. Art. 8 Abs. 1d UNO-Pakt I statuiert, im Unterschied zu Art. 28 BV, einausdrückliches Streikrecht. Gestützt darauf wirddiese Streikgarantie heute mehrheitlich als indivi-duelles Freiheitsrecht jeder/jedes Arbeitnehmen-den angesehen (self-executing-Norm). Auf die da-raus folgenden rechtstheoretischen und staats-rechtlichen Konsequenzen kann hier nicht nähereingegangen werden.

Praktische Bedeutung

Diese rechtlichen Grundlagen erlauben es also,dass in der Schweiz grundsätzlich gestreikt wer-

ARBEITSKAMPF;

STREIK

Wenn die Sozialpartnerschaft versagtvon Doris Wobmann, lic. iur., Rechtsanwältin, juristische Mitarbeiterin der AIHK, Aarau

Die Schweizer Wirtschaft kennt – aus ihrer Sicht glücklicherweise und imGegensatz zur restlichen industrialisierten Welt – keine eigentliche Streik-Tradi-tion. Dieser als Arbeitsfriede bezeichnete Zustand gehört bis heute mit zu denstärksten Standortfaktoren der Schweiz. Die AIHK setzt sich für dessen Erhal-tung ein: Dennoch schlugen und schlagen die Gewerkschaften immer wieder maletwas härter auf die Streik-Trommel, sei es mit eigentlichen Arbeitskampfmass-nahmen oder mit Androhungen von Streiks (z.B. 1994 Spinnerei Ed. Bühler/

A. Gasser; 2004 Swissmetal Boillat AG, Reconvillier; 2006 Streikdrohung des SchweizerischenEisenbahnerverbandes).

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den darf. Wie gewohnt, bestehen aber auch hierverschiedene Voraussetzungen und Ausnahmen(im Sinne eines Streikverbots).

Auslöser eines Streiks – als Unterform des Ar-beitskampfs – ist regelmässig der Punkt, dass sichdie arbeitsrechtlichen Sozialpartner, Arbeitgeberund Arbeitnehmer bzw. deren Vertretungen, überwesentliche Punkte der Arbeitsbedingungen wieLohn, Arbeitszeit usw. nicht (mehr) einig sind.Mit dem Streik, der kollektiven Niederlegung derArbeit, soll unter Inkaufnahme einer wirtschaft-lichen Schädigung des Arbeitgebers der notwen-dige Druck für die Durchsetzung besserer Arbeits-bedingungen erzeugt werden.

Zulässig ist ein Streik aber nur, wenn er eine Ar-beitsbeziehung betrifft und wenn keine Verpflich-tung entgegensteht, den Arbeitsfrieden zu wah-ren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen.Das Gesetz kann zudem bestimmten Kategorienvon Personen den Streik verbieten (Art. 28 Abs. 3und 4 BV).

Die Sozialpartner besitzen die so genannte Tarif-autonomie. In dieser liberalen, teilweise «staats-freien» Sphäre können sie das zwischen ihnen gel-tende Arbeitsverhältnis weitgehend selbständigregeln. Kommt dieses ausgehandelte Gleich-gewicht von Macht und Chancen ins Wanken,sei es auf Anstoss der einen oder andern Seite(z.B. höhere Lohnforderungen oder verlängerteArbeitszeiten), steht der Arbeitnehmerseite beiUnfähigkeit der Sozialpartner zur gemeinschaft-lichen Lösung des Konflikts, als letztes Mittel(«ultima ratio») der Streik, die Verweigerung derArbeitsleistung, zur Verfügung. In diesem Sinnekommt dem Streik eine besondere Ausgleichs-funktion zwischen den unterschiedlichen Interes-sen der Sozialpartner zu.

In der Regel betrifft ein Streik ein durch Gesamt-arbeitsvertrag (GAV) regelbares Ziel. Als zulässiggelten heute aber auch Streiks aus ausserhalb desGAV liegenden Motiven (z.B. Betriebsreorganisa-tion, verbunden mit Personalabbau). Nicht mehrerforderlich ist nach Auffassung verschiedener Ju-risten zudem eine tariffähige Organisation alsTrägerin des Streiks. Damit können auch einzelneArbeitnehmende oder Ad-hoc-Zusammenschlüsseeinen Streik durchziehen («wilder Streik»). Aner-kannt scheint heute, dass das Streikrecht auch An-gestellten des öffentlichen Dienstes grundsätzlichzusteht. Rechtswidrig ist ein Streik, wenn er trotz

gültig vereinbarter Friedenspflicht (GAV) ausge-rufen würde. Gemäss ILO-Übereinkommen Nr. 87kann das Streikrecht zudem für bestimmte Perso-nen, die so genannte unerlässliche Dienste («essen-tial services») verrichten, eingeschränkt oder ganzaufgehoben werden. Dies betrifft Arbeitsberei-che, deren Unterbrechung eine Gefährdung desLebens, der persönlichen Sicherheit oder der Ge-sundheit der Bevölkerung verursachen könnte(z.B. Spitäler, Wasser- und Elektrizitätswerke,Kommunikationsdienste, Flugsicherung usw.).Diese Absicht wird in Art. 28 Abs. 4 BV aufge-nommen. Den Gradmesser für die Zulässigkeiteines Streiks bestimmter Arbeitnehmender bildethier nicht ihr rechtlicher Status, sondern ihre tat-sächliche Funktion für die Sicherheit und Ge-sundheit der Öffentlichkeit sowie für das Funk-tionieren einer demokratischen und rechtsstaat-lichen Gesellschaft.

Statistik4

Wie bereits erwähnt, gehört die Schweiz zu denIndustrienationen, in denen Arbeitskämpfe sehrselten sind. Als bislang letzter landesweiter (eintä-giger) Streik kann der «Druckereistreik» 1994 ge-nannt werden. Neben den eingangs erwähntengrösseren Streiks sei noch der Post-Streik vonEnde 2004 erwähnt, mit dem vier Postpaketver-teilzentren lahm gelegt wurde, was schweizweitzu grossen Ausfällen führte. Im Herbst 2006führte ein Pilotenstreik bei der Swiss zu Flugaus-fällen. Im Überblick der letzten 10 Jahre scheintzudem 1998 ein besonders streikfreudiges Jahr ge-wesen zu sein, mit insgesamt über 16000 Arbeit-nehmenden in 12 Betrieben. Insgesamt kann aberfestgestellt werden, dass der in der Schweiz durchArbeitskonflikte eingetretene Produktionsausfallrelativ gering ist und sich die verlorene Arbeitszeitjährlich im Durchschnitt auf rund 1,4 Arbeitstagepro 1000 Arbeitnehmende belief.

Dokumentationshinweise

1 Manfred Rehbinder, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2002, Rz. 571

2 Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, Bern 1999, S. 356

3 Das für die Schweiz geltende «internationale Recht» in der Gesetzes-sammlung des Bundes (Systematische Sammlung des Bundesrechts, SR),einsehbar unter www.admin.ch/ch/d/sr/index.html

4 Alle statistische Angaben aus dem jeweiligen Jahrbuch des Schweizeri-

schen Arbeitsrechts, JAR

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Der Regierungsrat will die APK-Unterdeckung von1500 Mio. Franken über die SpezialfinanzierungSonderlasten abwickeln. Er schreibt in seiner Bot-schaft, dass diese Deckungslücke in erster Linie aufden in den 60-er Jahren gefällten Beschluss desGrossen Rates zurückzuführen sei, für teuerungs-bedingte Lohnerhöhungen auf den Höhereinkaufdurch Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verzich-ten. Diese Aussage ist schlicht falsch. Bei genauemStudium der regierungsrätlichen Botschaft unddes Geschäftsberichts 2005 der APK stellt manfest, dass in der Unterdeckung von 1500 Mio.Franken Reserven in Höhe von 820 Mio. Frankenenthalten sind. Die BVG-Unterdeckung beträgt«lediglich» 680Mio. Franken. Wenn diese 680 Mio.Franken in erster Linie auf den damaligen Beschlussdes Grossen Rates zurückzuführen sind, habensowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer davonprofitiert. Auf den Arbeitgeber, also den Steuerzah-ler, entfallen ca. 60% bzw. 408 Mio. Franken undauf die Arbeitnehmer, also die Versicherten, ca. 40%bzw. 272 Mio. Franken. Und nun soll der gesamteBetrag vom Steuerzahler getragen werden!

Ins gleiche Bild passt die Meldung der APK überdie phänomenale Performance von 13,1% imvergangenen Jahr. Im krassen Gegensatz dazusteht die Erhöhung der Deckungslücke um 58Mio.Franken auf 1500 Mio. Franken. Im besten Anla-gejahr vergrössert sich die Deckungslücke, dableibt nur noch ein Staunen. Ein Blick in den Ge-schäftsbericht der APK zeigt, dass zu Lasten derJahresrechnung die Reserven um 468 Mio. Fran-ken auf 820 Mio. Franken erhöht wurden. Das istein klarer Verstoss gegen die Rechnungslegungs-vorschriften Swiss GAAP FER 26, die nach Bun-desrecht von den Vorsorgeeinrichtungen zwin-gend eingehalten werden müssen. Gemäss diesenRechnungslegungsvorschriften kann eine Unter-deckung nur ausgewiesen werden, wenn die

Wertschwankungsreserven aufgelöst sind unddürfen Vorsorgeeinrichtungen mit Garantiezusa-gen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften imFalle einer Unterdeckung keine Wertschwan-kungsreserven bilden.

Zur Beseitigung der Unterdeckung der APK wer-den 680 Mio. Franken benötigt. Mit diesem Be-trag verfügt die APK nach den Rechnungs-legungsvorschriften Swiss GAAP FER 26 übereinen Deckungsgrad von 100 %. Falls die APK1500 Mio. Franken erhält, steigt der Deckungs-grad auf ca. 115 %.

Gemäss Vorschlag des Regierungsrates sollen wei-tere 226 Mio. Franken als Wertschwankungs-reserve durch die Spezialfinanzierung Sonder-lasten getragen werden. Da auch in der PositionTeuerungszulagen auf Renten Wertschwankungs-reserven enthalten sind, ergibt sich ein Totalbe-trag von 1065 Mio. Franken für Wertschwan-kungsreserven. Bei rund 30000 Versicherten inder APK sollen durchschnittlich 35000 FrankenReserven pro Versicherten gebildet werden. Es istnicht Aufgabe der Steuerzahler, die APK mit Re-serven auszustatten.

Das neue Dekret verursacht jährliche Mehrkostenvon total 38 Mio. Franken. Davon entfallen20 Mio. Franken auf die Arbeitgeber, also dieSteuerzahler, und 18 Mio. Franken auf die Ar-beitnehmer. Die Mehrkosten entstehen durch dieFestlegung des Leistungsziels auf 65% des versi-cherten Lohnes und die Neuregelung des Koordi-nationsabzugs.

Der Systemwechsel soll mit einer äusserst gross-zügigen Lösung erkauft werden. Darunter fälltauch die Besitzstandsregelung. Bereits ab Vollen-dung des 40. Altersjahres soll die Besitzstands-

ALTERSVORSORGE

Beurteilung des neuen Pensionskassendekretsvon Dr. Markus Letsch, Präsident der Aargauischen Stiftung für Freiheit und Verantwortung inPolitik und Wirtschaft, Aarau

Die Aargauische Stiftung für Freiheit und Verantwortung in Politik und Wirt-schaft befasst sich in einem ausführlichen Papier (www.ag-stiftung.ch) mit derBotschaft des Regierungsrates zum neuen Pensionskassendekret. Die Stiftungbegrüsst die Umstellung vom Leistungs- aufs Beitragsprimat, die Erhöhung desRentenalters auf 65 Jahre, die Ausfinanzierung und die Umsetzung per 1. Janu-ar 2008. Die Stiftung widersetzt sich aber klar dem Vorschlag des Regie-rungsrates, zu Lasten der Steuerzahler die Aargauische Pensionskasse (APK) im

Rahmen der Ausfinanzierung mit über 1 Mrd. Franken Reserven auszustatten und die jährlichenKosten für die Arbeitgeber um 20 Mio. Franken zu erhöhen. Zudem erachtet die Stiftung die Besitz-standsregelung mit Kosten von 557 Mio. Franken zu Lasten der Steuerzahler für viel zu grosszügig.

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regelung angewendet werden. Die Kosten belau-fen sich für den Steuerzahler auf 557 Mio. Fran-ken. In der Privatwirtschaft sind Regelungen abVollendung des 55. Altersjahres verbreitet.

Neben weiteren Punkten kritisiert die Stiftung,dass das Dekret keine Regelung für den Sa-nierungsfall enthält.

Die Stiftung stellt die folgenden Forderungen:

– Es ist die BVG-Deckungslücke in Höhe von680 Mio. Franken und nicht die APK-De-ckungslücke von 1500 Mio. Franken zu besei-tigen. Der genaue Betrag der BVG-Deckungs-lücke ergibt sich aus dem Abschluss 2007.

Die Tatsache, dass die Versicherten nicht an derBeseitigung der Deckungslücke beteiligt wer-den, ist im Gesamtrahmen zu berücksichtigen.

– Auf die Bildung von sämtlichen Wertschwan-kungsreserven in Höhe von 1065 Mio. Franken:

• 820 Mio. Franken in der APK-Unterdeckungversteckt

• 226 Mio. Franken Position Wertschwan-kungsreserve

Demographische Entwicklung

Die Schweiz befindet sich am Anfang einer mas-siven demographischen Veränderung. Diese Ver-änderung wird grosse Folgen in sozialpolitischer,ökonomischer und kultureller Hinsicht für un-sere Gesellschaft haben. Sie ist ursächlich auf zweivoneinander unabhängige Entwicklungen zurück-zuführen: Einerseits steigt die Lebenserwartungder Bevölkerung. Betrug sie im Jahre 1950 fürFrauen 70,9 Jahre und für Männer 66,4 Jahre, sobeträgt sie heute (2005) für Frauen 83,9 Jahre undfür Männer 78,7 Jahre1.

• 19 Mio. Franken in der Teuerungszulage aufRenten enthalten

zu Gunsten von einem kleinen Kreis Privilegier-ter zu Lasten der Steuerzahler ist zu verzichten.

– In die Besitzstandsregelung sollen Personen abVollendung des 55. Altersjahres einbezogenwerden und bei den Zusatzgutschriften sollendie Möglichkeiten des Freizügigkeitsgesetzesausgeschöpft werden.

– Das neue Dekret darf die Kosten für die Arbeit-geber nicht erhöhen.

– Der Zins für die Sparguthaben soll dem BVG-Satz entsprechen.

– Der Grosse Rat, der das Vorsorge- und das Or-ganisationsreglement genehmigt, darf durchden Vorstand der APK durch Zusatzpläne undvom Kernplan abweichende Vorsorgeplänenicht umgangen werden.

– Das Dekret muss eine Regelung über Sanie-rungsmassnahmen enthalten. Die Kosten wer-den auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer ent-sprechend der Beitragsverhältnisse aufgeteilt.

POLITIK UND

GESELLSCHAFT

Wir altern und schrumpfen:Die demographische Entwicklung alszukünftige Herausforderung für die Politikvon Reto Barbarits, lic. iur., juristischer Mitarbeiter der AIHK, Aarau

Bisher vor allem in Expertenkreisen behandelt, wird das Thema der alterndenund schrumpfenden Gesellschaft zunehmend auch in der breiten Öffentlichkeitdiskutiert. Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf unser Zu-sammenleben werden zahlreiche Bereiche der Politik in naher Zukunft stark be-herrschen. Im folgenden Beitrag soll eine Übersicht über Schwerpunktthemen inZusammenhang mit der demographischen Entwicklung gegeben werden.

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Andererseits ist die Zahl der Geburten in den letz-ten Jahrzehnten massiv zurückgegangen. Betrugdie Geburtenrate im Jahre 1970 noch 2,8 Kinderpro Frau, so steht sie heute bei einem Wert von1,4. Damit die Bevölkerung stationär bleibt – d.h.eine stetige Grösse behält – wäre bei einer kons-tanten Lebenserwartung eine Geburtenrate von2,1 notwendig2.

Als Folge der tiefen Geburtenrate wird der Anteilder Rentner im Vergleich zu den Beschäftigtendeutlich zunehmen. Zusätzlich wird voraussicht-lich der Anteil der Jugendlichen an der Bevölke-rung abnehmen. Langfristig ist gar mit einem Be-völkerungsrückgang zu rechnen.

Das Problem der schrumpfenden Gesellschaftkann nicht alleine mit Hilfe der Einwanderunggelöst werden, wie oft argumentiert wird. Auswirtschaftlicher Sicht ist nicht die Zahl der Perso-nen im Erwerbsalter, sondern die Zahl der effek-tiv Erwerbstätigen massgebend. Daher ist dieQualifikation der Zuwandernden entscheidend.Da das Problem der demographischen Entwick-lung in fast allen Industriestaaten – wenn auchverschieden weit fortgeschritten – vorhanden ist,dürfte es für die Schweiz daher zunehmendschwieriger werden, den Bevölkerungsschwundüber die Zuwanderung auszugleichen.

Die öffentliche Diskussion im Zusammenhangmit der demographischen Entwicklung drehtesich bis heute schwergewichtig um die Altersvor-sorge, genauer um die AHV. Nach und nach wirdaber klar, dass auch weitere Bereiche einschnei-dende Veränderungen erfahren werden, so z.B.der Arbeitsmarkt, das System der beruflichen Vor-sorge sowie das Gesundheitswesen. Speziell imGesundheitswesen wird die Frage der Pflegekos-ten zunehmend auch unter dem Aspekt der al-ternden Gesellschaft diskutiert. Die Politik wirdsich in Zukunft in zunehmendem Masse mit die-sen Themen zu befassen haben. Dabei ist bereitsheute klar, dass die Lösungen keineswegs für

jeden Einzelbereich isoliert gefunden werdenkönnen. Vielmehr sind kombinierte Lösungengefragt, welche die Auswirkungen auf sämtlicheBereiche der Gesellschaft berücksichtigen.

Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt ist von der demographischenEntwicklung in zweierlei Hinsicht betroffen. Zumeinen führen die alternde Bevölkerung und derRückgang des Anteils der Jugendlichen an der Be-völkerung bereits ab dem Jahr 2015 zu einem Ar-beitskräftemangel3. Angesichts dieser Entwick-lung haben Frühpensionierungen von älteren Ar-beitnehmenden4 zum Freimachen von Arbeits-plätzen für jüngere Erwerbstätige, als Mittel derArbeitsmarktpolitik, wohl ausgedient.

Zum andern ist ein Teil der Lösungen für die Fi-nanzierungsprobleme der Sozialwerke im Ar-beitsmarkt, konkret in einer längeren Beschäfti-gung von älteren Arbeitnehmenden, zu suchen.Mit der Ausdehnung der Erwerbstätigkeit imAlter, könnte neben dem Erfahrungs- und Know-how-Verlust, auch die Erhöhung der Alterslast-quote5 – ein Hauptproblem bei der Finanzierungder AHV – gedämpft werden. Dabei sollten fol-gende Massnahmen in Betracht gezogen werden:

– Beseitigung von bestehenden Anreizen (steuer-und sozialversicherungsrechtlicher Natur) dieErwerbstätigkeit frühzeitig einzustellen, ohne,dass für jene, die dies auch ohne solche Anreizebeabsichtigen, ein früherer Renteneintritt zusehr erschwert wird.

– Für Interessierte Möglichkeiten schaffen, auchnach dem ordentlichen Renteneintrittsalter er-werbstätig zu sein.

– Fliessende Gestaltung des Übergangs von derErwerbstätigkeit in den Ruhestand. Dies kannz.B. durch Altersteilzeit geschehen, wobeidiese schon vor dem ordentlichen Rentenaltereinsetzen kann, wenn dafür die Erwerbstätig-keit über dieses Alter hinaus entsprechend aus-gedehnt wird.

Aus Arbeitgebersicht sollte das reglementarischeAusscheiden aus dem Berufsleben bei Erreichungdes AHV-Alters durch individuell vereinbarteflexible Lösungen bis zum endgültigen Alters-rücktritt ersetzt werden. Dies gäbe den Unterneh-men, vorausgesetzt sie kennen ihre Altersstruktur,auch eine grössere Flexibilität bei der Personal-planung6.

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Altersvorsorge

Neben dem Finanzierungsproblem der erstenSäule (AHV) rücken in zunehmendem Masseauch die Probleme der zweiten Säule (Pensions-kasse) in den Blickpunkt der Öffentlichkeit(Stichwort: Mindestzins). Die Darstellung derverschiedenen Lösungsansätze würde diesen Bei-trag sprengen, da neben den sozialpolitisch moti-vierten Unterschieden oft auch verschiedeneEntwicklungsszenarien den Lösungsansätzen zuGrunde liegen7. Egal, mit welchem politischenHintergrund man sich mit der Problematik be-fasst: Tatsache ist, dass in Zukunft immer wenigerArbeitnehmende immer mehr Rentner finanzie-ren müssen8. Die Lösung des Finanzierungs-problems muss aus einer Kombination von ver-schiedenen Massnahmen bestehen.

Auf der Bezugsseite stehen folgende zwei Mass-nahmen im Vordergrund: Rentenkürzung unddie Erhöhung des Renteneintrittsalters.

Auf der Beitragsseite existieren folgende Möglich-keiten: Erhöhung der Rentenbeiträge, Bereitstel-lung zusätzlicher Mittel aus dem allgemeinenSteueraufkommen (Stichwort: Mehrwertsteuer),Erhöhung bzw. Ausbau des Anteils der durch dasKapitaldeckungsverfahren finanzierten Renten(Pensionskassen, private Vorsorge) sowie ein frü-herer Eintritt ins Berufsleben (frühere und län-gere Beitragspflicht).

Familienpolitik

Die Familienpolitik hat im Rahmen der politi-schen und öffentlichen Diskussion über die de-mographische Entwicklung bis jetzt eher einSchattendasein gefristet. Dies aus zwei Gründen:Erstens wurde das Thema «Kinder kriegen» in un-serer Gesellschaft bisher als eine Privatangelegen-heit angesehen. Zweitens ist der Einfluss des Staa-tes bzw. der Politik auf die Geburtenquote ehermittelbarer Natur.

Zweifellos stehen heute individuelle bzw. paarbe-zogene Einflussfaktoren bei der Entscheidung fürKinder im Vordergrund. Trotzdem hat sich dieErkenntnis durchgesetzt, dass durch eine verbes-serte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowieverbesserte steuerliche Rahmenbedingungen zu-mindest die ökonomischen Voraussetzungen ge-schaffen werden können, um die Kosten derElternschaft zu mildern. In Bezug auf die demo-graphische Entwicklung lässt sich zudem feststel-

len, dass Massnahmen zur besseren Vereinbarkeitvon Familie und Beruf auch zu einem höherenAnteil von erwerbstätigen Frauen führt, waswiederum positive Auswirkungen auf die Gesamt-zahl der Erwerbstätigen hat.

Konkret führen die Möglichkeiten der Kinderbe-treuung (auch im Kleinkinderalter), feste Block-zeiten in Schulen und Kindergärten sowie Mög-lichkeiten zur Ganztagesbetreuung von Kindernzu folgender Wirkung:

– Familien mit kleinen oder mittleren Einkom-men hätten die Chance, Zweiteinkommen zuerzielen ohne dass dadurch die Geburtenratesinkt und/oder die Betreuung der Kinder da-runter leidet.

– Auch für hoch qualifizierte Frauen mit Kin-dern werden grössere Teilzeitpensen oder Voll-zeitstellen attraktiver.

Schlussbemerkung

Die Alterung und Schrumpfung unserer Gesell-schaft stellt die Politik bereits in naher Zukunftvor grosse Herausforderungen. Gefragt sind Lö-sungen, die mehrheitsfähig und ausgewogen sind.Die Komplexität sowie die Dringlichkeit der Ma-terie erlauben keine ideologisch geprägten Dis-kussionen, wie sie in der Vergangenheit oft statt-gefunden haben. Polemische Debatten mitSchlagwörtern wie «Rentenklau» oder «Sozialver-sicherungsabbau» dienen der Lösung der anste-henden Probleme nicht. Auch kann keine deroben skizzierten Massnahmen alleine die Prob-leme der demographischen Entwicklung lösen.Gefragt sind vielmehr objektive Analysen undsachliche, kombinierte Lösungsansätze, um dieHerausforderungen der demographischen Ent-wicklung zu meistern.

Dokumentationshinweise

1 Lebenserwartung bei Geburt, Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS)

2 BFS

3 «Tipps für Arbeitgeber», Arbeit und Alter, SAV 2006

4 Die WHO definiert Menschen zwischen 60 und 75 Jahren als ältereMenschen.

5 Der Altersquotient ergibt sich aus dem quantitativen Verhältnis zwischenden über 64-Jährigen und den 20- bis 64-Jährigen (Definition gemäss BFS).

6 Siehe N 3

7 Vgl. hierzu die Szenarien des BFS

8 Diesbezüglich zielt die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGBeingereichte Volksinitiative für ein flexibles Rentenalter ab 62, ohne Ren-tenkürzung, in die komplett falsche Richtung.

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1

Volksabstimmungen vom 26. November 2006Vorlage Kanton

ParolenAIHK

– Steuergesetz vom 15. Dezember 1998 (StG): Änderung vom 22. August 2006 Ja

Vorlagen Bund- Bundesgesetz vom 24. März 2006 über die Zusammenarbeit Ja

mit den Staaten Osteuropas

- Bundesgesetz vom 24. März 2006 über die Familienzulagen Nein(Familienzulagengesetz, FamZG)

Alle drei Parolen wurden vom Vorstand der AIHK einstimmig beschlossen.

Think Tanks in der Schweiz

Liberales InstitutVogelsangstrasse 52CH-8006 ZürichE-Mail: [email protected]

Institut Constant de RebecqueCH-1003 LausanneE- Mail: [email protected] www.institutconstant.ch

Avenir SuisseGiessereistrasse 5CH-8005 ZürichE-Mail: [email protected]

Netzwerk der Schweizer Think Tankswww.swisspolicy.net

THINK TANKS

Bürgerliche Denkfabriken

AIHK. Denkfabriken sind Einrichtungen der Politikberatung. Sie produzieren Ideen und Wissen.Sie geben wichtige geistige und politische Impulse. Sie propagieren Richtpunkte und verbreitenGrundlagen freiheitlicher Politik. Mannigfaltige Veranstaltungen (Vorträge, Kurse/Seminarien, Ta-gungen usw.) vernetzen Exponenten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Politisch interes-sierte Personen finden bei den nachstehend aufgeführten Stellen nützliche Informationen. ThinkTanks nehmen aber nicht die kollektiven Interessen der Wirtschaft wahr und betreiben auch nichtRealpolitik. Dafür sind nach wie vor die Wirtschaftsverbände zuständig.

Think Tanks in Deutschland

Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e.V.Reichstrasse 17D-14052 BerlinE-Mail: [email protected]

Liberales Institut der Friedrich-Naumann-StiftungKarl-Marx-Strasse 2D-14482 PotsdamE-Mail: [email protected]

Stiftung MarktwirtschaftCharlottenstrasse 60 (Gendarmenmarkt)D-10117 BerlinE-Mail: [email protected]

Institut für unternehmerische Freiheit e.V.Charlottenstrasse 65D-10117 BerlinE-Mail: [email protected] www.unternehmerische-freiheit.de