81
5. Balken und Stäbe
5.1. Die Grashofsche Theorie von gekrümmten Balken /Stäben
Ebener gekrümmter Balken/Stab: die Mittellinie (Biegelinie) des Balkens ist eine ebene Kur-
ve.
Bezeichnungen, Vorzeichen:
Ps
0 0
0 0 0
e
et
n
Die Lage eines Punktes P an der Biegelinie
wird durch der Bogenkoordinate s (Bogen-
länge) gegeben.
Im Punkt P wird ein lokales Koordinatensy-
stem aufgenommen: , , .xe e e e
0 - der Krümmungsradius der Biegelinie
vor der Formänderung,
- der Krümmungsradius der Biegelinie
nach der Formänderung.
Vorzeichen:
- 00 , wenn der Krümmungsmittelpunkt an der rechten Seite der Kurve liegt.
- 00 , wenn der Krümmungsmittelpunkt an der linken Seite der Kurve liegt.
Wir fahren der Kurve entlang in der Richtung der Bogenkoordinate s.
Die Belastung des Balkens: t nf f t f n - Linienbelastung
Gleichgewichtsbedingungen:
,
,
t
0
n
0
TdNf 0
ds
dTNf 0
ds
.hxdMT 0
ds
Der Zug-Druck Kraft ( )N s und die Schubkraft ( )T s sind
voneinander nicht unabhängig.
Der Zusammenhang zwischen dem Biegemoment hxM und
der Schubkraft T ist derselbe wie bei den geraden Balken.
Beanspruchungen: sie können nach der Definition der Beanspruchungen aus den Belastungen
bestimmt werden.
Die zu lösenden Aufgaben:
- Bestimmung der Formänderungskennwerte.
- Bestimmung der Spannungen.
5.1.1. Formänderungskennwerte
Anfangsannahmen:
- Die Form der Mittellinie / Biegelinie des Balkens ist ein Kreisbogen mit dem Radius 0 .
- Der Balken ist prismatisch und die Achse ist die Symmetrieachse des Querschnittes.
- Die Beanspruchung des Balkens ist reine Biegung.
- Im Balken gibt es einen einachsigen Spannungszustand.
82
Vor der Belastung
e
e
s 0P
0konstant
0
O
Nach der Belastung
s P e
hxM hxM
konstant
e
Der Querschnitt des Stabes:
- Symmetrieachse
, - die Hauptachsen der Trägheitsmo-
mente des Querschnittes.
S hxM
x
Annahmen für die Formänderung:
- Nach der Belastung / Formänderung bleiben die Querschnitte eben und sie bleiben senk-
recht zur Mittellinie / Biegelinie des Balkens (Bernoullische Hypothese).
- Der ursprüngliche Kreisbogen mit dem Radius 0 verformt sich für den Kreisbogen mit
dem Radius .
Die spezifische Längenänderung der Linie von :
0 0
0 0
.
Der Spannungszustand ist einachsig:
0 0
E E 1
, - eine hyperbolische Funktion.
Wenn hxM 0 ist, dann wird 0 und 0 .
Die Asymptoten der Hyperbel: , dann ,0
, dann ,0
E 1
, dann 0
0 0
0 E 1
.
83
Veranschaulichung der
Spannungsverteilung:
0
1e
hxM
0
max
2e
x S
O
V
5.1.2. Zusammenhang zwischen der Spannung und der Beanspruchung / dem Biege-
moment
a) Die resultierende Kraft: .
( ) ( )
SF dA e dA 0
A A
( )
dA 0
A
max liegt im allgemeinen an der Seite des Krümmungsmittel-
punktes in dem äußeren Faden.
b) Das resultierende Moment: .
( ) ( )
S hxM R dA e e e dA M e
A A
Skalare Gleichungen:
( )
dA 0
A
( )
hxdA M
A
.
Die Gleichung ist identisch Null, wenn die Achse die Symmet-
rieachse des Querschnittes ist.
Aus den Gleichungen kann und durch das Biegemoment hxM ausgedrückt wer-
den.
Die Grashofsche Formel: .hx hx 0
0 r 0
M M
A I
Bezeichnung: hx0
0
M
A
.
84
Das reduzierte axiale Flächenträgheitsmoment: .
( )
20r
0
I dA
A
Im allgemeinen: rI I
Vorzeichenregel:
s
O s
O
0hxM 0hxM 0hxM 0hxM 0 0
0 0
5.1.3. Die Veranschaulichung des axialen Flächenträgheitsmomentes
S
a
O
a
d1e
2e
x
0
Definition:
( )
20r
0
I dA
A
.
Aus ähnlichen Dreiecken:
0 0
a a
0
0
a a
.
( ) ( )
2 20r
0
I ad a d I
dAA A dA
.
Man muß das Moment I für einen modifizierten
Querschnitt bestimmen.
max max ,1 2e e e
Maß der Krümmung des Biegestabes:
max
0
e
Dieser Quotient charakterisiert das Maß der Krümmung des Stabes.
- Wenn max
0
e
klein ist, dann ist der Stab sehr gekrümmt.
- Wenn max
0
e
groß ist, dann ist der Stab nur schwach gekrümmt.
5.1.4. Die Anwendbarkeit der Theorie
- Wenn max
, dann ist die sche Formel und das Trägheitsmoment benutzt.0r3 4 Grashof I
e
- Wenn max
, dann ist die sche Formel und benutzt.0r3 4 8 10 Grashof I I
e
85
- Wenn max
, dann kann der Fall als gerader Stab betrachtet werden : .0 hxM8 10
e I
5.1.5. Die kinematischen Kenngrößen der Mittellinie
s
O
Formänderung
s
O
0
0
Die Änderung der Krümmung der Mittellinie: hx
0 r
M1 1
I E .
Die Winkeländerung der Endquerschnitte: hx hx0 0 0
r r
M Ml
I E I E ,
l - die Länge der Mittellinie des Balkens.
5.1.6. Die Verallgemeinerung der Ergebnisse
- Die Beanspruchungen des ebenen gekrümmten Balkens sind mit den allgemeinen ebenen
Beanspruchungen gleich: , hxN T M .
- Die Mittellinie ist nicht ein Kreisbogen. Es wird aber angenommen, daß der Krümmungsra-
dius sich nur langsam und nur im geringen Maße entlang der Mittellinie des Balkens ändert.
- Der Balken ist nicht prismatisch, aber es wird angenommen, daß der Querschnitt sich nur
langsam und nur im geringen Maße entlang der Mittellinie des Balkens ändert.
Näherungslösung (Superposition):
Biegung: hx hx 0
0 r 0
M M
A I
,
Zug/Druck:
Zusammenhänge für gerade Stäbe.
Schub:
N
A
T S
I a
Bei stark gekrümmten Balken sind die obigen Zusammenhänge nicht mehr gültig.
Die Formänderungsenergie:
86
BiegeU U Bei Balken sind im allgemeinen der aus der Biegung stammenden Formände-
rungsenergieteile dominant.
.hx
r
M1U ds
2 I El
Die Arbeitssätze von Betti und Castigliano sind in der gleichen Form wie bei Balken mit
gerader und gebrochener Mittellinie gültig.
5.2. Reine Torsion prismatischer Stäbe
Reine Torsion (Saint Venantsche Torsion):
Bei Torsion von Stäben mit einem nichtkreisförmigen Querschnitt kann man eine
Verwölbung der Querschnittsfläche in Richtung der Stabachse beobachten.
Wenn die eintretende Verwölbung nicht behindert ist ( 0z ), spricht man von reiner Torsi-
on.
Wölbkrafttorsion:
Wenn die Verschiebungen in Richtung der Stabachse behindert werden ( 0z ), spricht
man von Wölbkrafttorsion.
Die Wölbkrafttorsion spielt besonders bei dünnwandigen Stäben eine wichtige Rolle.
5.2.1. Reine Torsion – exakte Lösung
y
x
y
z
P
S
H
l
P
cM
0AlA
rR R
n
cM
cM
Anfangsannahmen:
- q 0 ,
- der Mantel H des Stabes ist unbelastet: ( 0n F n ),
- Bestimmte Spannungskomponente sind Null: x y z xy 0 ,
- Die Beanspruchungen:
( )
z dA 0
A
,
( )
z c zR dA M e
A
.
Dynamische Randbedingungen: - H ist unbelastet n 0 .
87
-
( )
z dA 0
A
,
( )
z c zR dA M e
A
.
- 0A sind dieselbe, wie auf lA
Spannungszustand:
0 0, ,
0 0 , wobei, .
0
xzxz xz
yzyz yz
zx zy
x yF
x y
Gleichgewichtsbedingungen:
0 0 0,
0 0 0,
xz
yz
z
z
Beide Gleichungen sind gleich Null, weil die Schub-
spannungen nur von z abhängen.
Die 3. Gleichgewichtsbedingung: 0 0.zyzx
x y
Die Erfüllung dieser Gleichung wird mit Hilfe der Einleitung einer Spannungsfunktion
( , )U x y erreicht.
Die Prandtlsche Spannungsfunktion
,U x y - eine mindestens zweimal differenzierbare Funktion der Ortskoordinaten , .x y
Die Berechnung der Spannungskomponente: zx xz
U
y
, zy yz
U
x
.
Eingesetzt in die Gleichgewichtsbedingung 3.: 2 2
0U U
x y x y
. Es ist identisch gleich Null.
Der Spannungsvektor:
z xz x yz z ze e .
.z x y x y z z
U U U Ue e e e e U e
y x x y
U
.z zU e
Die Spannungsfunktion ,U x y muß noch die folgenden Bedingungen erfüllen:
- Randbedingungen,
- Kompatibilitätsbedingungen, - -Gleichungen.
- Das sche Gesetz,Beltrami Michell
Hooke
Die Erfüllung der Randbedingungen:
- Der Mantel ist unbelastet:
88
0n F n ,
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0
xz x
n yz y
zx zy zx x zy y
n
n
n n
.
0,zx x zy yn n
0.z n
y
x
P
S
n
cM
zt
z
s 0g
Am Rand des Querschnittes hat die Schubspannung eine tangentiale Richtung.
Umformungen: 0.
Ableitung
in Richtung
z z z
Un U e n U e n U t
st
s
0 konstant 0g U . - eine willkürliche, aber zweckmäßige Wahl.
- Querschnitt lA (das rechtseitige Ende des Stabes):
Die resultierende Kraft:
( )
z
l
F dA 0
A
.
Beweis:
Umformung:nach dem Ersatz der Definition von z :
( ) ( )
z z
l l
dA U e dA
A A
.
Bezeichnung: Das Produkt kann von den Produkten beliebig sein.
s
0g
n
t
Der Gaußsche - Ostrogradskysche Integralsatz:
( )
.
( ) 0
C dA C n ds
gA
Anwendung des Integralsatzes:
t
z
l
U e dA
A
0 0
U t ds U t ds 0 ,
g g
z
0
e U n ds
g
89
weil 0
=g
U konstant und
0
0 .t ds
g
Die Gleichung 0F ist dann gültig, wenn die Spannungsfunktion U am Rand (g0) des
Querschnittes gleich Null ist. (Das ist die vorige Randbedingung für U.)
Das resultierende Moment:
( )
S z c z
l
M R dA M e
A
.
Umformung:
0
c z z z z
l l
M e R U e dA U R e e R U dA
A A
z z
l l
e R U dA e RU R U dA
A A
2
z z
l l
e RU dA e R UdA,
A A
Anwendung des Gaußschen Satzes auf das erste Integralglied:
weil 00
0
n RU ds 0 , U .g
g
Das Torsionsmoment:
c
l l
M R U dA 2U dA.
A A
1+1=2x y x yR e e xe yex y
.
Auch das Torsionsmoment kann auf Grund der Spannungsfunktion U(x, y) dargestellt wer-
den:
.
( )
cM 2 U dA
A
Die Erfüllung der Beltramischen - Michellschen Kompatibilitätsgleichungen:
, .2 2
I Ixz yz
F F1 10 0
1 x z 1 y z
, , weil .2 2
I II x y z
F F0 0 F 0
x z y z
Setzen wir die Schubspannungen ein:
90
konstant.
xz
yz
UU 0
y yU
UU 0
x x
Nach der Benutzung des Hookeschen Gesetzes und der kinematischen Gleichungen:
sche-partielle DifferentialgleichungU 2G Poisson ,
wo G der Schubmodul (Materialkennwert) ist,
- spezifische Verdrehung Verwindung.
Die Bestimmung des Verschiebungsfeldes: , ,x
u0 u u y z
x
, ,y
v0 v v x z
y
, .z
w0 w w x y
z
Wenn undu y f z v x f z dann .xy
u vf f 0
y x
,
,xz
xz xz
x yu w df wy x y
z x dz x G
,
In dieser Gleichung ist ,xz xz x y ,weil xz nur von ,x y abhängt.
2
xz
2
d f0 y 0 f z z
z dz
, wobei konstant (Verwindung).
Nach dem gleichen Gedankengang für yz
v wf z z
z y
.
Das Verschiebungsfeld:
,
,
, ,
u y z y z
v x z x z
w x y w x y
Die skalaren Verschiebungsfelder erfüllen jede kinematische
Gleichung.
Der Verschiebungsvektor:
, , ,
Der Querschnitt verdreht die Punkte des Querschnittessich mit dem Winkel verschieben sich in Achsenrichtung
z z
z
u x y z z e R w x y e
z
z z - die Verdrehung des Querschnittes z im Vergleich zum Querschnitt z=0.
Zusammenfassung der Ergebnisse:
91
Die Lösung der reinen Torsion prismatischer Stäbe kann auf die Bestimmung der Span-
nungsfunktion U(x, y) zurückgeführt werden.
U(x, y) – die Prandtlsche Spannungsfunktion ist nicht beliebig.
1) Die Funktion muß erfüllen:
U 2G die Poissionsche partielle Differentialgleichung,
az 0
0Ug
die Randbedingung.
2) Die Darstellung des Torsionsmomentes und der Schubspannung:
, , .
( )
C z zM 2 U x y dA U e
A
Die Einführung einer Spannungsfunktion mit reinem geometrischem Inhalt
, ,0U x y G U x y
, ,0
1U x y U x y
G
,0U x y hängt ausschließlich von der Geometrie des Querschnittes ab.
Die Gleichungen, die erfüllt werden müssen.
1) 0U 2 , die Poissonsche-Gleichung,
00
0Ug
, die Randbedingung für die Spannungsfunktion.
2) , ,
( )
c 0 cM 2G U x y dA G I
A
,
( )
c 0I 2 U x y dA
A
das Torsionträgheitsmoment des Querschnittes.
Die Schubspannung: .z 0 zG U e
Die Verwindung / die spezifische Verdrehung: .c
c
M
G I
Die Verdrehung: .cz
c
Mz
G I
Die Membran-Analogie nach Prandtl:
Die Analogie / Ähnlichkeit besteht zwischen der Spannungsfunktion und der Form einer
gespannten und aufgeblasenen Membran.
Grundlage der Analogie: Identität der Differentialgleichung und der Randbedingung.
92
x
y
x
0g
0N
0N
2N/mmp
( , )x y
0 N/mmN
0N - Spannkraft (Linienlast),
p - Druck (Flächenlast).
Die Membran wird auf eine Bohrung aufge-
spannt.
Die Form der Bohrung ist mit dem Quer-
schnitt identisch.
Die Differentialgleichung der aufgeblasten Membran: ,
0
p x y
N .
Randbedingung g0
0 .
Analogie: die Differentialgleichung und die Randbedingung sind mit der DG. und der RB.
der reinen Torsion identisch.
5.2.2. Reine Torsion - Näherungslösung
a) Reine Torsion von Stäben mit dünnem Querschnitt (offener dünner Querschnitt)
- Dünner Rechteck – Querschnitt (dünnwandiger)
S
x
v
b
cM
y
Näherungsspannungsfunktion: .2
2vU G x
4
Die Poissonsche Gleichung: ,2 2
U U2G
x y
2G 0 2G
Randbedingung: - erfüllt,v
x U 02
- nicht erfüllt.
by U 0
2
Die Spannungsfunktion U(x, y) erfüllt die Randbedingung an
einem kurzen Teil des Randes nicht (Annäherung!).
Die Spannungen: xz
U0
y
, eine lineare Verteilung .yz
U2G x
x
93
Das Torsionsmoment: ,
( )
2 32
c
c
v
2v bv
M 2 U dA 2G b x dx G4 3
vAIx
2
.c cM G I
Torsionsträgheitsmoment: 3
c
bvI
3 .
Umformung: .c
c
MG
I
Die Spannungen: , cxz yz
c
M0 2 x
I max .c
c
M
I
- Dünner zusammengesetzter Querschnitt:
Die Verallgemeinerung der Ergebnisse des dünnen Rechteck-Querschnittes.
S
x
y
s
3b
3v
cM2b
sz
sz
1b
1v
2v
,3
i ic
3b v
I3
i 1
,csz
c
M2
I
.c cM G I
- Dünner gekrümmter Querschnitt:
s
( )v s
.3c
1I v ds
3b
Die weiteren Zusammenhänge sind
unveränderlich.
b) Geschlossene dünnwandige Querschnitte
94
x
y
x
S
Os
v
( , )U x y
1U
sz
cM
kA
Näherungsspannungsfunktion:
, 1UU h
v .
Wir nehmen an, daß die Funktion ,U
eine lineare Funktion entlang der Wanddicke
ist.
Spannungsverteilung:
konstant.1sz
UU
v
Die stufenweise Näherung der linearen
Funktion , :U
( )
.cc k 1 1
kA
MM 2 U dA 2 A U U
2 A
c1sz
k
MU
v 2 A v - die Bredtsche Formel.
Das Torsionsträgheitsmoment des geschlossenen dünnwandigen Querschnittes: 2k
c
4 AI
1ds
v
.
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