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1
^arbarU College ILthraru
BOUGHT WITH INCOME
FROM THE BEQUEST OF
HENRY LILLIE PIERCE
OF BOSTON
Under a vote of the President and Fellows,
October 24, 189S
-
o
PRAGER STUDIEN
AUS DEM GEBIETE DER
• IM VEREINE MIT DEN ANDEREN FACBPROFESSOREN DER GESCHICHTE
HERAUSGEGEBEN VON
DR. AD. BACHMANN,
PROFESSOR AN DUR K. K. DEUTSCH. UNIV. IN PRAG.
MIT UNTERSTÜTZUNG
DES HOHEN MINISTERIUMS FÜR KULTUS UND UNTERRICHT.
HEFT XI.
KRITISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IM MANIFEST
KAISER FRIEDRICH EL VOM JAHRE 1236 GEGEN FRIEDRICH II.
VON ÖSTERREICH VORGEBRACHTEN ANKLAGEN.
VON
FLORIAN THIEL.
PBAG
DRUCK UND VERLAG VON ROHLtCEK UND SIEVERS
1905.
ÜBER DIE
IM MÄHEST KAISER FRIEDRICHS II. VOM JAHRE 1836
GEGEN FRIEDRICH II. VON ÖSTERREICH
VORGEBRACHTEN ANKLAGEN.
VON
FLORIAN THIEL.
PRAG
DRUCK UND VERLAG VON ROHLICEK UND SIEVERS
1905.
Quellen und Literatur.
I. Quellen und Bearbeitungen.
Huillard-Breholles, Historia dipromatica Frideriei II., Vol. III, IV, V
Zalm, Urkundenbuch der Steiermark, II.
Urkundenbuch des Landes ob der Enns, III.
Annales Mellicenses
Continuatio Garstensis
Continuatio Lambacensis
Continuatio Admuntensis
Continuatio Scotorum
Continuatio Sancrucensis I.
Continuatio Sancrucensis II.
Continuatio Praedicatorum Vindob.
Annales S. Rudperti Salisburgenses
Annales Colonienses maximi
Annales Erphesphordenses
Hermanni Altahansis annales
Annales Scheftlarienses
Annales S. Trudperti
Annales Wormatienses
Descriptio Theutoniae
Casus monasterii S. Galli, Monum. Germ. SS. II.
St. Gallische Geschichtsquellen, herausgeg. von G. Meyer von Knonaai,
IV (in den Mitteil, zur Vaterl. Gesch. XVII).
Sächsische Weltchronik, Mon. Germ. SS. vernaculae linguae, II.
Canonicorum Pragensium continuationes Cosmae, Mon. Germ. SS. IX.
Fontes rerum Austriacarum, II. Abtheilung: Diplomata et acta, III,
VIII, XI, XXXI.
Richardi de San Germano annales, Muratori, Fontes rerum Italicarum VII.
Chronica Siculum, Huillard-Breholles, Historia diplom. Frideriei II.,
I, p. 887 ssq.
Enenkel, Fürstenbuch von Österreich und Steiermark, Rauch, SS. re
rum Austr. I.
Monumenta Germaniae
h. SS. IX.
Monumenta Germaniae
h. ss. xvn.
Rogerii Carmen miserabile, ed. Endlicher, Monum. Arpadiana und Mon.
Germ. SS. XXIX.
Annales Bojornm, VII.
Meiller, Regesten zur Geschichte der Markgrafen und Herzoge von
Österreich aus dem Hause der Babenberger.
Wcndrinsky, Babenbergische Regesten, Nachträge zu Meiller in : Blätter
d. V. für Landesk. Niederöst., Neue Folge, XIII.
Böhmer-J. Ficker, Regesta imperii, V, 1—5.
Erben, Regesta Bohemiae, I.
Winkelmann, Acta imperii inedita.
II. Literatur.
Ad. Ficker, Herzog Friedrich, der letzte Babenber<;er, 1884.
G. Juritsch, Geschichte der Babenberger und ihrer Länder, 1894.
J. Hirn, Kritische Gesch. Friedrichs, des letzten Babenbergers, Pro
gramm der k. k. Oberealschule in Salzburg, 1871.
Höfler, Kaiser Friedrich II., 1844.
Schirrmacher, Kaiser Friedrich II., 2 Bde., 1859—61.
E. Winkelmann, Geschichte K. Friedrich II. und seiner Länder, 2 Bde.
1863—65.
A. Huber, Geschichte Österreichs, I, 1885.
A. Bachmann, Geschichte Böhmens, I, 1899.
S. Riezler, Geschichte Baierns, II, 18S3.
Weiß, Geschichte der Stadt Wien, I, 1881.
A. Bachmann, Lehrbuch der öst. Reichsgeschichte, 1895.
E. Werunsky, öst. Reichs- u. Rechtsgeschichte, 1.—4. Lief. 1894—1900.
Luschin v. Ebengreuth, Öst. Rechtsgeschichte, 1896.
Huber-Dopsch, Öst. ReichsgeBchichte, 1901.
G. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, VI—VIII.
R. Schroeder, Lehrbuch der deutschen Kcchtsgesch., 3. Aufl., 1898.
H. Siegel, Deutsche Rechtsgeschichte, 3. Aufl., 1895.
v. Schulte, Lehrbuch der deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte,
6. Aufl., 1892.
H. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte, 1887 1892.
H. Brunner, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 1901.
Berchtold, Die Landeshoheit Österreichs nach den echten und unechten
Freiheitsbriefen, 18G2.
A. Dopsch, Die Bedeutung Herzog Albrechts I. für die Ausbildung
der Landeshoheit in Österreich, in Blättern des Vereines für
n. ö. Landesk., XXVIII (1894).
A. Huber, Über die Entstehungszeit der öst. Freiheitsbriefe, Sitzungs
bericht der Wiener Akademie, Bd. 34.
Ficker, Über die Echtheit des kleinen öst. Freiheitsbriefes, Sitzungs
bericht der Wiener Akademie, Bd. 23.
Chmel, Die öst. Freiheitsbriefe, ebenda.
Luschin v. Ebengreuth, Gesch. des älteren Gerichtswesens in Öster
reich, 1879.
Luschin v. Ebengreuth, Die Anfänge der Landstände, histor. Zeitschrift,
Neue Folge, XLII.
Brunner, Das gerichtliche Exemptionsrecht der Babenberger, Sitzungs
bericht der Wiener Akademie, Bd. 47.
Ficker, Vom Beichsfürstenstande, I.
Luschin v. Ebengreuth, Die steirischen Handfesten, Beiträge zur Kunde
steir. Geschichtsquellen, IX.
Tomaschek, Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, I.
Siegel, Über die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Österreich,
Sitzungsbericht der Wiener Akademie, Bd. 102.
Otto v. Zallinger, Die ritterlichen Klassen im steir. Landrecht. Mit
teilungen des Institutes f. öst. Geschf., Bd. IV.
Inhaltsangabe.
Quellen und Literatur. Seite
Einleitung 1
I. Kaiser und Herzog bis zur Zusammenkunft in Neumarkt ... 4
II. Kaiser und Herzog von der Neumarkter Zusammenkunft bis
zum Augsburger Tage:
1. Die Zusammenkunft zu Neumarkt 45
2. Der Mainzer Tag und der Krieg gegen Ungarn . . . ^ 61
3. Die Grenzsperre 71
4. Der Herzog und seine Untertanen 85
III. Kaiser und Herzog bis zur Abfassung des Manifest»:
1. Die Zitationen nach Augsburg und Hagenau 119
2. Herzog und Kaiser 123
3. Der Herzog und seine Familie 135
Schluß 141
Einleitung.
Für die Geschichte des letzten Babenbergers
ist ein Schreiben von großer Wichtigkeit, das uns in•
den Briefsammlungen des kaiserlichen Großjustitiars
für Sicilien, Peters de Vineis, enthalten ist. Das Schrei
ben ist ein offenes Manifest, eine Klageschrift, formell
an den »König von Böhmen und die andern Reichs
fürsten« gerichtet, welches vor aller Welt die im
Juni 1236 über den Herzog von Österreich verhängte
Reichsacht zu rechtfertigen hat. Es ist eine Tendenz
schrift, um nicht zu sagen ein Pamphlet, das den
Herzog in den schwärzesten Farben darstellt. Die
Anklagen beflecken mehr minder alle Taten, die der
Geschichtsschreiber vom letzten Babenberger bis in
die Mitte des Jahres 1236 zu berichten hat ; sie
schänden den Herzog als Reichsfürsten und Unter
tanen, als Nachbarn, als Landesfürsten, als Privat
mann. Das Manifest zwingt den Geschichtsschreiber
immer wieder, auf seinen Inhalt einzugehen, ihn zu
untersuchen, die Anklagen zu widerlegen oder auf
das rechte Maß herabzudrücken.
Das Schreiben hat daher eine Berühmtheit erlangt,
die ihm an sich gar nicht gebürt. Wir besitzen es
nicht im Original, sondern nur in Abschriften, und
das Original war noch dazu ein bloßes Konzept. Die
Namen sind noch durch Punkte ersetzt, sollten also
erst nachgetragen werden. Auch offenbare Fehler
sind unterlaufen, welche eine bedeutende Unkenntnis
der Besitzverhältnisse in Österreich verraten. Durch
Prager Studien. XI. 1
-2
diesen Konzeptscharakter wird natürlich der Wert des
Schreibens außerordentlich beeinträchtigt, denn wir
können nicht wissen, ob nicht manches in einer für
die Öffentlichkeit bestimmten Überarbeitung geändert
worden ist oder wäre. Wir wissen auch nicht, ob das
Schreiben tatsächlich zu seinem Zwecke verwendet
und veröffentlicht wurde. Es ist darüber nirgends
etwas berichtet. Die Klageschrift wird daher von
vornherein mit der größten Vorsicht und niemals als
Beweis für etwas verwertet werden dürfen, wo ihre
Behauptungen nicht anderswoher, sei es aus Quellen,
sei es durch sichere Schlüsse und Kombinationen
gestützt werden. Andererseits aber regt dieses Aus
schreiben vielfach zu Untersuchungen von bedeutender
Wichtigkeit an, und ohne Zweifel ist ihm zu ver
danken, daß wir manches über den Herzog wissen,
worauf man ohne seine Anregungen kaum oder nicht
gekommen wäre.
Damit vor allem mag es gerechtfertig erscheinen,
wenn ich die Anklagen, welche der Kaiser oder viel
mehr der Verfasser des Manifests, Peter de Vineis, im
Namen des Kaisers auf den Herzog Friedrich von
Österreich häuft, im einzelnen untersuche.
Dabei muß natürlich immer wieder auf die gleich
zeitige österreichische Klosterannalistik und auf die Ge
schiehtschreibung der Nachbarländer Rücksicht ge
nommen werden; die Babenberger- und Kaiserregesten
werden unsere beständigenWegweiser sein. Was Unter
suchungen anbelangt, die über jene Anklagen bereits
angestellt worden sind, so ist viel Scharfsinniges zu
finden in der Monographie Ad. Fickers : »Herzog
Friedrich der Zweite, der letzte Babenberger.« Auf
ihm fußen die späteren; doch bringt G. Juritsch
(Geschichte der Babenberger und ihrer Länder) noch
manche neue Bemerkung.
Abgefaßt wurde die Klageschrift sicherlich bei
oder nach der Ächtung des Babenbergers, die ent
weder am 27. Juni 1236 oder kurz vorher erfolgte.
3
Denn am 27. Juni schließt der Kaiser mit dem Könige
von Böhmen und den übrigen Nachbarfürsten des
Herzogs zu Augsburg einen Bund gegen ihn. Da der
Kaiser am 24. Juli nach Italien aufbrach, wobei ihn
doch gewiß Peter de Vineis begleitete, so werden
wir die Abfassungszeit des Manifests zwischen dem
27. Juni und 24. Juli ansetzen dürfen. Huillard-
Breholles 1) stellt es in den Mai, aber, wie Böhmer-
Ficker2) richtig bemerkt, in der falschen Voraus
setzung, daß es der Ächtung des Herzogs vorausge
gangen sei ; wäre nämlich solches der Fall, so müßte
es entschieden auffallen, daß es nicht mit der Auf
forderung, zu diesem Zwecke einen Hoftag zu be
suchen oder gegen den Herzog zu rüsten, schließt.
Ficker und Juritsch sprechen sich über die Abfassungs
zeit sehr allgemein aus.
Abgedruckt findet sich das Schreiben außer in
den BriefSammlungen Peters de Vineis bei Huillard-
Breholles, 1. c. IV., p. 852 ssq. und Zahn, Urkunden-
buch der Steiermark, II, 442 ff. Es sind das, wie
Huber 3) sagt, die beiden einzigen brauchbaren
Drucke.
Was die Behandlung des Stoffes betrifft, so
war ich wohl anfangs gesonnen, denselben unter
rechtliche Gesichtspunkte zu'gruppieren und von der
Beihenfolge der Anklagen im Manifeste abzugehen.
Allein das hätte ein öfteres Auseinanderreißen zeitlich
zusammenhängender Tatsachen mit sich gebracht,
was immer mißlich und verwirrend ist. Als ich daher
die Beobachtung zu machen glaubte, daß die Beihen
folge der Anklagen im Manifeste mehr, als man an
nehmen möchte, auch der zeitlichen Aufeinanderfolge
der Begebenheiten entspricht, entschloss ich mich
auch, der Anordnung des Manifestes treu zu bleiben.
') Historia diplomatica Friderici II., IV, p. 857 f. Anm.
2) Reg. imp. V, 1, n. 2175.
3) Geschichte Österreichs, I, S. 411, Anm. 1.
I.
Kaiser und Herzog bis zur Zusammenkunft in
Neumarkt (Ende Mai 1235).
Nur ungern, so beginnt das Manifest, habe sich
der Kaiser entschlossen, vor dem Könige von Böhmen
und den übrigen Reichsfürsten gegen den Herzog
von Österreich öffentlich Klage zu führen. Allein der
Herzog habe die Ehre des Reiches und seiner kaiser
lichen Majestät so schwer verletzt und ihn so sehr
gereizt, daß er (der Kai°er) einzuschreiten sich ge
zwungen sehe. Und doch sei ihm, weil er den Vater
des Herzogs in Wahrheit geliebt und die Dienste
desselben in dankbarer Erinnerung trage, das Wohl
des jetzt Angeklagten stets sehr am Herzen ge
legen, und er sei bereit gewesen, die Liebe gegen
den Vater auch auf den Sohn zu übertragen und
für sein Bestes auf das wirksamste zu sorgen.
Daß der Kaiser den Vater des Herzogs wirklich
geehrt und geschätzt hat, ist ohne Zweifel wahr.
Denn Leopold VI. war ja dem Staufischen Hause
und speciell Friedrich II., wenn auch nicht bis zur
Selbstaufopferung ergeben, so doch stets ein treuer
Freund und Anhänger gewesen. Allerdings hatte der
verstorbene Herzog nie auf das Interesse seines
Hauses und seiner Länder vergessen, war im Gegen
teil mit klugen und vorsichtigen, aber sicheren und
zielbewußten Schritten stets jene Wege gegangen,
die ihn zur Erweiterung seiner realen und morali
schen Machtsphäre führen konnten. Er hatte das
Babenbergische Österreich auf diese Weise zur Höhe
5
seiner Macht nach außen und seiner Stärke im
Innern emporgehoben, und wenn sein Vater sich
bereits 1192 Landesherr genannt hatte, so hat Leopold
diesen Ausdruck noch weit mehr zur Wahrheit ge
macht. Allein er wußte klug seine Interessen mit
denen des Staufischen Hauses zu verknüpfen, so daß
das, was ihm und seinem Lande nützte, auch den
Staufern zum Nutzen gereichte oder doch zu gereichen
schien. Leopold konnte so nicht verfehlen, seine Ober
herren auch zu seinen Gönnern und Freunden zu
haben und dabei unter den mächtigen Territorial
fürsten einer der mächtigsten zu werden.
Leopold VI. hatte sich bereits 1198 auf Seite
Philipps von Schwaben gestellt, als noch keineswegs
sicher war, für welchen der beiden Gegner das Kriegs
glück sich entscheiden würde 1). Auch den Protest,
den Philipp und seine Anhänger gegen die Anerken
nung Ottos IV. im Januar 1202 an Papst Innocenz III.
gerichtet, hatte er mitunterschrieben oder vielmehr
unterschreiben lassen 2).
An den Kämpfen des Staufers hat sich Leopold
zunächst allerdings nicht beteiligt ; er war auch nicht
verpflichtet dazu. Aber umsonst baute Otto IV. auf
dieser zuwartenden Stellung des Herzogs seine Hoff
nung auf, ihn doch noch für sich zu gewinnen 3). Denn
nicht Mangel an Treue bewog Leopold, diese Rolle
zu spielen, sondern seine Klugheit und Bedächtigkeit,
die ihm nicht erlaubte, sein Land und sein Haus einer
unsicheren Zukunft zu überantworten. Deshalb hielt
er inzwischen an den Vergünstigungen seines Privi
legs vom 17. Sept. 1156 fest. Später zog er ohne Rück-
1) Meiller, Kegesten zur Geschichte der Markgrafen und Her
zoge Österreichs aus dem Hause Babenberg, S. 81 f., Nr. 5 u. 6 und
Anm. 305.
2) Böhmer-J. Ficker, Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp,
Otto IV. und Richard, I. Bd., 1. Abt. Nr. 65.
3) Juritsch, Geschichte der Babenberger und ihrer Länder S. 375.
6
sieht darauf Philipp mit einem Heere nach West
deutschland zu Hilfe und beteiligte sich an der Be
lagerung von Köln (Sept. 1205) 1). Und so blieb er
dem Staufer treu bis zu dessen Tode (21. Juni 1208).
Als im Jahre 1211 Innocenz III. die deutschen
Fürsten aufforderte, an Stelle des Weifen einen neuen
König zu wählen, da war Leopold VI. unter den Für
sten, die sich im Sept. 1211 zu Nürnberg versammelten
und Friedrich von Sicilien zum deutschen Könige
wählten 2).
Freilich scheint er bald darauf an der Sache des
Staufers verzweifelt zu haben, und sie war auch zum
Verzweifeln, und so ging er Anfang 1212 auf kurze
Zeit wieder zu Otto IV. über3). Sobald er aber vom
Kreuzzuge nach Südfrankreich und Spanien, der ihn
vom August 1212 bis Ende 1212 oder Anfang 1213
von der Heimat fernhielt, zurückgekehrt war und
merkte, daß Friedrich doch begründete Aussichten auf
Erfolg habe, kehrte er sofort wieder zu ihm zurück.
Dieser schnelle ParteiWechsel war ja freilich an sich
auffallend, beweist aber nur, daß Leopold seine An
hänglichkeit an das Staufische Haus nicht bis zur
Selbstaufopferung trieb, was ihm unter obwaltenden
Umständen schließlich niemand so übel nehmen
konnte4). Aber Leopold geht zu Friedrich über, ohne
sich seinen Übertritt bezahlen zu lassen. Das muß
hoch angeschlagen werden, denn fast alle Fürsten
stellten hohe Forderungen 5).
Von da an bleibt Leopold dem Könige unerschüt
terlich treu. Im August 1214 steht er wiederum mit
') Contin. Admunt, Mon. Germ. Ss. IX, p. 591 ; Annales Mellic,
ibidem p. 506; Annal. Colon, max., Mon. Germ. Ss. XVII, p. 821.
') Chron. Ursperg., Mon. Germ. Ss. XXIII, p. 373. Vgl. dazu
Böhmer-Ficker, Kegesten, Nr. 646, b.
3) Vgl. dazu Meiller a. a. 0. S. 109, Nr. 99.
4) Näheres über die Gründe des mehrmaligen Parreiwechsels
bei Juritsch a. a. 0. S. 417 u. 422 ff.
5) Vgl. darüber Juritsch a. a. 0. S. 424.
7
seinem Hilfsheere in den Gegenden des Niederrheins
und vor Aachen1). Dasselbe tat er später (1226), da
Friedrich II. gegen die lombardischen Städte zog2).
Leopold hat also auf die Vergünstigung seines
Privilegs, nur die Hoftage im Herzogtum Baiern und
etwaige auf österreichischem Boden besuchen zu müs
sen, vielfach verzichtet. Allein das hatten auch seine
Vorfahren getan, und es war das keineswegs ein Opfer,
da ja der Besuch der Hoftage bereits mehr ein Recht
war als eine Pflicht. Mehr war es, daß Leopold auch
an Reichsheerfahrten im fernen Westen teilnahm, ob
wohl er doch nur zu solchen nach den Grenzländern
Österreichs verpflichtet war. Denn diese Heerfahrten
weit von der Heimat waren stets mit großen Kosten
und Beschwerden verbunden. Nur zweimal finden wir
von 1156 bis auf Leopold VI. österreichische Heer
scharen bei Reichskriegsfahrten in der Ferne be
teiligt, beidemal unter Heinrich IL, nämlich 1158 bei
der Belagerung Mailands3) und wieder 1162 nach
der Eroberung der lombardischen Hauptstadt*).
So kam es, daß das Ansehen Leopolds bei Fried
rich II. beständig stieg, so daß dieser schließlich lieber
mit ihm als mit dem Könige von Böhmen, England
oder Frankreich eine Familienverbindung eingehen
wollte und seinen Sohn Heinrich mit Leopolds Tochter
Margarete verband (29. Nov. 1225), auch auf die Ge
fahr hin, das getäuschte böhmische Herrscherhaus
ganz von sich abwendig zu machen. Und doch hatte
der Böhmenkönig für seine Tochter Agnes eine Mit
gift von 30.000 Mark versprochen, wozu sein Vetter
') Meiller a. a. 0. S. 114, Nr. 117—120.
2) Juritsch a. a. 0. S. 490 f.
3) Vincent. Prag., Mon. Germ. Ss. XVII, p. 671.
4) Meiller a. a. 0. S. 45, Nr. 58—60 und Stumpf-Brentano, Die
Reichskanzler, II. Bd., Acta imperii, Nr. 3949, 3950 und 395«.
8
Ludwig von Baiern noch 15.000 Mark hinzufügte1)*).
Das eine geht jedenfalls aus dieser Tatsache hervor,
daß die Klugheit Leopolds nicht umsonst gearbeitet
hatte, daß vielmehr die Macht Babenberg-Österreichs
damals auf dem Höhepunkte stand. Überdies war
zu erwarten, daß der Herzog seine Stellung als
Schwiegervater des Königs wohl ausnützen werde,
um das bisher Erworbene noch zu mehren.
Und in der Tat finden wir Leopold in dem
Reichsrate, welcher nach der Ermordung des Reichs
verwesers Engelbert von Köln (7. Nov. 1225) 2) an
die Seite des jungen Königs und des neuen Ver
wesers Ludwig von Baiern gesetzt wurde, und von
da an bis 1228 nimmt der österreichische Herzog an
allen wichtigen Regierungshandlungen des Reiches
wesentlichen Anteil 3).
') Über den ganzen Hergang vgl. Winkelmann, Jahrbücher unter
Friedrich II., S. 251—252, 456, 460 ff.; Bachmann, Geschichte Böhmens, 1,
S. 467 f. u. Juritsch a. a. 0. 484 ff.
2) Böhmer-Ficker, Kegesten, Nr. 3991, a.
3) Winkelmann, Jahrbücher I, S. 490. Über die fast beständige
Anwesenheit Leopolds am königl. Hofe vgl. auch Meiller a. a. O.
S. 137—144.
*) Anmerkung. Zum Vergleiche obiger Summen sei bemerkt,
daß ein Kölnischer Chronist (Chron. reg. Colon., Mon. Germ. Ss. XVII)
die jährlichen Einkünfte der Herzoge von Österreich und Steier um
diese Zeit auf 60.000 Mark Silber (ca 18 Millionen Kronen) schätzt.
Seine Angabe ist allerdings zu 1237 gemacht, bezieht sich aber offenbar
auf die Zeiten Leopolds; unter Friedrich (1237 ist natürlich ganz
ausgeschlossen) dürften die Einkünfte wegen der beständigen Kriege
und Verwüstungen und der großen Mißernten und Überschwemmungen
von 1234 und besonders 1235 bedeutend geringer gewesen sein.
Eine elsässische Aufzeichnung aus jener Zeit (Descriptio Theu-
toniae, Mon. Germ. Ss. XVII, p. 238) setzt die Einkünfte Baierns auf
nur 15.000, die Böhmens auf etwa 100.000 Mark an (4'/2 und 30 Millio
nen Kronen).
Vgl. Huber a. a. O. S. 491. Über die Art unserer Umrechnung
vgl. unten S. 23, Anm. *.
9
Die wichtigsten Dienste sollte aber Leopold dem
Kaiser noch leisten. Nach Italien berufen, hatte er
nämlich mit 5 anderen Fürsten als Vermittler und
Schiedsrichter1) Frieden zwischen Papst und Kaiser zu
stiften. Lang dauerten die Unterhandlungen. Endlich
am 23. Juli 1230 wurde der vorläufige Vertrag zu San
Germano geschlossen 2), gewiß hauptsächlich durch
die Geschicklichkeit und den Eifer des Herzogs von
Österreich, was nicht nur die Annalen von Garsten 3)
ausdrücklich sagen, die Annales Colon, max.*) mehr
als andeuten, sondern was auch daraus ersichtlich
ist, daß die weiteren Verhandlungen nach Leopolds
Tode (28. Juli) mehrmals bedenklich ins Schwanken
gerieten5).
So war es ganz natürlich, daß der Kaiser in
der Tat, wie er zu Beginn seiner Klageschrift sagt,
für den Sohn des verstorbenen Anhängers jenes
Wohlwollen hegte, das man dem Nachkommen eines
geehrten und geschätzten Vaters entgegenbringt.
In einem Schreiben von Ende Juli 1230 6), in
welchem der Kaiser dem Papste den Tod des Herzogs
anzeigt, vergißt er denn auch nicht, demselben die
Erhörung der Bitten nahe zu legen, die etwa für
dessen Sohn und Land an ihn gerichtet würden.
Leider sollte das freundschaftliche Verhältnis
zwischen Kaiser und Herzog Friedrich bald getrübt
werden. Er habe, klagt der Kaiser in seinem Mani
fest, einen Reichstag nach Ravenna ausgeschrieben
und den Herzog wie alle übrigen Fürsten des Reichs
dazu eingeladen : da sei zwar die Mehrzahl der
1) Winkelmann, Friedrieb IL, I, S. 330.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1799.
3) Cont Garst a. a. 0. p. 596.
*) A. a. 0. p. 842.
B) Winkelmann, Geschichte Kaiser Friedrichs II., I, S. 331.
•) Böhmer-Ficker, Regesten Nr. 1807 und Huillard-Bröholles,
Historia diplomatica Friderici II., III, p. 204.
10
Gerufenen trotz vieler Auslagen und weiter Entfernung
gekommen, der Herzog aber, der es doch näher ge
habt, habe sein Erscheinen versagt. Als dann er, der
Kaiser, den Reichstag nach Aquileja verlegt habe,
sei der Herzog wieder gerufen worden, derselbe habe
sich aber wiederum kindisch zu erscheinen geweigert.
Aber auch diese Weigerung habe er mit Rücksicht
auf die Verdienste des Vaters und auf die Unüber
legtheit des jugendlichen Herzogs gewissermaßen
außer Rechnung gelassen und sich deshalb nach
Portenau, einem babenbergischen Besitztume *), be
geben, von wo aus er ihn nochmals durch einen
Boten zu sich geladen habe. Da sei der Herzog end
lich gekommen, und er habe ihn mit Beweisen aus
gezeichneten Wohlwollens aufgenommen, habe sogar
von der noch nicht ausgezahlten Mitgift für des
Herzogs Schwester Margarete 8000 Mark an den
deutschen König zu zahlen übernommen, ihm auch
schöne Pferde und andere Geschenke gegeben und
sich bereit erklärt, alles zu tun, um Friedrichs Wün
schen sich entgegenkommend zu beweisen.
Es gilt hier, zuerst den tatsächlichen Verlauf
der Ereignisse und dann die Gründe zu untersuchen,
welche Kaiser und Herzog zu ihrer Handlungsweise
bestimmten.
Der Kaiser hat also den Herzog dreimal zu sich
eingeladen, zweimal hat der Herzog dieser Einladung
nicht entsprochen, dann kam er nach Portenau1)
') Vgl. dazu auch Böhmer-Ficker, Regesten Nr. 1977 a, ferner
Meiller a. a. 0. S. 149, Nr. 9 und Annales S. Rudperti a. a. O. p. 785.
*) Anmerkung. Portenau oder Pordenone war österreichische
Enklave in Friaul in der Nähe jenes Kordenons, das durch Erbschatt
von den Herzogen von Steiermark, die es als Lehen Aquilejas inne
gehabt, an die Babenberger gekommen war. Portenau selbst war
gleichfalls Lehen des Patriarchats und wurde 1223 durch Leopold von
den bisherigen Besitzern, den Herren von Castello, erkauft.
Zahn, Friaulische Studien, Archiv für österr. Gesch. Bd. 57,
8. 301 ff. — Vgl. Huber a. a. 0. S. 403.
11
Man darf annehmen, daß der Herzog um Mitte
September 1231 wie die übrigen Fürsten zunächst
durch ein allgemeines Einladungsschreiben*), das an
Kirchen und Marktplätzen angeschlagen wurde, zum
Reichstage, der am 1. Nov. 1231 zu Ravenna eröffnet
werden sollte, beschieden ward, und daß dann noch
dreimal Boten mit speziellen Einladungsbriefen zu
Friedrich kamen, der erste gegen Ende November, da
der Reichstag auf den 25. Dezember verschoben wor
den war1), der zweite etwa im Februar 1232 und der
dritte Anfang Mai d. J., da der Kaiser, wie er schreibt,
von Portenau aus zum Herzoge sandte, aber doch
wohl gleich nach seiner Ankunft.**)
Was hat nun der Herzog getan? Ist er einfach
nicht erschienen, ohne sich irgendwie zu entschuldi
gen? Das wäre jedenfalls dem Kaiser gegenüber sehr
ungeziemend gewesen. Man ist auch fast versucht,
aus der Gegenüberstellung der Ausdrücke »suum
denegavit accessum« und »venire pueriliter recusavit«
zu schließen, daß der Herzog wohl auf die Einladung
nach Aglei einen Boten mit einer umständlichen Wei
gerung unter Angabe der Gründe gesandt habe,
dagegen nach Ravenna einfach nicht gekommen sei
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1910 a.
*) Anmerkung. Das Umlaufsscbreiben vom Sept. 1231 hat
sieh erhalten in den Annales Januenses (Muratori, Ss. rerum Itali-
carum, VI.) Vgl. Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1895.
**) Anmerkung. Juritsch (a. a. 0. S. 528) hat darauf auf
merksam gemacht, daß sich am 2. Nov. 1231 beim Herzog ein päpst
licher Subdiakon befindet (Meiller a. a. 0. S. 149, Nr. 5), dessen
Anwesenheit sich etwa mit der Einladung zum Besuche des Reichs
tages in Zusammenhang bringen ließe, da ja der Reichstag auf den
Rat Gregors IX. berufen wurde. Indes übersieht Juritsch, daß das
päpstliche ^ubdiakonat nur ein Titel war, wie es deren auch heute
ähnliche gibt. Wir finden nämlich diesen päpstlichen Subdiakon, namens
Liupold, später (Meiller S. 156, Nr. 34) in der Person des Pfarrers
von Alland wieder. Jedenfalls läßt sich aus dessen Anwesenheit am
2. Nov. 1231 nichts schließen.
12
oder dem Kaiser höchstens eine einfache Absage
habe zukommen lassen, was freilich noch ungezie
mender gewesen wäre. Allein es dürfte die Gegen
überstellung der beiden Ausdrücke doch nichts
sein als eine stilistische Steigerung der kaiserlichen
Kanzlei. Denn bereits im Januar 1232, und zwar
wie es scheint, in der ersten Hälfte des Monats,
hat Abt Walter von Melk in Ravenna am kaiser
lichen Hofe geweilt'). Der Kaiser nahm daselbst auf
Bitten des Abtes das Kloster Melk mit Leuten und Gü
tern in den Reichsschutz und bestätigte einen Rechts
spruch, den einst Heinrich von Kuenring als » Rector von
Österreich« (1226) zwischen dem Abte und Seifrid von
Chalkaw wegen einiger Güter gefällt hatte. Deshalb
ist aber der Abt gewiß nicht eigens nach Ravenna
gereist, da kein besonderer Anlaß vorlag, das Kloster
schleunigst in den Reichsschutz aufnehmen zu lassen 2j
und die Bestätigung des Rechtsspruches zu erbitten,
zumal der Abt stets und auch um diese Zeit mit dem
Herzoge nachweislich auf bestem Fuße stand 3). Daß
er etwa auf einer Reise nach Rom begriffen war und
dabei nur gelegentlich an den Hof ging, ist auch
kaum anzunehmen, da die Melker Annalen von der
Reise nichts erzählen, was sie wohl getan hätten,
wenn irgend eine wichtige Angelegenheit den Abt
zu einer Romreise genötigt hätte. Am nächsten liegt
vielmehr, daß der Abt vom Herzog gesandt war,
um dessen Nichterscheinen beim Reichstage zu ent
schuldigen 4).
Diese Entschuldigung muß sich aber bereits auf
den in Ravenna abzuhaltenden Tag beziehen, da wir
') Böbmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1929 und 1930.
2) Vgl. die Urkunde bei Huillard-Breholles a. a. 0. IV, p. 293.
3) Vgl. Meiller a. a. 0. S. 149, Nr. 5 und S. 150, Nr. 12.
4) Vgl. dazu Juritsch a. a. 0. S. 528 und Ad. Ficker, Herzog
Friedrich, der letzte Balienberger, S. 32, Anm. 1.
13
den Abt daselbst bereits im Januar (vielleicht sogar
in der ersten Hälfte desselben) treffen, der Kaiser
aber um diese Zeit noch auf die deutschen Fürsten
wartete; ja selbst wenn er schon damals entschlossen
gewesen wäre, den Reichstag nach Aglei zu verlegen,
läßt die Kürze der Zeit nicht zu, daß die Botschaft
davon schon beim Herzog eingelaufen war und dieser
den Abt bereits auf die zweite Einladung hin zum
Kaiser abgesandt hatte.
Wenn aber der Herzog den Abt zum Kaiser
sandte und sich für den Hoftag zu Ravenna entschul
digte, so hat diese Entschuldigung gewiß nicht in
einem einfachen >Nein« bestanden; denn dazu hätte
er nicht einen Abt schicken müssen. Vielmehr hat
der Herzog offenbar schon damals durch diesen sei
nen Vertrauensmann, mit dem er noch im November
1236 in freundschaftlichen Beziehungen stand1), die
Gründe seines Fernbleibens dem Kaiser auseinander
setzen lassen. Man möchte daher bei dem hitzigen
Charakter des Herzogs eher umgekehrt annehmen,
daß er später, auf die Einladung nach Aglei, es nicht
mehr für seine Pflicht hielt, einen ansehnlichen Mann
mit Entschuldigungen zu senden, sondern irgend
einen anderen Boten mit einer einfachen Weigerung
schickte, ohne nochmals die Gründe, die der Kaiser
ja schon wußte, auseinanderzusetzen. So ließe sich
das stärkere »pueriliter recusavit« der obigen Er
klärung gerade entgegengesetzt deuten.
Noch eine starke Übertreibung findet sich in der
angeführten Anklage des Kaisers. Er behauptet
nämlich, daß die Mehrzahl der deutschen Fürsten
in Ravenna erschienen sei. Das ist nun keineswegs
erwiesen. Wenn wir die Zeugenreihen der Kaiser
regesten vom Dezember 1231 bis März 1232 mustern2),
1) Meiller a. a. 0. S. 156 f., Nr. 40.
a) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1910 a bis 1946 a. Vgl. dazu
Winkelmann, Friedrich II., I, S. 4«.
14
so finden wir wohl ziemlich viele geistliche Fürsten
und einige weltliche, wie vor allen die Herzoge von
Sachsen, Thüringen und Meran, die mit bewunderungs
würdiger Ausdauer beim Kaiser verharren, von den
übrigen weltlichen Fürsten suchen wir aber die be
deutenderen, die doch gewiß unter den Zeugen auf
getreten wären, vergebens. Bis zum 14. April 1232
war ja auch die große Kaiserstraße durchs Etschthal
von den lombardischen Städten gesperrt '). Allerdings
sind deutsche Könige trotz solcher Hindernisse oft
mals aus Deutschland nach Italien und umgekehrt
gezogen, auch den Seeweg hätten die Fürsten einschla
gen können, wie ja auch mehrere taten. Allein zu
solchen Beschwerlichkeiten hielten sich die meisten
nicht verpflichtet und der deutsche König machte
auch nicht die geringste Miene, mit Heeresgewalt
sich nach Italien Bahn zu brechen. Das alles hatte
natürlich den Kaiser über die Maßen geärgert, aber
jetzt fand er es doch für gut. zu schreiben, daß die
»Mehrzahl« der deutschen Fürsten nach Ravenna ge
kommen sei, nur der Herzog von Österreich nicht.
Und auch nach Friaul kamen nicht viele Fürsten.
Das beweisen wiederum die Zeugenreihen von März
bis Mai 1232 2) und die ausdrückliche Nachricht der
Ann. Colon, max. : »Apud Aquilegiam pascha cele-
brat, filio suo rege ad ipsum veniente et quibusdam
principibus Alamanniae«3) und der Annales S. Rud-
perti: »Rex filius suus et quid am a 1 i i principes Ala
manniae, sc. Fridericus dux Auslrie . . .«*)*)
1) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1958 a.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1949a—198S b.
3) Mon. Germ. Ss. XVII, p. 723.
4) A. a. 0. p. 785.
*) Anmerkung. Darnach wird Böhmer-Ficker a, a. 0. Nr.
4229 a, zu berichtigen sein, der übrigens (Nr. 1956a) selbst die Stelle
aus den Ann. Colon, max. anführt. Er sagt nämlich 4229a, daß der
Zusammenkunft Heinrichs mit seinem Vater viele Fürsten und Herren
anwohnten.
15
Wie wir also sehen, trifft die Anklage gegen
den Herzogs wegen Fernbleibens vom Reichstage zu
Ravenna und Aquileja die meisten übrigen Fürsten
in gleicher Weise, ja eigentlich noch weit mehr, falls
sie nämlich zur Hoffahrt nach Italien verpflichtet
waren, was aber Huber1) bezweifelt. Der Herzog von
Österreich war Kraft seines Privilegs sicher nicht
verpflichtet.
Daß der Kaiser bezüglich der Fürsten so schreibt,
ist trotzdem begreiflich. Denn mehr als seine Vor
gänger hatte er sich den Fürsten gegenüber in eine
ziemlich klägliche Lage gebracht. Zuerst hatte er die
Privilegienkisten derselben wegen seiner Wahl, dann
wegen der Wahl seines Sohnes, endlich wegen der
drohenden Empörung seines Sohnes gefüllt, und jetzt
im Jahre 1236, da er das Manifest verfassen ließ,
durfte er ihnen wiederum keine bitteren Wahrheiten
sagen, weil er sie gegen den lombardischen Bund
und gegen den geächteten Herzog von Österreich
brauchte.
Sowie die meisten übrigen Fürsten kam also
auch Friedrich von Österreich nicht nach Ravenna
und Aquileja, und erst als sich der Kaiser nach Por-
denone auf österreichisches Gebiet begab, erschien
der Herzog, Mitte Mai 12322), und sogar auffallend
schnell. Der Kaiser ist nämlich in den ersten Maitagen
noch in Udine3), will aber dem Manifeste zufolge
von Portenau aus den Herzog zu sich beschieden
haben. Letzterer ist dann bereits am 19. Mai beim
Kaiser sicher nachweisbar*). Schon aus dieser Eile
des Herzogs, an dem Orte, wo ihn sein Privileg
1) Sitzungsberichte der k. k. Wiener Akademie, Bd. 34: Über
die Entstehungszeit der österr. Freiheitsbriefe, S. 48.
2) Böhmer - Ficker a. a. 0. Nr. 1977 a und Meiller a. a. 0.
S. 149, Nr. 9.
3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1967 ff.
4) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1988 a.
16
nicht entschuldigte, vor dem Kaiser zu erscheinen,
geht, um das gleich hier zu bemerken, deutlich genug
hervor, daß sich Friedrich keineswegs aus »kindi
schem Trotz« nach Ravenna und Aglei zu kommen
weigerte, sondern in dem vollen Bewußtsein, durch
sein Privileg dem Kaiser gegenüber von der Pflicht
zu erscheinen befreit zu sein und dies auch vertreten
zu können.
Hier in Portenau mag nun alles so vor sich
gegangen sein, wie der Kaiser erzählt. Auch schöne
arabische Wüstenrosse mag er Friedrich geschenkt
haben, sowie denn der Kaiser in beständiger Verbin
dung mit den Sarazenen stand und selbst 3eine Freude
an kostbaren Tieren aller Art hatte, so daß er solche
1235 sogar mit nach Deutschland führte1).
Aber etwas weit Wichtigeres vergißt der Kaiser
zu sagen oder sagt es wenigstens nicht: das ist die
Belehnung Friedrichs mit Oesterreich und Steier, die
hier in Portenau stattfinden mußte.
Fast zwei Jahre waren seit dem Tode Leo
polds VI. verstrichen, und Friedrich hatte seine Lehen
immer noch nicht gemutet. Diese Saumseligkeit steht
mit der Eile sehr in Kontrast, mit der es seine
Vorgänger nachweislich taten. Leopold V. war sogar,
obwohl schon bei Lebzeiten seines Vaters belehnt,
nach dessen Tode schleunigst nach Italien geeilt,
um sich in Pesaro von Friedrich I. nochmals be
lehnen zu lassen — auf den Rat seiner Freunde.2)
Auch Leopold VI. ist 4 Monate nach dem Tode
seines Bruders schon auf dem Wege nach Mainz, um
von König Philipp die Lehen zu empfangen. Wir
kommen darauf zurück.
Friedrich dagegen säumt zwei Jahre und der
Kaiser wirft ihm das mit keiner Silbe vor. Man könnte
sagen, daß die Mutungsfrist in den letzten 30 Jahren
nicht mehr so streng eingehalten wurde. Das mag
') Contin. Eberbac., Mon. Genn. Ss. XXII, p. 348.
2) Contin. Claustroneob. III, a. a. 0. p. 681.
17
immerhin sein. Aber wenn der Kaiser dem Herzoge
den Nichtbesuch der Reichstage, die zu besuchen der
Herzog gar nicht verpflichtet war, und welche andere
Fürsten gerade so gut nicht besucht hatten, in so
ausführlicher Weise vorwirft, wenn er andere Be
schuldigungen auf den Herzog häuft, die gar nicht
erweisbar sind oder doch erst stark übertrieben wer-
der müssen, um nach etwas auszusehen, so ist nicht
zu verstehen, warum der Kaiser von der Versäumung
der Mutungsfrist schweigt, da er doch daraus eine
jedenfalls viel wirksamere Anklage gegen den Herzog
hätte machen können als aus manchen anderen Vor
kommnissen. Und wennjder Kaiser aller seiner Gnaden
bezeugungen gegen den Babenberger bis auf das
Geschenk schöner Rosse gedenkt, so könnte man
doch mit Recht im Manifeste etwa einen Satz wie
folgenden erwarten: Obwohl er seine Lehen fast ein
volles Jahr zu muten versäumt hat und dafür nach
altem Reichsgesetz mit Verlust derselben hätte be
straft werden können, so haben wir dennoch, einge
denk der Verdienste seines Vaters und der Leicht
fertigkeit der Jugend, diese Saumseligkeit außer
Rechnung gelassen. Zählt doch sonst der Kaiser
die Beweise seiner Langmut mit den rühmendsten
Worten auf. Und wenn so der Kaiser das Fernblei
ben vor dem Reichstage mit Gewalt zum Verbrechen
stempeln will, warum hat er nicht gerade jenes
Moment hervorgehoben, das für den Herzog den Be
such des Hoftags noch am ehesten zur Pflicht gemacht
hätte, nämlich den Empfang der Lehen? Denn bei
der Unklarheit des Privilegs an der betreffenden
Stelle bleibt es immerhin zweifelhaft, ob nicht der
Herzog eben im Falle der Mutungspflicht auch außer-
bairische Hoftage zu besuchen verbunden war Wir
haben auf diese Fragen noch weiter unten zu ant
worten.
') Huber, Gesch. Österr. I, S. 407.
Prager Studien. XI. 2
18
Das Schweigen des Kaisers würde sich aller
dings erklären, wenn wir etwa nachweisen könnten,
dass der Herzog mit seinem Vater 1230 nach Ita
lien gezogen sei und sich dort bei Lebzeiten Leo
polds VI. oder gleich nach seinem Tode habe be
lehnen lassen. Allein dies ist unmöglich. Nicht nur
schweigen die Quellen davon: der Herzog müßte
sich auch in den Kaiserurkunden vom März bis Juli
1230 unter den Zeugen befinden, da in denselben
auch österreichische Ministerialen genannt werden1);
auch war Friedrich schon Ende 1227 zum erstenmale
als Zeuge aufgetreten2) und wiederum 1229, Mitte
Dezember 3).
Aber auch das läßt sich nicht sagen, daß
Friedrich etwa vom deutschen Könige belehnt wor
den sei. Denn erstens war er mit diesem schon
längere Zeit zerfallen, obwohl wir freilich so genau
nicht wissen, wann Heinrich seinen Scheidungsplan
ins Auge zu fassen begann, und dann ist es sehr
zweifelhaft, ob der deutsche König mit Fahnenlehen
überhaupt zu belehnen das Recht hatte 4).
Es bleibt uns also nur übrig, anzunehmen, daß
Friedrich hier inPortenau die späte*' Belehnung emp
fing5), obwohl wir darüber keinerlei Nachrichten
haben. Die Quelle, die am ehesten davon sprechen
sollte, schweigt ja. Huber6) sagt daher sehr vor
sichtig : »Friedrich scheint bis dahin (nämlich bis zur
Zusammenkunft in Portenau) nicht einmal die kaiser
liche Belehnung eingeholt zu habenc
Gehen wir nun auf die Gründe ein, welche den
Kaiser bewogen, dem österreichischen Herzog gegen-
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1778, 1780.
a) Meiller a. a. 0. S. 140, Nr. 220.
3) Meiller a. a. 0. S. 145, Nr. 244.
*) Winkelmann, Friedrich II., I, S. 232.
5) Bachmann, Lehrbuch der österr. Reichsgeschichte, S. 86, Anm. 2.
°) Österr. Geschichte I, p. 407.
19
über so sehr auf dem Besuche des Reichstages von
1231 bis 1232 zu dringen, und was letzteren bestimmte,
nicht zu erscheinen. Dabei wird noch manches zu
berühren sein, was bisher übergangen wurde, und
wir werden dann die Anklage nach ihrer Berechti
gung abwägen können.
Der erste Grund, warum der Kaiser den Herzog
so dringend bei sich haben wollte, sind die Verhält
nisse in Oberitalien.
Um die oberitalienischen Verhältnisse zur Zeit
des Reichstages zu Ravenna und Aquileja zu wür
digen, müssen wir bis auf das Jahr 1226 zu
rückgehen. Als nämlich Friedrich II. 1220 über die
Alpen gestiegen war, war es den oberitalienischen
Städten bald klar geworden, daß der Kaiser keines
wegs gesonnen sei, die Vergünstigungen des Kon
stanzer Friedens von 1183 als für ihn bindend zu
betrachten. 1) Er nannte vielmehr die Ausübung dieser
Privilegien »unerlaubte 2). Deshalb hatten die Städte
Lombardiens und der trevisanischen Mark am 6. März
1226 den schon 1167 geschlossenen Bund zu Molise
in der Nähe von Mantua auf weitere 25 Jahre feier
lich erneuert 3). Diese Städte waren : Mailand, Ver-
celli, Alessandria, Bologna, Faenza, Padua, Treviso,
Vicenza, Mantua, Brescia4). Ihnen schloßen sich
bald an: Turin, Novara, Lodi, Bergano, Reggio,
Ferrara, Verona, Piacenza5). Am 11. Juli 1226 wurde
darauf der Bund in die Acht erklärt und alle Privi
legien, besonders die des Konstanzer Friedens, wi
derrufen6). So war der Krieg herauf beschworen.
Der kaiserliche Anhang unter den oberitalischen
') Winkelmann, Friedrich II., I, S. 199.
2) Huillard-Breholles a. a. 0. II, S. 643.
3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1594 b.
4) Huillard-Breholles a. a. 0. II, 924.
5) Winkelmann, Friedrich II., S. 200.
6) Böhmer-Ficker a.a.O. 1657a u. Winkelmann a.a.O. S.205.
20
Städten war im wesentlichen beschränkt auf Pavia,
Tortona, Cremona, Parma, Modena, Asti, Genua 1).
Der kaiserlichen Partei schloß sich auch der Mark
graf Azzo VII. von Este und der Graf von Bonifacio
an, und deshalb trat der alte Feind der Este, Eze-
lino III. da Romano ed Onara, dem lombardischen
Bunde bei2).
Der Kampf begann bald, und auch die Ver
mittlungsversuche Honorius III. scheiterten, weil die
lombardischen Städte dieselben nicht annehmen
wollten3). Die Streitigkeiten mit dessen Nachfolger
Gregor IX. (1227—1241) legten Friedrich den Städten
gegenüber lahm. Die kleinen Kämpfe der Städte
untereinander aber dauerten fort, die Parteien ver
schoben sich etwas, im großen und ganzen aber
waren sie 1229 noch dieselben wie 1226.
Auf die Nachricht von der Heimkehr Friedrichs
aus dem hl. Lande trat aber plötzlich eine bedeutende
Änderung in der Parteistellung ein und zwar zu
Gunsten des Kaisers. Azzo von Este war vom Kaiser
zum lombardischen Bunde, beziehungsweise zum
Papste abgefallen, und deshalb trat jetzt natürlich
Ezelin, der ohnehin niemals zu fest am Bunde ge
hangen, von demselben zurück4). Das bedeutete viel,
denn er war so gut wie Herr in der trevisanischen
Mark, und in der Tat fielen auch Mantua, Brescia,
Ferrara, Vicenza, Padua und Verona vom Bunde
ab5). Ezelin und die Städte waren zwar damit
noch nicht förmlich zum Kaiser übergetreten, aber
der Bund war durch ihren Austritt doch eigentlich
ruiniert.
Doch nur für kurze Zeit. Stete Furcht vor dem
Kaiser, der sich bereits bald nach der Aussöhnung
1) Vgl. dazu Winkelmann a. a. 0. S. 201.
2) Winkelmann a. a. 0. S. 387 f.
3) Winkelmann a. a. 0. S. 211.
4) Winkelmann a. a. 0. I., S. 388.
5) Winkelmann S. 390.
21
mit dem Papste wieder mit Oberitalien zu beschäftigen
begann (März 1231) brachte die abtrünnigen Städte
schließlich doch wieder zum Bunde zurück (12. Juli
1231) *).
Kurze Zeit darauf (21. Juli) spricht der Kaiser
auch schon von einem zu Ravenna abzuhaltenden
Reichstage 3). Er hielt es offenbar angesichts der neuen
Stärkung des Bundes an der Zeit, einmal mit dem
selben in irgend einer Weise Abrechnung zu halten;
jetzt hatte er ja endlich die Hände frei. In seinem
Einladungsschreiben an die Genuesen4) sagt zwar
der Kaiser, er berufe den Reichstag auf den Rat des
Papstes, um mit seinem Sohne Heinrich und mit allen
Reichsfürsten über die Herstellung des Friedens im
ganzen Reiche, sowohl Deutschland als Italien, zu
beraten. Auch berief er die Städte des Bundes zum
Reichstage; allein es ist wohl gewiß, daß er sich
nicht einbildete, den gordischen Knoten anders als
mit dem Schwerte zerhauen zu können. Die Lombarden
sperrten auch, statt zu erscheinen, die Alpenpässe5);
sie wußten wohl, daß es der Kaiser am liebsten ge
habt hätte, wenn die Deutschen gleich mit Heeres
massen nach Italien gekommen wären. Da dies aber
nicht eintrat, so wollte der Kaiser sie doch wenigstens
zu ausgiebiger Hilfe auf dem Reichstage bestimmen
und unter ihnen nicht an letzter Stelle den Herrn
des mächtigen Hinterlandes, den Herzog von Öster
reich. Es mußte ihm also alles daranliegen, den Her
zog zum Besuche des Reichstages zu vermögen; da
durfte er hoffen, den streitbaren Mann, der sich soeben
gegen seine Ministerialen als äußerst tüchtigen Krieger
bewiesen hatte, für seine Zwecke zu gewinnen. Diese
1) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1853 und 1854.
2) Huillard-Bröholles a. a. 0. III, S. 291 ff.
8) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1882.
*) Huillard-Breholles a. a. 0. IV, S. 266.
5) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1910a.
22
Kücksichten auf die italienischen Verhältnisse beein
flußten, wie wir sehen werden, des Kaisers Verhalten
gegen den Babenberger noch öfters.
Der zweite Grund, warum der Kaiser so auf das
Erscheinen Friedrichs am Hoftage zu Ravenna und
Aquileja drang, war der, daß er bei persönlicher Zu
sammenkunft seines Sohnes mit dem Herzog von
Österreich unter seiner Vermittlung die Zwistigkeiten
beizulegen gedachte, die zwischen beiden ausgebro
chen waren.
Leopold VI hatte bei seinem Tode die Mitgift
seiner Tochter Margarete, der Gemahlin des deutschen
Königs, immer noch nicht ausgezahlt1), was sehr auf
fallend sein muß, da er doch keine leere Schatzkammer
hatte und seine Einkünfte jährlich an die 60 000 Mark
betragen haben sollen2)*). Schon König Heinrich scheint
sich deshalb mit ihm zerworfen zu haben. Wir fin
den den Herzog seit dem 7. Sept. 1128 nicht mehr in
der Umgebung seines Schwiegersohnes 3), bei dem er
doch vorher fast beständig sich aufhielt.
Ebenso zäh wie sein Vater war aber auch Fried
rich, und mit Recht nennt der Kaiser diese Vorent
haltung der Mitgift, wofür man bei Friedrich ver
gebens nach einem genügenden Grunde sucht, eine
Rechtsverletzung. Groß mag ja die Mitgift freilig ge-
') Casus mon. S. Galli, Mon. Germ. Ss. II, p. Iß2.
2) Siehe oben S. 14, Anm. *
3) Zuletzt genannt 7. Sept. zu Nördlingen, Böhmer-Ficker a. a.
0. Nr. 4121.
*) Anmerkung. Als plausiblen Erklärungsgrund, daß Leopold,
wie es scheint, auch nicht die geringste Miene machte, mit der Aus
bezahlung der Mitgift wenigstens zu beginnen, können wir uns nur
den denken, daß er durch diese Zögerung eine Pression auf seinen
Schwiegersohn ausüben wollte, der, wie es scheint, sehr liederlich
lebte und Margarete nicht aufs beste behandelte (Chron. Ebersheim.,
Mon. Germ. Ss. XXIII, p. 451). Bei Herzog Friedrich fällt aber ein
solcher Grund wohl weg, denn die Sorge für seine Schwester leitete
ihn schwerlich.
.23
wesen sein. Möglieh, daß sich der reiche Herzog von
Österreich im Jahre 1225 erbot, die Mitgift, welche
Ottokar von Böhmen versprach, auch zu geben*);
es war ja auch nichts Geringes, seine Tochter auf
den Königs- und Kaiserthron zu setzen; er mochte
das als die Krone seiner Bestrebungen betrachten.
Auch wird sich Kaiser Friedrich, der auf Geld immer
großen Wert legte, mit einer um Vieles geringeren
Mitgift, als der Böhme schon angeboten, kaum be
gnügt haben. Doch sei dem wie immer, die 8000 Mark,
welche der Kaiser dem österreichischen Herzog ver
sprach, waren jedenfalls nur eine Beihilfe, wie auch
aus dem Kontext des Manifestes deutlich genug her
vorgeht.
Die Zögerung der Babenberger, die Mitgift
auszuzahlen, war ein Grund oder wurde wenigstens
von Heinrich als Ursache ausgegeben, daß er den Plan
faßte, sich von Margarete wieder scheiden zu lassen.
Es ist schwer, die geheimen Fäden, die bei diesem
Gange der Dinge durcheinanderliefen, zu entwirren,
da sich das Treiben am deutschen Hofe um jene Zeit
in ein tiefes Dunkel hüllt.
Einiges läßt sich aber trotzdem sagen.
Seit 1228 hatte Heinrich, nachdem Ludwig von
Baiern gegen Ende dieses Jahres zur päpstlichen
Partei übergegangen war, die Regierung selbständig
geführt '). Bald zeigte sich, daß sich der junge König
1) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4121a und 4122 a.
*) Anmerkung. 30.000 Mark Silber wären nach Ad. Fieker
(a. a. 0. S. 33) ungefähr 938.000 fl., nach Juritsch (a. a. 0. S. 547,
Anm. 4) ca 5,760.000 Kronen. Erstere Angabe berücksichtigt bloß den
Silbergehalt der alten (Gewichts-) Mark und unserer Gulden. Wenn
man aber eine Vorstellung von der Größe einer Summe geben will,
so muß man sie doch auf den heutigen Geldwert umrechnen; dann
ist aber außer dem Silbergehalte auch noch die heutige (seit der
Entdeckung Amerikas) etwa 5—ö'^mal geringere Kaufkraft des Silbers
in Anschlag zu bringen. Darnach erhalten wir eine Summe von etwa
9 Millionen Kronen oder ca 7',2 Millionen jetziger deutscher Reichsmark.
24
auch dem Vater gegenüber unabhängiger zu machen
strebte. Unbesonnen und unklug wie immer, ver
säumte er aber dabei, sich auf feste Füße zu stellen.
Anstatt die Fürsten für sich zu gewinnen, kümmerte
er sich in seinen Regierungsgeschäften wenig um sie l).
Daher fand er auch niemals bei denselben bedeu
tenden Anhang ; und falls ihm dies etwa durch den
Erlaß des »Statutum in favorem principum< (1. Mai
1231 zu Worms) gelungen war, so gewann ihm der
Kaiser den Vorteil wieder ab durch die Bestätigung
des Statuts (1232 zu Aquileja), allerdings ein großes
Opfer für den Kaiser; denn die Landeshoheit der
Fürsten war damit rechtlich besiegelt. Offenbar ist der
Kaiser schon damals von den Abfallsplänen seines
Sohnes überzeugt gewesen; denn sonst hätte er
nicht soviel geopfert. Allerdings war dadurch auch
das Schicksal seines Sohnes entschieden. Auch aus
der strengen Behandlung Heinrichs zu Cividale (Früh
jahr 1232), wo der Kaiser die Fürsten sogar even
tuell ihres Treueides gegen den König entband2),
werden wir schließen dürfen, daß der Kaiser schon
damals Kunde besaß, hinter dem Gebaren seines
Sohnes stecke mehr als bloßer kindischer Trotz und
Eigensinn.
Aus dieser Gesinnung Heinrichs fällt vielleicht
auch ein Licht auf den Scheidungsplan.
Doch ist es zunächst wichtig festzustellen, wann
König Heinrich diesen Gedanken zuerst gefaßt hat.
Die, was die Tatsachen betrifft, zuverläßigste
Quelle in diesen Dingen dürfte die Continuatio casus
S. Galli von Konrad de Fabaria, einem St. Gallener
Mönche, sein. Denn der damalige Abt jenes Klosters
') Vgl. darüber die Ausführungen bei Böhmer-Ficker a. a. 0.
Nr. 4181.
a) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4231 und 4229 a; Huillard-Brt5-
holles a. a. 0. IV, 525.
25
ist ja jener Konrad von Bussnang, welcher den König
schließlich von seinem Scheidungsplane abbrachte1).
Allein es mangeln dieser Quelle alle Zeitangaben,
weil sie keine Chronik sein soll, sondern eine Apo
logie des Abtes Konrad2). Da werden nun oft Tat
sachen an einander gereiht, die zeitlich weit ausein
anderliegen, aber sachlich zusammenpassen 8) ; um eine
Behauptung zu beweisen, ist manchmal nicht bloß
von einem Jahr zum andern, sondern von einem
Jahrzehnt zum andern rückwärts und vorwärts ge
sprungen. Deshalb fällt es schwer, die Tatsachen, da
ja oft nicht genügendes konkurrierendes Material
zur Seite steht, richtig zu datieren.
Dies hat nun 1879 Meyer von Knonau in aus
führlichen Erläuterungen versucht, als er die St.
Gallener Geschichtsquellen neu herausgab.
Als Zeitpunkt, wo Heinrich zuerst die Scheidung
plante, nimmt Meyer bereits das Jahr 1228 an4). Er
bringt folgende Beweise dafür vor:
1. Die Erzählung vom Scheidungsplane und der
Abmachung des Abtes geht der vom Kriegszuge des
Königs gegen den Herzog von Baiern (Juni 1229)
voraus, mithin kann der Plan nicht erst 1230 oder
nachher gefaßt worden sein, wie Schirrmacher5) und
Winkelmann 6) annehmen.
Allein dieser Beweis scheint uns nicht genügend
zu sein, weil Meyer selbst an zahlreichen Stellen aus
führen muß, daß die Anordnung der Tatsachen bei
Konrad de Fabaria nicht der Zeitenfolge entspricht 7).
1) Vgl. Meyer von Knonau, St. Gallische Geschichtsquellen, IV,
Einleitung, S. XLIV.
2) 1. c. Einleitung, S. XIX f.
3) 1. c. Einleitung, S. XXXV ff.
*) Meyer von Knonau a. a. 0. S. 231 ff., Anm. 275.
5) Kaiser Friedrich II., II, S. 181.
6) Kaiser Friedrich II., I, S. 402.
7) Vgl. S. 229, Anm. 269 und Einleitung S. XXXV ff.
26
2. Seite 236 und wiederum S. 238 f. nach der
Ausgabe in den Mon. Germ. Ss. II, p. 180 finden
sich Andeutungen über die Gleichzeitigkeit der »guten
Dienste« des Abtes Konrad mit dem Vorgehen Gre
gors IX. gegen Kaiser Friedrich 1228, sowie über die
große, gleichfalls gleichzeitige Spannung zwischen
dem bairischen Herzoge und dem Abte.
Dieser Beweis wäre allerdings schlagend, wenn
man unter jenen »guten Diensten« eben nur die Über
redung des Königs, den Scheidungsplan fallen zu
lassen, verstehen könnte. Allein da der Abt, wie Konrad
de Fabaria S. 230 sagt, sehr viel am königlichen Hofe
verkehrte und häufig vom Könige in den Angelegen-
heite des Reiches zu Rate gezogen wurde (»frequen-
ciam in consiliis regni habuit«) und zwar in den ver-
wickeltsten (»in subtilitate perplexissimorum consi-
liorum«), so wird er wohl dem Könige nicht nur
einen »guten Dienst« geleistet haben, und der Baier
konnte den Abt wohl eben deshalb nicht gut leiden,
weil er in ihm einen Gegner seiner Pläne sah.
Während nun also die Beweise Meyers nicht
stichhältig genug zu sein scheinen, so hat er auch
die ihm entgegenstehende Schwierigkeit nicht gelöst
Konrad de Fabaria sagt nämlich S. 230 f.1): »Fuit
autem causa divorcii, quia filiam regis Poemie des-
ponsaverat, de futuro tarnen et non contractu de pre-
senti. Fuit item alia causa, quia mortuo duce
Austrasiorum prenominato dotalia sibi sponsalicia
nondum fuere exhibita«. Meyers Auslegung dieser
Stelle, als greife der Mönch bei Anführung des zweiten
Grundes plötzlich vom Jahre 1228 aufs Jahr 1230 vor,
ist doch etwas gar zu geschraubt.
Wir werden also vorziehen, mit Schirrmacher
und Winkelmann zu sagen, daß die Absicht Heinrichs,
sich von Margarete scheiden zu lassen, nicht vor
Leopolds Tode in die Öffentlichkeit trat.
') Mon. Germ. 1. c.
27
Versuchen wir nun zu bestimmen, wann der
König seinen Scheidungsplan aufgab.
Daß der St. Gallener Abt den König von der
Scheidung abbrachte, wissen wir 1). Desgleichen er
zählt Konrad de Fabaria, daß dann der Abt über
Ersuchen des Königs nach Österreich reiste, um das
Geld zu holen. Ob er es bekam, erzählt die Quelle
nicht, doch sagt sie, der Abt habe bei allem Glück
gehabt; also muß er wenigstens erwünschte Verspre
chungen, vielleicht auch schon eine Abschlagszahlung
erhalten haben.
Es hängt alles davon ab, festzustellen, wann
diese Reise des Abtes nach Österreich stattfand.
Mover von Knonau2) versetzt sie in den Winter
1232—33, das ist nach der Zusammenkunft Herzog
Friedrichs mit dem Kaiser zu Portenau.
Die Gründe Meyers für seine Datierung dürfte
bereits Ficker3) widerlegt haben. Wir möchten nur
noch hinzufügen, daß aus der Erzählung Konrads
de Fabaria geradezu hwvorzugehen scheint, daß der
Abt vor der Portenauer Zusammenkunft in Öster
reich war. Die Stelle lautet: »Vocato rege cunctisque
regni principibus ab imperatore apud Ravennam,
Aquilegie ipsis cum ocurrisset, salutatis prout decuit
principibus speciali quadam dignitatis familiaritate
abbatem nostrum salutavit, et viciniorem ceteris pa-
latio regali mansionem dari sibi precepit ipsuraque
imperialibus redeuntem honorificavit donis. Mortuo
duce Austrasiorum strenuissimo, regis gloriosi socero,
rogatus abbas venerandus a rege, ut pro pecunia
sponsalicia sibi a duce iam defuncto promissa fines
Austrie attemptaret, viam aggressus est non sine
grandi sollicitudine. Propter occisionem namque ducis
Bawarie tarn infaustam grave fuit satis alicui Ale-
') Mon. Germ. 1. c
2) A. a. 0. S. 245, Anm. 305 und Excurs S. 201.
3) A. a. 0. S. 29, Anm. 2.
28
rhannorum (»Schwaben«) •) fines terre illius intrare« 2).
Diese Anknüpfung des zweiten Satzes an den ersten
durch die Worte »mortuo duce Austrasiorum«, scheint
uns klar zu zeigen, daß die im zweiten Satze erzählte
Sendung des Abtes nach Österreich die Begründung
und Erläuterung für den sonst fast unglaublich ehren
vollen Empfang des Abtes beim Kaiser, wie ihn der
erste Satz erzählt, bilden soll, daß mithin der Abt in
Österreich schon gewesen war und dort die Mitgift
frage auf eine wenigstens einstweilen befriedigende
Weise geschlichtet hatte. Daß die Sendung erst nach
der Zusammenkunft des Kaisers mit dem Herzoge
zu Portenau stattfand, scheint diese Verbindung der
Sätze geradezu auszuschließen*).
Da nun weiter erzählt wird, daß damals (zur
Zeit der Reise des Abtes) die Gefahr, durch Baiern
zu ziehen, für einen Schwaben sehr groß war, so
werden wir die Reise erst nach der Ermordung Lud
wigs von Baiern (16. Sept. 1231) ansetzen dürfen ;
denn seit dem 27. Aug. 1229 war wieder leidlicher
Friede zwischen dem Könige und Ludwig3), der am
30. Juni 1230 sogar wieder als Zeuge in einer könig
lichen Urkunde erscheint 4). Die Sendung könnte also
im Herbst 1231 oder im darauffolgenden Winter ge
schehen sein.
') Meyer von Knonau a. a. 0. S. 245, Anm. 307.
a) Mon. Germ. ]. c. p. 281.
3) Böhmer-Ficker a. a. 0. 4138 a.
*) Böhmer-Ficker a. a. 0. 4159.
*) Anmerkung. Wenn Meyer aus der Zeitbestimmung „mortuo
duce" schließen will, daß der Tod des Herzogs erheblich vor die
Sendung des Abtes (also in den Winter 1232—33) fiel (a. a. 0., S. 244,
Anm. 304), so heißt das in die Konstruktion etwas hineinlegen, was
sicherlich nicht drinnen liegt, ebenso wenn er aus der Notiz der
Annal. Wormat. zum Jahre 1233: „Offenderat enim in multis patrem
suum" wegen des Plusquamperfects schließt, daß der Scheidungsplan
Heinrichs lange vor 1233, nämlich ins Jahr 1228 fallen mußte (a. a.
0. S. 233, Anm. 275). Das sagt ihm keine lateinische Stilistik.
29
Wenn ferner der Scheidungsplan in die zweite
Hälfte des Jahres 1230 oder in die erste Hälfte des
Jahres 1231 zu setzen ist, so könnte vielleicht immer
hin eine Verbindung zwischen diesem Plane und dem
schon damals existierenden Abfallsplane festzustellen
sein. Denn daß Heinrich jetzt nach 5 Jahren plötzlich
zu Agnes, die er wahrscheinlich nie liebte 1), eine lei
denschaftliche Liebe gefaßt hätte, ist doch zu roman
tisch. Aber ebensowenig scheint uns annehmbar zu
sein, daß er sich durch die Scheidung möglichst von
seinen ehelischen Verpflichtungen befreien wollte 2);
denn was hätte er dadurch gewonnen, da er sich doch
mit Agnes von Böhmen wieder verheiraten wollte?
Er hat sich, wie es scheint, vollständig einem lieder
lichen Leben hingegeben 3), sich um Margarete wenig
gekümmert und hätte dies höchst wahrscheinlich mit
Agnes nicht besser gemacht.
Wir möchten daher lieber einen anderen Grund
für die beabsichtigte Scheidung annehmen.
Zu spät scheint der unkluge Mann erkannt zu
haben, daß er durch die Bestätigung des Wormser
Statuts von seinem Vater besiegt war, bevor es noch
zu einem Kampfe gekommen, und da mochte ersieh
nun endlich nach einer mächtigen Stütze für seinen
Plan umsehen. Diese glaubte er nicht in seinem
Schwager, dem Herzoge von Österreich, finden zu
können, mit dem er ja ohnehin wegen der schwe
benden Mitgift entzweit war, sondern im König von
Böhmen4). Er wußte wohl, daß man am böhmischen
Hofe seit 1225 gegen den Kaiser recht sehr verstimmt
war, ferner daß Agnes, König Wenzels Schwester,
auf den König einen bedeutenden Einfluß ausübte5),
1) Vgl. Bericht einer englischen Gesandschaft bei Ficker, En
gelbert d. Hl., Beil. 81; Meyer a. a. 0. S. 230 f., Anm. 273.
2) Meyer a. a. 0. S. 232 f., Anm. 275.
3) Vgl. das Chron. Ebersheim., Mon. Genn., Ss. XXIH, p. 451.
*) Vgl. auch Ficker a. a. 0. S. 28 f.
5) Bachmann, Gesch. Böhm., I. Bd., S. 497 ff.
30
und deshalb plante er, sie zu heiraten, umsomehr, da
er für etwaige Schritte gegen den Kaiser auch Geld,
viel Geld brauchte und deshalb die 45.000 böhmisch-
bairischen Mark in seinen Ohren einen äußerst guten
Klang haben mußten; freilich hätte er auch die
nicht so schnell bekommen, denn die Summe war für
die böhmischen Finanzen, die unter Ottokar I. keines
wegs glänzend waren, doch etwas zu hoch gegriffen ').
Doch daran dachte vielleicht der leichtsinnige König
weniger, und dann durfte er wohl mit Recht hoffen,
daß er von Böhmen wenigstens mehr erhalten würde
als von Herzog Friedrich.
So dürften also etwa die Dinge gelegen haben,
als der kluge Abt Konrad von Bußnang den König
von seinem Scheidungsplane abbrachte. Nach Öster
reich gesandt, muß er, wie dargetan, Zusagen erhalten
haben, die aber der Herzog dann doch wieder rasch
genug zu erfüllen zögerte.
Die neü entstandenen Weiterungen suchte nun
der Kaiser in Portenau um jeden Preis beizulegen.
Er ging so weit, daß er 8000 Mark aus eigener
Kasse an den König zu zahlen versprach. Das ist
eine bedeutende Summe, umso höher anzuschlagen,
da ja der Kaiser erst eilig in Sicilien Geld zusammen
gerafft hatte, um den beabsichtigten Krieg gegen die
Lombarden führen zu können. Es ist kein Grund,
anzunehmen, daß der Kaiser dem Herzog die Summe
bloß geliehen habe, wie Juritsch a) meint, noch weniger,
daß er sie unter drückenden Bedingungen lieh, wie
derselbe Verfasser anzunehmen geneigt scheint.
Konrad de Fabaria braucht z. B. den Ausdruck »ex-
hibere«, den der Kaiser an dieser Stelle anwendet,
ganz bestimmt für »geben«3). Auch Huber4) und
1) Bachmann a. a. 0. S. 467 und 591 f.
2) A. a. 0. S. 531.
3) Vgl. die oben S. 26 citierte Stelle.
*) A. a. 0. S. 407.
31
Ficker1) nehmen an, daß der Kaiser die 8000 Mark
gab*).
Aber warum bewies sich derselbe gegen den
Herzog in solcher Weise entgegenkommend ? Um den
Babenberger auf seine Seite zu ziehen, war ja der
Kaiser gewiß zu manchem Opfer bereit ; daß er aber
jetzt auch einen immerhin nicht unbeträchtlichen
Teil seines Kriegsschatzes hergab, braucht wohl doch
noch eine weitere Erklärung.
Wir möchten diese Erklärung darin finden, daß
der Kaiser auf diese Weise einem etwaigen Rückfalle
Heinrichs in seinen für den Kaiser so gefährlichen
Scheidungsplan vorbeugen wollte, indem er ihm auch
noch den einzigen irgendwie greifbaren Vorwand
für die Scheidung durch Auszahlung der Mitgift zu
nehmen suchte. Wegen der neuen Zögerung des
Herzogs war ja ein solcher Rückfall keineswegs aus
geschlossen. Gefährlich erschien der Plan aber für
den Kaiser, weil dieser den inneren Zusammenhang
') .A. a. 0. S. 33.
*) Anmerkung. Doch möchten wir auf zwei kleine Versehen
Fickers (a. a. 0. S. 33, Anm. 1) aufmerksam machen. Erstens kann
man nicht sagen, daß der Herzog damals (Mai 1232) zahlungsunfähig
war, weil ihm die Ministerialen die ererbten Schätze geraubt hatten.
Denn diese Schätze hatte er gewiß längst zurück, da ihm ja die Mi
nisterialen (Frühjahr 1231) eigens deshalb Geisel stellen mußten (Cont.
Lambac. 1. c. p. 558). Zweitens sagt Ficker (S. 29 f., Anm. 2) gegen
Meyer von Enonau, eine Reise des Abtes von St. Gallen nach Öster
reich sei deshalb nach der Portenauer Zusammenkunf überflüssig ge
wesen, weil der Kaiser die Mitgiftfrage daselbst schon geschlichtet
hatte. Das würde nun allerdings die Reise des Abtes nach Mai 1232
für den Fall ausschließen, wenn nachzuweisen wäre, daß die Mitgift
nur 8000 Mark betrug. Das geht aber aus dem Manifeste nicht hervor,
und auch Huber sagt (a. a. O. S. 407), der Kaiser habe dem Herzog
die Zahlung „erleichtert". So konnte der Abt nach Österreich reisen,
um den Restbetrag zu holen. Ich habe jedoch (wenigstens die ent
scheidende und von Konrad de Fabaria erwähnte) Reise aus anderen
Gründen früher angesetzt.
32
desselben mit den Abfallgedanken des Sohnes mit
gewohntem Scharfblick durchschauen mochte.
Bisher haben wir also zwei Gründe kennen ge
lernt, von denen sich der Kaiser bestimmen ließ, dem
Herzog Friedrich gegenüber so nachdrücklich auf
dem Besuche des Reichstages zu bestehen.
Aber wenn ich nicht irre, lief noch ein dritter
Grund nebenher. Wenn man nämlich bedenkt, wie
der Kaiser die Dispens des Herzogs vom Besuche
der Reichstage außerhalb Baierns in seiner Klage
schrift so ganz tot schweigt, obwohl er sie doch sehr
wohl kennen mußte und sich der Herzog höchst
wahrscheinlich schon bei seiner ersten Entschuldigung
im Januar 1232 darauf berufen hat, wenn er sie höch
stens dunkel andeutet (»ut si .molestum' (!) ei fuerat
in civitatibus nostri imperii nos vidisse, ad terram
suam pro nobis accedere non vitaret«), und neben
bei mit einer gewissen eisernen Konsequenz an der
tatsächlichen Nichtanerkennung des Privilegs durch
wiederholte Berufungen des Herzogs an Hoftage, zu
denen derselbe nicht verpflichtet war, festhielt, so
drängt sich uns unwillkürlich der Gedanke auf, daß
der Kaiser eben stillschweigend das Privileg absicht
lich außer Übung setzen wollte.
Dazu hatten die österreichischen Herzoge auch
selbst Veranlassung genug gegeben. Sie waren oft
bei Hof- und Reichstagen erschienen, weil es eben
vornehm und vorteilhaft war, auf denselben zu er
scheinen; wurde das so fortgesetzt, so war das Privileg
nach einiger Zeit tatsächlich außer Übung. So treffen
wir den Herzog Heinrich II. schon am 4. Juli 1157
zu Bamberg, Leopold V. 1179 zu Eger, dann zu
Augsburg, 1181 zu Nürnberg und Erfurt, 1184 zu
Mainz, 1194 wiederum zu Mainz; Leopold VI. finden
wir 1200 zu Nürnberg, 1209 zu Würzburg, 1213 zu
Eger, 1214 zu Metz, 1216 zu Würzburg1). Seitdem
') Vgl. nacheinander Juritsch a. a. 0. S. 220, 287, 288, 290 u.
291, 298, 335. Ferner Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 43, 286, 705, 773, 885.
besuchte er außerhalb Baierns keine Hoftage mehr,
bis er 1225 Mitglied des Regentschaftsrates wurde.
Auf den bairischen Tagen finden wir ihn stets.
Und wie mit dem Privileg betreffs der Hof
fahrt, so, wenn auch nicht ebenso schnell, konnte es
mit dem betreffs der Reichsheerfahrten gehen. Wir
treffen Herzog Heinrich II. bei der Belagerung von
Mailand 1158, dann beim Feldzuge Barbarossas 1162;
Leopold VI. beteiligte sich bei Reichsheerfahrten 1205
und 1214, sowie 1226
So werden wir nicht weit fehlgehen, wenn wir beim
Kaiser in seiner Nichtbeachtung des österreichischen
Privilegs ganze, zielbewußte Absicht annehmen.
Endlich stößt hier noch eine Frage auf. Hat
nicht vielleicht der Kaiser den Herzog auch deshalb
zu Ravenna und Aquileja so dringend bei sich haben
wollen, weil derselbe noch nicht mit den Herzog
tümern belehnt war?
Es wurde schon oben2) darauf hingewiesen, daß
der Kaiser davon vollkommen schweigt, und wir
haben uns zu beweisen bemüht, daß er dazu einen
ganz besonderen Grund haben mußte, weil sonst sein
Schweigen unter den gegebenen Verhältnissen absolut
nicht zu erklären ist.
Wir wollen versuchen, diesen Grund zu entdecken,
zunächst uns aber noch einmal vergegenwärtigen,
wie sich denn die einzelnen Vorgänger Herzog Fried
richs seit 1156 zur Mutung gestellt haben. Wir wer
den finden, daß alle auf das genaueste die gesetzliche
Frist einhielten.
Leopold V. erhielt noch zu Lebzeiten seines Vaters
Heinrich II. 1174 auf einem Hoftage zu Regensburg
das Fahnenlehen Österreich, ließ sich aber 1177 zu
Pesaro nochmals belehnen3). Nach der Anerbung Steier-
') Siehe oben S. 13.
2) Siehe S. 21 ff.
3) Cont. Claustroneob. Tertia, 1. c. p. 631.
Prager Studien. XI. 3
34
marks belehnte ihn am 24. Mai 1192 Heinrich VI. zu
Worms zugleich mit seinem Sohne Friedrich mit
diesem Herzogtume1) Mit Österreich aber war der
junge Friedrich schon 1181 zu Erfurt belehnt worden2).
Leopold wollte ja ursprünglich beide Herzogtümer
den Bestimmungen der St. Georgenberger Handfeste
entsprechend in seiner Hand vereinigen. Doch ist er
(wahrscheinlich auf dem Totenbette) davon abge
gangen, und Leopold VI. bekam die Steiermark3).
Da sich letzterer beim Tode seines Vaters eben beim
Kaiser befand, so ist er von demselben ohne Zweifel
sofort mit Steiermark belehnt worden4). Als am
16. April 1198 sein Bruder Friedrich starb, mußte sich
Leopold VI. auch die Belehnung mit Österreich holen.
Er erhielt sie von König Philipp auf dem Hoftage
zu Mainz im September 1198.
Da der Herzog am 17. August zu Plattling an
der unteren Isar als »Herzog von Österreich und
Steier« urkundet, so hat man vermutet, daß er da
mals bereits vom Hoftage zurückkam 5), während
Juritsch6) meint, daß er sich damals zwar erst auf
dem Hinwege zum Hoftage befand, aber bereits die
ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung in
den beiden Herzogtümern, also vor der Belehnung,
erhalten hatte.
Man muß Juritsch beistimmen. Zwar geben nicht
alle Chroniken den 8. September als Krönungstag
an 7), auch der 15. August wird genannt. Nichtsdesto
weniger ist an dem 8. September festzuhalten ; denn
der 15. August ist nicht nur wegen der wenig ange
sehenen Zeugen (1 Bischof, 2 Pröpste und einige
Juritsch a. a. 0. S. 318.
2) Cont. Zwettl., Mon. Gera. Sc. IX, p. 542.
3) Juritsch a. a. 0. S. 346.
*) L. c. S. 347.
5) Meiller a. a. 0. S. 81, Nr. 5 und Anm. 305.
«) A. a. 0. S. 358 f.
7) Vgl. Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 19 a.
35
Grafen und Ministerialen) in einer (allerdings unechten,
aber sicher auf eine echte Vorlage zurückgehenden)
Urkunde vom 16. August (Tag nach der angeblichen
Krönung) ausgeschlossen 1), sondern vor allem durch
eine Urkunde vom 8. Sept 1201, in welcher dieser
Tag von Philipp ausdrücklich der Tag seiner Krö
nung genannt wird2). Nun ist aber ohne Zweifel
zu verneinen, daß sich etwa Leopold VI. Mitte August
in Mainz hätte von Philipp belehnen lassen und dann
wieder heimgegangen wäre; denn wenn der Krö
nungstag auf den 8. September angesagt war, wird
doch nicht Leopold schon Anfang August nach Mainz
gegangen sein ; das hätte er aber tun müssen, wenn
er am 17. August wieder in Plattling sein sollte.
Man hat daraus, daß Leopold nicht unter den
Zeugen in den zu Mainz ausgestellten Urkunden ge
nannt wird, schließen wollen, daß er nicht dort war.
Allein dieser Schluß ist unberechtigt. Denn wo sind
die Urkunden, in denen Leopold hätte als Zeuge
auftreten können? Am 16. August urkundet Philipp
seit dem 29. Juni zum erstenmale wieder3). Da war
aber eben Leopold noch nicht in Mainz, und auch
wenn die Annahme Meillers richtig wäre und Leopold
am 17. August auf dem Rückwege von Mainz in
Plattling war, so war er sicherlich den Tag zuvor
nicht mehr in Mainz. Am 8. Sept. hat allerdings Philipp
jene Urkunde erlassen, in welcher Ottokar von Böhmen
zum Könige erhoben wurde, allein die besitzen wir nicht
mehr, können also auch nicht konstatieren, ob Leopold
unter den Zeugen derselben war oder nicht4). Dann
folgt keine Urkunde Philipps mehr bis in das nächste
Jahr hinein5).
Während es also alle Vorfahren Friedrichs II.
von Österreich seit 1156 äußerst eilig hatten, läßt sich
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 19.
>) L. c. Nr. 19 a und 57.
3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 18 und 19.
*) L. c. Nr. 20.
") L. c. Nr. 22.
30
dieser zwei Jahre nicht belehnen, und der Kaiser
wirft es ihm nicht vor.
Um dieses Schweigen zu erklären, darf vor allem
darauf hingewiesen werden, daß ja Österreich der Fa
milie der Babenberger erblich gehörte ; es konnte mit
hin für selbstverständlich gelten, daß man es mit der
Mutungsfrist nicht so streng zu nehmen habe. Der
Kaiser hätte es hier sicherlich damit sehr genau ge
nommen, wo er es mit anderen Dingen strenger nahm
als recht war.
Dieses Schweigen des Kaisers ist andererseits
selbst Beweis dafür, daß Österreich rechtlich im Hause
Babenberg erblich war. Es läßt sich nicht sagen, daß
hierinn seit 1208, wo Baiern erbliches Herzogtum ge
worden 1), andere Verhältnisse eintraten, weil seitdem
die Erblichkeit der Fahnenlehnen sich überall wenig
stens tatsächlich durchsetzte; denn das geschach
allmählig und mißbräuchlich, d. i. ohne wirkliche Ver
leihung. Wenn also Oesterreich 1156 nicht erblich
wurde, so war es auch 1230 rechtlich ebensowenig
erblich, und der Kaiser konnte dem Herzog die Ver
säumung der Mutungsfrist trotz allem vorwerfen,,
auch dann, wenn vielleicht andere Reichsfürsten, z. B.
Otto II. von Baiern, es nicht besser machten; denn
der Kaiser hält ja dem Herzog manches vor. was
er anderen mit demselben Rechte hätte vorwerfen
können, sogar manchen aus den Anklägern des Her
zogs. Indes Oesterreich scheint uns rechtlich erblich
gewesen zu sein, und zwar auf Grund des Privilegium
minus.
Zwei Stellen des Privilegs beziehen sich auf die
Nachfolge im Herzogtume. Die erste lautet: » Con-
cessimus perpetuali iure sanctientes, ut ipsi et liberi
eorum post eos indifferenter filii sive filiae eundem
Austrie ducatum hereditario iure a regno teneant et
possideant« ; die zweite: »Si autem praedictus dux
') Böhmer-Fieker a. a. 0. Nr. 243.
3?
Austrie patruus noster et uxor eius absque liberis
•decesserint, libertatem habeant eundem ducatum
affectandi, cuicunque voluerint«.
Der zweite Passus scheint gar keine Schwierig
keit zu bereiten ; es ist zu klar ausgesprochen, daß
«ich das Affektationsrecht im Falle kinderlosen Todes
nur auf das gegenwärtige Herzogspaar, Heinrich II.
und seine Gemahlin Theodora, bezieht (»praedictus
.dux . . ., patruus noster et uxor eius«).
Umso größere Schwierigkeiten bietet der erstere
Satz. Man hat das »liberi« mit »Nachkommen« über
setzt, so daß das Herzogtum ein Weiberlehen gewor
den wäre mit vollkommener Descendenzerbfolge.
Berchtold 1) ist noch weiter gegangen, indem er, aus
gehend von dem Zwecke der Gesamtbelehnung im
deutschen Rechte, der darin besteht, den Seitenver
wandten ein Erbfolgerecht zu verschaffen, auch ein
<üollateralerbfolgerecht für Österreich aus dem Privi
legium minus statuiert. Werunsky ist mit Berchtold
«inverstanden 2).
Zunächst ist es auffallend, daß das Privileg, falls
.es die Erbfolge für die Nachkommen überhaupt fest
stellen wollte, das Wort »liberi« gebraucht und nicht
das klarere und gewiß ebenso naheliegende Wort
»posteri« oder dgl. Noch dazu wird der Ausdruck
»liberi« differenziert in »filii sive filiae« 3), obwohl
sicherlich dieser letztere Ausdruck häufig im allge
meinen Sinne für »Kinder und Kindeskinder männ
lichen und weiblichen Geschlechts« gebraucht wird
und sich für Unterscheidung der Geschlechter ein
passendes und gebräuchliches Wort nicht gerade
darbot4).
Also auffallend ist der Ausdruck »liberi« gewiß.
Dennoch glauben wir ihn mit »Nachkommen« über-
') „Die Landeshoheit Österreichs".
2) A. a. 0. S. 48.
3) Bachmann, Rechtsgeschichte, 2. Aufl., S. 77, Anin. 4.
*) Vgl. die sofort zu zitierende Stelle.
38
setzen zu müssen. Denn abgesehen davon, daß auch
bei der Errichtung des Herzogtums Braunschweig1),
wo doch gewiß vollkommene Erbfolge statuiert wer
den sollte, ähnliche Ausdrücke sich finden, wie im
Privilegium minus, nämlich : »Ducatum ipsum in feo-
dum imperii ei concessimus ad heredes suos filios
etfilias hereditarie devolvendum« 2), wobei aller
dings neben »liberi« »heredes« steht, scheint uns auch
der Ausdruck »hereditario iure possideant« für
das auf alle Nachkommen übergehende Erbrecht zu
sprechen. Wenn nämlich bloß den Söhnen und Töch
tern Heinrichs II. und seiner Gemahlin Theodora
Österreich schon jetzt zugesprochen werden sollte,
so ist der Ausdruck »hereditario iure« nicht gut zu
verstehen3). Es scheint denn doch einen Wider
spruch einzuschließen, wenn die Söhne und Töchter
Heinrichs II. und Theodoras Oesterreich »nach Erb
recht« besitzen sollten und es doch wieder nicht
auf ihre Kinder vererben konnten. Sie sollen es
»hereditario iure« besitzen, wird vielmehr heißen, sie
sollen es besitzen, wie es das Erbrecht mit sich bringt,
sowie dieses »Erbrecht« eben aufgefaßt wurde. Denn
wo immer die Art und Weise eines Besitzes durch
einen näher bezeichnenden Ausdruck genauer be
stimmen wird, erscheint dieser Ausdruck doch so ge
braucht, wie er gewöhnlich verstanden wird, und kann
nicht gerade an dieser Stelle eine ungewöhnliche Be
deutung mit ihm verknüpft sein. Nun wird aber der
Ausdruck »hereditario iure« kaum je so verstanden
worden sein, daß er sich bloß auf eine Generation
bezöge. Es scheint vielmehr in dem »ius heredita-
rium« notwendig auch das Weitervererbungsrecht ein-
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2104.
2) Mon. Germ. IV., p. 319.
3) Vgl. auch Julius Ficker, Über die Echtheit des kleineren
österreichischen Freiheitsbriefes, in den Sitzungsb. der Wiener Aka
demie, Bd. 23, S. 495.
39
geschlossen zu sein. Endlich, und das dürfte wohl der
Hauptbeweis dafür sein, daß man das »liberi« mit
»Nachkommen« übersetzen müsse, wird der Passus
mit den Worten eingeleitet: »Concessimus perpe-
tuali iure sanctientes«. Was wäre das für ein »immer
währendes, ewiges Recht« gewesen, das bloß für eine
Generation gelten sollte ? Man wird auch kaum sagen
können, daß das nur eine nichtssagende Urkunden
formel der Kanzlei sei ; denn so unvorsichtige Aus
drucksweisen wird man sich doch nicht haben durch
die Feder schlüpfen lassen.
Sehen wir nun auch, wie die Stelle tatsäch
lich verstanden wurde. Wir werden da allerdings
nicht sagen können, wie Kaiser Friedrich I. die Stelle
gemeint hat; könnten wir das, so wäre ja der Streit
zu Ende. Auch das wissen wir nicht, wie das baben
bergische Herzogspaar Heinrich II. und Theodora,
dann Leopold V. die Stelle verstanden haben. Aber
zum Glück wissen wir, wie sie Leopold VI. aufgefaßt
hat, und das ist umso bedeutsamer, weil ja gerade
Leopold VI., der Enkel Heinrichs II. und Theodoras,
derjenige war, bei dem die Bedeutung der Stelle
zum erstenmale praktische Bedeutung gewann.
Leopold VI. behauptet aber auf das nachdrück
lichste sein Erbrecht in Oesterreich, ja er beansprucht,
da er doch in Oesterreich auf seinen verstorbenen
Bruder folgte, sogar das Collateralerbrecht. Die sofort
anzuführende Urkunde, worin dies geschieht, ist aus
dem Jahre 1209; man wird also nicht etwa sagen
können, Leopold habe eine solche Behauptung wegen
der damaligen Wirren in Deutschland wagen können ;
denn 1209 war Otto IV. allgemein anerkannt. Auch das,
glauben wir, dürfte man nicht einwenden können,
daß Leopold diese Behauptung eben ein Jahr nach
der Erblichkeitserklärung Baierns gebrauchte; dieses
eine Jahre scheint uns eine viel zu kurze Zeit zu
sein, als daß diese (die Erblichkeit Oesterreichs geleug
net) erste Erblichkeitserklärung eines Fahnenlehen's
40
auf die stillischweigende Anerkennung der Erblich
keit der übrigen ihre Wirkung auszuüben vermochte
und Leopold VI. in so feierlicher Weise auf dieses
hin schon sein Erbrecht auf Oesterreich hätte aus
sprechen können. Auch kommt seine Behauptung
an keiner obscuren Stelle vor, sondern in der Stif
tungsurkunde für Lilienfeld. Hätte Leopold fürchten
müssen, beim Kaiser mit seiner Behauptung auf
Widerspruch zu stoßen, so hätte er dieselbe doch
kaum gewagt, da sie ja das Grundprincip der recht
lichen Stellung Oesterreichs zum Reiche umstürzte,
falls sie der allgemeinen Auffassung widersprach.
Leopold sagt in der Stiftungsurkunde für Lilien
feld (7. April 1209): »Ego — qui Dei gratia progeni-
torum meorum dignitatis, proprietatis ac copiarum
omnium plenitudinem hereditarie possideo,
inter alia fidelitatis obsequia . . . monasterium cister-
ciensis ordinis . . . edificare devovi« 1).
Die Urkunde ist von nicht weniger als 47 Zeugen
unterschrieben, was die Feierlichkeit der Verfügung
hervorheben soll. Was aber obiger Stelle noch mehr
Gewicht verleiht, ist der Umstand, daß, wie aus dem
Contexte hervorgeht, Leopold den langen Beisatz zu
»Ego . . .« eben auch nur der Feierlichkeit wegen
anbringt, nicht etwa, um sich gelegentlich ein Recht
anzumaßen, das er nicht besaß. Wir werden also
nicht irren, wenn wir annehmen, daß seine Auffas
sung des Privilegs schon Familientradition geworden
war, festgewurzelt und unwiedersprochen. Unsere Aus
führung dürfte auch nicht entkräften, daß Heinrich VI.
noch 1196 auf dem Würzburger Reichstage gegen
Anerkennung Deutschlands als Erbreich seiner Fa
milie den deutschen Fürsten Erblichkeit ihrer Lehen
(auch in weiblicher Linie) anbot. Denn er bot eben
damals allen Fürsten an, was Oesterreich einzig und
allein schon besaß.
') Meiller a. a. 0. S. 100, Nr. 74.
41
So glauben wir also sagen zu dürfen, daß Herzog
Friedrich Oesterreich nach Erbrecht besaß, und da
ist es allerdings immerhin erklärlich, daß es der
Kaiser mit der Versäumung der Mutungsfrist weniger
streng nimmt, obwohl wir gestehen müssen, daß uns
auch dieser Umstand das Schweigen des Kaisers nur
unvollkommen zu erklären vermag.
Leichter zu beantworten ist die Frage, warum
Herzog Friedrich den Aufforderungen des Kaisers,
zu den Reichstagen nach Ravenna und Aquileja zu
kommen, nicht entsprach.
Er konnte mehrere Entschuldigungen vorbringen.
Zunächst war zwar der Ministerialenaufstand,
der bald nach dem Regierungsantritte Friedrichs
unter der Führung der beiden Kuenringe Hadmar III.
und Heinrich IL unerwartet und heftig ausgebro
chen war, schon in den ersten Monaten des Jahres
1231 niedergeschlagen worden1). Aber solche Auf
stände glimmen wie der Funke unter der Asche fort,
besonders wenn sie in ständischen Bestrebungen wur
zeln, wie es beim Ministerialenaufstande der Fall war2).
Deshalb konnte der Herzog eventuell beim Kaiser auf
die Gefahr einer Entfernung von seinem Lande hin
weisen, da seit dem Aufstande noch kein Jahr ver
flossen war.
Schlimmer noch standen die Verhältnisse mit
Böhmen. Schon in den letzten Monaten des Jahres 1230
waren Reibungen mit Ottakar I. erfolgt3), wenn
auch die Frage offen bleibt, ob ein wirklicher Aus
bruch der Feindseligkeiten zu Lebzeiten Ottokars I.
(j 15. Dez. 1230) 4) anzunehmen ist.
Bachmann5) und FickerG) glauben an einen Ein-
') Ficker a. a. 0. S. 15 ff.; Jmitsch a. a. 0. S. 518 ff.
2) Vgl. unten.
3) Bachmann, Gesch. Böhmens I, S. 469.
4) L. c.
°) A. a. 0. S. 469 und 497 f.
ü) A. a. 0. S. 16 und Anm. 1.
42
fall in Oesterreich mit mäßigen Kräften zu Lebzeiten
Ottokars I. und einen zweiten größeren bald nach
dem Regierungsantritte Wenzels. Ficker beruft sich
dabei auf die Contin. Garst. wo ausdrücklich gesagt
wird, daß die Böhmen noch zu Lebzeiten Ottokars
einfielen. Huber 2) und Juritsch 3) erwähnen bloß den
Einbruch unter Wenzel.
Nach unserer Meinung nun verwechselt die Oont.
Garst. Ottokar mit Wenzel und ihre Meldung bezieht
sich auf den Krieg Wenzels mit Oesterreich. Sie
sagt nämlich ad annum 1230: »Quem (Fridericum
ducem) primo anno principatus sui O t a c h e r rex
Boemie fraudulenter invadens magnum partem
Aus tri e incendiis populavit. Cui idem Fridericus
sequenti anno vicem reddidit, fugando ignominiose
ipsum regem et Castrum ipsius nobile et quasi in-
expugnabile, Vetao nomine, expugnavit.«
Es wird hier ausdrücklich gesagt, Ottacher habe
einen großen Teil Oesterreichs mit Brand heim
gesucht. Das bezieht sich offenbar viel eher auf den
Krieg Wenzels, wie denn auch Bachmann und Ficker
zugeben, daß der Krieg Ottokars nur eine unbedeu
tende Grenzfehde gewesen sein könne. Das die Cont.
Garst, diese Notiz zum Jahre 1230 bringt, kann nicht
entscheiden. Denn sie ist offenbar später verfaßt und
ganz verwirrt. Der Rachezug Friedrichs, auf dem er
Vöttau eroberte, fand sicher im Juli 1233 statt, da
nachgewiesen ist, daß er zwischen den Einfall der
Baiern in Oesterreich und den Krieg König Heinrichs
gegen Baiern fällt.4) Beide aber fanden ohne Zweifel
i. Jahre 1233 statt, daher auch der Rachezug Friedrichs
und die Erstürmung Vöttaus. Nun sagt aber die Oont.
Garst: »sequenti anno vicem reddidit«. Dieses
') A. a. 0. p. 596.
2) A. a. 0. S. 404.
3) A. a. 0. S. 523.
4) Siehe unten S. 49 Anm.
43
»folgende Jahr« wäre also, wenn der erwähnte Krieg
Böhmens gegen Österreich wirklich noch zu Lebzeiten
Ottokars vorfiel, das Jahr 1231, ein Fehler von 2
Jahren. Zudem meldet sie, daß Friedrich demselben
Könige es heimgezahlt und seine Burg Vöttau er
obert habe. Darnach hätte Ottokar wenigstens noch
1231, eigentlich noch 1233 leben müssen. Die Schwie
rigkeit hebt sich so ziemlich, wenn man annimt. daß
der Continuator entweder den Namen vertauschte und
»Wenzel« schreiben wollte, oder, da die ganze Stelle
erst nach der Eroberung Vöttaus aufgezeichnet sein
kann (also frühestens Herbst 1233), die Tatsachen
nicht mehr recht im Gedächtnisse hatte. Unsere Be
hauptung von der Unzuverläßigkeit der Angabe wird
unterstützt durch die Beobachtung, daß von dieser
Stelle an bis zum Jahre 1237 die Melker Annalen ab
geschrieben werden. Es trat also hier eine Schwan
kung in der Führung der Annalen ein. In den abge
schriebenen Stellen finden wir dann die Eroberung
Vöttaus ein zweitesmal zum Jahre 1235 berichtet,
während die Melker Annalen, aus denen die Cont.
Garst, abschreibt, die Meldung zu 1234 bringt, also
wenigstens nur um ein Jahr irrt.
Das eine werden wir also konstatieren dürfen,
daß hier die Cont. Garst, nicht entscheidend ist.
Mehr spricht eine Stelle der sächs. Weltchronik ')
gegen uns. Da heißt es : »Darna starf de hertoge
Lippolt van Osterrik. Do brande de junge Koning
tvan Behem dat Land to Osterrik wante an de Donowe.
Tohant nadere herevard do starf de aide koning
Odakker van Behem«. Das ist allerdings deutlich
gesagt. Dennoch haben wir auch hier wieder einen
großen Feldzug, wo ganz Österreich nördlich der
Donau gebrandschatzt worden sein soll. Nun erwähnt
aber keine einzige der vielen österreichischen Chro
niken, die Cont. Garst.; deren Unbrauchbarkeit er-
') Mon. Germ, vernaculac linguae, II, p. 248.
44
wiesen ist, ausgenommen, einen ersten Einfall, ge
schweige denn einen ersten großen Verheerungszug
der Böhmen, während der zweite unter Wenzel aus
drücklich und teilweise verhältnismäßig ausführlich
berichtet wird. So werden wir denn wohl auch hier
einen Gedächtnisfehler des Chronisten annehmen
dürfen, zumal derselbe seine Chronik erst 1237 abzu
fassen begann, allerdings für die frühere Zeit auf
Albert von Stade fußend 1).
Demnach sind wir geneigt, nur einen Einfall der
Böhmen, nämlich unter Wenzel I. anzunehmen, der ja
allerdings noch im Dezember 1231 begonnen haben
mag. Jetzt wurde ganz Österreich bis an die Donau
verwüstet2). Daß aber Wenzel mit den zu gleicher
Zeit im Aufstand begriffenen österreichischen Mini
sterialen in Verbindung stand, wie Juritsch als
möglich hinstellt, ist sicherlich nicht anzunehmen ;
denn die Besitzungen der empörten Adeligen, deren
Güterauf dem linken Donauufer lagen, wurden nicht
minder verheert als die übrigen3).
Von einer Abfindung Friedrichs mit Wenzel ver
lautet aber nichts, und wenn auch eine stattfand,
so war jedenfalls »dem Landfrieden wenig zu trauen«.
Daher konnte der Herzog mit Recht fürchten, der
böhmische König werde seine Abwesenheit benützen,
um die Feindseligkeiten zu erneuern und sich viel
leicht jetzt wirklich mit den Ministerialen in Verbin
dung zu setzen. Friedrich konnte dies sehr wohl als
Entschuldigung für sein Nichterscheinen am Hofe des
Kaisers vorbringen.
Indes hat sich Friedrich vielleicht in seinem Trotze
weit weniger auf solche Entschuldigungen gestützt
') Vgl. die Einleitung zur Chronik in Mon. Germ. Ss. vorn.
1. II, S. 40.
2) Cont. Lambac, I. c. p. 55S.
3) Bachmann, Gesell. Böhmens I, S. 480.
45
als auf sein Privileg. Wir brauchen darauf nicht zu
rückzukommen ; das war es ja, was er dem Kaiser
durch den Melker. Abt an erster Stelle sagen ließ1).
II.
Kaiser und Herzog von der Neumarkter Zusammen
kunft bis zum Augsburger Tage (Ende Okt. 1235).
1. Die Zusammenkunft zu Neumarkt
(2. Hälfte Mai 1235).
Obwohl König Heinrich seinem Vater in Civi-
dale vor einer Anzahl von Fürsten, die noch dazu
eventuell vom Eid der Treue gegen ihn entbunden
und zu Garanten des Eides bestellt wurden, Gehorsam
geschworen, hatte er seine Empörungspläne doch
nicht aufgegeben.
Konsequent nur im Festhalten an dem einen
Ziele, sich vom Vater loszumachen, war er aber über
die Mittel dazu vollständig unklar. Es ist etwas so
Unreifes, Schwankendes, Unsicheres in diesem Könige,
daß er sich unwillkürlich als Gegenbild gegen den
Herzog Friedrich von Österreich aufdrängt. Beide
sind sich in ihrer Unbeugsamkeit und ihrem Trotz,
mit dem sie das einmal erfaßte Ziel festhalten, sehr
ähnlich, aber höchst unähnlich im Streben nach dem
selben. Fest und unerschütterlich bleibt der Herzog
von Österreich auf dem einmal eingeschlagenen Wege.
Heinrich hält das so sehr ersehnte Ziel allerdings
auch fest, aber er tappt auf dasselbe los, wie ein
Blinder und fieberhaft greift er nach jedem Stroh
halm wie nach einem Geländer, in der Hoffnung, daß
dem entlang der rechte Weg leite. Bald freilich sieht
') Vgl. oben S. 18 ff.
46
er, daß auch dieser Pfad nicht der rechte sei und
er verläßt ihn, um es mit einem neuen bald ebenso
machen zu müssen. «
Unzweifelhaft ist so viel Unklares in der Ge
schichte Heinrichs und seiner Umtriebe vor und nach
dem Cividaler Tage '), weil eben Heinrichs Kopf ver
wirrt war, weil er sich nie klar werden konnte über die
Mittel, die ihn zu seinem Ziele helfen können, weil er
ewig schwankt zwischen Empörung und Unterwerfung.
Obwohl er sich endlich zur Empörung aufrafft, ist
doch wieder alles, nachdem er es Jahre lang vor
bereitet hat, so wenig zugeschickt, daß der Aufstand
schon im Keime verunglückt. Es war eben zur Vor
bereitung desselben hunderterlei begonnen, aber nichts
wirklich durchgeführt. Auf dem Reichstage zu Civi-
dale hatte Heinrieh gesehen, daß von Seite der Fürsten
nichts zu hoffen sei. Er hat ja ihre Gunst nie recht be
sessen. Da begann er die Städte zu begünstigen. Die
Wormser wurden gegen ihren Bischof geradezu er
mutigt, was die Fürsten insgesamt auf das höchste
erbitterte2). Es war dies auf dem Wormser Reichs
tage am 3. August 1232 geschehen. Die Fürsten traten
so energisch auf, daß Heinrich nicht den Mut hatte,
ihnen entgegenzuhandeln. Schon am nächsten Tage
entschloß er sich, Worms gegenüber das Gesetz von
Ravenna und Cividale in Anwendung zu bringen3).
Kaiser Friedrich war über die ersten Regie-
rungshandlungen seines Sohnes so unzufrieden, daß
er bereits am 3. Dezember 1232 dem Erzbischof von
Trier den Auftrag gab, sich zum König zu begeben
und denselben zur Einhaltung des in Friaul gelei
steten Eides zu mahnen4).
1) Witikelmann, Friedrich II, I. S. 428.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4245.
.•) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4216.
*) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4269 a.
47
August 1233 unternahm der König eine Heer
fahrt gegen Otto II. von Baiern, den Sohn des 1231
ermordeten Herzogs Ludwig
Es ist sehr unklar, was Heinrich zu dieser Heer
fahrt vermochte. Zwar schreibt er selbst an den
Bischof Konrad von Hilde<?heim, er habe den Zug
nach Baiern unternommen, weil der Herzog eine dem
Kaiser feindselige Gesinnung gezeigt habe2). Allein
darauf wird ebensowenig zu geben sein, als auf
manche andere Behauptung des Königs, umsomehr,
da ja gerade der Kaiser den Herzog in Schutz nahm,
also offenbar selbst einen ganz anderen Grund für
das Unternehmen des Sohnes annehmen zu müssen
glaubte. Er beobachtete eben Heinrich seit der Zu
sammenkunft in Cividale sehr scharf, und da sein
Auge gut zu sehen pflegte, so dürfen wir aus dem
Vorgehen des Vaters auf die Beweggründe des Sohnes
immerhin einen Schluß ziehen.
Herzog Otto mußte den König bald um Frieden
bitten und sein Söhnlein als Geisel stellen ; da griff
aber der Kaiser ein, und das Kind wurde dem Vater
zurückgestellt3).
Man hat behauptet, König Heinrich habe den
Herzog für seine Empörungspläne zu gewinnen ge
sucht und sei dann, als ihm dies nicht gelang, aus
Rache gegen ihn gezogen4). Es ist dies immerhin
möglich, zumal wenn der König etwa darauf seine
Hoffnung setzte, daß der Herzog seit der Ermor
dung seines Vaters dem Kaiser bitter feind war,
daß er ihn für den Urheber des Mordes hielt, und
sich deshalb auch jeder Hoffahrt entzog. Auch das
ist möglich, daß der König durch seinen Rache
zug anstatt des Baiers einen anderen zu gewinnen
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4289 a.
2) Böhmer-Ficker Nr. 4348.
3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4348.
*) Huber, Gesch. Öst. I, S. 407. — Riezler, Gesch. Baierns II, S. 63.
48
gedachte — den Herzog von Österreich, der seit dem
Einfall Ottos II. im vergangenen Frühjahr sicher auch
noch frische Rachegefühle in der Brust hegte. Mit
solchen Hoffnungen kann ja die Anwesenheit An
selms von Justingen am Wiener Hofe (1. Mai und
2. Juni 1232) >) in Verbindung stehen*).
Dennoch ist das Ganze nicht viel mehr als
reine Conjectur; denn wenn auch die Scheftlarer
Annalen2) ausdrücklich sagen, daß der König dem
Herzoge deswegen zürnte, weil er nicht in die Em
pörung gegen den Kaiser willigen wollte, so sind ihre
Angaben leider gerade an dieser Stelle so vielfach
verworren und falsch, daß das Vertrauen auf die
ganze Stelle erschüttert wird3). Daher könnten wir
uns vielleicht am besten mit der Notitz der ange
führten Regeste begnügen : »Heerfahrt gegen Herzog
Otto von Baiern, deren Veranlassung uns unbe
kannt ist«.
Dennoch sei es gewagt, noch einen Gedanken
vorzutragen, der freilich auch nicht mehr als eine
Conjectur ist. Wäre es nicht möglich, daß damals
König Heinrich, der doch seit 1232 beständig nach
Mitteln suchte, seine Empörung ins Werk zu setzen,
') Meiller a. a. 0. S. 151, Nr. 16 und 17.
2) Mon. Germ. Ss. XVII., p. 430.
3) Vgl. dazu Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4289 a.
*) Anmerkung. Winkelmann, Gesch. Friedr. II., I, .S. 450,
Anm. 1 und S. 461, sagt, daß auch der Herzog von Österreich damals
(als der deutsche König in Baiern einrückte) den bairischen Herzog
bekriegte und führt das als Beweis für eine Verbindung zwischen dem
König und Friedrich an. Es ist das falsch. Her Einfall Ottos II. in
Österreich fand Ende Februar bis Mitte April 1233 statt (Hirn, krit.
Gesch. Friedrichs II., S. 17). Otto zog bald wieder heim, so- daß
Friedrich nichts weiter gegen ihn unternahm, sondern Anfang Juli
(Cont. Sancr. I. a. a. 0. p. 628: „Post octavam Joannis Baptistae")
in Mähren einfiel und Vöttau eroberte. Der Einfall des Königs in
Baiern fällt in den August, wo der Herzog von Österreich wahrschein
lich bereits krank lag (Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4289 a).
49
den Herzog Otto durch seinen Feldzug (er nimmt
dann auch dessen Söhnlein als Geiselj, nachdem er
es vergebens auf dem Wege der Unterhandlung ver
sucht, mit Gewalt auf seine Seite ziehen wollte, um
dem Kaiser die tirolisch - bairischen Grenzpässe
schließen zu können? In Schwaben war ja Heinrich
ohnehin in der Übermacht, konnte also hier dem
Kaiser den Zug nach Deutschland leicht wehren,
so daß diesem nur noch die Wege durch Österreich
offen geblieben wären, trotzdem er seit dem 14. April
1232 Verona und damit die Etschstraße besaß. Aber
was dann, wenn Heinrich auch den Herzog von Öster
reich für sich gewann? Wir treffen ja Anselm von
Justingen beim Babenberger. Wenn es Heinrich ge
lang, den Baiern niederzudrücken und den Öster
reicher zu gewinnen, dann waren die Aussichten
des Kaisers, in Deutschland einzudringen, noch weit
geringer als 1212, wo ihm Deutschland versperrt ge
blieben wäre, falls er um 3 Stunden später in Kon
stanz ankam An dieses erste Erscheinen des Vaters
in Deutschland mochte sich der Sohn jetzt erinnern.
Allerdings richtete Anselm in Wien nichts aus.
Aber nach seiner Art gab wohl damals der König
seinen Plan noch nicht auf und begann den Krieg
gegen Baiern dennoch. Er konnte ja hoffen, durch
den glücklichen Erfolg den Herzog auf seine Seite
zu ziehen. Selbstverständlich schließen diese Absich
ten des Königs beim Baiernkriege etwaige Rache
gedanken nicht aus.
1234 gingen neue Klagen über die Alpen. Auf
einem Reichstage zu Frankfurt wurde am 11. Februar,
wahrscheinlich auf Verlangen der Fürsten, ein Land
frieden verkündigt, welchen Heinrich dazu benutzte,
die Burgen zweier Anhänger des Kaisers, der Brüder
Konrad und Gottfried von Hohenloch (Hohenlohe),
durch Heinrich von Neifen brechen izu lassen. Der
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 670 g.
Präger Studien. XI 4
50
Kaiser befahl dem Könige, Schadenersatz zu leisten,
der Sohn gehorchte1). Er schwankte ja beständig
zwischen einem kraftlosen Aufbäumen und mürrischer
Unterwerfung.
Bald nach dem Kriege gegen Baiern hatte
Heinrich den Sohn des Markgrafen von Baden als
Geisel zu sich genommen. Auch ihn gab er auf Be
fehl dos Vaters heraus2). Doch wurde der Markgraf
auch weiterhin auf jede Weise bedrängt; er ging
deshalb zum Kaiser nach Italien, um sich über den
König zu beklagen 3). Der Kaiser erließ eine letzte
Warnung an den Sohn und erklärte wiederholt auf
das Bestimmteste, er werde jeden Verkehr mit ihm
abbrechen, falls er fortfahre, ihm in allem entgegen
zu handeln4).
Nun schrieb Heinrich am 2. September einen
wichtigen Rechtfertigungsbrief, an den Bischof von
Hildesheim gerichtet, worin er seine Verdienste um
den Kaiser hervorhebt und alles anführt, womit der
Kaiser ihn geschädigt habe. Er bittet den Bischof,
mit anderen Fürsten dem Kaiser anzuflehen, daß er
die mit eigener Hand dem Sohne verliehene Ehre
nicht mindern möge.
Zugleich sandte der König mit derselben Bitte
eine Botschaft, bestehend aus dem Erzbischof von
Mainz und dem Bischof von Bamberg5), an den Kaiser.
Allein diese Maßregeln sollten nur die wahren
Absichten Heinrichs verhüllen. Denn gerade jetzt, zur
ungeeigneten Zeit, da er mit fast allen Fürsten zer
fallen war, beschloß der schwankende König endlich
offene Empörung (Boppard, Sept. 1234) 6). Aber so
') Böhmer-Fieker a. a. 0. 4348.
2) Böhmer-Fieker 1. c.
3) Annal. Marbae., Mon. Germ. Ss. XVII, p. 177.
*) Böhmer-Fieker, 1. c. — Abgedruckt bei Huillard-Breholles
a. a. 0. IV, 628 ff.
<*) Huillard-Breholles a. a. 0. IV, p. 524.
6) Böhmer-Fieker a. a. 0. Nr. 4349 a.
51
pflegt es eben bei schwachen Naturen zu ergehen,
daß sie sich nach langem Schwanken endlich ent
schließen — zum Unheile.
Nachdem Heinrich zu Boppard mit einigen Fürsten
Rücksprache gehalten, wandte er sich an die Städte.
Schon oben wurde erwähnt, daß Heinrich gleich
nach seiner Rückkehr aus Cividale die Städte für
sich zu gewinnen suchte, aber von den Fürsten sofort
wieder in andere Bahnen gezwungen ward. Jetzt
kam er auf den alten Plan zurück.
Wir sind nur über die Städte des Elsasses genü
gend unterrichtet. Von diesen waren ihm die meisten
zu Willen, leisteten den verlangten Schwur, ihm gegen
jedermann ohne Ausnahme beizustehen, und stellten
Geiseln für ihre Treue 1).
Von den Fürsten traten dagegen nur die Bischöfe
von Speier und Straßburg, von Würzburg und Augs
burg, der Erwählte von Worms und der Abt von
Fuld unbedingt auf seine Seite2).
Interessant ist die diesbezügliche Stelle aus den
Kölner Annalen : »Nam et t u n c (also auch früher
schon) coepit sollicitare quoscunque potuit, minis prece
et precio, ut sibi assisterent contra patrem«3). Wir
sehen daran, daß mit den vorausgehenden Regie
rungshandlungen Heinrichs doch mehr bezweckt war,
als bloß den Kopf gegen den Vater aufzusetzen.
Weitaus den größten und entschiedensten An
hang hatte jedoch der König unter den Grafen- und
Ministerialengeschlechtern Schwabens und Frankens 4).
Die Städte waren mehr gezwungen auf seine Seite
getreten, Worms weigerte sich sogar entschieden und
mit Erfolg5). Die Grafen und Ministerialen aber liefen
') Winkelmann, Friedrich II., I, S. 461.
2) Winkelmann 1. c. S. 462.
3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4349 a.
4) Winkelmann 1. e. S. 463.
5) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4364a und Nr. 4380 a.
52
dem Könige in helfen Haufen zu, doch auch da haupt
sächlich die aus Schwaben und Franken, das heißt die
Reichsministerialen und kleinen Territorialherren, die
noch immer fürchten mußten, von den großen Fürsten
oder vom Reiche aufgezehrt zu werden. Einstmals
hatte zwar der Kaiser seine Ministerialen und die
kleinen Herren begünstigt, ebenso wie die Städte1),
allein er war davon abgekommen, als er zu größeren
politischen Plänen unbedingt der Fürsten bedurfte.
Die den Fürsten eingeräumte Macht suchte er durch
Begünstigung tihres landsässigen Adels zu paralysie
ren2), wie man vor allem in Österreich sehen kann.
Daher kam es, daß der Kaiser zwar einerseits den
kleinen Reichsadel opferte, andererseits aber den land
sässigen hob. Der geopferte Adel und die gefährdeten
Duodezlandesherren strebten nun unter den Fahnen
des jungen Königs nach einer besseren und siche
reren Zukunft. Aus ihren Reihen waren jene Ver
führer, welchen der Kaiser oftmals die Schuld an den
Verirrungen seines Sohnes gibt.
So wurde die Rebellion zu einem Kampfe höherer
Bedeutung, zu einem Kampfe zwischen Ministerialität
und Kleinfürstentum mit dem größeren Fürstentum 3).
Unter den Ministerialengeschlechtem sind neben zahl
reichen anderen vor allen die Justingen und Neifen,
unter den Grafengeschlechtern die von Kyburg, Urach,
Wirtemberg, Dillingen, Hirschberg, Wertheim, Löwen
stein, Botenlauben, Castell, Leiningen hervorzuheben 4).
Doch auch auswärts suchte Heinrich Hilfe.
Am 13. Nov. sandte er den vielgewandten Hof
marschall Anselm von Justingen und den Würzburger
Archidiacon Walther von Tannenberg, seinen Capellan,
in die Lombardei5). Am 17. Dezember war das Bünd-
') Winkelmann 1. c. S. 230 f. und 234.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4196 und 4198.
3) Vgl. Winkelmann 1. c. S. 463.
') Winkelmann 1. c.
5) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4 ^S—4360.
53
nis mit dem lombardischen Bunde geschlossen 1). Durch
ihn besaß Heinrich fast alle deutsch-italienischen Pässe
und konnte dem Kaiser in Italien zu schaffen geben.
Um eine Verbindung seines Vaters mit England zu
paralysieren, — Friedrich gedachte die Schwester Hein
richs III. zu heiraten2) und bezweckte gewiß mehr als
«ine bloße Familienverbindung, nämlich auch einer
etwaigen Allianz seines Sohnes mit England und den
Weifen vorzubeugen3) —, sandte der König den Bischof
Hermann von Würzburg und Heinrich von Neifen
an Ludwig IX. von Frankreich und schlug ihm eine
Verlobung ihrer Kinder vor4). Ludwig ging auf den
Plan nicht ein.
So standen die Dinge, als sich das Jahr 1234
dem Ende zuneigte. Die Mitkaiserschaft, wahrschein
lich sogar die gänzliche Verdrängung Friedrichs
vom Kaisertrone, sollte für Heinrich der Kampfpreis
sein 5).
Erst am 29. Jan. 1235 forderte der Kaisers, nach
dem er in Sicilien Geldmittel gesammelt hatte6), die
deutschen Fürsten in einem Schreiben auf, seinem
Sohne hinfort entgegenzutreten und ihm selbst dem
nächst nach Friaul entgegenzukommen 7). Er hatte es
also durchaus nicht eilig. Es lag je etwas Kindisches
in der Empörung seines Sohnes. Der Markgraf von
Baden konnte es wagen, aus Italien, wo er den
König verklagt, zurückzukehren, und behauptete sich
in seinen Burgen gegen ihn 8). Von Worms mußte
Heinrich unverrichteter Dinge abziehen 9).
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2068 a.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2063.
3) Winkelman, Friedrich II., I, S. 459.
4) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4371a.
5) Winkelmann, Friedrich II., I, S. 465.
6) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2072.
7) Böhmer-Ficker a. a 0. Nr. 2075.
8) Annal. Marbac. a. a. 0. p. 177.
») Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4381a.
54
Einer allerdings hätte für den Kaiser sehr ge
fährlich und für Heinrich sehr nützlich werden
können — der Herzog von Öslerreich.
Zwar war die Veroneser Klause im Besitze
Ezzelins und damit des Kaisers; allein dieser hätte
ein bedeutendes Heer gebraucht, um bis Verona
durchzudringen. Vicenza, Treviso, Padua, Ferrara,
Bologna, Mantua, Reggio, Lodi, Crema, Mailand,
Brescia umschloßen ringsherum die kaiserliche
Enclave.
Daß der Kaiser dennoch nicht allzu große Eile
hatte, nach Deutschland zu kommen, daß er seine
deutschen Fürsten ruhig nach Friaul entgegen-
beschied, daß er seinen Weg durch steirisch-österrei-
chisches Gebiet zu nehmen wagte, daß wir endlich
von Seite Heinrichs um diese Zeit nicht die geringste
Spur eines Versuches finden, den Babenberger zu
gewinnen, das alles muß uns der klarste Beweis
sein, daß der Kaiser um diese Zeit vollständig auf
die Treue des Babenbergers baute, während der König
ganz und gar überzeugt war, daß er den Herzog
auf keine Art auf seine Seite ziehen könne.
Wenn daher Riezler 1) behauptet, daß sich König
Heinrich dem Babenberger eng anschloß, so darf das
höchstens im Sinne eines Versuches von Seite des
Königs im Jahre 1233 verstanden werden, sonst ist
es sicherlich nicht richtig.
Nach dieser ziemlich langen Abschweifung auf
die deutschen Verhältnisse seit 1232, die aber not
wendig war, da wir im Laufe unserer Ausführungen
noch öfters auf dieselben zurückkommen müssen,
wenden wir uns wieder dem Manifeste zu, das eben
hier mit einer neuen Anklage gegen den Herzog ein
setzt. Es wurde erwiesen, daß bis zum Jahre 1235
die Klagen des Kaisers gegen Friedrich sämtlich
grundlos waren ; von jetzt an wird man es nicht
immer sagen können.
]) Gesch. Baierns II, S. 63.
55
Auf seinem Zuge von Italien nach Deutschland
im Mai 1235, so führt das Manifest aus, habe der Kai
ser, um dem Herzoge einen besonderen Beweis seiner
Huld zu geben und ihn um so bereitwilliger für den
kaiserlichen Dienst zu machen, seine Person öster
reichischenBoden anvertraut. Da habe aber der Herzog
bei einer Zusammenkunft mit dem Kaiser sich nicht
geschämt, vom Kaiser 2000 Mark zu verlangen für einen
Krieg, den er gegen Böhmen und Ungarn unterneh
men wollte, und als ihm der Kaiser dies abgeschlagen,
habe der Herzog rundweg erklärt, er wolle ihm nun
nicht weiter mehr dienen.
Erst nach Ostern (Mitte April) brach Kaiser
Friedrich II. von Unteritalien auf1), hielt Ende des
Monats in Fano noch einen Hoftag 2), schiffte sich im
Mai zuRimini mit kleinem Gefolge ein3) und landete
in Aquileja4). Von da ging er nach Cividale, wo er
von den deutschen Fürsten empfangen wurde5).
Den Babenberger finden wir nicht hier; wir
möchten vermuten, daß er diesmal gar nicht einge
laden wurde, denn sonst hätte der Kaiser dies wohl
bemerkt. Er fürchtete wahrscheinlich, daß eine solche
Einladung bei dem starren Sinn des Herzogs nur
zu neuen Reibungen führen könnte, die dem Kaiser
im Augenblick unwillkommener denn je sein mußten*).
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2083 a.
3) L. c. Nr. 2085 a.
a) L. c. Nr. 2089 a.
4) L. c Nr. 2089 b.
0) L. c. Nr. 2089 c.
*) Anmerkung, Die Meinung Ad. Kickers (Friedrieb II., der
letzte Babenberger, S. 39, Anm. 1), der Herzog von Österreich habe
sich, da er am 27. April zu Pettau urkundet (Meiller a. a. 0. S. 154,
Nr. 28) und dieses zu weit weg vom Wege aus Österreich nach Neu
markt liegt, auf dem Wege über Krain nach Friaul befunden, scheint
deshalb nicht annehmbar zu sein, weil die Zeitangaben nicht zusam
menstimmen. Der Herzog müßte nämlich unter Fickers Voraussetzung in
Pettau seinen Plan, nach Friaul zu gehen, geändert haben, etwa, da er
56
Von Cividale zog Friedrich II. durch den Kanäle
di Ferro (Fellatal) über Chiusaforte und Pontafel nach
Villach 1) und von da weiter über Triesach nach Neu
markt2!. Hier auf steirischem Boden traf der Herzog
bei ihm ein3). Daß der Kaiser dem Herzoge durch
seinen Zug über Österreich eine so große Huld er
wies, wie es im Manifest heißt, ist nicht recht einzu
sehen. Denn da er ohne Heer nach Verone schlechter
dings nicht gelangen konnte (er fährt ja deswegen
auch zu Schiff von Rimini nach Aquileja), so blieb
ihm nicht viel andres übrig, als durch Österreich zu
ziehen, zumal er mit seinem vierspännigen Wagen,
hörte, der Kaiser werde durch die Steiermark ziehen. Allein erstens
hätte ihn doch das, wenn er anders vorhatte, nach Fnaul zu gehen,
daran nicht zu hindern brauchen, und zweitens wird der Kaiser am
27. April, wo er sich noch in Fano befand, wohl schwerlich schon
etwas über seine Reiseroute haben verlauten lassen. Wenn die Nach
richt auf mehr oder minder zufällige Weise nach Pettau zu Herzog
Friedrich gelangen sollte, so hätte er sich aber über den Weg sogar
noch bedeutend früher aussprechen müssen, etwa Mitte April, wo er
sich noch in Unteritalien befand. Das ist mehr als unwahrschein
lich. Falls aber etwa die Reiseroute von vornherein feststand, so ist
es umso unerklärlicher, warum der Herzog, als er sich schon in Pettau
befand, auf einmal seine Winterreise nach Cividale aufgegeben hätte.
Zurecht wäre er dahin sicherlich noch gekommen, da bis zur Ankunft
des Kaisers in Neumarkt fast noch ein Monat verging. Daß Pettau
so abseits vom Wege aus Österreich nach Neumarkt liegt, tut gar
nichts zur Sache. Ficker setzt hier voraus, was zu beweisen wäre,
daß nämlich der Herzog auf dem Wege von Österreich nach Neumarkt
war. Ks kann aber sehr wohl sein, daß sich damals der Herzog etwa
auf dem Wege von Österreich in seine krainischen Besitzungen oder
auch auf dem Rückwege von da befand. Sie lagen ihm ja stets be
sonders am Herzen und nennt er sich doch seit März 1232 „Dominus
Carniolae" (Meiller a. a. 0. S. 264, Anm. 432).
1) L. c. Nr. 2089 d.
2) Anmerkung. Über die Zugehörigkeit Neumarkts zu Steier
vgl. Werunsky a. a. 0. S. 271. Das Neuniarkter Gebiet grenzte sowohl
im Westen als im Süden an Kärnten.
3) L. c. 2089 c und 2090.
57
mit Gold, Silber, Leinwand, Purpur, Edelsteinen und
prächtigen Gewändern, mit seinen Kameelen, Maul
tieren, Dromedaren, Käfigen mit Affen und Leopar
den, von Saracenen und Aethiopiern geführt1), keine
»Saumpfade« benutzen konnte.
Noch etwas anderes kommt hinzu. Für einen
Fürsten, der nach dem Zeugnisse des Manifests so
von Verbrechen trieft, wie Friedrich von Oesterreich,
war es wahrhaftig keine besonders große Gnade.,
wenn das höchste Evocations- und Appellationsge
richt leibhaftig durch seine Lande zog, so daß in
zwischen alle übrigen Gerichte darniederlagen. Der
Unterhalt des Hofes, zu dem jetzt obendrein noch
die ganze Menagerie kam, war zum Glück für die
weltlichen Fürsten aus der Übung gekommen.
Die Zusammenkunft des Kaisers und Herzogs
in Neumarkt fand in der letzten Woche des Mai statt 2).
Es brach dabei ein solcher Zwiefalt zwischen den
beiden aus, daß die Begegnung, wie es scheint, ge
radezu den Wendepunkt in ihrem Verhältnisse zu
einander bezeichnet.
Der Herzog forderte nämlich vom Kaiser 2000
Mark (etwa 600.000 Kronen) für einen Feldzug gegen
Ungarn *).
Die Regierung König Andreas II. (1205—1235)
war stets eine äußerst schwache gewesen. Kronrechte
und Kronschätze wurden an den gierigen Adel ver
geben (goldene Bulle vom J. 1222), und als Bela IV..
seit 1232 Mitregent, die Krone durch Einziehung der
verschleuderten Krongüter wieder zu stärken ver
suchte, faßten einige Magnaten den Plan, durch die
') Contin. Eberbac., Mon. Germ. SS. XXII, p. 348.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2089 e.
*) Anmerkung. Krones (Handbuch der Gesch. Österr. I, 624)
spricht an dieser Stelle noch von dem „leidigen Mitgitthandel, der
Kaiser und Herzog entzweit habe".
58
Vermittlung des österreichischen Herzogs dem deut
schen Kaiser die ungarische Krone anzubieten 1) *).
Herzog Friedrich sah nun wohl ein, daß der Kaiser
unter den obwaltenden Umständen ihn mit einem
Heere nicht unterstützen könne, er verlangte deshalb
vom Kaiser nur Geld. Hatte er ja schon einmal nicht
unglücklich mit den Ungarn gefochten (1233). Er konnte
daher hoffen, daß er jetzt, nachdem eine wenn auch
unbedeutende Partei auf seiner Seite stand, in An
betracht der zerrütteten Zustände in Ungarn, mit den
beiden Königen fertig werden könne. Es scheint
nicht notwendig zu sein, hierbei allzuviel Gewicht
auf seine »törichte Gesinnung« zu legen.
Was Böhmen betrifft, so wird der Herzog dem
Kaiser den Krieg mit dieser Macht zunächst nur als
Möglichkeit oder vielmehr Wahrscheinlichkeit hinge
stellt haben, nicht aber, als ob er zugleich auch Böh
men habe angreifen wollen, wie das Manifest sagt.
Denn für so töricht möchten wir den Herzog denn
doch nicht halten, daß er sich aus freien Stücken in
einen gleichzeitigen Angriffskrieg mit den beiden
mächtigen Grenzländern stürzen wollte. Daß aber
Wenzel als Neffe Andreas II. (Sohn von Andreas
Schwester Konstanze) und als Nachbar, der auf die
wachsende Macht Oesterreichs niemals gleichgiltig
schaute, den ungarischen Königen sofort zu Hilfe
eilen würde, das allerdings war vorauszusehen.**)2).
1) Huber, Gesch. Osten•. I, S. 408; Bachmann, Gesch. Böhmens I,
S. 501; Ficker a. a. 0. S. 41 f; Juritsch a. a. 0. S. 545.
2) Vgl. dazu Bachmann, Gesch. Böhm. I, S. 501.
*) Anmerkung. Rogerii carmen miserabile bei Endlicher,
Monumenta Arpadiana p. 261, ist die einzige Quelle. Aus dieser geht
aber klar hervor, daß die Magnaten dem Kaiser und nicht dem Her
zoge die Krone anboten. Vgl. darüber Huber, Gesch Öster. I, 408, Anm.
**) Anmerkung. Außerdem scheint schon wieder Stoff zu
Zwistigkeiten zwischen Österreich und Böhmen vorhanden gewesen
zu sein; denn die Erfurter Annalen (Mon. Germ. SS. XVI, p. 30) er-
59
Der Grund, warum der Herzog sich so für die
Sache begeisterte, wird natürlich nichtsweniger als
selbstlos gewesen sein. In dieser oder jener Form
glaubte er auf die Erweiterung seiner Macht dabei
rechnen zu können 1).
Wir müssen also gestehen, daß uns der Vor
schlag des Herzogs nicht gar so befremdet. Falls es
ihm gelang, den Kaiser für die Sache zu gewinnen,
mochte er wohl gegen einen etwaigen Angriff Böh
mens auf ein Machtgebot desselben und eventuell
auch auf ein Einschreiten von reichswegen rechnen.
Töricht handelte er erst, als er sich trotz des kaiser
lichen Verbots in den Krieg stürzte.
Andererseits war ja freilich ebenso zu erwarten,
daß Kaiser Friedrich ihm seine Forderung abschlag.
Denn erstens strebte der Kaiser überhaupt niemals
nach Ausbreitung seiner Herrschaft diesseits der
Alpen; zweitens war ja trotz allem der Erfolg des
Unternehmens sehr fraglich ; drittens kam der Kaiser
jetzt eben nach Deutschland, um Ordnung und Frieden
im Lande herzustellen, und da wollte er weder einen
Reichskrieg mit Ungarn noch einen Landfriedens
bruch zwischen Böhmen und Österreich.
Leider blieb es nicht beim einfachen Abschlagen
der Forderung. Denn der Herzog, ein Hitzkopf, wie
er war, soll dem Kaiser die herbsten Worte ins Ge
sicht gesagt haben. Nachdem der Kaiser die unga
rische Krone, die er noch dazu mit seinem Heere zu
erobern sich erboten, und wozu er nichts als einiges
Geld zur Unterstützung verlangt habe, so kurzweg
abgewiesen habe, wolle er ihm überhaupt fürder
nicht mehr dienen.
zählen, der Kaiser habe sich in Neumarkt bemüht, einen Vergleich
zwischen Wenzel und Friedrich zustande zu bringen, was aber nicht
gegen unsere Annahme spricht, daß sich der Herzog Böhmen gegen
über bei dem geplanten Kriege in der Defensive halten wollte.
') Bachmann, Gesch. Böhmens, I, S. 501.
60
»Dixit se nunquam ut antea serviturum«, heißt
es im Manifest. Das wäre nun nicht bloß eine grobe
Beleidigung der kaiserlichen Majestät, sondern, streng
genommen, eine förmliche Kündigung der Lehens
pflicht.
Allein wenn wir die übrigen Unwahrheiten und
Übertreibungen des Manifests in Erwägung ziehen,
so ist es möglich, daß der Herzog diese Worte über
haupt gar nicht gebraucht hat. Da die Unterhandlung
doch wahrscheinlich unter vier Augen stattfand, so
war es ja leicht, die Worte des Herzogs zu über
treiben und zu verdrehen. Daß der Erzürnte dem
Kaiser, der ihm all die Luftschlößer, die der Herzog
auf den Ungarkrieg aufgebaut haben mochte, mit
einem kalten Nein niederriß, in höchst ungeziemender
Weise seine Meinung gesagt haben mag, ist ja sehr
glaublich, umsomehr als er den Kaiser sofort ver
lassen zu haben scheint. Denn weder in Admont,
wohin der Kaiser über den Rottenmanner Tauern
weiterreiste, wird seine Gegenwart von dem Chroni
sten, der ausdrücklich vom feierlichen Empfange des
Kaisers schreibt, erwähnt '), noch auch findet sich
sein Name in den in Wels ausgestellten Urkunden 2).
Daß also eine Entfremdung zwischen Kaiser und
Herzog eingetreten war. ist sicher. Allerdings wollte
sie der Kaiser seinerseits noch nicht zeigen; es wäre
ja auch jetzt die ungelegenste Zeit dazu gewesen.
Er nennt den Herzog noch in Wels »dilectus prin-
ceps noster« 3), allerdings nur eine Phrase, die aber
doch zeigt, daß der Kaiser jene Gehorsamskündi
gung, falls sie der Herzog wirklich aussprach, nicht
in der strengen Wortbedeutung, sondern einfach als
Ausbruch des Zornes auffaßte4). Dasselbe folgt übri-
') Ccmt. Admunt. 1. c. p. 593.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2092 und 2093.
3) Urkundenbuch des Landes ob der Enns III, 30.
*) Huber, Gesch. (ist. I, S. 408.
61
gens auch aus den Worten des Manifestes selbst, er
habe auch damals noch den Vorteil des Herzogs im
Auge behalten wollen.
Mehr dürfte den Kaiser geärgert haben, daß
der Herzog trotzig davon ging und sich wegen seiner
Worte in keiner Weise entschuldigte, am meisten,
daß er wirklich den verbotenen Krieg gegen die
Ungarn unternahm.
Dadurch schien er allerdings seine Worte, falls
er sie wirklich sprach, selbst im all erschlimmsten
Sinne auszulegen.
2. Der Mainzer Hoftag; und der Krieg gegen Ungarn.
Als der Kaiser Anfang Juni 1235 auf seinem
Zuge nach Deutschland bairischen Boden betrat, war
es das erste, den Herzog Ottoll. von Baiern zu versöh
nen. Es gelang überraschend schnell zu Regensburg 1).
Der Baierherzog konnte als Ersatz für den abspän-
stigen Herzog von Österreich gelten.
Aber es war noch viel im Reiche zu ordnen.
Heinrich hatte sich anfangs unschlüssig auf der Feste
Trifels eingeschlossen, bald aber schickte er nach
Nürnberg Gesandte, die in seinem Namen Unterwer
fung anboten (in der ersten Hälfte oder Mitte Juni) 2).
Um diese Zeit schrieb auch der Kaiser einen
feierlichen Hoftag nach Mainz aus3). Es gab viel zu
beraten und zu beschließen, selbst dann„noch, als sich
der König zu Wimpfen seinem Vater unterwarf (noch
im Juni 1235)*).
Der Mainzer Reichstag war seit April 1220 wieder
der erste, den der Kaiser in Deutschland hielt. Er
1) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2093 a.
2) L. c. Nr. 2098 und 2094 a.
3) Huillard-Iiieholles a. a. 0. IV, p. 945.
*) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2098 a.
begann am 15. August *) und wurde wahrscheinlich
am 22. desselben Monats mit einem großen Reichs
feste geschlossen2).
Seit 1184 war ein so glänzender Reichstag nicht
abgehalten worden. Die Einmütigkeit, mit der sich
die Fürsten um den Kaiser scharten, zeigte noch
greller die Unbesonnenheit Heinrichs, als er sich
gegen seinen Vater empörte, zeigte aber auch die
Unklugheit eines zweiten Fürsten, der, obwohl geladen,
auch diesmal, auf sein Privileg sich steifend, kein Be
denken trug, dem mächtigen Kaiser zu trotzen. Dieser
Fürst war Friedrich von Österreich.
Der Mainzer Reichstag ist einer der aller wich
tigsten in der deutschen Geschichte. Zunächst wegen
des hier beschworenen allgemeinen Landfriedens, von
dem alle folgenden Landfrieden im wesentlichen nur
eine Wiederholung sind 3). Das Landfriedensgesetz
wurde auch in deutscher Sprache amtlich verkündet.
Das soll, wie meistens angenommen wird, hier zum
erstenmal geschehen sein. Böhmer Ficker4) scheint zu
widersprechen. Doch wird er auf das Wort »amtlich«
zu wenig Gewicht legen.
Mit dem Landfriedensgesetze war noch eine
Menge anderer verbunden, die zum Teil freilich mit
demselben zusammenhängen5).
Desgleichen wurde auf diesem Tage ein neues
Reichsamt geschaffen, das eines ständigen Hofrich
ters, justitiarius 6), eine wichtige und entwicklungs
fähige Neuerung. Bisher war das Reichshofgericht
vom König selbst oder von einem von Fall zu Fall
oder höchstens auf kürzere oder längere Zeit von
') L. c. Nr. 2099 c.
a) L. c. Nr. 2104a und Winkelmann, Friedrich IL, I, S. 489.
3) H. Brunner, Gruudzüge der deutschen Rechtsgesch. S. 93.
*) A. a. 0. Nr. 2099 c.
5) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2100.
6) L. c. Nr. 2100.
63
dem ernannten Stellvertreter geleitet worden. Das
Amt des Justitiars stammt aus Sicilien.
Ferner wurde auf Mitte des kommenden April
ein allgemeiner Reichskrieg gegen die Lombarden
beschlossen und beschworen
Auch über die Nachfolge im Reiche scheint bereits
auf dem Mainzer Tage verhandelt worden zu sein 2).
Endlich wurden auf diesem Hoftage die Stadt
Braunschweig und die Burg Lüneburg mit Zubehör
zu Herzogtümern erhoben und an den Neffen Kaiser
Ottes IV., Otto von Lüneburg, mit Fahnen (cum ve-
xillis) als Weiberlehen übertragen 3).
Zu diesem wichtigen Reichstag waren bereits
Mitte oder doch Ende Juni4) die allgemeinen Ein
ladungsschreiben auch nach Österreich gegangen,
und ihnen folgten reitende Boten mit dem speziellen
Einladungsbrief an den Herzog.
Der Herzog ging nicht, Mainz ist nicht in Baiern.
Der Kaiser brandmarkte diese Weigerung, den Hof
tag zu besuchen, mit »contumacia«, worauf Reichs
acht stand. Allein das Wort ist nicht am Platze, denn
Friedrich war auf diesem Reichstage zu erscheinen
sicherlich nicht verpflichtet. Unklug war es allerdings,
daß er unter obwaltenden Umständen diesmal nicht
sein Privileg in der Truhe ließ, noch schlimmer,
daß er gerade zur selben Zeit, wo er zum Reichstag
eingeladen wurde, gegen des Kaisers Verbot Krieg
mit Ungarn begann und dadurch auch dem König
von Böhmen Veranlassung gab, — den Landfrieden
zu brechen, während man gerade die strengsten Ge
setze dagegen vorbereitete. Von diesem Landfriedens
bruch des böhmischen Königs zur Zeit des Mainzer
Hoftages weiß freilich das Manifest nichts. Er war
ja der Hauptkläger des Herzogs.
1) L. c. Nr. 2107.
2) Vgl. darüber das Nähere bei Böhmor-Fieker a. a. 0. Nr. 2099 c.
3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2104.
*) L. c. Nr. 2098.
64
Juritsch1) meint, daß der Herzog schon auf dem
Mainzer Hoftag wegen eingebrachter Klagen »zitierte
worden sei. Er beruft sich dabei auf den Wortlaut
des Manifests. Allein aus demselben können wir eine
Citation nicht heraus lesen. Der Kaiser sagt ausdrück
lich: »Convocavimus eum sicut ceteros prout ge-
neraltter et specialiter singuli prineipum fuerunt con-
vocati«. Der Ausdruck »contumaciter recusavit« ist
sicherlich nicht so genau zu nehmen. Übrigens war
zur Zeit der Einladung auch gar kein genügender
Grund zur Citation. Das Auftreten des Herzogs in
Neumarkt hatte ja der Kaiser gütigst »unberücksich
tigt« gelassen. Die Klagen des Baiern wegen der Be
setzung Formbachs im Jahre 1232 (wenn dieselbe
überhaupt stattfand) konnten doch auch nicht ge
nügen, zumal die Sache veraltet und Formbach längst
wieder in bairischen Händen war2). Sie konnten also
höchstens in Verbindung mit anderen Beschwerden vor
gebracht werden. Die im Manifest angeführten Klagen
des Böhmen werden sich vor allem auf den Friedens
bruch von 1235 beziehen, der aber zur Zeit der
generellen und speziellen Einladung (Juni und Juli)
noch gar nicht erfolgt ist. Zu alledem war Wenzel
damals noch mit dem Kaiser wegen der Erbansprüche
seiner Gemahlin auf Teile Schwabens 3) noch auf viel
zu gespanntem Fuße, als daß er seine Klagen vor
ihn gebracht hätte. Vor der Hand trug er seinen Un
mut gegen den Babenberger lieber auf der Spitze
des Schwertes in dessen Lande.*) Die Mutter des
') A. a. 0. S. 550; Ficker a. a. 0. S. 45 spricht bloß von einer
Einladung.
a) Vgl. Juritsch a. a. 0. S. 539.
3) Bachmann, Geschichte Böhmens I, S. 502.
*) Anmerkung. Wenzel ist natürlich nicht auf dem Mainzer
Tage, konnte ja auch wegen des Krieges gegen Österreich nicht kom
men, falls dieser vor dem 15. August noch nicht beendet war, und
sein Privileg kannte offenbar der Kaiser besser als das österreichische
von 1156, weil er es selbst gegeben.
65
Herzogs wurde auch erst nach dem Friedensschlusse
vertrieben ; desgleichen trat, wie noch zu berichten
ist, die Grenzsperre erst im Oktober oder noch später
ein, jedenfalls nicht schon im Juni-Juli, da um diese
Zeit das Getreide sicherlich noch nicht gedroschen
war und der Wein kaum die Beeren anzusetzen be
gann. Auch die Klagen der Ministerialen werden um
diese Zeit noch nicht vor den Kaiser gekommen sein;
sie haben gegen den Herzog doch wahrscheinlich erst
aufzutreten gewagt, als der volle Bruch desselben
mit dem Kaiser schon so gut wie bevorstand. Der
Kaiser erwähnt sie erst nach dem Mainzer Tage, ge
rade so wie die Klagen der Reichsfürsten.
Der Herzog begann denn auch erst von dieser
Zeit an dem Kaiser berechtigten Grund zu klagen zu
geben und zwar in erster Reihe durch seinen Krieg
gegen Ungarn.
Juritsch ') meint nun, der Herzog habe sich
nicht nur gegen die Böhmen, sondern auch gegen
die Ungarn lediglich in der Defensive befunden : alte
Zwistigkeiten und die Kunde von dem Plane des
Friedrichs*) hätten den ungarischen und mit ihm den
böhmischen König bewogen, dem Herzog zuvorzu
kommen und in Österreich einzufallen. Bachmann2)
und A. Ficker 3) sagen das Gegenteil ; mit Recht. Denn
erstens versichert die Kölner Chronik 4), daß der An
griff von Friedrich ausging, und zweitens sagt das
Manifest ausdrücklich, Friedrich sei ohne Erlaubnis
und ohne Zustimmung des Kaisers feindselig und
unter Verwüstungen ins Land des ungarischen Kö-
') A. a. 0. S. 548 f.
2) Geschichte Böhmens I, S. 501.
») A. a. 0. S. 42.
*) Chron. reg. Colon., Mon. Germ. Ss. XVII, S. 844.
*) Anmerkung. Es war damals ein Bote mit einem Briefe der
Magnaten an Friedrich abgefangen worden. Auch konnten ja die
Rüstungen des Herzogs nicht verborgen bleiben, vielleicht nicht einmal
die Ereignisse bei der Neumarkter Zusammenkunft.
Prager Studien. XI 5
66
nigs eingebrochen. In einem Falle, wo es sich doch
um offenkundige Dinge handelte — denn das konnte
man doch ziemlich leicht erfahren, ob der König
von Ungarn oder der Herzog von Österreich den
Krieg zuerst aufgenommen — können wir eine Ver
drehung im Manifeste nicht leicht annehmen. Selbst
eine strittige Urkunde, welche Friedrich unter dem
Datum »Juli 1236 in Globitz in Ungarn iuxta aquam . . .
Wag« ausstellte1), läßt sich auf diesen Einfall fixieren.
Hirn2), Huber3) nehmen nämlich das Jahr 1235 statt
1236 an, Ficker4) meint, die Urkunde sei erst 1236
ausgefertigt worden, während die beurkundete An
gelegenheit ins Jahr 1233 falle — etwas Ähnliches
müssen auch Hirn und Huber annehmen, da eine
Radierung in der Urkunde ausgeschlossen5) und eine
Verschreibung kaum denkbar ist. Meiller ü) setzt 1241,
also die Zeit der Mongolengefahr, an. Das Jahr 1236
wird deshalb von allen verworfen, weil der Herzog
in diesem Jahre weder als Feind noch als Freund
in Ungarn war. Ficker glaubt an das Jahr 1233 des
halb, weil Friedrich damals von Theben aus, das er
in diesem Jahre belagerte, einen Streifzug gegen Ober
ungarn unternehmen konnte7), nicht aber 1235, wo
sich die kriegerischen Ereignisse vielmehr auf dem
regnten Donauufer abspielten*). Indes scheint uns
') Über diese Urkunde vgl. Ficker a. a. 0., Beilage 2, S. 150 ff.
2) Kritische Gesch. Friedrichs, des letzten Babenbergers, Pro
gramm der k. k. Oberrealsch. in Salzburg, S. 45.
3) A. a. 0. I, S. 409, Anm. 3.
*) A. a. 0. S. 155 f.
<>) Ficker a. a. 0. S. 152.
8) A. a. 0. S. 168, Nr. 87.
7) Ficker a. a. 0. S. 155.
*) Anmerkung. Über den Ort Globitz vgl. den Excurs 2 bei
Ficker a. a. 0. S. 153. Er hält Globitz für Freistadtl, slav. Frystak,
dessen magyarischer Name Galgöcz ist; letzterem, meint Ficker, liegt
wahrscheinlich ein slovakisches Golgovic, Glogovic zu Grunde, was
der ursprüngliche Name des Städtchens gewesen sein mag, während
der jetzige slovakische. Frystak, erst aus dem deutschen „Freistadtl"
entstanden sein dürfte
67
das keine so große Schwierigkeit zu bereiten. Es
hängt eben alles mit der Frage zusammen, ob Fried
rich in diesem Kriege in der Defensive oder ursprüng
lich in der Offensive war.
Zunächst sei bemerkt, daß wenigstens der Beginn
des Krieges in den Juli gefallen zu sein scheint; denn
das sagen ausdrücklich die Annales Erphordenses 1).
Dem widerspricht auch das Manifest nicht, wie Ficker
meint 2). Es heißt da, der Herzog habe, statt auf dem
Mainzer Reichstage zu erscheinen, den Kriegszug
unternommen ; der Reichstag fällt aber in die zweite
Hälfte (15.—22.) des Augusts. Allein wenn man die
Stelle im Zusammenhang betrachtet, so läßt sie sich
sehr wohl dahin verstehen, daß der Herzog zur Zeit
der Einladung auf den Reichstag und als er sich
hätte zum Zuge nach Mainz rüsten müssen, den
Krieg begann, nicht aber gerade zur Zeit des Reichs
tages selbst.
Was nun den Kriegsschauplatz betrifft, so scheint
es ganz leicht möglich zu sein, daß der Herzog im
Juli (denn wie hätte der kriegslustige Mann bis nach
Mitte August, also mehr als dritthalb Monate nach
der Neumarkter Zusammenkunft, mit seinem Angriff
warten können, zumal er doch vielleicht schon vor
der Zusammenkunft in Neumarkt die ersten Vorbe
reitungen getroffen hatte) auf der Straße über Preß
burg nördlich der Donau an der Spitze seines Vor
trabes bereits bis an die Waag vorgedrungen war
(wie er es ja nach Ficker3) 1233 auch gemacht haben
soll), dann aber auf die Nachricht vom Anmärsche
eines gewaltigen Ungarnheeres (es sollen 200.000 Mann
gewesen sein)4) und vielleicht auch vom Einfalle der
Böhmen noch rechtzeitig auf dem gleichen Wege zur
Verteidigung seines Landes zurückeilte, bei Preßburg
1) Mon. Germ. Ss. XVI, p. 30.
2) A. a. 0. S. 42, Anm. 3.
3) A. a. 0. 8. 155.
*) Cont. Sancruc. II. 1. c. p. 638.
68
die Donau überschritt und in der Leithagegend sich
aufstellte, wo er dann auf die Ungarn nicht lange zu
warten brauchte.
Einen Angriff Friedrichs mögen auch die Melker
Annalen eher andeuten als abweisen: »Fridericus
dux Austria congregato exercitu contra regem Ungarie
fugam iniitc Das Gegenteil wird allerdings aus
den Annal. Si. Rudperti Salzsburg, hervorzugehen:
»Rex Ungarie cum multo exercitu fines Austrie in-
travit et ducem Austrie in fugam convertit«2 ) und
vor allem aus den Heiligkreuzer: »Andreas . . . in-
travit fines Austrie. Dux vero e contra veniens . . .
fugam iniit« 3).
Es ist ja wahr, das Schweigen besonders der
Heiligkreuzer Annalen von einem Angriffe Friedrichs
ist nicht zu unterschätzen. Andererseits wäre es aber
auch erklärlich, daß gerade die einheimischen Chro
niken über dem Schrecken, den das gewaltign Un
garnheer an die österreichischen Grenzen und bis
nach Wien trug, und über der schmählichen Flucht
der herzoglichen Ministerialen ganz auf die kleine
Expedition Friedrichs zu Beginn des Krieges ver
gaßen. So bündig sind jedenfalls jene Stellen nicht,
daß sie einen Angriff Friedrichs geradezu ausschließen,
und wir werden gut tun, an dem Berichte des Ma-
nifests diesmal festzuhalten. Entscheiden läßt sich
die Sache natürlich mit Sicherheit nicht.
Es hängt auch nicht soviel davon ab; denn
jedenfalls hat Friedrich den Angriff vorgehabt und
mit aller Macht gerüstet: brachte er doch ein Heer
von 30000 Mann zusammen l).
Damit ließ sich aber der Herzog in ein Unter
nehmen ein, das ihm nicht erlaubt war, wie überhaupt
keinem Reichsfürsten. Allerdings nahmen sich die
») A. a. 0. p. 508.
a) A. a. 0. p. 786.
3) A. a. O. p. 638.
4) Cont. Sancr. II. 1. c. p. 638.
'69
Fürsten oft genug dieses Recht; 1323 hatte es auch
Otto II. von Baiern Österreich gegenüber getan, was
noch dazu Landfriedensbruch bedeutete.
Allerdings bandelte der Babenberger gegen das
ausdrückliche Verbot des Kaisers, und das ist ein
sehr erschwerendes Moment. Außerdem war die Folge
des Krieges gewesen, daß auch die Reichsehre ver
letzt wurde; denn der König von Ungarn hatte
die Reichsgrenze ungestraft überschritten und einer
der mächtigsten Reichsfürsten hatte von ihm um
vieles Geld den Frieden erkaufen müssen l).
Wenn so Friedrich durch seinen Krieg den ge
rechten Zorn des Kaisers erregt hatte, so mußte er
bald auch zur Überzeugung gelangen, daß er sich
über die zerfahrenen Zustände in Ungarn doch be
deutend getäuscht habe. Denn wie es oft in der
Geschichte zu beobachten ist, stehen kleinere ge
schlossene Völker wie die Ungarn, mögen sie im Innern
noch so sehr in Parteien zerrissen sein, gegen das
Ausland 3tets geeint da. Wahrscheinlich wollte nicht
einmal jene Magnatenpartei, welche früher mit dem
Herzoge verhandelt hatte, jetzt von ihm etwas wissen,
da sie ja nicht ihm, sondern dem Kaiser die Krone
angeboten, dieser aber die ganze Sache entschieden
von sich wies. So mochte es geschehen, daß die un
garischen Könige nach Angabe der Heiligkreuzer
Quelle 2), die doch sicherlich weder aus Liebe zum
Herzog noch aus Schonung gegen die Ministerialen
die Zahl der Feinde gar zu stark übertrieb, ein Heer
von 200.000 Mann gegen Friedrich führen konnten.
Noch eine andere Wahrnehmung mußte der
Herzog machen. Er hatte den Ministerialenaufstand
im Jahre 1231 recht rasch niedergeworfen und seitdem
wohl nicht geglaubt, daß die Gährung unter seinen
Dienstmannen noch immer so gewaltig sei. Nun
mußte er in den Leithagegenden erleben, wie sein
l) Cont. Sancr. 1. c.
») L. c.
70
30.000 Mann zählendes Heer vor dem ungarischen
Vortrabe, der kaum 300 Mann betragen haben soll,
schmählich davon lief. Sie rissen sogar den streitbaren
Herzog in die allgemeine Flucht mit fort, was doch
gewiß nicht geschehen wäre, wenn er sich nicht gänz
lich verlassen gesehen hätte 1).
Das ist nur durch einen allgemeinen Abfall der
Ministerialen zu erklären2), die, aus verschiedenen
Gründen, die weiter unten zu behandeln sein wer
den, neuerdings gegen den Herzog erbittert waren. Viel
leicht wollten sie jetzt wegen des leichtsinnigen Kriegs
unternehmens die Gelegenheit, da nötigenfalls der
Kaiser auf ihrer Seite stand, benützen, dem Herzoge
ihre Meinung durch die Tat recht gründlich zu
erweisen.
Man kann die Flucht nicht etwa durch was
immer für falsche Nachrichten und durch blinden
Lärm erklären, denn die Heiligkreuzer Annalen,
welche die Schmach eigens hervorheben, hätten das
doch sicherlich gesagt. Daß sie dem Herzoge ab
sichtlich einen unverdienten Flecken anhängen würden,
darf man trotz ihrer Abneigung gegen den Herzog
und wohl auch gegen die Ministerialen doch nicht an
nehmen. Es war ein Vorspiel zu 1236.
So hatte denn die Zusammenkunft in Neumarkt
für Friedrich recht schlimme Folgen. Der Kaiser war
beleidigt, er selbst schmählich besiegt, sein Land von
den Ungarn und Böhmen verwüstet. Das waren aller
dings für den stolzen Mann unerträgliche Dinge.
Ob aber Friedrich sogleich an einen Rachezug
denken konnte und deshalb nach dem Friedens
schlusse Geld und Lebensmittel zusammenraffte, wird
von uns sofort zu untersuchen sein.
') Contiu. Sanc. 1. c.
2) Vgl. Juritech a. a. 0. S. 549.
71
3. Die Grenzsperre.
Das Manifest klagt den Herzog auch der Ge
fährdung des Landfriedens an. Er habe die Rechte
und Einkünfte an sich gerissen, welche der König
von Böhmen, der Erzbischof von Salzburg, die Bi
schöfe von Bamberg, Passau, Regensburg, Freising,
der Herzog von Baiern und der Markgraf von Mähren
in den Herzogtümern Österreich und Steier besäßen.
Hätten die Beschädigten nicht an sich gehalten und
nicht die Streitsache aus Liebe zum Landfrieden vor
den Kaiser gebracht, indem sie oftmals durch Boten
und Briefe Klage führten, so hätten sie sich alle auf
den Herzog gestürzt, und es wäre ein gewaltiger
Krieg im Reiche entstanden.
Aus dem Zusammenhange geht zunächst hervor,
daß diese Eingriffe des Herzogs in die Rechte und
Einkünfte seiner Nachbarn, die ihnen in Österreich
und Steier zustanden, nach dem Mitte 1235 gegen die
Ungarn unternommenen Kriege erfolgten.
Denn wenn der Kaiser, nachdem er den Herzog
wegen Fernbleibens vom Mainzer Reichstage und
wegen des Krieges gegen die Ungarn angeklagt,
nunmehr mit einem »interim... non dubitavit of-
fendere« die Klagen der Reichsfürsten einführt, so
ist gar kein Grund, warum wir einer solchen Be
merkung des Manifests keinen Glauben beimessen
sollten.
Möglich, daß die Grenzsperre bereits vor dem
22. August, also dem Schlusse des Mainzer Reichstages,
angeordnet wurde; denn das erste Getreide kann
ja um diese Zeit immerhin schon gedroschen und
zur Ausfuhr fertig gestellt gewesen sein, besonders
wenn der Erzbischof von Salzburg, dessen Land
infolge harten Winters und großer Frühjahrsüber-
schwemmungen auch 1235 wieder eine schlechte Ernte
gehabt hat, wie es schon das Jahr vorher der Fall
72
gewesen war*), die Sendung ungewöhnlich früh ur-
gierte. Ähnlich kann es übrigens auch in den bai-
rischen Bistümern gewesen sein.
So würde das »interim« des kaiserlichen Mani-
fests im strengen Sinne aufgefaßt werden können.
Jedenfalls wird auch durch das Manifest selbst
unsere frühere Ausführung und unsere gegen Juritsch
aufgestellte Behauptung 1) bestätigt, daß der Herzog
zum Mainzer Reichstag noch nicht »citiert« wurde.
Daß der Herzog tatsächlich eine Grenzsperre
gegen die westlichen Nachbarländer anordnete, mel
den (zunächst für Salzburg) die Annales S. Rudperti
Salisb. : »Dux Austrie consilio Judaeorum terram
Austrie clausit nec per terram vel aquam annonam
in partes superiores ire permisit«. Der Salzburger
Erzbischof habe daher Getreide aus Schwaben und
Wein aus Italien und Frankreich bezogen 8).
Wenn wir diese Stelle mit der Behauptung des
Manifests zusammenhalten, der Herzog habe den
oben erwähnten Fürsten und Bischöfen ihre Rechte
und Einkünfte aus den beiden Herzogtümern vor
enthalten, so sehen wir, daß der Herzog vor allem
*) Anmerkung. Von dem harten Winter 1234—35 meldet die
Cont. Sancr. II., 1. c., p. 638. Die folgende Donauüberschwemmung beim
Eisgang habe weit und breit Äcker und Weingärten ruiniert und alles
mit solchen Unmassen Eis bedeckt, daß dasselbe bis weit ins Jahr
hinein nicht geschmolzen sei. Ähnliches wird wohl auch im ^alzbur-
gischen eingetreten sein und so die Ernte von 1235 geschädigt haben.
Daß aber auch das Jahr vorher große Mißernte war, muß daraus ge
schlossen werden, daß die Annales S. Rudperti Salisb. 1. e. p. 786
berichten, Kaiser Friedrich II. sei zur Zeit großer Hungersnot von
Italien nach Deutschland gezogen. Das geschah aber im Mai; mithin
muß diese Hungersnot Folge einer Mißernte im vorausgehenden
Jahre gewesen sein. Eine Verschiebung der Tatsachen ist nicht an
zunehmen, weil die Annalen sich an dieser Stelle sehr gut unterrichtet
zeigen und ausführlich über Kaiser und König, sowie über die Reichs
tage von Mainz und Augsburg berichten.
') Siehe oben S. 63 f.
a) L. c. p. 786.
73
kein Getreide und keinen Wein ans den innerhalb
seiner Herzogtümern gelegenen Besitzungen aus
wärtiger Herren über die Grenzen seiner Länder ließ,
auch nicht die zumeist in Naturalabgaben bestehenden
Leistungen und Zinse der Grunduntertanen jener
Herren, daß er auch kein Getreide (und keinen Wein)
aus Ungarn hindurchließ; denn sonst hätte nicht die
ganze »civitas Salzpurch et tota provincia
ipsius« 1) Getreide aus Schwaben beziehen müssen.
Durch letztere Maßregel wird sich der Herzog sicher
lich auch an den Ungarn haben rächen wollen. Inte
ressant ist, daß schon damals Ungarn auch für nicht
angrenzende Länder wie Salzburg die Kornkam
mer war.
Ob wir unter den »iura« der klagenden Reichs-
fürsten auch andere Rechte als etwa die Abgaben
der Grundhörigen zu verstehen haben, darunter vor
allem die Ausübung der Gerichtsbarkeit und den Ge
nuß der Gerichtsgefälle, Freiheit von den Landes
steuern u. s. w., wissen wir nicht. Unmöglich ist es
nicht. Was Österreich speciell betrifft, so hatten da
mals die Hochstifter längst die Blutsgerichtsbarkeit
für ihre Besitzungen; allein sie wurde ihnen von
den Herzogen stets bestritten, bis sie Freising 1 189 2),
Passau 1215 3) zuerkannt erhielt.
Nun wäre es ja sehr leicht denkbar, daß der
Herzog im Streben, seine Landeshoheit auszudehnen
und alle exempten Gebiete von der Bildfläche seiner
Herzogthümer zu verdrängen, die alten Streitigkeiten
wieder aufnahm und die Anerkennung der Immuni
täten ignorierte. Die Bestimmung des Privilegium
minus: »Statuimus quoque, ut nulla magna vel parva
persona in eiusdem ducatus regimine sine ducis
consensu vel permissione aliquam iustitiam praesu-
mat exercere«, war ja geeignet zu falschen Ausle-
') L. c.
2) Meiller a. a. 0. S. 66, Nr. 43.
s) L. c. S. 115, Nr. 122.
74
gungen, obwohl sie nur bedeutet, daß künftighin
ohne Zustimmung des Herzogs die in Österreich beste
henden Immunitäten nicht erweitert und neue nicht
geschaffen werden dürfen ').
Daß die Streitigkeiten unter den Habsburgern
tatsächlich wieder ausbrachen, ist ja bekannt2). Eben
so mochten zu einer Zeit, wo nicht bloß die geist
lichen Fürsten ihre Landeshoheit ausbildeten sondern
auch die weltlichen, die letzteren mit den ersteren
oft in ihren Bestrebungen hart zusammenstoßen.
Auch daß die auswärtigen Bistümer in Österreich
für ihre zerstreuten Besitzungen zur vollen Landes
hoheit nicht gelangten, ist bekannt 3).
So wird sich wahrscheinlich unter dem Wörtchen
»iura«, weil es im Manifest eigens hervorgehoben
wird, noch mancherlei verbergen. Aber es läßt
sich im einzelnen nicht mehr festzustellen. Wir werden
daher unsere Ausführungen auf die Grenzsperre be
schränken müssen.
Nachdem der Beginn derselben auf frühestens
Ende August fixiert werden konnte, bleibt noch die
Hauptfrage zu beantworten, warum sie der Herzog
angeordnet habe.
Ficker*) sagt, der Herzog habe nach dem ver
unglückten Kriege gegen Ungarn sofort daran ge
dacht, sich die nötigen Geldmittel zu einer Wieder
aufnahme des Kampfes zu verschaffen; deshalb habe
er eine außerordentliche Grundsteuer von bedeuten
der Höhe eingetrieben, die Klöster überfallen und
alle dort aufgehäuften Schätze geraubt, auch seiner
Mutter ihr Privatvermögen genommen. Um den
Unterhalt seiner Truppen möglichst wohlfeil bestrei
ten zu können, habe er eine Grenzsperre gegen
') Luschin, Öster. Reichsgeschichte, S. 153.
2) Bachmann, Reichsgeschichte, S. 60.
3) L. c.
*) A. a. 0. S. U.
75
Baiern und Salzburg angeordnet, zunächst für un
garisches Getreide*).
Wenn wir die schmähliche Flucht der 30.000
Österreicher vor den 300 Ungarn für einen Abfall
der Ministerialen vom Herzog ansehen wollen — und
das werden wir müssen — so läßt sich keineswegs
glauben, daß Friedrich angesichts dieser Zustände
gleich an einen Rachekrieg dachte. Zu dem hat er
ja auch tatsächlich nichts unternommen. Wir werden
daher die Grenzsperre mit etwas anderem in Ver
bindung bringen müssen. Von Gelderpressungen wird
übrigens in den Quellen nirgends etwas berichtet,
denn die Klösterplünderung und die enorme Grund
steuer fallen ganz gewiß ins Jahr 1236, und zwar in
die Zeit nach der Ächtung des Babenbergers. Damals
wollte er sich Mittel zum Kriege gegen die Voll
strecker der Acht verschaffen.
Die Heiligkreuzer Annalen1), die zuverlässigste
Quelle für diese Zeit2), erwähnen Klosterplünderung
und Grundsteuer erst, nachdem sie ausführlich von der
Ächtung Friedrichs gesprochen (ad annum 1236).
Die Cont. praedicat. Vindob. 3) erzählt zum Jahre
1237 davon, aber in einem Zusammenhange, daß man
daraus gegen 1236 nichts folgern könnte, wenn 1237
nicht ohnehin ausgeschlossen wäre
Übrigens folgen Huber4) und Juritsch5) Ficker
nicht. Es liegt hier wohl der einzige auffallende Ver
stoß in der sont so scharfsinnig geschriebenen Mono-
*) Anmerkung. Wenn Juritsch (a. a 0. S. 550) nur von der
„Durchfuhr von Getreide und Wein" spricht, so ignoriert er das Ma
nifest, das doch ausdrücklich auch die Vorenthaltung von „Einkünften
und Rechten" anführt; hierin werden wir dem Manifeste doch nicht
widersprechen können. Über den Zweck, den der Herzog bei der
Grenzsperre verfolgte, spricht sich Juritsch nicht aus.
') Cont. Sancr. II., 1. c, p. 638.
2) Huber, Gesch. Österr. 1, S. 411, Anm.
3) L. c. p. 727.
*) A. a. O. I, S. 412.
5) A. a. 0. S. 557.
76
graphie des genannten Historikers. Wahrscheinlich
ist er auch gerade durch die kolossalen Geldsamm
lungen des Herzogs verführt worden, an den Plan
eines Rachekrieges zu denken.
Auch von einem Raube des PrivatVermögens
der Herzogin-Mutter erzählen die Heiligkreuzer An-
nalen 1) nichts, sondern daß sie »an allem Mangel«
gelitten habe (».... propter penuriam rerum, quam
patiebatur*). Das würde zunächst eine Entziehung
ihrer Naturaleinkünfte besagen, obwohl wir nicht
leugnen, daß ihr der Herzog auch Geld und Kostbar
keiten weggenommen haben wird.
Es fällt also hier hauptsächlich das Begehren des
Herzogs nach Getreide und Wein in die Wagschale.
Dafür finden wir nun eine ganz andere Ursache als
einen Rachekrieg.
Die Oont. Sancr. II. 2) meldet nämlich zum Früh
jahr 1235, wie schon oben erwähnt, daß infolge rie
siger winterlicher Eis- und Schneemassen eine große
Donauüberschwemmung eintrat, die gewaltigen
Schaden anrichtete. Darauf sei, fügen die Lambacher
Annalen3) hinzu*), eine große Hungersnot gefolgt.
Die Hungersnot, die wir oben schon in Salzburg ge
funden haben4), hat sich also auch über Österreich
erstreckt; auch hier wird daher schon für 1234 eine
Mißernte anzunehmen sein.
Weiter erzählt die Cont. Sancr. II. 5) zum Jahre
1235, daß zur selben Zeit, als König Wenzel von
Böhmen bereits bis Stadlau vorgedrungen war und
') L. c. p. 638.
a) L. c.
3) L. c. p. 558.
4) Oben S. 72. Anm.
5) L. c.
*) Anmerkung. Die Lambacher Annalen erzählen alles zum
Jahre 1234 und zwar so, daß man es auch auf das Frühjahr 1234 be
ziehen könnte; doch ist die Stelle nicht klar genug, während die
Heiligkreuzer vollkommen sicher berichten.
77
dort sich aufhielt, fast durch drei Tage und Nächte
über ganz Österreich und Ungarn eine so
gewaltige Regenflut vom Himmel niederstürzte, daß
man ähnliches Jahre lang nicht mehr gesehen oder
gehört hatte. Dem sei eine zweite Überschwemmung
gefolgt, — die sich bei dem großen Landregen
nicht bloß auf das nächstliegende Donau gebiet er
streckt haben wird.
Dazu kommen noch die Verwüstungen der
Böhmen bis an die Donau und jene der Ungarn von
der Leitha bis in die Nähe von Wien ').
Wenn nun bereits 1234 Mißernte und infolge
dessen gegen Ende der ersten Hälfte von 1235 Hun
gersnot war, dann muß das Elend in Österreich
unmittelbar nach dem Kriege gegen Ungarn und
Böhmen infolge der neuen Mißernte und der Ver
wüstungen schrecklich gewesen sein. Auch 1235 wurde
die Ernte arg geschädigt; dies folgt daraus, daß die
Verwüstungen und jene Wolkenbrüche gerade in die
Erntezeit fielen (Ende Juli, Anfang August). Auch
die Weinberge werden sicherlich Schaden gelitten
haben.
Da mag nun der Herzog mit Grimm gesehen
haben, wie die auswärtigen Fürsten aus ihien Be
sitzungen in seinen Herzogtümern das teure Ge
treide und den dieses Jahr so mißratenen Wein
noch ins Ausland führen wollten. Ohnehin auf die
immunierten Gebiete ausländischer Herren in Öster
reich und Steier nicht wohl zu sprechen, wird der zur
Gewalttat ja so sehr geneigte Mann ohne weiteres
jede Ausfuhr verboten und so entweder die Bischöfe
gezwungen haben, ihr Getreide und ihren Wein zu
billigen Preisen im Inland zu verkaufen oder wohl
gar die Abgaben einfach in seine Scheuern haben
bringen lassen. Auch Ungarn gegenüber mochten ihn
ähnliche Absichten leiten, sei es Rachsucht, sei es
der Plan, die Ungarn zu zwingen, ihr Getivide in
seinen Ländern billig abzusetzen.
») Cont. Sancr. II. L c.
78
Gewiß waren es radikale Mittel, die der Landes
vater anwandte, um seinen Untertanen zu helfen;
er tat es, ohne sich um Recht und Gerechtigkeit
dabei zu kümmern. Unsere Ansicht, daß der Herzog
nicht wegen erneuter Kriegsrüstungen, sondern wegen
der Hungersnot die Grenzsperre angeordnet habe,
wird noch mehr durch die Beobachtung gestützt,
daß fast alle Besitzungen der ausländischen Hoch
stifter in den Vierteln am Wiener Wald oder in der
Steiermark lagen, also von den Heimsuchungen der
Kriegsfurie fast sämtlich verschont und auch von
den Elementarereignissen, weil von der Donau weit
entfernt, jedenfalls bedeutend weniger mitgenommen
waren, so daß ihre Ernte auch in den teuren Jahren
eine verhältnismäßig gute gewesen sein mag.
So liegen die Besitzungen der Salzburger Hoch
kirche fast sämtlich in Steiermark, um Gröbming,
Landsberg, Leibnitz, Pettau '). In Österreich besaß
sie einen Gutskomplex um Traismaur und dies liegt
südlich der Donau.
Bamberg besaß Rottenmann in Steiermark,
Passau große Gebiete südlich von der Donau um St.
Pölten, nördlich in der Wachau und zwischen Ranna
(mündet oberhalb Engelhartszell) und Mühel. Auch
wenn die Erntevorräte in der Wachau den Böhmen
anheimgefallen sein werden, so war dies doch kaum
bei den Gütern in Oberösterreich der Fall, da sie zu
weit westlich lagen.
Freising hatte südlich von der Donau weite
Besitzungen um Waidhofen a. d. Ipps, außerdem
in Steiermark große Güter im Wölzerthal und nicht
weit davon um St. Peter am Kammersberge. Von
seinen Besitzungen wurde wol nur Gr. Enzersdorf
auf dem Marchfelde verwüstet2).
') Meiller a. a. 0. S. 130, Nr. 177.
2) Über die Besitzungen der Hochstifter in Österreich vgl/ Bach
mann, Reichsgeach., S. 41 und 48, sowie Weruusky, Öst. Keichs- und
Rechtsgesch. S. 29.
79
Es wäre interessant zu konstatieren, ob etwa
auch die Güter der Herzogin-Mutter in Steiermark
oder in den Vierteln um den Wiener Wald lagen ;
denn dann könnten wir vielleicht auch den Zwist
mit ihr, der ja gleichzeitig mit der Grenzsperre eintrat,
und die Entziehung ihres Naturaleinkommens mit
der Hungersnot in Verbindung bringen.
Es sei die Untersuchung gewagt auch auf die
Gefahr hin, zu kühne Konjekturen zu machen.
Nach einer undatierten Urkunde, welche im Ar
chiv zu Rein noch aufbewahrt wird und nach Meiller
ins Jahr 1229 gehören dürfte, schenkte Theodora
1229 (?) dem Kloster Rein das ihr zustehende
Bergrecht auf 6 Weinberge beim Dorfe Algersdorf1).
Sie hatte also um Algersdorf Besitzungen, die sicher
lich nicht bloß aus 6 Weinbergen bestanden, zumal
in einer früheren Urkunde ausdrücklich von einem
»praedium ad Algersdorf situm« gesprochen wird-).
Dieses Algersdorf ist wohl das noch heute existie
rende Dorf gleichen Namens westlich von Graz 3).
Hier »ad Algersdorf. .. i n marchia illius« lagen
in der Tat Güter, welche 1161 von Herzog Ottokar
von Steiermark gegen andere Güter vom Kloster
Göttweig eingetauscht wurden4). Diese Güter um
Algersdorf kamen später in den Eigenbesitz der
Babenberger und werden der Herzogin Theodora als
Witwengut oder unter einem anderen Titel gegeben
worden sein. Mithin lag wenigstens ein Teil der
Güter Theodoras in Steiermark.
Nun wissen wir zwar nicht, warum Meiller die
oben genannte Urkunde ins Jahr 1229 setzen will;
er gibt für seine Konjektur keinen Grund an. Sollte
er aber keine anderen Gründe dafür haben, als daß
es in der Urkunde heißt »Theodora divina misera-
2) Meiller a. a. 0. S. 270, Anui. 495.
3) L. c. S. 44, Nr. 54.
4) L. c. S. 228, Anm. 225.
ö) L. c. S. 44, Nr. 54.
80
tione ducissa Austrie et Stirie«, und daß die Urkunde
mit einem Siegel versehen ist, welches die Umschrift
trägt: »Theodora Dei gratia ducissa Austrie et Stirie«
und die Herzogin auf einem Thronsessel sitzend zeigt,
rechts die Figur eines Adlers, links die eines Panthers '),
so scheint uns daraus doch noch nicht hervorzugehen,
daß die Urkunde vor dem Tode Leopold VI. aus
gestellt sein müsse. Warum soll sie nicht auch als
Witwe Titel und Siegel beibehalten haben ? So nennt
sich Irene, die Gemahlin Philipps von Schwaben, auch
nach dessen Ermordung noch »Maria Dei gratia Ro-
manorum regina augusta« 2) Maria von Brabant,
zweite Gemahlin Kaiser Ottos IV., behält auch nach
dessen Tode das Siegel mit der Umschrift: »Maria
Dei gratia Romanor. imperatrix semp. augusta« bei3).
Am 17. März 1259 ist Elisabeth von Braunschweig,
Witwe König Wilhelms, Zeugin und Mitbesieglerin
einer Urkunde, und zwar siegelt sie mit dem Thron
siegel, auf dem sie »dei gracia (Romanorum regin)a
Semper augusta« heißt4).
So scheint es uns nicht ausgeschlossen zu sein,
daß die Schenkungsurkunde Theodoras vielmehr
ins Jahr 1235 gehört, ja daß vielleicht gerade
wegen dieser Schenkung der Weinberge aus baben
bergischem Allod in diesem Jahre schlechter Ernte
und bedeutenden finanziellen Schadens infolge des
teuren Friedens der Zwist zwischen dem Herzog
und seiner Mutter den Anfang nahm.
Wir werden in dieser Annahme dadurch be
stärkt, daß der Herzog die Schenkung seiner Mutter
erst i. J. 1246, Jan. 8., also nach der vollständigen Aus
söhnung mit ihr, bestätigte5). Sie scheint also jene
') Meiller, a. a. 0. S. 270, Anm. 495.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 5530.
3) L. c. Nr. 5531.
4) L. c. Nr. 5619. Das Tronsiegel findet sich abgebildet bei
Kluit, Historia Hollandiae II, S. 742.
5) Meiller a. a. 0. S. 182, Jsr. 151.
81
Güter bloß zu unveräußerlichem, lebenslänglichem
Nutzgenuße inne gehabt zu haben, wie es ja bei Wit
wengut häufig der Fall war '). Da nun vor dem
Jahre 1235 nichts von einer Spannung zwischen Frie
drich und seiner Mutter verlautet, sie im Gegenteil
im Mai 1234 noch in vollster Übereinstimmung zu
Stadlau die Hochzeit der Schwester, bezw. Tochter
mit dem Markgrafen von Meißen feiern 2), so wäre es
unverständlich, daß der Herzog von 1229—1246 ihr
die Bestätiegung ihrer Schenkung verweigerte, sehr
verständlich aber, wenn die Schenkung erst in das
Jahr 1235 fällt. Aus Habsucht allein hätte der Herzog
gewiß auch nicht seiner Mutter die Bestätigung ver
sagt, da er ja selbst mehrmals an Klöster Güter
verschenkt 3).
Der Zwist mag sich nun soweit gesteigert haben,
daß der Herzog 1235 nicht bloß die Güterschenkung
nicht bestätigte, sondern der Mutter auch die übrigen
Naturaleinkünfte einzog, vielleicht mit der Bemerkung,
daß sie diese wohl auch nicht brauchen werde, wenn
sie in diesem Mißjahr noch Überfluß zum Verschen
ken habe.
Außer den genannten Bischöfen soll weiters
der Herzog dem Könige von Böhmen, dem Herzoge
von Baiern und dem Markgrafen von Mähren ihre
Rechte und Einkünfte, die sie in den Herzogtümern
besaßen, vorenthalten haben.
Was den König von Böhmen betrifft, so könnten
wir annehmen, daß der Herzog im Spätsommer 1235
von ihm den Abzug mit etwaigen Einkünften aus
Österreich erkaufte oder ihm Ortschaften an der
') Schroeder, Lehrbuch der deutschen Reichsgesch., S. 315 ff.,
729. Siegel, Deutsche Rechtsg., S. 424, 413. Schulte, Lehrbuch der
deutschen Reichs- und Rechtsg., S. 509 f. Brunner, Grundriß der d.
Rechtsg. S. 197.
2) Cont. Sancr. II. 1. c., p. 637.
3) Z. B. Meiller a. a. 0. S. 149 Nr. 7, S. 150 Nr. 11, S. 152
Nr. 19, S. 156 Nr. 35.
Prager Studien. XI. 6
82
Grenze verpfändete, jetzt aber aus diesen Pfand
schaften ebenfalls nichts über die Grenze ließ l).
Allerdings verlautet in den Chroniken von einem
Friedensschlusse mit Böhmen nichts, während der
mit Ungarn ausdrücklich erwähnt wird2) ; aber das
wird nicht viel zu bedeuten haben.
Ähnlicher Natur waren vielleicht »Einkünfte und
Rechte« des Markgrafen von Mähren in Österreich,
wenn er nicht etwa gar nur deshalb genannt ist, um
die Zahl der klagenden Fürsten um einen zu ver
mehren.
Pfemysl von Mähren (1227 -1239) war als Ge
mahl Margaretens von Meran und Schwager des Ba
benbergers diesem nicht immer so spinnefeind ge
wesen wie sein Bruder, der König von Böhmen. Im
Sommer 1233 war er sogar mit Herzog Friedrich
gegen den Böhmenkönig verbündet*). Als damals der
Herzog schwer erkrankte und abziehen mußte, gab
er das eroberte Vöttau in Pfemysls Hand3). 1235 dürfe
dieser allerdings seinem Bruder in Österreich tapfer
sengen und brennen geholfen haben.
') Vgl. Bachmann, Gesch. Böhmens, S. 503.
2) Cont. Sancr. II., 1. c , p. 638.
3) Bachmann, Gesch. Böhmens, S. 499 f.
*) Anmerkung. Ob die ganze große Allianz, welche Herzog
Friedrich nach Pulkawa im Jahre 1233 gegen Böhmen zustande ge
bracht haben soll, auf Wahrheit beruht, ist sehr fraglich, da die gleich
zeitigen Quellen von diesem Bündnisse nichts berichten und Pulkawa,
auch sonst ziemlich unzuverlässig, erst im folgenden Jahrhundert schrieb
Was Ficker zur Verteidigung Pulkawas hinsichtlich dieser seiner An
gabe bringt, daß nämlich Friedrich ohne Verbündete 40.000 Mann
kaum habe stellen können, beweist nichts. Denn wenn man bedenkt,
daß der Herzog zwei Jahre später gegen die Ungarn 30.000 Streiter
ins Feld führte, so braucht man für 1233 nicht einmal den Markgr.
v. Mähren (aus diesem Grunde) als Verbündeten, weil die Angabe
der Oontin. Lambac. auf einer kleinen Übertreibung beruhen kann.
Wenn wir dann noch einige Tausend mährische Streiter zum öster
reichischen Heere stoßen lassen, so werden die 40.000 Mann von 1233
nicht so unglaublich sein; denn 1235 hatte er sicherlich keinen Bun
desgenossen.
83
Auch der Herzog Otto II. von Baiern soll in
den Herzogtümern »Einkünfte und Rechte« gehabt
haben.
Allerdings verlieh Otto III. im Jahre 998 an
Herzog Heinrich v. Baiern (den späteren Kaiser) ein
»predium Nochilinga nuncupatum in pago quoque
Osterriche vocitato ac comitatu Heinrici marchionis
et inter fluviis Ispera et Sabinicha nominatis situm« 1).
Es ist das Nöchling im V. O. M. B.2) Dieses Gut be
findet sich aber 1160 im Besitze eines Grafen Fried
rich von Stephaning 3), dem es also zu Lehen oder
Eigen gegeben worden war. Andere Güter scheinen
die bairischen Herzoge nie in Österreich gehabt zu
haben.
Wenn sich Friedrich jemals Eingriffe in bai-
rische »Einkünfte und Rechte« erlaubte, so geschah
dies auf bairischem Gebiete, nicht innerhalb Öster
reichs.
Der späte Aventin (Thurnmayer v. Abensberg
f 1534) berichtet nämlich als einzige Quelle, Agnes
von Meran habe 1229 dem künftigen Herzog von
Österreich unter anderen die beiden meranischen
Städte Schärding und Neuburg als Mitgift einge
bracht. Ersteres sei noch unter Leopold VI. in vollem
Einverständnis mit dem Herzog von Baiern befestigt
worden. September 1232 habe aber Friedrich in der
Absicht, seine Herrschaft zu erweitern, durch einen
gewissen Muringer von Wesen (dessen Existenz
wir aber anderweitig nicht belegen können) plötzlich
das nahe Kloster Formbach besetzen, die Mönche
vertreiben und das Gebäude befestigen lassen. Das
soll auch der Grund gewesen sein, warum der Baiem-
herzog 1233 in Österreich einbrach4).
Wir werden also am Schlusse unserer Unter
suchungen sagen dürfen, daß die auswärtigen Bis-
') Meiller a. a. 0. S. 3, Nr. 3.
ä) L. c. S. 192, Anm. 10.
3) L. c.
4) Annales Bojorum VII. p. 668.
84
tümer sicherlich in gewalttätiger, wenn auch nicht
übermütiger Weise geschädigt wurden; denn das
Elend in Österreich im Jahre 1235 bietet für die
Vorenthaltung der Einkünfte jener Hochstifter zwar
keinen Rechtfertigungsgrund, wohl aber eine Er
klärung und bis zu einem gewissen Grade eine Ent
schuldigung.
Auch der Böhmenkönig mag in irgend einer
Form geschädigt worden sein, wenn nicht überhaupt
das Manifest seine Klage auf die unbewiesenen und
unberechtigten Klagen des Böhmen gründet Zwei
felhafter ist die Berechtigung der Anklage des Ma-
nifests, was den Markgrafen von Mähren betrifft.
Der Herzog von Baiern ist, wenn überhaupt, so
sicherlich nicht auf österreichischem Boden geschädigt
worden.
Aus den Berichten des Aventin dürften wir viel
leicht das eine entnehmen können, daß sich der
Herzog wegen der Mitgift seiner Gemahlin Agnes
mit der ganzen großen Meranischen Familie ent
zweit hatte.1) Zu ihr gehörte auch Egbert, Bischof
von Bamberg, und durch Verschwägerung der Mark
graf von Mähren.*)
3) Bochmann, Gesch. Böhmens I, S. 503.
*) Anmerkung. Das Haus Andechs-Meranien seit 1180... (Aus
den genealog. Tabellen bei Krones, Handbuch der Geschichte Öster
reichs, II. Band):
Berthold IV.
Seit 1180 Herzog von Meranien. t 1204
Otto I. (VII.) Heinrich IY. Ekbert Berthold
1204—1234 Mgf.v.Istrien B.V.Bamberg Erzb. v. Ka-
• f 1228 t 1237 löcza, sp.
Otto II. (VIII.) Patr. v. Aqui-
1234—1248 leja, f 1250
G. Elisabeth,
T. des Gr. Adal
bert v. Tirol
Agnes
1. G. Herz.
Friedrich II.
v. Osterreich,
2. G. Herz.
Ulrich HI. v.
Kärnten
Margarete
G. Pfemysl,
Mgf.
v. Mähren
3 andere
Töchter
4 Töchter,
darunter
Gertrud, G.
Andreas II.
v. Ung., er
mordet 1213
und Hedwig,
G. Heinrichs
d. Bärtigen
v. Schlesien,
t 1243.
85
4. Der Herzog und seine Untertanen.
Nachdem das Manifest den Herzog der Schä
digung seiner Nachbarfürsten angeklagt hat, bringt
•es eine Menge von Anklagen gegen den Herzog
wegen schlechter Behandlung seiner Untertanen vor.
Natürlich fallen die hier zusammengehäuften
Anschuldigungen zum guten Teile in die ersten fünf
Regierungsjahre Friedrich. Da aber die herzoglichen
Untertanen, wie wir oben ausführten, erst etwa gleich
zeitig mit den Fürsten geklagt haben, konnte die Un
tersuchung dieser Klagen hierher verschoben werden,
entsprechend auch der Reihenfolge des Manifests.
Das Bild, welches das Manifest vom Herzog als
Landesfürsten entwirft, ist mit den allerschwärzesten
Farben gezeichnet. Herzog Friedrich II. erscheint
seinen Untertanen gegenüber geradezu als vollendeter
Bösewicht und Tyrann, der »das für recht und er
laubt hält, was ihm eben gefällt«. Zahlreiche Klagen
seien von Seite der herzoglichen Untertanen vor den
Kaiser gebracht worden ; der Herzog habe Gerechtig
keit und Gericht aus dem Lande verbannt; soweit
habe er die Verworfenheit zur Genossin gemacht,
daß er selbst Witwen und Waisen, denen er doch
seinen besonderen Schutz angedeihen zu lassen ver
pflichtet sei, bedränge; Reiche und Vornehme be
drücke er, Arme und Geringe trete er mit Füßen.
Nun spezifiziert der Kaiser diese Klagen. Die Mini
sterialien und andere Vasallen, die er vom Reiche
zu Lehen habe, verfolge er. Jungfrauen und Frauen
entführe er mit Gewalt ihren Vätern und Männern und
schände sie oder lasse sie durch die Genossen seiner
Schlechtigkeiten schänden. Ihre unschuldigen Väter
und Gatten aber lasse er umbringen in den ausge
suchtesten Todesarten, die er nicht müde werde zu
ersinnen.
Wie schauerlich muß es in Österreich unter der
Regierung des letzten Babenbergers zugegangen sein,
wenn auch nur die Hälfte dieser Anklagen wahr ist!
8G
Aber von vornherein muß im Auge behalten bleiben,
daß sich gerade auf dem Gebiete der inneren Landes
regierung und des Privatlebens am leichtesten über
treiben ließ; denn wie wird sich der Herzog in all
dieser Dingen rein waschen oder doch die Beschul
digungen auf ihr richtiges Maß zurückführen können?
Er ist ja geächtet und in kurzem wird sein Land von
allen Seiten mit Krieg überzogen sein. Ebensowenig
werden allerdings die Anklagen aus der Luft gegriffen
sein ; denn das hätte das Manifest dann doch auch nicht
wagen können. Zudem sagen uns die Quellen immer
hin genug und die späteren Volkssagen werden auch
nicht ganz ohne Grund gewesen sein.
Daß sich der Herzog um seine Gerichtspflicht
nicht immer gekümmert haben mag, ist mit seinem
Charakter und mit dem Kriegszustand, in dem er
sich fast fortwährend, bald mit dem, bald mit jenem
Nachbar, befand, sehr wohl vereinbar, ebenso daß er
hie und da auch als Richter die Gerechtigkeit ver
letzte. Aber daß er Gerechtigkeit und Gericht aus
seinem Lande »verbannt« habe (»proscripserit«), wird
doch wohl eine Übertreibung der tendenziösen Kanzlei
feder sein.
All die Anklagen, die der Kaiser in den oben
angeführten Stellen zusammengehäuft hat, nehmen
sich sonderbar aus gegen das Schreiben Kaiser Fried
richs an den Herzog vom Juni 1240, in welchem er
selbst von übertriebenen Darstellungen seiner An
kläger und böswilligen Verleumdungen, von Ge
rüchten, welche zur Verminderung der herzoglichen
Ehre und seines Rufes ausgestreut worden wären,
spricht.1) Allerdings wollen wir aus diesem letzteren
Schreiben des Kaisers auch wieder keine übertrie
benen Schlüsse ziehen, aber das eine sehen wir sofort,
daß der kaiserlichen Kanzlei je nach Bedarf alle
Tinten zur Verfügung standen.
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 3126; abgedruckt bei Huillard-
Breholles a. a. 0. V. lOOü.
87
Doch gehen wir näher auf die Anklagen ein, die
uns hier beschäftigen. Fragen wir zunächst, was
die Quellen zu berichten haben.
Von den zahlreichen österreichischen Annalen
geben uns nur zwei Berichte, die mit den Anklagen
des Kaisers irgendwie übereinstimmen, die Contin-
Sancr. II. und Contin. Praed. Vind., welche an dieser
Stelle ausführlicher ist.*)
Erstere, die überdies immer in strengen Worten
vom Herzog spricht, daher umso mehr hier zu hören
ist, erzählt, daß der Herzog trotz mehrfacher Vor
ladungen nicht vor dem Kaiser erschien aus Furcht
vor denjenigen, welche beim Kaiser klagten, »propter
res sibi immerite ablatas« ; ferner sagt sie, daß außer
vielen geistlichen und weltlichen Fürsten auch ver
schiedene andere Personen geistlichen und weltlichen
Standes geklagt hätten.1) Unter letzteren sind seine
Untertanen gemeint. Dann berichtet sie die allgemein
verbreitete Meinung, der Herzog sei im Jahre 1239
in seine Herzogtümer wieder eingesetzt worden durch
die Gebete der Mönche, Geistlichen und Frauen (»mu-
lierum«, natürlich Klosterfrauen), die er früher ziemlich
wenig geliebt habe.2) Endlich erzählt sie, Herzog•
Friedrich habe, als ihm zwei an seinem Hofe aufge
zogene Knappen (das Auct. Vindob. nennt sie Albert
von Zelking und Hermann von Wolfgersdorf3) auf
den Tod erkrankten, einen Kreuzzug gelobt und
fürderhin vor allem gegen die Geistlichen Gerechtig
keit zu üben und alles zurückzugeben, was er seit
dem Tode seines Vaters auf ungerechte Weise an
') Cont. Sancr. II., a, a. 0. p. 638.
2) L. c. p. 639 s. (ad annum 1241).
3) Mon. Germ. Ss. IX., p. 724.
*) Anmerkung. Die Worte der Cont. Garst. : „ . . . corporaleui
militiam deponit, utinam eternam gloriam assecutus" (1. c. p. 727, ad
annum 1237) sind ein zu allgemein gefaßter, nach den Lehren der
katholischen Kirche in den meisten Fällen sich aufdrängender Wunsch,
so daß wir hier nicht .zwischen den Zeilen zu lesen" wagen.
88
sich gebracht.1) Sowohl die Erzählung der Cont-
Sancr. II., als auch die Bemerkung des Auct. Vindobon,
wird zum Jahre 1244 gebracht.
Aus diesen Berichten geht unzweifelhaft hervor,
wenn sie sich auch teilweise auf den im Jahre 1236
nach der Ächtung und nach Abfassung des
Manifests erfolgten Klosterraub beziehen, daß der
Herzog doch auch schon früher mancherlei frem
des Gut an sich gebracht hatte. Friedrich sagt selbst,
er wolle alles zurückgeben, was er seit dem Tode
seines Vaters auf ungerechte Weise an sich gebracht
habe. Im übrigen wird nicht bemerkt, ob der Herzog
sich oft solche Ungerechtigkeiten und Erpressungen
habe zu Schulden kommen lassen.
Die Cont. Praed. Vind. spricht deutlicher, indem
sie sagt: »stulte egerat, iniudiciosus fuit, reptores di-
lexit, claustra coenobia vectigales facit«.2) Letzteres
bezieht sich wiederum höchstwahrscheinlich nur auf
die Zeit nach Erlaß des Manifestes, wo der Herzog
nicht nur die Schätze der Klöster und die der grö
ßeren Sicherheit wegen den Mönchen anvertrauten
Gelder anderer Leute raubte, sondern auch von jeder
Hufe eine Abgabe von 60 Pfennigen verlangte.3) Diese
scheint er auch auf die Klostergüter ausgedehnt zu
haben. Die Beschuldigung, daß er Räuber geliebt
habe, kann mit demselben Klosterraub in Verbindung
gebracht werden, da der Herzog damals eine ganze
Schar solcher »Räuber«, nämlich Dienstmannen, aus
gesandt haben muß, also sich gewissermaßen mit
«iner Räuberbande umgab, ohne die er doch nicht
an einem Tage4) alle Klöster auf einmal plündern
lassen konnte. Ob der Herzog auch sonst »Räuber«
geliebt und sie hie und da auf Wegelagerei ausge-
') L. c. p. 641.
a) L. c. p. 727 (ad annum 1237).
•*) Cont. Sancr. II., 1. c. p. 638 (ad annum 1236).
*) L. c.
89
schickt habe, geht jedenfalls aus dieser Stelle nicht
hervor.
Es bleibt also der Ausdruck »iniudiciosus fuit«.
Leider ist nicht klar und die Wörterbücher lassen
uns da im Stich, ob das Wort »iniudiciosus« mit »un
überlegt« oder mit »nachlässig im Abhalten der Ge
richte« zu übersetzen ist. Im letzten Falle würde
diese Beschuldigung derjenigen des Manifests genau
entsprechen, und diese Übersetzung scheint in der
Tat deshalb vorzuziehen zu sein, weil unmittelbar
vorher »stulte egerat« geht; übersetzt man also »un
überlegt«, so wäre in den Heiligkreuzer Annalen
dasselbe zweimal gesagt. Immerhin ist der Sinn des
Wortes unklar. Aber wir haben schon oben darauf
hingewiesen, daß man von vornherein annehmen
dürfe, daß der kriegerische Herzog bei seinem stür
mischen, auch vor Unrecht nicht immer zurück
schreckenden Charakter wohl kaum die Gerichts
stätten allzu fleißig besucht haben wird.
Daß die übrigen österreichischen Annalen von
der inneren Regierung des Herzogs ganz schweigen,
mag damit erklärt werden, daß die Klöster einerseits
dem Herzog im ganzen überhaupt freundlich gesinnt
sind, und daß sie es andererseits nicht für ratsam
hielten, über die schlimmen Dinge, deren es immer
hin genug gab, ein Wort zu verlieren. Daß sie den
Herzog andererseits auch nicht loben, beweist nur,
daß es am Herzog manches Tadelnswertes und wenig
Lobenswertes gab, nicht aber, daß er auch nur im
entferntesten ein solches Scheusal war, wie das Ma
nifest ihn zeichnet. Von den Heiligkreuzer Annalen
könnte man aber aus oben angeführtem Grunde viel
leicht doch etwas mehr, erwarten, wenn sie eben mehr
zu sagen wüßten.
Die Cont. Claustroneob. III. ') behandelt diese Jahre
leider nicht mehr; denn da dieses Kloster mit dem
') L. c. p. 628 ssq.
90
Herzog nicht gut stand, so würden wir vielleicht
manches von ihr über den Herzog vernehmen.
Auch in den Salzburger Annalen könnte man
hierher gehörige Angaben suchen, besonders in den
Jahren, wo der Salzburger über den Herzog zu
klagen hatte und wo auch die Quelle über die Grenz
sperre klagt. Sie hatten einerseits von Friedrich
nichts zu fürchten und waren andererseits vom Schau
platz der herzoglichen Regierung doch nicht soweit
entfernt. Dennoch bringen sie nichts diesbezügliches,
obwohl sie sonst vom Herzog ziemlich viel erzählen.1)
Von den auswärtigen Quellen spricht das Chron.
Erphord. von seiner unerträglichen Selbstüberhebung
und seiner törichten Gesinnung.2) Die Chronik sagt
das in Verbindung mit der Meldung, Kaiser Fried
rich II. habe bei seinem Durchzuge durch Österreich
im Jahre 1235 die zwischen dem Böhmenkönig und
Friedrich von Österreich ausgebrochenen Zwistig-
keiten beizulegen gesucht, der Herzog aber habe
sich wegen seines unerträglichen Übermutes und
seiner Torheit nicht gefügt, obwohl der Böhmen
könig zu einem Vergleiche bereit gewesen sei. Man
sieht, sie macht ihre Bemerkung zu einem ganz be
stimmten Fall, so daß wir im allgemeinen wenig
daraus werden schließen können. Außerdem zeigt
sich die Chronik zwar im allgemeinen gut, im ein
zelnen aber schlecht unterrichtet; sagt sie doch, der
Böhmenkönig habe auf dieses hin den König von
Ungarn und die übrigen vier (!) Könige zu Hilfe
gerufen und habe dann mit dem Herzoge an der
Donau (!) gekämpft.3)
Hermann v. Altaich spricht folgendermaßen vom
Herzog: »Iste Friedericus cum esset Severus homo,
in iudicio districtus et crudelis, magnanimus in proe-
liis, in thesauris congregandis cupidus, terrorem suum
') L. c. p. 760 ssq.
2) Böhmer, Fontes rerum Germ., II, p. 395.
3j L. c.
91
sie fudit super indigenas et vicinos, ut non solum
non diligeretur, sed ab omnibus timeretur.« 1) Also
streng im Urteil, bei Gericht unerbittlich und grau
sam wird er genannt. Diese Stelle beweist erstens,
daß der Herzog das Gericht aus seinem Lande nicht
»verbannt« habe, zweitens wirft sie dem Herzog
keine Ungerechtigkeit vor, sondern nur Rücksichts
losigkeit im Urteil und Grausamkeit in der Voll
streckung desselben, allerdings ein scharfer Vorwurf,
der aber nichts gemein hat mit dem des Manifests,
daß er gegen Unschuldige grausam gewesen
(»Arucidat miserabilius innocentes«).
Scharf spricht Alberich, Cisterciensermönch zu
Troisfontaines im Sprengel von Chälons sur Marne,
der sein Urteil über den Herzog etwa auf den Ge
neralkapiteln des Ordens sich gebildet haben könnte.2)
Er schreibt: »Von der Tüchtigkeit seines Vaters war
er weit entfernt . . ., von Tag zu Tag erwies er sich
übler und handelte wie ein Bube«.3) Allerdings ein
scharfes Urteil, und wenn er sich dasselbe wirklich
aus den Nachrichten der österreichischen Cistercienser
gebildet hat, so geht allerdings daraus hervor, daß
die Cistercienser bei weiten nicht alles in ihren An-
nalen niederschrieben, was sie sich dachten, obwohl
gerade der Heiligkreuzer, wie gesagt, gewiß erstaun
lich offen schrieb.
Übrigens wissen wir nicht, was der Mönch von
Trois fontaines dazu verlangte, um jemanden einen
»Buben« zu nennen. Einzelne Ungerechtigkeiten und
Handlungen der Habgier, einzelne Ausschreitungen
der Sinnlichkeit konnten in den Augen des Mönchs
auch schon diesen Titel rechtfertigen, und das gab
1) Hermanni Altabensis Annales, bei 1 öhmer, Fontes rernm
Germ., II, p. 504.
2) Vgl. Wittenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittel
alter, II, S. 323
3) Alberici nionachi Chron., Mon. Germ., Ss. XXIII, p. 937.
92
doch noch lange nicht das Bild vom Herzog, welches
das Manifest entwirft.
Auf etwas müssen wir aber doch noch hin
weisen, worauf wenigstens im Zusammenhang mit
obigen Anklagen des Kaisers noch nicht genügend
hingewiesen zu sein scheint, nämlich auf das Urteil
der Zeitgenossen nach des Herzogs Tode. Wir dürfen
da freilich auch das Lob, das dem Herzog zu dieser
Zeit von so vielen Seiten gespendet wird, nicht in
seinem vollen Klange gelten lassen, am allerwenig
sten das der Dichter; auch ist nicht zu vergessen,
daß der Herzog in den letzten sechs Jahren seiner
Regierung um sehr vieles besser regierte als früher.
Allein wenn er sein Land in den früheren Jahren
auch nur halb so schlimm regierte, wie der Kaiser
sagt, so möchten wir meinen, daß 6 Jahre nicht hin
reichten, um seine früheren Schandtaten so ganz
vergessen und ein so übervolles Lob von allen
Seiten ertönen zu lassen, umsomehr, da der Herzog
auch nach 1239 oder 1240 noch lange nicht das Muster
eines Menschen und Fürsten war. Wäre also der
Herzog früher nur halb so schlimm gewesen, als das
Manifest ihn schildert, so hätten nicht die Admunter
Annalen ihre früher wenig freundliche Gesinnung
gegen den Herzog so weit vergessen, daß sie jetzt
zwei Trauerhymnen und zwei Epitaphien aufge
nommen, worin Friedrich mit Achilles, Paris, Hector,
Alexander, Samson, David, Salomon, Mardoch, Judith
und den Makkabäern verglichen wird,1) so hätte
nicht die Cont. Garst.2) und das Chron. rythm. Austrie 3)
in so elegischen Worten getrauert.
Weniger mögen immerhin die Klagen Tanhüsers,
Bruder Wernhars, Ulrichs von Lichtenstein — dieser
sogar ein Ministeriale — und des Reimchronisten
') Mon. Germ., Ss., XI., p. 50 ssq
2) L. c. IX. p. 598.
3) L. c. XXV. p. 362.
93
Ottokar gelten.1) Ganz wollen wir alle Lobgedichte,
die zu Lebzeiten Friedrichs auf ihn verfaßt wurden,
als der Schmeichelei mehr als verdächtig, von vorn
herein aus dem Spiele lassen. Aber mögen die Über
treibungen jenes Klageliedes in den Admunter An-
nalen auch noch so groß und ihre Vergleiche auch
abgeschmackt sein, mögen die übrigen Chroniken
wie immer beurteilt werden, mag man bei den Dichtern
auch auf die gewöhnliche Schmeichelei der Hofpoesie
hinweisen, obwohl mit Unrecht, denn einem toten
Manne schmeichelt man nicht mehr so sehr, besonders
wenn er der letzte seines Stammes ist, mag auch die
nachfolgende trübe Zeit die Regierung Friedrichs
in bedeutend rosigerem Lichte haben erscheinen
lassen : — das eine geht doch unumstößlich aus allem
hervor, daß Friedrichs Regierung bei weitem nicht
nach dem Maßstabe des Manifests zu bemessen ist
Im Gegenteil, es muß doch immerhin noch manches
Gute in den Herrschertagen Friedrichs geschehen
sein, sonst wären alle die obigen Klagen unver
ständlich.*) Nach seinem Tode vermißte man ganz
entsetzlich die strenge, unerbittliche Hand, welche
einst die Ministerialien niederdrückte, die jetzt das
arme Land heimsuchten und quälten. Da war es
wohl gar ein Lob, was Hermann von Altaich mit
den Worten aussprach: »Satagebat etiam nobiles et
meliores terre sue opprimere etignobiliores ex-
altare«.2) Tadelt doch auch Ulrich von Lichten
stein, selbst ein Ministeriale, die Verwilderung seiner
Standesgenossen.3) Die Niedrigen aber, welche der
') Siehe die Stellen bei Ficker a. a. 0. S. 139 ff. und Juritsch,
a. a. 0. S. 675 ff.
2) Böhmer, Fontes II, p. 504.
3) Juritsch a. a. 0. S. 659.
*) Anmerkung. Diesen plötzlichen Sinneswechsel der Quellen
mit Juritsch (a. a. 0. S. 676) einzig daraus zu erklären, daß beim
Tode des Herzogs, der so heldenmütig gekämpft, eben der kriegerische
Geist des Mittelalters erwachte, der auch den Mönch im Kloster Ver
gangenes vergessen ließ, will uns denn doch nicht ganz genügen.
94
Herzog den Ministerialen gegenüber schützte und
beförderte, waren vor allen die Bauern. Unter diesen,
sagt der Stricker, wagten sich die Herren nicht sich
anzusiedeln ; denn heikel sei es, mit ihnen umzu
gehen, und mit Gewalt nichts anzufangen. Schnell
brächten sie ihre Klage vor den Herzo g.1)
Dieses Moment darf nicht übersehen werden.
Wir merken schon ungefähr, warum denn eigentlich
gerade die Ministerialien gar so viel beim Kaiser
über den Herzog zu klagen hatten, und daß die
ganze Ministerialenbewegung tiefer ging, als es viel
leicht auf den ersten Blick scheint. Aber wir wollen
nicht vorgreifen. Nur das sei konstatiert, daß wir
aus alldem nicht herausfinden können, daß der
Herzog »die Armen und Niedrigen mit Füßen trat«,
sondern vielmehr das Gegenteil.
Wir sehen also aus den bisherigen Ausführungen
bereits, daß die Anklagen des Manifests jedenfalls
weit übertrieben sind. Untersuchen wir sie nun im
einzelnen ! Wir werden dabei gewiße Einblicke in
die innere Regierung des letzten Babenbergers ge
winnen, und das dürfte immerhin schätzenswert sein.
Es wäre zunächst sehr interessant zu wissen,
ob die Klagen der herzoglichen Untertanen beim
Kaiser gerichtlich oder außergerichtlich angebracht
wurden. Der Ausdruck »querele«, den das Manifest
gebraucht, kann beides bedeuten. Allerdings war
das kaiserliche Hofgericht die letzte Instanz auch
für Österreich, nur der unfreie Mann konnte an das
selbe nicht appellieren; ein »Privilegium de non
appellando« hat erst Rudolf IV. in die Privilegien
Österreichs einzuschmuggeln gesucht, und erst durch
die allgemeine Bestätigung des Maius durch Fried
rich III. in den Jahren 1442 und 1453 hat es recht
liche Geltung erlangt. Auch das »Privilegium de
non evocando« erhielt erst Albrecht II. 1348, und
auch da wäre den herzoglichen Untertanen der Rechts-
1) L. c.
95
zug ans kaiserliche Hofgericht im Falle der Rechts
verweigerung, deren ja das Manifest den Herzog
ausdrücklich beschuldigt, offen gestanden.1)
Im allgemeinen werden wir wohl sagen können
daß es die herzoglichen Untertanen kaum gewagt
haben werden, das kaiserliche Gericht gegen den ge
fährlichen Mann anzurufen, wenigstens solange er
noch zu fürchten war. Es war ja immerhin sicherer,
außergerichtlich die Klagen beim Kaiser anzubringen,
wobei die einzelnen Personen nicht so ans Tages
licht traten und mithin der Rache des Herzogs nicht
so ausgesetzt waren, wie beim öffentlichen Gericht.
Dennoch können wir wenigstens von den Mini
sterialen beweisen, daß sie gegen den Herzog ans
öffentlichej kaiserliche Gericht appellierten, obwohl
sie sich als ursprünglich unfreie Leute dieses Recht
zunächst nur usurpiert hatten. Im österreichischen
Landesrecht von 1237 wird ihnen nämlich dieses
Recht auf Grund der bisherigen »Gewohnheit«
ausdrücklich verbrieft.2) Wir möchten noch einen
Schritt weiter gehen und daraus schließen, daß ihnen
Herzog Friedrich diese »Gewohnheit«, die eben, wie
aus der Gegenüberstellung von »Recht« und »Ge
wohnheit« hervorgeht, noch nicht »Recht« war, bei
zeiten zu streichen suchte, und daß auch dies einen
der Streitpunkte zwischen Herzog und Ministerialen
bildete. Vielleicht spielt das Manifest auch gerade
auf diesen Streit an, wenn es sagt, der Herzog habe
»Gericht und Gerechtigkeit« aus seinem Lande ver
bannt. Überhaupt scheint uns aus dem bisher Ge
sagten schon hervorzugehen, daß der Kaiser unter
»Untertanen« des Herzogs im Grunde so ziemlich
nur die Ministerialen verstand, deren er sich
ja überall ganz besonders annahm, um durch sie
den Landesfürsten ein Gegengewicht zu schaffen;
') Bachmann, Reichsgeschichte, S. 133. — Werunsky a. a. 0.
8. 54 f.
a) Juritsch a. a. 0. S. 586.
96
so dreht sich also die Sache um mehr als einige
Ungerechtigkeiten bei Gericht; sie dreht sich um
Reichsgewalt und Landeshoheit.
Gehen wir nun weiter ein auf die Frage, welche
von den herzoglichen Untertanen eigentlich am meisten
beim Kaiser über ihren Landesherrn klagten.
Es kommen hier die Bürger der Städte, die
Geistlichkeit und der Adel in Betracht; denn was
sonst von den Witwen und Waisen gesagt wird, ist
eine beliebte Phrase, und wir haben in den oben
angeführten Annalen nichts davon gefunden, ja daß
der Herzog die Armen und Geringen mit Füßen
getreten, haben wir durch Hermann von Altaich und
den Stricker direkt widerlegt gesehen.
Die Bauern speziell haben sich über den Herzog
wenig zu beklagen gehabt. In ihren Streitigkeiten
mit den »Herren« stand der Herzog gewöhnlich auf
ihrer Seite, wie aus dem Stricker hervorgeht.1) Die
durch Friedrichs Kriege etwa vermehrten Abgaben
werden ihnen bei ihren damaligen glänzenden Ver
hältnissen nicht allzu drückend gewesen sein.2) Für
die Mißernten und Überschwemmungen von 1234 und
1235, die übrigens zwar augenblickliches Elend, aber
doch nicht gleich den Ruin eines äußerst wohlha
benden Bauernstandes herbeiführen konnten, war
der Herzog nicht verantwortlich. Von den Verwü
stungen der Böhmen und Ungarn konnte Friedrich
nur die von 1235 zur Last gelegt werden, die aber
auch nur die beiden Viertel um den Mannhartsberg
und die Ebene südlich der Donau bis an den Wiener
Wald betrafen. Daß sich die Schilderungen Nitharts
auf die Regierungszeit Friedrichs II. beziehen, geht
auch daraus hervor, daß es die Bauern unter Leo-
') Juritsch a. a. 0. S. 659.
a) Vgl. darüber die Gedichte Nithards von Reuenthal, herausgeg.
von Haupt (Leipzig 1858). Der Kitter war erst seit 1230 in Österreich
ansässig, es wird sich also seine Schilderung auf die Zeit Friedrichs II.
beziehen. Vgl. Juritsch a. a. 0. S. 659.
97
pold IV. noch gar nicht so treiben durften. Dieser
erließ nämlich eine strenge Bauernordnung, um den
Unterschied der Stände aufrecht zu erhalten,1) und wir
haben bei Leopold VI. keinen Grund anzunehmen, daß
er seine Bauernordnung bloß gab, um sie dann »ad
acta« zu legen. Erst Friedrich mag ihnen in seiner
Vorliebe für die Geringen (»exaltavit ignobiles«) 2)
freien Spielraum gewährt haben. Emporgeschwungen
haben sich die Bauern allerdings schon früher, vor
allem unter Leopold VI., einmal weil jeder Grundhörige
durch Beteiligung an Kreuzzügen die Freiheit er
langte und andere sie vielfach von ihren in einen
Kreuzzug abgehenden Herren erhielten, und vor allem
weil bei fortdauerndem niedrigen Grundzins die
Landeskultur intensiver und der Ackerbaubetrieb
rationeller geworden war. Das zwang die Grund
herren, die bisherigen Grundgehörigkeitsverhältnisse
umzuwandeln. Erst im folgenden und besonders im
15. Jahrhunderte ging es mit dem Bauer wieder ab
wärts.3)
Erst als Herzog Friedrich geächtet war, traf seine
Hand auch die Bauern schwerer, indem er eine hohe
Grundsteuer ausschrieb ; es geschah in der größten
Not. Diese Zeit beschäftigt uns aber nicht mehr;
denn auf sie kann sich das Manifest nicht beziehen.
Auch von einer Unzufriedenheit unter den
Städten hören wir bis zur Ächtung des Herzogs
nichts; da fallen sie allerdings vom Herzog ab.
Dieser Abfall mag nun freilich in der früheren
Zeit wurzeln; denn ohne Grund wären sie dem
Landesherrn wohl kaum so plötzlich untreu geworden.
Die Entstehung von Märkten war von den öster
reichischen Markgrafen und Herzogen immer be
günstigt worden — aus finanziellen Gründen. Seit
dem 12. Jahrhunderte im Besitze des Marktregals,
') Juritsch I. c.
a) Hermanns Altab. Ann. in Böhmen, Pontes p. 504 Anm.
3) Bachmann, Ost. Reichsgesch. S. 127 f. und Werunsky, Österr.
Reichs- und Eechtsgesch., S. 38 und 42.
Pruger Studien. XL 7
98
verliehen sie das Marktrecht häufig.1) Noch vor 1212
wurde Wien mit einem eigenen Stadtrecht begabt;
wir kennen den Charakter seiner wesentlichen Be
stimmungen aus dem Ennser Stadtrecht von 1212.2)
1221 erhielt Wien ein neues Stadtrecht.3) Zwischen
1221 und 1233 erhielt auch Wiener Neustadt ein dem
Wiens nachgebildetes Recht. Wels in Oberösterreich
besaß gar schon 1128 einen Ausschuß von vier »cives
meliores«, die dem Stadtrichter in Brückenangelegen
heiten beigeordnet waren — der erste Anfang eines
Rates. Von den steiri3chen Städten sind bereits Juden
burg und Graz zu nennen,*) wenn sie auch in ihrer
Entwicklung um diese Zeit mit den früher genannten
durchaus nicht auf einer Stufe stehen5). Die übrigen
Stadtrechte fallen in eine Zeit, die uns nicht mehr
beschäftigt.
Wien hatte den Handel nach Ungarn aus
schließlich in den Händen, da vielleicht schon seit
1198, jedenfalls seit 1221 den ausländischen Kaufleuten,
die früher viel nach Ungarn gehandelt hatten, der
Durchzug durch Österreich behufs Handels in dieses
Land bei Strafe verboten wurde6). Auch in Wien
durften die ausländischen Kaufleute nur an Bürger
verkaufen (nicht etwa an Ministerialen oder Bauern),
und sich überhaupt nicht länger als zwei Monate in
Wien aufhalten,7) und zwar scheint nach der Amts
befugnis des allerdings später (um 126ü) eingeführten
Hausgrafen den fremden Kaufleuten die Reise nach
Ungarn nur dann gestattet, wenn sie ihm eidlich
gelobten, behufs Eintreibung einer Geldschuld dort
hin sich zu begeben8). Daraus geht hervor, daß den
') Bachmann 1. c. p. 122.
2) L. c. p. 123.
3) Meiller a. a. 0. S. 128, Nr. 169. — Werunsky a. a. 0. S. 46.
4) Bachmann a. a. 0. S. 124.
6) Vgl. Werunsky a. a. 0. S. 282.
0) Werunsky a. a. 0. S. 46.
7) Bachmann a. a. 0. S. 123.
8) Werunsky a. a. 0. S. 80
99
fremden Kaufleuten überhaupt der Handel nach
Ungarn und nicht nur der direkt über Wien gehende
verboten war, umsomehr, da ja der Zweck dieses
Wiener Privilegs der war, daß die Wiener und an
dere Österreicher den Handel nach Ungarn mono
polisieren könnten. Was hätte das Privileg den
Wienern viel genützt, wenn die fremden Kaufleute
auf anderen Wegen durch österreichisches Land
nach Ungarn hätten ziehen können? Da wären die
Wiener höchstens noch um die Vorteile des Stapel-
rechtes gekommen.
Auch unter dem letzten Babenberger sind die
Städte im allgemeinen gewiß nicht allzu sehr ge
schädigt worden, aber mancherlei zu klagen hatten
sie doch.
Als der Herzog 1235 die österreichisch-steirische
Grenze gegen Salzburg und Baiern sperrte und
kein Getreide und keinen Wein über dieselbe ließ,
wurde n offenbar nicht bloß die Prälaten getroffen,
von deren Besitzungen dieses Jahr die Feldfrucht
und der Wein ausblieb, sondern vor allen auch die
Wiener und die übrigen Märkte, da ja die Grenz
sperre auch dem Zwischenhandel mit Ungarn galt.
Auf diesem Zwischenhandel scheint aber der Wohl
stand Wiens im wesentlichen beruht zu haben.1) Das
mag den ersten Riß zwischen den Wiener Bürgern
und dem Herzog hervorgerufen haben.
Mit Recht macht Juritsch2) darauf aufmerksam,
daß auch die Juden, welche der Herzog vielfach bei
Eintreibungen der Abgaben und Steuern und über
haupt in seinen Geldgeschäften verwendet zu haben
scheint,*) den Grimm der Bevölkerung, vor allem
1) Juritsch a. a. 0. S. 560.
2) L. c.
*) Anmerkung. Vgl. dazu das interessante Eegest Meillers,
a. a. 0. S. 136, Nr. 200, wo Leopold VI. im Friedensschlüsse mit
Andreas II. von Ungarn vom Jahre 1225 einen Juden als Bürger in
Geldangelegenheiten stellt. Die Benützung der Juden in solchen An
gelegenheiten finden wir ja auch anderwärts.
100
auch der Städter erregten, umsomehr, da es nach den
Salzburger Annalen 1) Juden gewesen sein sollen,
welche dem Herzog die Grenzsperre anrieten. Allerdings
kann letztere Bemerkung auch nur der damals wieder
weit verbreiteten Abneigung gegen die Juden ent
springen, die schließlich den Juden alles in die Schuhe
schob. Daß aber eine gewiße Begünstigung der Juden
dem Herzoge sehr übel genommen wurde, geht aus
dem Wiener Privileg Kaiser Friedrichs II. von 1237
hervor, in dem es ausdrücklich heißt, daß die Juden
von Beamtenstellen ausgeschlossen sein sollen2), und
im Privileg, welches Friedrich selbst 1239 für sein
getreues Wiener Neustadt ausstellte, heißt es, »er wolle
keinen Juden zu einem solchen Amte in Neustadt
bestellen, wodurch die Bürgerschaft beschwert werden
köunte 3).
Auch mag der Herzog wie andere Grundbesitzer
durch strenge Ausübung des Grundruhrrechtes auf
seinen Besitzungen die Wiener Bürger erbittert haben,
was bei dem geldgierigen Manne nicht unwahrschein
lich ist und wozu ihm allerdings die barbarische Ge
wohnheit seiner Zeit ein Recht gab. Der Kaiser hätte
1237 dieses Grundruhrrecht für Güter Wiener Bürger
kaum ausdrücklich aufgehoben4), wenn nicht aus
lelzter Zeit Fälle rücksichtsloser Ausübung vorge
legen hätten.
Ferner scheint erst in letzter Zeit, also unter
Friedrich, eine jährliche Münzänderung üblich ge
worden zu sein 5), die ohne Zweifel meistens oder
stets eine Münzverschlechterung gewesen sein wird,
jedenfalls aber mit einem »Aufwechsel«, das heißt
einem beim Auswechseln der alten Münzen an den
Herzog zu entrichtenden Betrage verbunden war 6).
') A. a. 0. p. 786.
2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2237.
3) Meiller a. a. 0. .S. 158, Nr. 45.
l) Böhmer-Ficker 1. c.
5) Juritsch a. a. 0. S. 5fi9.
6) Werunsky a. a. 0. S. 122.
101
Der Kaiser knüpft deshalb in seinem Schutzbriefe für
die steirischen Ministerialen vom April 1237 die Münz
änderung in Zukunft an die Zustimmung der her
vorragenderen Ministerialen 1). Daß unter diesem
jährlichen »Aufwechsel« die Kaufleute, also die Bürger,
am meisten zu leiden hatten, ist klar.
Endlich trugen auch die häufigen Kriege mit
.den Nachbarländern, vor allen mit Ungarn, viel zum
Rückgang des Handels bei.
Juritsch2) bemüht sich ferner zu beweisen,
daß der Handelsverkehr auch durch den schlechten
Zustand der Brücken und daduch gehemmt worden
sei, daß die Burgherren die Kaufleute häufig zwangen,
die Reichsstraßen zu verlassen und Privatwege zu be
benützen, die über den Grund und Boden jener
Burgherren führten, so daß sie hier erneuten Maut
gebühren unterlagen.
In den unruhigen Zeiten Herzog Friedrichs wäre
ja beides denkbar, allein positive Zeugnisse kann
man dafür nicht beibringen. Die Beweise, welche
Juritsch 3) für beide Behauptungen anführt, sind gänz
lich unzulänglich. Das einzige nämlich, was er für
jene Erpressungen der Burgherren vorbringt, besteht
im Hinweis auf eine Klage, welche im Juli 1236 Erzb.
Eberhard von Salzburg zu Donauwörth dem Kaiser
vorlegt4). Aus dieser Klage, deren Entscheidung
durch das kaiserliche Hofgericht bei Huillard-Bre-
holles abgedruckt ist5), geht in keiner Weise hervor,
daß diese Dinge in Österreich vorkamen. Das
wäre aber doch notwendig zu beweisen, damit jene
Klage hier verwertet werden könnte. So aber kann
sie sich sehr wohl auch auf das angrenzende Baiern
beziehen, und in der Tat finden wir, daß derselbe
') Böhmer-Ficker a. a. O.Nr. 2244; Zahn, Urkundb. der Steierm.,
H, S. 461 ff.
2) A. a. 0. S. 561.
3) L. c.
*) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2180.
6) A. a. 0. IV. p. 888 sq.
102
Erzb. Eberhard schon 1224 mit den am Inn sitzenden
bairischen Grafen von Wasserburg solche Händel
hatte. 23. Juli 1224 bringt nämlich Eberhard eine mit
der vom Juli 1236 dem Sinne nach vollständig über
einstimmende Klage vor ,König Heinrich und am
1. August gelobt Graf Konrad von Wasserburg vor
dem Könige in die Hände mehrerer Reichsfürsten,
daß von seinem Schlosse Viechtenstein aus durch
seine Ministerialen, Kastellane oder Leute kein Wan
derer oder Schiffer künftig mehr belästigt werden
solle1). Vielleicht geht die Klage von 1236 auf den
selben Wasserburger oder auf seine Söhne, weil etwa
er selbst seines Gelöbnisses vergessen hatte oder
seine Söhne sich durch dasselbe nicht mehr für ge
bunden hielten.
Etwas ganz Ähnliches gilt von der Vernachlässi
gung der Brücken. Als einzigen Beweis bringt Ju-
ritsch die vollständig baufällige Brücke über die
Traun bei Wels. Es sei für das bischöfliche (!) Regi
ment in Passau sehr bezeichnend, wenn Bischof Rü
diger, statt das Werk sofort in Angriff nehmen zu
lassen, in einem Zirkularschreiben vom 23. Februar
1236 um »milde Gaben« für den Brückenbau bettle.
Wenn der Neubau der Brücke dem Bischof von Passau
zugehörte, was hat denn dann der Herzog Friedrich
damit zu tun? Deswegen konnten doch die Kauf
leute in den Städten nicht ihm grollen!
Dagegen werden wir es mit Juritsch 2) als wahr
scheinlich annehmen können, daß der Herzog in seinen
Kriegen die Wehrkraft der Städte mehr als billig in
Anspruch nahm, besonders in den Jahren J233 und
1235, wo er ein Heer von 40.000 und 30.000 Mann zu
sammenbrachte. Das mußte natürlich die Bürger er
bittern. Daher mag es auch kommen, daß der Kaiser
ins Wiener Privileg von 1237 den Artikel setzte, daß
die Wiener nur zu einer solchen Kriegsleistung auf-
1) Meiller a. a. 0. S. 134, Nr. 193 und 194.
2) L. c. S. 560.
103
geboten werden dürfen, bei der sie noch bei »schei
nender Sonne« zurückkehren könnten.
»Was Enikl ]) erzählt, daß der Herzog aus Wien
habe fliehen müssen infolge der Nachstellungen, die
er den Töchtern und Weibern der Wiener Bürger
bereitete, wird anderswo (außer teilweise im Mani
feste) nicht bestätigt und kann sehr gut aus der
Volkssage geschöpft sein, die etwaige Vorkommnisse
gern vervielfältigt und ins Ungeheuerliche vergrößert.
Die Sage ist mächtigen Überschwemmungen zu
vergleichen, die alles mit ihrem Schutt und Schlamm
überdecken, so daß die wahren Umrisse der Land
schaft nur mit Mühe wieder herausgegraben werden
können. Wie schnell die Volkssage die Tatsachen
der Geschichte verschleiern kann, sieht man am
besten daran, daß die Reise der Kaiserin Maria The
resia nach Preßburg im Jahre 1741 in manchen Ein
zelheiten sehr bald von der Sage ergriffen war. Weit
leichter aber als in unserer Zeit war die Arbeit der
Sage im 13. Jahrhundert, wo sich die Erzählungen
meist nur von Mund zu Mund fortpflanzten.
Um hier gleich ein Wort von den dem Herzog
zur Last gelegten Sittlichkeitsverbrechen zusagen:
wir wollen dieselben nicht kurzer Hand abweisen.
Wo Wollust mit Gewalttätigkeit sich paart, sind solche
Dinge zu allen Zeiten nichts Seltenes gewesen, und
irgend einen Hintergrund dürften daher wohl die
Sagen haben, ebenso wie das Manifest. Andererseits
aber finden wir in den zeitgenösischen Quellen nichts
davon und müssen stets vor Augen haben, wie sehr
die Fama fast immer solche Dinge vergrößert und
ausmalt. Daß aber der Herzog dann vollends auch
noch wie ein Schinderknecht die Väter und Gatten
seiner Opfer gequält habe, das ist so asiatisch-des
potisch, daß wir es nicht so schnell glauben können,
als es die kaiserliche Kanzleifeder niederzuschreiben
') Fürstenbuch von Österreich und Steierm., Rauch, Ss. rer.
Austr. I.
104
verstand. Hier war ja auch das Gebiet, Schauerge
schichten zu schildern.
Aus dem Gesagten können wir also entnehmen,
daß die Klagen der Städte und Märkte über den
Herzog immerhin ihren Grund hatten. Ob dieselben
schon vor der Achtserklärung mit dem Herzog
zerfallen sind, läßt sich wohl nicht nachweisen;
vielleicht hielten sie vorher erst noch an sich, und
erst die Ächtung des Herzogs erinnerte sie daran,
daß ja durch diesen Mann auch ihr Geldsack emp
findlich geschädigt worden war.
Daß Geistliche des Landes beim Kaiser über den
Herzog geklagt haben, sagt die Cont. Sancr. II. 1) ;
sonst aber finden wir keine Spur, daß sie bis zur
Zeit der Abfassung des Manifests mit dem Herzoge
auf schlechtem Fuße gestanden hätten — die Berau
bung der Klostergüter fällt nach Abfassung des
selben 2). Im Gegenteile, wir lasen nur in zwei öster
reichischen Klosterannalen harte Worte über den
Herzog und ihre Berichte nach seinem Tode sind
sogar voll überschwenglichen Lobes, und ausdrück
lich wissen wir, daß ein Teil der österreichischen
Geistlichkeit, darunter vor allen der Abt von Melk,
selbst nach der Ächtung (November 1236) mit auf
opfernder Treue auf seiner Seite stand * 3). Die Melker
Annalen nennen den Abfall der Ministerialen nach
der Ächtung eine »verabscheuungswürdige Verschwö
rung«. Das Kloster wurde dann auch 1237 von Kaiser
Friedrich nicht bedacht, während die übrigen Klöster
alle ihre Privilegien bestätigt erhielten. Selbst das
Kloster Heiligenkreuz, dessen Chronik doch so scharf
1) L. c. p. 638.
2) L. c.
s> Meiller a. a. 0. S. 156, Nr. 40.
*) Anmerkung. Juritsch setzt auch Maria-Zell hierher; doch
ist die betreffende Urkunde (Meiller a. a. 0. S. 157, Nr. 41) nur im
Auszug mit der Jahreszahl 1236 vorhanden, kann also auch vor die
Ächtung fallen.
105
von Friedrich spricht, steht noch Mitte Oktober 1236
auf Seite des Herzogs ').
Beim Mangel jeder Meldung über eine specielle
Unzufriedenheit des Klerus in den sonstigen Nach
richten, sogar im Manifeste selbst, werden wir die
vereinzelte Angabe der Heiligkreuzer Annalisten so
streng nicht zu nehmen haben. Jedenfalls klagten
1235 nur einzelne Geistliche beim Kaiser.
Ganz anders verhält es sich mit den Ministe
rialen. Diese waren ohne Zweifel weitaus die haupt
sächlichsten Ankläger. Leider ist das Manifest gerade
an der diesbezüglichen Stelle korrupt; doch werden
wir ohne große Gefahr, irrezugehen, den Satz auf fol
gende oder ähnliche Weise wiederherstellen können,
indem wir einen Auslassungsfehler und eine damit
zusammenhängende Kasusveränderung annehmen:
»Ministeriales et alios infeudatos, quos ab imperio
tenet, tanto graviori prosequitur voluntate, quanto
(sc. graviori voluntate) in odium nostrum et imperii
[ruit. Tantum eos] afflictos immaniter ab ipso perce-
pimus, quanto (besser quantum) de ipsis cogimur du-
bitare — die Ministerialen und andere Vasallen, die
er vom Reiche hat, verfolgt er immer böswilliger, je
größer sein Haß gegen uns und das Reich wird. So
unmenschlich sind sie nach den uns zugegangenen
Berichten von ihm behandelt worden, daß wir es
kaum glauben können.«
Hier ist nun die Frage zu beantworten, warum
denn gerade die Ministerialen einen solchen Haß
gegen den Herzog hatten. Gleich nach seinem Re
gierungsantritt empörten sie sich, 1235 begingen sie
im Kampf gegen die Ungarn, wie es scheint, geradezu
Felonie, dann erfüllten sie beständig die Ohren des
Kaisers mit ihren Klagen und 1236 waren sie die
ersten, welche sich nach der Ächtung des Herzogs
gegen ihn mit einem Schlage erhoben.
') Meiller a. a. 0. S. 156, Nr. 38.
106
Alle Ministerialen waren ursprünglich unfreie
Leute. Ein Teil der österreichischen Dienstmannen
waren eigentlich Reichsministerialen, welche ihre
Dienstlehen aus Reichsgut hatten, somit Eigentum
des Reiches waren und blieben, aber dem Markgrafen,
in dessen Markgrafschaft sie saßen, zur besseren
Verteidigung der Mark zugleich mit dieser zu Lehen
gegeben wurden. Andere von ihnen waren unfreie
Leute des Herzogs, welche dieser infolge besonderer
Geschicklichkeit und Tüchtigkeit zu den Hofämtern
und zun Kriegsdienst zu Roß verwendete und ihnen
Dienstlehen aus seinen Eigengütern oder Lehen gab.
In Steiermark gab es dagegen bis 1237 keine Reichs
ministerialien, sondern nur solche, die Eigenleute des
Herzogs waren und von ihm ihre Lehen erhielten,
Daher verfügt er auch über sie im Jahre 1186 als
Eigentum. Aber auch die in Österreich und Steier
begüterten »Gotteshäuser« und die landsässigen Hoch
stifter und Abteien, desgleichen die Grafen hatten
ihre Ministerialen. All diesen wurden die herzoglichen,
mochten sie nun ursprünglich Reichsministerialen
sein oder nicht, als »zum Land gehörig (die zu recht
zu dem land gehorent)« gegenübergestellt. 1) Wir
haben im Folgenden stets nur diese letzteren im
Auge.
Die ursprünglich unfreien Dienstmannen der
österreichischen wie steirischen Herzoge hatten sich
allmählig weit über ihre unfreien Genossen empor
geschwungen, soweit, daß sie schließlich auch die
Gemeinfreien hinter sich zurückhielten und dem Adel
zugerechnet wurden. Sie bildeten so recht den Krieger
stand des Herzogs, denn die Vasallen (Grafen und
freie Herren) waren nur zum Reichskriegsdienste ver-
plichtet, in den Privatfehden dagegen war der Herzog
auf seine Ministerialen angewiesen, und so ist es be
greiflich, daß er sie auch in jeder Hinsicht begünstigte.
') Vgl. dazu die Keichsgeschichten von Bachmann S. 117 ff.,
Werunsky S. 33, Luschin S. 234 ff.
107
Schon mit dem 12. Jahrhundert wurden ihre bishe
rigen Dienstlehen in echte Lehen (feuda militaria)
verwandelt, deren Übertragung nunmehr auf dem
vertragsmäßigen Verhältnis der Vassallität beruhte;
denn das war ja der wesentliche Unterschied zwischen
den unfreien Ministerialen und freien Vasallen, die
sich in ihrer rittermäßigen Lebensweise schon nicht
mehr unterschieden, daß die Vassalien dem Herzoge
vertragsmäßig dienten, die Ministerialen aber kraft
ihrer unfreien Geburt. Diese Veränderung im Cha
rakter der Dienstmannenlehen war denn auch eigent
lich der entscheidende Wendepunkt für ihre gesell
schaftliche Stellung; denn jetzt unterschieden sie sich
von dem eigentlichen Adel nur mehr in unwesentlichen
Stücken. Solchem hatten freilich auch manche der freien
Herren selbst vorgearbeitet. In Anbetracht dessen,
daß der Herzog, gerade den für seine Privatfehden
und -kriege so wichtigen Ministerialen mit Vorliebe
Lehen gab, traten manche freie Herren in den Stand
der Ministerialen herab, freilich mit Vorbehalt der
freien Verfügbarkeit über ihr freies (landrechtliches)
Eigen, der aktiven Lehensfähigkeit und des Gerichts
standes vor dem zum Standesgericht gewordenen
Grafengericiite, dem Landtaiding, samt der Fähig
keit, dort Urteil zu finden, während die ursprünglich
unfreien Ministerialen ihr eigenes Ministerialengericht
hatten und trotz ihrer rittermäßigen Lebensweise
vor dem Landtaiding noch nicht stehen konnten.
Durch diese Vermischung mit ursprünglich freien
Vasallen erlangten aber sämtliche Ministerialen be
reits in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts den Ge
richtsstand vor dem Grafengerichte, fanden nunmehr
vor demselben zunächst über ihre Genossen Urteil,
konnten Allod erwerben, über das sie ohne den Herzog
frei verfügen konnten, endlich auch Afterlehen er
teilen. ')
') L. c.
108
So waren diese Vasallen ihren früheren Über
genossen, den Grafen und Herren, im allgemeinen
gleichgestellt.
Aber nur im allgemeinen; noch waren sie mit
ihnen nicht zu einem Stande verschmolzen, denn noch
hafteten ihnen Spuren ihrer früheren Unfreiheiten
an, die entgültig erst im 14. Jahrh. verschwanden1).
So geschah es noch bis zum Ende der Baben
berger, daß sie Ministerialen verschenkten, einen
Heiratszwang ausübten und bei Wechselheiraten
Kinderteilung vornahmen. So überläßt Leopold VI.
»per manum Rodgeri de Proschingen de iure nostro"
dem Bistum Bamberg die Tochter eines seiner Mini
sterialen, welche einen Ministerialen des Bistums ge
heiratet hat2). Von Teilungsverträgen betreffs der
Kinder aus Wechselheiraten finden sich zahlreiche
Beispiele 3).
Indes nicht alle Dienstmannen in Österreich und
Steier hatten sich den Grafen und Herren soweit ge
nähert. Manche weniger hervorragende und weniger
begüterte Ministerialen des Herzogs (auch er hat ja
später seine »Ritter und Knechte«), vor allen aber
alle nichtherzoglichen Dienstmannen waren unfrei
geblieben und bildeten fortan zunächst tatsächlich,
dann auch nominell einen geringeren Stand. Sie
wurden in Österreich »Ritter und Knechte«, in Steier
mark »comprovinciales« genannt4). Diese Scheidung
der früheren Ministerialen in 2 nicht nur tatsächlich,
sondern auch der Bezeichnung nach verschiedene
Klassen findet sich aber in Steiermark bereits 1186
vollkommen ausgebildet, während sie in Österreich
noch zur Zeit des Ausganges der Babenberger nicht
völlig durchgedrungen zu sein scheint.
') Werunsky a. a. 0. S. 34.
a) Meiller a. a. 0. S. 95, Nr. 62.
3) Meiller a. a. 0. S. 95, Nr. 62; S. 118, Nr. 136; S. 122, Nr. 152;
S. 132, Nr. 182; S. 151, Nr. 15; S. 177, Nr. 129 (aus dem Jahre 1244).
*) Vgl. die oben zitierten Reichsgeschichten.
109
Es ist dies das erste Zeichen, aus dem man kon
statieren kann, daß die Entwicklung der Ministerialität
in Steiermark derjenigen in Österreich voraneilte.
Denn sicherlich muß die Absonderung der Ministe
rialen von ihren früheren unfreien Genossen weiter
gediehen sein, wo sie sich sogar schon in den Be
nennungen zeigt.
Aber das ist nicht der einzige Unterschied
zwischen der steirischen und österreichischen Mini
sterialität.
Verheiratungen der Ministerialen von Seite des
Herzogs und Teilungsverträge über Kinder aus
Wechselheiraten von herzoglichen Ministerialen mit
denen anderer Herren (es wird immer ausdrücklich
von Ministerialen gesprochen, nicht von Comprovin-
cialen oder Rittern) finden sich in Steiermark wie
in Österreich. Erst Kaiser Friedrich II. gab 1237 den
steirischen Ministerialen das Privileg, daß sich künftig
der Landesherr nicht mehr in ihre Heiraten einzu
mischen habe, mit dem Bemerken, daß bis dahin das
Entgegengesetzte üblich war l).
Allein unter Ottokar VI. (1164—1192) hatte sich
doch andererseits die Stellung der steirischen Mini
sterialen so weit gehoben, daß sie die österreichischen
weit überragten. Namentlich wurde ihnen in poli
tischen Dingen ein solcher Einfluß eingeräumt, daß
man in ihnen die späteren Landstände schon auf
das deutlichste erkennnt. Sie wurden zu wichtigen
Regierungshandlungen hinzugezogen und um ihre
Zustimmung gefragt2).
So ernannte Ottokar VI. am 17. Aug. 1186 den
Herzog Leopold V. von Österreich und dessen Sohn
Friedrich I. auf einem großen Landtage zu St. Georgen
berg bei Enns »communicato meliorum nostrorum
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2244. Abgedruckt ist die Urkunde
unter anderen im Steierm. Urkb. II. 461 und Huillard-Brßholles 1. c.
V. 62.
2) Bachmann a. a. 0. S. 101 und Werunsky a. a. 0. S. 273 f.
110
consilio« zum Erben seiner Allode, Ministerialen und
der unter seiner Vogtei stehenden Klöster. Zugleich
wurden in der daselbst ausgestellten Handfeste den
steirischen Ministerialen nicht etwa Rechte gegeben,
sondern nur die bereits herkömmlichen öffentlich
anerkannt und verbrieft; neu waren nur jene Be
stimmungen, welche sich eben aus der gegenwärtigen
Übertragung ergaben.
Die Rechte, welche 1186 den steirischen Ministe
rialen verbrieft wurden, sind vor allem folgende :
Vererbung der Lehen auf Töchter, Wahrung der Erb
folge der nächsten BJutverwandten, falls der Erblasser
über sein Vermögen nicht verfügt hat, freie Ver-
äußerlichkeit der Allode an andere Ministerialen
innerhalb des Landes (Steier), Schenkungen von Ein
künften an bestimmte Klöster beim Eintritt in die
selben, Befreiung von gewissen in Österreich übli
chen Abgaben, Berufung an das Reichshofsgericht
im Falle von Mißachtung ihrer Rechte und grausamer
Regierung von Seite des Herzogs1).
Wir sehen also auch hier das Unfertige der Mi-
nisterialität : einerseits werden die Ministerialen wie
Eigentum behandelt und vererbt, andererseits er
halten sie doch die wichtigsten Rechte.
So hoch standen die Ministerialen in Österreich
bei weitem nicht. Zwar werden auch sie zu Regie
rungshandlungen des Herzogs hinzugezogen, aber
stets nur zur solchen von geringer oder keiner Be
deutung, vor allem bei Schenkungen an Klöster2).
Da heißt es wohl »consilio et conniventia fidelium
ministerialium nostrorum«. Auch das Ennser Stadt
recht ist »nach dem Rate der Ministerialen« erlassen 3).
Desgleichen wären die Rechte der steirischen Mini
sterialen 1186 nicht verbrieft worden, wenn sie auch
in Österreich bestanden .hätten.
l) Werunsky a. a. 0. S. 273.
a) Meiller a. a. 0. S. 78, Nr. 5; S. 88, Nr. 33; S. 97, Nr. 66;
S. 100, Nr. 74.
3) Meiller, a. a. 0. S. 109, Nr. 99.
111
Einer der Hauptgründe, warum die Ministerialen
der Steiermark die österreichischen überflügelten, ist
gewiß auch der, daß die Anzahl der ursprünglich
freien Adelsgeschlechter in der Steiermark noch viel
geringer war als in Österreich. Dort gab es im 13.
Jahrhundert nur noch zwei Geschlechter freier Her
kunft, die von Peggau (Peckach), später von Pfann
berg geheißen und seit etwa 1237 Grafen, und die
auch im Sanntale begüterten kärntnischen Grafen von
Heunburg1). In Österreich dagegen blühte in den
beiden ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts noch
eine Reihe Grafengeschlechter und später wenigstens
noch eine Anzahl »freier Herren« 2).
Der Unterschied in der Stellung der steirischen
und österreichischen Ministerialen war mithin bedeu
tend genug, um die Eifersucht und den Neid der
letzteren zu erwecken. Naturgemäß strebten sie nach
den Rechten ihrer steirischen Genossen, und so war
sofort die Basis für den Kampf zwischen Herzog und
Ministerialen geschaffen. Mit Grimm werden sie jene
Abgaben, von denen die St. Georgenberger Hand
feste spricht, weiter gezahlt haben, mit scheelen
Augen auf die Intestaterbfolge, die Erbfolge der
Töchter in den Lehen, auf die freie Veräußerlichkeit
der Allode, wie sie den steirischen Ministerialen ver
bürgt waren, geblickt haben. Um das Recht der Ap
pellation am Reichshofgericht scheint der Kampf um
so mehr gewogt zu haben, da sich der Herzog in
ihren Streitigkeiten mit den Klöstern und Bauern
fast stets der letzteren annahm. Wir haben schon
oben darauf hingewiesen und kommen noch darauf
zurück.
Aber nicht bloß die österreichischen, sondern
auch die steirischen Ministerialen scheinen die beiden
letzten Babenberger gegen sich aufgebracht zu haben.
') Werunsky a. a. 0. S. 273.
a) Werunsky a. a. 0. S. 32 f.
112
Merkwürdig genug, nachdem Leopold V. im
Jahre 1192 nach dem Tode Ottokars noch einmal
eine große Versammlung der steirischen Ministerialen
nach Graz berufen, um dort mit ihnen über seine
Angelegenheiten und das Wohl des Landes zu ver
handeln (»illic de rebus nostris ac provincie salute
saniori consilio tractaturi«) '). findet sich etwas der
artiges nicht mehr. Von jetzt an ist auch die Betei
ligung der steirischen Ministerialen an den Regierungs
geschäften wieder auf das gewöhnliche Niveau der
österreichischen reduziert. Daraus scheint ganz ent
schieden hervorzugehen, daß die Babenberger die
steirischen Ministerialen auf der Höhe ihrer Stellung
durchaus nicht lassen wollten. Dem Vorgange Otto
kars entsprechend hätte vor allem Leopold V. auf
dem Totenbette die Bestimmung der St. Georgenberger
Handfeste, welche ausdrücklich verlangte, daß der
jenige Herzog aus dem Babenberger Hause, welcher
Österreich besitze, auch Steiermark haben solle, nicht
ändern sollen, ohne die Ministerialen zu fragen. Mag
nun auch der Herzog den Plan, Steiermark an Leopold
zu geben, bereits geraume Zeit vorher in der Seele
getragen, ja sich vom Kaiser bereits die Zustimmung
eingeholt haben 2) oder nicht, auf jeden Fall hätte er,
wenn er wollte, die steirischen Dienstmannen zu
Rate ziehen können wie einst Ottokar; denn er lag
vom 26. bis 31. Dezember in Graz, also mitten in
Steiermark krank und ordnete noch mancherlei An
gelegenheiten3). Sollte sich sein Unfall bei Gelegen
heit eines Turniers ereignet haben, so waren die Mi
nisterialen sicherlich in Scharen da. Auf jeden Fall
waren manche anwesend und andere konnten leicht
herbeigerufen werden. Dennoch verlautet von einer
Hinzuziehung derselben nirgends das Geringste,
während so etwas bei anderen Gelegenheiten nicht
') Meiller a. a. 0. S. 70, Nr. 55.
') Meiller a. a. 0. S. 237, Nr. 267.
3) Vgl. Juritsch a. a. 0. S. 342 ff.
113
unerwähnt bleibt; und doch waren seit der großen
Versammlung in Graz, wo er ȟber seine Angelegen
heiten und des Landes Wohl mit ihnen verhandelte«
erst 3 Jahre verflossen. Man sieht, die Bedeutung der
steirischen Ministerialen sank seit 1192 rasch. Auch
später finden wir keine Spur mehr von ihrer Zuzie
hung zu wichtigeren Regierungshandlungen. Das
mußte sie aber mit Ingrimm erfüllen.
Auch die Bestimmungen über den Heimfall der
Lehen scheinen von den Babenbergern öfters unbe
achtet geblieben zu sein; denn im Privileg Kaiser
Friedrichs II. für die steirischen Ministerialität von
1237 heißt es, daß bei Lehen die Beschwerden, welche
»anevelht heißen, n ich t mehr stattfinden sollen ').
Weder Leopold VI. noch Friedrich waren also
gesonnen, die Entwicklung ihrer Ministerialität so
weiter gehen zu lassen, wie sie sich in Steiermark
vor 1192 angebahnt hatte. Im Gegenteil, wir dürfen
die Behauptung wagen, daß die Regierung der beiden
letzten Babenberger bis 1237 geradezu einen Still
stand, ja bezüglich der steirischen Ministerialen einen
Rückgang in ihrer Machtstellung bedeutete. Herzog
Friedrich II. hat nach dem glaubwürdigen Zeug
nisse Hermanus von Altaich seinen Adel geradezu
niedergedrückt, während er die niederen Klassen hob.
Daraus erklärt sich auch, warum der Kaiser sich
der Ministerialen annahm und ihren Klagen ein so
williges Ohr lieh, obwohl er sie doch sicher durch
schaute. Das Bestreben der Babenberger richtete
sich eben so sehr gegen seine Politik wie das der Mi
nisterialen ihr entsprach. Wir werden auch nicht
irre gehen, wenn wir sagen, der Zwiespalt zwischen
Friedrich und seinen Ministerialen wurzelte in erster
Linie in einer ständischen Bewegung und dem Empor
streben der Ministerialen einerseits und in dem Wun
sche des Herzogs anderseits, die Landeshoheit nach
unten nicht nur nicht schmälern zu lassen, sondern
") Böhmer-Ficker a. a. 0., Nr. 2244.
Prager Studien. XI.
114
sie zu erweitern. Gesiegt haben dabei die Ministe
rialen infolge des jähen Todes des letzten Baben
bergers. Kaiser Friedrich II. benützte sie schon 1237
für seine Zwecke, und zur Belohnung für ihre guten
Dienste und gemäß seiner Politik bestätigte er nicht
nur den steirischen Ministerialen die Privilegien der
Georgenberger Handfeste, sondern gab ihnen auch
das Recht, sich einen eigenen Herzog zu erbitten,
wenn sie es für gut fänden. Doch diese Dinge liegen
außerhalb unserer Aufgabe.
Wenn Juritsch 1) sagt, daß die Rechtsgrundsätze,
wie sie sich bei den österreichischen Ministerialen
ausgebildet hatten, schon zu tief eingewurzelt waren,
und daß sich auch für ihr Streben, nach dem Muster
der steirischen Handfeste ihre Rechte zu erweitern,
kein positiver Beweis bringen läßt, so dürfte die erste
Behauptung doch nicht richtig sein, und die zweite
Behauptung möchten wir dahin ändern, daß sich für
jenes Streben kein direkter Beweis bringen läßt. Daß
wir in den Quellen keine Andeutungen über die Be
strebungen der Ministerialen finden, ist nichts Merk
würdiges; denn Entwicklungen, die gewissermaßen,
wie man zu sagen pflegt, in der Luft liegen, werden
selten von einem Zeitgenossen mit Worten gekenn
zeichnet, am allerwenigsten von einem inländischen.
Der Abt von Altaich aber sah sehr wohl, welche
Stellung der Herzog seinen Ministerialen gegenüber
einnahm.
Trotzdem läßt sich keineswegs in Abrede stellen,
daß auch andere Gründe [für die Unzufriedenheit
der Ministerialen vorliegen mochten.
Sie mögen immerhin auf die Immunierungen der
geistlichen Stifter, vor allen auf ihre Maut und Zoll
befreiungen mit scheelen Blicken geschaut haben,
umsomehr, da wohl auch sie darnach strebten, aber
') A. a. 0. S. 519 f., vgl. dagegen Ficker a. a. 0. S. 12 und
Huber, Gesch. Öst. I, S. 405.
115
vergeblich *) ; denn man findet vor 1237 nichts von
speziellen oder allgemeinen Maut- und Zollbefreiun
gen von Adeligen, während solche von Klöstern
massenhaft vorkommen2). Erst im Landrecht von 1237
wurden jene allgemein davon befreit, was auch daraus
hervorgeht, daß bei diesem 47. Artikel nicht wie bei
anderen eigens »Gewohnheit« und »Recht« gegen
übergestellt wird3). Mithin werden sie früher von
jenen Abgaben nicht befreit gewesen sein.
Übrigens hat Herzog Friedrich nach seiner Wie
dereinsetzung in Österreich die Maut- und Zollfreiheit
des Adels, wenigstens der Ministerialen, nicht einmal
anerkannt]; denn nach 1241 erhält Gundaker von
Starchenberg (also einer aus den ersten Ministerialen
geschlechtern) das Recht der Maut- und Zollfreiheit
zu Wasser und zu Lande »für den Hausbedarf an
Lebensmitteln« bestätigt4) und zwei Jahre später er
langen sie Heinrich Piber und sein Bruder, sowie
Ulrich von Lobenstein für alle Lebensmitteln, »que
pro domibus suis habuerint necessaria«, wie selbe
bereits ihre Vorfahren besessen 5). Wenn auch Star
chenberg das Privileg nur bestätigt erhält und
schon die Vorfahren der Letztgenannten es hatten,
so geht daraus doch hervor, daß dasselbe nicht für
den gesamten Adel anerkannt wurde, denn sonst wäre
eine Bestätigung für einzelne wohl überflüssig ge
wesen. Es wurde und ist bloß in Ausnahmsfällen er
teilt worden.
Auch die großen Güterschenkungen Leopolds VI.
an die Klöster mögen den Neid der Ministerialen und
damit die Mißstimmung gegen den Herrscher ent
facht haben, umsomehr, da er ihnen gegenüber keines
wegs so freigebig gewesen zu sein scheint. Er zog
') Juritsch a. a. 0. 8. 520.
2) Meiller a. a. 0., passim.
8) Juritsch a. a. 0. S. 589.
*) Meiller a. a. 0. S. 169, Nr. 93.
») L. c. S. 177, Nr. 127.
116
heimgefallene Lehen ein und kaufte mehrere Güter
in- und ausländischer Besitzer, ohne sie, wie es scheint,
zu Lehen wieder auszugeben. So erwarb er ausge
dehnte Herrschaften der Grafen von Klamm in Mach
land und von Peilstein (südlich von Melk), die beide
1218 ausstarben. Vom Burggrafen von Nürnberg kaufte
er die Herrschaft Raabs, von Gottschalk von Hauns-
berg die vom Bistum Passau zu Lehen gehende Stadt
Linz mit anderen Gütern bis oberhalb Engelhartszell,
vom Bischof von Würzburg die Besitzungen um
Lambach und von diesem Kloster dessen Rechte auf
die Gerichtsbarkeit und die Zölle der Stadt Wels.
Desgleichen erwarb er 1229 vom Freisinger Bischof
große Güter im südöstlichen Krain und 1222 von den
Herrn von Castello Portenau in Friaul, ein Lehen
Aquilejas Besonders nach den Gütern der unter
ihm erlöschenden Grafengeschlechter werden manche
Augen gierig geblickt haben.
Nicht minder wird es den Grimm der Ministe
rialen gegen Leopold erregt haben, daß derselbe kei
neswegs die Klöster von ihnen bedrücken ließ, und
wenn sie sich in den Besitz von Klostergüter setzten
oder die Vogtei über dieselben widerrechtlich an
maßten, in fester und consequenter Weise eingriff2).
Ähnlich auch Friedrich II.3).
Auch wegen der Begünstigung der Städte waren
die Ministerialen den Babenbergern gram. Daß Enns
und Wien Stadtrechte erhielten, mochte ihnen im all
gemeinen gleichgiltig sein, ersteres geschah sogar,
wenn wir der Urkunde glauben dürfen »iuxta con-
silium et admonitionem (?) fidelium ac ministerialium
nostrorum « 4). Nicht gleichgiltig mochten ihnen aber
gewisse Begünstigungen der Bürger sein, die in
denselben enthalten waren. So vor allem nicht, daß
1) Huber, Gesch. Österr. 1, S. 402.
2) Meiller, a. a. 0. S. 88, Nr. 35; S. 90, Nr. 39; S. 136, Nr. 199.
») L. c. S. 155, Nr. 31.
*) L. o. S. 109, Nr. 99.
117
die auswärtigen Kaufleute nur an Bürger ihre Waren
verkaufen durften und so die Ministerialen die Klei
dung und den Schmuck für ihre Frauen und Töchter
aus zweiter Hand, natürlich gehörig verteuert, be
ziehen mußten l). Auch die Maut- und Zollbegünsti
gungen, welche außer Wien und Enns auch Linz,
Krems, Ottensheim, Zwettl erhielten2), werden hierher
gehören, noch mehr, daß der Herzog nicht immer
kräftig genug eingeschritten zu sein scheint, wenn
den Ministerialen Grundhörige und unfreie Leute in
die Städte davonliefen3).
Das also werden etwa die Ursachen sein, wes
halb die Ministerialen bereits unter der Regierung
Leopolds höchst unzufrieden waren.
Ob wirklich schon 1226 hinter der Empörung
Heinrichs, des Zweitgebornen Leopolds (der Erstge
borene war schon 1216 durch einen unglücklichen
Sturz gestorben), eigentlich nur ein Ministerialenauf
stand steckte, mag dahingestellt bleiben. Die einzige
Meldung der Cont. Sancr. I., Heinrich habe sich »ex
consilio et auxilio quorundam iniquorum« gegen
seinen Vater erhoben4), ist doch zu mager, um etwas
Sicheres daraus ableiten zu können *). Jedenfalls blieb
der Aufstand auf enge Grenzen beschränkt, da Hein
rich bloß Hainburg in seine Gewalt brachte, und die
Ministerialen unterwarfen sich schnell5). Mit dem
mächtigen, festen und dabei klugen Leopold war eben
wenig zu machen. Als er aber starb und ihm sein als un
erfahrener, unbesonnener und rauflustiger junger
Mann bekannter Sohn folgte, da erhoben sich »fast
') Juritsch a. a. 0. S. 622.
2) L. c.
») Vgl. dazu Böhmer-Ficker a. a. 0., Nr. 2244.
') L. e. p. 626.
6) L. c.
*) Anmerkung. Ficker (a. a. 0. S. 8) nimmt einen Ministe-
rialenaufstand an, Juritsch sagt nichts davon.
118
allet Ministerialen wie auf einen Schlag* '). Sie hatten
sich dennoch in Friedrich nicht unerheblich getäuscht.
Mit starker Hand schlug er sie nieder. Sie wagten
nichts mehr, obwohl der Herzog sie auch fürderhin
nicht begünstigte, sondern niederhielt**). Erst als sich
der Herzog 1235 dem Kaiser gegenüber arge Blößen
gegeben, da wagten sie es wieder, sich gegen ihn zu
stemmen, und von jetzt an gehörten sie zu den ent
schiedensten Bekämpfern ihres Herrn im Lande wie
am kaiserlichen Hofe; denn sie wußten, wo ihnen
Hilfe und Heil winkte.
Sie täuschten sich nicht — wenigstens vorüber
gehend unterlag ihnen der Herzog. Aber ihr Triumpf
vom Jahre 1236 sollte nicht zu lange dauern.
') Cont. Sancr. I. 1. c. p. 627.
*) Anmerkung. Die Meinung Fickers, daß die steirischen
Ministerialen sich an diesem Aufstande nicht beteiligten, möchten wir
nicht annehmen. Denn erstens sind doch auch die steirischen Ministe
rialen, welche am 30. Nov. 1230 zu Lilienfeld beim Herzog sind, am
13. März 1231, wo man sie bei ihm erwarten sollte, nicht anwesend
(Meiller a. a. 0. S. 148, Nr. 2, 3), und zweitens hatten sie, wie wir
oben sahen, vielleicht mehr Grund zur Empörung als die österreichi
schen. Da wir die Angabe der Heiligkreuzer Annalen, daß sich „fast
alle" Ministerialen empörten, nicht für uns verwerten wollen,« noch
können, so läßt sich die Teilnahme allerdings nicht strikt beweisen,
aber noch weniger abweisen.
**) Anmerkung. Vgl. das maßvolle Benehmen Friedrichs gegen
die Ministerialen nach Besiegung des ersten Aufstandes im Jahre 1231
(Ficker a. a. 0. S. 18) und auch nach seiner Wiedereinsetzung ins
Herzogtum, wo er keinen Unterschied zwischen den Empörern und
den ihm treu gebliebenen machte (1. e. S. 91).
119
III.
Kaiser und Herzog bis zur Abfassung des
Manifestes (Juni—Juli 1236).
1. Die Zitationen nach Augsburg und Hagenau
(Oktober 1235 und Januar 1236).
Wir haben früher gegen Juritsch bewiesen, daß
die Rechtsfürsten ihre Klagen gegen den Babenberger
nicht vor dem Mainzer Tage vorbrachten1). Jetzt
möchten wir noch hinzufügen, daß dies wahrschein
lich auch zur Zeit des Mainzer Reichstages noch nicht
geschah, sondern erst nach demselben. Denn die eben
im fernen Westen weilenden Bischöfe werden von der
Grenzsperre am 22. August (wenn sie damals über
haupt schon angeordnet war) kaum schon etwas ge
hört haben. Dazu kommt, daß der Kaiser ausdrück
lich sagt, die Fürsten hätten ihre Klagen »sepe coram
nobis specialiter per literas et nuncios« vorge
bracht. Am Mainzer Reichstage aber waren die kla
genden Fürsten bis auf den König von Böhmen (und
seinen Bruder) sämtlich anwesend2); da hätten sie
ihre Klagen mündlich vorgebracht, obwohl wir zu
geben, daß dieser letztere Beweis nicht zwingend ist,
da sie ja ihre Klagen auf besagte Weise später ur-
gieren konnten.
Wo der Böhmenkönig war, wissen wir ; er war
zur Zeit des Mainzer Tages mit dem Kaiser noch
nicht auf so gutem Fuße, daß er mit Klagen vor
ihn gekommen wäre.
So werden wir annehmen müssen, daß die Für
sten ihre Klagen gegen den Herzog — einige unbe
deutendere Sachen etwa ausgenommen — erst nach
dem Mainzer Tage, aber vor dem Augsburger »brief
lich und durch Boten«, und zwar dringend und wie
derholt erhoben haben.
1) Siehe oben S. 63 f.
a) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2099c—2104.
120
Der Kaiser wollte trotz der vielen Klagen die
Sache auf gütlichem Wege beilegen, wahrscheinlich
nicht deshalb, weil er noch immer »der Dienste wei
land Herzog Leopolds sich erinnerte«, sondern weil
er bei dem starren Charakter des Herzogs einen
Reichskrieg voraussehen mußte und ein solcher ihm
bei seinen Plänen gegen die Lombarden im höchsten
Grade ungelegen war.
Er sandte also diesmal einen Reichsfürsten an
den Herzog, den B. Konrad von Freising, der sich
am 18. Sept. beim Herzog befindet 1), und lud ihn zu
dem auf Ende Oktober angesagten Reichstage nach
Augsburg vor.
Die Vorladung nach Augsburg war eine Zitation
in milder Form. Daß es eine solche war, spricht der
Kaiser selbst aus, indem er im Manifest sagt, nach dem
Augsburger Tage hätten der Erzb. von Salzburg und
andere für den Herzog um eine abermalige Vor
ladung gebeten. Allein die Sache sollte andererseits
doch nicht vor Gericht, sondern auf dem Wege güt
licher Vermittlung entschieden werden.
Der Herzog scheint gefühlt zu haben, daß er,
obwohl das Privileg von 1156 nichts davon sagt, auf
eine Zitation hin doch auch auf außerbairische
Hoftage gehen müsse oder wenigstens, daß der Kaiser
das Privileg leicht in diesem Sinne interpretieren
könne. Er beginnt deshalb jetzt zum erstenmal zu
unterhandeln; möglich auch, daß ihn der Freisinger
Bischof, der dem Herzog trotz des ihm zugefügten
Schadens doch offenbar wohlwollte, dazu beredet hat.
Die herzogliche Gesandtschaft an den Kaiser wird
der vertraute Freund des Babenbergers, Heinrich, Bi
schof von Seckau, geführt haben. Wir finden ihn,
allerdings erst zu Augsburg (im Oktober) beim Kai
ser 2) ; der Herzog scheint es also auch diesmal nicht
sehr eilig gehabt zu haben, wahrscheinlich war er
') Meiller a. a. 0. S. 155, Nr. 31.
s) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2121.
121
anfangs noch entschlossen, einfach nicht nach Augs
burg zu gehen. Im Namen des Herzogs mußte der
Bischof um freies Geleite für den Babenberger und
sein Gefolge bitten. Auch die Freiheit, zu jeder Zeit
sich vom Reichstage wieder zu entfernen, verlangte
der Herzog.
Der Kaiser bewilligte alles, fügte sogar (wie es
scheint, aus freien Stücken) hinzu, der Herzog solle
nicht vor Gericht gestellt, sondern alles solle durch
Beine Vermittlung beigelegt werden. In der Tat konnte
Bich jetzt Friedrich nur schwer der Hoffahrt ent
schlagen. Dennoch tat er es, sei es, daß es ihm von
Anfang an mit seinen Unterhandlungen nicht recht
ernst war und er nur die Sache in die Länge ziehen
wollte, sei es, daß er sich inzwischen wieder anders
besonnen hatte. Es war ja mancherlei gegen ihn,
weshalb er dem Kaiser nicht trauen mochte, der
oft genug bewiesen hatte, daß man ihm nicht zuviel
trauen dürfe. Es wäre auch recht ungemütlich für
den Herzog zu Augsburg gewesen ; denn alle seine
Kläger befanden sich daselbst1). Sogar der König
von Böhmen war erschienen. Er söhnte sich jetzt
mit dem Kaiser aus, der ihn für die Erbansprüche
seiner Gemahlin mit 10.000 Mark abfand2). In Augs
burg wird Wenzel auch seine Klagen gegen den
Herzog vorgebracht haben, und von da an war er
einer der zähesten Gegner.
Friedrich erschien nicht. Trotzdem legten der
Erzbischof von Salzburg, wieder einer der Geschä
digten, und einige andere, darunter wohl auch der
Seckauer nochmals Fürbitte für ihn ein und ver
langten abermalige Zitation. Auch der Umstand, daß
der Herzog auch jetzt noch, und zwar gerade unter
seinen Klägern Freunde fand, beweist, daß er lange
nicht so gewesen sein kann, wie das Manifest ihn
schildert ; denn sonst hätten sie es doch im Interesse
') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2115 a—2125.
a) L. c. Nr. 2115 a.
122
der Menschlichkeit wünschen müssen, daß man ge
gen diesen Mann endlich einmal mit ganzer Strenge
vorgehe.
Die abermalige Vorladung wurde gewährt. Da der
Kaiser beschlossen hatte, in Hagenau zu überwintern,
so lud er den Herzog dorthin vor. Es war auf den
6. Jänner 1236 wiederum ein Hoftag angesagt worden 1).
Der Kaiser hebt im Manifest eigens zweimal hervor,
daß Hagenau Reichsstadt sei. Wollte er dadurch etwa
die Interpretation des Privilegs nahe legen, daß der
Herzog selbstverständlich zum Besuch der Hoftage
auf reichsunmittelbarem Gebiete verpflichtet sei, und
daß der Kaiser Friedrich I. die Babenberger doch
offenbar bloß vom Besuche jener außerbeirischen
Hoftage habe dispensieren wollen, welche auf dem
Gebiete von Fürsten abgehalten würden? In der Tat,
Mainz war bischöfliche Stadt und blieb es lange, Augs
burg war damals noch bischöflich.
Der Hoftag wurde am 6. Januar zu Hagenau
eröffnet. Er dauerte nicht lange, wahrscheinlich weil
er hauptsächlich des Herzogs von Österreich wegen
angesagt worden war, dieser aber wieder nicht erschien.
Sicherlich wußte der Babenberger bereits, was
ihm bevorstand. Es hatten sich im Laufe eines halben
Jahres eine Menge berechtigter und halbberechtigter
Klagen gegen ihn gehäuft und durch seine Wider
spenstigkeit war der Riß zwischen ihm und dem
Kaiser so groß geworden, daß er harte Zeiten vor
sich sehen mußte.
Zürnend konnte aber auch der Kaiser ins Ma
nifest schreiben lassen, der Herzog habe ihn, obwohl
er mehrmals sich zu stellen versprach, stets nur ver
höhnt, und übermütig habe er mit der kaiserlichen
Macht gespielt.
In dieser Zeit nun, wo der Herzog jede Brücke
hinter sich so gut wie abgebrochen hatte, werden
auch die etwaigen Tatsachen fallen, welche den An-
■) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2133 a.
123
klagen zu Grunde liegen, die der Kaiser zum Schluß
über den Herzog ausschüttet. Es sind Klagen auf
Hochverrat.
2. Der Herzog und der Kaiser.
Das erste, was der Kaiser an dieser Stelle vor
bringt, ist, der Herzog habe bei der Gefangennahme
des deutschen Königs unterwegs offenbar Nachstel
lungen geplant (» . . . insidias, quas in captione du-
dum filii nostri Heinrici in itinere manifesto pro-
p o s u i t).
Diese Anschuldigung bezieht sich allerdings an
scheinend auf eine frühere Zeit, nämlich die Mitte
des Jahres 1235. Allein da der Kaiser sie hier bringt
und an früherer Stelle nicht gut Gelegenheit war, sie
zu behandeln, glaubten wir sie hierher verschieben
zu können, zumal sie in ihrer Art mit den folgenden
verwandt ist.
Die Beschuldigung ist in ein eigentümliches
Dunkel gehüllt. Warum spricht der Kaiser nicht deut
licher? Wenn er auch nur für die geringste Betei
ligung des Herzogs an der Empörung Heinrichs Be
weise hatte, so war hier der Platz sie zu bringen,
und ohne Zweifel hätte der Kaiser mit Freuden dieses
äußerst aggravierende Moment höchst nachdrücklich
und mit geziemender Breite hervorgehoben. Wie breit
werden andere viel weniger wichtige Dinge ausge
malt!
Allein der Kaiser hatte offenbar auch nicht die
geringsten Beweise für seine Behauptung. Man wäre
versucht, die hier berührten Nachstellungen neben
dem Assassinenmorde zu behandeln als einzig gegen
die kaiserliche Person gerichtet; aber mit Rücksicht
auf die folgenden Beschuldigungen, mit denen sie
stilistisch auf das engste verknüpft ist, will der Kaiser
doch nicht bloß einen gelegentlich der Gefangennahme
des Königs und ohne Verbindung mit diesem gegen
ihn, den Kaiser, geplanten Anschlag, sondern eine
124
wirkliche hochverräterische Verbindung zwischen Her
zog und König andeuten.
War sie vorhanden ? Vor allem müssen wir noch
mals darauf hinweisen, daß bis 1235 sicherlich eine
Verbindung zwischen beiden nicht bestand und auch
der Kaiser von der Treue des Herzogs vollkommen
überzeugt war*1). Es kann sich also die Stelle des
Manifests bloß auf die Zeit nach der Neumarkter
Zusammenkunft beziehen.
Es entsteht vorerst die Frage, wann und wo
der Herzog diese Nachstellungen bereitet haben oder
vielmehr geplant haben soll — denn mehr sagt der
Kaiser nicht.
Winkelmann 2) meint, das Ganze sei auf den Ver-
rsuch des Herzogs zu beziehen, vom Kaiser bei dessen
Zuge nach Deutschland Geld zu erpressen. Allein von
einer »Pression« ist selbst im Manifest nicht die Rede
und dem Herzog bei seinem damaligen Vorschlage
etwa die Absicht unterzulegen, durch einen Krieg
gegen die Ungarn dem Könige Luft zu machen, geht
schon deshalb nicht an, weil er ja eine Beteiligung
des Kaisers am Kriege gar nicht verlangte. Winkel
mann scheint übrigens von solchen geheimen Absichten
des Herzogs zu Gunsten Heinrichs ganz abzusehen ;
allein dann müssen wir wiederholen, daß der Kaiser
jene »Nachstellungen« offenbar mit einer Verbindung
mit dem empörten Sohne verknüpft.
Schirrmacher3), Böhmer-Ficker4) und Winkelmann
(im ersten Bande seiner Geschichte K. Friedrichs II.) 6)
') Siehe oben S. 54.
2) K. Friedrich IL, II, S. 47, Anm. 3.
3) Kaiser Friedrich II., III. 5.
<) A. a. 0. Nr. 4383 g.
5) S. 4SI.
*) Anmerkung. Auch Gregor IX., der sich in einem Briefe
vom 13. März 1235 (Huillard-Brtholles a. a. 0. IV, p. 531 sq) über
die Anhänger Heinrichs genau unterrichtet zeigt, weiß wenigstens um
diese Zeit nichts vom Herzog.
125
meinen, der Herzog scheine einen Befreiungsversuch
beabsichtigt zu haben, als der gefangene König Ja
nuar 1236 nach Apulien geführt wurde.
Vorsichtiger drückt sich Juritsch 1) aus ; er sagt
nur, der Kaiser behaupte an jener Stelle,
der Herzog habe einen Befreiungsversuch vorgehabt;
es ist das offenbar viel weniger gesagt als : der Her
zog scheine einen Befreiungsversuch vorgehabt zu
haben; denn diesen Schluß aus der Behauptung des
Manifests zu ziehen, sind wir ganz und gar nicht be
rechtigt. Wenn der Herzog auch nur irgendwelche
diesbezügliche Äußerung getan hätte, so hätte der
Kaiser das sicherlich angeführt. Einen Plan, der rein
im Innern des herzoglichen Herzens gelebt haben
soll, in keiner Weise aber nach außen sich verraten
hat, konnte der Kaiser dem Herzoge allerdings auf
sehr wohlfeile Art vorwerfen mit den sehr leicht hin
geschriebenen Worten : »manifesto proposuit« ; gerade
so redet man, wenn man eben nichts weiß.
Das voraus geschickt, ist aber auch sofort klar,
daß im Grunde gar nichts daran liegt, ob der Kaiser
an seine Reise von Italien nach Deutschland oder an
die Abführung seines Sohnes von Deutschland nach
Italien denkt. Es sei nur bemerkt, daß wir den vor
sichtigen Worten des Verfassers der Babenbergerge
schichte bestimmen möchten, obwohl wir zugeben,
daß, wie Winkelmann2) und Ad. Ficker3) (der übri
gens die Sache unentschieden läßt) einwenden, der
Ausdruck »in captione« natürlicher auf die Reise
des Kaisers nach Deutschland bezogen werde. Den
noch kann man sich unter »captio« die ganze Summe
von Tatsachen denken, welche sich um die eigentliche
Gefangennahme des Königs gruppierten, so daß auch
noch die Deportation nach Italien als Abschluß dazu-
zurechnen ist.
1) A. a. 0. S. 543.
») L. c. II. S. 47, Anm. 3.
») A. a. 0. S. 36.
126
Aber was sagen denn die Annalen des 13. Jahr
hunderts? Vielleicht können wir aus diesen eine Ver
bindung Friedrichs mit dem Kaisersohne konstatieren.
Nur zwei Annalen bringen über eine Verbindung
zwischen beiden Bemerkungen.
Das Chronicon de rebus Siculis erzählt : »Sowohl
die geistlichen als die weltlichen Reichsfürsten hien-
gen dem Kaiser an außer dem Herzoge von Öster
reich und Steiermark, welcher ein Verwandter Hein
richs war« 1). Diese Chronik ist erst um 1270 ent
standen und noch dazu im fernen Sicilien, also von
geringer Auktorität Merkwürdig berührt es auch, daß
sie sich über die »Verwandtschaft« Friedrichs mit
Heinrich so unbestimmt ausdrückt; übrigens sagt sie
auch eigentlich gar nichts von einer Anteilnahme an
der Empörung.
Die Annales Scheftlarenses 2), über deren Glaub
würdigkeit besonders Böhmer, Regesten der Wittels
bacher, S. 16, zu vergleichen ist, berichten zum Jahre
1235 : »Zur selben Zeit wurde König Heinrich von
seinem Vater in die Verbannung nach Apulien ge
schickt; deswegen widersetzte sich der Herzog von
Österreich dem Kaiser und wollte nicht auf die Reichs
tage jenes Jahres nach Mainz, Augsburg und Hagenau
kommen.«
Ficker ') bemerkt treffend, daß diese Stelle erst
nach dem Hagenauer Tage niedergeschrieben wurde,
wo der Streit des Herzogs mit dem Kaiser bereits
seinen Höhepunkt erreicht hatte, und zu dieser Zeit
habe es für einen oberflächlichen, in die Tatsachen
minder eingeweihten Beobachter kaum eine beque
mere Erklärung für den Anlaß des Zerwürfnisses
gegeben. Daß der Verfasser der Annalen über die Tat
sachen wirklich wenig unterrichtet war, erhellt schon
daraus, daß er diese Unzufriedenheit des Herzogs
') Huillard-Bröholleg 1. c. I, p. 892.
a) Mon. Germ. Ss. XVII, p. 340.
•) A. a. 0. S. 37.
127
über die Behandlung seines Schwagers (mehr sagt
sie nicht) zum Mittelpunkte des schlimmen Verhält
nisses zwischen Kaiser und Herzog macht, während
der Kaiser doch die Nachstellungen, was doch mehr
ist, nur so nebenbei erwähnt. Auch daraus kann man
auf ein Bündnis zwischen Friedrich und Heinrich
nicht schließen, daß wir am 11. November 1236 Anselm
von Justingen in Wiener Neustadt finden >), einen An
hänger Heinrichs, dessen Burg Anfang 1236 von kai
serlichen Scharen gebrochen worden war, worauf er
die Flucht ergriffen hatte 2). Leider sind die dem 11.
November vorausgehenden Urkunden Herzog Fried
richs von 1236 alle ohne Zeugen, sonst wüßten wir
vielleicht, ob Anselm sogleich nach Österreich floh
oder nicht. Solange wir aber das nicht wissen, müssen
wir sagen, daß damals, wo Justingen tatsächlich bei
Friedrich nachweisbar ist, eben schon Kriegszustand
zwischen dem Herzog und dem Kaiser bestand. Da
ist es erklärlich, wenn Justingen zu dem Manne floh,
der ihn unter obwaltenden Umständen gewiß nicht
auslieferte. Und wäre Anselm auch schon früher beim
Herzog gewesen, als dieser noch mit dem Kaiser
unterhandelte, so würde daraus auf ein früheres
Bündnis zwischen Heinrich und Friedrich auch noch
nicht zu schließen sein.
Wir werden also behaupten können, daß sich
eine Verbindung des Herzogs von Österreich mit dem
ehemaligen deutschen Könige in keiner Weise mit
stichhältigen Gründen beweisen läßt, im Gegenteil,
aus der hierher gehörigen Stelle des Manifests geht
geradezu hervor, daß der Herzog nicht das Geringste
getan, woraus man in irgend einer Weise so etwas
hätte ableiten können.
Aber auch mit den Mailändern und »anderen
Feinden des Kaisers und des Reiches«, also mit einem
Worte mit dem lombardischen Bunde (wenn nicht
') Meiller a. a. 0. S. 157, Nr. 40.
>) Winkelmann a. a. 0. I, S. 485.
128
etwa der Zusatz »et alii inimici« wieder so eine vage
Erweiterung ist, die sich sehr gut anwenden läßt,
wenn man bei Aufzählungen nichts mehr findet) soll
er sich verbunden, und selbst mit dem hl. Vater, der
sich ja seit Beginn des Jahres 1236 wieder mehr und
mehr vom Kaiser ab und dem lombardischen Bunde
zuwandte1), Beziehungen eingefädelt haben.
Von anderer Seite wissen wir über die Unter
handlungen mit dem Bunde und mit dem Papste
nichts, jedenfalls fallen sie, wenn sie wirklich Tat
sache sind, nach Mai 1235, wo sich also der Herzog
angesichts der immer drohender sich gestattenden
Zukunft um Bundesgenossen umzusehen hatte. Es
wäre das allerdings nahe liegend, die Lombarden
wären gewiß die natürlichsten Bundesgenossen des
Herzogs gewesen und auch der Papst hätte für ihn
unter Umständen wertvoll werden können. War An
selm von Justingen im Frühsommer 1236 wirklich
schon beim Herzog (was aber nicht nachweisbar ist),
so könnte man glauben, daß der alte Botschafter
und Vermittler auch hierin den Herzog durch seinen
Rat beeinflußt habe. Besonders was die dem Herzog
zur Last gelegte Verbindung mit dem Papste be
trifft, so läßt sich schwer annehmen, daß das kaiser
liche Manifest zu einer Zeit, wo doch der Kaiser mit
dem Papste durchaus noch auf freundlichen, wenn
auch schwankenden Füßen stand, es gewagt hätte,
öffentlich so etwas aus der Luft zu greifen, da doch
der Papst sofort dagegen hätte protestieren können,
daß er von dem Rebellen auch nur was immer für
Anträge oder Andeutungen empfangen habe. Sollte
sich aber der Herzog wirklich in irgend einer Weise
an den Papst gewendet haben, so wird auch ein Ver
such, sich mit den Lombarden zu verbünden, glaublich,
wenn auch diesen gegenüber der kaiserlichen Kanzlei
weniger Rücksicht zugetraut werden darf.
') Winkelmann a. a. 0. n, S. 15 ff.
129
I
Inde6 können weder die Verhandlungen mit dem
Papste (das Manifest spricht selbst nur von »atten-
tare«) noch auch mit den Lombarden zur Zeit des
Manifests weit gediehen sein, wenn sie überhaupt
stattfanden ; der Kaiser hätte sonst Bestimmteres zu
sagen gewußt. Doch läßt sich auch später von der
artigen Verbindungen keine Spur entdecken.
Weitaus am schwächsten sind aus anderen Quellen
die nun folgenden Anklagen beweisbar, in welchen
der Kaiser den Herzog der Gefährdung seines Lebens
und seiner Ehre beschuldigt. Daher gehören vorgeb
liche Anschläge durch den Alten vom Berge, die
Gefangennahme kaiserlicher Boten, Wegnahme russi
scher, für den Kaiser bestimmter Geschenke und die
Besetzung einer vom Kaiser geerbten Burg.
Der Herzog, so heißt es zunächst im Manifest,
habe Boten zum »Alten vom Berge« gesandt, den man
Assassinus nenne, um ihn für eine ungeheure Summe
für die Ermordung des Kaisers zu dingen. Es wird
nicht gesagt, ob der »Alte vom Berge« auf den An
trag des Herzogs eingegangen sei ; so allerdings ließ
sich die Beschuldigung am besten vorbringen. Ander
weitig kann man die Beschuldigung nicht begründen
und eine derartige Anklage, »zur Beseitigung ver
haßter Personen Meuchelmörder ausgesendet zu haben,
unter denen wieder die Untertanen des ,Alten vom
Berge', die Assassinen, eine besondere Bevorzugung
haben, ist eine in jenen Zeiten so vielfach wieder
kehrende (beispielsweise wurde der Kaiser selbst von
Gregor IX i. J. 1239 und auf dem Concil von Lyon von
Innocenz IV. beschuldigt, auf solche Weise 1231 den
Tod des Herzogs von Baiern herbeigeführt zu haben)
und dabei (für europäische Gegenden) stets so uner
weisliche Beschuldigung, daß man auf dieselbe ein
größeres Gewicht nicht legen darf« 1)*).
>) Ficker a. a. 0. S. 51 f.
*) Anmerkung. Wenn Krones sagt, der Kaiser werfe dem
Herzog vor, daß er mit dem „Alten vom Berge" um ein Attentat
Prager Studien. XL q
130
Ferner wird der Herzog beschuldigt, er habe
kaiserliche Boten, trotzdem er (Herzog Friedrich)
ihnen Sicherheitsbriefe und Geleitsleute gegeben, be
rauben lassen (praeterea nuncios nostros in securi-
tate sua et conductu receptos spoliari mandavit).
Geleitsreiter gab der Herzog fremden Reisenden
(natürlich gegen eine Geleitsgebühr) kraft seines Ge
leitsregals (ius conductus), das ebenfalls durch das
Reichsgesetz König Heinrichs von 12;31 den Fürsten
als persönliches Recht innerhalb ihrer Territorien
zuerkannt wurde l), nachdem es früher schon tatsäch
lich, wie die übrigen Regalien, geübt worden war.
Die Geleitsgebühren waren an den Zöllner (telconarius)
abzuführen, dem die Geleitsreiter unterstanden2). Der
Geleitsbrief stellte den Reisenden unter den Schutz
des Landfriedens, so daß jeder, der ihn belästigte,
als Landfriedensbrecher behandelt werden konnte.
Merkwürdig ist. daß der Herzog sogar kaiser
lichen Boten gegenüber sein Geleitsrecht ausüben
durfte. Dieselben werden keine Gebühr zu zahlen
gehabt haben, sondern erhielten wohl nur herzogliche
Geleitsleute und einen Sicherheitsbrief, in dem bezeugt
wurde, daß sie kaiserliche Boten seien. So wird man
sich die Sache vorzustellen haben.
Wohin diese kaiserliche Botschaft reiste, ist nicht
bekannt. Allerdings erzählen die Heiligenkreuzer An-
nalen: »Postea imperator misit nuncium suum in
Austriam, interdixit ei gratiam suam et auxilium et
gegen den Kaiser, als dieser sich 1229 iin Morgenlande befand, unter
handelt habe (Handbuch der osterr. Gesell. I. S. 025), so sagt das
erstens der Kaiser nicht, und zweitens würde Herzog Friedrich doch
den Mordanschlag wahrhaftig nicht schon 1229, wo ihm doch der
Kaiser noch nicht das Geringste in den Weg gelegt hatte, geplant
haben (Ivrones gibt die Jahreszahl ausdrucklich an), umsomehr, wenn,
wie Krones früher behauptet, nach dem Tode Leopolds Theodora
ihrem Sohne als Kegentin zur Seite gestanden, mithin Friedrich 1229
noch unmündig gewesen wäre.
') Werunsky a. a. 0. S. 120.
s) L. c.
131
consilium ; quem nuntium sui captivantes et male
tractantes, tandem ad iussum ducis est dimissus« 1).
Es wäre für die Bestimmung der Abfassungszeit
des Manifests von Wichtigkeit, wenn wir nachweisen
könnten, daß die vom Kaiser und von den Heiligen
kreuzer Annalen erwähnte Botschaft identisch sei ;
denn dann müßte das Manifest erst nach der Kriegs
ankündigung erlassen worden sein.
Allein das scheint nicht möglich zu sein ; denn
abgesehen davon, daß die Annalen von einem, das
Manifest von mehreren Boten sprechen, werden Kriegs
boten kaum viel zum »Berauben« gehabt haben, wie
denn auch die Annalen von einer Beraubung nichts
wissen.
Ficker2) übersetzt allerdings : »unsere Gesandten
an ihn (den Herzog)«, allein davon sagt das Manifest
nichts.
Es möchte uns fast scheinen, als seien die Boten
vielmehr Gesandte gewesen und mit jenen Gesandten
in Zusammenhang zu bringen, welche der Kaiser in
der nächsten Anklage erwähnt, wo er sagt, daß der
Babenberger Gesandten (nunciis) des Herzogs von
»Koscien«, welche mit Geschenken an den Kaiser
durch österreichisches Land reisten, diese Geschenke
habe abnehmen lassen zur Schmach und Schande
des Kaisers.
Möglich, daß der Kaiser damals mit einem Für
sten Osteuropas wegen einer uns freilich unbekannten
Angelegenheit unterhandelte und daher Gesandte mit
Geschenken durch Österreich hin und hergingen.
Was das »Roscien« bedeutet, ist schwer zu er-
') A. a. 0. p. 638.
2) A. a. 0. S. 50.
*) Anmerkung. Juritsch (a. a. 0. S. 556) tibersetzt tandem
mit „alsogleich", was es doch nicht heißt. Vielmehr hat sich der Herzog
um den Boten nicht sogleich gekümmert oder seine Leute waren etwas
saumselig im Gehorchen, was auch möglich ist.
132
gründen. Huber 1), Ficker 2) und Juritsch 3) denken
an einen russischen Fürsten, Böhmer-Ficker 4) speziell
an Daniel von Halicz.
Damals kämpften nämlich Daniel von Wolhynien
und Halicz und Rostislaw, Sohn des Fürsten Michael
von Tschernigow, um Halicz. Rostislaw stützte sich
auf seinen Vater und auf eine Bojarenpartei im Lande.
Der rechtmäßige Herrscher war Daniel, wenn man
von Rechtmäßigkeit sprechen kann, da sein Vater,
Roman Motislawitsch 1188 den eigentlichen Herr
scher von Wolhynien und Halicz, Rostislaw Wladi-
mirowitsch, gestürzt hatte 5).
Es wäre nun allerdings möglich, daß sich einer
der beiden Nebenbabler an die freilich etwas weit
schichtige Hilfe des deutschen Kaisers gewendet hatte.
1237 schloß Daniel mit Ungarn ein Bündnis, das aber
auch unfruchtbar blieb, da gerade Ungarn 1239 den
aus Halicz flüchtenden Rostislaw aufnahm6).
An Rascien-Serbien werden wir kaum denken
können, da auch 1237 nuntii regis Ruscie zum
Kaiser kamen, als dieser sich in Wien aufhielt7).
Endlich beschuldigt der Kaiser den Herzog, er
habe eine Burg, die ein ehemaliger Regensburger
Vogt (der Name ist nicht genannt) ihm und dem
Reiche von Todes wegen vermacht habe, zu besetzen
gewagt.
Offenbar war das ein Vogt auf bischöflichen
Besitzungen in Osterreich. Es ist sehr Schade, daß^wir
nicht einmal den Namen des Vogtes wissen, vielleicht
'j A. a. 0. I, S. 411.
») A. a. 0. S. 50.
3; A. a. 0. S. 555.
*) A. a. 0. Nr. 2209 a.
s) Scliieniann, Rußland, Polen und Lievland bis ins 17. Jahrn,.
1. Bd., 8. 200 ff. (Sammlung üncken, Allg. Gescb. in Einzeldar
stellungen).
") L. c.
i) Böhmer-Ficker a. a. O. Nr. 2209 a.
133
könnten wir daun konstatieren, daß es auch hier ein
Streit um die Landeshoheit war. So aber läßt sich
nichts machen. Nur so viel sei angedeutet, daß dieser
Vogt vielleicht ein inländischer Adeliger war, mit dem
das Geschlecht ausstarb und der sein Allod aus Ab
neigung gegen den Herzog dem Kaiser vermachte;
und wie sich einst Leopold VI. 1210 als gesetzlichen
Erben des ohne Nachkommen verstorbenen Grafen
von Hohenburg betrachtete, weil dessen Güter »inner
halb der Grenzen seines Herzogtums gelegen seien« 1),
so mochte auch Friedrich Ii. dem Kaiser den Besitz
der ihm legierten Burg bestritten und sie besetzt
haben. Dann würde sich der Streit allerdings wieder
um die Landeshoheit drehen. Indes ist das nur eine
Konjektur, die wir weiter nicht begründen können.
Ob sich aber die Sache so oder ähnlich ver
hält: wir werden immer sagen müssen, daß dadurch
die Schuld Friedrichs doch um etwas verringert wird,
obwohl zugegeben werden muß, daß sein Recht auf
solche Allode gewiß mehr als zweifelhaft und die
Mißachtung der kaiserlichen Hoheit groß genug
war, wenn der Babenberger die Burg ohne weiteres
besetzen ließ. Noch schlimmer war die Beraubung
der kaiserlichen Gesandten — ein wahrer Hohn gegen
den Kaiser, worüber dieser empört sein mußte.
Dennoch werden diese Schritte des Herzogs
wenigstens erklärlich, wenn wir annehmen, daß er
erst nach dem vollständigen Bruche mit dem
Kaiser denselben so zu mißachten wagte.
Dieser vollständige Bruch scheint erst Mitte
Juni eingetreten zu sein.
Hirn2) hat darauf hingewiesen, daß sich der
Seckauer Bischof, bekanntlich späterhin der vertrau
teste Freund des Babenbergers 3), noch im April 1236
zu Speier bei Kaiser Friedrich befand, und vermutet,
1) Fontes rerum Austr., Dipl. XXI. 4. 5.
*) A. a. 0. S. 38.
») Huber a. a. 0. S. 412, Anm. 1.
134
daß der Herzog wohl um diese Zeit noch mit dem
Kaiser verhandelte. Ficker^'weist diese Konjuktur ab
mit der Bemerkung, der Kaiser, der sonst jeden Be
weis seiner Langmut mit der größten Sorgfall regi
striere, hätte dies sicherlich im Manifeste bemerkt.
Indes scheint uns das Übergehen dieser Verhand
lungen im Manifeste auch durch ihre Resultatlosig-
keit erklärt zu sein, und besonders dadurch, daß der
Kaiser durch ihre Erwähnung den eigentlichen Grund
seiner »Langmut«, nämlich die Sehnsucht, angesichts
der lombardschen Angelegenheit die österreichische
in Frieden beizulegen, gar zu sehr verraten hätte.
Huber2) geht denn auch noch viel weiter als
Hirn, indem er die Unterhandlungen bis in den Juni
1236 dauern läßt. Das scheint wirklich wahrscheinlich.
Denn Herzog Friedrich stellt im Juli unter Mitbe-
sieglung des Erzb. von Salzburg drei Verpfändungs
urkunden für den B. von Frei sing, aus, darunter eine
»occasione expensarum, quas idem episcopus in curia
domini nostri Fr. ser. imperatoris Rom. nostro nomine
atque de mandato nostro fecisse dinoscitur« 3) Böhmer-
Ficker 4) nimmt ebenfalls an, daß die beiden Bischöfe
(nämlich der Erzb. von Salzburg und der B. von
Freising) als Unterhändler im Juni bei dem Kaiser
zu Donauwörth dann im Juli beim Herzoge waren*).
Dazu gesellte sich wieder der Seckauer, der zugleich
mit dem Salzburger und Freisinger vor dem Kaiser
erscheint 5).
Im Juli mögen die Unterhandlungen endgiltig
abgebrochen worden sein. In die zunächst darauf
1) A. a. 0. S. 46, Anm. 1.
») A. a. 0. S. 412.
3) Fontes rer. Austr. II, XXXI, 134.
•) A. a. 0. Nr. 2180.
6) Böhmer-Ficker 1. c.
*) Anmerkung. Da sich die beiden Bischöfe des Herzogs so
annehmen, so möchten wir meinen, daß die oben behandelte Grenz
sperre um diese Zeit wenigstens, wenn nicht schon früher, wieder
aufgehoben war.
135
folgenden Wochen hat man dann die Beraubung der
kaiserlichen und russischen Boten *) und vielleicht
auch die Besetzung jener Burg zu verlegen. Diese
Anordnung der Tatsachen stimmt vollkommen mit
der des Manifests, worauf wir immerhin ein ge
wisses Gewicht legen dürfen. Daß das kaiserliche
Schreiben auch den Assassinenanschlag erst nach
dem Hagenauer Tage erwähnt, wird seinen guten
Grund haben, nämlich den, daß der Anschlag zu dieser
Zeit noch am meisten glaublich erscheinen mußte.
Die Verhandlungen mit den Lombarden und
dem Papste könnten aber auch schon bald nach dem
Hagenauer Tage eingeleitet worden sein, da sie ja
im geheimen betrieben wurden und Friedrich immer
hin zu gleicher Zeit mit dem Kaiser weiter unter
handeln konnte.
3. Der Herzog und seine Familie.
An allerletzter Stelle bringt das Manifest zwei
Anklagen, welche den Herzog nicht nur als asiati
schen Despoten gegen seine Untertanen, sondern
noch mehr als höchst ungeratenen Sohn, als pietät
losen Bruder und Schwager, zeigen sollen.
Wir wissen bereits, daß der Herzog seiner
Mutter **) ihre Güter raubte und zu ihr in einer Weise
redete, daß sie es für besser hielt, zum Könige von
Böhmen zu fliehen l). Sie wollte nicht dasselbe er-
]) Vgl. oben S. 77 ff.
*) Anmerkung. Aber noch vor die Ächtung, denn nach
der Kriegsankündigung würden sie nicht mehr durch Osterreich ge
zogen sein.
**) Anmerkung. Nach Cont. Claustroneob. II, p. 620, Cont.
Adm. p. 590 und Cont. Garst p. 506 (von der die Adm. abschreibt),
ist Theodora eine Enkelin, nach den Melker Annalen p. 506 eine
Tochter des griechischen „Königs". Ließen sich die Angaben vielleicht
dahin vereinigen, daß sie eine Tochter Aloxius IV., des Sohnes und
Mitkaisers Isaak Angelos II. sein könnte?
136
leben, was sie schon 1226 von ihrem älteren Sohne
Heinrich erlebt hatte. In der Tat muß die Drohung,
welche der Sohn gegen die Mutter ausgesprochen zu
haben scheint, sie ins Kloster zu stecken oder auf
eine andere Weise zu internieren (»propter timorem
filii, ne se perpetue includeret« 1) nicht ein bloßer
Zornesausbruch gewesen sein, sonst wäre doch die
Herzogin, die ihren Sohn ja kennen mußte, nicht ge
flohen.
Eine solche Behandlung der Mutter war aller
dings sehr verwerflich, und wir wollen sie in keiner
Weise entschuldigen. Daß Friedrich aber, wie das Ma
nifest erzählt, auch die ruchlose Drohung ausgestoßen
habe, er wolle seiner Mutter die Brüste abschneiden
lassen, wenn er ihrer habhaft werden könne, ist sonst
nirgends verbürgt und scheint umsomehr lediglich
zur blutigen Ausschmückung der Tatsachen beigefügt
zu sein, als es eine immerhin naheliegende beliebte
Phrase ist.
Der König von Böhmen bewog Theodora, ihre
Klagen vor den Kaiser zu bringen. Wann sie dies
getan, wissen wir nicht und ebensowenig, ob sie
wirklich »nie aufgehör* habe, unter beständigen
Schreien die Gerechtigkeit des Kaisers gegen einen
so gottlosen Sohn anzurufen«.
übrigens versöhnten sich später der Herzog und
Theodora*), und daßersterer nicht ein gar so unge
ratener Sohn war und sich mit der Mutter aufrichtig
verständigt hatte, geht am besten daraus hervor, daß
die österreichischen Annalen und Nekrologen ein
stimmig melden, die Herzogin-Mutter sei sieben Tage
nach dem Tode ihres Sohnes (27. Juni 1246) »an ge
brochenem Herzen« gestorben 3).
') Cont. Sancr. II. 1. c. p. 638.
') Meiller a. a. 0. S. 182, Nr. 151.
') Cont. Garst. 1. c p. 598; Anm. S. Rudp. 1. c. p. 789; Cont.
Praed. Vind. 1. c. p. 727; Cont. Sancr. II. p. 642; Nccrolog. Admnnt.,
ed. Pez, Ss. rer. Austr. II ad 22/VI; Necrol. Salisb., Cremif., Claustron.
ad 23/ IV und Necrol. Campilil. ad 2 /VI.
137
Ein höchst eigentümliches Licht wirft eine zweite
Anklage auf das Manifest Kaiser Friedrichs.
Es wird nämlich in demselben mit auffallender
Umständlichkeit erzählt, der Herzog habe bei der
Vermählungsfeierlichkeit des Markgrafen Heinrich
von Meißen mit seiner Schwester Konstanze das junge
Paar in der Brautnacht 'überfallen und es gezwungen,
auf die Mitgift zu verzichten, obwohl der Herzog sich
vor' der Hochzeit ausdrücklich verpflichtet hatte, keine
diesbezügliche Forderung vorzubringen oder eine
Verringerung der Mitgift (»remissionem aliquam)
zu begehren. Auch die Ministerialen des Markgrafen
habe er umzubringen gedroht, wenn ihm sein Ver
langen nicht gewährt würde.
Die Hochzeit fand statt zu Stadlau am 1. Mai
1234. Friedrich stand damals auf dem Gipfel seines
kriegerischen Ruhmes. Nicht nur die Empörung der
Ministerialen seines Landes war mit überraschender
Schnelligkeit niedergeschmettert, sondern auch die für
unüberwindlich geltende mährische Festung Vöttau
erobert; der König von Böhmen war vor dem Herzog
schmählich geflohen'1), die Ungarn waren, nachdem
sie an der steirischen Grenze einen großen Sieg in
Friedrichs Abwesenheit davon getragen, von diesem
besiegt und ihre Burg Theben zerstört worden2). Jetzt
waren die im Vorjahre besiegten Könige Andreas
und Wenzel zur Hochzeit erschienen, desgleichen der
Erzb. von Salzburg, die Bischöfe von Bamberg, Frei
sing, Passau, Seckau, die Herzoge Albert von Sachsen,
Bernhard von Kärnten, der Markgraf Pfemysl von
') Cont. Garst 1. c. p. 596 (ad annum 1232); Ann. Mellic. 1. c.
p. 508 (ad 1234), Cont. Sancr. I. 1. c. p. 628, Cont. Lainbac. p. 558,
Cont. Praed. Vindob. 1. c. p. 727 (ad 1233), Cont. Sancr. II. p. 637
(ad 1234).
J) Cont. Praed. Vind. 1. c. p. 727; Ann. Mellic. I. c. p. 508;
Cont. Lambac. I. c. p. 558; Cont. Sancr. I. 1. c. p. 628 und Cont.
Sancr. II. 1. c. p. 037.
138
Mähren und der Landgraf Heinrich von Thüringen
Da mochte wohl das Herz des Babenbergers höher
schlagen, wenn er auf diese Gäste blickte.
Schon deshalb klingt der rohe und noch dazu
aussichtslose Überfall denn doch etwas sehr merk
würdig: der Herzog müßte ihn dann etwa im Zu
stande der Trunkenheit verübt haben, in welchem
Falle er jedenfals nicht ins Manifest des Kaisers ge
hört. Sonst gewinnt man beim Studium der Geschichte
des letzten Babenbergers nicht den Eindruck, daß
er so ganz und gar unüberlegt und alles Ehrgefühles
bar war, wie ihn eine solche Tat in Anwesenheit
vornehmer Gäste erscheinen läßt. Da er die Ministe
rialen des Markgrafen bedrohte, mußte ja jedenfalls
der Lärm und der Aufruhr groß sein.
Ferner meldet keine sonstige Quelle etwas von
dem Überfalle, auch die meißnischen nicht, die es
doch hätten wagen dürfen und dabei über die Hoch
zeit sehr weitläufig berichten2). Endlich klagt der
Markgraf den Herzog dieser Tat nicht an, wie Schirr
macher erzählt3).
Es ist nun freilich wahr, daß andererseits das
Manifest doch wohl eine solche Geschichte nicht rein
aus der Luft gegriffen haben kann, da sie doch
nach seiner Angabe infolge der Bedrohung der mark
gräflichen Ministerialen allgemein bekannt sein mußte.
Wie ist die Sache zu erklären? Am wahrschein
lichsten hat wohl der Herzog einen solchen Überfall
(etwa ähnlich wie das Manifest ihn schildert) wirklich
ausgeführt, aber im Zustande größerer oder gerin
gerer Trunkenheit. So läßt sich einerseits verstehen,
daß der Kaiser die Sache aufzugreifen wagte, und
andererseits, weßhalb die bei der Hochzeit selbst An
wesenden auf die Episode kein Gewicht legten. Einen
') Cont. Sancr. II. I.e. p. 638; CoDt. Admunt. 1. c. p. 593 (schreibt
von ersterer ab).
ä) Vgl. dazu Ficker a. a. 0. S. 52.
3) Kaiser Friedrich III., in. S. 233.
139
etwaigen tollen Hochzeitsscherz zugrunde zu legen,
wie Juritsch ') es tut, wird daher kaum abzuweisen
sein. Freilich ist er etwas übel ausgefallen uud konnte
leicht noch übler aufgefaßt werden, wie es ja manch
mal bei sonst nicht so schlecht gemeinten Scherzen
geschieht ; zumal wenn man, was vorzuziehen sein
wird, ihn eben in etwas angeheitertem Zustande voll
führt werden läßt. Denn in ersterem Falle ließe sich
das Schweigen der Meißner Quellen sicherlich weniger
erklären.
Übrigens liegt an der Sache nicht soviel, als
daß wir länger dabei verweilen sollten. Nur das eine
sei noch bemerkt, daß es doch unwahrscheinlich
klingt, der Markgraf habe sich vor der Hochzeit
eigens verbeten, bei derselben etwa eine Bitte oder
Forderung auf Verminderung der Mitgift vorzubrin
gen ; das wäre mindestens höchst unhöflich ge
wesen und einen so schlechten Leumund als roher,
gewalttätiger und habsüchtiger Mensch wird wohl
der Herzog im Jahre 1234 außer Landes noch kaum
gehabt haben, daß man von vornherein solche Vor
sichtsmaßregeln anwenden zu müssen glaubte.
Auffallend ist, warum der Kaiser die beiden
Erzählungen an den Schluß des Manifestes setzt.
Während er sonst die Zeitenfolge, soweit man sehen
kann, einhält, tut er es hier nicht; denn auch die
Herzogin-Mutter wird wohl ihre Klagen kaum erst
nach dem Hagenauer Tage eingebracht haben. Und
wäre das geschehen, so sollte man vermuten, daß sie
das Manifest gleich nach dem Hagenauer Tage er
wähnen würde.
Der einzige Grund also, warum die Klagen der
Herzogin ganz zum Schluß aufgespart werden, scheint
der zu sein, daß all die Schandtaten des Herzogs
gekrönt werden sollen durch eine wieder die Natur
»naturae reverentiam non observans«. Es war ja auf
diese Weise Gelegenheit, das Manifest in recht sal-
») A. a. 0. 6. 542.
140
bungsvollen Worten zu schließen und dem Auftreten
des Kaisers einen gewissen frommen Anstrich zu
geben.
Gestört wird diese Wirkung freilich bedeutend
durch die etwas sonderbare Geschichte in der Braut
nacht. Doch konnte auch sie geeignet erscheinen, die
ganze Rohheit und den überall unerträglichen Über
mut des Herzogs noch einmal an den Pranger zu
stellen.
141
Schluß.
Nachdem wir die Anklagen des Manifests, so
gut wir es vermochten, untersucht, erübrige noch,
das Resultat unserer Untersuchung in kurzen Worten
zusammenzufassen, ferner die zwei Fragen zu beant
worten, ob der Herzog auf diese Anklagen hin mit
Recht geächtet werden konnte und ob sie auch wirk
lich der eigentliche Grund des Vorgehens Kaiser
Friedrichs gegen den Babenberger waren oder aber
etwas anderes.
Alle Anklagen, die sich auf die Zeit bis Mai 1235
beziehen, fanden wir unberechtigt; denn die Versäu
mung der Mutungsfrist bringt auch der Kaiser nicht als
Anklage vor und dasselbe kann man betreffs der noch
immer schwebenden Mitgif c sagen.
Die weiter folgenden lassen sich unter gewissen
rechtlichen Gesichtspunkten gruppieren: der Herzog
wird im Manifeste als Privatmann, als Landesfürst,
als Reichsfürst und in seinem persönlichen Verhältnis
dem Kaiser gegenüber angeklagt.
Wir haben die Behandlung der Herzogin-Mutter,
auf das rechte Maß zurückgeführt, es in keiner Weise
bemäntelt. Ihre Klage vor dem Kaiser konnte jeden
falls ein Moment bilden, das bei der Ächtung eine
Rolle zu spielen imstande war. Die Scene in der
Brautnacht ist wohl voll und ganz aus der Reihe
der Verbrechen des Herzogs zu streichen.
Als Landesfürst wird sich der Herzog bis zur
Abfassung des Manifests wohl einiger Nachlässig
keiten im Abhalten der Gerichte haben zu Schulden
kommen lassen, auch streng, rücksichtslos, selbst
grausam mag er hie und da bei Vollstreckung der
gerichtlichen Urteile gewesen sein ; mehr haben wir
aus den Quellen nicht nachzuweisen vermocht, vor
allem nicht Ungerechtigkeiten gegen Witwen und
Waisen. Wir haben gefunden, daß er Niedrige nicht
nur nicht mit Füßen getreten, sondern sich ihrer an
142
genommen hat den Ministerialen gegenüber. Diese
scheint er mit strenger Hand gezügelt und die Klöster
und vor allem die Bauern gegen sie geschützt zu
haben. Das war kein Verbrechen Friedrichs, sondern
etwas durchaus Lobenswertes. Ihren ständischen Be
strebungen gegenüber verfolgte er die Bahnen weiter,
die ihm sein Vater vorgezeichnet; die Landeshoheit
ließ er sich durcTi die hochstrebenden Gesellen nicht
nur nicht verkümmern, sondern strebte sie nach
allen Seiten zu erweitern. Der Klerus hatte sich gegen
ihn in der Zeit, die uns beschäftigt, nicht zu beklagen,
die Städte und Märkte hatten zwar einige Gründe
für ihre Mißstimmung gegen ihn, dieselben waren
aber im Ganzen unbedeutend. Sittlichkeitsvergehen
werden wohl vorgekommen sein.
Der Herzog war also keineswegs das Muster
eines Fürsten, bei weitem nicht so gerechtigkeits-
liebend, so ehrenhaft und vor allem nicht so klug, wie
sein Vater. Aber im großen und ganzen war er eben
nicht schlechter als die meisten Fürsten seiner und
mancher anderen Zeit. Einen Anlaß für eine Ächtung
hat der Herzog als Landesfürst nicht gegeben. Die
Klagen gehen wesentlich von den Ministerialen aus
und haben also ihren geheimen Angelpunkt im Kampfe
um die Landeshoheit.
Als Reichsfürst hat sich der Herzog zunächst
seinen Mitfürsten gegenüber einiger Übergriffe schul
dig gemacht. Er hat vielleicht den Friedensvertrag mit
König Wenzel von 1235 gebrochen, Otto II. von Bayern
wahrscheinlich durch die Besetzung Formbachs ge
schädigt. Letzterer durfte sich aber darüber nicht
beklagen, weil er jene Besetzung durch seinen Ein
fall in Österreich im Frühjahr 1233 mehr als quitt
gemacht hatte. Die Grenzsperre gegen die bischöf
lichen Nachbarländer müssen wir ungerecht nennen,
wenigstens insoweit sie sich auf die von den bischöf
lichen Besitzungen in Österreich und Steier kommen
den Getreide- und Weinladungen bezog. Wenn sich
der Streit auch um die Gerichtshoheit drehte, so
143
müssen wir dem Herzog auch hierin Unrecht geben.
Denn wenn zwischen den Herzogen und Bischöfen
infolge der bekannten unklaren Stelle des Privilegium
minus bezüglich der Exemption der bischöflichen
Besitzungen von der Gerichtsgewalt des Herzogs
früher Streitigkeiten erklärlich waren, so daß eben
jene Stelle von kompetenter Seite hätte eine Inter
pretation finden sollen, so war die Sache ein für
allemal entschieden, da der Großvater und Vater
Friedrichs des Streitbaren in den Jahren 1189 und
1215 auf ihre Ansprüche urkundlich verzichtet hatten.
Nichtsdestoweniger wird man nicht behaupten können,
daß der Herzog sich durch diese Ungerechtigkeiten
der Acht schuldig gemacht, da er, wenn man aus
der wohlwollenden Gesinnung des Salzburger Erz-
bischofs und des Freisinger Bischofs gegen ihn nach
dem Augsburger Tage und späterhin bis zur Äch
tung schließen darf, seine Maßregeln gegen sie bald
zurückgenommen zu haben scheint.
Berechtigt ist auch die Anklage wegen des Krie
ges gegen die Ungarn, da derselbe gegen das direkte
Verbot des Kaisers unternommen wurde. Außer
ordentlich würde gegen den Herzog auch die Miß
achtung der beiden Citationen ins Gewicht fallen und
die Ächtung vollständig begründen, wenn nicht die
Stelle des Privilegs über die Hoffahrt der österrei
chischen Herzoge derart wäre, daß der Wortlaut
durchaus für den Babenberger spricht. Wir wollen
damit nicht leugnen, daß dem Sinn des Privilegs das
Gegenteil bei weitem mehr entsprach, allein ohne
Zweifel hätte die Stelle eben auch einer Interpreta
tion — etwa durch ein Fürstenschiedsgericht — drin
gend bedurft, wobei man natürlich auf Unparteilich
keit des Schiedsgerichtes außerordentlich sorgfältig
hätte sehen müssen.
Die Unterhandlungen mit den Lombarden und
die Versuchung des Papstes von Seite eines Reichs
fürsten werden ja allerdings an Reichsverrat mehr
als streifen, aber der Herzog tat diese Schritte in der
144
höchsten Not; man kann wohl sagen, er wurde vom
Kaiser selbst dazu gedrängt. Jede hochverräterische
Verbindung mit König Heinrich dagegen haben wir
als durchaus unbegründet abgewiesen.
Was jene Verbrechen betrifft, die sich auf die
kaiserliche Person und Ehre beziehen, so darf man
den Assassinenauschlag Verleumdung nennen. Die
Beraubungen der kaiserlichen und russischen Boten
und die Besetzung der Burg lassen sich nicht kurz
weg leugnen; sie sind aber wohl nach dem vollstän
digen Bruche, letztere wenigstens wahrscheinlich, zu
setzen und waren sie gewiß ein Hohn gegen den Kaiser,
so handelte es sich bei der Besetzung der Burg
vielleicht wieder um die Landeshoheit.
So können wir als Momente, welche die Acht
begründeten, nur die schlechte Behandlung der Her
zogin Theodora, den Krieg gegen die Ungarn im
Jahre 1235, die Unterhandlungen mit den Lombarden
und dem Papste und endlich die Beraubung der
kaiserlichen und russischen Gesandten anführen.
Alle zusammen lassen die Reichsacht immer
hin berechtigt erscheinen. Nichtsdestoweniger geben
wirFicker gerne zu, daß sich im Hintergrunde noch
etwas ganz (anderes barg, was der Kaiser der übrigen
Fürsten wegen wohlweislich verschwieg, nämlich das
Streben, den Herzog mit fester, konsequenter Hand
wieder enger ans Reich zu ziehen, während der Herzog
nicht nur seine Landeshoheit im Innern befestigen
und ausbilden, sondern auch, gestützt auf sein Pri
vileg, seine gesonderten Wege von der Reichsmacht
möglichst unbeirrt energisch weiterschieiten wollte.
So drehte sich der Kampf um die zwei Gegen-
prinzipe, um die es sich in den folgenden Jahrhun
derten noch oft und manchenorts handeln sollte, um
Reich und Territorium.
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