8. MAI 2014 DIE ZEIT No 20
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DIE ZEIT: Sie erforschen den Respekt in der deutschen Arbeitswelt. Wie steht es derzeit damit?
Niels Van Quaquebeke: Wenn ich in Unternehmen anrufe, um ein Forschungsvorhaben vorzustellen, habe ich es zuerst meist mit den Sekretärinnen zu tun. Wenn ich denen das Thema nenne, höre ich oft: »Über Respekt forschen Sie? Na, dazu werden Sie hier aber viele schöne schlechte Beispiele finden!« ZEIT: Noch als Doktorand haben Sie vor zehn Jahren die Respect Research Group gegründet. Warum?Van Quaquebeke: Mich hat mein eigenes Problem beschäftigt. Ich hatte während des Studiums viel gejobbt. Dabei bin ich ganz unterschiedlichen Vorgesetzten begegnet. Für die einen habe ich sehr gern gearbeitet und mich stark eingesetzt – bei den anderen hatte ich schon morgens keine Lust aufzustehen. Ich habe mich gefragt: Woran liegt das eigentlich?ZEIT: Und woran lag es? Van Quaquebeke: Am vertikalen Respekt. Den kann man gegenüber Höhergestellten empfinden – oder auch nicht. Dafür muss man anerkennen, dass ein anderer etwas besser kann als man selbst – und das in einem Bereich, der für einen relevant ist. Wenn Sie privat eine tolle Punkrockerin wären, ich aber mit Musik überhaupt nichts am Hut hätte, fiele es mir schwer, Ihnen dafür Respekt zu zollen. Wenn Sie jedoch in der Wissenschaft tätig wären und den Nobel preis bekommen hätten, könnte das für mich ein Grund sein, Sie zu respektieren. Außerdem: Je mehr Sie mich übertreffen, desto größeren Respekt empfinde ich.ZEIT: Was bewirkt dieser Respekt zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten? Van Quaquebeke: Für einen Mitarbeiter, der seinen Chef oder seine Chefin respektiert, fühlt sich die formale Hierarchie richtig an. Die Idee von Hierarchie ist ja, dass es Leute gibt, die etwas besser können als andere und diese dann entsprechend führen. Wenn ein Mitarbeiter einen Vorgesetzten nicht respektieren kann, entsteht Frust, weil es der subjektiv empfundenen Hierarchie widerspricht. ZEIT: Es kann aber auch passieren, dass man beim Arbeiten frustriert ist, weil man sich selbst von anderen nicht respektiert fühlt. Van Quaquebeke: Dann handelt es sich meist um ein Problem des horizontalen Respekts. Dabei geht es nicht um ein Übertreffen, sondern darum, anzuerkennen, dass das Gegenüber ebenfalls ein Mensch ist und das gleiche Recht hat wie man selbst, würdevoll behandelt zu werden.
ZEIT: Ist das nicht selbstverständlich?Van Quaquebeke: Das ist schwieriger, als es scheint! Um andere würdevoll zu behandeln, muss man erst unter anderem einmal herausfinden, was sie persönlich darunter verstehen. ZEIT: Aber gibt es dafür nicht Konventionen – gesellschaftliche Standards, die genau
das regeln? Van Quaquebeke: Genau darin liegt die Krux: Nicht jeder empfindet die allgemeinen Standards als respektvoll. Zum Beispiel könnten die Kollegen in einem männlich geprägten Technologieunternehmen einer Frau aus Höflichkeit die Tür aufhalten. Die Frau könnte sich dadurch aber herabgesetzt fühlen, weil sie es unangenehm findet, anders behan
delt zu werden als die männlichen Kollegen.ZEIT: Warum kann es gerade Vorgesetzten schwerfallen, ihre Mitarbeiter respektvoll zu behandeln? Van Quaquebeke: Die Frage, ob man jemanden respektiert oder nicht, stellt sich ja gerade in Konflikten. Für Vorgesetzte ist es da kurzfristig einfacher, eine Meinungsverschiedenheit kraft ihrer Autorität zu beenden, anstatt sich auf ihre Mitarbeiter einzulassen.ZEIT: Kann man Respekt erlernen? Van Quaquebeke: Ja. Beim horizontalen Respekt kann man sich beispielsweise bewusst machen, wie man sein Gegenüber einordnet. Oft wertet man jemanden unbewusst ab, man nimmt den Spar samen als Geizhals wahr oder den Großzügigen als Verschwender. Dafür kann man sich sensibilisieren. Eine Übung für vertikalen Respekt ist, sich zu fragen, was man an einem Vorgesetzten bewundert. Das muss nicht die fachliche Expertise sein – bei einem Vorgesetzten ist es sogar wichtiger, dass er in anderen Bereichen herausragt. Vielleicht kann er besonders gut zuhören oder Abläufe besonders sinnvoll organisieren.ZEIT: Lässt sich der Effekt von Respekt auch messen?Van Quaquebeke: Wir haben uns in Schulen angesehen, wie Lehrer mit ihren Schülern umgehen, und einen Blick auf deren Mathe und Deutschnoten geworfen. In dem Maß, in dem die Schüler das Gefühl hatten, respektiert zu werden, verbesserten sich ihre Noten. Ähnliche Ergebnisse gibt es auch aus der Arbeitswelt. Wenn sich Menschen respektiert fühlen, arbeiten sie lieber und mit mehr Engagement.
Das Gespräch führte INGE KUTTER
BERUF CHANCEN
Der erste Test geht schon mal schief: Tippt man die Anfrage »Tierarzt« ins Suchfeld, liest man »Leider kein Ergebnis gefun
den«. Beim »Arzt« ohne Tiere aber klappt es dann. Videos erscheinen auf dem Bildschirm: Männer, Frauen, jünger und älter, dazu die genaue Berufsbezeichnung. Ein Klick, schon startet eines davon. Die OPSchwester Maria Wagner von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen beantwortet sieben Fragen zu ihrer Arbeit. Etwa: »Was ist das Coolste an deinem Job?«, »Welche Einschränkungen bringt der Job mit sich?« oder »Wie schaut dein Werdegang aus?«.
Einen Berufsinformationsabend zu Hause auf dem Sofa – das bietet die Web site Whatchado, die der Österreicher Ali Mahlodji gegründet hat. Schon als Jugendlicher hat Mahlodji unzählige Erwachsene gebeten, ihm ihren Job zu erklären, weil er wissen wollte, welche Berufe es auf der Welt so gibt. Zehn Jahre später merkte er, dass auch andere Mittzwanziger keine Ahnung haben, was die Arbeitswelt ihnen bieten könnte. Und er dachte sich: »Wenn man mit jedem Menschen der Welt nur fünf Minuten sprechen würde, dann hätte man ein umfassendes Wissen von allen Menschen und ihrer Arbeit und könnte sich ein eigenes Bild machen.«
Dieses Wissen sammelt er nun seit drei Jahren auf seiner Web site – für Einsteiger und junge Arbeit nehmer, die über ihre ersten Schritte ins Berufsleben entscheiden, genauso wie für Menschen, die mitten in ihrem Werdegang stehen und nach neuen Inspirationen suchen. Inzwischen stellt die Seite 1700 Berufstätige vor, jeden Monat kommen 110 bis 120 Videos dazu: von Künstlern, Mechatronikern, Verkäufern, Unternehmensberatern; Vorstandsvorsitzenden, Abteilungsleitern und Lehrlingen. Zunehmend finden sich hier auch Profile aus Deutschland und der ganzen Welt.
Wer gezielt nach einer Fachrichtung sucht, muss allerdings etwas herumprobieren. Manchmal bekommt man schon Ergebnisse, wenn man lediglich ein Studienfach wie »BWL« oder »Chemie« eingibt. Für »Jura« hingegen erhält man keine Treffer, dafür aber für »Jurist«. Einige Suchergebnisse irritieren auch. Unter dem Begriff »Lehrer« erscheinen ein Fußballtrainer, ein Fahrlehrer, ein Steward und ein FranchisePartner. Hier klappt die Verschlagwortung wohl noch nicht ganz. Andererseits: Das kann auch Horizonte eröffnen.
Dabei hilft zudem das Element JobDating. Wer sich in vierzehn Kategorien einschätzt (»Ich möchte einen Job, bei dem ich viel reise/immer am selben Arbeitsplatz bin«, »Ich eigne mich besser als Zuhörer/Unterhalter« ...), bekommt eine Auswahl von Berufstätigen zu sehen, die ähnlich denken wie er selbst. So ergibt sich ein Katalog möglicher Jobs, die zum eigenen Profil passen könnten.
Inzwischen fragen auch immer mehr Unternehmen bei Mahlodji an, ob sie ihre Mitarbeiter gegen Bezahlung auf seiner Plattform vorstellen können. Als Nutzer kann man diese Art von Werbung nicht von den anderen Profilen unterscheiden. Damit die Seite trotzdem interessant bleibt, prüft Mahlodji die Anfragen sorgfältig. Er lässt es nicht zu, dass die Frage »Welche Einschränkungen bringt der Job mit sich?« gestrichen oder geschönt beantwortet wird. Wenn die Marke im Mittelpunkt steht und nicht der Mensch, lehnt er ab, ebenso, wenn Models statt Mitarbeiter die Fragen beantworten sollen. Es gehe allein um die Menschen hinter der Arbeit, sagt er.
Und das ist das Charmante an der Seite: Spricht ein sympathischer Mensch zu einem, wirkt auch der Job gleich sympathisch. Wie im echten Leben. ANGELIKA DIETRICH
Und was machst du so?Auf der Website »Whatchado« erzählen Menschen von ihrer Arbeit
Niels Van Quaquebeke ist Professor an der Kühne Logistics Uni in Hamburg
Mehr Respekt, bitte!Achtung kann das Miteinander im Beruf sehr erleichtern – und zugleich erschweren, sagt der Psychologe Niels Van Quaquebeke
Einer oben, einer unten – da ist im Büro wohl etwas schiefgelaufen
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8. MAI 2014 DIE ZEIT No 20
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Studieren! - IIAm 23. Oktober 2014 in der ZEIT.
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