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Über dieses Buch Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei – eine Erin- nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. Nutzungsrichtlinien Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: + Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. + Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen unter Umständen helfen. + Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. + Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. Über Google Buchsuche Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http://books.google.com durchsuchen.

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Über dieses Buch

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google imRahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kannvon Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturellesund wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei – eine Erin-nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.

Nutzungsrichtlinien

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Massezugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist dieseArbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durchkommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen ZweckenWir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie dieseDateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.

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Über Google Buchsuche

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. GoogleBuchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unterhttp://books.google.com durchsuchen.

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^arbarU College ILthraru

BOUGHT WITH INCOME

FROM THE BEQUEST OF

HENRY LILLIE PIERCE

OF BOSTON

Under a vote of the President and Fellows,

October 24, 189S

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PRAGER STUDIEN

AUS DEM GEBIETE DER

• IM VEREINE MIT DEN ANDEREN FACBPROFESSOREN DER GESCHICHTE

HERAUSGEGEBEN VON

DR. AD. BACHMANN,

PROFESSOR AN DUR K. K. DEUTSCH. UNIV. IN PRAG.

MIT UNTERSTÜTZUNG

DES HOHEN MINISTERIUMS FÜR KULTUS UND UNTERRICHT.

HEFT XI.

KRITISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE IM MANIFEST

KAISER FRIEDRICH EL VOM JAHRE 1236 GEGEN FRIEDRICH II.

VON ÖSTERREICH VORGEBRACHTEN ANKLAGEN.

VON

FLORIAN THIEL.

PBAG

DRUCK UND VERLAG VON ROHLtCEK UND SIEVERS

1905.

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ÜBER DIE

IM MÄHEST KAISER FRIEDRICHS II. VOM JAHRE 1836

GEGEN FRIEDRICH II. VON ÖSTERREICH

VORGEBRACHTEN ANKLAGEN.

VON

FLORIAN THIEL.

PRAG

DRUCK UND VERLAG VON ROHLICEK UND SIEVERS

1905.

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Quellen und Literatur.

I. Quellen und Bearbeitungen.

Huillard-Breholles, Historia dipromatica Frideriei II., Vol. III, IV, V

Zalm, Urkundenbuch der Steiermark, II.

Urkundenbuch des Landes ob der Enns, III.

Annales Mellicenses

Continuatio Garstensis

Continuatio Lambacensis

Continuatio Admuntensis

Continuatio Scotorum

Continuatio Sancrucensis I.

Continuatio Sancrucensis II.

Continuatio Praedicatorum Vindob.

Annales S. Rudperti Salisburgenses

Annales Colonienses maximi

Annales Erphesphordenses

Hermanni Altahansis annales

Annales Scheftlarienses

Annales S. Trudperti

Annales Wormatienses

Descriptio Theutoniae

Casus monasterii S. Galli, Monum. Germ. SS. II.

St. Gallische Geschichtsquellen, herausgeg. von G. Meyer von Knonaai,

IV (in den Mitteil, zur Vaterl. Gesch. XVII).

Sächsische Weltchronik, Mon. Germ. SS. vernaculae linguae, II.

Canonicorum Pragensium continuationes Cosmae, Mon. Germ. SS. IX.

Fontes rerum Austriacarum, II. Abtheilung: Diplomata et acta, III,

VIII, XI, XXXI.

Richardi de San Germano annales, Muratori, Fontes rerum Italicarum VII.

Chronica Siculum, Huillard-Breholles, Historia diplom. Frideriei II.,

I, p. 887 ssq.

Enenkel, Fürstenbuch von Österreich und Steiermark, Rauch, SS. re

rum Austr. I.

Monumenta Germaniae

h. SS. IX.

Monumenta Germaniae

h. ss. xvn.

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Rogerii Carmen miserabile, ed. Endlicher, Monum. Arpadiana und Mon.

Germ. SS. XXIX.

Annales Bojornm, VII.

Meiller, Regesten zur Geschichte der Markgrafen und Herzoge von

Österreich aus dem Hause der Babenberger.

Wcndrinsky, Babenbergische Regesten, Nachträge zu Meiller in : Blätter

d. V. für Landesk. Niederöst., Neue Folge, XIII.

Böhmer-J. Ficker, Regesta imperii, V, 1—5.

Erben, Regesta Bohemiae, I.

Winkelmann, Acta imperii inedita.

II. Literatur.

Ad. Ficker, Herzog Friedrich, der letzte Babenber<;er, 1884.

G. Juritsch, Geschichte der Babenberger und ihrer Länder, 1894.

J. Hirn, Kritische Gesch. Friedrichs, des letzten Babenbergers, Pro

gramm der k. k. Oberealschule in Salzburg, 1871.

Höfler, Kaiser Friedrich II., 1844.

Schirrmacher, Kaiser Friedrich II., 2 Bde., 1859—61.

E. Winkelmann, Geschichte K. Friedrich II. und seiner Länder, 2 Bde.

1863—65.

A. Huber, Geschichte Österreichs, I, 1885.

A. Bachmann, Geschichte Böhmens, I, 1899.

S. Riezler, Geschichte Baierns, II, 18S3.

Weiß, Geschichte der Stadt Wien, I, 1881.

A. Bachmann, Lehrbuch der öst. Reichsgeschichte, 1895.

E. Werunsky, öst. Reichs- u. Rechtsgeschichte, 1.—4. Lief. 1894—1900.

Luschin v. Ebengreuth, Öst. Rechtsgeschichte, 1896.

Huber-Dopsch, Öst. ReichsgeBchichte, 1901.

G. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, VI—VIII.

R. Schroeder, Lehrbuch der deutschen Kcchtsgesch., 3. Aufl., 1898.

H. Siegel, Deutsche Rechtsgeschichte, 3. Aufl., 1895.

v. Schulte, Lehrbuch der deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte,

6. Aufl., 1892.

H. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte, 1887 1892.

H. Brunner, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 1901.

Berchtold, Die Landeshoheit Österreichs nach den echten und unechten

Freiheitsbriefen, 18G2.

A. Dopsch, Die Bedeutung Herzog Albrechts I. für die Ausbildung

der Landeshoheit in Österreich, in Blättern des Vereines für

n. ö. Landesk., XXVIII (1894).

A. Huber, Über die Entstehungszeit der öst. Freiheitsbriefe, Sitzungs

bericht der Wiener Akademie, Bd. 34.

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Ficker, Über die Echtheit des kleinen öst. Freiheitsbriefes, Sitzungs

bericht der Wiener Akademie, Bd. 23.

Chmel, Die öst. Freiheitsbriefe, ebenda.

Luschin v. Ebengreuth, Gesch. des älteren Gerichtswesens in Öster

reich, 1879.

Luschin v. Ebengreuth, Die Anfänge der Landstände, histor. Zeitschrift,

Neue Folge, XLII.

Brunner, Das gerichtliche Exemptionsrecht der Babenberger, Sitzungs

bericht der Wiener Akademie, Bd. 47.

Ficker, Vom Beichsfürstenstande, I.

Luschin v. Ebengreuth, Die steirischen Handfesten, Beiträge zur Kunde

steir. Geschichtsquellen, IX.

Tomaschek, Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, I.

Siegel, Über die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Österreich,

Sitzungsbericht der Wiener Akademie, Bd. 102.

Otto v. Zallinger, Die ritterlichen Klassen im steir. Landrecht. Mit

teilungen des Institutes f. öst. Geschf., Bd. IV.

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Inhaltsangabe.

Quellen und Literatur. Seite

Einleitung 1

I. Kaiser und Herzog bis zur Zusammenkunft in Neumarkt ... 4

II. Kaiser und Herzog von der Neumarkter Zusammenkunft bis

zum Augsburger Tage:

1. Die Zusammenkunft zu Neumarkt 45

2. Der Mainzer Tag und der Krieg gegen Ungarn . . . ^ 61

3. Die Grenzsperre 71

4. Der Herzog und seine Untertanen 85

III. Kaiser und Herzog bis zur Abfassung des Manifest»:

1. Die Zitationen nach Augsburg und Hagenau 119

2. Herzog und Kaiser 123

3. Der Herzog und seine Familie 135

Schluß 141

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Einleitung.

Für die Geschichte des letzten Babenbergers

ist ein Schreiben von großer Wichtigkeit, das uns in•

den Briefsammlungen des kaiserlichen Großjustitiars

für Sicilien, Peters de Vineis, enthalten ist. Das Schrei

ben ist ein offenes Manifest, eine Klageschrift, formell

an den »König von Böhmen und die andern Reichs

fürsten« gerichtet, welches vor aller Welt die im

Juni 1236 über den Herzog von Österreich verhängte

Reichsacht zu rechtfertigen hat. Es ist eine Tendenz

schrift, um nicht zu sagen ein Pamphlet, das den

Herzog in den schwärzesten Farben darstellt. Die

Anklagen beflecken mehr minder alle Taten, die der

Geschichtsschreiber vom letzten Babenberger bis in

die Mitte des Jahres 1236 zu berichten hat ; sie

schänden den Herzog als Reichsfürsten und Unter

tanen, als Nachbarn, als Landesfürsten, als Privat

mann. Das Manifest zwingt den Geschichtsschreiber

immer wieder, auf seinen Inhalt einzugehen, ihn zu

untersuchen, die Anklagen zu widerlegen oder auf

das rechte Maß herabzudrücken.

Das Schreiben hat daher eine Berühmtheit erlangt,

die ihm an sich gar nicht gebürt. Wir besitzen es

nicht im Original, sondern nur in Abschriften, und

das Original war noch dazu ein bloßes Konzept. Die

Namen sind noch durch Punkte ersetzt, sollten also

erst nachgetragen werden. Auch offenbare Fehler

sind unterlaufen, welche eine bedeutende Unkenntnis

der Besitzverhältnisse in Österreich verraten. Durch

Prager Studien. XI. 1

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-2

diesen Konzeptscharakter wird natürlich der Wert des

Schreibens außerordentlich beeinträchtigt, denn wir

können nicht wissen, ob nicht manches in einer für

die Öffentlichkeit bestimmten Überarbeitung geändert

worden ist oder wäre. Wir wissen auch nicht, ob das

Schreiben tatsächlich zu seinem Zwecke verwendet

und veröffentlicht wurde. Es ist darüber nirgends

etwas berichtet. Die Klageschrift wird daher von

vornherein mit der größten Vorsicht und niemals als

Beweis für etwas verwertet werden dürfen, wo ihre

Behauptungen nicht anderswoher, sei es aus Quellen,

sei es durch sichere Schlüsse und Kombinationen

gestützt werden. Andererseits aber regt dieses Aus

schreiben vielfach zu Untersuchungen von bedeutender

Wichtigkeit an, und ohne Zweifel ist ihm zu ver

danken, daß wir manches über den Herzog wissen,

worauf man ohne seine Anregungen kaum oder nicht

gekommen wäre.

Damit vor allem mag es gerechtfertig erscheinen,

wenn ich die Anklagen, welche der Kaiser oder viel

mehr der Verfasser des Manifests, Peter de Vineis, im

Namen des Kaisers auf den Herzog Friedrich von

Österreich häuft, im einzelnen untersuche.

Dabei muß natürlich immer wieder auf die gleich

zeitige österreichische Klosterannalistik und auf die Ge

schiehtschreibung der Nachbarländer Rücksicht ge

nommen werden; die Babenberger- und Kaiserregesten

werden unsere beständigenWegweiser sein. Was Unter

suchungen anbelangt, die über jene Anklagen bereits

angestellt worden sind, so ist viel Scharfsinniges zu

finden in der Monographie Ad. Fickers : »Herzog

Friedrich der Zweite, der letzte Babenberger.« Auf

ihm fußen die späteren; doch bringt G. Juritsch

(Geschichte der Babenberger und ihrer Länder) noch

manche neue Bemerkung.

Abgefaßt wurde die Klageschrift sicherlich bei

oder nach der Ächtung des Babenbergers, die ent

weder am 27. Juni 1236 oder kurz vorher erfolgte.

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3

Denn am 27. Juni schließt der Kaiser mit dem Könige

von Böhmen und den übrigen Nachbarfürsten des

Herzogs zu Augsburg einen Bund gegen ihn. Da der

Kaiser am 24. Juli nach Italien aufbrach, wobei ihn

doch gewiß Peter de Vineis begleitete, so werden

wir die Abfassungszeit des Manifests zwischen dem

27. Juni und 24. Juli ansetzen dürfen. Huillard-

Breholles 1) stellt es in den Mai, aber, wie Böhmer-

Ficker2) richtig bemerkt, in der falschen Voraus

setzung, daß es der Ächtung des Herzogs vorausge

gangen sei ; wäre nämlich solches der Fall, so müßte

es entschieden auffallen, daß es nicht mit der Auf

forderung, zu diesem Zwecke einen Hoftag zu be

suchen oder gegen den Herzog zu rüsten, schließt.

Ficker und Juritsch sprechen sich über die Abfassungs

zeit sehr allgemein aus.

Abgedruckt findet sich das Schreiben außer in

den BriefSammlungen Peters de Vineis bei Huillard-

Breholles, 1. c. IV., p. 852 ssq. und Zahn, Urkunden-

buch der Steiermark, II, 442 ff. Es sind das, wie

Huber 3) sagt, die beiden einzigen brauchbaren

Drucke.

Was die Behandlung des Stoffes betrifft, so

war ich wohl anfangs gesonnen, denselben unter

rechtliche Gesichtspunkte zu'gruppieren und von der

Beihenfolge der Anklagen im Manifeste abzugehen.

Allein das hätte ein öfteres Auseinanderreißen zeitlich

zusammenhängender Tatsachen mit sich gebracht,

was immer mißlich und verwirrend ist. Als ich daher

die Beobachtung zu machen glaubte, daß die Beihen

folge der Anklagen im Manifeste mehr, als man an

nehmen möchte, auch der zeitlichen Aufeinanderfolge

der Begebenheiten entspricht, entschloss ich mich

auch, der Anordnung des Manifestes treu zu bleiben.

') Historia diplomatica Friderici II., IV, p. 857 f. Anm.

2) Reg. imp. V, 1, n. 2175.

3) Geschichte Österreichs, I, S. 411, Anm. 1.

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I.

Kaiser und Herzog bis zur Zusammenkunft in

Neumarkt (Ende Mai 1235).

Nur ungern, so beginnt das Manifest, habe sich

der Kaiser entschlossen, vor dem Könige von Böhmen

und den übrigen Reichsfürsten gegen den Herzog

von Österreich öffentlich Klage zu führen. Allein der

Herzog habe die Ehre des Reiches und seiner kaiser

lichen Majestät so schwer verletzt und ihn so sehr

gereizt, daß er (der Kai°er) einzuschreiten sich ge

zwungen sehe. Und doch sei ihm, weil er den Vater

des Herzogs in Wahrheit geliebt und die Dienste

desselben in dankbarer Erinnerung trage, das Wohl

des jetzt Angeklagten stets sehr am Herzen ge

legen, und er sei bereit gewesen, die Liebe gegen

den Vater auch auf den Sohn zu übertragen und

für sein Bestes auf das wirksamste zu sorgen.

Daß der Kaiser den Vater des Herzogs wirklich

geehrt und geschätzt hat, ist ohne Zweifel wahr.

Denn Leopold VI. war ja dem Staufischen Hause

und speciell Friedrich II., wenn auch nicht bis zur

Selbstaufopferung ergeben, so doch stets ein treuer

Freund und Anhänger gewesen. Allerdings hatte der

verstorbene Herzog nie auf das Interesse seines

Hauses und seiner Länder vergessen, war im Gegen

teil mit klugen und vorsichtigen, aber sicheren und

zielbewußten Schritten stets jene Wege gegangen,

die ihn zur Erweiterung seiner realen und morali

schen Machtsphäre führen konnten. Er hatte das

Babenbergische Österreich auf diese Weise zur Höhe

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seiner Macht nach außen und seiner Stärke im

Innern emporgehoben, und wenn sein Vater sich

bereits 1192 Landesherr genannt hatte, so hat Leopold

diesen Ausdruck noch weit mehr zur Wahrheit ge

macht. Allein er wußte klug seine Interessen mit

denen des Staufischen Hauses zu verknüpfen, so daß

das, was ihm und seinem Lande nützte, auch den

Staufern zum Nutzen gereichte oder doch zu gereichen

schien. Leopold konnte so nicht verfehlen, seine Ober

herren auch zu seinen Gönnern und Freunden zu

haben und dabei unter den mächtigen Territorial

fürsten einer der mächtigsten zu werden.

Leopold VI. hatte sich bereits 1198 auf Seite

Philipps von Schwaben gestellt, als noch keineswegs

sicher war, für welchen der beiden Gegner das Kriegs

glück sich entscheiden würde 1). Auch den Protest,

den Philipp und seine Anhänger gegen die Anerken

nung Ottos IV. im Januar 1202 an Papst Innocenz III.

gerichtet, hatte er mitunterschrieben oder vielmehr

unterschreiben lassen 2).

An den Kämpfen des Staufers hat sich Leopold

zunächst allerdings nicht beteiligt ; er war auch nicht

verpflichtet dazu. Aber umsonst baute Otto IV. auf

dieser zuwartenden Stellung des Herzogs seine Hoff

nung auf, ihn doch noch für sich zu gewinnen 3). Denn

nicht Mangel an Treue bewog Leopold, diese Rolle

zu spielen, sondern seine Klugheit und Bedächtigkeit,

die ihm nicht erlaubte, sein Land und sein Haus einer

unsicheren Zukunft zu überantworten. Deshalb hielt

er inzwischen an den Vergünstigungen seines Privi

legs vom 17. Sept. 1156 fest. Später zog er ohne Rück-

1) Meiller, Kegesten zur Geschichte der Markgrafen und Her

zoge Österreichs aus dem Hause Babenberg, S. 81 f., Nr. 5 u. 6 und

Anm. 305.

2) Böhmer-J. Ficker, Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp,

Otto IV. und Richard, I. Bd., 1. Abt. Nr. 65.

3) Juritsch, Geschichte der Babenberger und ihrer Länder S. 375.

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6

sieht darauf Philipp mit einem Heere nach West

deutschland zu Hilfe und beteiligte sich an der Be

lagerung von Köln (Sept. 1205) 1). Und so blieb er

dem Staufer treu bis zu dessen Tode (21. Juni 1208).

Als im Jahre 1211 Innocenz III. die deutschen

Fürsten aufforderte, an Stelle des Weifen einen neuen

König zu wählen, da war Leopold VI. unter den Für

sten, die sich im Sept. 1211 zu Nürnberg versammelten

und Friedrich von Sicilien zum deutschen Könige

wählten 2).

Freilich scheint er bald darauf an der Sache des

Staufers verzweifelt zu haben, und sie war auch zum

Verzweifeln, und so ging er Anfang 1212 auf kurze

Zeit wieder zu Otto IV. über3). Sobald er aber vom

Kreuzzuge nach Südfrankreich und Spanien, der ihn

vom August 1212 bis Ende 1212 oder Anfang 1213

von der Heimat fernhielt, zurückgekehrt war und

merkte, daß Friedrich doch begründete Aussichten auf

Erfolg habe, kehrte er sofort wieder zu ihm zurück.

Dieser schnelle ParteiWechsel war ja freilich an sich

auffallend, beweist aber nur, daß Leopold seine An

hänglichkeit an das Staufische Haus nicht bis zur

Selbstaufopferung trieb, was ihm unter obwaltenden

Umständen schließlich niemand so übel nehmen

konnte4). Aber Leopold geht zu Friedrich über, ohne

sich seinen Übertritt bezahlen zu lassen. Das muß

hoch angeschlagen werden, denn fast alle Fürsten

stellten hohe Forderungen 5).

Von da an bleibt Leopold dem Könige unerschüt

terlich treu. Im August 1214 steht er wiederum mit

') Contin. Admunt, Mon. Germ. Ss. IX, p. 591 ; Annales Mellic,

ibidem p. 506; Annal. Colon, max., Mon. Germ. Ss. XVII, p. 821.

') Chron. Ursperg., Mon. Germ. Ss. XXIII, p. 373. Vgl. dazu

Böhmer-Ficker, Kegesten, Nr. 646, b.

3) Vgl. dazu Meiller a. a. 0. S. 109, Nr. 99.

4) Näheres über die Gründe des mehrmaligen Parreiwechsels

bei Juritsch a. a. 0. S. 417 u. 422 ff.

5) Vgl. darüber Juritsch a. a. 0. S. 424.

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seinem Hilfsheere in den Gegenden des Niederrheins

und vor Aachen1). Dasselbe tat er später (1226), da

Friedrich II. gegen die lombardischen Städte zog2).

Leopold hat also auf die Vergünstigung seines

Privilegs, nur die Hoftage im Herzogtum Baiern und

etwaige auf österreichischem Boden besuchen zu müs

sen, vielfach verzichtet. Allein das hatten auch seine

Vorfahren getan, und es war das keineswegs ein Opfer,

da ja der Besuch der Hoftage bereits mehr ein Recht

war als eine Pflicht. Mehr war es, daß Leopold auch

an Reichsheerfahrten im fernen Westen teilnahm, ob

wohl er doch nur zu solchen nach den Grenzländern

Österreichs verpflichtet war. Denn diese Heerfahrten

weit von der Heimat waren stets mit großen Kosten

und Beschwerden verbunden. Nur zweimal finden wir

von 1156 bis auf Leopold VI. österreichische Heer

scharen bei Reichskriegsfahrten in der Ferne be

teiligt, beidemal unter Heinrich IL, nämlich 1158 bei

der Belagerung Mailands3) und wieder 1162 nach

der Eroberung der lombardischen Hauptstadt*).

So kam es, daß das Ansehen Leopolds bei Fried

rich II. beständig stieg, so daß dieser schließlich lieber

mit ihm als mit dem Könige von Böhmen, England

oder Frankreich eine Familienverbindung eingehen

wollte und seinen Sohn Heinrich mit Leopolds Tochter

Margarete verband (29. Nov. 1225), auch auf die Ge

fahr hin, das getäuschte böhmische Herrscherhaus

ganz von sich abwendig zu machen. Und doch hatte

der Böhmenkönig für seine Tochter Agnes eine Mit

gift von 30.000 Mark versprochen, wozu sein Vetter

') Meiller a. a. 0. S. 114, Nr. 117—120.

2) Juritsch a. a. 0. S. 490 f.

3) Vincent. Prag., Mon. Germ. Ss. XVII, p. 671.

4) Meiller a. a. 0. S. 45, Nr. 58—60 und Stumpf-Brentano, Die

Reichskanzler, II. Bd., Acta imperii, Nr. 3949, 3950 und 395«.

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Ludwig von Baiern noch 15.000 Mark hinzufügte1)*).

Das eine geht jedenfalls aus dieser Tatsache hervor,

daß die Klugheit Leopolds nicht umsonst gearbeitet

hatte, daß vielmehr die Macht Babenberg-Österreichs

damals auf dem Höhepunkte stand. Überdies war

zu erwarten, daß der Herzog seine Stellung als

Schwiegervater des Königs wohl ausnützen werde,

um das bisher Erworbene noch zu mehren.

Und in der Tat finden wir Leopold in dem

Reichsrate, welcher nach der Ermordung des Reichs

verwesers Engelbert von Köln (7. Nov. 1225) 2) an

die Seite des jungen Königs und des neuen Ver

wesers Ludwig von Baiern gesetzt wurde, und von

da an bis 1228 nimmt der österreichische Herzog an

allen wichtigen Regierungshandlungen des Reiches

wesentlichen Anteil 3).

') Über den ganzen Hergang vgl. Winkelmann, Jahrbücher unter

Friedrich II., S. 251—252, 456, 460 ff.; Bachmann, Geschichte Böhmens, 1,

S. 467 f. u. Juritsch a. a. 0. 484 ff.

2) Böhmer-Ficker, Kegesten, Nr. 3991, a.

3) Winkelmann, Jahrbücher I, S. 490. Über die fast beständige

Anwesenheit Leopolds am königl. Hofe vgl. auch Meiller a. a. O.

S. 137—144.

*) Anmerkung. Zum Vergleiche obiger Summen sei bemerkt,

daß ein Kölnischer Chronist (Chron. reg. Colon., Mon. Germ. Ss. XVII)

die jährlichen Einkünfte der Herzoge von Österreich und Steier um

diese Zeit auf 60.000 Mark Silber (ca 18 Millionen Kronen) schätzt.

Seine Angabe ist allerdings zu 1237 gemacht, bezieht sich aber offenbar

auf die Zeiten Leopolds; unter Friedrich (1237 ist natürlich ganz

ausgeschlossen) dürften die Einkünfte wegen der beständigen Kriege

und Verwüstungen und der großen Mißernten und Überschwemmungen

von 1234 und besonders 1235 bedeutend geringer gewesen sein.

Eine elsässische Aufzeichnung aus jener Zeit (Descriptio Theu-

toniae, Mon. Germ. Ss. XVII, p. 238) setzt die Einkünfte Baierns auf

nur 15.000, die Böhmens auf etwa 100.000 Mark an (4'/2 und 30 Millio

nen Kronen).

Vgl. Huber a. a. O. S. 491. Über die Art unserer Umrechnung

vgl. unten S. 23, Anm. *.

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Die wichtigsten Dienste sollte aber Leopold dem

Kaiser noch leisten. Nach Italien berufen, hatte er

nämlich mit 5 anderen Fürsten als Vermittler und

Schiedsrichter1) Frieden zwischen Papst und Kaiser zu

stiften. Lang dauerten die Unterhandlungen. Endlich

am 23. Juli 1230 wurde der vorläufige Vertrag zu San

Germano geschlossen 2), gewiß hauptsächlich durch

die Geschicklichkeit und den Eifer des Herzogs von

Österreich, was nicht nur die Annalen von Garsten 3)

ausdrücklich sagen, die Annales Colon, max.*) mehr

als andeuten, sondern was auch daraus ersichtlich

ist, daß die weiteren Verhandlungen nach Leopolds

Tode (28. Juli) mehrmals bedenklich ins Schwanken

gerieten5).

So war es ganz natürlich, daß der Kaiser in

der Tat, wie er zu Beginn seiner Klageschrift sagt,

für den Sohn des verstorbenen Anhängers jenes

Wohlwollen hegte, das man dem Nachkommen eines

geehrten und geschätzten Vaters entgegenbringt.

In einem Schreiben von Ende Juli 1230 6), in

welchem der Kaiser dem Papste den Tod des Herzogs

anzeigt, vergißt er denn auch nicht, demselben die

Erhörung der Bitten nahe zu legen, die etwa für

dessen Sohn und Land an ihn gerichtet würden.

Leider sollte das freundschaftliche Verhältnis

zwischen Kaiser und Herzog Friedrich bald getrübt

werden. Er habe, klagt der Kaiser in seinem Mani

fest, einen Reichstag nach Ravenna ausgeschrieben

und den Herzog wie alle übrigen Fürsten des Reichs

dazu eingeladen : da sei zwar die Mehrzahl der

1) Winkelmann, Friedrieb IL, I, S. 330.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1799.

3) Cont Garst a. a. 0. p. 596.

*) A. a. 0. p. 842.

B) Winkelmann, Geschichte Kaiser Friedrichs II., I, S. 331.

•) Böhmer-Ficker, Regesten Nr. 1807 und Huillard-Bröholles,

Historia diplomatica Friderici II., III, p. 204.

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Gerufenen trotz vieler Auslagen und weiter Entfernung

gekommen, der Herzog aber, der es doch näher ge

habt, habe sein Erscheinen versagt. Als dann er, der

Kaiser, den Reichstag nach Aquileja verlegt habe,

sei der Herzog wieder gerufen worden, derselbe habe

sich aber wiederum kindisch zu erscheinen geweigert.

Aber auch diese Weigerung habe er mit Rücksicht

auf die Verdienste des Vaters und auf die Unüber

legtheit des jugendlichen Herzogs gewissermaßen

außer Rechnung gelassen und sich deshalb nach

Portenau, einem babenbergischen Besitztume *), be

geben, von wo aus er ihn nochmals durch einen

Boten zu sich geladen habe. Da sei der Herzog end

lich gekommen, und er habe ihn mit Beweisen aus

gezeichneten Wohlwollens aufgenommen, habe sogar

von der noch nicht ausgezahlten Mitgift für des

Herzogs Schwester Margarete 8000 Mark an den

deutschen König zu zahlen übernommen, ihm auch

schöne Pferde und andere Geschenke gegeben und

sich bereit erklärt, alles zu tun, um Friedrichs Wün

schen sich entgegenkommend zu beweisen.

Es gilt hier, zuerst den tatsächlichen Verlauf

der Ereignisse und dann die Gründe zu untersuchen,

welche Kaiser und Herzog zu ihrer Handlungsweise

bestimmten.

Der Kaiser hat also den Herzog dreimal zu sich

eingeladen, zweimal hat der Herzog dieser Einladung

nicht entsprochen, dann kam er nach Portenau1)

') Vgl. dazu auch Böhmer-Ficker, Regesten Nr. 1977 a, ferner

Meiller a. a. 0. S. 149, Nr. 9 und Annales S. Rudperti a. a. O. p. 785.

*) Anmerkung. Portenau oder Pordenone war österreichische

Enklave in Friaul in der Nähe jenes Kordenons, das durch Erbschatt

von den Herzogen von Steiermark, die es als Lehen Aquilejas inne

gehabt, an die Babenberger gekommen war. Portenau selbst war

gleichfalls Lehen des Patriarchats und wurde 1223 durch Leopold von

den bisherigen Besitzern, den Herren von Castello, erkauft.

Zahn, Friaulische Studien, Archiv für österr. Gesch. Bd. 57,

8. 301 ff. — Vgl. Huber a. a. 0. S. 403.

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Man darf annehmen, daß der Herzog um Mitte

September 1231 wie die übrigen Fürsten zunächst

durch ein allgemeines Einladungsschreiben*), das an

Kirchen und Marktplätzen angeschlagen wurde, zum

Reichstage, der am 1. Nov. 1231 zu Ravenna eröffnet

werden sollte, beschieden ward, und daß dann noch

dreimal Boten mit speziellen Einladungsbriefen zu

Friedrich kamen, der erste gegen Ende November, da

der Reichstag auf den 25. Dezember verschoben wor

den war1), der zweite etwa im Februar 1232 und der

dritte Anfang Mai d. J., da der Kaiser, wie er schreibt,

von Portenau aus zum Herzoge sandte, aber doch

wohl gleich nach seiner Ankunft.**)

Was hat nun der Herzog getan? Ist er einfach

nicht erschienen, ohne sich irgendwie zu entschuldi

gen? Das wäre jedenfalls dem Kaiser gegenüber sehr

ungeziemend gewesen. Man ist auch fast versucht,

aus der Gegenüberstellung der Ausdrücke »suum

denegavit accessum« und »venire pueriliter recusavit«

zu schließen, daß der Herzog wohl auf die Einladung

nach Aglei einen Boten mit einer umständlichen Wei

gerung unter Angabe der Gründe gesandt habe,

dagegen nach Ravenna einfach nicht gekommen sei

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1910 a.

*) Anmerkung. Das Umlaufsscbreiben vom Sept. 1231 hat

sieh erhalten in den Annales Januenses (Muratori, Ss. rerum Itali-

carum, VI.) Vgl. Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1895.

**) Anmerkung. Juritsch (a. a. 0. S. 528) hat darauf auf

merksam gemacht, daß sich am 2. Nov. 1231 beim Herzog ein päpst

licher Subdiakon befindet (Meiller a. a. 0. S. 149, Nr. 5), dessen

Anwesenheit sich etwa mit der Einladung zum Besuche des Reichs

tages in Zusammenhang bringen ließe, da ja der Reichstag auf den

Rat Gregors IX. berufen wurde. Indes übersieht Juritsch, daß das

päpstliche ^ubdiakonat nur ein Titel war, wie es deren auch heute

ähnliche gibt. Wir finden nämlich diesen päpstlichen Subdiakon, namens

Liupold, später (Meiller S. 156, Nr. 34) in der Person des Pfarrers

von Alland wieder. Jedenfalls läßt sich aus dessen Anwesenheit am

2. Nov. 1231 nichts schließen.

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oder dem Kaiser höchstens eine einfache Absage

habe zukommen lassen, was freilich noch ungezie

mender gewesen wäre. Allein es dürfte die Gegen

überstellung der beiden Ausdrücke doch nichts

sein als eine stilistische Steigerung der kaiserlichen

Kanzlei. Denn bereits im Januar 1232, und zwar

wie es scheint, in der ersten Hälfte des Monats,

hat Abt Walter von Melk in Ravenna am kaiser

lichen Hofe geweilt'). Der Kaiser nahm daselbst auf

Bitten des Abtes das Kloster Melk mit Leuten und Gü

tern in den Reichsschutz und bestätigte einen Rechts

spruch, den einst Heinrich von Kuenring als » Rector von

Österreich« (1226) zwischen dem Abte und Seifrid von

Chalkaw wegen einiger Güter gefällt hatte. Deshalb

ist aber der Abt gewiß nicht eigens nach Ravenna

gereist, da kein besonderer Anlaß vorlag, das Kloster

schleunigst in den Reichsschutz aufnehmen zu lassen 2j

und die Bestätigung des Rechtsspruches zu erbitten,

zumal der Abt stets und auch um diese Zeit mit dem

Herzoge nachweislich auf bestem Fuße stand 3). Daß

er etwa auf einer Reise nach Rom begriffen war und

dabei nur gelegentlich an den Hof ging, ist auch

kaum anzunehmen, da die Melker Annalen von der

Reise nichts erzählen, was sie wohl getan hätten,

wenn irgend eine wichtige Angelegenheit den Abt

zu einer Romreise genötigt hätte. Am nächsten liegt

vielmehr, daß der Abt vom Herzog gesandt war,

um dessen Nichterscheinen beim Reichstage zu ent

schuldigen 4).

Diese Entschuldigung muß sich aber bereits auf

den in Ravenna abzuhaltenden Tag beziehen, da wir

') Böbmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1929 und 1930.

2) Vgl. die Urkunde bei Huillard-Breholles a. a. 0. IV, p. 293.

3) Vgl. Meiller a. a. 0. S. 149, Nr. 5 und S. 150, Nr. 12.

4) Vgl. dazu Juritsch a. a. 0. S. 528 und Ad. Ficker, Herzog

Friedrich, der letzte Balienberger, S. 32, Anm. 1.

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den Abt daselbst bereits im Januar (vielleicht sogar

in der ersten Hälfte desselben) treffen, der Kaiser

aber um diese Zeit noch auf die deutschen Fürsten

wartete; ja selbst wenn er schon damals entschlossen

gewesen wäre, den Reichstag nach Aglei zu verlegen,

läßt die Kürze der Zeit nicht zu, daß die Botschaft

davon schon beim Herzog eingelaufen war und dieser

den Abt bereits auf die zweite Einladung hin zum

Kaiser abgesandt hatte.

Wenn aber der Herzog den Abt zum Kaiser

sandte und sich für den Hoftag zu Ravenna entschul

digte, so hat diese Entschuldigung gewiß nicht in

einem einfachen >Nein« bestanden; denn dazu hätte

er nicht einen Abt schicken müssen. Vielmehr hat

der Herzog offenbar schon damals durch diesen sei

nen Vertrauensmann, mit dem er noch im November

1236 in freundschaftlichen Beziehungen stand1), die

Gründe seines Fernbleibens dem Kaiser auseinander

setzen lassen. Man möchte daher bei dem hitzigen

Charakter des Herzogs eher umgekehrt annehmen,

daß er später, auf die Einladung nach Aglei, es nicht

mehr für seine Pflicht hielt, einen ansehnlichen Mann

mit Entschuldigungen zu senden, sondern irgend

einen anderen Boten mit einer einfachen Weigerung

schickte, ohne nochmals die Gründe, die der Kaiser

ja schon wußte, auseinanderzusetzen. So ließe sich

das stärkere »pueriliter recusavit« der obigen Er

klärung gerade entgegengesetzt deuten.

Noch eine starke Übertreibung findet sich in der

angeführten Anklage des Kaisers. Er behauptet

nämlich, daß die Mehrzahl der deutschen Fürsten

in Ravenna erschienen sei. Das ist nun keineswegs

erwiesen. Wenn wir die Zeugenreihen der Kaiser

regesten vom Dezember 1231 bis März 1232 mustern2),

1) Meiller a. a. 0. S. 156 f., Nr. 40.

a) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1910 a bis 1946 a. Vgl. dazu

Winkelmann, Friedrich II., I, S. 4«.

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14

so finden wir wohl ziemlich viele geistliche Fürsten

und einige weltliche, wie vor allen die Herzoge von

Sachsen, Thüringen und Meran, die mit bewunderungs

würdiger Ausdauer beim Kaiser verharren, von den

übrigen weltlichen Fürsten suchen wir aber die be

deutenderen, die doch gewiß unter den Zeugen auf

getreten wären, vergebens. Bis zum 14. April 1232

war ja auch die große Kaiserstraße durchs Etschthal

von den lombardischen Städten gesperrt '). Allerdings

sind deutsche Könige trotz solcher Hindernisse oft

mals aus Deutschland nach Italien und umgekehrt

gezogen, auch den Seeweg hätten die Fürsten einschla

gen können, wie ja auch mehrere taten. Allein zu

solchen Beschwerlichkeiten hielten sich die meisten

nicht verpflichtet und der deutsche König machte

auch nicht die geringste Miene, mit Heeresgewalt

sich nach Italien Bahn zu brechen. Das alles hatte

natürlich den Kaiser über die Maßen geärgert, aber

jetzt fand er es doch für gut. zu schreiben, daß die

»Mehrzahl« der deutschen Fürsten nach Ravenna ge

kommen sei, nur der Herzog von Österreich nicht.

Und auch nach Friaul kamen nicht viele Fürsten.

Das beweisen wiederum die Zeugenreihen von März

bis Mai 1232 2) und die ausdrückliche Nachricht der

Ann. Colon, max. : »Apud Aquilegiam pascha cele-

brat, filio suo rege ad ipsum veniente et quibusdam

principibus Alamanniae«3) und der Annales S. Rud-

perti: »Rex filius suus et quid am a 1 i i principes Ala

manniae, sc. Fridericus dux Auslrie . . .«*)*)

1) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1958 a.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1949a—198S b.

3) Mon. Germ. Ss. XVII, p. 723.

4) A. a. 0. p. 785.

*) Anmerkung. Darnach wird Böhmer-Ficker a, a. 0. Nr.

4229 a, zu berichtigen sein, der übrigens (Nr. 1956a) selbst die Stelle

aus den Ann. Colon, max. anführt. Er sagt nämlich 4229a, daß der

Zusammenkunft Heinrichs mit seinem Vater viele Fürsten und Herren

anwohnten.

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Wie wir also sehen, trifft die Anklage gegen

den Herzogs wegen Fernbleibens vom Reichstage zu

Ravenna und Aquileja die meisten übrigen Fürsten

in gleicher Weise, ja eigentlich noch weit mehr, falls

sie nämlich zur Hoffahrt nach Italien verpflichtet

waren, was aber Huber1) bezweifelt. Der Herzog von

Österreich war Kraft seines Privilegs sicher nicht

verpflichtet.

Daß der Kaiser bezüglich der Fürsten so schreibt,

ist trotzdem begreiflich. Denn mehr als seine Vor

gänger hatte er sich den Fürsten gegenüber in eine

ziemlich klägliche Lage gebracht. Zuerst hatte er die

Privilegienkisten derselben wegen seiner Wahl, dann

wegen der Wahl seines Sohnes, endlich wegen der

drohenden Empörung seines Sohnes gefüllt, und jetzt

im Jahre 1236, da er das Manifest verfassen ließ,

durfte er ihnen wiederum keine bitteren Wahrheiten

sagen, weil er sie gegen den lombardischen Bund

und gegen den geächteten Herzog von Österreich

brauchte.

Sowie die meisten übrigen Fürsten kam also

auch Friedrich von Österreich nicht nach Ravenna

und Aquileja, und erst als sich der Kaiser nach Por-

denone auf österreichisches Gebiet begab, erschien

der Herzog, Mitte Mai 12322), und sogar auffallend

schnell. Der Kaiser ist nämlich in den ersten Maitagen

noch in Udine3), will aber dem Manifeste zufolge

von Portenau aus den Herzog zu sich beschieden

haben. Letzterer ist dann bereits am 19. Mai beim

Kaiser sicher nachweisbar*). Schon aus dieser Eile

des Herzogs, an dem Orte, wo ihn sein Privileg

1) Sitzungsberichte der k. k. Wiener Akademie, Bd. 34: Über

die Entstehungszeit der österr. Freiheitsbriefe, S. 48.

2) Böhmer - Ficker a. a. 0. Nr. 1977 a und Meiller a. a. 0.

S. 149, Nr. 9.

3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1967 ff.

4) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1988 a.

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nicht entschuldigte, vor dem Kaiser zu erscheinen,

geht, um das gleich hier zu bemerken, deutlich genug

hervor, daß sich Friedrich keineswegs aus »kindi

schem Trotz« nach Ravenna und Aglei zu kommen

weigerte, sondern in dem vollen Bewußtsein, durch

sein Privileg dem Kaiser gegenüber von der Pflicht

zu erscheinen befreit zu sein und dies auch vertreten

zu können.

Hier in Portenau mag nun alles so vor sich

gegangen sein, wie der Kaiser erzählt. Auch schöne

arabische Wüstenrosse mag er Friedrich geschenkt

haben, sowie denn der Kaiser in beständiger Verbin

dung mit den Sarazenen stand und selbst 3eine Freude

an kostbaren Tieren aller Art hatte, so daß er solche

1235 sogar mit nach Deutschland führte1).

Aber etwas weit Wichtigeres vergißt der Kaiser

zu sagen oder sagt es wenigstens nicht: das ist die

Belehnung Friedrichs mit Oesterreich und Steier, die

hier in Portenau stattfinden mußte.

Fast zwei Jahre waren seit dem Tode Leo

polds VI. verstrichen, und Friedrich hatte seine Lehen

immer noch nicht gemutet. Diese Saumseligkeit steht

mit der Eile sehr in Kontrast, mit der es seine

Vorgänger nachweislich taten. Leopold V. war sogar,

obwohl schon bei Lebzeiten seines Vaters belehnt,

nach dessen Tode schleunigst nach Italien geeilt,

um sich in Pesaro von Friedrich I. nochmals be

lehnen zu lassen — auf den Rat seiner Freunde.2)

Auch Leopold VI. ist 4 Monate nach dem Tode

seines Bruders schon auf dem Wege nach Mainz, um

von König Philipp die Lehen zu empfangen. Wir

kommen darauf zurück.

Friedrich dagegen säumt zwei Jahre und der

Kaiser wirft ihm das mit keiner Silbe vor. Man könnte

sagen, daß die Mutungsfrist in den letzten 30 Jahren

nicht mehr so streng eingehalten wurde. Das mag

') Contin. Eberbac., Mon. Genn. Ss. XXII, p. 348.

2) Contin. Claustroneob. III, a. a. 0. p. 681.

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immerhin sein. Aber wenn der Kaiser dem Herzoge

den Nichtbesuch der Reichstage, die zu besuchen der

Herzog gar nicht verpflichtet war, und welche andere

Fürsten gerade so gut nicht besucht hatten, in so

ausführlicher Weise vorwirft, wenn er andere Be

schuldigungen auf den Herzog häuft, die gar nicht

erweisbar sind oder doch erst stark übertrieben wer-

der müssen, um nach etwas auszusehen, so ist nicht

zu verstehen, warum der Kaiser von der Versäumung

der Mutungsfrist schweigt, da er doch daraus eine

jedenfalls viel wirksamere Anklage gegen den Herzog

hätte machen können als aus manchen anderen Vor

kommnissen. Und wennjder Kaiser aller seiner Gnaden

bezeugungen gegen den Babenberger bis auf das

Geschenk schöner Rosse gedenkt, so könnte man

doch mit Recht im Manifeste etwa einen Satz wie

folgenden erwarten: Obwohl er seine Lehen fast ein

volles Jahr zu muten versäumt hat und dafür nach

altem Reichsgesetz mit Verlust derselben hätte be

straft werden können, so haben wir dennoch, einge

denk der Verdienste seines Vaters und der Leicht

fertigkeit der Jugend, diese Saumseligkeit außer

Rechnung gelassen. Zählt doch sonst der Kaiser

die Beweise seiner Langmut mit den rühmendsten

Worten auf. Und wenn so der Kaiser das Fernblei

ben vor dem Reichstage mit Gewalt zum Verbrechen

stempeln will, warum hat er nicht gerade jenes

Moment hervorgehoben, das für den Herzog den Be

such des Hoftags noch am ehesten zur Pflicht gemacht

hätte, nämlich den Empfang der Lehen? Denn bei

der Unklarheit des Privilegs an der betreffenden

Stelle bleibt es immerhin zweifelhaft, ob nicht der

Herzog eben im Falle der Mutungspflicht auch außer-

bairische Hoftage zu besuchen verbunden war Wir

haben auf diese Fragen noch weiter unten zu ant

worten.

') Huber, Gesch. Österr. I, S. 407.

Prager Studien. XI. 2

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Das Schweigen des Kaisers würde sich aller

dings erklären, wenn wir etwa nachweisen könnten,

dass der Herzog mit seinem Vater 1230 nach Ita

lien gezogen sei und sich dort bei Lebzeiten Leo

polds VI. oder gleich nach seinem Tode habe be

lehnen lassen. Allein dies ist unmöglich. Nicht nur

schweigen die Quellen davon: der Herzog müßte

sich auch in den Kaiserurkunden vom März bis Juli

1230 unter den Zeugen befinden, da in denselben

auch österreichische Ministerialen genannt werden1);

auch war Friedrich schon Ende 1227 zum erstenmale

als Zeuge aufgetreten2) und wiederum 1229, Mitte

Dezember 3).

Aber auch das läßt sich nicht sagen, daß

Friedrich etwa vom deutschen Könige belehnt wor

den sei. Denn erstens war er mit diesem schon

längere Zeit zerfallen, obwohl wir freilich so genau

nicht wissen, wann Heinrich seinen Scheidungsplan

ins Auge zu fassen begann, und dann ist es sehr

zweifelhaft, ob der deutsche König mit Fahnenlehen

überhaupt zu belehnen das Recht hatte 4).

Es bleibt uns also nur übrig, anzunehmen, daß

Friedrich hier inPortenau die späte*' Belehnung emp

fing5), obwohl wir darüber keinerlei Nachrichten

haben. Die Quelle, die am ehesten davon sprechen

sollte, schweigt ja. Huber6) sagt daher sehr vor

sichtig : »Friedrich scheint bis dahin (nämlich bis zur

Zusammenkunft in Portenau) nicht einmal die kaiser

liche Belehnung eingeholt zu habenc

Gehen wir nun auf die Gründe ein, welche den

Kaiser bewogen, dem österreichischen Herzog gegen-

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1778, 1780.

a) Meiller a. a. 0. S. 140, Nr. 220.

3) Meiller a. a. 0. S. 145, Nr. 244.

*) Winkelmann, Friedrich II., I, S. 232.

5) Bachmann, Lehrbuch der österr. Reichsgeschichte, S. 86, Anm. 2.

°) Österr. Geschichte I, p. 407.

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über so sehr auf dem Besuche des Reichstages von

1231 bis 1232 zu dringen, und was letzteren bestimmte,

nicht zu erscheinen. Dabei wird noch manches zu

berühren sein, was bisher übergangen wurde, und

wir werden dann die Anklage nach ihrer Berechti

gung abwägen können.

Der erste Grund, warum der Kaiser den Herzog

so dringend bei sich haben wollte, sind die Verhält

nisse in Oberitalien.

Um die oberitalienischen Verhältnisse zur Zeit

des Reichstages zu Ravenna und Aquileja zu wür

digen, müssen wir bis auf das Jahr 1226 zu

rückgehen. Als nämlich Friedrich II. 1220 über die

Alpen gestiegen war, war es den oberitalienischen

Städten bald klar geworden, daß der Kaiser keines

wegs gesonnen sei, die Vergünstigungen des Kon

stanzer Friedens von 1183 als für ihn bindend zu

betrachten. 1) Er nannte vielmehr die Ausübung dieser

Privilegien »unerlaubte 2). Deshalb hatten die Städte

Lombardiens und der trevisanischen Mark am 6. März

1226 den schon 1167 geschlossenen Bund zu Molise

in der Nähe von Mantua auf weitere 25 Jahre feier

lich erneuert 3). Diese Städte waren : Mailand, Ver-

celli, Alessandria, Bologna, Faenza, Padua, Treviso,

Vicenza, Mantua, Brescia4). Ihnen schloßen sich

bald an: Turin, Novara, Lodi, Bergano, Reggio,

Ferrara, Verona, Piacenza5). Am 11. Juli 1226 wurde

darauf der Bund in die Acht erklärt und alle Privi

legien, besonders die des Konstanzer Friedens, wi

derrufen6). So war der Krieg herauf beschworen.

Der kaiserliche Anhang unter den oberitalischen

') Winkelmann, Friedrich II., I, S. 199.

2) Huillard-Breholles a. a. 0. II, S. 643.

3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1594 b.

4) Huillard-Breholles a. a. 0. II, 924.

5) Winkelmann, Friedrich II., S. 200.

6) Böhmer-Ficker a.a.O. 1657a u. Winkelmann a.a.O. S.205.

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Städten war im wesentlichen beschränkt auf Pavia,

Tortona, Cremona, Parma, Modena, Asti, Genua 1).

Der kaiserlichen Partei schloß sich auch der Mark

graf Azzo VII. von Este und der Graf von Bonifacio

an, und deshalb trat der alte Feind der Este, Eze-

lino III. da Romano ed Onara, dem lombardischen

Bunde bei2).

Der Kampf begann bald, und auch die Ver

mittlungsversuche Honorius III. scheiterten, weil die

lombardischen Städte dieselben nicht annehmen

wollten3). Die Streitigkeiten mit dessen Nachfolger

Gregor IX. (1227—1241) legten Friedrich den Städten

gegenüber lahm. Die kleinen Kämpfe der Städte

untereinander aber dauerten fort, die Parteien ver

schoben sich etwas, im großen und ganzen aber

waren sie 1229 noch dieselben wie 1226.

Auf die Nachricht von der Heimkehr Friedrichs

aus dem hl. Lande trat aber plötzlich eine bedeutende

Änderung in der Parteistellung ein und zwar zu

Gunsten des Kaisers. Azzo von Este war vom Kaiser

zum lombardischen Bunde, beziehungsweise zum

Papste abgefallen, und deshalb trat jetzt natürlich

Ezelin, der ohnehin niemals zu fest am Bunde ge

hangen, von demselben zurück4). Das bedeutete viel,

denn er war so gut wie Herr in der trevisanischen

Mark, und in der Tat fielen auch Mantua, Brescia,

Ferrara, Vicenza, Padua und Verona vom Bunde

ab5). Ezelin und die Städte waren zwar damit

noch nicht förmlich zum Kaiser übergetreten, aber

der Bund war durch ihren Austritt doch eigentlich

ruiniert.

Doch nur für kurze Zeit. Stete Furcht vor dem

Kaiser, der sich bereits bald nach der Aussöhnung

1) Vgl. dazu Winkelmann a. a. 0. S. 201.

2) Winkelmann a. a. 0. S. 387 f.

3) Winkelmann a. a. 0. S. 211.

4) Winkelmann a. a. 0. I., S. 388.

5) Winkelmann S. 390.

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mit dem Papste wieder mit Oberitalien zu beschäftigen

begann (März 1231) brachte die abtrünnigen Städte

schließlich doch wieder zum Bunde zurück (12. Juli

1231) *).

Kurze Zeit darauf (21. Juli) spricht der Kaiser

auch schon von einem zu Ravenna abzuhaltenden

Reichstage 3). Er hielt es offenbar angesichts der neuen

Stärkung des Bundes an der Zeit, einmal mit dem

selben in irgend einer Weise Abrechnung zu halten;

jetzt hatte er ja endlich die Hände frei. In seinem

Einladungsschreiben an die Genuesen4) sagt zwar

der Kaiser, er berufe den Reichstag auf den Rat des

Papstes, um mit seinem Sohne Heinrich und mit allen

Reichsfürsten über die Herstellung des Friedens im

ganzen Reiche, sowohl Deutschland als Italien, zu

beraten. Auch berief er die Städte des Bundes zum

Reichstage; allein es ist wohl gewiß, daß er sich

nicht einbildete, den gordischen Knoten anders als

mit dem Schwerte zerhauen zu können. Die Lombarden

sperrten auch, statt zu erscheinen, die Alpenpässe5);

sie wußten wohl, daß es der Kaiser am liebsten ge

habt hätte, wenn die Deutschen gleich mit Heeres

massen nach Italien gekommen wären. Da dies aber

nicht eintrat, so wollte der Kaiser sie doch wenigstens

zu ausgiebiger Hilfe auf dem Reichstage bestimmen

und unter ihnen nicht an letzter Stelle den Herrn

des mächtigen Hinterlandes, den Herzog von Öster

reich. Es mußte ihm also alles daranliegen, den Her

zog zum Besuche des Reichstages zu vermögen; da

durfte er hoffen, den streitbaren Mann, der sich soeben

gegen seine Ministerialen als äußerst tüchtigen Krieger

bewiesen hatte, für seine Zwecke zu gewinnen. Diese

1) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1853 und 1854.

2) Huillard-Bröholles a. a. 0. III, S. 291 ff.

8) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1882.

*) Huillard-Breholles a. a. 0. IV, S. 266.

5) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 1910a.

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Kücksichten auf die italienischen Verhältnisse beein

flußten, wie wir sehen werden, des Kaisers Verhalten

gegen den Babenberger noch öfters.

Der zweite Grund, warum der Kaiser so auf das

Erscheinen Friedrichs am Hoftage zu Ravenna und

Aquileja drang, war der, daß er bei persönlicher Zu

sammenkunft seines Sohnes mit dem Herzog von

Österreich unter seiner Vermittlung die Zwistigkeiten

beizulegen gedachte, die zwischen beiden ausgebro

chen waren.

Leopold VI hatte bei seinem Tode die Mitgift

seiner Tochter Margarete, der Gemahlin des deutschen

Königs, immer noch nicht ausgezahlt1), was sehr auf

fallend sein muß, da er doch keine leere Schatzkammer

hatte und seine Einkünfte jährlich an die 60 000 Mark

betragen haben sollen2)*). Schon König Heinrich scheint

sich deshalb mit ihm zerworfen zu haben. Wir fin

den den Herzog seit dem 7. Sept. 1128 nicht mehr in

der Umgebung seines Schwiegersohnes 3), bei dem er

doch vorher fast beständig sich aufhielt.

Ebenso zäh wie sein Vater war aber auch Fried

rich, und mit Recht nennt der Kaiser diese Vorent

haltung der Mitgift, wofür man bei Friedrich ver

gebens nach einem genügenden Grunde sucht, eine

Rechtsverletzung. Groß mag ja die Mitgift freilig ge-

') Casus mon. S. Galli, Mon. Germ. Ss. II, p. Iß2.

2) Siehe oben S. 14, Anm. *

3) Zuletzt genannt 7. Sept. zu Nördlingen, Böhmer-Ficker a. a.

0. Nr. 4121.

*) Anmerkung. Als plausiblen Erklärungsgrund, daß Leopold,

wie es scheint, auch nicht die geringste Miene machte, mit der Aus

bezahlung der Mitgift wenigstens zu beginnen, können wir uns nur

den denken, daß er durch diese Zögerung eine Pression auf seinen

Schwiegersohn ausüben wollte, der, wie es scheint, sehr liederlich

lebte und Margarete nicht aufs beste behandelte (Chron. Ebersheim.,

Mon. Germ. Ss. XXIII, p. 451). Bei Herzog Friedrich fällt aber ein

solcher Grund wohl weg, denn die Sorge für seine Schwester leitete

ihn schwerlich.

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wesen sein. Möglieh, daß sich der reiche Herzog von

Österreich im Jahre 1225 erbot, die Mitgift, welche

Ottokar von Böhmen versprach, auch zu geben*);

es war ja auch nichts Geringes, seine Tochter auf

den Königs- und Kaiserthron zu setzen; er mochte

das als die Krone seiner Bestrebungen betrachten.

Auch wird sich Kaiser Friedrich, der auf Geld immer

großen Wert legte, mit einer um Vieles geringeren

Mitgift, als der Böhme schon angeboten, kaum be

gnügt haben. Doch sei dem wie immer, die 8000 Mark,

welche der Kaiser dem österreichischen Herzog ver

sprach, waren jedenfalls nur eine Beihilfe, wie auch

aus dem Kontext des Manifestes deutlich genug her

vorgeht.

Die Zögerung der Babenberger, die Mitgift

auszuzahlen, war ein Grund oder wurde wenigstens

von Heinrich als Ursache ausgegeben, daß er den Plan

faßte, sich von Margarete wieder scheiden zu lassen.

Es ist schwer, die geheimen Fäden, die bei diesem

Gange der Dinge durcheinanderliefen, zu entwirren,

da sich das Treiben am deutschen Hofe um jene Zeit

in ein tiefes Dunkel hüllt.

Einiges läßt sich aber trotzdem sagen.

Seit 1228 hatte Heinrich, nachdem Ludwig von

Baiern gegen Ende dieses Jahres zur päpstlichen

Partei übergegangen war, die Regierung selbständig

geführt '). Bald zeigte sich, daß sich der junge König

1) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4121a und 4122 a.

*) Anmerkung. 30.000 Mark Silber wären nach Ad. Fieker

(a. a. 0. S. 33) ungefähr 938.000 fl., nach Juritsch (a. a. 0. S. 547,

Anm. 4) ca 5,760.000 Kronen. Erstere Angabe berücksichtigt bloß den

Silbergehalt der alten (Gewichts-) Mark und unserer Gulden. Wenn

man aber eine Vorstellung von der Größe einer Summe geben will,

so muß man sie doch auf den heutigen Geldwert umrechnen; dann

ist aber außer dem Silbergehalte auch noch die heutige (seit der

Entdeckung Amerikas) etwa 5—ö'^mal geringere Kaufkraft des Silbers

in Anschlag zu bringen. Darnach erhalten wir eine Summe von etwa

9 Millionen Kronen oder ca 7',2 Millionen jetziger deutscher Reichsmark.

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auch dem Vater gegenüber unabhängiger zu machen

strebte. Unbesonnen und unklug wie immer, ver

säumte er aber dabei, sich auf feste Füße zu stellen.

Anstatt die Fürsten für sich zu gewinnen, kümmerte

er sich in seinen Regierungsgeschäften wenig um sie l).

Daher fand er auch niemals bei denselben bedeu

tenden Anhang ; und falls ihm dies etwa durch den

Erlaß des »Statutum in favorem principum< (1. Mai

1231 zu Worms) gelungen war, so gewann ihm der

Kaiser den Vorteil wieder ab durch die Bestätigung

des Statuts (1232 zu Aquileja), allerdings ein großes

Opfer für den Kaiser; denn die Landeshoheit der

Fürsten war damit rechtlich besiegelt. Offenbar ist der

Kaiser schon damals von den Abfallsplänen seines

Sohnes überzeugt gewesen; denn sonst hätte er

nicht soviel geopfert. Allerdings war dadurch auch

das Schicksal seines Sohnes entschieden. Auch aus

der strengen Behandlung Heinrichs zu Cividale (Früh

jahr 1232), wo der Kaiser die Fürsten sogar even

tuell ihres Treueides gegen den König entband2),

werden wir schließen dürfen, daß der Kaiser schon

damals Kunde besaß, hinter dem Gebaren seines

Sohnes stecke mehr als bloßer kindischer Trotz und

Eigensinn.

Aus dieser Gesinnung Heinrichs fällt vielleicht

auch ein Licht auf den Scheidungsplan.

Doch ist es zunächst wichtig festzustellen, wann

König Heinrich diesen Gedanken zuerst gefaßt hat.

Die, was die Tatsachen betrifft, zuverläßigste

Quelle in diesen Dingen dürfte die Continuatio casus

S. Galli von Konrad de Fabaria, einem St. Gallener

Mönche, sein. Denn der damalige Abt jenes Klosters

') Vgl. darüber die Ausführungen bei Böhmer-Ficker a. a. 0.

Nr. 4181.

a) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4231 und 4229 a; Huillard-Brt5-

holles a. a. 0. IV, 525.

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ist ja jener Konrad von Bussnang, welcher den König

schließlich von seinem Scheidungsplane abbrachte1).

Allein es mangeln dieser Quelle alle Zeitangaben,

weil sie keine Chronik sein soll, sondern eine Apo

logie des Abtes Konrad2). Da werden nun oft Tat

sachen an einander gereiht, die zeitlich weit ausein

anderliegen, aber sachlich zusammenpassen 8) ; um eine

Behauptung zu beweisen, ist manchmal nicht bloß

von einem Jahr zum andern, sondern von einem

Jahrzehnt zum andern rückwärts und vorwärts ge

sprungen. Deshalb fällt es schwer, die Tatsachen, da

ja oft nicht genügendes konkurrierendes Material

zur Seite steht, richtig zu datieren.

Dies hat nun 1879 Meyer von Knonau in aus

führlichen Erläuterungen versucht, als er die St.

Gallener Geschichtsquellen neu herausgab.

Als Zeitpunkt, wo Heinrich zuerst die Scheidung

plante, nimmt Meyer bereits das Jahr 1228 an4). Er

bringt folgende Beweise dafür vor:

1. Die Erzählung vom Scheidungsplane und der

Abmachung des Abtes geht der vom Kriegszuge des

Königs gegen den Herzog von Baiern (Juni 1229)

voraus, mithin kann der Plan nicht erst 1230 oder

nachher gefaßt worden sein, wie Schirrmacher5) und

Winkelmann 6) annehmen.

Allein dieser Beweis scheint uns nicht genügend

zu sein, weil Meyer selbst an zahlreichen Stellen aus

führen muß, daß die Anordnung der Tatsachen bei

Konrad de Fabaria nicht der Zeitenfolge entspricht 7).

1) Vgl. Meyer von Knonau, St. Gallische Geschichtsquellen, IV,

Einleitung, S. XLIV.

2) 1. c. Einleitung, S. XIX f.

3) 1. c. Einleitung, S. XXXV ff.

*) Meyer von Knonau a. a. 0. S. 231 ff., Anm. 275.

5) Kaiser Friedrich II., II, S. 181.

6) Kaiser Friedrich II., I, S. 402.

7) Vgl. S. 229, Anm. 269 und Einleitung S. XXXV ff.

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2. Seite 236 und wiederum S. 238 f. nach der

Ausgabe in den Mon. Germ. Ss. II, p. 180 finden

sich Andeutungen über die Gleichzeitigkeit der »guten

Dienste« des Abtes Konrad mit dem Vorgehen Gre

gors IX. gegen Kaiser Friedrich 1228, sowie über die

große, gleichfalls gleichzeitige Spannung zwischen

dem bairischen Herzoge und dem Abte.

Dieser Beweis wäre allerdings schlagend, wenn

man unter jenen »guten Diensten« eben nur die Über

redung des Königs, den Scheidungsplan fallen zu

lassen, verstehen könnte. Allein da der Abt, wie Konrad

de Fabaria S. 230 sagt, sehr viel am königlichen Hofe

verkehrte und häufig vom Könige in den Angelegen-

heite des Reiches zu Rate gezogen wurde (»frequen-

ciam in consiliis regni habuit«) und zwar in den ver-

wickeltsten (»in subtilitate perplexissimorum consi-

liorum«), so wird er wohl dem Könige nicht nur

einen »guten Dienst« geleistet haben, und der Baier

konnte den Abt wohl eben deshalb nicht gut leiden,

weil er in ihm einen Gegner seiner Pläne sah.

Während nun also die Beweise Meyers nicht

stichhältig genug zu sein scheinen, so hat er auch

die ihm entgegenstehende Schwierigkeit nicht gelöst

Konrad de Fabaria sagt nämlich S. 230 f.1): »Fuit

autem causa divorcii, quia filiam regis Poemie des-

ponsaverat, de futuro tarnen et non contractu de pre-

senti. Fuit item alia causa, quia mortuo duce

Austrasiorum prenominato dotalia sibi sponsalicia

nondum fuere exhibita«. Meyers Auslegung dieser

Stelle, als greife der Mönch bei Anführung des zweiten

Grundes plötzlich vom Jahre 1228 aufs Jahr 1230 vor,

ist doch etwas gar zu geschraubt.

Wir werden also vorziehen, mit Schirrmacher

und Winkelmann zu sagen, daß die Absicht Heinrichs,

sich von Margarete scheiden zu lassen, nicht vor

Leopolds Tode in die Öffentlichkeit trat.

') Mon. Germ. 1. c.

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Versuchen wir nun zu bestimmen, wann der

König seinen Scheidungsplan aufgab.

Daß der St. Gallener Abt den König von der

Scheidung abbrachte, wissen wir 1). Desgleichen er

zählt Konrad de Fabaria, daß dann der Abt über

Ersuchen des Königs nach Österreich reiste, um das

Geld zu holen. Ob er es bekam, erzählt die Quelle

nicht, doch sagt sie, der Abt habe bei allem Glück

gehabt; also muß er wenigstens erwünschte Verspre

chungen, vielleicht auch schon eine Abschlagszahlung

erhalten haben.

Es hängt alles davon ab, festzustellen, wann

diese Reise des Abtes nach Österreich stattfand.

Mover von Knonau2) versetzt sie in den Winter

1232—33, das ist nach der Zusammenkunft Herzog

Friedrichs mit dem Kaiser zu Portenau.

Die Gründe Meyers für seine Datierung dürfte

bereits Ficker3) widerlegt haben. Wir möchten nur

noch hinzufügen, daß aus der Erzählung Konrads

de Fabaria geradezu hwvorzugehen scheint, daß der

Abt vor der Portenauer Zusammenkunft in Öster

reich war. Die Stelle lautet: »Vocato rege cunctisque

regni principibus ab imperatore apud Ravennam,

Aquilegie ipsis cum ocurrisset, salutatis prout decuit

principibus speciali quadam dignitatis familiaritate

abbatem nostrum salutavit, et viciniorem ceteris pa-

latio regali mansionem dari sibi precepit ipsuraque

imperialibus redeuntem honorificavit donis. Mortuo

duce Austrasiorum strenuissimo, regis gloriosi socero,

rogatus abbas venerandus a rege, ut pro pecunia

sponsalicia sibi a duce iam defuncto promissa fines

Austrie attemptaret, viam aggressus est non sine

grandi sollicitudine. Propter occisionem namque ducis

Bawarie tarn infaustam grave fuit satis alicui Ale-

') Mon. Germ. 1. c

2) A. a. 0. S. 245, Anm. 305 und Excurs S. 201.

3) A. a. 0. S. 29, Anm. 2.

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rhannorum (»Schwaben«) •) fines terre illius intrare« 2).

Diese Anknüpfung des zweiten Satzes an den ersten

durch die Worte »mortuo duce Austrasiorum«, scheint

uns klar zu zeigen, daß die im zweiten Satze erzählte

Sendung des Abtes nach Österreich die Begründung

und Erläuterung für den sonst fast unglaublich ehren

vollen Empfang des Abtes beim Kaiser, wie ihn der

erste Satz erzählt, bilden soll, daß mithin der Abt in

Österreich schon gewesen war und dort die Mitgift

frage auf eine wenigstens einstweilen befriedigende

Weise geschlichtet hatte. Daß die Sendung erst nach

der Zusammenkunft des Kaisers mit dem Herzoge

zu Portenau stattfand, scheint diese Verbindung der

Sätze geradezu auszuschließen*).

Da nun weiter erzählt wird, daß damals (zur

Zeit der Reise des Abtes) die Gefahr, durch Baiern

zu ziehen, für einen Schwaben sehr groß war, so

werden wir die Reise erst nach der Ermordung Lud

wigs von Baiern (16. Sept. 1231) ansetzen dürfen ;

denn seit dem 27. Aug. 1229 war wieder leidlicher

Friede zwischen dem Könige und Ludwig3), der am

30. Juni 1230 sogar wieder als Zeuge in einer könig

lichen Urkunde erscheint 4). Die Sendung könnte also

im Herbst 1231 oder im darauffolgenden Winter ge

schehen sein.

') Meyer von Knonau a. a. 0. S. 245, Anm. 307.

a) Mon. Germ. ]. c. p. 281.

3) Böhmer-Ficker a. a. 0. 4138 a.

*) Böhmer-Ficker a. a. 0. 4159.

*) Anmerkung. Wenn Meyer aus der Zeitbestimmung „mortuo

duce" schließen will, daß der Tod des Herzogs erheblich vor die

Sendung des Abtes (also in den Winter 1232—33) fiel (a. a. 0., S. 244,

Anm. 304), so heißt das in die Konstruktion etwas hineinlegen, was

sicherlich nicht drinnen liegt, ebenso wenn er aus der Notiz der

Annal. Wormat. zum Jahre 1233: „Offenderat enim in multis patrem

suum" wegen des Plusquamperfects schließt, daß der Scheidungsplan

Heinrichs lange vor 1233, nämlich ins Jahr 1228 fallen mußte (a. a.

0. S. 233, Anm. 275). Das sagt ihm keine lateinische Stilistik.

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Wenn ferner der Scheidungsplan in die zweite

Hälfte des Jahres 1230 oder in die erste Hälfte des

Jahres 1231 zu setzen ist, so könnte vielleicht immer

hin eine Verbindung zwischen diesem Plane und dem

schon damals existierenden Abfallsplane festzustellen

sein. Denn daß Heinrich jetzt nach 5 Jahren plötzlich

zu Agnes, die er wahrscheinlich nie liebte 1), eine lei

denschaftliche Liebe gefaßt hätte, ist doch zu roman

tisch. Aber ebensowenig scheint uns annehmbar zu

sein, daß er sich durch die Scheidung möglichst von

seinen ehelischen Verpflichtungen befreien wollte 2);

denn was hätte er dadurch gewonnen, da er sich doch

mit Agnes von Böhmen wieder verheiraten wollte?

Er hat sich, wie es scheint, vollständig einem lieder

lichen Leben hingegeben 3), sich um Margarete wenig

gekümmert und hätte dies höchst wahrscheinlich mit

Agnes nicht besser gemacht.

Wir möchten daher lieber einen anderen Grund

für die beabsichtigte Scheidung annehmen.

Zu spät scheint der unkluge Mann erkannt zu

haben, daß er durch die Bestätigung des Wormser

Statuts von seinem Vater besiegt war, bevor es noch

zu einem Kampfe gekommen, und da mochte ersieh

nun endlich nach einer mächtigen Stütze für seinen

Plan umsehen. Diese glaubte er nicht in seinem

Schwager, dem Herzoge von Österreich, finden zu

können, mit dem er ja ohnehin wegen der schwe

benden Mitgift entzweit war, sondern im König von

Böhmen4). Er wußte wohl, daß man am böhmischen

Hofe seit 1225 gegen den Kaiser recht sehr verstimmt

war, ferner daß Agnes, König Wenzels Schwester,

auf den König einen bedeutenden Einfluß ausübte5),

1) Vgl. Bericht einer englischen Gesandschaft bei Ficker, En

gelbert d. Hl., Beil. 81; Meyer a. a. 0. S. 230 f., Anm. 273.

2) Meyer a. a. 0. S. 232 f., Anm. 275.

3) Vgl. das Chron. Ebersheim., Mon. Genn., Ss. XXIH, p. 451.

*) Vgl. auch Ficker a. a. 0. S. 28 f.

5) Bachmann, Gesch. Böhm., I. Bd., S. 497 ff.

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und deshalb plante er, sie zu heiraten, umsomehr, da

er für etwaige Schritte gegen den Kaiser auch Geld,

viel Geld brauchte und deshalb die 45.000 böhmisch-

bairischen Mark in seinen Ohren einen äußerst guten

Klang haben mußten; freilich hätte er auch die

nicht so schnell bekommen, denn die Summe war für

die böhmischen Finanzen, die unter Ottokar I. keines

wegs glänzend waren, doch etwas zu hoch gegriffen ').

Doch daran dachte vielleicht der leichtsinnige König

weniger, und dann durfte er wohl mit Recht hoffen,

daß er von Böhmen wenigstens mehr erhalten würde

als von Herzog Friedrich.

So dürften also etwa die Dinge gelegen haben,

als der kluge Abt Konrad von Bußnang den König

von seinem Scheidungsplane abbrachte. Nach Öster

reich gesandt, muß er, wie dargetan, Zusagen erhalten

haben, die aber der Herzog dann doch wieder rasch

genug zu erfüllen zögerte.

Die neü entstandenen Weiterungen suchte nun

der Kaiser in Portenau um jeden Preis beizulegen.

Er ging so weit, daß er 8000 Mark aus eigener

Kasse an den König zu zahlen versprach. Das ist

eine bedeutende Summe, umso höher anzuschlagen,

da ja der Kaiser erst eilig in Sicilien Geld zusammen

gerafft hatte, um den beabsichtigten Krieg gegen die

Lombarden führen zu können. Es ist kein Grund,

anzunehmen, daß der Kaiser dem Herzog die Summe

bloß geliehen habe, wie Juritsch a) meint, noch weniger,

daß er sie unter drückenden Bedingungen lieh, wie

derselbe Verfasser anzunehmen geneigt scheint.

Konrad de Fabaria braucht z. B. den Ausdruck »ex-

hibere«, den der Kaiser an dieser Stelle anwendet,

ganz bestimmt für »geben«3). Auch Huber4) und

1) Bachmann a. a. 0. S. 467 und 591 f.

2) A. a. 0. S. 531.

3) Vgl. die oben S. 26 citierte Stelle.

*) A. a. 0. S. 407.

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Ficker1) nehmen an, daß der Kaiser die 8000 Mark

gab*).

Aber warum bewies sich derselbe gegen den

Herzog in solcher Weise entgegenkommend ? Um den

Babenberger auf seine Seite zu ziehen, war ja der

Kaiser gewiß zu manchem Opfer bereit ; daß er aber

jetzt auch einen immerhin nicht unbeträchtlichen

Teil seines Kriegsschatzes hergab, braucht wohl doch

noch eine weitere Erklärung.

Wir möchten diese Erklärung darin finden, daß

der Kaiser auf diese Weise einem etwaigen Rückfalle

Heinrichs in seinen für den Kaiser so gefährlichen

Scheidungsplan vorbeugen wollte, indem er ihm auch

noch den einzigen irgendwie greifbaren Vorwand

für die Scheidung durch Auszahlung der Mitgift zu

nehmen suchte. Wegen der neuen Zögerung des

Herzogs war ja ein solcher Rückfall keineswegs aus

geschlossen. Gefährlich erschien der Plan aber für

den Kaiser, weil dieser den inneren Zusammenhang

') .A. a. 0. S. 33.

*) Anmerkung. Doch möchten wir auf zwei kleine Versehen

Fickers (a. a. 0. S. 33, Anm. 1) aufmerksam machen. Erstens kann

man nicht sagen, daß der Herzog damals (Mai 1232) zahlungsunfähig

war, weil ihm die Ministerialen die ererbten Schätze geraubt hatten.

Denn diese Schätze hatte er gewiß längst zurück, da ihm ja die Mi

nisterialen (Frühjahr 1231) eigens deshalb Geisel stellen mußten (Cont.

Lambac. 1. c. p. 558). Zweitens sagt Ficker (S. 29 f., Anm. 2) gegen

Meyer von Enonau, eine Reise des Abtes von St. Gallen nach Öster

reich sei deshalb nach der Portenauer Zusammenkunf überflüssig ge

wesen, weil der Kaiser die Mitgiftfrage daselbst schon geschlichtet

hatte. Das würde nun allerdings die Reise des Abtes nach Mai 1232

für den Fall ausschließen, wenn nachzuweisen wäre, daß die Mitgift

nur 8000 Mark betrug. Das geht aber aus dem Manifeste nicht hervor,

und auch Huber sagt (a. a. O. S. 407), der Kaiser habe dem Herzog

die Zahlung „erleichtert". So konnte der Abt nach Österreich reisen,

um den Restbetrag zu holen. Ich habe jedoch (wenigstens die ent

scheidende und von Konrad de Fabaria erwähnte) Reise aus anderen

Gründen früher angesetzt.

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desselben mit den Abfallgedanken des Sohnes mit

gewohntem Scharfblick durchschauen mochte.

Bisher haben wir also zwei Gründe kennen ge

lernt, von denen sich der Kaiser bestimmen ließ, dem

Herzog Friedrich gegenüber so nachdrücklich auf

dem Besuche des Reichstages zu bestehen.

Aber wenn ich nicht irre, lief noch ein dritter

Grund nebenher. Wenn man nämlich bedenkt, wie

der Kaiser die Dispens des Herzogs vom Besuche

der Reichstage außerhalb Baierns in seiner Klage

schrift so ganz tot schweigt, obwohl er sie doch sehr

wohl kennen mußte und sich der Herzog höchst

wahrscheinlich schon bei seiner ersten Entschuldigung

im Januar 1232 darauf berufen hat, wenn er sie höch

stens dunkel andeutet (»ut si .molestum' (!) ei fuerat

in civitatibus nostri imperii nos vidisse, ad terram

suam pro nobis accedere non vitaret«), und neben

bei mit einer gewissen eisernen Konsequenz an der

tatsächlichen Nichtanerkennung des Privilegs durch

wiederholte Berufungen des Herzogs an Hoftage, zu

denen derselbe nicht verpflichtet war, festhielt, so

drängt sich uns unwillkürlich der Gedanke auf, daß

der Kaiser eben stillschweigend das Privileg absicht

lich außer Übung setzen wollte.

Dazu hatten die österreichischen Herzoge auch

selbst Veranlassung genug gegeben. Sie waren oft

bei Hof- und Reichstagen erschienen, weil es eben

vornehm und vorteilhaft war, auf denselben zu er

scheinen; wurde das so fortgesetzt, so war das Privileg

nach einiger Zeit tatsächlich außer Übung. So treffen

wir den Herzog Heinrich II. schon am 4. Juli 1157

zu Bamberg, Leopold V. 1179 zu Eger, dann zu

Augsburg, 1181 zu Nürnberg und Erfurt, 1184 zu

Mainz, 1194 wiederum zu Mainz; Leopold VI. finden

wir 1200 zu Nürnberg, 1209 zu Würzburg, 1213 zu

Eger, 1214 zu Metz, 1216 zu Würzburg1). Seitdem

') Vgl. nacheinander Juritsch a. a. 0. S. 220, 287, 288, 290 u.

291, 298, 335. Ferner Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 43, 286, 705, 773, 885.

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besuchte er außerhalb Baierns keine Hoftage mehr,

bis er 1225 Mitglied des Regentschaftsrates wurde.

Auf den bairischen Tagen finden wir ihn stets.

Und wie mit dem Privileg betreffs der Hof

fahrt, so, wenn auch nicht ebenso schnell, konnte es

mit dem betreffs der Reichsheerfahrten gehen. Wir

treffen Herzog Heinrich II. bei der Belagerung von

Mailand 1158, dann beim Feldzuge Barbarossas 1162;

Leopold VI. beteiligte sich bei Reichsheerfahrten 1205

und 1214, sowie 1226

So werden wir nicht weit fehlgehen, wenn wir beim

Kaiser in seiner Nichtbeachtung des österreichischen

Privilegs ganze, zielbewußte Absicht annehmen.

Endlich stößt hier noch eine Frage auf. Hat

nicht vielleicht der Kaiser den Herzog auch deshalb

zu Ravenna und Aquileja so dringend bei sich haben

wollen, weil derselbe noch nicht mit den Herzog

tümern belehnt war?

Es wurde schon oben2) darauf hingewiesen, daß

der Kaiser davon vollkommen schweigt, und wir

haben uns zu beweisen bemüht, daß er dazu einen

ganz besonderen Grund haben mußte, weil sonst sein

Schweigen unter den gegebenen Verhältnissen absolut

nicht zu erklären ist.

Wir wollen versuchen, diesen Grund zu entdecken,

zunächst uns aber noch einmal vergegenwärtigen,

wie sich denn die einzelnen Vorgänger Herzog Fried

richs seit 1156 zur Mutung gestellt haben. Wir wer

den finden, daß alle auf das genaueste die gesetzliche

Frist einhielten.

Leopold V. erhielt noch zu Lebzeiten seines Vaters

Heinrich II. 1174 auf einem Hoftage zu Regensburg

das Fahnenlehen Österreich, ließ sich aber 1177 zu

Pesaro nochmals belehnen3). Nach der Anerbung Steier-

') Siehe oben S. 13.

2) Siehe S. 21 ff.

3) Cont. Claustroneob. Tertia, 1. c. p. 631.

Prager Studien. XI. 3

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marks belehnte ihn am 24. Mai 1192 Heinrich VI. zu

Worms zugleich mit seinem Sohne Friedrich mit

diesem Herzogtume1) Mit Österreich aber war der

junge Friedrich schon 1181 zu Erfurt belehnt worden2).

Leopold wollte ja ursprünglich beide Herzogtümer

den Bestimmungen der St. Georgenberger Handfeste

entsprechend in seiner Hand vereinigen. Doch ist er

(wahrscheinlich auf dem Totenbette) davon abge

gangen, und Leopold VI. bekam die Steiermark3).

Da sich letzterer beim Tode seines Vaters eben beim

Kaiser befand, so ist er von demselben ohne Zweifel

sofort mit Steiermark belehnt worden4). Als am

16. April 1198 sein Bruder Friedrich starb, mußte sich

Leopold VI. auch die Belehnung mit Österreich holen.

Er erhielt sie von König Philipp auf dem Hoftage

zu Mainz im September 1198.

Da der Herzog am 17. August zu Plattling an

der unteren Isar als »Herzog von Österreich und

Steier« urkundet, so hat man vermutet, daß er da

mals bereits vom Hoftage zurückkam 5), während

Juritsch6) meint, daß er sich damals zwar erst auf

dem Hinwege zum Hoftage befand, aber bereits die

ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung in

den beiden Herzogtümern, also vor der Belehnung,

erhalten hatte.

Man muß Juritsch beistimmen. Zwar geben nicht

alle Chroniken den 8. September als Krönungstag

an 7), auch der 15. August wird genannt. Nichtsdesto

weniger ist an dem 8. September festzuhalten ; denn

der 15. August ist nicht nur wegen der wenig ange

sehenen Zeugen (1 Bischof, 2 Pröpste und einige

Juritsch a. a. 0. S. 318.

2) Cont. Zwettl., Mon. Gera. Sc. IX, p. 542.

3) Juritsch a. a. 0. S. 346.

*) L. c. S. 347.

5) Meiller a. a. 0. S. 81, Nr. 5 und Anm. 305.

«) A. a. 0. S. 358 f.

7) Vgl. Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 19 a.

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Grafen und Ministerialen) in einer (allerdings unechten,

aber sicher auf eine echte Vorlage zurückgehenden)

Urkunde vom 16. August (Tag nach der angeblichen

Krönung) ausgeschlossen 1), sondern vor allem durch

eine Urkunde vom 8. Sept 1201, in welcher dieser

Tag von Philipp ausdrücklich der Tag seiner Krö

nung genannt wird2). Nun ist aber ohne Zweifel

zu verneinen, daß sich etwa Leopold VI. Mitte August

in Mainz hätte von Philipp belehnen lassen und dann

wieder heimgegangen wäre; denn wenn der Krö

nungstag auf den 8. September angesagt war, wird

doch nicht Leopold schon Anfang August nach Mainz

gegangen sein ; das hätte er aber tun müssen, wenn

er am 17. August wieder in Plattling sein sollte.

Man hat daraus, daß Leopold nicht unter den

Zeugen in den zu Mainz ausgestellten Urkunden ge

nannt wird, schließen wollen, daß er nicht dort war.

Allein dieser Schluß ist unberechtigt. Denn wo sind

die Urkunden, in denen Leopold hätte als Zeuge

auftreten können? Am 16. August urkundet Philipp

seit dem 29. Juni zum erstenmale wieder3). Da war

aber eben Leopold noch nicht in Mainz, und auch

wenn die Annahme Meillers richtig wäre und Leopold

am 17. August auf dem Rückwege von Mainz in

Plattling war, so war er sicherlich den Tag zuvor

nicht mehr in Mainz. Am 8. Sept. hat allerdings Philipp

jene Urkunde erlassen, in welcher Ottokar von Böhmen

zum Könige erhoben wurde, allein die besitzen wir nicht

mehr, können also auch nicht konstatieren, ob Leopold

unter den Zeugen derselben war oder nicht4). Dann

folgt keine Urkunde Philipps mehr bis in das nächste

Jahr hinein5).

Während es also alle Vorfahren Friedrichs II.

von Österreich seit 1156 äußerst eilig hatten, läßt sich

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 19.

>) L. c. Nr. 19 a und 57.

3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 18 und 19.

*) L. c. Nr. 20.

") L. c. Nr. 22.

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dieser zwei Jahre nicht belehnen, und der Kaiser

wirft es ihm nicht vor.

Um dieses Schweigen zu erklären, darf vor allem

darauf hingewiesen werden, daß ja Österreich der Fa

milie der Babenberger erblich gehörte ; es konnte mit

hin für selbstverständlich gelten, daß man es mit der

Mutungsfrist nicht so streng zu nehmen habe. Der

Kaiser hätte es hier sicherlich damit sehr genau ge

nommen, wo er es mit anderen Dingen strenger nahm

als recht war.

Dieses Schweigen des Kaisers ist andererseits

selbst Beweis dafür, daß Österreich rechtlich im Hause

Babenberg erblich war. Es läßt sich nicht sagen, daß

hierinn seit 1208, wo Baiern erbliches Herzogtum ge

worden 1), andere Verhältnisse eintraten, weil seitdem

die Erblichkeit der Fahnenlehnen sich überall wenig

stens tatsächlich durchsetzte; denn das geschach

allmählig und mißbräuchlich, d. i. ohne wirkliche Ver

leihung. Wenn also Oesterreich 1156 nicht erblich

wurde, so war es auch 1230 rechtlich ebensowenig

erblich, und der Kaiser konnte dem Herzog die Ver

säumung der Mutungsfrist trotz allem vorwerfen,,

auch dann, wenn vielleicht andere Reichsfürsten, z. B.

Otto II. von Baiern, es nicht besser machten; denn

der Kaiser hält ja dem Herzog manches vor. was

er anderen mit demselben Rechte hätte vorwerfen

können, sogar manchen aus den Anklägern des Her

zogs. Indes Oesterreich scheint uns rechtlich erblich

gewesen zu sein, und zwar auf Grund des Privilegium

minus.

Zwei Stellen des Privilegs beziehen sich auf die

Nachfolge im Herzogtume. Die erste lautet: » Con-

cessimus perpetuali iure sanctientes, ut ipsi et liberi

eorum post eos indifferenter filii sive filiae eundem

Austrie ducatum hereditario iure a regno teneant et

possideant« ; die zweite: »Si autem praedictus dux

') Böhmer-Fieker a. a. 0. Nr. 243.

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3?

Austrie patruus noster et uxor eius absque liberis

•decesserint, libertatem habeant eundem ducatum

affectandi, cuicunque voluerint«.

Der zweite Passus scheint gar keine Schwierig

keit zu bereiten ; es ist zu klar ausgesprochen, daß

«ich das Affektationsrecht im Falle kinderlosen Todes

nur auf das gegenwärtige Herzogspaar, Heinrich II.

und seine Gemahlin Theodora, bezieht (»praedictus

.dux . . ., patruus noster et uxor eius«).

Umso größere Schwierigkeiten bietet der erstere

Satz. Man hat das »liberi« mit »Nachkommen« über

setzt, so daß das Herzogtum ein Weiberlehen gewor

den wäre mit vollkommener Descendenzerbfolge.

Berchtold 1) ist noch weiter gegangen, indem er, aus

gehend von dem Zwecke der Gesamtbelehnung im

deutschen Rechte, der darin besteht, den Seitenver

wandten ein Erbfolgerecht zu verschaffen, auch ein

<üollateralerbfolgerecht für Österreich aus dem Privi

legium minus statuiert. Werunsky ist mit Berchtold

«inverstanden 2).

Zunächst ist es auffallend, daß das Privileg, falls

.es die Erbfolge für die Nachkommen überhaupt fest

stellen wollte, das Wort »liberi« gebraucht und nicht

das klarere und gewiß ebenso naheliegende Wort

»posteri« oder dgl. Noch dazu wird der Ausdruck

»liberi« differenziert in »filii sive filiae« 3), obwohl

sicherlich dieser letztere Ausdruck häufig im allge

meinen Sinne für »Kinder und Kindeskinder männ

lichen und weiblichen Geschlechts« gebraucht wird

und sich für Unterscheidung der Geschlechter ein

passendes und gebräuchliches Wort nicht gerade

darbot4).

Also auffallend ist der Ausdruck »liberi« gewiß.

Dennoch glauben wir ihn mit »Nachkommen« über-

') „Die Landeshoheit Österreichs".

2) A. a. 0. S. 48.

3) Bachmann, Rechtsgeschichte, 2. Aufl., S. 77, Anin. 4.

*) Vgl. die sofort zu zitierende Stelle.

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38

setzen zu müssen. Denn abgesehen davon, daß auch

bei der Errichtung des Herzogtums Braunschweig1),

wo doch gewiß vollkommene Erbfolge statuiert wer

den sollte, ähnliche Ausdrücke sich finden, wie im

Privilegium minus, nämlich : »Ducatum ipsum in feo-

dum imperii ei concessimus ad heredes suos filios

etfilias hereditarie devolvendum« 2), wobei aller

dings neben »liberi« »heredes« steht, scheint uns auch

der Ausdruck »hereditario iure possideant« für

das auf alle Nachkommen übergehende Erbrecht zu

sprechen. Wenn nämlich bloß den Söhnen und Töch

tern Heinrichs II. und seiner Gemahlin Theodora

Österreich schon jetzt zugesprochen werden sollte,

so ist der Ausdruck »hereditario iure« nicht gut zu

verstehen3). Es scheint denn doch einen Wider

spruch einzuschließen, wenn die Söhne und Töchter

Heinrichs II. und Theodoras Oesterreich »nach Erb

recht« besitzen sollten und es doch wieder nicht

auf ihre Kinder vererben konnten. Sie sollen es

»hereditario iure« besitzen, wird vielmehr heißen, sie

sollen es besitzen, wie es das Erbrecht mit sich bringt,

sowie dieses »Erbrecht« eben aufgefaßt wurde. Denn

wo immer die Art und Weise eines Besitzes durch

einen näher bezeichnenden Ausdruck genauer be

stimmen wird, erscheint dieser Ausdruck doch so ge

braucht, wie er gewöhnlich verstanden wird, und kann

nicht gerade an dieser Stelle eine ungewöhnliche Be

deutung mit ihm verknüpft sein. Nun wird aber der

Ausdruck »hereditario iure« kaum je so verstanden

worden sein, daß er sich bloß auf eine Generation

bezöge. Es scheint vielmehr in dem »ius heredita-

rium« notwendig auch das Weitervererbungsrecht ein-

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2104.

2) Mon. Germ. IV., p. 319.

3) Vgl. auch Julius Ficker, Über die Echtheit des kleineren

österreichischen Freiheitsbriefes, in den Sitzungsb. der Wiener Aka

demie, Bd. 23, S. 495.

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39

geschlossen zu sein. Endlich, und das dürfte wohl der

Hauptbeweis dafür sein, daß man das »liberi« mit

»Nachkommen« übersetzen müsse, wird der Passus

mit den Worten eingeleitet: »Concessimus perpe-

tuali iure sanctientes«. Was wäre das für ein »immer

währendes, ewiges Recht« gewesen, das bloß für eine

Generation gelten sollte ? Man wird auch kaum sagen

können, daß das nur eine nichtssagende Urkunden

formel der Kanzlei sei ; denn so unvorsichtige Aus

drucksweisen wird man sich doch nicht haben durch

die Feder schlüpfen lassen.

Sehen wir nun auch, wie die Stelle tatsäch

lich verstanden wurde. Wir werden da allerdings

nicht sagen können, wie Kaiser Friedrich I. die Stelle

gemeint hat; könnten wir das, so wäre ja der Streit

zu Ende. Auch das wissen wir nicht, wie das baben

bergische Herzogspaar Heinrich II. und Theodora,

dann Leopold V. die Stelle verstanden haben. Aber

zum Glück wissen wir, wie sie Leopold VI. aufgefaßt

hat, und das ist umso bedeutsamer, weil ja gerade

Leopold VI., der Enkel Heinrichs II. und Theodoras,

derjenige war, bei dem die Bedeutung der Stelle

zum erstenmale praktische Bedeutung gewann.

Leopold VI. behauptet aber auf das nachdrück

lichste sein Erbrecht in Oesterreich, ja er beansprucht,

da er doch in Oesterreich auf seinen verstorbenen

Bruder folgte, sogar das Collateralerbrecht. Die sofort

anzuführende Urkunde, worin dies geschieht, ist aus

dem Jahre 1209; man wird also nicht etwa sagen

können, Leopold habe eine solche Behauptung wegen

der damaligen Wirren in Deutschland wagen können ;

denn 1209 war Otto IV. allgemein anerkannt. Auch das,

glauben wir, dürfte man nicht einwenden können,

daß Leopold diese Behauptung eben ein Jahr nach

der Erblichkeitserklärung Baierns gebrauchte; dieses

eine Jahre scheint uns eine viel zu kurze Zeit zu

sein, als daß diese (die Erblichkeit Oesterreichs geleug

net) erste Erblichkeitserklärung eines Fahnenlehen's

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40

auf die stillischweigende Anerkennung der Erblich

keit der übrigen ihre Wirkung auszuüben vermochte

und Leopold VI. in so feierlicher Weise auf dieses

hin schon sein Erbrecht auf Oesterreich hätte aus

sprechen können. Auch kommt seine Behauptung

an keiner obscuren Stelle vor, sondern in der Stif

tungsurkunde für Lilienfeld. Hätte Leopold fürchten

müssen, beim Kaiser mit seiner Behauptung auf

Widerspruch zu stoßen, so hätte er dieselbe doch

kaum gewagt, da sie ja das Grundprincip der recht

lichen Stellung Oesterreichs zum Reiche umstürzte,

falls sie der allgemeinen Auffassung widersprach.

Leopold sagt in der Stiftungsurkunde für Lilien

feld (7. April 1209): »Ego — qui Dei gratia progeni-

torum meorum dignitatis, proprietatis ac copiarum

omnium plenitudinem hereditarie possideo,

inter alia fidelitatis obsequia . . . monasterium cister-

ciensis ordinis . . . edificare devovi« 1).

Die Urkunde ist von nicht weniger als 47 Zeugen

unterschrieben, was die Feierlichkeit der Verfügung

hervorheben soll. Was aber obiger Stelle noch mehr

Gewicht verleiht, ist der Umstand, daß, wie aus dem

Contexte hervorgeht, Leopold den langen Beisatz zu

»Ego . . .« eben auch nur der Feierlichkeit wegen

anbringt, nicht etwa, um sich gelegentlich ein Recht

anzumaßen, das er nicht besaß. Wir werden also

nicht irren, wenn wir annehmen, daß seine Auffas

sung des Privilegs schon Familientradition geworden

war, festgewurzelt und unwiedersprochen. Unsere Aus

führung dürfte auch nicht entkräften, daß Heinrich VI.

noch 1196 auf dem Würzburger Reichstage gegen

Anerkennung Deutschlands als Erbreich seiner Fa

milie den deutschen Fürsten Erblichkeit ihrer Lehen

(auch in weiblicher Linie) anbot. Denn er bot eben

damals allen Fürsten an, was Oesterreich einzig und

allein schon besaß.

') Meiller a. a. 0. S. 100, Nr. 74.

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41

So glauben wir also sagen zu dürfen, daß Herzog

Friedrich Oesterreich nach Erbrecht besaß, und da

ist es allerdings immerhin erklärlich, daß es der

Kaiser mit der Versäumung der Mutungsfrist weniger

streng nimmt, obwohl wir gestehen müssen, daß uns

auch dieser Umstand das Schweigen des Kaisers nur

unvollkommen zu erklären vermag.

Leichter zu beantworten ist die Frage, warum

Herzog Friedrich den Aufforderungen des Kaisers,

zu den Reichstagen nach Ravenna und Aquileja zu

kommen, nicht entsprach.

Er konnte mehrere Entschuldigungen vorbringen.

Zunächst war zwar der Ministerialenaufstand,

der bald nach dem Regierungsantritte Friedrichs

unter der Führung der beiden Kuenringe Hadmar III.

und Heinrich IL unerwartet und heftig ausgebro

chen war, schon in den ersten Monaten des Jahres

1231 niedergeschlagen worden1). Aber solche Auf

stände glimmen wie der Funke unter der Asche fort,

besonders wenn sie in ständischen Bestrebungen wur

zeln, wie es beim Ministerialenaufstande der Fall war2).

Deshalb konnte der Herzog eventuell beim Kaiser auf

die Gefahr einer Entfernung von seinem Lande hin

weisen, da seit dem Aufstande noch kein Jahr ver

flossen war.

Schlimmer noch standen die Verhältnisse mit

Böhmen. Schon in den letzten Monaten des Jahres 1230

waren Reibungen mit Ottakar I. erfolgt3), wenn

auch die Frage offen bleibt, ob ein wirklicher Aus

bruch der Feindseligkeiten zu Lebzeiten Ottokars I.

(j 15. Dez. 1230) 4) anzunehmen ist.

Bachmann5) und FickerG) glauben an einen Ein-

') Ficker a. a. 0. S. 15 ff.; Jmitsch a. a. 0. S. 518 ff.

2) Vgl. unten.

3) Bachmann, Gesch. Böhmens I, S. 469.

4) L. c.

°) A. a. 0. S. 469 und 497 f.

ü) A. a. 0. S. 16 und Anm. 1.

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42

fall in Oesterreich mit mäßigen Kräften zu Lebzeiten

Ottokars I. und einen zweiten größeren bald nach

dem Regierungsantritte Wenzels. Ficker beruft sich

dabei auf die Contin. Garst. wo ausdrücklich gesagt

wird, daß die Böhmen noch zu Lebzeiten Ottokars

einfielen. Huber 2) und Juritsch 3) erwähnen bloß den

Einbruch unter Wenzel.

Nach unserer Meinung nun verwechselt die Oont.

Garst. Ottokar mit Wenzel und ihre Meldung bezieht

sich auf den Krieg Wenzels mit Oesterreich. Sie

sagt nämlich ad annum 1230: »Quem (Fridericum

ducem) primo anno principatus sui O t a c h e r rex

Boemie fraudulenter invadens magnum partem

Aus tri e incendiis populavit. Cui idem Fridericus

sequenti anno vicem reddidit, fugando ignominiose

ipsum regem et Castrum ipsius nobile et quasi in-

expugnabile, Vetao nomine, expugnavit.«

Es wird hier ausdrücklich gesagt, Ottacher habe

einen großen Teil Oesterreichs mit Brand heim

gesucht. Das bezieht sich offenbar viel eher auf den

Krieg Wenzels, wie denn auch Bachmann und Ficker

zugeben, daß der Krieg Ottokars nur eine unbedeu

tende Grenzfehde gewesen sein könne. Das die Cont.

Garst, diese Notiz zum Jahre 1230 bringt, kann nicht

entscheiden. Denn sie ist offenbar später verfaßt und

ganz verwirrt. Der Rachezug Friedrichs, auf dem er

Vöttau eroberte, fand sicher im Juli 1233 statt, da

nachgewiesen ist, daß er zwischen den Einfall der

Baiern in Oesterreich und den Krieg König Heinrichs

gegen Baiern fällt.4) Beide aber fanden ohne Zweifel

i. Jahre 1233 statt, daher auch der Rachezug Friedrichs

und die Erstürmung Vöttaus. Nun sagt aber die Oont.

Garst: »sequenti anno vicem reddidit«. Dieses

') A. a. 0. p. 596.

2) A. a. 0. S. 404.

3) A. a. 0. S. 523.

4) Siehe unten S. 49 Anm.

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43

»folgende Jahr« wäre also, wenn der erwähnte Krieg

Böhmens gegen Österreich wirklich noch zu Lebzeiten

Ottokars vorfiel, das Jahr 1231, ein Fehler von 2

Jahren. Zudem meldet sie, daß Friedrich demselben

Könige es heimgezahlt und seine Burg Vöttau er

obert habe. Darnach hätte Ottokar wenigstens noch

1231, eigentlich noch 1233 leben müssen. Die Schwie

rigkeit hebt sich so ziemlich, wenn man annimt. daß

der Continuator entweder den Namen vertauschte und

»Wenzel« schreiben wollte, oder, da die ganze Stelle

erst nach der Eroberung Vöttaus aufgezeichnet sein

kann (also frühestens Herbst 1233), die Tatsachen

nicht mehr recht im Gedächtnisse hatte. Unsere Be

hauptung von der Unzuverläßigkeit der Angabe wird

unterstützt durch die Beobachtung, daß von dieser

Stelle an bis zum Jahre 1237 die Melker Annalen ab

geschrieben werden. Es trat also hier eine Schwan

kung in der Führung der Annalen ein. In den abge

schriebenen Stellen finden wir dann die Eroberung

Vöttaus ein zweitesmal zum Jahre 1235 berichtet,

während die Melker Annalen, aus denen die Cont.

Garst, abschreibt, die Meldung zu 1234 bringt, also

wenigstens nur um ein Jahr irrt.

Das eine werden wir also konstatieren dürfen,

daß hier die Cont. Garst, nicht entscheidend ist.

Mehr spricht eine Stelle der sächs. Weltchronik ')

gegen uns. Da heißt es : »Darna starf de hertoge

Lippolt van Osterrik. Do brande de junge Koning

tvan Behem dat Land to Osterrik wante an de Donowe.

Tohant nadere herevard do starf de aide koning

Odakker van Behem«. Das ist allerdings deutlich

gesagt. Dennoch haben wir auch hier wieder einen

großen Feldzug, wo ganz Österreich nördlich der

Donau gebrandschatzt worden sein soll. Nun erwähnt

aber keine einzige der vielen österreichischen Chro

niken, die Cont. Garst.; deren Unbrauchbarkeit er-

') Mon. Germ, vernaculac linguae, II, p. 248.

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44

wiesen ist, ausgenommen, einen ersten Einfall, ge

schweige denn einen ersten großen Verheerungszug

der Böhmen, während der zweite unter Wenzel aus

drücklich und teilweise verhältnismäßig ausführlich

berichtet wird. So werden wir denn wohl auch hier

einen Gedächtnisfehler des Chronisten annehmen

dürfen, zumal derselbe seine Chronik erst 1237 abzu

fassen begann, allerdings für die frühere Zeit auf

Albert von Stade fußend 1).

Demnach sind wir geneigt, nur einen Einfall der

Böhmen, nämlich unter Wenzel I. anzunehmen, der ja

allerdings noch im Dezember 1231 begonnen haben

mag. Jetzt wurde ganz Österreich bis an die Donau

verwüstet2). Daß aber Wenzel mit den zu gleicher

Zeit im Aufstand begriffenen österreichischen Mini

sterialen in Verbindung stand, wie Juritsch als

möglich hinstellt, ist sicherlich nicht anzunehmen ;

denn die Besitzungen der empörten Adeligen, deren

Güterauf dem linken Donauufer lagen, wurden nicht

minder verheert als die übrigen3).

Von einer Abfindung Friedrichs mit Wenzel ver

lautet aber nichts, und wenn auch eine stattfand,

so war jedenfalls »dem Landfrieden wenig zu trauen«.

Daher konnte der Herzog mit Recht fürchten, der

böhmische König werde seine Abwesenheit benützen,

um die Feindseligkeiten zu erneuern und sich viel

leicht jetzt wirklich mit den Ministerialen in Verbin

dung zu setzen. Friedrich konnte dies sehr wohl als

Entschuldigung für sein Nichterscheinen am Hofe des

Kaisers vorbringen.

Indes hat sich Friedrich vielleicht in seinem Trotze

weit weniger auf solche Entschuldigungen gestützt

') Vgl. die Einleitung zur Chronik in Mon. Germ. Ss. vorn.

1. II, S. 40.

2) Cont. Lambac, I. c. p. 55S.

3) Bachmann, Gesell. Böhmens I, S. 480.

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45

als auf sein Privileg. Wir brauchen darauf nicht zu

rückzukommen ; das war es ja, was er dem Kaiser

durch den Melker. Abt an erster Stelle sagen ließ1).

II.

Kaiser und Herzog von der Neumarkter Zusammen

kunft bis zum Augsburger Tage (Ende Okt. 1235).

1. Die Zusammenkunft zu Neumarkt

(2. Hälfte Mai 1235).

Obwohl König Heinrich seinem Vater in Civi-

dale vor einer Anzahl von Fürsten, die noch dazu

eventuell vom Eid der Treue gegen ihn entbunden

und zu Garanten des Eides bestellt wurden, Gehorsam

geschworen, hatte er seine Empörungspläne doch

nicht aufgegeben.

Konsequent nur im Festhalten an dem einen

Ziele, sich vom Vater loszumachen, war er aber über

die Mittel dazu vollständig unklar. Es ist etwas so

Unreifes, Schwankendes, Unsicheres in diesem Könige,

daß er sich unwillkürlich als Gegenbild gegen den

Herzog Friedrich von Österreich aufdrängt. Beide

sind sich in ihrer Unbeugsamkeit und ihrem Trotz,

mit dem sie das einmal erfaßte Ziel festhalten, sehr

ähnlich, aber höchst unähnlich im Streben nach dem

selben. Fest und unerschütterlich bleibt der Herzog

von Österreich auf dem einmal eingeschlagenen Wege.

Heinrich hält das so sehr ersehnte Ziel allerdings

auch fest, aber er tappt auf dasselbe los, wie ein

Blinder und fieberhaft greift er nach jedem Stroh

halm wie nach einem Geländer, in der Hoffnung, daß

dem entlang der rechte Weg leite. Bald freilich sieht

') Vgl. oben S. 18 ff.

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46

er, daß auch dieser Pfad nicht der rechte sei und

er verläßt ihn, um es mit einem neuen bald ebenso

machen zu müssen. «

Unzweifelhaft ist so viel Unklares in der Ge

schichte Heinrichs und seiner Umtriebe vor und nach

dem Cividaler Tage '), weil eben Heinrichs Kopf ver

wirrt war, weil er sich nie klar werden konnte über die

Mittel, die ihn zu seinem Ziele helfen können, weil er

ewig schwankt zwischen Empörung und Unterwerfung.

Obwohl er sich endlich zur Empörung aufrafft, ist

doch wieder alles, nachdem er es Jahre lang vor

bereitet hat, so wenig zugeschickt, daß der Aufstand

schon im Keime verunglückt. Es war eben zur Vor

bereitung desselben hunderterlei begonnen, aber nichts

wirklich durchgeführt. Auf dem Reichstage zu Civi-

dale hatte Heinrieh gesehen, daß von Seite der Fürsten

nichts zu hoffen sei. Er hat ja ihre Gunst nie recht be

sessen. Da begann er die Städte zu begünstigen. Die

Wormser wurden gegen ihren Bischof geradezu er

mutigt, was die Fürsten insgesamt auf das höchste

erbitterte2). Es war dies auf dem Wormser Reichs

tage am 3. August 1232 geschehen. Die Fürsten traten

so energisch auf, daß Heinrich nicht den Mut hatte,

ihnen entgegenzuhandeln. Schon am nächsten Tage

entschloß er sich, Worms gegenüber das Gesetz von

Ravenna und Cividale in Anwendung zu bringen3).

Kaiser Friedrich war über die ersten Regie-

rungshandlungen seines Sohnes so unzufrieden, daß

er bereits am 3. Dezember 1232 dem Erzbischof von

Trier den Auftrag gab, sich zum König zu begeben

und denselben zur Einhaltung des in Friaul gelei

steten Eides zu mahnen4).

1) Witikelmann, Friedrich II, I. S. 428.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4245.

.•) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4216.

*) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4269 a.

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47

August 1233 unternahm der König eine Heer

fahrt gegen Otto II. von Baiern, den Sohn des 1231

ermordeten Herzogs Ludwig

Es ist sehr unklar, was Heinrich zu dieser Heer

fahrt vermochte. Zwar schreibt er selbst an den

Bischof Konrad von Hilde<?heim, er habe den Zug

nach Baiern unternommen, weil der Herzog eine dem

Kaiser feindselige Gesinnung gezeigt habe2). Allein

darauf wird ebensowenig zu geben sein, als auf

manche andere Behauptung des Königs, umsomehr,

da ja gerade der Kaiser den Herzog in Schutz nahm,

also offenbar selbst einen ganz anderen Grund für

das Unternehmen des Sohnes annehmen zu müssen

glaubte. Er beobachtete eben Heinrich seit der Zu

sammenkunft in Cividale sehr scharf, und da sein

Auge gut zu sehen pflegte, so dürfen wir aus dem

Vorgehen des Vaters auf die Beweggründe des Sohnes

immerhin einen Schluß ziehen.

Herzog Otto mußte den König bald um Frieden

bitten und sein Söhnlein als Geisel stellen ; da griff

aber der Kaiser ein, und das Kind wurde dem Vater

zurückgestellt3).

Man hat behauptet, König Heinrich habe den

Herzog für seine Empörungspläne zu gewinnen ge

sucht und sei dann, als ihm dies nicht gelang, aus

Rache gegen ihn gezogen4). Es ist dies immerhin

möglich, zumal wenn der König etwa darauf seine

Hoffnung setzte, daß der Herzog seit der Ermor

dung seines Vaters dem Kaiser bitter feind war,

daß er ihn für den Urheber des Mordes hielt, und

sich deshalb auch jeder Hoffahrt entzog. Auch das

ist möglich, daß der König durch seinen Rache

zug anstatt des Baiers einen anderen zu gewinnen

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4289 a.

2) Böhmer-Ficker Nr. 4348.

3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4348.

*) Huber, Gesch. Öst. I, S. 407. — Riezler, Gesch. Baierns II, S. 63.

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48

gedachte — den Herzog von Österreich, der seit dem

Einfall Ottos II. im vergangenen Frühjahr sicher auch

noch frische Rachegefühle in der Brust hegte. Mit

solchen Hoffnungen kann ja die Anwesenheit An

selms von Justingen am Wiener Hofe (1. Mai und

2. Juni 1232) >) in Verbindung stehen*).

Dennoch ist das Ganze nicht viel mehr als

reine Conjectur; denn wenn auch die Scheftlarer

Annalen2) ausdrücklich sagen, daß der König dem

Herzoge deswegen zürnte, weil er nicht in die Em

pörung gegen den Kaiser willigen wollte, so sind ihre

Angaben leider gerade an dieser Stelle so vielfach

verworren und falsch, daß das Vertrauen auf die

ganze Stelle erschüttert wird3). Daher könnten wir

uns vielleicht am besten mit der Notitz der ange

führten Regeste begnügen : »Heerfahrt gegen Herzog

Otto von Baiern, deren Veranlassung uns unbe

kannt ist«.

Dennoch sei es gewagt, noch einen Gedanken

vorzutragen, der freilich auch nicht mehr als eine

Conjectur ist. Wäre es nicht möglich, daß damals

König Heinrich, der doch seit 1232 beständig nach

Mitteln suchte, seine Empörung ins Werk zu setzen,

') Meiller a. a. 0. S. 151, Nr. 16 und 17.

2) Mon. Germ. Ss. XVII., p. 430.

3) Vgl. dazu Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4289 a.

*) Anmerkung. Winkelmann, Gesch. Friedr. II., I, .S. 450,

Anm. 1 und S. 461, sagt, daß auch der Herzog von Österreich damals

(als der deutsche König in Baiern einrückte) den bairischen Herzog

bekriegte und führt das als Beweis für eine Verbindung zwischen dem

König und Friedrich an. Es ist das falsch. Her Einfall Ottos II. in

Österreich fand Ende Februar bis Mitte April 1233 statt (Hirn, krit.

Gesch. Friedrichs II., S. 17). Otto zog bald wieder heim, so- daß

Friedrich nichts weiter gegen ihn unternahm, sondern Anfang Juli

(Cont. Sancr. I. a. a. 0. p. 628: „Post octavam Joannis Baptistae")

in Mähren einfiel und Vöttau eroberte. Der Einfall des Königs in

Baiern fällt in den August, wo der Herzog von Österreich wahrschein

lich bereits krank lag (Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4289 a).

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49

den Herzog Otto durch seinen Feldzug (er nimmt

dann auch dessen Söhnlein als Geiselj, nachdem er

es vergebens auf dem Wege der Unterhandlung ver

sucht, mit Gewalt auf seine Seite ziehen wollte, um

dem Kaiser die tirolisch - bairischen Grenzpässe

schließen zu können? In Schwaben war ja Heinrich

ohnehin in der Übermacht, konnte also hier dem

Kaiser den Zug nach Deutschland leicht wehren,

so daß diesem nur noch die Wege durch Österreich

offen geblieben wären, trotzdem er seit dem 14. April

1232 Verona und damit die Etschstraße besaß. Aber

was dann, wenn Heinrich auch den Herzog von Öster

reich für sich gewann? Wir treffen ja Anselm von

Justingen beim Babenberger. Wenn es Heinrich ge

lang, den Baiern niederzudrücken und den Öster

reicher zu gewinnen, dann waren die Aussichten

des Kaisers, in Deutschland einzudringen, noch weit

geringer als 1212, wo ihm Deutschland versperrt ge

blieben wäre, falls er um 3 Stunden später in Kon

stanz ankam An dieses erste Erscheinen des Vaters

in Deutschland mochte sich der Sohn jetzt erinnern.

Allerdings richtete Anselm in Wien nichts aus.

Aber nach seiner Art gab wohl damals der König

seinen Plan noch nicht auf und begann den Krieg

gegen Baiern dennoch. Er konnte ja hoffen, durch

den glücklichen Erfolg den Herzog auf seine Seite

zu ziehen. Selbstverständlich schließen diese Absich

ten des Königs beim Baiernkriege etwaige Rache

gedanken nicht aus.

1234 gingen neue Klagen über die Alpen. Auf

einem Reichstage zu Frankfurt wurde am 11. Februar,

wahrscheinlich auf Verlangen der Fürsten, ein Land

frieden verkündigt, welchen Heinrich dazu benutzte,

die Burgen zweier Anhänger des Kaisers, der Brüder

Konrad und Gottfried von Hohenloch (Hohenlohe),

durch Heinrich von Neifen brechen izu lassen. Der

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 670 g.

Präger Studien. XI 4

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50

Kaiser befahl dem Könige, Schadenersatz zu leisten,

der Sohn gehorchte1). Er schwankte ja beständig

zwischen einem kraftlosen Aufbäumen und mürrischer

Unterwerfung.

Bald nach dem Kriege gegen Baiern hatte

Heinrich den Sohn des Markgrafen von Baden als

Geisel zu sich genommen. Auch ihn gab er auf Be

fehl dos Vaters heraus2). Doch wurde der Markgraf

auch weiterhin auf jede Weise bedrängt; er ging

deshalb zum Kaiser nach Italien, um sich über den

König zu beklagen 3). Der Kaiser erließ eine letzte

Warnung an den Sohn und erklärte wiederholt auf

das Bestimmteste, er werde jeden Verkehr mit ihm

abbrechen, falls er fortfahre, ihm in allem entgegen

zu handeln4).

Nun schrieb Heinrich am 2. September einen

wichtigen Rechtfertigungsbrief, an den Bischof von

Hildesheim gerichtet, worin er seine Verdienste um

den Kaiser hervorhebt und alles anführt, womit der

Kaiser ihn geschädigt habe. Er bittet den Bischof,

mit anderen Fürsten dem Kaiser anzuflehen, daß er

die mit eigener Hand dem Sohne verliehene Ehre

nicht mindern möge.

Zugleich sandte der König mit derselben Bitte

eine Botschaft, bestehend aus dem Erzbischof von

Mainz und dem Bischof von Bamberg5), an den Kaiser.

Allein diese Maßregeln sollten nur die wahren

Absichten Heinrichs verhüllen. Denn gerade jetzt, zur

ungeeigneten Zeit, da er mit fast allen Fürsten zer

fallen war, beschloß der schwankende König endlich

offene Empörung (Boppard, Sept. 1234) 6). Aber so

') Böhmer-Fieker a. a. 0. 4348.

2) Böhmer-Fieker 1. c.

3) Annal. Marbae., Mon. Germ. Ss. XVII, p. 177.

*) Böhmer-Fieker, 1. c. — Abgedruckt bei Huillard-Breholles

a. a. 0. IV, 628 ff.

<*) Huillard-Breholles a. a. 0. IV, p. 524.

6) Böhmer-Fieker a. a. 0. Nr. 4349 a.

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51

pflegt es eben bei schwachen Naturen zu ergehen,

daß sie sich nach langem Schwanken endlich ent

schließen — zum Unheile.

Nachdem Heinrich zu Boppard mit einigen Fürsten

Rücksprache gehalten, wandte er sich an die Städte.

Schon oben wurde erwähnt, daß Heinrich gleich

nach seiner Rückkehr aus Cividale die Städte für

sich zu gewinnen suchte, aber von den Fürsten sofort

wieder in andere Bahnen gezwungen ward. Jetzt

kam er auf den alten Plan zurück.

Wir sind nur über die Städte des Elsasses genü

gend unterrichtet. Von diesen waren ihm die meisten

zu Willen, leisteten den verlangten Schwur, ihm gegen

jedermann ohne Ausnahme beizustehen, und stellten

Geiseln für ihre Treue 1).

Von den Fürsten traten dagegen nur die Bischöfe

von Speier und Straßburg, von Würzburg und Augs

burg, der Erwählte von Worms und der Abt von

Fuld unbedingt auf seine Seite2).

Interessant ist die diesbezügliche Stelle aus den

Kölner Annalen : »Nam et t u n c (also auch früher

schon) coepit sollicitare quoscunque potuit, minis prece

et precio, ut sibi assisterent contra patrem«3). Wir

sehen daran, daß mit den vorausgehenden Regie

rungshandlungen Heinrichs doch mehr bezweckt war,

als bloß den Kopf gegen den Vater aufzusetzen.

Weitaus den größten und entschiedensten An

hang hatte jedoch der König unter den Grafen- und

Ministerialengeschlechtern Schwabens und Frankens 4).

Die Städte waren mehr gezwungen auf seine Seite

getreten, Worms weigerte sich sogar entschieden und

mit Erfolg5). Die Grafen und Ministerialen aber liefen

') Winkelmann, Friedrich II., I, S. 461.

2) Winkelmann 1. c. S. 462.

3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4349 a.

4) Winkelmann 1. e. S. 463.

5) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4364a und Nr. 4380 a.

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52

dem Könige in helfen Haufen zu, doch auch da haupt

sächlich die aus Schwaben und Franken, das heißt die

Reichsministerialen und kleinen Territorialherren, die

noch immer fürchten mußten, von den großen Fürsten

oder vom Reiche aufgezehrt zu werden. Einstmals

hatte zwar der Kaiser seine Ministerialen und die

kleinen Herren begünstigt, ebenso wie die Städte1),

allein er war davon abgekommen, als er zu größeren

politischen Plänen unbedingt der Fürsten bedurfte.

Die den Fürsten eingeräumte Macht suchte er durch

Begünstigung tihres landsässigen Adels zu paralysie

ren2), wie man vor allem in Österreich sehen kann.

Daher kam es, daß der Kaiser zwar einerseits den

kleinen Reichsadel opferte, andererseits aber den land

sässigen hob. Der geopferte Adel und die gefährdeten

Duodezlandesherren strebten nun unter den Fahnen

des jungen Königs nach einer besseren und siche

reren Zukunft. Aus ihren Reihen waren jene Ver

führer, welchen der Kaiser oftmals die Schuld an den

Verirrungen seines Sohnes gibt.

So wurde die Rebellion zu einem Kampfe höherer

Bedeutung, zu einem Kampfe zwischen Ministerialität

und Kleinfürstentum mit dem größeren Fürstentum 3).

Unter den Ministerialengeschlechtem sind neben zahl

reichen anderen vor allen die Justingen und Neifen,

unter den Grafengeschlechtern die von Kyburg, Urach,

Wirtemberg, Dillingen, Hirschberg, Wertheim, Löwen

stein, Botenlauben, Castell, Leiningen hervorzuheben 4).

Doch auch auswärts suchte Heinrich Hilfe.

Am 13. Nov. sandte er den vielgewandten Hof

marschall Anselm von Justingen und den Würzburger

Archidiacon Walther von Tannenberg, seinen Capellan,

in die Lombardei5). Am 17. Dezember war das Bünd-

') Winkelmann 1. c. S. 230 f. und 234.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4196 und 4198.

3) Vgl. Winkelmann 1. c. S. 463.

') Winkelmann 1. c.

5) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4 ^S—4360.

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53

nis mit dem lombardischen Bunde geschlossen 1). Durch

ihn besaß Heinrich fast alle deutsch-italienischen Pässe

und konnte dem Kaiser in Italien zu schaffen geben.

Um eine Verbindung seines Vaters mit England zu

paralysieren, — Friedrich gedachte die Schwester Hein

richs III. zu heiraten2) und bezweckte gewiß mehr als

«ine bloße Familienverbindung, nämlich auch einer

etwaigen Allianz seines Sohnes mit England und den

Weifen vorzubeugen3) —, sandte der König den Bischof

Hermann von Würzburg und Heinrich von Neifen

an Ludwig IX. von Frankreich und schlug ihm eine

Verlobung ihrer Kinder vor4). Ludwig ging auf den

Plan nicht ein.

So standen die Dinge, als sich das Jahr 1234

dem Ende zuneigte. Die Mitkaiserschaft, wahrschein

lich sogar die gänzliche Verdrängung Friedrichs

vom Kaisertrone, sollte für Heinrich der Kampfpreis

sein 5).

Erst am 29. Jan. 1235 forderte der Kaisers, nach

dem er in Sicilien Geldmittel gesammelt hatte6), die

deutschen Fürsten in einem Schreiben auf, seinem

Sohne hinfort entgegenzutreten und ihm selbst dem

nächst nach Friaul entgegenzukommen 7). Er hatte es

also durchaus nicht eilig. Es lag je etwas Kindisches

in der Empörung seines Sohnes. Der Markgraf von

Baden konnte es wagen, aus Italien, wo er den

König verklagt, zurückzukehren, und behauptete sich

in seinen Burgen gegen ihn 8). Von Worms mußte

Heinrich unverrichteter Dinge abziehen 9).

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2068 a.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2063.

3) Winkelman, Friedrich II., I, S. 459.

4) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4371a.

5) Winkelmann, Friedrich II., I, S. 465.

6) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2072.

7) Böhmer-Ficker a. a 0. Nr. 2075.

8) Annal. Marbac. a. a. 0. p. 177.

») Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 4381a.

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54

Einer allerdings hätte für den Kaiser sehr ge

fährlich und für Heinrich sehr nützlich werden

können — der Herzog von Öslerreich.

Zwar war die Veroneser Klause im Besitze

Ezzelins und damit des Kaisers; allein dieser hätte

ein bedeutendes Heer gebraucht, um bis Verona

durchzudringen. Vicenza, Treviso, Padua, Ferrara,

Bologna, Mantua, Reggio, Lodi, Crema, Mailand,

Brescia umschloßen ringsherum die kaiserliche

Enclave.

Daß der Kaiser dennoch nicht allzu große Eile

hatte, nach Deutschland zu kommen, daß er seine

deutschen Fürsten ruhig nach Friaul entgegen-

beschied, daß er seinen Weg durch steirisch-österrei-

chisches Gebiet zu nehmen wagte, daß wir endlich

von Seite Heinrichs um diese Zeit nicht die geringste

Spur eines Versuches finden, den Babenberger zu

gewinnen, das alles muß uns der klarste Beweis

sein, daß der Kaiser um diese Zeit vollständig auf

die Treue des Babenbergers baute, während der König

ganz und gar überzeugt war, daß er den Herzog

auf keine Art auf seine Seite ziehen könne.

Wenn daher Riezler 1) behauptet, daß sich König

Heinrich dem Babenberger eng anschloß, so darf das

höchstens im Sinne eines Versuches von Seite des

Königs im Jahre 1233 verstanden werden, sonst ist

es sicherlich nicht richtig.

Nach dieser ziemlich langen Abschweifung auf

die deutschen Verhältnisse seit 1232, die aber not

wendig war, da wir im Laufe unserer Ausführungen

noch öfters auf dieselben zurückkommen müssen,

wenden wir uns wieder dem Manifeste zu, das eben

hier mit einer neuen Anklage gegen den Herzog ein

setzt. Es wurde erwiesen, daß bis zum Jahre 1235

die Klagen des Kaisers gegen Friedrich sämtlich

grundlos waren ; von jetzt an wird man es nicht

immer sagen können.

]) Gesch. Baierns II, S. 63.

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55

Auf seinem Zuge von Italien nach Deutschland

im Mai 1235, so führt das Manifest aus, habe der Kai

ser, um dem Herzoge einen besonderen Beweis seiner

Huld zu geben und ihn um so bereitwilliger für den

kaiserlichen Dienst zu machen, seine Person öster

reichischenBoden anvertraut. Da habe aber der Herzog

bei einer Zusammenkunft mit dem Kaiser sich nicht

geschämt, vom Kaiser 2000 Mark zu verlangen für einen

Krieg, den er gegen Böhmen und Ungarn unterneh

men wollte, und als ihm der Kaiser dies abgeschlagen,

habe der Herzog rundweg erklärt, er wolle ihm nun

nicht weiter mehr dienen.

Erst nach Ostern (Mitte April) brach Kaiser

Friedrich II. von Unteritalien auf1), hielt Ende des

Monats in Fano noch einen Hoftag 2), schiffte sich im

Mai zuRimini mit kleinem Gefolge ein3) und landete

in Aquileja4). Von da ging er nach Cividale, wo er

von den deutschen Fürsten empfangen wurde5).

Den Babenberger finden wir nicht hier; wir

möchten vermuten, daß er diesmal gar nicht einge

laden wurde, denn sonst hätte der Kaiser dies wohl

bemerkt. Er fürchtete wahrscheinlich, daß eine solche

Einladung bei dem starren Sinn des Herzogs nur

zu neuen Reibungen führen könnte, die dem Kaiser

im Augenblick unwillkommener denn je sein mußten*).

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2083 a.

3) L. c. Nr. 2085 a.

a) L. c. Nr. 2089 a.

4) L. c Nr. 2089 b.

0) L. c. Nr. 2089 c.

*) Anmerkung, Die Meinung Ad. Kickers (Friedrieb II., der

letzte Babenberger, S. 39, Anm. 1), der Herzog von Österreich habe

sich, da er am 27. April zu Pettau urkundet (Meiller a. a. 0. S. 154,

Nr. 28) und dieses zu weit weg vom Wege aus Österreich nach Neu

markt liegt, auf dem Wege über Krain nach Friaul befunden, scheint

deshalb nicht annehmbar zu sein, weil die Zeitangaben nicht zusam

menstimmen. Der Herzog müßte nämlich unter Fickers Voraussetzung in

Pettau seinen Plan, nach Friaul zu gehen, geändert haben, etwa, da er

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56

Von Cividale zog Friedrich II. durch den Kanäle

di Ferro (Fellatal) über Chiusaforte und Pontafel nach

Villach 1) und von da weiter über Triesach nach Neu

markt2!. Hier auf steirischem Boden traf der Herzog

bei ihm ein3). Daß der Kaiser dem Herzoge durch

seinen Zug über Österreich eine so große Huld er

wies, wie es im Manifest heißt, ist nicht recht einzu

sehen. Denn da er ohne Heer nach Verone schlechter

dings nicht gelangen konnte (er fährt ja deswegen

auch zu Schiff von Rimini nach Aquileja), so blieb

ihm nicht viel andres übrig, als durch Österreich zu

ziehen, zumal er mit seinem vierspännigen Wagen,

hörte, der Kaiser werde durch die Steiermark ziehen. Allein erstens

hätte ihn doch das, wenn er anders vorhatte, nach Fnaul zu gehen,

daran nicht zu hindern brauchen, und zweitens wird der Kaiser am

27. April, wo er sich noch in Fano befand, wohl schwerlich schon

etwas über seine Reiseroute haben verlauten lassen. Wenn die Nach

richt auf mehr oder minder zufällige Weise nach Pettau zu Herzog

Friedrich gelangen sollte, so hätte er sich aber über den Weg sogar

noch bedeutend früher aussprechen müssen, etwa Mitte April, wo er

sich noch in Unteritalien befand. Das ist mehr als unwahrschein

lich. Falls aber etwa die Reiseroute von vornherein feststand, so ist

es umso unerklärlicher, warum der Herzog, als er sich schon in Pettau

befand, auf einmal seine Winterreise nach Cividale aufgegeben hätte.

Zurecht wäre er dahin sicherlich noch gekommen, da bis zur Ankunft

des Kaisers in Neumarkt fast noch ein Monat verging. Daß Pettau

so abseits vom Wege aus Österreich nach Neumarkt liegt, tut gar

nichts zur Sache. Ficker setzt hier voraus, was zu beweisen wäre,

daß nämlich der Herzog auf dem Wege von Österreich nach Neumarkt

war. Ks kann aber sehr wohl sein, daß sich damals der Herzog etwa

auf dem Wege von Österreich in seine krainischen Besitzungen oder

auch auf dem Rückwege von da befand. Sie lagen ihm ja stets be

sonders am Herzen und nennt er sich doch seit März 1232 „Dominus

Carniolae" (Meiller a. a. 0. S. 264, Anm. 432).

1) L. c. Nr. 2089 d.

2) Anmerkung. Über die Zugehörigkeit Neumarkts zu Steier

vgl. Werunsky a. a. 0. S. 271. Das Neuniarkter Gebiet grenzte sowohl

im Westen als im Süden an Kärnten.

3) L. c. 2089 c und 2090.

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57

mit Gold, Silber, Leinwand, Purpur, Edelsteinen und

prächtigen Gewändern, mit seinen Kameelen, Maul

tieren, Dromedaren, Käfigen mit Affen und Leopar

den, von Saracenen und Aethiopiern geführt1), keine

»Saumpfade« benutzen konnte.

Noch etwas anderes kommt hinzu. Für einen

Fürsten, der nach dem Zeugnisse des Manifests so

von Verbrechen trieft, wie Friedrich von Oesterreich,

war es wahrhaftig keine besonders große Gnade.,

wenn das höchste Evocations- und Appellationsge

richt leibhaftig durch seine Lande zog, so daß in

zwischen alle übrigen Gerichte darniederlagen. Der

Unterhalt des Hofes, zu dem jetzt obendrein noch

die ganze Menagerie kam, war zum Glück für die

weltlichen Fürsten aus der Übung gekommen.

Die Zusammenkunft des Kaisers und Herzogs

in Neumarkt fand in der letzten Woche des Mai statt 2).

Es brach dabei ein solcher Zwiefalt zwischen den

beiden aus, daß die Begegnung, wie es scheint, ge

radezu den Wendepunkt in ihrem Verhältnisse zu

einander bezeichnet.

Der Herzog forderte nämlich vom Kaiser 2000

Mark (etwa 600.000 Kronen) für einen Feldzug gegen

Ungarn *).

Die Regierung König Andreas II. (1205—1235)

war stets eine äußerst schwache gewesen. Kronrechte

und Kronschätze wurden an den gierigen Adel ver

geben (goldene Bulle vom J. 1222), und als Bela IV..

seit 1232 Mitregent, die Krone durch Einziehung der

verschleuderten Krongüter wieder zu stärken ver

suchte, faßten einige Magnaten den Plan, durch die

') Contin. Eberbac., Mon. Germ. SS. XXII, p. 348.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2089 e.

*) Anmerkung. Krones (Handbuch der Gesch. Österr. I, 624)

spricht an dieser Stelle noch von dem „leidigen Mitgitthandel, der

Kaiser und Herzog entzweit habe".

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58

Vermittlung des österreichischen Herzogs dem deut

schen Kaiser die ungarische Krone anzubieten 1) *).

Herzog Friedrich sah nun wohl ein, daß der Kaiser

unter den obwaltenden Umständen ihn mit einem

Heere nicht unterstützen könne, er verlangte deshalb

vom Kaiser nur Geld. Hatte er ja schon einmal nicht

unglücklich mit den Ungarn gefochten (1233). Er konnte

daher hoffen, daß er jetzt, nachdem eine wenn auch

unbedeutende Partei auf seiner Seite stand, in An

betracht der zerrütteten Zustände in Ungarn, mit den

beiden Königen fertig werden könne. Es scheint

nicht notwendig zu sein, hierbei allzuviel Gewicht

auf seine »törichte Gesinnung« zu legen.

Was Böhmen betrifft, so wird der Herzog dem

Kaiser den Krieg mit dieser Macht zunächst nur als

Möglichkeit oder vielmehr Wahrscheinlichkeit hinge

stellt haben, nicht aber, als ob er zugleich auch Böh

men habe angreifen wollen, wie das Manifest sagt.

Denn für so töricht möchten wir den Herzog denn

doch nicht halten, daß er sich aus freien Stücken in

einen gleichzeitigen Angriffskrieg mit den beiden

mächtigen Grenzländern stürzen wollte. Daß aber

Wenzel als Neffe Andreas II. (Sohn von Andreas

Schwester Konstanze) und als Nachbar, der auf die

wachsende Macht Oesterreichs niemals gleichgiltig

schaute, den ungarischen Königen sofort zu Hilfe

eilen würde, das allerdings war vorauszusehen.**)2).

1) Huber, Gesch. Osten•. I, S. 408; Bachmann, Gesch. Böhmens I,

S. 501; Ficker a. a. 0. S. 41 f; Juritsch a. a. 0. S. 545.

2) Vgl. dazu Bachmann, Gesch. Böhm. I, S. 501.

*) Anmerkung. Rogerii carmen miserabile bei Endlicher,

Monumenta Arpadiana p. 261, ist die einzige Quelle. Aus dieser geht

aber klar hervor, daß die Magnaten dem Kaiser und nicht dem Her

zoge die Krone anboten. Vgl. darüber Huber, Gesch Öster. I, 408, Anm.

**) Anmerkung. Außerdem scheint schon wieder Stoff zu

Zwistigkeiten zwischen Österreich und Böhmen vorhanden gewesen

zu sein; denn die Erfurter Annalen (Mon. Germ. SS. XVI, p. 30) er-

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59

Der Grund, warum der Herzog sich so für die

Sache begeisterte, wird natürlich nichtsweniger als

selbstlos gewesen sein. In dieser oder jener Form

glaubte er auf die Erweiterung seiner Macht dabei

rechnen zu können 1).

Wir müssen also gestehen, daß uns der Vor

schlag des Herzogs nicht gar so befremdet. Falls es

ihm gelang, den Kaiser für die Sache zu gewinnen,

mochte er wohl gegen einen etwaigen Angriff Böh

mens auf ein Machtgebot desselben und eventuell

auch auf ein Einschreiten von reichswegen rechnen.

Töricht handelte er erst, als er sich trotz des kaiser

lichen Verbots in den Krieg stürzte.

Andererseits war ja freilich ebenso zu erwarten,

daß Kaiser Friedrich ihm seine Forderung abschlag.

Denn erstens strebte der Kaiser überhaupt niemals

nach Ausbreitung seiner Herrschaft diesseits der

Alpen; zweitens war ja trotz allem der Erfolg des

Unternehmens sehr fraglich ; drittens kam der Kaiser

jetzt eben nach Deutschland, um Ordnung und Frieden

im Lande herzustellen, und da wollte er weder einen

Reichskrieg mit Ungarn noch einen Landfriedens

bruch zwischen Böhmen und Österreich.

Leider blieb es nicht beim einfachen Abschlagen

der Forderung. Denn der Herzog, ein Hitzkopf, wie

er war, soll dem Kaiser die herbsten Worte ins Ge

sicht gesagt haben. Nachdem der Kaiser die unga

rische Krone, die er noch dazu mit seinem Heere zu

erobern sich erboten, und wozu er nichts als einiges

Geld zur Unterstützung verlangt habe, so kurzweg

abgewiesen habe, wolle er ihm überhaupt fürder

nicht mehr dienen.

zählen, der Kaiser habe sich in Neumarkt bemüht, einen Vergleich

zwischen Wenzel und Friedrich zustande zu bringen, was aber nicht

gegen unsere Annahme spricht, daß sich der Herzog Böhmen gegen

über bei dem geplanten Kriege in der Defensive halten wollte.

') Bachmann, Gesch. Böhmens, I, S. 501.

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60

»Dixit se nunquam ut antea serviturum«, heißt

es im Manifest. Das wäre nun nicht bloß eine grobe

Beleidigung der kaiserlichen Majestät, sondern, streng

genommen, eine förmliche Kündigung der Lehens

pflicht.

Allein wenn wir die übrigen Unwahrheiten und

Übertreibungen des Manifests in Erwägung ziehen,

so ist es möglich, daß der Herzog diese Worte über

haupt gar nicht gebraucht hat. Da die Unterhandlung

doch wahrscheinlich unter vier Augen stattfand, so

war es ja leicht, die Worte des Herzogs zu über

treiben und zu verdrehen. Daß der Erzürnte dem

Kaiser, der ihm all die Luftschlößer, die der Herzog

auf den Ungarkrieg aufgebaut haben mochte, mit

einem kalten Nein niederriß, in höchst ungeziemender

Weise seine Meinung gesagt haben mag, ist ja sehr

glaublich, umsomehr als er den Kaiser sofort ver

lassen zu haben scheint. Denn weder in Admont,

wohin der Kaiser über den Rottenmanner Tauern

weiterreiste, wird seine Gegenwart von dem Chroni

sten, der ausdrücklich vom feierlichen Empfange des

Kaisers schreibt, erwähnt '), noch auch findet sich

sein Name in den in Wels ausgestellten Urkunden 2).

Daß also eine Entfremdung zwischen Kaiser und

Herzog eingetreten war. ist sicher. Allerdings wollte

sie der Kaiser seinerseits noch nicht zeigen; es wäre

ja auch jetzt die ungelegenste Zeit dazu gewesen.

Er nennt den Herzog noch in Wels »dilectus prin-

ceps noster« 3), allerdings nur eine Phrase, die aber

doch zeigt, daß der Kaiser jene Gehorsamskündi

gung, falls sie der Herzog wirklich aussprach, nicht

in der strengen Wortbedeutung, sondern einfach als

Ausbruch des Zornes auffaßte4). Dasselbe folgt übri-

') Ccmt. Admunt. 1. c. p. 593.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2092 und 2093.

3) Urkundenbuch des Landes ob der Enns III, 30.

*) Huber, Gesch. (ist. I, S. 408.

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61

gens auch aus den Worten des Manifestes selbst, er

habe auch damals noch den Vorteil des Herzogs im

Auge behalten wollen.

Mehr dürfte den Kaiser geärgert haben, daß

der Herzog trotzig davon ging und sich wegen seiner

Worte in keiner Weise entschuldigte, am meisten,

daß er wirklich den verbotenen Krieg gegen die

Ungarn unternahm.

Dadurch schien er allerdings seine Worte, falls

er sie wirklich sprach, selbst im all erschlimmsten

Sinne auszulegen.

2. Der Mainzer Hoftag; und der Krieg gegen Ungarn.

Als der Kaiser Anfang Juni 1235 auf seinem

Zuge nach Deutschland bairischen Boden betrat, war

es das erste, den Herzog Ottoll. von Baiern zu versöh

nen. Es gelang überraschend schnell zu Regensburg 1).

Der Baierherzog konnte als Ersatz für den abspän-

stigen Herzog von Österreich gelten.

Aber es war noch viel im Reiche zu ordnen.

Heinrich hatte sich anfangs unschlüssig auf der Feste

Trifels eingeschlossen, bald aber schickte er nach

Nürnberg Gesandte, die in seinem Namen Unterwer

fung anboten (in der ersten Hälfte oder Mitte Juni) 2).

Um diese Zeit schrieb auch der Kaiser einen

feierlichen Hoftag nach Mainz aus3). Es gab viel zu

beraten und zu beschließen, selbst dann„noch, als sich

der König zu Wimpfen seinem Vater unterwarf (noch

im Juni 1235)*).

Der Mainzer Reichstag war seit April 1220 wieder

der erste, den der Kaiser in Deutschland hielt. Er

1) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2093 a.

2) L. c. Nr. 2098 und 2094 a.

3) Huillard-Iiieholles a. a. 0. IV, p. 945.

*) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2098 a.

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begann am 15. August *) und wurde wahrscheinlich

am 22. desselben Monats mit einem großen Reichs

feste geschlossen2).

Seit 1184 war ein so glänzender Reichstag nicht

abgehalten worden. Die Einmütigkeit, mit der sich

die Fürsten um den Kaiser scharten, zeigte noch

greller die Unbesonnenheit Heinrichs, als er sich

gegen seinen Vater empörte, zeigte aber auch die

Unklugheit eines zweiten Fürsten, der, obwohl geladen,

auch diesmal, auf sein Privileg sich steifend, kein Be

denken trug, dem mächtigen Kaiser zu trotzen. Dieser

Fürst war Friedrich von Österreich.

Der Mainzer Reichstag ist einer der aller wich

tigsten in der deutschen Geschichte. Zunächst wegen

des hier beschworenen allgemeinen Landfriedens, von

dem alle folgenden Landfrieden im wesentlichen nur

eine Wiederholung sind 3). Das Landfriedensgesetz

wurde auch in deutscher Sprache amtlich verkündet.

Das soll, wie meistens angenommen wird, hier zum

erstenmal geschehen sein. Böhmer Ficker4) scheint zu

widersprechen. Doch wird er auf das Wort »amtlich«

zu wenig Gewicht legen.

Mit dem Landfriedensgesetze war noch eine

Menge anderer verbunden, die zum Teil freilich mit

demselben zusammenhängen5).

Desgleichen wurde auf diesem Tage ein neues

Reichsamt geschaffen, das eines ständigen Hofrich

ters, justitiarius 6), eine wichtige und entwicklungs

fähige Neuerung. Bisher war das Reichshofgericht

vom König selbst oder von einem von Fall zu Fall

oder höchstens auf kürzere oder längere Zeit von

') L. c. Nr. 2099 c.

a) L. c. Nr. 2104a und Winkelmann, Friedrich IL, I, S. 489.

3) H. Brunner, Gruudzüge der deutschen Rechtsgesch. S. 93.

*) A. a. 0. Nr. 2099 c.

5) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2100.

6) L. c. Nr. 2100.

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63

dem ernannten Stellvertreter geleitet worden. Das

Amt des Justitiars stammt aus Sicilien.

Ferner wurde auf Mitte des kommenden April

ein allgemeiner Reichskrieg gegen die Lombarden

beschlossen und beschworen

Auch über die Nachfolge im Reiche scheint bereits

auf dem Mainzer Tage verhandelt worden zu sein 2).

Endlich wurden auf diesem Hoftage die Stadt

Braunschweig und die Burg Lüneburg mit Zubehör

zu Herzogtümern erhoben und an den Neffen Kaiser

Ottes IV., Otto von Lüneburg, mit Fahnen (cum ve-

xillis) als Weiberlehen übertragen 3).

Zu diesem wichtigen Reichstag waren bereits

Mitte oder doch Ende Juni4) die allgemeinen Ein

ladungsschreiben auch nach Österreich gegangen,

und ihnen folgten reitende Boten mit dem speziellen

Einladungsbrief an den Herzog.

Der Herzog ging nicht, Mainz ist nicht in Baiern.

Der Kaiser brandmarkte diese Weigerung, den Hof

tag zu besuchen, mit »contumacia«, worauf Reichs

acht stand. Allein das Wort ist nicht am Platze, denn

Friedrich war auf diesem Reichstage zu erscheinen

sicherlich nicht verpflichtet. Unklug war es allerdings,

daß er unter obwaltenden Umständen diesmal nicht

sein Privileg in der Truhe ließ, noch schlimmer,

daß er gerade zur selben Zeit, wo er zum Reichstag

eingeladen wurde, gegen des Kaisers Verbot Krieg

mit Ungarn begann und dadurch auch dem König

von Böhmen Veranlassung gab, — den Landfrieden

zu brechen, während man gerade die strengsten Ge

setze dagegen vorbereitete. Von diesem Landfriedens

bruch des böhmischen Königs zur Zeit des Mainzer

Hoftages weiß freilich das Manifest nichts. Er war

ja der Hauptkläger des Herzogs.

1) L. c. Nr. 2107.

2) Vgl. darüber das Nähere bei Böhmor-Fieker a. a. 0. Nr. 2099 c.

3) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2104.

*) L. c. Nr. 2098.

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64

Juritsch1) meint, daß der Herzog schon auf dem

Mainzer Hoftag wegen eingebrachter Klagen »zitierte

worden sei. Er beruft sich dabei auf den Wortlaut

des Manifests. Allein aus demselben können wir eine

Citation nicht heraus lesen. Der Kaiser sagt ausdrück

lich: »Convocavimus eum sicut ceteros prout ge-

neraltter et specialiter singuli prineipum fuerunt con-

vocati«. Der Ausdruck »contumaciter recusavit« ist

sicherlich nicht so genau zu nehmen. Übrigens war

zur Zeit der Einladung auch gar kein genügender

Grund zur Citation. Das Auftreten des Herzogs in

Neumarkt hatte ja der Kaiser gütigst »unberücksich

tigt« gelassen. Die Klagen des Baiern wegen der Be

setzung Formbachs im Jahre 1232 (wenn dieselbe

überhaupt stattfand) konnten doch auch nicht ge

nügen, zumal die Sache veraltet und Formbach längst

wieder in bairischen Händen war2). Sie konnten also

höchstens in Verbindung mit anderen Beschwerden vor

gebracht werden. Die im Manifest angeführten Klagen

des Böhmen werden sich vor allem auf den Friedens

bruch von 1235 beziehen, der aber zur Zeit der

generellen und speziellen Einladung (Juni und Juli)

noch gar nicht erfolgt ist. Zu alledem war Wenzel

damals noch mit dem Kaiser wegen der Erbansprüche

seiner Gemahlin auf Teile Schwabens 3) noch auf viel

zu gespanntem Fuße, als daß er seine Klagen vor

ihn gebracht hätte. Vor der Hand trug er seinen Un

mut gegen den Babenberger lieber auf der Spitze

des Schwertes in dessen Lande.*) Die Mutter des

') A. a. 0. S. 550; Ficker a. a. 0. S. 45 spricht bloß von einer

Einladung.

a) Vgl. Juritsch a. a. 0. S. 539.

3) Bachmann, Geschichte Böhmens I, S. 502.

*) Anmerkung. Wenzel ist natürlich nicht auf dem Mainzer

Tage, konnte ja auch wegen des Krieges gegen Österreich nicht kom

men, falls dieser vor dem 15. August noch nicht beendet war, und

sein Privileg kannte offenbar der Kaiser besser als das österreichische

von 1156, weil er es selbst gegeben.

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65

Herzogs wurde auch erst nach dem Friedensschlusse

vertrieben ; desgleichen trat, wie noch zu berichten

ist, die Grenzsperre erst im Oktober oder noch später

ein, jedenfalls nicht schon im Juni-Juli, da um diese

Zeit das Getreide sicherlich noch nicht gedroschen

war und der Wein kaum die Beeren anzusetzen be

gann. Auch die Klagen der Ministerialen werden um

diese Zeit noch nicht vor den Kaiser gekommen sein;

sie haben gegen den Herzog doch wahrscheinlich erst

aufzutreten gewagt, als der volle Bruch desselben

mit dem Kaiser schon so gut wie bevorstand. Der

Kaiser erwähnt sie erst nach dem Mainzer Tage, ge

rade so wie die Klagen der Reichsfürsten.

Der Herzog begann denn auch erst von dieser

Zeit an dem Kaiser berechtigten Grund zu klagen zu

geben und zwar in erster Reihe durch seinen Krieg

gegen Ungarn.

Juritsch ') meint nun, der Herzog habe sich

nicht nur gegen die Böhmen, sondern auch gegen

die Ungarn lediglich in der Defensive befunden : alte

Zwistigkeiten und die Kunde von dem Plane des

Friedrichs*) hätten den ungarischen und mit ihm den

böhmischen König bewogen, dem Herzog zuvorzu

kommen und in Österreich einzufallen. Bachmann2)

und A. Ficker 3) sagen das Gegenteil ; mit Recht. Denn

erstens versichert die Kölner Chronik 4), daß der An

griff von Friedrich ausging, und zweitens sagt das

Manifest ausdrücklich, Friedrich sei ohne Erlaubnis

und ohne Zustimmung des Kaisers feindselig und

unter Verwüstungen ins Land des ungarischen Kö-

') A. a. 0. S. 548 f.

2) Geschichte Böhmens I, S. 501.

») A. a. 0. S. 42.

*) Chron. reg. Colon., Mon. Germ. Ss. XVII, S. 844.

*) Anmerkung. Es war damals ein Bote mit einem Briefe der

Magnaten an Friedrich abgefangen worden. Auch konnten ja die

Rüstungen des Herzogs nicht verborgen bleiben, vielleicht nicht einmal

die Ereignisse bei der Neumarkter Zusammenkunft.

Prager Studien. XI 5

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66

nigs eingebrochen. In einem Falle, wo es sich doch

um offenkundige Dinge handelte — denn das konnte

man doch ziemlich leicht erfahren, ob der König

von Ungarn oder der Herzog von Österreich den

Krieg zuerst aufgenommen — können wir eine Ver

drehung im Manifeste nicht leicht annehmen. Selbst

eine strittige Urkunde, welche Friedrich unter dem

Datum »Juli 1236 in Globitz in Ungarn iuxta aquam . . .

Wag« ausstellte1), läßt sich auf diesen Einfall fixieren.

Hirn2), Huber3) nehmen nämlich das Jahr 1235 statt

1236 an, Ficker4) meint, die Urkunde sei erst 1236

ausgefertigt worden, während die beurkundete An

gelegenheit ins Jahr 1233 falle — etwas Ähnliches

müssen auch Hirn und Huber annehmen, da eine

Radierung in der Urkunde ausgeschlossen5) und eine

Verschreibung kaum denkbar ist. Meiller ü) setzt 1241,

also die Zeit der Mongolengefahr, an. Das Jahr 1236

wird deshalb von allen verworfen, weil der Herzog

in diesem Jahre weder als Feind noch als Freund

in Ungarn war. Ficker glaubt an das Jahr 1233 des

halb, weil Friedrich damals von Theben aus, das er

in diesem Jahre belagerte, einen Streifzug gegen Ober

ungarn unternehmen konnte7), nicht aber 1235, wo

sich die kriegerischen Ereignisse vielmehr auf dem

regnten Donauufer abspielten*). Indes scheint uns

') Über diese Urkunde vgl. Ficker a. a. 0., Beilage 2, S. 150 ff.

2) Kritische Gesch. Friedrichs, des letzten Babenbergers, Pro

gramm der k. k. Oberrealsch. in Salzburg, S. 45.

3) A. a. 0. I, S. 409, Anm. 3.

*) A. a. 0. S. 155 f.

<>) Ficker a. a. 0. S. 152.

8) A. a. 0. S. 168, Nr. 87.

7) Ficker a. a. 0. S. 155.

*) Anmerkung. Über den Ort Globitz vgl. den Excurs 2 bei

Ficker a. a. 0. S. 153. Er hält Globitz für Freistadtl, slav. Frystak,

dessen magyarischer Name Galgöcz ist; letzterem, meint Ficker, liegt

wahrscheinlich ein slovakisches Golgovic, Glogovic zu Grunde, was

der ursprüngliche Name des Städtchens gewesen sein mag, während

der jetzige slovakische. Frystak, erst aus dem deutschen „Freistadtl"

entstanden sein dürfte

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67

das keine so große Schwierigkeit zu bereiten. Es

hängt eben alles mit der Frage zusammen, ob Fried

rich in diesem Kriege in der Defensive oder ursprüng

lich in der Offensive war.

Zunächst sei bemerkt, daß wenigstens der Beginn

des Krieges in den Juli gefallen zu sein scheint; denn

das sagen ausdrücklich die Annales Erphordenses 1).

Dem widerspricht auch das Manifest nicht, wie Ficker

meint 2). Es heißt da, der Herzog habe, statt auf dem

Mainzer Reichstage zu erscheinen, den Kriegszug

unternommen ; der Reichstag fällt aber in die zweite

Hälfte (15.—22.) des Augusts. Allein wenn man die

Stelle im Zusammenhang betrachtet, so läßt sie sich

sehr wohl dahin verstehen, daß der Herzog zur Zeit

der Einladung auf den Reichstag und als er sich

hätte zum Zuge nach Mainz rüsten müssen, den

Krieg begann, nicht aber gerade zur Zeit des Reichs

tages selbst.

Was nun den Kriegsschauplatz betrifft, so scheint

es ganz leicht möglich zu sein, daß der Herzog im

Juli (denn wie hätte der kriegslustige Mann bis nach

Mitte August, also mehr als dritthalb Monate nach

der Neumarkter Zusammenkunft, mit seinem Angriff

warten können, zumal er doch vielleicht schon vor

der Zusammenkunft in Neumarkt die ersten Vorbe

reitungen getroffen hatte) auf der Straße über Preß

burg nördlich der Donau an der Spitze seines Vor

trabes bereits bis an die Waag vorgedrungen war

(wie er es ja nach Ficker3) 1233 auch gemacht haben

soll), dann aber auf die Nachricht vom Anmärsche

eines gewaltigen Ungarnheeres (es sollen 200.000 Mann

gewesen sein)4) und vielleicht auch vom Einfalle der

Böhmen noch rechtzeitig auf dem gleichen Wege zur

Verteidigung seines Landes zurückeilte, bei Preßburg

1) Mon. Germ. Ss. XVI, p. 30.

2) A. a. 0. S. 42, Anm. 3.

3) A. a. 0. 8. 155.

*) Cont. Sancruc. II. 1. c. p. 638.

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68

die Donau überschritt und in der Leithagegend sich

aufstellte, wo er dann auf die Ungarn nicht lange zu

warten brauchte.

Einen Angriff Friedrichs mögen auch die Melker

Annalen eher andeuten als abweisen: »Fridericus

dux Austria congregato exercitu contra regem Ungarie

fugam iniitc Das Gegenteil wird allerdings aus

den Annal. Si. Rudperti Salzsburg, hervorzugehen:

»Rex Ungarie cum multo exercitu fines Austrie in-

travit et ducem Austrie in fugam convertit«2 ) und

vor allem aus den Heiligkreuzer: »Andreas . . . in-

travit fines Austrie. Dux vero e contra veniens . . .

fugam iniit« 3).

Es ist ja wahr, das Schweigen besonders der

Heiligkreuzer Annalen von einem Angriffe Friedrichs

ist nicht zu unterschätzen. Andererseits wäre es aber

auch erklärlich, daß gerade die einheimischen Chro

niken über dem Schrecken, den das gewaltign Un

garnheer an die österreichischen Grenzen und bis

nach Wien trug, und über der schmählichen Flucht

der herzoglichen Ministerialen ganz auf die kleine

Expedition Friedrichs zu Beginn des Krieges ver

gaßen. So bündig sind jedenfalls jene Stellen nicht,

daß sie einen Angriff Friedrichs geradezu ausschließen,

und wir werden gut tun, an dem Berichte des Ma-

nifests diesmal festzuhalten. Entscheiden läßt sich

die Sache natürlich mit Sicherheit nicht.

Es hängt auch nicht soviel davon ab; denn

jedenfalls hat Friedrich den Angriff vorgehabt und

mit aller Macht gerüstet: brachte er doch ein Heer

von 30000 Mann zusammen l).

Damit ließ sich aber der Herzog in ein Unter

nehmen ein, das ihm nicht erlaubt war, wie überhaupt

keinem Reichsfürsten. Allerdings nahmen sich die

») A. a. 0. p. 508.

a) A. a. 0. p. 786.

3) A. a. O. p. 638.

4) Cont. Sancr. II. 1. c. p. 638.

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'69

Fürsten oft genug dieses Recht; 1323 hatte es auch

Otto II. von Baiern Österreich gegenüber getan, was

noch dazu Landfriedensbruch bedeutete.

Allerdings bandelte der Babenberger gegen das

ausdrückliche Verbot des Kaisers, und das ist ein

sehr erschwerendes Moment. Außerdem war die Folge

des Krieges gewesen, daß auch die Reichsehre ver

letzt wurde; denn der König von Ungarn hatte

die Reichsgrenze ungestraft überschritten und einer

der mächtigsten Reichsfürsten hatte von ihm um

vieles Geld den Frieden erkaufen müssen l).

Wenn so Friedrich durch seinen Krieg den ge

rechten Zorn des Kaisers erregt hatte, so mußte er

bald auch zur Überzeugung gelangen, daß er sich

über die zerfahrenen Zustände in Ungarn doch be

deutend getäuscht habe. Denn wie es oft in der

Geschichte zu beobachten ist, stehen kleinere ge

schlossene Völker wie die Ungarn, mögen sie im Innern

noch so sehr in Parteien zerrissen sein, gegen das

Ausland 3tets geeint da. Wahrscheinlich wollte nicht

einmal jene Magnatenpartei, welche früher mit dem

Herzoge verhandelt hatte, jetzt von ihm etwas wissen,

da sie ja nicht ihm, sondern dem Kaiser die Krone

angeboten, dieser aber die ganze Sache entschieden

von sich wies. So mochte es geschehen, daß die un

garischen Könige nach Angabe der Heiligkreuzer

Quelle 2), die doch sicherlich weder aus Liebe zum

Herzog noch aus Schonung gegen die Ministerialen

die Zahl der Feinde gar zu stark übertrieb, ein Heer

von 200.000 Mann gegen Friedrich führen konnten.

Noch eine andere Wahrnehmung mußte der

Herzog machen. Er hatte den Ministerialenaufstand

im Jahre 1231 recht rasch niedergeworfen und seitdem

wohl nicht geglaubt, daß die Gährung unter seinen

Dienstmannen noch immer so gewaltig sei. Nun

mußte er in den Leithagegenden erleben, wie sein

l) Cont. Sancr. 1. c.

») L. c.

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70

30.000 Mann zählendes Heer vor dem ungarischen

Vortrabe, der kaum 300 Mann betragen haben soll,

schmählich davon lief. Sie rissen sogar den streitbaren

Herzog in die allgemeine Flucht mit fort, was doch

gewiß nicht geschehen wäre, wenn er sich nicht gänz

lich verlassen gesehen hätte 1).

Das ist nur durch einen allgemeinen Abfall der

Ministerialen zu erklären2), die, aus verschiedenen

Gründen, die weiter unten zu behandeln sein wer

den, neuerdings gegen den Herzog erbittert waren. Viel

leicht wollten sie jetzt wegen des leichtsinnigen Kriegs

unternehmens die Gelegenheit, da nötigenfalls der

Kaiser auf ihrer Seite stand, benützen, dem Herzoge

ihre Meinung durch die Tat recht gründlich zu

erweisen.

Man kann die Flucht nicht etwa durch was

immer für falsche Nachrichten und durch blinden

Lärm erklären, denn die Heiligkreuzer Annalen,

welche die Schmach eigens hervorheben, hätten das

doch sicherlich gesagt. Daß sie dem Herzoge ab

sichtlich einen unverdienten Flecken anhängen würden,

darf man trotz ihrer Abneigung gegen den Herzog

und wohl auch gegen die Ministerialen doch nicht an

nehmen. Es war ein Vorspiel zu 1236.

So hatte denn die Zusammenkunft in Neumarkt

für Friedrich recht schlimme Folgen. Der Kaiser war

beleidigt, er selbst schmählich besiegt, sein Land von

den Ungarn und Böhmen verwüstet. Das waren aller

dings für den stolzen Mann unerträgliche Dinge.

Ob aber Friedrich sogleich an einen Rachezug

denken konnte und deshalb nach dem Friedens

schlusse Geld und Lebensmittel zusammenraffte, wird

von uns sofort zu untersuchen sein.

') Contiu. Sanc. 1. c.

2) Vgl. Juritech a. a. 0. S. 549.

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71

3. Die Grenzsperre.

Das Manifest klagt den Herzog auch der Ge

fährdung des Landfriedens an. Er habe die Rechte

und Einkünfte an sich gerissen, welche der König

von Böhmen, der Erzbischof von Salzburg, die Bi

schöfe von Bamberg, Passau, Regensburg, Freising,

der Herzog von Baiern und der Markgraf von Mähren

in den Herzogtümern Österreich und Steier besäßen.

Hätten die Beschädigten nicht an sich gehalten und

nicht die Streitsache aus Liebe zum Landfrieden vor

den Kaiser gebracht, indem sie oftmals durch Boten

und Briefe Klage führten, so hätten sie sich alle auf

den Herzog gestürzt, und es wäre ein gewaltiger

Krieg im Reiche entstanden.

Aus dem Zusammenhange geht zunächst hervor,

daß diese Eingriffe des Herzogs in die Rechte und

Einkünfte seiner Nachbarn, die ihnen in Österreich

und Steier zustanden, nach dem Mitte 1235 gegen die

Ungarn unternommenen Kriege erfolgten.

Denn wenn der Kaiser, nachdem er den Herzog

wegen Fernbleibens vom Mainzer Reichstage und

wegen des Krieges gegen die Ungarn angeklagt,

nunmehr mit einem »interim... non dubitavit of-

fendere« die Klagen der Reichsfürsten einführt, so

ist gar kein Grund, warum wir einer solchen Be

merkung des Manifests keinen Glauben beimessen

sollten.

Möglich, daß die Grenzsperre bereits vor dem

22. August, also dem Schlusse des Mainzer Reichstages,

angeordnet wurde; denn das erste Getreide kann

ja um diese Zeit immerhin schon gedroschen und

zur Ausfuhr fertig gestellt gewesen sein, besonders

wenn der Erzbischof von Salzburg, dessen Land

infolge harten Winters und großer Frühjahrsüber-

schwemmungen auch 1235 wieder eine schlechte Ernte

gehabt hat, wie es schon das Jahr vorher der Fall

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72

gewesen war*), die Sendung ungewöhnlich früh ur-

gierte. Ähnlich kann es übrigens auch in den bai-

rischen Bistümern gewesen sein.

So würde das »interim« des kaiserlichen Mani-

fests im strengen Sinne aufgefaßt werden können.

Jedenfalls wird auch durch das Manifest selbst

unsere frühere Ausführung und unsere gegen Juritsch

aufgestellte Behauptung 1) bestätigt, daß der Herzog

zum Mainzer Reichstag noch nicht »citiert« wurde.

Daß der Herzog tatsächlich eine Grenzsperre

gegen die westlichen Nachbarländer anordnete, mel

den (zunächst für Salzburg) die Annales S. Rudperti

Salisb. : »Dux Austrie consilio Judaeorum terram

Austrie clausit nec per terram vel aquam annonam

in partes superiores ire permisit«. Der Salzburger

Erzbischof habe daher Getreide aus Schwaben und

Wein aus Italien und Frankreich bezogen 8).

Wenn wir diese Stelle mit der Behauptung des

Manifests zusammenhalten, der Herzog habe den

oben erwähnten Fürsten und Bischöfen ihre Rechte

und Einkünfte aus den beiden Herzogtümern vor

enthalten, so sehen wir, daß der Herzog vor allem

*) Anmerkung. Von dem harten Winter 1234—35 meldet die

Cont. Sancr. II., 1. c., p. 638. Die folgende Donauüberschwemmung beim

Eisgang habe weit und breit Äcker und Weingärten ruiniert und alles

mit solchen Unmassen Eis bedeckt, daß dasselbe bis weit ins Jahr

hinein nicht geschmolzen sei. Ähnliches wird wohl auch im ^alzbur-

gischen eingetreten sein und so die Ernte von 1235 geschädigt haben.

Daß aber auch das Jahr vorher große Mißernte war, muß daraus ge

schlossen werden, daß die Annales S. Rudperti Salisb. 1. e. p. 786

berichten, Kaiser Friedrich II. sei zur Zeit großer Hungersnot von

Italien nach Deutschland gezogen. Das geschah aber im Mai; mithin

muß diese Hungersnot Folge einer Mißernte im vorausgehenden

Jahre gewesen sein. Eine Verschiebung der Tatsachen ist nicht an

zunehmen, weil die Annalen sich an dieser Stelle sehr gut unterrichtet

zeigen und ausführlich über Kaiser und König, sowie über die Reichs

tage von Mainz und Augsburg berichten.

') Siehe oben S. 63 f.

a) L. c. p. 786.

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73

kein Getreide und keinen Wein ans den innerhalb

seiner Herzogtümern gelegenen Besitzungen aus

wärtiger Herren über die Grenzen seiner Länder ließ,

auch nicht die zumeist in Naturalabgaben bestehenden

Leistungen und Zinse der Grunduntertanen jener

Herren, daß er auch kein Getreide (und keinen Wein)

aus Ungarn hindurchließ; denn sonst hätte nicht die

ganze »civitas Salzpurch et tota provincia

ipsius« 1) Getreide aus Schwaben beziehen müssen.

Durch letztere Maßregel wird sich der Herzog sicher

lich auch an den Ungarn haben rächen wollen. Inte

ressant ist, daß schon damals Ungarn auch für nicht

angrenzende Länder wie Salzburg die Kornkam

mer war.

Ob wir unter den »iura« der klagenden Reichs-

fürsten auch andere Rechte als etwa die Abgaben

der Grundhörigen zu verstehen haben, darunter vor

allem die Ausübung der Gerichtsbarkeit und den Ge

nuß der Gerichtsgefälle, Freiheit von den Landes

steuern u. s. w., wissen wir nicht. Unmöglich ist es

nicht. Was Österreich speciell betrifft, so hatten da

mals die Hochstifter längst die Blutsgerichtsbarkeit

für ihre Besitzungen; allein sie wurde ihnen von

den Herzogen stets bestritten, bis sie Freising 1 189 2),

Passau 1215 3) zuerkannt erhielt.

Nun wäre es ja sehr leicht denkbar, daß der

Herzog im Streben, seine Landeshoheit auszudehnen

und alle exempten Gebiete von der Bildfläche seiner

Herzogthümer zu verdrängen, die alten Streitigkeiten

wieder aufnahm und die Anerkennung der Immuni

täten ignorierte. Die Bestimmung des Privilegium

minus: »Statuimus quoque, ut nulla magna vel parva

persona in eiusdem ducatus regimine sine ducis

consensu vel permissione aliquam iustitiam praesu-

mat exercere«, war ja geeignet zu falschen Ausle-

') L. c.

2) Meiller a. a. 0. S. 66, Nr. 43.

s) L. c. S. 115, Nr. 122.

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gungen, obwohl sie nur bedeutet, daß künftighin

ohne Zustimmung des Herzogs die in Österreich beste

henden Immunitäten nicht erweitert und neue nicht

geschaffen werden dürfen ').

Daß die Streitigkeiten unter den Habsburgern

tatsächlich wieder ausbrachen, ist ja bekannt2). Eben

so mochten zu einer Zeit, wo nicht bloß die geist

lichen Fürsten ihre Landeshoheit ausbildeten sondern

auch die weltlichen, die letzteren mit den ersteren

oft in ihren Bestrebungen hart zusammenstoßen.

Auch daß die auswärtigen Bistümer in Österreich

für ihre zerstreuten Besitzungen zur vollen Landes

hoheit nicht gelangten, ist bekannt 3).

So wird sich wahrscheinlich unter dem Wörtchen

»iura«, weil es im Manifest eigens hervorgehoben

wird, noch mancherlei verbergen. Aber es läßt

sich im einzelnen nicht mehr festzustellen. Wir werden

daher unsere Ausführungen auf die Grenzsperre be

schränken müssen.

Nachdem der Beginn derselben auf frühestens

Ende August fixiert werden konnte, bleibt noch die

Hauptfrage zu beantworten, warum sie der Herzog

angeordnet habe.

Ficker*) sagt, der Herzog habe nach dem ver

unglückten Kriege gegen Ungarn sofort daran ge

dacht, sich die nötigen Geldmittel zu einer Wieder

aufnahme des Kampfes zu verschaffen; deshalb habe

er eine außerordentliche Grundsteuer von bedeuten

der Höhe eingetrieben, die Klöster überfallen und

alle dort aufgehäuften Schätze geraubt, auch seiner

Mutter ihr Privatvermögen genommen. Um den

Unterhalt seiner Truppen möglichst wohlfeil bestrei

ten zu können, habe er eine Grenzsperre gegen

') Luschin, Öster. Reichsgeschichte, S. 153.

2) Bachmann, Reichsgeschichte, S. 60.

3) L. c.

*) A. a. 0. S. U.

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75

Baiern und Salzburg angeordnet, zunächst für un

garisches Getreide*).

Wenn wir die schmähliche Flucht der 30.000

Österreicher vor den 300 Ungarn für einen Abfall

der Ministerialen vom Herzog ansehen wollen — und

das werden wir müssen — so läßt sich keineswegs

glauben, daß Friedrich angesichts dieser Zustände

gleich an einen Rachekrieg dachte. Zu dem hat er

ja auch tatsächlich nichts unternommen. Wir werden

daher die Grenzsperre mit etwas anderem in Ver

bindung bringen müssen. Von Gelderpressungen wird

übrigens in den Quellen nirgends etwas berichtet,

denn die Klösterplünderung und die enorme Grund

steuer fallen ganz gewiß ins Jahr 1236, und zwar in

die Zeit nach der Ächtung des Babenbergers. Damals

wollte er sich Mittel zum Kriege gegen die Voll

strecker der Acht verschaffen.

Die Heiligkreuzer Annalen1), die zuverlässigste

Quelle für diese Zeit2), erwähnen Klosterplünderung

und Grundsteuer erst, nachdem sie ausführlich von der

Ächtung Friedrichs gesprochen (ad annum 1236).

Die Cont. praedicat. Vindob. 3) erzählt zum Jahre

1237 davon, aber in einem Zusammenhange, daß man

daraus gegen 1236 nichts folgern könnte, wenn 1237

nicht ohnehin ausgeschlossen wäre

Übrigens folgen Huber4) und Juritsch5) Ficker

nicht. Es liegt hier wohl der einzige auffallende Ver

stoß in der sont so scharfsinnig geschriebenen Mono-

*) Anmerkung. Wenn Juritsch (a. a 0. S. 550) nur von der

„Durchfuhr von Getreide und Wein" spricht, so ignoriert er das Ma

nifest, das doch ausdrücklich auch die Vorenthaltung von „Einkünften

und Rechten" anführt; hierin werden wir dem Manifeste doch nicht

widersprechen können. Über den Zweck, den der Herzog bei der

Grenzsperre verfolgte, spricht sich Juritsch nicht aus.

') Cont. Sancr. II., 1. c, p. 638.

2) Huber, Gesch. Österr. 1, S. 411, Anm.

3) L. c. p. 727.

*) A. a. O. I, S. 412.

5) A. a. 0. S. 557.

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graphie des genannten Historikers. Wahrscheinlich

ist er auch gerade durch die kolossalen Geldsamm

lungen des Herzogs verführt worden, an den Plan

eines Rachekrieges zu denken.

Auch von einem Raube des PrivatVermögens

der Herzogin-Mutter erzählen die Heiligkreuzer An-

nalen 1) nichts, sondern daß sie »an allem Mangel«

gelitten habe (».... propter penuriam rerum, quam

patiebatur*). Das würde zunächst eine Entziehung

ihrer Naturaleinkünfte besagen, obwohl wir nicht

leugnen, daß ihr der Herzog auch Geld und Kostbar

keiten weggenommen haben wird.

Es fällt also hier hauptsächlich das Begehren des

Herzogs nach Getreide und Wein in die Wagschale.

Dafür finden wir nun eine ganz andere Ursache als

einen Rachekrieg.

Die Oont. Sancr. II. 2) meldet nämlich zum Früh

jahr 1235, wie schon oben erwähnt, daß infolge rie

siger winterlicher Eis- und Schneemassen eine große

Donauüberschwemmung eintrat, die gewaltigen

Schaden anrichtete. Darauf sei, fügen die Lambacher

Annalen3) hinzu*), eine große Hungersnot gefolgt.

Die Hungersnot, die wir oben schon in Salzburg ge

funden haben4), hat sich also auch über Österreich

erstreckt; auch hier wird daher schon für 1234 eine

Mißernte anzunehmen sein.

Weiter erzählt die Cont. Sancr. II. 5) zum Jahre

1235, daß zur selben Zeit, als König Wenzel von

Böhmen bereits bis Stadlau vorgedrungen war und

') L. c. p. 638.

a) L. c.

3) L. c. p. 558.

4) Oben S. 72. Anm.

5) L. c.

*) Anmerkung. Die Lambacher Annalen erzählen alles zum

Jahre 1234 und zwar so, daß man es auch auf das Frühjahr 1234 be

ziehen könnte; doch ist die Stelle nicht klar genug, während die

Heiligkreuzer vollkommen sicher berichten.

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dort sich aufhielt, fast durch drei Tage und Nächte

über ganz Österreich und Ungarn eine so

gewaltige Regenflut vom Himmel niederstürzte, daß

man ähnliches Jahre lang nicht mehr gesehen oder

gehört hatte. Dem sei eine zweite Überschwemmung

gefolgt, — die sich bei dem großen Landregen

nicht bloß auf das nächstliegende Donau gebiet er

streckt haben wird.

Dazu kommen noch die Verwüstungen der

Böhmen bis an die Donau und jene der Ungarn von

der Leitha bis in die Nähe von Wien ').

Wenn nun bereits 1234 Mißernte und infolge

dessen gegen Ende der ersten Hälfte von 1235 Hun

gersnot war, dann muß das Elend in Österreich

unmittelbar nach dem Kriege gegen Ungarn und

Böhmen infolge der neuen Mißernte und der Ver

wüstungen schrecklich gewesen sein. Auch 1235 wurde

die Ernte arg geschädigt; dies folgt daraus, daß die

Verwüstungen und jene Wolkenbrüche gerade in die

Erntezeit fielen (Ende Juli, Anfang August). Auch

die Weinberge werden sicherlich Schaden gelitten

haben.

Da mag nun der Herzog mit Grimm gesehen

haben, wie die auswärtigen Fürsten aus ihien Be

sitzungen in seinen Herzogtümern das teure Ge

treide und den dieses Jahr so mißratenen Wein

noch ins Ausland führen wollten. Ohnehin auf die

immunierten Gebiete ausländischer Herren in Öster

reich und Steier nicht wohl zu sprechen, wird der zur

Gewalttat ja so sehr geneigte Mann ohne weiteres

jede Ausfuhr verboten und so entweder die Bischöfe

gezwungen haben, ihr Getreide und ihren Wein zu

billigen Preisen im Inland zu verkaufen oder wohl

gar die Abgaben einfach in seine Scheuern haben

bringen lassen. Auch Ungarn gegenüber mochten ihn

ähnliche Absichten leiten, sei es Rachsucht, sei es

der Plan, die Ungarn zu zwingen, ihr Getivide in

seinen Ländern billig abzusetzen.

») Cont. Sancr. II. L c.

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78

Gewiß waren es radikale Mittel, die der Landes

vater anwandte, um seinen Untertanen zu helfen;

er tat es, ohne sich um Recht und Gerechtigkeit

dabei zu kümmern. Unsere Ansicht, daß der Herzog

nicht wegen erneuter Kriegsrüstungen, sondern wegen

der Hungersnot die Grenzsperre angeordnet habe,

wird noch mehr durch die Beobachtung gestützt,

daß fast alle Besitzungen der ausländischen Hoch

stifter in den Vierteln am Wiener Wald oder in der

Steiermark lagen, also von den Heimsuchungen der

Kriegsfurie fast sämtlich verschont und auch von

den Elementarereignissen, weil von der Donau weit

entfernt, jedenfalls bedeutend weniger mitgenommen

waren, so daß ihre Ernte auch in den teuren Jahren

eine verhältnismäßig gute gewesen sein mag.

So liegen die Besitzungen der Salzburger Hoch

kirche fast sämtlich in Steiermark, um Gröbming,

Landsberg, Leibnitz, Pettau '). In Österreich besaß

sie einen Gutskomplex um Traismaur und dies liegt

südlich der Donau.

Bamberg besaß Rottenmann in Steiermark,

Passau große Gebiete südlich von der Donau um St.

Pölten, nördlich in der Wachau und zwischen Ranna

(mündet oberhalb Engelhartszell) und Mühel. Auch

wenn die Erntevorräte in der Wachau den Böhmen

anheimgefallen sein werden, so war dies doch kaum

bei den Gütern in Oberösterreich der Fall, da sie zu

weit westlich lagen.

Freising hatte südlich von der Donau weite

Besitzungen um Waidhofen a. d. Ipps, außerdem

in Steiermark große Güter im Wölzerthal und nicht

weit davon um St. Peter am Kammersberge. Von

seinen Besitzungen wurde wol nur Gr. Enzersdorf

auf dem Marchfelde verwüstet2).

') Meiller a. a. 0. S. 130, Nr. 177.

2) Über die Besitzungen der Hochstifter in Österreich vgl/ Bach

mann, Reichsgeach., S. 41 und 48, sowie Weruusky, Öst. Keichs- und

Rechtsgesch. S. 29.

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79

Es wäre interessant zu konstatieren, ob etwa

auch die Güter der Herzogin-Mutter in Steiermark

oder in den Vierteln um den Wiener Wald lagen ;

denn dann könnten wir vielleicht auch den Zwist

mit ihr, der ja gleichzeitig mit der Grenzsperre eintrat,

und die Entziehung ihres Naturaleinkommens mit

der Hungersnot in Verbindung bringen.

Es sei die Untersuchung gewagt auch auf die

Gefahr hin, zu kühne Konjekturen zu machen.

Nach einer undatierten Urkunde, welche im Ar

chiv zu Rein noch aufbewahrt wird und nach Meiller

ins Jahr 1229 gehören dürfte, schenkte Theodora

1229 (?) dem Kloster Rein das ihr zustehende

Bergrecht auf 6 Weinberge beim Dorfe Algersdorf1).

Sie hatte also um Algersdorf Besitzungen, die sicher

lich nicht bloß aus 6 Weinbergen bestanden, zumal

in einer früheren Urkunde ausdrücklich von einem

»praedium ad Algersdorf situm« gesprochen wird-).

Dieses Algersdorf ist wohl das noch heute existie

rende Dorf gleichen Namens westlich von Graz 3).

Hier »ad Algersdorf. .. i n marchia illius« lagen

in der Tat Güter, welche 1161 von Herzog Ottokar

von Steiermark gegen andere Güter vom Kloster

Göttweig eingetauscht wurden4). Diese Güter um

Algersdorf kamen später in den Eigenbesitz der

Babenberger und werden der Herzogin Theodora als

Witwengut oder unter einem anderen Titel gegeben

worden sein. Mithin lag wenigstens ein Teil der

Güter Theodoras in Steiermark.

Nun wissen wir zwar nicht, warum Meiller die

oben genannte Urkunde ins Jahr 1229 setzen will;

er gibt für seine Konjektur keinen Grund an. Sollte

er aber keine anderen Gründe dafür haben, als daß

es in der Urkunde heißt »Theodora divina misera-

2) Meiller a. a. 0. S. 270, Anui. 495.

3) L. c. S. 44, Nr. 54.

4) L. c. S. 228, Anm. 225.

ö) L. c. S. 44, Nr. 54.

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tione ducissa Austrie et Stirie«, und daß die Urkunde

mit einem Siegel versehen ist, welches die Umschrift

trägt: »Theodora Dei gratia ducissa Austrie et Stirie«

und die Herzogin auf einem Thronsessel sitzend zeigt,

rechts die Figur eines Adlers, links die eines Panthers '),

so scheint uns daraus doch noch nicht hervorzugehen,

daß die Urkunde vor dem Tode Leopold VI. aus

gestellt sein müsse. Warum soll sie nicht auch als

Witwe Titel und Siegel beibehalten haben ? So nennt

sich Irene, die Gemahlin Philipps von Schwaben, auch

nach dessen Ermordung noch »Maria Dei gratia Ro-

manorum regina augusta« 2) Maria von Brabant,

zweite Gemahlin Kaiser Ottos IV., behält auch nach

dessen Tode das Siegel mit der Umschrift: »Maria

Dei gratia Romanor. imperatrix semp. augusta« bei3).

Am 17. März 1259 ist Elisabeth von Braunschweig,

Witwe König Wilhelms, Zeugin und Mitbesieglerin

einer Urkunde, und zwar siegelt sie mit dem Thron

siegel, auf dem sie »dei gracia (Romanorum regin)a

Semper augusta« heißt4).

So scheint es uns nicht ausgeschlossen zu sein,

daß die Schenkungsurkunde Theodoras vielmehr

ins Jahr 1235 gehört, ja daß vielleicht gerade

wegen dieser Schenkung der Weinberge aus baben

bergischem Allod in diesem Jahre schlechter Ernte

und bedeutenden finanziellen Schadens infolge des

teuren Friedens der Zwist zwischen dem Herzog

und seiner Mutter den Anfang nahm.

Wir werden in dieser Annahme dadurch be

stärkt, daß der Herzog die Schenkung seiner Mutter

erst i. J. 1246, Jan. 8., also nach der vollständigen Aus

söhnung mit ihr, bestätigte5). Sie scheint also jene

') Meiller, a. a. 0. S. 270, Anm. 495.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 5530.

3) L. c. Nr. 5531.

4) L. c. Nr. 5619. Das Tronsiegel findet sich abgebildet bei

Kluit, Historia Hollandiae II, S. 742.

5) Meiller a. a. 0. S. 182, Jsr. 151.

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Güter bloß zu unveräußerlichem, lebenslänglichem

Nutzgenuße inne gehabt zu haben, wie es ja bei Wit

wengut häufig der Fall war '). Da nun vor dem

Jahre 1235 nichts von einer Spannung zwischen Frie

drich und seiner Mutter verlautet, sie im Gegenteil

im Mai 1234 noch in vollster Übereinstimmung zu

Stadlau die Hochzeit der Schwester, bezw. Tochter

mit dem Markgrafen von Meißen feiern 2), so wäre es

unverständlich, daß der Herzog von 1229—1246 ihr

die Bestätiegung ihrer Schenkung verweigerte, sehr

verständlich aber, wenn die Schenkung erst in das

Jahr 1235 fällt. Aus Habsucht allein hätte der Herzog

gewiß auch nicht seiner Mutter die Bestätigung ver

sagt, da er ja selbst mehrmals an Klöster Güter

verschenkt 3).

Der Zwist mag sich nun soweit gesteigert haben,

daß der Herzog 1235 nicht bloß die Güterschenkung

nicht bestätigte, sondern der Mutter auch die übrigen

Naturaleinkünfte einzog, vielleicht mit der Bemerkung,

daß sie diese wohl auch nicht brauchen werde, wenn

sie in diesem Mißjahr noch Überfluß zum Verschen

ken habe.

Außer den genannten Bischöfen soll weiters

der Herzog dem Könige von Böhmen, dem Herzoge

von Baiern und dem Markgrafen von Mähren ihre

Rechte und Einkünfte, die sie in den Herzogtümern

besaßen, vorenthalten haben.

Was den König von Böhmen betrifft, so könnten

wir annehmen, daß der Herzog im Spätsommer 1235

von ihm den Abzug mit etwaigen Einkünften aus

Österreich erkaufte oder ihm Ortschaften an der

') Schroeder, Lehrbuch der deutschen Reichsgesch., S. 315 ff.,

729. Siegel, Deutsche Rechtsg., S. 424, 413. Schulte, Lehrbuch der

deutschen Reichs- und Rechtsg., S. 509 f. Brunner, Grundriß der d.

Rechtsg. S. 197.

2) Cont. Sancr. II. 1. c., p. 637.

3) Z. B. Meiller a. a. 0. S. 149 Nr. 7, S. 150 Nr. 11, S. 152

Nr. 19, S. 156 Nr. 35.

Prager Studien. XI. 6

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82

Grenze verpfändete, jetzt aber aus diesen Pfand

schaften ebenfalls nichts über die Grenze ließ l).

Allerdings verlautet in den Chroniken von einem

Friedensschlusse mit Böhmen nichts, während der

mit Ungarn ausdrücklich erwähnt wird2) ; aber das

wird nicht viel zu bedeuten haben.

Ähnlicher Natur waren vielleicht »Einkünfte und

Rechte« des Markgrafen von Mähren in Österreich,

wenn er nicht etwa gar nur deshalb genannt ist, um

die Zahl der klagenden Fürsten um einen zu ver

mehren.

Pfemysl von Mähren (1227 -1239) war als Ge

mahl Margaretens von Meran und Schwager des Ba

benbergers diesem nicht immer so spinnefeind ge

wesen wie sein Bruder, der König von Böhmen. Im

Sommer 1233 war er sogar mit Herzog Friedrich

gegen den Böhmenkönig verbündet*). Als damals der

Herzog schwer erkrankte und abziehen mußte, gab

er das eroberte Vöttau in Pfemysls Hand3). 1235 dürfe

dieser allerdings seinem Bruder in Österreich tapfer

sengen und brennen geholfen haben.

') Vgl. Bachmann, Gesch. Böhmens, S. 503.

2) Cont. Sancr. II., 1. c , p. 638.

3) Bachmann, Gesch. Böhmens, S. 499 f.

*) Anmerkung. Ob die ganze große Allianz, welche Herzog

Friedrich nach Pulkawa im Jahre 1233 gegen Böhmen zustande ge

bracht haben soll, auf Wahrheit beruht, ist sehr fraglich, da die gleich

zeitigen Quellen von diesem Bündnisse nichts berichten und Pulkawa,

auch sonst ziemlich unzuverlässig, erst im folgenden Jahrhundert schrieb

Was Ficker zur Verteidigung Pulkawas hinsichtlich dieser seiner An

gabe bringt, daß nämlich Friedrich ohne Verbündete 40.000 Mann

kaum habe stellen können, beweist nichts. Denn wenn man bedenkt,

daß der Herzog zwei Jahre später gegen die Ungarn 30.000 Streiter

ins Feld führte, so braucht man für 1233 nicht einmal den Markgr.

v. Mähren (aus diesem Grunde) als Verbündeten, weil die Angabe

der Oontin. Lambac. auf einer kleinen Übertreibung beruhen kann.

Wenn wir dann noch einige Tausend mährische Streiter zum öster

reichischen Heere stoßen lassen, so werden die 40.000 Mann von 1233

nicht so unglaublich sein; denn 1235 hatte er sicherlich keinen Bun

desgenossen.

Page 96: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

83

Auch der Herzog Otto II. von Baiern soll in

den Herzogtümern »Einkünfte und Rechte« gehabt

haben.

Allerdings verlieh Otto III. im Jahre 998 an

Herzog Heinrich v. Baiern (den späteren Kaiser) ein

»predium Nochilinga nuncupatum in pago quoque

Osterriche vocitato ac comitatu Heinrici marchionis

et inter fluviis Ispera et Sabinicha nominatis situm« 1).

Es ist das Nöchling im V. O. M. B.2) Dieses Gut be

findet sich aber 1160 im Besitze eines Grafen Fried

rich von Stephaning 3), dem es also zu Lehen oder

Eigen gegeben worden war. Andere Güter scheinen

die bairischen Herzoge nie in Österreich gehabt zu

haben.

Wenn sich Friedrich jemals Eingriffe in bai-

rische »Einkünfte und Rechte« erlaubte, so geschah

dies auf bairischem Gebiete, nicht innerhalb Öster

reichs.

Der späte Aventin (Thurnmayer v. Abensberg

f 1534) berichtet nämlich als einzige Quelle, Agnes

von Meran habe 1229 dem künftigen Herzog von

Österreich unter anderen die beiden meranischen

Städte Schärding und Neuburg als Mitgift einge

bracht. Ersteres sei noch unter Leopold VI. in vollem

Einverständnis mit dem Herzog von Baiern befestigt

worden. September 1232 habe aber Friedrich in der

Absicht, seine Herrschaft zu erweitern, durch einen

gewissen Muringer von Wesen (dessen Existenz

wir aber anderweitig nicht belegen können) plötzlich

das nahe Kloster Formbach besetzen, die Mönche

vertreiben und das Gebäude befestigen lassen. Das

soll auch der Grund gewesen sein, warum der Baiem-

herzog 1233 in Österreich einbrach4).

Wir werden also am Schlusse unserer Unter

suchungen sagen dürfen, daß die auswärtigen Bis-

') Meiller a. a. 0. S. 3, Nr. 3.

ä) L. c. S. 192, Anm. 10.

3) L. c.

4) Annales Bojorum VII. p. 668.

Page 97: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

84

tümer sicherlich in gewalttätiger, wenn auch nicht

übermütiger Weise geschädigt wurden; denn das

Elend in Österreich im Jahre 1235 bietet für die

Vorenthaltung der Einkünfte jener Hochstifter zwar

keinen Rechtfertigungsgrund, wohl aber eine Er

klärung und bis zu einem gewissen Grade eine Ent

schuldigung.

Auch der Böhmenkönig mag in irgend einer

Form geschädigt worden sein, wenn nicht überhaupt

das Manifest seine Klage auf die unbewiesenen und

unberechtigten Klagen des Böhmen gründet Zwei

felhafter ist die Berechtigung der Anklage des Ma-

nifests, was den Markgrafen von Mähren betrifft.

Der Herzog von Baiern ist, wenn überhaupt, so

sicherlich nicht auf österreichischem Boden geschädigt

worden.

Aus den Berichten des Aventin dürften wir viel

leicht das eine entnehmen können, daß sich der

Herzog wegen der Mitgift seiner Gemahlin Agnes

mit der ganzen großen Meranischen Familie ent

zweit hatte.1) Zu ihr gehörte auch Egbert, Bischof

von Bamberg, und durch Verschwägerung der Mark

graf von Mähren.*)

3) Bochmann, Gesch. Böhmens I, S. 503.

*) Anmerkung. Das Haus Andechs-Meranien seit 1180... (Aus

den genealog. Tabellen bei Krones, Handbuch der Geschichte Öster

reichs, II. Band):

Berthold IV.

Seit 1180 Herzog von Meranien. t 1204

Otto I. (VII.) Heinrich IY. Ekbert Berthold

1204—1234 Mgf.v.Istrien B.V.Bamberg Erzb. v. Ka-

• f 1228 t 1237 löcza, sp.

Otto II. (VIII.) Patr. v. Aqui-

1234—1248 leja, f 1250

G. Elisabeth,

T. des Gr. Adal

bert v. Tirol

Agnes

1. G. Herz.

Friedrich II.

v. Osterreich,

2. G. Herz.

Ulrich HI. v.

Kärnten

Margarete

G. Pfemysl,

Mgf.

v. Mähren

3 andere

Töchter

4 Töchter,

darunter

Gertrud, G.

Andreas II.

v. Ung., er

mordet 1213

und Hedwig,

G. Heinrichs

d. Bärtigen

v. Schlesien,

t 1243.

Page 98: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

85

4. Der Herzog und seine Untertanen.

Nachdem das Manifest den Herzog der Schä

digung seiner Nachbarfürsten angeklagt hat, bringt

•es eine Menge von Anklagen gegen den Herzog

wegen schlechter Behandlung seiner Untertanen vor.

Natürlich fallen die hier zusammengehäuften

Anschuldigungen zum guten Teile in die ersten fünf

Regierungsjahre Friedrich. Da aber die herzoglichen

Untertanen, wie wir oben ausführten, erst etwa gleich

zeitig mit den Fürsten geklagt haben, konnte die Un

tersuchung dieser Klagen hierher verschoben werden,

entsprechend auch der Reihenfolge des Manifests.

Das Bild, welches das Manifest vom Herzog als

Landesfürsten entwirft, ist mit den allerschwärzesten

Farben gezeichnet. Herzog Friedrich II. erscheint

seinen Untertanen gegenüber geradezu als vollendeter

Bösewicht und Tyrann, der »das für recht und er

laubt hält, was ihm eben gefällt«. Zahlreiche Klagen

seien von Seite der herzoglichen Untertanen vor den

Kaiser gebracht worden ; der Herzog habe Gerechtig

keit und Gericht aus dem Lande verbannt; soweit

habe er die Verworfenheit zur Genossin gemacht,

daß er selbst Witwen und Waisen, denen er doch

seinen besonderen Schutz angedeihen zu lassen ver

pflichtet sei, bedränge; Reiche und Vornehme be

drücke er, Arme und Geringe trete er mit Füßen.

Nun spezifiziert der Kaiser diese Klagen. Die Mini

sterialien und andere Vasallen, die er vom Reiche

zu Lehen habe, verfolge er. Jungfrauen und Frauen

entführe er mit Gewalt ihren Vätern und Männern und

schände sie oder lasse sie durch die Genossen seiner

Schlechtigkeiten schänden. Ihre unschuldigen Väter

und Gatten aber lasse er umbringen in den ausge

suchtesten Todesarten, die er nicht müde werde zu

ersinnen.

Wie schauerlich muß es in Österreich unter der

Regierung des letzten Babenbergers zugegangen sein,

wenn auch nur die Hälfte dieser Anklagen wahr ist!

Page 99: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

8G

Aber von vornherein muß im Auge behalten bleiben,

daß sich gerade auf dem Gebiete der inneren Landes

regierung und des Privatlebens am leichtesten über

treiben ließ; denn wie wird sich der Herzog in all

dieser Dingen rein waschen oder doch die Beschul

digungen auf ihr richtiges Maß zurückführen können?

Er ist ja geächtet und in kurzem wird sein Land von

allen Seiten mit Krieg überzogen sein. Ebensowenig

werden allerdings die Anklagen aus der Luft gegriffen

sein ; denn das hätte das Manifest dann doch auch nicht

wagen können. Zudem sagen uns die Quellen immer

hin genug und die späteren Volkssagen werden auch

nicht ganz ohne Grund gewesen sein.

Daß sich der Herzog um seine Gerichtspflicht

nicht immer gekümmert haben mag, ist mit seinem

Charakter und mit dem Kriegszustand, in dem er

sich fast fortwährend, bald mit dem, bald mit jenem

Nachbar, befand, sehr wohl vereinbar, ebenso daß er

hie und da auch als Richter die Gerechtigkeit ver

letzte. Aber daß er Gerechtigkeit und Gericht aus

seinem Lande »verbannt« habe (»proscripserit«), wird

doch wohl eine Übertreibung der tendenziösen Kanzlei

feder sein.

All die Anklagen, die der Kaiser in den oben

angeführten Stellen zusammengehäuft hat, nehmen

sich sonderbar aus gegen das Schreiben Kaiser Fried

richs an den Herzog vom Juni 1240, in welchem er

selbst von übertriebenen Darstellungen seiner An

kläger und böswilligen Verleumdungen, von Ge

rüchten, welche zur Verminderung der herzoglichen

Ehre und seines Rufes ausgestreut worden wären,

spricht.1) Allerdings wollen wir aus diesem letzteren

Schreiben des Kaisers auch wieder keine übertrie

benen Schlüsse ziehen, aber das eine sehen wir sofort,

daß der kaiserlichen Kanzlei je nach Bedarf alle

Tinten zur Verfügung standen.

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 3126; abgedruckt bei Huillard-

Breholles a. a. 0. V. lOOü.

Page 100: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

87

Doch gehen wir näher auf die Anklagen ein, die

uns hier beschäftigen. Fragen wir zunächst, was

die Quellen zu berichten haben.

Von den zahlreichen österreichischen Annalen

geben uns nur zwei Berichte, die mit den Anklagen

des Kaisers irgendwie übereinstimmen, die Contin-

Sancr. II. und Contin. Praed. Vind., welche an dieser

Stelle ausführlicher ist.*)

Erstere, die überdies immer in strengen Worten

vom Herzog spricht, daher umso mehr hier zu hören

ist, erzählt, daß der Herzog trotz mehrfacher Vor

ladungen nicht vor dem Kaiser erschien aus Furcht

vor denjenigen, welche beim Kaiser klagten, »propter

res sibi immerite ablatas« ; ferner sagt sie, daß außer

vielen geistlichen und weltlichen Fürsten auch ver

schiedene andere Personen geistlichen und weltlichen

Standes geklagt hätten.1) Unter letzteren sind seine

Untertanen gemeint. Dann berichtet sie die allgemein

verbreitete Meinung, der Herzog sei im Jahre 1239

in seine Herzogtümer wieder eingesetzt worden durch

die Gebete der Mönche, Geistlichen und Frauen (»mu-

lierum«, natürlich Klosterfrauen), die er früher ziemlich

wenig geliebt habe.2) Endlich erzählt sie, Herzog•

Friedrich habe, als ihm zwei an seinem Hofe aufge

zogene Knappen (das Auct. Vindob. nennt sie Albert

von Zelking und Hermann von Wolfgersdorf3) auf

den Tod erkrankten, einen Kreuzzug gelobt und

fürderhin vor allem gegen die Geistlichen Gerechtig

keit zu üben und alles zurückzugeben, was er seit

dem Tode seines Vaters auf ungerechte Weise an

') Cont. Sancr. II., a, a. 0. p. 638.

2) L. c. p. 639 s. (ad annum 1241).

3) Mon. Germ. Ss. IX., p. 724.

*) Anmerkung. Die Worte der Cont. Garst. : „ . . . corporaleui

militiam deponit, utinam eternam gloriam assecutus" (1. c. p. 727, ad

annum 1237) sind ein zu allgemein gefaßter, nach den Lehren der

katholischen Kirche in den meisten Fällen sich aufdrängender Wunsch,

so daß wir hier nicht .zwischen den Zeilen zu lesen" wagen.

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88

sich gebracht.1) Sowohl die Erzählung der Cont-

Sancr. II., als auch die Bemerkung des Auct. Vindobon,

wird zum Jahre 1244 gebracht.

Aus diesen Berichten geht unzweifelhaft hervor,

wenn sie sich auch teilweise auf den im Jahre 1236

nach der Ächtung und nach Abfassung des

Manifests erfolgten Klosterraub beziehen, daß der

Herzog doch auch schon früher mancherlei frem

des Gut an sich gebracht hatte. Friedrich sagt selbst,

er wolle alles zurückgeben, was er seit dem Tode

seines Vaters auf ungerechte Weise an sich gebracht

habe. Im übrigen wird nicht bemerkt, ob der Herzog

sich oft solche Ungerechtigkeiten und Erpressungen

habe zu Schulden kommen lassen.

Die Cont. Praed. Vind. spricht deutlicher, indem

sie sagt: »stulte egerat, iniudiciosus fuit, reptores di-

lexit, claustra coenobia vectigales facit«.2) Letzteres

bezieht sich wiederum höchstwahrscheinlich nur auf

die Zeit nach Erlaß des Manifestes, wo der Herzog

nicht nur die Schätze der Klöster und die der grö

ßeren Sicherheit wegen den Mönchen anvertrauten

Gelder anderer Leute raubte, sondern auch von jeder

Hufe eine Abgabe von 60 Pfennigen verlangte.3) Diese

scheint er auch auf die Klostergüter ausgedehnt zu

haben. Die Beschuldigung, daß er Räuber geliebt

habe, kann mit demselben Klosterraub in Verbindung

gebracht werden, da der Herzog damals eine ganze

Schar solcher »Räuber«, nämlich Dienstmannen, aus

gesandt haben muß, also sich gewissermaßen mit

«iner Räuberbande umgab, ohne die er doch nicht

an einem Tage4) alle Klöster auf einmal plündern

lassen konnte. Ob der Herzog auch sonst »Räuber«

geliebt und sie hie und da auf Wegelagerei ausge-

') L. c. p. 641.

a) L. c. p. 727 (ad annum 1237).

•*) Cont. Sancr. II., 1. c. p. 638 (ad annum 1236).

*) L. c.

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89

schickt habe, geht jedenfalls aus dieser Stelle nicht

hervor.

Es bleibt also der Ausdruck »iniudiciosus fuit«.

Leider ist nicht klar und die Wörterbücher lassen

uns da im Stich, ob das Wort »iniudiciosus« mit »un

überlegt« oder mit »nachlässig im Abhalten der Ge

richte« zu übersetzen ist. Im letzten Falle würde

diese Beschuldigung derjenigen des Manifests genau

entsprechen, und diese Übersetzung scheint in der

Tat deshalb vorzuziehen zu sein, weil unmittelbar

vorher »stulte egerat« geht; übersetzt man also »un

überlegt«, so wäre in den Heiligkreuzer Annalen

dasselbe zweimal gesagt. Immerhin ist der Sinn des

Wortes unklar. Aber wir haben schon oben darauf

hingewiesen, daß man von vornherein annehmen

dürfe, daß der kriegerische Herzog bei seinem stür

mischen, auch vor Unrecht nicht immer zurück

schreckenden Charakter wohl kaum die Gerichts

stätten allzu fleißig besucht haben wird.

Daß die übrigen österreichischen Annalen von

der inneren Regierung des Herzogs ganz schweigen,

mag damit erklärt werden, daß die Klöster einerseits

dem Herzog im ganzen überhaupt freundlich gesinnt

sind, und daß sie es andererseits nicht für ratsam

hielten, über die schlimmen Dinge, deren es immer

hin genug gab, ein Wort zu verlieren. Daß sie den

Herzog andererseits auch nicht loben, beweist nur,

daß es am Herzog manches Tadelnswertes und wenig

Lobenswertes gab, nicht aber, daß er auch nur im

entferntesten ein solches Scheusal war, wie das Ma

nifest ihn zeichnet. Von den Heiligkreuzer Annalen

könnte man aber aus oben angeführtem Grunde viel

leicht doch etwas mehr, erwarten, wenn sie eben mehr

zu sagen wüßten.

Die Cont. Claustroneob. III. ') behandelt diese Jahre

leider nicht mehr; denn da dieses Kloster mit dem

') L. c. p. 628 ssq.

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90

Herzog nicht gut stand, so würden wir vielleicht

manches von ihr über den Herzog vernehmen.

Auch in den Salzburger Annalen könnte man

hierher gehörige Angaben suchen, besonders in den

Jahren, wo der Salzburger über den Herzog zu

klagen hatte und wo auch die Quelle über die Grenz

sperre klagt. Sie hatten einerseits von Friedrich

nichts zu fürchten und waren andererseits vom Schau

platz der herzoglichen Regierung doch nicht soweit

entfernt. Dennoch bringen sie nichts diesbezügliches,

obwohl sie sonst vom Herzog ziemlich viel erzählen.1)

Von den auswärtigen Quellen spricht das Chron.

Erphord. von seiner unerträglichen Selbstüberhebung

und seiner törichten Gesinnung.2) Die Chronik sagt

das in Verbindung mit der Meldung, Kaiser Fried

rich II. habe bei seinem Durchzuge durch Österreich

im Jahre 1235 die zwischen dem Böhmenkönig und

Friedrich von Österreich ausgebrochenen Zwistig-

keiten beizulegen gesucht, der Herzog aber habe

sich wegen seines unerträglichen Übermutes und

seiner Torheit nicht gefügt, obwohl der Böhmen

könig zu einem Vergleiche bereit gewesen sei. Man

sieht, sie macht ihre Bemerkung zu einem ganz be

stimmten Fall, so daß wir im allgemeinen wenig

daraus werden schließen können. Außerdem zeigt

sich die Chronik zwar im allgemeinen gut, im ein

zelnen aber schlecht unterrichtet; sagt sie doch, der

Böhmenkönig habe auf dieses hin den König von

Ungarn und die übrigen vier (!) Könige zu Hilfe

gerufen und habe dann mit dem Herzoge an der

Donau (!) gekämpft.3)

Hermann v. Altaich spricht folgendermaßen vom

Herzog: »Iste Friedericus cum esset Severus homo,

in iudicio districtus et crudelis, magnanimus in proe-

liis, in thesauris congregandis cupidus, terrorem suum

') L. c. p. 760 ssq.

2) Böhmer, Fontes rerum Germ., II, p. 395.

3j L. c.

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91

sie fudit super indigenas et vicinos, ut non solum

non diligeretur, sed ab omnibus timeretur.« 1) Also

streng im Urteil, bei Gericht unerbittlich und grau

sam wird er genannt. Diese Stelle beweist erstens,

daß der Herzog das Gericht aus seinem Lande nicht

»verbannt« habe, zweitens wirft sie dem Herzog

keine Ungerechtigkeit vor, sondern nur Rücksichts

losigkeit im Urteil und Grausamkeit in der Voll

streckung desselben, allerdings ein scharfer Vorwurf,

der aber nichts gemein hat mit dem des Manifests,

daß er gegen Unschuldige grausam gewesen

(»Arucidat miserabilius innocentes«).

Scharf spricht Alberich, Cisterciensermönch zu

Troisfontaines im Sprengel von Chälons sur Marne,

der sein Urteil über den Herzog etwa auf den Ge

neralkapiteln des Ordens sich gebildet haben könnte.2)

Er schreibt: »Von der Tüchtigkeit seines Vaters war

er weit entfernt . . ., von Tag zu Tag erwies er sich

übler und handelte wie ein Bube«.3) Allerdings ein

scharfes Urteil, und wenn er sich dasselbe wirklich

aus den Nachrichten der österreichischen Cistercienser

gebildet hat, so geht allerdings daraus hervor, daß

die Cistercienser bei weiten nicht alles in ihren An-

nalen niederschrieben, was sie sich dachten, obwohl

gerade der Heiligkreuzer, wie gesagt, gewiß erstaun

lich offen schrieb.

Übrigens wissen wir nicht, was der Mönch von

Trois fontaines dazu verlangte, um jemanden einen

»Buben« zu nennen. Einzelne Ungerechtigkeiten und

Handlungen der Habgier, einzelne Ausschreitungen

der Sinnlichkeit konnten in den Augen des Mönchs

auch schon diesen Titel rechtfertigen, und das gab

1) Hermanni Altabensis Annales, bei 1 öhmer, Fontes rernm

Germ., II, p. 504.

2) Vgl. Wittenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittel

alter, II, S. 323

3) Alberici nionachi Chron., Mon. Germ., Ss. XXIII, p. 937.

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doch noch lange nicht das Bild vom Herzog, welches

das Manifest entwirft.

Auf etwas müssen wir aber doch noch hin

weisen, worauf wenigstens im Zusammenhang mit

obigen Anklagen des Kaisers noch nicht genügend

hingewiesen zu sein scheint, nämlich auf das Urteil

der Zeitgenossen nach des Herzogs Tode. Wir dürfen

da freilich auch das Lob, das dem Herzog zu dieser

Zeit von so vielen Seiten gespendet wird, nicht in

seinem vollen Klange gelten lassen, am allerwenig

sten das der Dichter; auch ist nicht zu vergessen,

daß der Herzog in den letzten sechs Jahren seiner

Regierung um sehr vieles besser regierte als früher.

Allein wenn er sein Land in den früheren Jahren

auch nur halb so schlimm regierte, wie der Kaiser

sagt, so möchten wir meinen, daß 6 Jahre nicht hin

reichten, um seine früheren Schandtaten so ganz

vergessen und ein so übervolles Lob von allen

Seiten ertönen zu lassen, umsomehr, da der Herzog

auch nach 1239 oder 1240 noch lange nicht das Muster

eines Menschen und Fürsten war. Wäre also der

Herzog früher nur halb so schlimm gewesen, als das

Manifest ihn schildert, so hätten nicht die Admunter

Annalen ihre früher wenig freundliche Gesinnung

gegen den Herzog so weit vergessen, daß sie jetzt

zwei Trauerhymnen und zwei Epitaphien aufge

nommen, worin Friedrich mit Achilles, Paris, Hector,

Alexander, Samson, David, Salomon, Mardoch, Judith

und den Makkabäern verglichen wird,1) so hätte

nicht die Cont. Garst.2) und das Chron. rythm. Austrie 3)

in so elegischen Worten getrauert.

Weniger mögen immerhin die Klagen Tanhüsers,

Bruder Wernhars, Ulrichs von Lichtenstein — dieser

sogar ein Ministeriale — und des Reimchronisten

') Mon. Germ., Ss., XI., p. 50 ssq

2) L. c. IX. p. 598.

3) L. c. XXV. p. 362.

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93

Ottokar gelten.1) Ganz wollen wir alle Lobgedichte,

die zu Lebzeiten Friedrichs auf ihn verfaßt wurden,

als der Schmeichelei mehr als verdächtig, von vorn

herein aus dem Spiele lassen. Aber mögen die Über

treibungen jenes Klageliedes in den Admunter An-

nalen auch noch so groß und ihre Vergleiche auch

abgeschmackt sein, mögen die übrigen Chroniken

wie immer beurteilt werden, mag man bei den Dichtern

auch auf die gewöhnliche Schmeichelei der Hofpoesie

hinweisen, obwohl mit Unrecht, denn einem toten

Manne schmeichelt man nicht mehr so sehr, besonders

wenn er der letzte seines Stammes ist, mag auch die

nachfolgende trübe Zeit die Regierung Friedrichs

in bedeutend rosigerem Lichte haben erscheinen

lassen : — das eine geht doch unumstößlich aus allem

hervor, daß Friedrichs Regierung bei weitem nicht

nach dem Maßstabe des Manifests zu bemessen ist

Im Gegenteil, es muß doch immerhin noch manches

Gute in den Herrschertagen Friedrichs geschehen

sein, sonst wären alle die obigen Klagen unver

ständlich.*) Nach seinem Tode vermißte man ganz

entsetzlich die strenge, unerbittliche Hand, welche

einst die Ministerialien niederdrückte, die jetzt das

arme Land heimsuchten und quälten. Da war es

wohl gar ein Lob, was Hermann von Altaich mit

den Worten aussprach: »Satagebat etiam nobiles et

meliores terre sue opprimere etignobiliores ex-

altare«.2) Tadelt doch auch Ulrich von Lichten

stein, selbst ein Ministeriale, die Verwilderung seiner

Standesgenossen.3) Die Niedrigen aber, welche der

') Siehe die Stellen bei Ficker a. a. 0. S. 139 ff. und Juritsch,

a. a. 0. S. 675 ff.

2) Böhmer, Fontes II, p. 504.

3) Juritsch a. a. 0. S. 659.

*) Anmerkung. Diesen plötzlichen Sinneswechsel der Quellen

mit Juritsch (a. a. 0. S. 676) einzig daraus zu erklären, daß beim

Tode des Herzogs, der so heldenmütig gekämpft, eben der kriegerische

Geist des Mittelalters erwachte, der auch den Mönch im Kloster Ver

gangenes vergessen ließ, will uns denn doch nicht ganz genügen.

Page 107: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

94

Herzog den Ministerialen gegenüber schützte und

beförderte, waren vor allen die Bauern. Unter diesen,

sagt der Stricker, wagten sich die Herren nicht sich

anzusiedeln ; denn heikel sei es, mit ihnen umzu

gehen, und mit Gewalt nichts anzufangen. Schnell

brächten sie ihre Klage vor den Herzo g.1)

Dieses Moment darf nicht übersehen werden.

Wir merken schon ungefähr, warum denn eigentlich

gerade die Ministerialien gar so viel beim Kaiser

über den Herzog zu klagen hatten, und daß die

ganze Ministerialenbewegung tiefer ging, als es viel

leicht auf den ersten Blick scheint. Aber wir wollen

nicht vorgreifen. Nur das sei konstatiert, daß wir

aus alldem nicht herausfinden können, daß der

Herzog »die Armen und Niedrigen mit Füßen trat«,

sondern vielmehr das Gegenteil.

Wir sehen also aus den bisherigen Ausführungen

bereits, daß die Anklagen des Manifests jedenfalls

weit übertrieben sind. Untersuchen wir sie nun im

einzelnen ! Wir werden dabei gewiße Einblicke in

die innere Regierung des letzten Babenbergers ge

winnen, und das dürfte immerhin schätzenswert sein.

Es wäre zunächst sehr interessant zu wissen,

ob die Klagen der herzoglichen Untertanen beim

Kaiser gerichtlich oder außergerichtlich angebracht

wurden. Der Ausdruck »querele«, den das Manifest

gebraucht, kann beides bedeuten. Allerdings war

das kaiserliche Hofgericht die letzte Instanz auch

für Österreich, nur der unfreie Mann konnte an das

selbe nicht appellieren; ein »Privilegium de non

appellando« hat erst Rudolf IV. in die Privilegien

Österreichs einzuschmuggeln gesucht, und erst durch

die allgemeine Bestätigung des Maius durch Fried

rich III. in den Jahren 1442 und 1453 hat es recht

liche Geltung erlangt. Auch das »Privilegium de

non evocando« erhielt erst Albrecht II. 1348, und

auch da wäre den herzoglichen Untertanen der Rechts-

1) L. c.

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zug ans kaiserliche Hofgericht im Falle der Rechts

verweigerung, deren ja das Manifest den Herzog

ausdrücklich beschuldigt, offen gestanden.1)

Im allgemeinen werden wir wohl sagen können

daß es die herzoglichen Untertanen kaum gewagt

haben werden, das kaiserliche Gericht gegen den ge

fährlichen Mann anzurufen, wenigstens solange er

noch zu fürchten war. Es war ja immerhin sicherer,

außergerichtlich die Klagen beim Kaiser anzubringen,

wobei die einzelnen Personen nicht so ans Tages

licht traten und mithin der Rache des Herzogs nicht

so ausgesetzt waren, wie beim öffentlichen Gericht.

Dennoch können wir wenigstens von den Mini

sterialen beweisen, daß sie gegen den Herzog ans

öffentlichej kaiserliche Gericht appellierten, obwohl

sie sich als ursprünglich unfreie Leute dieses Recht

zunächst nur usurpiert hatten. Im österreichischen

Landesrecht von 1237 wird ihnen nämlich dieses

Recht auf Grund der bisherigen »Gewohnheit«

ausdrücklich verbrieft.2) Wir möchten noch einen

Schritt weiter gehen und daraus schließen, daß ihnen

Herzog Friedrich diese »Gewohnheit«, die eben, wie

aus der Gegenüberstellung von »Recht« und »Ge

wohnheit« hervorgeht, noch nicht »Recht« war, bei

zeiten zu streichen suchte, und daß auch dies einen

der Streitpunkte zwischen Herzog und Ministerialen

bildete. Vielleicht spielt das Manifest auch gerade

auf diesen Streit an, wenn es sagt, der Herzog habe

»Gericht und Gerechtigkeit« aus seinem Lande ver

bannt. Überhaupt scheint uns aus dem bisher Ge

sagten schon hervorzugehen, daß der Kaiser unter

»Untertanen« des Herzogs im Grunde so ziemlich

nur die Ministerialen verstand, deren er sich

ja überall ganz besonders annahm, um durch sie

den Landesfürsten ein Gegengewicht zu schaffen;

') Bachmann, Reichsgeschichte, S. 133. — Werunsky a. a. 0.

8. 54 f.

a) Juritsch a. a. 0. S. 586.

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96

so dreht sich also die Sache um mehr als einige

Ungerechtigkeiten bei Gericht; sie dreht sich um

Reichsgewalt und Landeshoheit.

Gehen wir nun weiter ein auf die Frage, welche

von den herzoglichen Untertanen eigentlich am meisten

beim Kaiser über ihren Landesherrn klagten.

Es kommen hier die Bürger der Städte, die

Geistlichkeit und der Adel in Betracht; denn was

sonst von den Witwen und Waisen gesagt wird, ist

eine beliebte Phrase, und wir haben in den oben

angeführten Annalen nichts davon gefunden, ja daß

der Herzog die Armen und Geringen mit Füßen

getreten, haben wir durch Hermann von Altaich und

den Stricker direkt widerlegt gesehen.

Die Bauern speziell haben sich über den Herzog

wenig zu beklagen gehabt. In ihren Streitigkeiten

mit den »Herren« stand der Herzog gewöhnlich auf

ihrer Seite, wie aus dem Stricker hervorgeht.1) Die

durch Friedrichs Kriege etwa vermehrten Abgaben

werden ihnen bei ihren damaligen glänzenden Ver

hältnissen nicht allzu drückend gewesen sein.2) Für

die Mißernten und Überschwemmungen von 1234 und

1235, die übrigens zwar augenblickliches Elend, aber

doch nicht gleich den Ruin eines äußerst wohlha

benden Bauernstandes herbeiführen konnten, war

der Herzog nicht verantwortlich. Von den Verwü

stungen der Böhmen und Ungarn konnte Friedrich

nur die von 1235 zur Last gelegt werden, die aber

auch nur die beiden Viertel um den Mannhartsberg

und die Ebene südlich der Donau bis an den Wiener

Wald betrafen. Daß sich die Schilderungen Nitharts

auf die Regierungszeit Friedrichs II. beziehen, geht

auch daraus hervor, daß es die Bauern unter Leo-

') Juritsch a. a. 0. S. 659.

a) Vgl. darüber die Gedichte Nithards von Reuenthal, herausgeg.

von Haupt (Leipzig 1858). Der Kitter war erst seit 1230 in Österreich

ansässig, es wird sich also seine Schilderung auf die Zeit Friedrichs II.

beziehen. Vgl. Juritsch a. a. 0. S. 659.

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97

pold IV. noch gar nicht so treiben durften. Dieser

erließ nämlich eine strenge Bauernordnung, um den

Unterschied der Stände aufrecht zu erhalten,1) und wir

haben bei Leopold VI. keinen Grund anzunehmen, daß

er seine Bauernordnung bloß gab, um sie dann »ad

acta« zu legen. Erst Friedrich mag ihnen in seiner

Vorliebe für die Geringen (»exaltavit ignobiles«) 2)

freien Spielraum gewährt haben. Emporgeschwungen

haben sich die Bauern allerdings schon früher, vor

allem unter Leopold VI., einmal weil jeder Grundhörige

durch Beteiligung an Kreuzzügen die Freiheit er

langte und andere sie vielfach von ihren in einen

Kreuzzug abgehenden Herren erhielten, und vor allem

weil bei fortdauerndem niedrigen Grundzins die

Landeskultur intensiver und der Ackerbaubetrieb

rationeller geworden war. Das zwang die Grund

herren, die bisherigen Grundgehörigkeitsverhältnisse

umzuwandeln. Erst im folgenden und besonders im

15. Jahrhunderte ging es mit dem Bauer wieder ab

wärts.3)

Erst als Herzog Friedrich geächtet war, traf seine

Hand auch die Bauern schwerer, indem er eine hohe

Grundsteuer ausschrieb ; es geschah in der größten

Not. Diese Zeit beschäftigt uns aber nicht mehr;

denn auf sie kann sich das Manifest nicht beziehen.

Auch von einer Unzufriedenheit unter den

Städten hören wir bis zur Ächtung des Herzogs

nichts; da fallen sie allerdings vom Herzog ab.

Dieser Abfall mag nun freilich in der früheren

Zeit wurzeln; denn ohne Grund wären sie dem

Landesherrn wohl kaum so plötzlich untreu geworden.

Die Entstehung von Märkten war von den öster

reichischen Markgrafen und Herzogen immer be

günstigt worden — aus finanziellen Gründen. Seit

dem 12. Jahrhunderte im Besitze des Marktregals,

') Juritsch I. c.

a) Hermanns Altab. Ann. in Böhmen, Pontes p. 504 Anm.

3) Bachmann, Ost. Reichsgesch. S. 127 f. und Werunsky, Österr.

Reichs- und Eechtsgesch., S. 38 und 42.

Pruger Studien. XL 7

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98

verliehen sie das Marktrecht häufig.1) Noch vor 1212

wurde Wien mit einem eigenen Stadtrecht begabt;

wir kennen den Charakter seiner wesentlichen Be

stimmungen aus dem Ennser Stadtrecht von 1212.2)

1221 erhielt Wien ein neues Stadtrecht.3) Zwischen

1221 und 1233 erhielt auch Wiener Neustadt ein dem

Wiens nachgebildetes Recht. Wels in Oberösterreich

besaß gar schon 1128 einen Ausschuß von vier »cives

meliores«, die dem Stadtrichter in Brückenangelegen

heiten beigeordnet waren — der erste Anfang eines

Rates. Von den steiri3chen Städten sind bereits Juden

burg und Graz zu nennen,*) wenn sie auch in ihrer

Entwicklung um diese Zeit mit den früher genannten

durchaus nicht auf einer Stufe stehen5). Die übrigen

Stadtrechte fallen in eine Zeit, die uns nicht mehr

beschäftigt.

Wien hatte den Handel nach Ungarn aus

schließlich in den Händen, da vielleicht schon seit

1198, jedenfalls seit 1221 den ausländischen Kaufleuten,

die früher viel nach Ungarn gehandelt hatten, der

Durchzug durch Österreich behufs Handels in dieses

Land bei Strafe verboten wurde6). Auch in Wien

durften die ausländischen Kaufleute nur an Bürger

verkaufen (nicht etwa an Ministerialen oder Bauern),

und sich überhaupt nicht länger als zwei Monate in

Wien aufhalten,7) und zwar scheint nach der Amts

befugnis des allerdings später (um 126ü) eingeführten

Hausgrafen den fremden Kaufleuten die Reise nach

Ungarn nur dann gestattet, wenn sie ihm eidlich

gelobten, behufs Eintreibung einer Geldschuld dort

hin sich zu begeben8). Daraus geht hervor, daß den

') Bachmann 1. c. p. 122.

2) L. c. p. 123.

3) Meiller a. a. 0. S. 128, Nr. 169. — Werunsky a. a. 0. S. 46.

4) Bachmann a. a. 0. S. 124.

6) Vgl. Werunsky a. a. 0. S. 282.

0) Werunsky a. a. 0. S. 46.

7) Bachmann a. a. 0. S. 123.

8) Werunsky a. a. 0. S. 80

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99

fremden Kaufleuten überhaupt der Handel nach

Ungarn und nicht nur der direkt über Wien gehende

verboten war, umsomehr, da ja der Zweck dieses

Wiener Privilegs der war, daß die Wiener und an

dere Österreicher den Handel nach Ungarn mono

polisieren könnten. Was hätte das Privileg den

Wienern viel genützt, wenn die fremden Kaufleute

auf anderen Wegen durch österreichisches Land

nach Ungarn hätten ziehen können? Da wären die

Wiener höchstens noch um die Vorteile des Stapel-

rechtes gekommen.

Auch unter dem letzten Babenberger sind die

Städte im allgemeinen gewiß nicht allzu sehr ge

schädigt worden, aber mancherlei zu klagen hatten

sie doch.

Als der Herzog 1235 die österreichisch-steirische

Grenze gegen Salzburg und Baiern sperrte und

kein Getreide und keinen Wein über dieselbe ließ,

wurde n offenbar nicht bloß die Prälaten getroffen,

von deren Besitzungen dieses Jahr die Feldfrucht

und der Wein ausblieb, sondern vor allen auch die

Wiener und die übrigen Märkte, da ja die Grenz

sperre auch dem Zwischenhandel mit Ungarn galt.

Auf diesem Zwischenhandel scheint aber der Wohl

stand Wiens im wesentlichen beruht zu haben.1) Das

mag den ersten Riß zwischen den Wiener Bürgern

und dem Herzog hervorgerufen haben.

Mit Recht macht Juritsch2) darauf aufmerksam,

daß auch die Juden, welche der Herzog vielfach bei

Eintreibungen der Abgaben und Steuern und über

haupt in seinen Geldgeschäften verwendet zu haben

scheint,*) den Grimm der Bevölkerung, vor allem

1) Juritsch a. a. 0. S. 560.

2) L. c.

*) Anmerkung. Vgl. dazu das interessante Eegest Meillers,

a. a. 0. S. 136, Nr. 200, wo Leopold VI. im Friedensschlüsse mit

Andreas II. von Ungarn vom Jahre 1225 einen Juden als Bürger in

Geldangelegenheiten stellt. Die Benützung der Juden in solchen An

gelegenheiten finden wir ja auch anderwärts.

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100

auch der Städter erregten, umsomehr, da es nach den

Salzburger Annalen 1) Juden gewesen sein sollen,

welche dem Herzog die Grenzsperre anrieten. Allerdings

kann letztere Bemerkung auch nur der damals wieder

weit verbreiteten Abneigung gegen die Juden ent

springen, die schließlich den Juden alles in die Schuhe

schob. Daß aber eine gewiße Begünstigung der Juden

dem Herzoge sehr übel genommen wurde, geht aus

dem Wiener Privileg Kaiser Friedrichs II. von 1237

hervor, in dem es ausdrücklich heißt, daß die Juden

von Beamtenstellen ausgeschlossen sein sollen2), und

im Privileg, welches Friedrich selbst 1239 für sein

getreues Wiener Neustadt ausstellte, heißt es, »er wolle

keinen Juden zu einem solchen Amte in Neustadt

bestellen, wodurch die Bürgerschaft beschwert werden

köunte 3).

Auch mag der Herzog wie andere Grundbesitzer

durch strenge Ausübung des Grundruhrrechtes auf

seinen Besitzungen die Wiener Bürger erbittert haben,

was bei dem geldgierigen Manne nicht unwahrschein

lich ist und wozu ihm allerdings die barbarische Ge

wohnheit seiner Zeit ein Recht gab. Der Kaiser hätte

1237 dieses Grundruhrrecht für Güter Wiener Bürger

kaum ausdrücklich aufgehoben4), wenn nicht aus

lelzter Zeit Fälle rücksichtsloser Ausübung vorge

legen hätten.

Ferner scheint erst in letzter Zeit, also unter

Friedrich, eine jährliche Münzänderung üblich ge

worden zu sein 5), die ohne Zweifel meistens oder

stets eine Münzverschlechterung gewesen sein wird,

jedenfalls aber mit einem »Aufwechsel«, das heißt

einem beim Auswechseln der alten Münzen an den

Herzog zu entrichtenden Betrage verbunden war 6).

') A. a. 0. p. 786.

2) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2237.

3) Meiller a. a. 0. .S. 158, Nr. 45.

l) Böhmer-Ficker 1. c.

5) Juritsch a. a. 0. S. 5fi9.

6) Werunsky a. a. 0. S. 122.

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101

Der Kaiser knüpft deshalb in seinem Schutzbriefe für

die steirischen Ministerialen vom April 1237 die Münz

änderung in Zukunft an die Zustimmung der her

vorragenderen Ministerialen 1). Daß unter diesem

jährlichen »Aufwechsel« die Kaufleute, also die Bürger,

am meisten zu leiden hatten, ist klar.

Endlich trugen auch die häufigen Kriege mit

.den Nachbarländern, vor allen mit Ungarn, viel zum

Rückgang des Handels bei.

Juritsch2) bemüht sich ferner zu beweisen,

daß der Handelsverkehr auch durch den schlechten

Zustand der Brücken und daduch gehemmt worden

sei, daß die Burgherren die Kaufleute häufig zwangen,

die Reichsstraßen zu verlassen und Privatwege zu be

benützen, die über den Grund und Boden jener

Burgherren führten, so daß sie hier erneuten Maut

gebühren unterlagen.

In den unruhigen Zeiten Herzog Friedrichs wäre

ja beides denkbar, allein positive Zeugnisse kann

man dafür nicht beibringen. Die Beweise, welche

Juritsch 3) für beide Behauptungen anführt, sind gänz

lich unzulänglich. Das einzige nämlich, was er für

jene Erpressungen der Burgherren vorbringt, besteht

im Hinweis auf eine Klage, welche im Juli 1236 Erzb.

Eberhard von Salzburg zu Donauwörth dem Kaiser

vorlegt4). Aus dieser Klage, deren Entscheidung

durch das kaiserliche Hofgericht bei Huillard-Bre-

holles abgedruckt ist5), geht in keiner Weise hervor,

daß diese Dinge in Österreich vorkamen. Das

wäre aber doch notwendig zu beweisen, damit jene

Klage hier verwertet werden könnte. So aber kann

sie sich sehr wohl auch auf das angrenzende Baiern

beziehen, und in der Tat finden wir, daß derselbe

') Böhmer-Ficker a. a. O.Nr. 2244; Zahn, Urkundb. der Steierm.,

H, S. 461 ff.

2) A. a. 0. S. 561.

3) L. c.

*) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2180.

6) A. a. 0. IV. p. 888 sq.

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102

Erzb. Eberhard schon 1224 mit den am Inn sitzenden

bairischen Grafen von Wasserburg solche Händel

hatte. 23. Juli 1224 bringt nämlich Eberhard eine mit

der vom Juli 1236 dem Sinne nach vollständig über

einstimmende Klage vor ,König Heinrich und am

1. August gelobt Graf Konrad von Wasserburg vor

dem Könige in die Hände mehrerer Reichsfürsten,

daß von seinem Schlosse Viechtenstein aus durch

seine Ministerialen, Kastellane oder Leute kein Wan

derer oder Schiffer künftig mehr belästigt werden

solle1). Vielleicht geht die Klage von 1236 auf den

selben Wasserburger oder auf seine Söhne, weil etwa

er selbst seines Gelöbnisses vergessen hatte oder

seine Söhne sich durch dasselbe nicht mehr für ge

bunden hielten.

Etwas ganz Ähnliches gilt von der Vernachlässi

gung der Brücken. Als einzigen Beweis bringt Ju-

ritsch die vollständig baufällige Brücke über die

Traun bei Wels. Es sei für das bischöfliche (!) Regi

ment in Passau sehr bezeichnend, wenn Bischof Rü

diger, statt das Werk sofort in Angriff nehmen zu

lassen, in einem Zirkularschreiben vom 23. Februar

1236 um »milde Gaben« für den Brückenbau bettle.

Wenn der Neubau der Brücke dem Bischof von Passau

zugehörte, was hat denn dann der Herzog Friedrich

damit zu tun? Deswegen konnten doch die Kauf

leute in den Städten nicht ihm grollen!

Dagegen werden wir es mit Juritsch 2) als wahr

scheinlich annehmen können, daß der Herzog in seinen

Kriegen die Wehrkraft der Städte mehr als billig in

Anspruch nahm, besonders in den Jahren J233 und

1235, wo er ein Heer von 40.000 und 30.000 Mann zu

sammenbrachte. Das mußte natürlich die Bürger er

bittern. Daher mag es auch kommen, daß der Kaiser

ins Wiener Privileg von 1237 den Artikel setzte, daß

die Wiener nur zu einer solchen Kriegsleistung auf-

1) Meiller a. a. 0. S. 134, Nr. 193 und 194.

2) L. c. S. 560.

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103

geboten werden dürfen, bei der sie noch bei »schei

nender Sonne« zurückkehren könnten.

»Was Enikl ]) erzählt, daß der Herzog aus Wien

habe fliehen müssen infolge der Nachstellungen, die

er den Töchtern und Weibern der Wiener Bürger

bereitete, wird anderswo (außer teilweise im Mani

feste) nicht bestätigt und kann sehr gut aus der

Volkssage geschöpft sein, die etwaige Vorkommnisse

gern vervielfältigt und ins Ungeheuerliche vergrößert.

Die Sage ist mächtigen Überschwemmungen zu

vergleichen, die alles mit ihrem Schutt und Schlamm

überdecken, so daß die wahren Umrisse der Land

schaft nur mit Mühe wieder herausgegraben werden

können. Wie schnell die Volkssage die Tatsachen

der Geschichte verschleiern kann, sieht man am

besten daran, daß die Reise der Kaiserin Maria The

resia nach Preßburg im Jahre 1741 in manchen Ein

zelheiten sehr bald von der Sage ergriffen war. Weit

leichter aber als in unserer Zeit war die Arbeit der

Sage im 13. Jahrhundert, wo sich die Erzählungen

meist nur von Mund zu Mund fortpflanzten.

Um hier gleich ein Wort von den dem Herzog

zur Last gelegten Sittlichkeitsverbrechen zusagen:

wir wollen dieselben nicht kurzer Hand abweisen.

Wo Wollust mit Gewalttätigkeit sich paart, sind solche

Dinge zu allen Zeiten nichts Seltenes gewesen, und

irgend einen Hintergrund dürften daher wohl die

Sagen haben, ebenso wie das Manifest. Andererseits

aber finden wir in den zeitgenösischen Quellen nichts

davon und müssen stets vor Augen haben, wie sehr

die Fama fast immer solche Dinge vergrößert und

ausmalt. Daß aber der Herzog dann vollends auch

noch wie ein Schinderknecht die Väter und Gatten

seiner Opfer gequält habe, das ist so asiatisch-des

potisch, daß wir es nicht so schnell glauben können,

als es die kaiserliche Kanzleifeder niederzuschreiben

') Fürstenbuch von Österreich und Steierm., Rauch, Ss. rer.

Austr. I.

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104

verstand. Hier war ja auch das Gebiet, Schauerge

schichten zu schildern.

Aus dem Gesagten können wir also entnehmen,

daß die Klagen der Städte und Märkte über den

Herzog immerhin ihren Grund hatten. Ob dieselben

schon vor der Achtserklärung mit dem Herzog

zerfallen sind, läßt sich wohl nicht nachweisen;

vielleicht hielten sie vorher erst noch an sich, und

erst die Ächtung des Herzogs erinnerte sie daran,

daß ja durch diesen Mann auch ihr Geldsack emp

findlich geschädigt worden war.

Daß Geistliche des Landes beim Kaiser über den

Herzog geklagt haben, sagt die Cont. Sancr. II. 1) ;

sonst aber finden wir keine Spur, daß sie bis zur

Zeit der Abfassung des Manifests mit dem Herzoge

auf schlechtem Fuße gestanden hätten — die Berau

bung der Klostergüter fällt nach Abfassung des

selben 2). Im Gegenteile, wir lasen nur in zwei öster

reichischen Klosterannalen harte Worte über den

Herzog und ihre Berichte nach seinem Tode sind

sogar voll überschwenglichen Lobes, und ausdrück

lich wissen wir, daß ein Teil der österreichischen

Geistlichkeit, darunter vor allen der Abt von Melk,

selbst nach der Ächtung (November 1236) mit auf

opfernder Treue auf seiner Seite stand * 3). Die Melker

Annalen nennen den Abfall der Ministerialen nach

der Ächtung eine »verabscheuungswürdige Verschwö

rung«. Das Kloster wurde dann auch 1237 von Kaiser

Friedrich nicht bedacht, während die übrigen Klöster

alle ihre Privilegien bestätigt erhielten. Selbst das

Kloster Heiligenkreuz, dessen Chronik doch so scharf

1) L. c. p. 638.

2) L. c.

s> Meiller a. a. 0. S. 156, Nr. 40.

*) Anmerkung. Juritsch setzt auch Maria-Zell hierher; doch

ist die betreffende Urkunde (Meiller a. a. 0. S. 157, Nr. 41) nur im

Auszug mit der Jahreszahl 1236 vorhanden, kann also auch vor die

Ächtung fallen.

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105

von Friedrich spricht, steht noch Mitte Oktober 1236

auf Seite des Herzogs ').

Beim Mangel jeder Meldung über eine specielle

Unzufriedenheit des Klerus in den sonstigen Nach

richten, sogar im Manifeste selbst, werden wir die

vereinzelte Angabe der Heiligkreuzer Annalisten so

streng nicht zu nehmen haben. Jedenfalls klagten

1235 nur einzelne Geistliche beim Kaiser.

Ganz anders verhält es sich mit den Ministe

rialen. Diese waren ohne Zweifel weitaus die haupt

sächlichsten Ankläger. Leider ist das Manifest gerade

an der diesbezüglichen Stelle korrupt; doch werden

wir ohne große Gefahr, irrezugehen, den Satz auf fol

gende oder ähnliche Weise wiederherstellen können,

indem wir einen Auslassungsfehler und eine damit

zusammenhängende Kasusveränderung annehmen:

»Ministeriales et alios infeudatos, quos ab imperio

tenet, tanto graviori prosequitur voluntate, quanto

(sc. graviori voluntate) in odium nostrum et imperii

[ruit. Tantum eos] afflictos immaniter ab ipso perce-

pimus, quanto (besser quantum) de ipsis cogimur du-

bitare — die Ministerialen und andere Vasallen, die

er vom Reiche hat, verfolgt er immer böswilliger, je

größer sein Haß gegen uns und das Reich wird. So

unmenschlich sind sie nach den uns zugegangenen

Berichten von ihm behandelt worden, daß wir es

kaum glauben können.«

Hier ist nun die Frage zu beantworten, warum

denn gerade die Ministerialen einen solchen Haß

gegen den Herzog hatten. Gleich nach seinem Re

gierungsantritt empörten sie sich, 1235 begingen sie

im Kampf gegen die Ungarn, wie es scheint, geradezu

Felonie, dann erfüllten sie beständig die Ohren des

Kaisers mit ihren Klagen und 1236 waren sie die

ersten, welche sich nach der Ächtung des Herzogs

gegen ihn mit einem Schlage erhoben.

') Meiller a. a. 0. S. 156, Nr. 38.

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106

Alle Ministerialen waren ursprünglich unfreie

Leute. Ein Teil der österreichischen Dienstmannen

waren eigentlich Reichsministerialen, welche ihre

Dienstlehen aus Reichsgut hatten, somit Eigentum

des Reiches waren und blieben, aber dem Markgrafen,

in dessen Markgrafschaft sie saßen, zur besseren

Verteidigung der Mark zugleich mit dieser zu Lehen

gegeben wurden. Andere von ihnen waren unfreie

Leute des Herzogs, welche dieser infolge besonderer

Geschicklichkeit und Tüchtigkeit zu den Hofämtern

und zun Kriegsdienst zu Roß verwendete und ihnen

Dienstlehen aus seinen Eigengütern oder Lehen gab.

In Steiermark gab es dagegen bis 1237 keine Reichs

ministerialien, sondern nur solche, die Eigenleute des

Herzogs waren und von ihm ihre Lehen erhielten,

Daher verfügt er auch über sie im Jahre 1186 als

Eigentum. Aber auch die in Österreich und Steier

begüterten »Gotteshäuser« und die landsässigen Hoch

stifter und Abteien, desgleichen die Grafen hatten

ihre Ministerialen. All diesen wurden die herzoglichen,

mochten sie nun ursprünglich Reichsministerialen

sein oder nicht, als »zum Land gehörig (die zu recht

zu dem land gehorent)« gegenübergestellt. 1) Wir

haben im Folgenden stets nur diese letzteren im

Auge.

Die ursprünglich unfreien Dienstmannen der

österreichischen wie steirischen Herzoge hatten sich

allmählig weit über ihre unfreien Genossen empor

geschwungen, soweit, daß sie schließlich auch die

Gemeinfreien hinter sich zurückhielten und dem Adel

zugerechnet wurden. Sie bildeten so recht den Krieger

stand des Herzogs, denn die Vasallen (Grafen und

freie Herren) waren nur zum Reichskriegsdienste ver-

plichtet, in den Privatfehden dagegen war der Herzog

auf seine Ministerialen angewiesen, und so ist es be

greiflich, daß er sie auch in jeder Hinsicht begünstigte.

') Vgl. dazu die Keichsgeschichten von Bachmann S. 117 ff.,

Werunsky S. 33, Luschin S. 234 ff.

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107

Schon mit dem 12. Jahrhundert wurden ihre bishe

rigen Dienstlehen in echte Lehen (feuda militaria)

verwandelt, deren Übertragung nunmehr auf dem

vertragsmäßigen Verhältnis der Vassallität beruhte;

denn das war ja der wesentliche Unterschied zwischen

den unfreien Ministerialen und freien Vasallen, die

sich in ihrer rittermäßigen Lebensweise schon nicht

mehr unterschieden, daß die Vassalien dem Herzoge

vertragsmäßig dienten, die Ministerialen aber kraft

ihrer unfreien Geburt. Diese Veränderung im Cha

rakter der Dienstmannenlehen war denn auch eigent

lich der entscheidende Wendepunkt für ihre gesell

schaftliche Stellung; denn jetzt unterschieden sie sich

von dem eigentlichen Adel nur mehr in unwesentlichen

Stücken. Solchem hatten freilich auch manche der freien

Herren selbst vorgearbeitet. In Anbetracht dessen,

daß der Herzog, gerade den für seine Privatfehden

und -kriege so wichtigen Ministerialen mit Vorliebe

Lehen gab, traten manche freie Herren in den Stand

der Ministerialen herab, freilich mit Vorbehalt der

freien Verfügbarkeit über ihr freies (landrechtliches)

Eigen, der aktiven Lehensfähigkeit und des Gerichts

standes vor dem zum Standesgericht gewordenen

Grafengericiite, dem Landtaiding, samt der Fähig

keit, dort Urteil zu finden, während die ursprünglich

unfreien Ministerialen ihr eigenes Ministerialengericht

hatten und trotz ihrer rittermäßigen Lebensweise

vor dem Landtaiding noch nicht stehen konnten.

Durch diese Vermischung mit ursprünglich freien

Vasallen erlangten aber sämtliche Ministerialen be

reits in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts den Ge

richtsstand vor dem Grafengerichte, fanden nunmehr

vor demselben zunächst über ihre Genossen Urteil,

konnten Allod erwerben, über das sie ohne den Herzog

frei verfügen konnten, endlich auch Afterlehen er

teilen. ')

') L. c.

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108

So waren diese Vasallen ihren früheren Über

genossen, den Grafen und Herren, im allgemeinen

gleichgestellt.

Aber nur im allgemeinen; noch waren sie mit

ihnen nicht zu einem Stande verschmolzen, denn noch

hafteten ihnen Spuren ihrer früheren Unfreiheiten

an, die entgültig erst im 14. Jahrh. verschwanden1).

So geschah es noch bis zum Ende der Baben

berger, daß sie Ministerialen verschenkten, einen

Heiratszwang ausübten und bei Wechselheiraten

Kinderteilung vornahmen. So überläßt Leopold VI.

»per manum Rodgeri de Proschingen de iure nostro"

dem Bistum Bamberg die Tochter eines seiner Mini

sterialen, welche einen Ministerialen des Bistums ge

heiratet hat2). Von Teilungsverträgen betreffs der

Kinder aus Wechselheiraten finden sich zahlreiche

Beispiele 3).

Indes nicht alle Dienstmannen in Österreich und

Steier hatten sich den Grafen und Herren soweit ge

nähert. Manche weniger hervorragende und weniger

begüterte Ministerialen des Herzogs (auch er hat ja

später seine »Ritter und Knechte«), vor allen aber

alle nichtherzoglichen Dienstmannen waren unfrei

geblieben und bildeten fortan zunächst tatsächlich,

dann auch nominell einen geringeren Stand. Sie

wurden in Österreich »Ritter und Knechte«, in Steier

mark »comprovinciales« genannt4). Diese Scheidung

der früheren Ministerialen in 2 nicht nur tatsächlich,

sondern auch der Bezeichnung nach verschiedene

Klassen findet sich aber in Steiermark bereits 1186

vollkommen ausgebildet, während sie in Österreich

noch zur Zeit des Ausganges der Babenberger nicht

völlig durchgedrungen zu sein scheint.

') Werunsky a. a. 0. S. 34.

a) Meiller a. a. 0. S. 95, Nr. 62.

3) Meiller a. a. 0. S. 95, Nr. 62; S. 118, Nr. 136; S. 122, Nr. 152;

S. 132, Nr. 182; S. 151, Nr. 15; S. 177, Nr. 129 (aus dem Jahre 1244).

*) Vgl. die oben zitierten Reichsgeschichten.

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109

Es ist dies das erste Zeichen, aus dem man kon

statieren kann, daß die Entwicklung der Ministerialität

in Steiermark derjenigen in Österreich voraneilte.

Denn sicherlich muß die Absonderung der Ministe

rialen von ihren früheren unfreien Genossen weiter

gediehen sein, wo sie sich sogar schon in den Be

nennungen zeigt.

Aber das ist nicht der einzige Unterschied

zwischen der steirischen und österreichischen Mini

sterialität.

Verheiratungen der Ministerialen von Seite des

Herzogs und Teilungsverträge über Kinder aus

Wechselheiraten von herzoglichen Ministerialen mit

denen anderer Herren (es wird immer ausdrücklich

von Ministerialen gesprochen, nicht von Comprovin-

cialen oder Rittern) finden sich in Steiermark wie

in Österreich. Erst Kaiser Friedrich II. gab 1237 den

steirischen Ministerialen das Privileg, daß sich künftig

der Landesherr nicht mehr in ihre Heiraten einzu

mischen habe, mit dem Bemerken, daß bis dahin das

Entgegengesetzte üblich war l).

Allein unter Ottokar VI. (1164—1192) hatte sich

doch andererseits die Stellung der steirischen Mini

sterialen so weit gehoben, daß sie die österreichischen

weit überragten. Namentlich wurde ihnen in poli

tischen Dingen ein solcher Einfluß eingeräumt, daß

man in ihnen die späteren Landstände schon auf

das deutlichste erkennnt. Sie wurden zu wichtigen

Regierungshandlungen hinzugezogen und um ihre

Zustimmung gefragt2).

So ernannte Ottokar VI. am 17. Aug. 1186 den

Herzog Leopold V. von Österreich und dessen Sohn

Friedrich I. auf einem großen Landtage zu St. Georgen

berg bei Enns »communicato meliorum nostrorum

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2244. Abgedruckt ist die Urkunde

unter anderen im Steierm. Urkb. II. 461 und Huillard-Brßholles 1. c.

V. 62.

2) Bachmann a. a. 0. S. 101 und Werunsky a. a. 0. S. 273 f.

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110

consilio« zum Erben seiner Allode, Ministerialen und

der unter seiner Vogtei stehenden Klöster. Zugleich

wurden in der daselbst ausgestellten Handfeste den

steirischen Ministerialen nicht etwa Rechte gegeben,

sondern nur die bereits herkömmlichen öffentlich

anerkannt und verbrieft; neu waren nur jene Be

stimmungen, welche sich eben aus der gegenwärtigen

Übertragung ergaben.

Die Rechte, welche 1186 den steirischen Ministe

rialen verbrieft wurden, sind vor allem folgende :

Vererbung der Lehen auf Töchter, Wahrung der Erb

folge der nächsten BJutverwandten, falls der Erblasser

über sein Vermögen nicht verfügt hat, freie Ver-

äußerlichkeit der Allode an andere Ministerialen

innerhalb des Landes (Steier), Schenkungen von Ein

künften an bestimmte Klöster beim Eintritt in die

selben, Befreiung von gewissen in Österreich übli

chen Abgaben, Berufung an das Reichshofsgericht

im Falle von Mißachtung ihrer Rechte und grausamer

Regierung von Seite des Herzogs1).

Wir sehen also auch hier das Unfertige der Mi-

nisterialität : einerseits werden die Ministerialen wie

Eigentum behandelt und vererbt, andererseits er

halten sie doch die wichtigsten Rechte.

So hoch standen die Ministerialen in Österreich

bei weitem nicht. Zwar werden auch sie zu Regie

rungshandlungen des Herzogs hinzugezogen, aber

stets nur zur solchen von geringer oder keiner Be

deutung, vor allem bei Schenkungen an Klöster2).

Da heißt es wohl »consilio et conniventia fidelium

ministerialium nostrorum«. Auch das Ennser Stadt

recht ist »nach dem Rate der Ministerialen« erlassen 3).

Desgleichen wären die Rechte der steirischen Mini

sterialen 1186 nicht verbrieft worden, wenn sie auch

in Österreich bestanden .hätten.

l) Werunsky a. a. 0. S. 273.

a) Meiller a. a. 0. S. 78, Nr. 5; S. 88, Nr. 33; S. 97, Nr. 66;

S. 100, Nr. 74.

3) Meiller, a. a. 0. S. 109, Nr. 99.

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111

Einer der Hauptgründe, warum die Ministerialen

der Steiermark die österreichischen überflügelten, ist

gewiß auch der, daß die Anzahl der ursprünglich

freien Adelsgeschlechter in der Steiermark noch viel

geringer war als in Österreich. Dort gab es im 13.

Jahrhundert nur noch zwei Geschlechter freier Her

kunft, die von Peggau (Peckach), später von Pfann

berg geheißen und seit etwa 1237 Grafen, und die

auch im Sanntale begüterten kärntnischen Grafen von

Heunburg1). In Österreich dagegen blühte in den

beiden ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts noch

eine Reihe Grafengeschlechter und später wenigstens

noch eine Anzahl »freier Herren« 2).

Der Unterschied in der Stellung der steirischen

und österreichischen Ministerialen war mithin bedeu

tend genug, um die Eifersucht und den Neid der

letzteren zu erwecken. Naturgemäß strebten sie nach

den Rechten ihrer steirischen Genossen, und so war

sofort die Basis für den Kampf zwischen Herzog und

Ministerialen geschaffen. Mit Grimm werden sie jene

Abgaben, von denen die St. Georgenberger Hand

feste spricht, weiter gezahlt haben, mit scheelen

Augen auf die Intestaterbfolge, die Erbfolge der

Töchter in den Lehen, auf die freie Veräußerlichkeit

der Allode, wie sie den steirischen Ministerialen ver

bürgt waren, geblickt haben. Um das Recht der Ap

pellation am Reichshofgericht scheint der Kampf um

so mehr gewogt zu haben, da sich der Herzog in

ihren Streitigkeiten mit den Klöstern und Bauern

fast stets der letzteren annahm. Wir haben schon

oben darauf hingewiesen und kommen noch darauf

zurück.

Aber nicht bloß die österreichischen, sondern

auch die steirischen Ministerialen scheinen die beiden

letzten Babenberger gegen sich aufgebracht zu haben.

') Werunsky a. a. 0. S. 273.

a) Werunsky a. a. 0. S. 32 f.

Page 125: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

112

Merkwürdig genug, nachdem Leopold V. im

Jahre 1192 nach dem Tode Ottokars noch einmal

eine große Versammlung der steirischen Ministerialen

nach Graz berufen, um dort mit ihnen über seine

Angelegenheiten und das Wohl des Landes zu ver

handeln (»illic de rebus nostris ac provincie salute

saniori consilio tractaturi«) '). findet sich etwas der

artiges nicht mehr. Von jetzt an ist auch die Betei

ligung der steirischen Ministerialen an den Regierungs

geschäften wieder auf das gewöhnliche Niveau der

österreichischen reduziert. Daraus scheint ganz ent

schieden hervorzugehen, daß die Babenberger die

steirischen Ministerialen auf der Höhe ihrer Stellung

durchaus nicht lassen wollten. Dem Vorgange Otto

kars entsprechend hätte vor allem Leopold V. auf

dem Totenbette die Bestimmung der St. Georgenberger

Handfeste, welche ausdrücklich verlangte, daß der

jenige Herzog aus dem Babenberger Hause, welcher

Österreich besitze, auch Steiermark haben solle, nicht

ändern sollen, ohne die Ministerialen zu fragen. Mag

nun auch der Herzog den Plan, Steiermark an Leopold

zu geben, bereits geraume Zeit vorher in der Seele

getragen, ja sich vom Kaiser bereits die Zustimmung

eingeholt haben 2) oder nicht, auf jeden Fall hätte er,

wenn er wollte, die steirischen Dienstmannen zu

Rate ziehen können wie einst Ottokar; denn er lag

vom 26. bis 31. Dezember in Graz, also mitten in

Steiermark krank und ordnete noch mancherlei An

gelegenheiten3). Sollte sich sein Unfall bei Gelegen

heit eines Turniers ereignet haben, so waren die Mi

nisterialen sicherlich in Scharen da. Auf jeden Fall

waren manche anwesend und andere konnten leicht

herbeigerufen werden. Dennoch verlautet von einer

Hinzuziehung derselben nirgends das Geringste,

während so etwas bei anderen Gelegenheiten nicht

') Meiller a. a. 0. S. 70, Nr. 55.

') Meiller a. a. 0. S. 237, Nr. 267.

3) Vgl. Juritsch a. a. 0. S. 342 ff.

Page 126: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

113

unerwähnt bleibt; und doch waren seit der großen

Versammlung in Graz, wo er ȟber seine Angelegen

heiten und des Landes Wohl mit ihnen verhandelte«

erst 3 Jahre verflossen. Man sieht, die Bedeutung der

steirischen Ministerialen sank seit 1192 rasch. Auch

später finden wir keine Spur mehr von ihrer Zuzie

hung zu wichtigeren Regierungshandlungen. Das

mußte sie aber mit Ingrimm erfüllen.

Auch die Bestimmungen über den Heimfall der

Lehen scheinen von den Babenbergern öfters unbe

achtet geblieben zu sein; denn im Privileg Kaiser

Friedrichs II. für die steirischen Ministerialität von

1237 heißt es, daß bei Lehen die Beschwerden, welche

»anevelht heißen, n ich t mehr stattfinden sollen ').

Weder Leopold VI. noch Friedrich waren also

gesonnen, die Entwicklung ihrer Ministerialität so

weiter gehen zu lassen, wie sie sich in Steiermark

vor 1192 angebahnt hatte. Im Gegenteil, wir dürfen

die Behauptung wagen, daß die Regierung der beiden

letzten Babenberger bis 1237 geradezu einen Still

stand, ja bezüglich der steirischen Ministerialen einen

Rückgang in ihrer Machtstellung bedeutete. Herzog

Friedrich II. hat nach dem glaubwürdigen Zeug

nisse Hermanus von Altaich seinen Adel geradezu

niedergedrückt, während er die niederen Klassen hob.

Daraus erklärt sich auch, warum der Kaiser sich

der Ministerialen annahm und ihren Klagen ein so

williges Ohr lieh, obwohl er sie doch sicher durch

schaute. Das Bestreben der Babenberger richtete

sich eben so sehr gegen seine Politik wie das der Mi

nisterialen ihr entsprach. Wir werden auch nicht

irre gehen, wenn wir sagen, der Zwiespalt zwischen

Friedrich und seinen Ministerialen wurzelte in erster

Linie in einer ständischen Bewegung und dem Empor

streben der Ministerialen einerseits und in dem Wun

sche des Herzogs anderseits, die Landeshoheit nach

unten nicht nur nicht schmälern zu lassen, sondern

") Böhmer-Ficker a. a. 0., Nr. 2244.

Prager Studien. XI.

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114

sie zu erweitern. Gesiegt haben dabei die Ministe

rialen infolge des jähen Todes des letzten Baben

bergers. Kaiser Friedrich II. benützte sie schon 1237

für seine Zwecke, und zur Belohnung für ihre guten

Dienste und gemäß seiner Politik bestätigte er nicht

nur den steirischen Ministerialen die Privilegien der

Georgenberger Handfeste, sondern gab ihnen auch

das Recht, sich einen eigenen Herzog zu erbitten,

wenn sie es für gut fänden. Doch diese Dinge liegen

außerhalb unserer Aufgabe.

Wenn Juritsch 1) sagt, daß die Rechtsgrundsätze,

wie sie sich bei den österreichischen Ministerialen

ausgebildet hatten, schon zu tief eingewurzelt waren,

und daß sich auch für ihr Streben, nach dem Muster

der steirischen Handfeste ihre Rechte zu erweitern,

kein positiver Beweis bringen läßt, so dürfte die erste

Behauptung doch nicht richtig sein, und die zweite

Behauptung möchten wir dahin ändern, daß sich für

jenes Streben kein direkter Beweis bringen läßt. Daß

wir in den Quellen keine Andeutungen über die Be

strebungen der Ministerialen finden, ist nichts Merk

würdiges; denn Entwicklungen, die gewissermaßen,

wie man zu sagen pflegt, in der Luft liegen, werden

selten von einem Zeitgenossen mit Worten gekenn

zeichnet, am allerwenigsten von einem inländischen.

Der Abt von Altaich aber sah sehr wohl, welche

Stellung der Herzog seinen Ministerialen gegenüber

einnahm.

Trotzdem läßt sich keineswegs in Abrede stellen,

daß auch andere Gründe [für die Unzufriedenheit

der Ministerialen vorliegen mochten.

Sie mögen immerhin auf die Immunierungen der

geistlichen Stifter, vor allen auf ihre Maut und Zoll

befreiungen mit scheelen Blicken geschaut haben,

umsomehr, da wohl auch sie darnach strebten, aber

') A. a. 0. S. 519 f., vgl. dagegen Ficker a. a. 0. S. 12 und

Huber, Gesch. Öst. I, S. 405.

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115

vergeblich *) ; denn man findet vor 1237 nichts von

speziellen oder allgemeinen Maut- und Zollbefreiun

gen von Adeligen, während solche von Klöstern

massenhaft vorkommen2). Erst im Landrecht von 1237

wurden jene allgemein davon befreit, was auch daraus

hervorgeht, daß bei diesem 47. Artikel nicht wie bei

anderen eigens »Gewohnheit« und »Recht« gegen

übergestellt wird3). Mithin werden sie früher von

jenen Abgaben nicht befreit gewesen sein.

Übrigens hat Herzog Friedrich nach seiner Wie

dereinsetzung in Österreich die Maut- und Zollfreiheit

des Adels, wenigstens der Ministerialen, nicht einmal

anerkannt]; denn nach 1241 erhält Gundaker von

Starchenberg (also einer aus den ersten Ministerialen

geschlechtern) das Recht der Maut- und Zollfreiheit

zu Wasser und zu Lande »für den Hausbedarf an

Lebensmitteln« bestätigt4) und zwei Jahre später er

langen sie Heinrich Piber und sein Bruder, sowie

Ulrich von Lobenstein für alle Lebensmitteln, »que

pro domibus suis habuerint necessaria«, wie selbe

bereits ihre Vorfahren besessen 5). Wenn auch Star

chenberg das Privileg nur bestätigt erhält und

schon die Vorfahren der Letztgenannten es hatten,

so geht daraus doch hervor, daß dasselbe nicht für

den gesamten Adel anerkannt wurde, denn sonst wäre

eine Bestätigung für einzelne wohl überflüssig ge

wesen. Es wurde und ist bloß in Ausnahmsfällen er

teilt worden.

Auch die großen Güterschenkungen Leopolds VI.

an die Klöster mögen den Neid der Ministerialen und

damit die Mißstimmung gegen den Herrscher ent

facht haben, umsomehr, da er ihnen gegenüber keines

wegs so freigebig gewesen zu sein scheint. Er zog

') Juritsch a. a. 0. 8. 520.

2) Meiller a. a. 0., passim.

8) Juritsch a. a. 0. S. 589.

*) Meiller a. a. 0. S. 169, Nr. 93.

») L. c. S. 177, Nr. 127.

Page 129: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

116

heimgefallene Lehen ein und kaufte mehrere Güter

in- und ausländischer Besitzer, ohne sie, wie es scheint,

zu Lehen wieder auszugeben. So erwarb er ausge

dehnte Herrschaften der Grafen von Klamm in Mach

land und von Peilstein (südlich von Melk), die beide

1218 ausstarben. Vom Burggrafen von Nürnberg kaufte

er die Herrschaft Raabs, von Gottschalk von Hauns-

berg die vom Bistum Passau zu Lehen gehende Stadt

Linz mit anderen Gütern bis oberhalb Engelhartszell,

vom Bischof von Würzburg die Besitzungen um

Lambach und von diesem Kloster dessen Rechte auf

die Gerichtsbarkeit und die Zölle der Stadt Wels.

Desgleichen erwarb er 1229 vom Freisinger Bischof

große Güter im südöstlichen Krain und 1222 von den

Herrn von Castello Portenau in Friaul, ein Lehen

Aquilejas Besonders nach den Gütern der unter

ihm erlöschenden Grafengeschlechter werden manche

Augen gierig geblickt haben.

Nicht minder wird es den Grimm der Ministe

rialen gegen Leopold erregt haben, daß derselbe kei

neswegs die Klöster von ihnen bedrücken ließ, und

wenn sie sich in den Besitz von Klostergüter setzten

oder die Vogtei über dieselben widerrechtlich an

maßten, in fester und consequenter Weise eingriff2).

Ähnlich auch Friedrich II.3).

Auch wegen der Begünstigung der Städte waren

die Ministerialen den Babenbergern gram. Daß Enns

und Wien Stadtrechte erhielten, mochte ihnen im all

gemeinen gleichgiltig sein, ersteres geschah sogar,

wenn wir der Urkunde glauben dürfen »iuxta con-

silium et admonitionem (?) fidelium ac ministerialium

nostrorum « 4). Nicht gleichgiltig mochten ihnen aber

gewisse Begünstigungen der Bürger sein, die in

denselben enthalten waren. So vor allem nicht, daß

1) Huber, Gesch. Österr. 1, S. 402.

2) Meiller, a. a. 0. S. 88, Nr. 35; S. 90, Nr. 39; S. 136, Nr. 199.

») L. c. S. 155, Nr. 31.

*) L. o. S. 109, Nr. 99.

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117

die auswärtigen Kaufleute nur an Bürger ihre Waren

verkaufen durften und so die Ministerialen die Klei

dung und den Schmuck für ihre Frauen und Töchter

aus zweiter Hand, natürlich gehörig verteuert, be

ziehen mußten l). Auch die Maut- und Zollbegünsti

gungen, welche außer Wien und Enns auch Linz,

Krems, Ottensheim, Zwettl erhielten2), werden hierher

gehören, noch mehr, daß der Herzog nicht immer

kräftig genug eingeschritten zu sein scheint, wenn

den Ministerialen Grundhörige und unfreie Leute in

die Städte davonliefen3).

Das also werden etwa die Ursachen sein, wes

halb die Ministerialen bereits unter der Regierung

Leopolds höchst unzufrieden waren.

Ob wirklich schon 1226 hinter der Empörung

Heinrichs, des Zweitgebornen Leopolds (der Erstge

borene war schon 1216 durch einen unglücklichen

Sturz gestorben), eigentlich nur ein Ministerialenauf

stand steckte, mag dahingestellt bleiben. Die einzige

Meldung der Cont. Sancr. I., Heinrich habe sich »ex

consilio et auxilio quorundam iniquorum« gegen

seinen Vater erhoben4), ist doch zu mager, um etwas

Sicheres daraus ableiten zu können *). Jedenfalls blieb

der Aufstand auf enge Grenzen beschränkt, da Hein

rich bloß Hainburg in seine Gewalt brachte, und die

Ministerialen unterwarfen sich schnell5). Mit dem

mächtigen, festen und dabei klugen Leopold war eben

wenig zu machen. Als er aber starb und ihm sein als un

erfahrener, unbesonnener und rauflustiger junger

Mann bekannter Sohn folgte, da erhoben sich »fast

') Juritsch a. a. 0. S. 622.

2) L. c.

») Vgl. dazu Böhmer-Ficker a. a. 0., Nr. 2244.

') L. e. p. 626.

6) L. c.

*) Anmerkung. Ficker (a. a. 0. S. 8) nimmt einen Ministe-

rialenaufstand an, Juritsch sagt nichts davon.

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118

allet Ministerialen wie auf einen Schlag* '). Sie hatten

sich dennoch in Friedrich nicht unerheblich getäuscht.

Mit starker Hand schlug er sie nieder. Sie wagten

nichts mehr, obwohl der Herzog sie auch fürderhin

nicht begünstigte, sondern niederhielt**). Erst als sich

der Herzog 1235 dem Kaiser gegenüber arge Blößen

gegeben, da wagten sie es wieder, sich gegen ihn zu

stemmen, und von jetzt an gehörten sie zu den ent

schiedensten Bekämpfern ihres Herrn im Lande wie

am kaiserlichen Hofe; denn sie wußten, wo ihnen

Hilfe und Heil winkte.

Sie täuschten sich nicht — wenigstens vorüber

gehend unterlag ihnen der Herzog. Aber ihr Triumpf

vom Jahre 1236 sollte nicht zu lange dauern.

') Cont. Sancr. I. 1. c. p. 627.

*) Anmerkung. Die Meinung Fickers, daß die steirischen

Ministerialen sich an diesem Aufstande nicht beteiligten, möchten wir

nicht annehmen. Denn erstens sind doch auch die steirischen Ministe

rialen, welche am 30. Nov. 1230 zu Lilienfeld beim Herzog sind, am

13. März 1231, wo man sie bei ihm erwarten sollte, nicht anwesend

(Meiller a. a. 0. S. 148, Nr. 2, 3), und zweitens hatten sie, wie wir

oben sahen, vielleicht mehr Grund zur Empörung als die österreichi

schen. Da wir die Angabe der Heiligkreuzer Annalen, daß sich „fast

alle" Ministerialen empörten, nicht für uns verwerten wollen,« noch

können, so läßt sich die Teilnahme allerdings nicht strikt beweisen,

aber noch weniger abweisen.

**) Anmerkung. Vgl. das maßvolle Benehmen Friedrichs gegen

die Ministerialen nach Besiegung des ersten Aufstandes im Jahre 1231

(Ficker a. a. 0. S. 18) und auch nach seiner Wiedereinsetzung ins

Herzogtum, wo er keinen Unterschied zwischen den Empörern und

den ihm treu gebliebenen machte (1. e. S. 91).

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119

III.

Kaiser und Herzog bis zur Abfassung des

Manifestes (Juni—Juli 1236).

1. Die Zitationen nach Augsburg und Hagenau

(Oktober 1235 und Januar 1236).

Wir haben früher gegen Juritsch bewiesen, daß

die Rechtsfürsten ihre Klagen gegen den Babenberger

nicht vor dem Mainzer Tage vorbrachten1). Jetzt

möchten wir noch hinzufügen, daß dies wahrschein

lich auch zur Zeit des Mainzer Reichstages noch nicht

geschah, sondern erst nach demselben. Denn die eben

im fernen Westen weilenden Bischöfe werden von der

Grenzsperre am 22. August (wenn sie damals über

haupt schon angeordnet war) kaum schon etwas ge

hört haben. Dazu kommt, daß der Kaiser ausdrück

lich sagt, die Fürsten hätten ihre Klagen »sepe coram

nobis specialiter per literas et nuncios« vorge

bracht. Am Mainzer Reichstage aber waren die kla

genden Fürsten bis auf den König von Böhmen (und

seinen Bruder) sämtlich anwesend2); da hätten sie

ihre Klagen mündlich vorgebracht, obwohl wir zu

geben, daß dieser letztere Beweis nicht zwingend ist,

da sie ja ihre Klagen auf besagte Weise später ur-

gieren konnten.

Wo der Böhmenkönig war, wissen wir ; er war

zur Zeit des Mainzer Tages mit dem Kaiser noch

nicht auf so gutem Fuße, daß er mit Klagen vor

ihn gekommen wäre.

So werden wir annehmen müssen, daß die Für

sten ihre Klagen gegen den Herzog — einige unbe

deutendere Sachen etwa ausgenommen — erst nach

dem Mainzer Tage, aber vor dem Augsburger »brief

lich und durch Boten«, und zwar dringend und wie

derholt erhoben haben.

1) Siehe oben S. 63 f.

a) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2099c—2104.

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120

Der Kaiser wollte trotz der vielen Klagen die

Sache auf gütlichem Wege beilegen, wahrscheinlich

nicht deshalb, weil er noch immer »der Dienste wei

land Herzog Leopolds sich erinnerte«, sondern weil

er bei dem starren Charakter des Herzogs einen

Reichskrieg voraussehen mußte und ein solcher ihm

bei seinen Plänen gegen die Lombarden im höchsten

Grade ungelegen war.

Er sandte also diesmal einen Reichsfürsten an

den Herzog, den B. Konrad von Freising, der sich

am 18. Sept. beim Herzog befindet 1), und lud ihn zu

dem auf Ende Oktober angesagten Reichstage nach

Augsburg vor.

Die Vorladung nach Augsburg war eine Zitation

in milder Form. Daß es eine solche war, spricht der

Kaiser selbst aus, indem er im Manifest sagt, nach dem

Augsburger Tage hätten der Erzb. von Salzburg und

andere für den Herzog um eine abermalige Vor

ladung gebeten. Allein die Sache sollte andererseits

doch nicht vor Gericht, sondern auf dem Wege güt

licher Vermittlung entschieden werden.

Der Herzog scheint gefühlt zu haben, daß er,

obwohl das Privileg von 1156 nichts davon sagt, auf

eine Zitation hin doch auch auf außerbairische

Hoftage gehen müsse oder wenigstens, daß der Kaiser

das Privileg leicht in diesem Sinne interpretieren

könne. Er beginnt deshalb jetzt zum erstenmal zu

unterhandeln; möglich auch, daß ihn der Freisinger

Bischof, der dem Herzog trotz des ihm zugefügten

Schadens doch offenbar wohlwollte, dazu beredet hat.

Die herzogliche Gesandtschaft an den Kaiser wird

der vertraute Freund des Babenbergers, Heinrich, Bi

schof von Seckau, geführt haben. Wir finden ihn,

allerdings erst zu Augsburg (im Oktober) beim Kai

ser 2) ; der Herzog scheint es also auch diesmal nicht

sehr eilig gehabt zu haben, wahrscheinlich war er

') Meiller a. a. 0. S. 155, Nr. 31.

s) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2121.

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121

anfangs noch entschlossen, einfach nicht nach Augs

burg zu gehen. Im Namen des Herzogs mußte der

Bischof um freies Geleite für den Babenberger und

sein Gefolge bitten. Auch die Freiheit, zu jeder Zeit

sich vom Reichstage wieder zu entfernen, verlangte

der Herzog.

Der Kaiser bewilligte alles, fügte sogar (wie es

scheint, aus freien Stücken) hinzu, der Herzog solle

nicht vor Gericht gestellt, sondern alles solle durch

Beine Vermittlung beigelegt werden. In der Tat konnte

Bich jetzt Friedrich nur schwer der Hoffahrt ent

schlagen. Dennoch tat er es, sei es, daß es ihm von

Anfang an mit seinen Unterhandlungen nicht recht

ernst war und er nur die Sache in die Länge ziehen

wollte, sei es, daß er sich inzwischen wieder anders

besonnen hatte. Es war ja mancherlei gegen ihn,

weshalb er dem Kaiser nicht trauen mochte, der

oft genug bewiesen hatte, daß man ihm nicht zuviel

trauen dürfe. Es wäre auch recht ungemütlich für

den Herzog zu Augsburg gewesen ; denn alle seine

Kläger befanden sich daselbst1). Sogar der König

von Böhmen war erschienen. Er söhnte sich jetzt

mit dem Kaiser aus, der ihn für die Erbansprüche

seiner Gemahlin mit 10.000 Mark abfand2). In Augs

burg wird Wenzel auch seine Klagen gegen den

Herzog vorgebracht haben, und von da an war er

einer der zähesten Gegner.

Friedrich erschien nicht. Trotzdem legten der

Erzbischof von Salzburg, wieder einer der Geschä

digten, und einige andere, darunter wohl auch der

Seckauer nochmals Fürbitte für ihn ein und ver

langten abermalige Zitation. Auch der Umstand, daß

der Herzog auch jetzt noch, und zwar gerade unter

seinen Klägern Freunde fand, beweist, daß er lange

nicht so gewesen sein kann, wie das Manifest ihn

schildert ; denn sonst hätten sie es doch im Interesse

') Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2115 a—2125.

a) L. c. Nr. 2115 a.

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122

der Menschlichkeit wünschen müssen, daß man ge

gen diesen Mann endlich einmal mit ganzer Strenge

vorgehe.

Die abermalige Vorladung wurde gewährt. Da der

Kaiser beschlossen hatte, in Hagenau zu überwintern,

so lud er den Herzog dorthin vor. Es war auf den

6. Jänner 1236 wiederum ein Hoftag angesagt worden 1).

Der Kaiser hebt im Manifest eigens zweimal hervor,

daß Hagenau Reichsstadt sei. Wollte er dadurch etwa

die Interpretation des Privilegs nahe legen, daß der

Herzog selbstverständlich zum Besuch der Hoftage

auf reichsunmittelbarem Gebiete verpflichtet sei, und

daß der Kaiser Friedrich I. die Babenberger doch

offenbar bloß vom Besuche jener außerbeirischen

Hoftage habe dispensieren wollen, welche auf dem

Gebiete von Fürsten abgehalten würden? In der Tat,

Mainz war bischöfliche Stadt und blieb es lange, Augs

burg war damals noch bischöflich.

Der Hoftag wurde am 6. Januar zu Hagenau

eröffnet. Er dauerte nicht lange, wahrscheinlich weil

er hauptsächlich des Herzogs von Österreich wegen

angesagt worden war, dieser aber wieder nicht erschien.

Sicherlich wußte der Babenberger bereits, was

ihm bevorstand. Es hatten sich im Laufe eines halben

Jahres eine Menge berechtigter und halbberechtigter

Klagen gegen ihn gehäuft und durch seine Wider

spenstigkeit war der Riß zwischen ihm und dem

Kaiser so groß geworden, daß er harte Zeiten vor

sich sehen mußte.

Zürnend konnte aber auch der Kaiser ins Ma

nifest schreiben lassen, der Herzog habe ihn, obwohl

er mehrmals sich zu stellen versprach, stets nur ver

höhnt, und übermütig habe er mit der kaiserlichen

Macht gespielt.

In dieser Zeit nun, wo der Herzog jede Brücke

hinter sich so gut wie abgebrochen hatte, werden

auch die etwaigen Tatsachen fallen, welche den An-

■) Böhmer-Ficker a. a. 0. Nr. 2133 a.

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123

klagen zu Grunde liegen, die der Kaiser zum Schluß

über den Herzog ausschüttet. Es sind Klagen auf

Hochverrat.

2. Der Herzog und der Kaiser.

Das erste, was der Kaiser an dieser Stelle vor

bringt, ist, der Herzog habe bei der Gefangennahme

des deutschen Königs unterwegs offenbar Nachstel

lungen geplant (» . . . insidias, quas in captione du-

dum filii nostri Heinrici in itinere manifesto pro-

p o s u i t).

Diese Anschuldigung bezieht sich allerdings an

scheinend auf eine frühere Zeit, nämlich die Mitte

des Jahres 1235. Allein da der Kaiser sie hier bringt

und an früherer Stelle nicht gut Gelegenheit war, sie

zu behandeln, glaubten wir sie hierher verschieben

zu können, zumal sie in ihrer Art mit den folgenden

verwandt ist.

Die Beschuldigung ist in ein eigentümliches

Dunkel gehüllt. Warum spricht der Kaiser nicht deut

licher? Wenn er auch nur für die geringste Betei

ligung des Herzogs an der Empörung Heinrichs Be

weise hatte, so war hier der Platz sie zu bringen,

und ohne Zweifel hätte der Kaiser mit Freuden dieses

äußerst aggravierende Moment höchst nachdrücklich

und mit geziemender Breite hervorgehoben. Wie breit

werden andere viel weniger wichtige Dinge ausge

malt!

Allein der Kaiser hatte offenbar auch nicht die

geringsten Beweise für seine Behauptung. Man wäre

versucht, die hier berührten Nachstellungen neben

dem Assassinenmorde zu behandeln als einzig gegen

die kaiserliche Person gerichtet; aber mit Rücksicht

auf die folgenden Beschuldigungen, mit denen sie

stilistisch auf das engste verknüpft ist, will der Kaiser

doch nicht bloß einen gelegentlich der Gefangennahme

des Königs und ohne Verbindung mit diesem gegen

ihn, den Kaiser, geplanten Anschlag, sondern eine

Page 137: ^arbarU College ILthraru BOUGHT WITH INCOME FROM THE ...

124

wirkliche hochverräterische Verbindung zwischen Her

zog und König andeuten.

War sie vorhanden ? Vor allem müssen wir noch

mals darauf hinweisen, daß bis 1235 sicherlich eine

Verbindung zwischen beiden nicht bestand und auch

der Kaiser von der Treue des Herzogs vollkommen

überzeugt war*1). Es kann sich also die Stelle des

Manifests bloß auf die Zeit nach der Neumarkter

Zusammenkunft beziehen.

Es entsteht vorerst die Frage, wann und wo

der Herzog diese Nachstellungen bereitet haben oder

vielmehr geplant haben soll — denn mehr sagt der

Kaiser nicht.

Winkelmann 2) meint, das Ganze sei auf den Ver-

rsuch des Herzogs zu beziehen, vom Kaiser bei dessen

Zuge nach Deutschland Geld zu erpressen. Allein von

einer »Pression« ist selbst im Manifest nicht die Rede

und dem Herzog bei seinem damaligen Vorschlage

etwa die Absicht unterzulegen, durch einen Krieg

gegen die Ungarn dem Könige Luft zu machen, geht

schon deshalb nicht an, weil er ja eine Beteiligung

des Kaisers am Kriege gar nicht verlangte. Winkel

mann scheint übrigens von solchen geheimen Absichten

des Herzogs zu Gunsten Heinrichs ganz abzusehen ;

allein dann müssen wir wiederholen, daß der Kaiser

jene »Nachstellungen« offenbar mit einer Verbindung

mit dem empörten Sohne verknüpft.

Schirrmacher3), Böhmer-Ficker4) und Winkelmann

(im ersten Bande seiner Geschichte K. Friedrichs II.) 6)

') Siehe oben S. 54.

2) K. Friedrich IL, II, S. 47, Anm. 3.

3) Kaiser Friedrich II., III. 5.

<) A. a. 0. Nr. 4383 g.

5) S. 4SI.

*) Anmerkung. Auch Gregor IX., der sich in einem Briefe

vom 13. März 1235 (Huillard-Brtholles a. a. 0. IV, p. 531 sq) über

die Anhänger Heinrichs genau unterrichtet zeigt, weiß wenigstens um

diese Zeit nichts vom Herzog.

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125

meinen, der Herzog scheine einen Befreiungsversuch

beabsichtigt zu haben, als der gefangene König Ja

nuar 1236 nach Apulien geführt wurde.

Vorsichtiger drückt sich Juritsch 1) aus ; er sagt

nur, der Kaiser behaupte an jener Stelle,

der Herzog habe einen Befreiungsversuch vorgehabt;

es ist das offenbar viel weniger gesagt als : der Her

zog scheine einen Befreiungsversuch vorgehabt zu

haben; denn diesen Schluß aus der Behauptung des

Manifests zu ziehen, sind wir ganz und gar nicht be

rechtigt. Wenn der Herzog auch nur irgendwelche

diesbezügliche Äußerung getan hätte, so hätte der

Kaiser das sicherlich angeführt. Einen Plan, der rein

im Innern des herzoglichen Herzens gelebt haben

soll, in keiner Weise aber nach außen sich verraten

hat, konnte der Kaiser dem Herzoge allerdings auf

sehr wohlfeile Art vorwerfen mit den sehr leicht hin

geschriebenen Worten : »manifesto proposuit« ; gerade

so redet man, wenn man eben nichts weiß.

Das voraus geschickt, ist aber auch sofort klar,

daß im Grunde gar nichts daran liegt, ob der Kaiser

an seine Reise von Italien nach Deutschland oder an

die Abführung seines Sohnes von Deutschland nach

Italien denkt. Es sei nur bemerkt, daß wir den vor

sichtigen Worten des Verfassers der Babenbergerge

schichte bestimmen möchten, obwohl wir zugeben,

daß, wie Winkelmann2) und Ad. Ficker3) (der übri

gens die Sache unentschieden läßt) einwenden, der

Ausdruck »in captione« natürlicher auf die Reise

des Kaisers nach Deutschland bezogen werde. Den

noch kann man sich unter »captio« die ganze Summe

von Tatsachen denken, welche sich um die eigentliche

Gefangennahme des Königs gruppierten, so daß auch

noch die Deportation nach Italien als Abschluß dazu-

zurechnen ist.

1) A. a. 0. S. 543.

») L. c. II. S. 47, Anm. 3.

») A. a. 0. S. 36.

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126

Aber was sagen denn die Annalen des 13. Jahr

hunderts? Vielleicht können wir aus diesen eine Ver

bindung Friedrichs mit dem Kaisersohne konstatieren.

Nur zwei Annalen bringen über eine Verbindung

zwischen beiden Bemerkungen.

Das Chronicon de rebus Siculis erzählt : »Sowohl

die geistlichen als die weltlichen Reichsfürsten hien-

gen dem Kaiser an außer dem Herzoge von Öster

reich und Steiermark, welcher ein Verwandter Hein

richs war« 1). Diese Chronik ist erst um 1270 ent

standen und noch dazu im fernen Sicilien, also von

geringer Auktorität Merkwürdig berührt es auch, daß

sie sich über die »Verwandtschaft« Friedrichs mit

Heinrich so unbestimmt ausdrückt; übrigens sagt sie

auch eigentlich gar nichts von einer Anteilnahme an

der Empörung.

Die Annales Scheftlarenses 2), über deren Glaub

würdigkeit besonders Böhmer, Regesten der Wittels

bacher, S. 16, zu vergleichen ist, berichten zum Jahre

1235 : »Zur selben Zeit wurde König Heinrich von

seinem Vater in die Verbannung nach Apulien ge

schickt; deswegen widersetzte sich der Herzog von

Österreich dem Kaiser und wollte nicht auf die Reichs

tage jenes Jahres nach Mainz, Augsburg und Hagenau

kommen.«

Ficker ') bemerkt treffend, daß diese Stelle erst

nach dem Hagenauer Tage niedergeschrieben wurde,

wo der Streit des Herzogs mit dem Kaiser bereits

seinen Höhepunkt erreicht hatte, und zu dieser Zeit

habe es für einen oberflächlichen, in die Tatsachen

minder eingeweihten Beobachter kaum eine beque

mere Erklärung für den Anlaß des Zerwürfnisses

gegeben. Daß der Verfasser der Annalen über die Tat

sachen wirklich wenig unterrichtet war, erhellt schon

daraus, daß er diese Unzufriedenheit des Herzogs

') Huillard-Bröholleg 1. c. I, p. 892.

a) Mon. Germ. Ss. XVII, p. 340.

•) A. a. 0. S. 37.

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127

über die Behandlung seines Schwagers (mehr sagt

sie nicht) zum Mittelpunkte des schlimmen Verhält

nisses zwischen Kaiser und Herzog macht, während

der Kaiser doch die Nachstellungen, was doch mehr

ist, nur so nebenbei erwähnt. Auch daraus kann man

auf ein Bündnis zwischen Friedrich und Heinrich

nicht schließen, daß wir am 11. November 1236 Anselm

von Justingen in Wiener Neustadt finden >), einen An

hänger Heinrichs, dessen Burg Anfang 1236 von kai

serlichen Scharen gebrochen worden war, worauf er

die Flucht ergriffen hatte 2). Leider sind die dem 11.

November vorausgehenden Urkunden Herzog Fried

richs von 1236 alle ohne Zeugen, sonst wüßten wir

vielleicht, ob Anselm sogleich nach Österreich floh

oder nicht. Solange wir aber das nicht wissen, müssen

wir sagen, daß damals, wo Justingen tatsächlich bei

Friedrich nachweisbar ist, eben schon Kriegszustand

zwischen dem Herzog und dem Kaiser bestand. Da

ist es erklärlich, wenn Justingen zu dem Manne floh,

der ihn unter obwaltenden Umständen gewiß nicht

auslieferte. Und wäre Anselm auch schon früher beim

Herzog gewesen, als dieser noch mit dem Kaiser

unterhandelte, so würde daraus auf ein früheres

Bündnis zwischen Heinrich und Friedrich auch noch

nicht zu schließen sein.

Wir werden also behaupten können, daß sich

eine Verbindung des Herzogs von Österreich mit dem

ehemaligen deutschen Könige in keiner Weise mit

stichhältigen Gründen beweisen läßt, im Gegenteil,

aus der hierher gehörigen Stelle des Manifests geht

geradezu hervor, daß der Herzog nicht das Geringste

getan, woraus man in irgend einer Weise so etwas

hätte ableiten können.

Aber auch mit den Mailändern und »anderen

Feinden des Kaisers und des Reiches«, also mit einem

Worte mit dem lombardischen Bunde (wenn nicht

') Meiller a. a. 0. S. 157, Nr. 40.

>) Winkelmann a. a. 0. I, S. 485.

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128

etwa der Zusatz »et alii inimici« wieder so eine vage

Erweiterung ist, die sich sehr gut anwenden läßt,

wenn man bei Aufzählungen nichts mehr findet) soll

er sich verbunden, und selbst mit dem hl. Vater, der

sich ja seit Beginn des Jahres 1236 wieder mehr und

mehr vom Kaiser ab und dem lombardischen Bunde

zuwandte1), Beziehungen eingefädelt haben.

Von anderer Seite wissen wir über die Unter

handlungen mit dem Bunde und mit dem Papste

nichts, jedenfalls fallen sie, wenn sie wirklich Tat

sache sind, nach Mai 1235, wo sich also der Herzog

angesichts der immer drohender sich gestattenden

Zukunft um Bundesgenossen umzusehen hatte. Es

wäre das allerdings nahe liegend, die Lombarden

wären gewiß die natürlichsten Bundesgenossen des

Herzogs gewesen und auch der Papst hätte für ihn

unter Umständen wertvoll werden können. War An

selm von Justingen im Frühsommer 1236 wirklich

schon beim Herzog (was aber nicht nachweisbar ist),

so könnte man glauben, daß der alte Botschafter

und Vermittler auch hierin den Herzog durch seinen

Rat beeinflußt habe. Besonders was die dem Herzog

zur Last gelegte Verbindung mit dem Papste be

trifft, so läßt sich schwer annehmen, daß das kaiser

liche Manifest zu einer Zeit, wo doch der Kaiser mit

dem Papste durchaus noch auf freundlichen, wenn

auch schwankenden Füßen stand, es gewagt hätte,

öffentlich so etwas aus der Luft zu greifen, da doch

der Papst sofort dagegen hätte protestieren können,

daß er von dem Rebellen auch nur was immer für

Anträge oder Andeutungen empfangen habe. Sollte

sich aber der Herzog wirklich in irgend einer Weise

an den Papst gewendet haben, so wird auch ein Ver

such, sich mit den Lombarden zu verbünden, glaublich,

wenn auch diesen gegenüber der kaiserlichen Kanzlei

weniger Rücksicht zugetraut werden darf.

') Winkelmann a. a. 0. n, S. 15 ff.

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129

I

Inde6 können weder die Verhandlungen mit dem

Papste (das Manifest spricht selbst nur von »atten-

tare«) noch auch mit den Lombarden zur Zeit des

Manifests weit gediehen sein, wenn sie überhaupt

stattfanden ; der Kaiser hätte sonst Bestimmteres zu

sagen gewußt. Doch läßt sich auch später von der

artigen Verbindungen keine Spur entdecken.

Weitaus am schwächsten sind aus anderen Quellen

die nun folgenden Anklagen beweisbar, in welchen

der Kaiser den Herzog der Gefährdung seines Lebens

und seiner Ehre beschuldigt. Daher gehören vorgeb

liche Anschläge durch den Alten vom Berge, die

Gefangennahme kaiserlicher Boten, Wegnahme russi

scher, für den Kaiser bestimmter Geschenke und die

Besetzung einer vom Kaiser geerbten Burg.

Der Herzog, so heißt es zunächst im Manifest,

habe Boten zum »Alten vom Berge« gesandt, den man

Assassinus nenne, um ihn für eine ungeheure Summe

für die Ermordung des Kaisers zu dingen. Es wird

nicht gesagt, ob der »Alte vom Berge« auf den An

trag des Herzogs eingegangen sei ; so allerdings ließ

sich die Beschuldigung am besten vorbringen. Ander

weitig kann man die Beschuldigung nicht begründen

und eine derartige Anklage, »zur Beseitigung ver

haßter Personen Meuchelmörder ausgesendet zu haben,

unter denen wieder die Untertanen des ,Alten vom

Berge', die Assassinen, eine besondere Bevorzugung

haben, ist eine in jenen Zeiten so vielfach wieder

kehrende (beispielsweise wurde der Kaiser selbst von

Gregor IX i. J. 1239 und auf dem Concil von Lyon von

Innocenz IV. beschuldigt, auf solche Weise 1231 den

Tod des Herzogs von Baiern herbeigeführt zu haben)

und dabei (für europäische Gegenden) stets so uner

weisliche Beschuldigung, daß man auf dieselbe ein

größeres Gewicht nicht legen darf« 1)*).

>) Ficker a. a. 0. S. 51 f.

*) Anmerkung. Wenn Krones sagt, der Kaiser werfe dem

Herzog vor, daß er mit dem „Alten vom Berge" um ein Attentat

Prager Studien. XL q

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130

Ferner wird der Herzog beschuldigt, er habe

kaiserliche Boten, trotzdem er (Herzog Friedrich)

ihnen Sicherheitsbriefe und Geleitsleute gegeben, be

rauben lassen (praeterea nuncios nostros in securi-

tate sua et conductu receptos spoliari mandavit).

Geleitsreiter gab der Herzog fremden Reisenden

(natürlich gegen eine Geleitsgebühr) kraft seines Ge

leitsregals (ius conductus), das ebenfalls durch das

Reichsgesetz König Heinrichs von 12;31 den Fürsten

als persönliches Recht innerhalb ihrer Territorien

zuerkannt wurde l), nachdem es früher schon tatsäch

lich, wie die übrigen Regalien, geübt worden war.

Die Geleitsgebühren waren an den Zöllner (telconarius)

abzuführen, dem die Geleitsreiter unterstanden2). Der

Geleitsbrief stellte den Reisenden unter den Schutz

des Landfriedens, so daß jeder, der ihn belästigte,

als Landfriedensbrecher behandelt werden konnte.

Merkwürdig ist. daß der Herzog sogar kaiser

lichen Boten gegenüber sein Geleitsrecht ausüben

durfte. Dieselben werden keine Gebühr zu zahlen

gehabt haben, sondern erhielten wohl nur herzogliche

Geleitsleute und einen Sicherheitsbrief, in dem bezeugt

wurde, daß sie kaiserliche Boten seien. So wird man

sich die Sache vorzustellen haben.

Wohin diese kaiserliche Botschaft reiste, ist nicht

bekannt. Allerdings erzählen die Heiligenkreuzer An-

nalen: »Postea imperator misit nuncium suum in

Austriam, interdixit ei gratiam suam et auxilium et

gegen den Kaiser, als dieser sich 1229 iin Morgenlande befand, unter

handelt habe (Handbuch der osterr. Gesell. I. S. 025), so sagt das

erstens der Kaiser nicht, und zweitens würde Herzog Friedrich doch

den Mordanschlag wahrhaftig nicht schon 1229, wo ihm doch der

Kaiser noch nicht das Geringste in den Weg gelegt hatte, geplant

haben (Ivrones gibt die Jahreszahl ausdrucklich an), umsomehr, wenn,

wie Krones früher behauptet, nach dem Tode Leopolds Theodora

ihrem Sohne als Kegentin zur Seite gestanden, mithin Friedrich 1229

noch unmündig gewesen wäre.

') Werunsky a. a. 0. S. 120.

s) L. c.

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131

consilium ; quem nuntium sui captivantes et male

tractantes, tandem ad iussum ducis est dimissus« 1).

Es wäre für die Bestimmung der Abfassungszeit

des Manifests von Wichtigkeit, wenn wir nachweisen

könnten, daß die vom Kaiser und von den Heiligen

kreuzer Annalen erwähnte Botschaft identisch sei ;

denn dann müßte das Manifest erst nach der Kriegs

ankündigung erlassen worden sein.

Allein das scheint nicht möglich zu sein ; denn

abgesehen davon, daß die Annalen von einem, das

Manifest von mehreren Boten sprechen, werden Kriegs

boten kaum viel zum »Berauben« gehabt haben, wie

denn auch die Annalen von einer Beraubung nichts

wissen.

Ficker2) übersetzt allerdings : »unsere Gesandten

an ihn (den Herzog)«, allein davon sagt das Manifest

nichts.

Es möchte uns fast scheinen, als seien die Boten

vielmehr Gesandte gewesen und mit jenen Gesandten

in Zusammenhang zu bringen, welche der Kaiser in

der nächsten Anklage erwähnt, wo er sagt, daß der

Babenberger Gesandten (nunciis) des Herzogs von

»Koscien«, welche mit Geschenken an den Kaiser

durch österreichisches Land reisten, diese Geschenke

habe abnehmen lassen zur Schmach und Schande

des Kaisers.

Möglich, daß der Kaiser damals mit einem Für

sten Osteuropas wegen einer uns freilich unbekannten

Angelegenheit unterhandelte und daher Gesandte mit

Geschenken durch Österreich hin und hergingen.

Was das »Roscien« bedeutet, ist schwer zu er-

') A. a. 0. p. 638.

2) A. a. 0. S. 50.

*) Anmerkung. Juritsch (a. a. 0. S. 556) tibersetzt tandem

mit „alsogleich", was es doch nicht heißt. Vielmehr hat sich der Herzog

um den Boten nicht sogleich gekümmert oder seine Leute waren etwas

saumselig im Gehorchen, was auch möglich ist.

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132

gründen. Huber 1), Ficker 2) und Juritsch 3) denken

an einen russischen Fürsten, Böhmer-Ficker 4) speziell

an Daniel von Halicz.

Damals kämpften nämlich Daniel von Wolhynien

und Halicz und Rostislaw, Sohn des Fürsten Michael

von Tschernigow, um Halicz. Rostislaw stützte sich

auf seinen Vater und auf eine Bojarenpartei im Lande.

Der rechtmäßige Herrscher war Daniel, wenn man

von Rechtmäßigkeit sprechen kann, da sein Vater,

Roman Motislawitsch 1188 den eigentlichen Herr

scher von Wolhynien und Halicz, Rostislaw Wladi-

mirowitsch, gestürzt hatte 5).

Es wäre nun allerdings möglich, daß sich einer

der beiden Nebenbabler an die freilich etwas weit

schichtige Hilfe des deutschen Kaisers gewendet hatte.

1237 schloß Daniel mit Ungarn ein Bündnis, das aber

auch unfruchtbar blieb, da gerade Ungarn 1239 den

aus Halicz flüchtenden Rostislaw aufnahm6).

An Rascien-Serbien werden wir kaum denken

können, da auch 1237 nuntii regis Ruscie zum

Kaiser kamen, als dieser sich in Wien aufhielt7).

Endlich beschuldigt der Kaiser den Herzog, er

habe eine Burg, die ein ehemaliger Regensburger

Vogt (der Name ist nicht genannt) ihm und dem

Reiche von Todes wegen vermacht habe, zu besetzen

gewagt.

Offenbar war das ein Vogt auf bischöflichen

Besitzungen in Osterreich. Es ist sehr Schade, daß^wir

nicht einmal den Namen des Vogtes wissen, vielleicht

'j A. a. 0. I, S. 411.

») A. a. 0. S. 50.

3; A. a. 0. S. 555.

*) A. a. 0. Nr. 2209 a.

s) Scliieniann, Rußland, Polen und Lievland bis ins 17. Jahrn,.

1. Bd., 8. 200 ff. (Sammlung üncken, Allg. Gescb. in Einzeldar

stellungen).

") L. c.

i) Böhmer-Ficker a. a. O. Nr. 2209 a.

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133

könnten wir daun konstatieren, daß es auch hier ein

Streit um die Landeshoheit war. So aber läßt sich

nichts machen. Nur so viel sei angedeutet, daß dieser

Vogt vielleicht ein inländischer Adeliger war, mit dem

das Geschlecht ausstarb und der sein Allod aus Ab

neigung gegen den Herzog dem Kaiser vermachte;

und wie sich einst Leopold VI. 1210 als gesetzlichen

Erben des ohne Nachkommen verstorbenen Grafen

von Hohenburg betrachtete, weil dessen Güter »inner

halb der Grenzen seines Herzogtums gelegen seien« 1),

so mochte auch Friedrich Ii. dem Kaiser den Besitz

der ihm legierten Burg bestritten und sie besetzt

haben. Dann würde sich der Streit allerdings wieder

um die Landeshoheit drehen. Indes ist das nur eine

Konjektur, die wir weiter nicht begründen können.

Ob sich aber die Sache so oder ähnlich ver

hält: wir werden immer sagen müssen, daß dadurch

die Schuld Friedrichs doch um etwas verringert wird,

obwohl zugegeben werden muß, daß sein Recht auf

solche Allode gewiß mehr als zweifelhaft und die

Mißachtung der kaiserlichen Hoheit groß genug

war, wenn der Babenberger die Burg ohne weiteres

besetzen ließ. Noch schlimmer war die Beraubung

der kaiserlichen Gesandten — ein wahrer Hohn gegen

den Kaiser, worüber dieser empört sein mußte.

Dennoch werden diese Schritte des Herzogs

wenigstens erklärlich, wenn wir annehmen, daß er

erst nach dem vollständigen Bruche mit dem

Kaiser denselben so zu mißachten wagte.

Dieser vollständige Bruch scheint erst Mitte

Juni eingetreten zu sein.

Hirn2) hat darauf hingewiesen, daß sich der

Seckauer Bischof, bekanntlich späterhin der vertrau

teste Freund des Babenbergers 3), noch im April 1236

zu Speier bei Kaiser Friedrich befand, und vermutet,

1) Fontes rerum Austr., Dipl. XXI. 4. 5.

*) A. a. 0. S. 38.

») Huber a. a. 0. S. 412, Anm. 1.

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134

daß der Herzog wohl um diese Zeit noch mit dem

Kaiser verhandelte. Ficker^'weist diese Konjuktur ab

mit der Bemerkung, der Kaiser, der sonst jeden Be

weis seiner Langmut mit der größten Sorgfall regi

striere, hätte dies sicherlich im Manifeste bemerkt.

Indes scheint uns das Übergehen dieser Verhand

lungen im Manifeste auch durch ihre Resultatlosig-

keit erklärt zu sein, und besonders dadurch, daß der

Kaiser durch ihre Erwähnung den eigentlichen Grund

seiner »Langmut«, nämlich die Sehnsucht, angesichts

der lombardschen Angelegenheit die österreichische

in Frieden beizulegen, gar zu sehr verraten hätte.

Huber2) geht denn auch noch viel weiter als

Hirn, indem er die Unterhandlungen bis in den Juni

1236 dauern läßt. Das scheint wirklich wahrscheinlich.

Denn Herzog Friedrich stellt im Juli unter Mitbe-

sieglung des Erzb. von Salzburg drei Verpfändungs

urkunden für den B. von Frei sing, aus, darunter eine

»occasione expensarum, quas idem episcopus in curia

domini nostri Fr. ser. imperatoris Rom. nostro nomine

atque de mandato nostro fecisse dinoscitur« 3) Böhmer-

Ficker 4) nimmt ebenfalls an, daß die beiden Bischöfe

(nämlich der Erzb. von Salzburg und der B. von

Freising) als Unterhändler im Juni bei dem Kaiser

zu Donauwörth dann im Juli beim Herzoge waren*).

Dazu gesellte sich wieder der Seckauer, der zugleich

mit dem Salzburger und Freisinger vor dem Kaiser

erscheint 5).

Im Juli mögen die Unterhandlungen endgiltig

abgebrochen worden sein. In die zunächst darauf

1) A. a. 0. S. 46, Anm. 1.

») A. a. 0. S. 412.

3) Fontes rer. Austr. II, XXXI, 134.

•) A. a. 0. Nr. 2180.

6) Böhmer-Ficker 1. c.

*) Anmerkung. Da sich die beiden Bischöfe des Herzogs so

annehmen, so möchten wir meinen, daß die oben behandelte Grenz

sperre um diese Zeit wenigstens, wenn nicht schon früher, wieder

aufgehoben war.

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135

folgenden Wochen hat man dann die Beraubung der

kaiserlichen und russischen Boten *) und vielleicht

auch die Besetzung jener Burg zu verlegen. Diese

Anordnung der Tatsachen stimmt vollkommen mit

der des Manifests, worauf wir immerhin ein ge

wisses Gewicht legen dürfen. Daß das kaiserliche

Schreiben auch den Assassinenanschlag erst nach

dem Hagenauer Tage erwähnt, wird seinen guten

Grund haben, nämlich den, daß der Anschlag zu dieser

Zeit noch am meisten glaublich erscheinen mußte.

Die Verhandlungen mit den Lombarden und

dem Papste könnten aber auch schon bald nach dem

Hagenauer Tage eingeleitet worden sein, da sie ja

im geheimen betrieben wurden und Friedrich immer

hin zu gleicher Zeit mit dem Kaiser weiter unter

handeln konnte.

3. Der Herzog und seine Familie.

An allerletzter Stelle bringt das Manifest zwei

Anklagen, welche den Herzog nicht nur als asiati

schen Despoten gegen seine Untertanen, sondern

noch mehr als höchst ungeratenen Sohn, als pietät

losen Bruder und Schwager, zeigen sollen.

Wir wissen bereits, daß der Herzog seiner

Mutter **) ihre Güter raubte und zu ihr in einer Weise

redete, daß sie es für besser hielt, zum Könige von

Böhmen zu fliehen l). Sie wollte nicht dasselbe er-

]) Vgl. oben S. 77 ff.

*) Anmerkung. Aber noch vor die Ächtung, denn nach

der Kriegsankündigung würden sie nicht mehr durch Osterreich ge

zogen sein.

**) Anmerkung. Nach Cont. Claustroneob. II, p. 620, Cont.

Adm. p. 590 und Cont. Garst p. 506 (von der die Adm. abschreibt),

ist Theodora eine Enkelin, nach den Melker Annalen p. 506 eine

Tochter des griechischen „Königs". Ließen sich die Angaben vielleicht

dahin vereinigen, daß sie eine Tochter Aloxius IV., des Sohnes und

Mitkaisers Isaak Angelos II. sein könnte?

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136

leben, was sie schon 1226 von ihrem älteren Sohne

Heinrich erlebt hatte. In der Tat muß die Drohung,

welche der Sohn gegen die Mutter ausgesprochen zu

haben scheint, sie ins Kloster zu stecken oder auf

eine andere Weise zu internieren (»propter timorem

filii, ne se perpetue includeret« 1) nicht ein bloßer

Zornesausbruch gewesen sein, sonst wäre doch die

Herzogin, die ihren Sohn ja kennen mußte, nicht ge

flohen.

Eine solche Behandlung der Mutter war aller

dings sehr verwerflich, und wir wollen sie in keiner

Weise entschuldigen. Daß Friedrich aber, wie das Ma

nifest erzählt, auch die ruchlose Drohung ausgestoßen

habe, er wolle seiner Mutter die Brüste abschneiden

lassen, wenn er ihrer habhaft werden könne, ist sonst

nirgends verbürgt und scheint umsomehr lediglich

zur blutigen Ausschmückung der Tatsachen beigefügt

zu sein, als es eine immerhin naheliegende beliebte

Phrase ist.

Der König von Böhmen bewog Theodora, ihre

Klagen vor den Kaiser zu bringen. Wann sie dies

getan, wissen wir nicht und ebensowenig, ob sie

wirklich »nie aufgehör* habe, unter beständigen

Schreien die Gerechtigkeit des Kaisers gegen einen

so gottlosen Sohn anzurufen«.

übrigens versöhnten sich später der Herzog und

Theodora*), und daßersterer nicht ein gar so unge

ratener Sohn war und sich mit der Mutter aufrichtig

verständigt hatte, geht am besten daraus hervor, daß

die österreichischen Annalen und Nekrologen ein

stimmig melden, die Herzogin-Mutter sei sieben Tage

nach dem Tode ihres Sohnes (27. Juni 1246) »an ge

brochenem Herzen« gestorben 3).

') Cont. Sancr. II. 1. c. p. 638.

') Meiller a. a. 0. S. 182, Nr. 151.

') Cont. Garst. 1. c p. 598; Anm. S. Rudp. 1. c. p. 789; Cont.

Praed. Vind. 1. c. p. 727; Cont. Sancr. II. p. 642; Nccrolog. Admnnt.,

ed. Pez, Ss. rer. Austr. II ad 22/VI; Necrol. Salisb., Cremif., Claustron.

ad 23/ IV und Necrol. Campilil. ad 2 /VI.

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137

Ein höchst eigentümliches Licht wirft eine zweite

Anklage auf das Manifest Kaiser Friedrichs.

Es wird nämlich in demselben mit auffallender

Umständlichkeit erzählt, der Herzog habe bei der

Vermählungsfeierlichkeit des Markgrafen Heinrich

von Meißen mit seiner Schwester Konstanze das junge

Paar in der Brautnacht 'überfallen und es gezwungen,

auf die Mitgift zu verzichten, obwohl der Herzog sich

vor' der Hochzeit ausdrücklich verpflichtet hatte, keine

diesbezügliche Forderung vorzubringen oder eine

Verringerung der Mitgift (»remissionem aliquam)

zu begehren. Auch die Ministerialen des Markgrafen

habe er umzubringen gedroht, wenn ihm sein Ver

langen nicht gewährt würde.

Die Hochzeit fand statt zu Stadlau am 1. Mai

1234. Friedrich stand damals auf dem Gipfel seines

kriegerischen Ruhmes. Nicht nur die Empörung der

Ministerialen seines Landes war mit überraschender

Schnelligkeit niedergeschmettert, sondern auch die für

unüberwindlich geltende mährische Festung Vöttau

erobert; der König von Böhmen war vor dem Herzog

schmählich geflohen'1), die Ungarn waren, nachdem

sie an der steirischen Grenze einen großen Sieg in

Friedrichs Abwesenheit davon getragen, von diesem

besiegt und ihre Burg Theben zerstört worden2). Jetzt

waren die im Vorjahre besiegten Könige Andreas

und Wenzel zur Hochzeit erschienen, desgleichen der

Erzb. von Salzburg, die Bischöfe von Bamberg, Frei

sing, Passau, Seckau, die Herzoge Albert von Sachsen,

Bernhard von Kärnten, der Markgraf Pfemysl von

') Cont. Garst 1. c. p. 596 (ad annum 1232); Ann. Mellic. 1. c.

p. 508 (ad 1234), Cont. Sancr. I. 1. c. p. 628, Cont. Lainbac. p. 558,

Cont. Praed. Vindob. 1. c. p. 727 (ad 1233), Cont. Sancr. II. p. 637

(ad 1234).

J) Cont. Praed. Vind. 1. c. p. 727; Ann. Mellic. I. c. p. 508;

Cont. Lambac. I. c. p. 558; Cont. Sancr. I. 1. c. p. 628 und Cont.

Sancr. II. 1. c. p. 037.

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138

Mähren und der Landgraf Heinrich von Thüringen

Da mochte wohl das Herz des Babenbergers höher

schlagen, wenn er auf diese Gäste blickte.

Schon deshalb klingt der rohe und noch dazu

aussichtslose Überfall denn doch etwas sehr merk

würdig: der Herzog müßte ihn dann etwa im Zu

stande der Trunkenheit verübt haben, in welchem

Falle er jedenfals nicht ins Manifest des Kaisers ge

hört. Sonst gewinnt man beim Studium der Geschichte

des letzten Babenbergers nicht den Eindruck, daß

er so ganz und gar unüberlegt und alles Ehrgefühles

bar war, wie ihn eine solche Tat in Anwesenheit

vornehmer Gäste erscheinen läßt. Da er die Ministe

rialen des Markgrafen bedrohte, mußte ja jedenfalls

der Lärm und der Aufruhr groß sein.

Ferner meldet keine sonstige Quelle etwas von

dem Überfalle, auch die meißnischen nicht, die es

doch hätten wagen dürfen und dabei über die Hoch

zeit sehr weitläufig berichten2). Endlich klagt der

Markgraf den Herzog dieser Tat nicht an, wie Schirr

macher erzählt3).

Es ist nun freilich wahr, daß andererseits das

Manifest doch wohl eine solche Geschichte nicht rein

aus der Luft gegriffen haben kann, da sie doch

nach seiner Angabe infolge der Bedrohung der mark

gräflichen Ministerialen allgemein bekannt sein mußte.

Wie ist die Sache zu erklären? Am wahrschein

lichsten hat wohl der Herzog einen solchen Überfall

(etwa ähnlich wie das Manifest ihn schildert) wirklich

ausgeführt, aber im Zustande größerer oder gerin

gerer Trunkenheit. So läßt sich einerseits verstehen,

daß der Kaiser die Sache aufzugreifen wagte, und

andererseits, weßhalb die bei der Hochzeit selbst An

wesenden auf die Episode kein Gewicht legten. Einen

') Cont. Sancr. II. I.e. p. 638; CoDt. Admunt. 1. c. p. 593 (schreibt

von ersterer ab).

ä) Vgl. dazu Ficker a. a. 0. S. 52.

3) Kaiser Friedrich III., in. S. 233.

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etwaigen tollen Hochzeitsscherz zugrunde zu legen,

wie Juritsch ') es tut, wird daher kaum abzuweisen

sein. Freilich ist er etwas übel ausgefallen uud konnte

leicht noch übler aufgefaßt werden, wie es ja manch

mal bei sonst nicht so schlecht gemeinten Scherzen

geschieht ; zumal wenn man, was vorzuziehen sein

wird, ihn eben in etwas angeheitertem Zustande voll

führt werden läßt. Denn in ersterem Falle ließe sich

das Schweigen der Meißner Quellen sicherlich weniger

erklären.

Übrigens liegt an der Sache nicht soviel, als

daß wir länger dabei verweilen sollten. Nur das eine

sei noch bemerkt, daß es doch unwahrscheinlich

klingt, der Markgraf habe sich vor der Hochzeit

eigens verbeten, bei derselben etwa eine Bitte oder

Forderung auf Verminderung der Mitgift vorzubrin

gen ; das wäre mindestens höchst unhöflich ge

wesen und einen so schlechten Leumund als roher,

gewalttätiger und habsüchtiger Mensch wird wohl

der Herzog im Jahre 1234 außer Landes noch kaum

gehabt haben, daß man von vornherein solche Vor

sichtsmaßregeln anwenden zu müssen glaubte.

Auffallend ist, warum der Kaiser die beiden

Erzählungen an den Schluß des Manifestes setzt.

Während er sonst die Zeitenfolge, soweit man sehen

kann, einhält, tut er es hier nicht; denn auch die

Herzogin-Mutter wird wohl ihre Klagen kaum erst

nach dem Hagenauer Tage eingebracht haben. Und

wäre das geschehen, so sollte man vermuten, daß sie

das Manifest gleich nach dem Hagenauer Tage er

wähnen würde.

Der einzige Grund also, warum die Klagen der

Herzogin ganz zum Schluß aufgespart werden, scheint

der zu sein, daß all die Schandtaten des Herzogs

gekrönt werden sollen durch eine wieder die Natur

»naturae reverentiam non observans«. Es war ja auf

diese Weise Gelegenheit, das Manifest in recht sal-

») A. a. 0. 6. 542.

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bungsvollen Worten zu schließen und dem Auftreten

des Kaisers einen gewissen frommen Anstrich zu

geben.

Gestört wird diese Wirkung freilich bedeutend

durch die etwas sonderbare Geschichte in der Braut

nacht. Doch konnte auch sie geeignet erscheinen, die

ganze Rohheit und den überall unerträglichen Über

mut des Herzogs noch einmal an den Pranger zu

stellen.

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Schluß.

Nachdem wir die Anklagen des Manifests, so

gut wir es vermochten, untersucht, erübrige noch,

das Resultat unserer Untersuchung in kurzen Worten

zusammenzufassen, ferner die zwei Fragen zu beant

worten, ob der Herzog auf diese Anklagen hin mit

Recht geächtet werden konnte und ob sie auch wirk

lich der eigentliche Grund des Vorgehens Kaiser

Friedrichs gegen den Babenberger waren oder aber

etwas anderes.

Alle Anklagen, die sich auf die Zeit bis Mai 1235

beziehen, fanden wir unberechtigt; denn die Versäu

mung der Mutungsfrist bringt auch der Kaiser nicht als

Anklage vor und dasselbe kann man betreffs der noch

immer schwebenden Mitgif c sagen.

Die weiter folgenden lassen sich unter gewissen

rechtlichen Gesichtspunkten gruppieren: der Herzog

wird im Manifeste als Privatmann, als Landesfürst,

als Reichsfürst und in seinem persönlichen Verhältnis

dem Kaiser gegenüber angeklagt.

Wir haben die Behandlung der Herzogin-Mutter,

auf das rechte Maß zurückgeführt, es in keiner Weise

bemäntelt. Ihre Klage vor dem Kaiser konnte jeden

falls ein Moment bilden, das bei der Ächtung eine

Rolle zu spielen imstande war. Die Scene in der

Brautnacht ist wohl voll und ganz aus der Reihe

der Verbrechen des Herzogs zu streichen.

Als Landesfürst wird sich der Herzog bis zur

Abfassung des Manifests wohl einiger Nachlässig

keiten im Abhalten der Gerichte haben zu Schulden

kommen lassen, auch streng, rücksichtslos, selbst

grausam mag er hie und da bei Vollstreckung der

gerichtlichen Urteile gewesen sein ; mehr haben wir

aus den Quellen nicht nachzuweisen vermocht, vor

allem nicht Ungerechtigkeiten gegen Witwen und

Waisen. Wir haben gefunden, daß er Niedrige nicht

nur nicht mit Füßen getreten, sondern sich ihrer an

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genommen hat den Ministerialen gegenüber. Diese

scheint er mit strenger Hand gezügelt und die Klöster

und vor allem die Bauern gegen sie geschützt zu

haben. Das war kein Verbrechen Friedrichs, sondern

etwas durchaus Lobenswertes. Ihren ständischen Be

strebungen gegenüber verfolgte er die Bahnen weiter,

die ihm sein Vater vorgezeichnet; die Landeshoheit

ließ er sich durcTi die hochstrebenden Gesellen nicht

nur nicht verkümmern, sondern strebte sie nach

allen Seiten zu erweitern. Der Klerus hatte sich gegen

ihn in der Zeit, die uns beschäftigt, nicht zu beklagen,

die Städte und Märkte hatten zwar einige Gründe

für ihre Mißstimmung gegen ihn, dieselben waren

aber im Ganzen unbedeutend. Sittlichkeitsvergehen

werden wohl vorgekommen sein.

Der Herzog war also keineswegs das Muster

eines Fürsten, bei weitem nicht so gerechtigkeits-

liebend, so ehrenhaft und vor allem nicht so klug, wie

sein Vater. Aber im großen und ganzen war er eben

nicht schlechter als die meisten Fürsten seiner und

mancher anderen Zeit. Einen Anlaß für eine Ächtung

hat der Herzog als Landesfürst nicht gegeben. Die

Klagen gehen wesentlich von den Ministerialen aus

und haben also ihren geheimen Angelpunkt im Kampfe

um die Landeshoheit.

Als Reichsfürst hat sich der Herzog zunächst

seinen Mitfürsten gegenüber einiger Übergriffe schul

dig gemacht. Er hat vielleicht den Friedensvertrag mit

König Wenzel von 1235 gebrochen, Otto II. von Bayern

wahrscheinlich durch die Besetzung Formbachs ge

schädigt. Letzterer durfte sich aber darüber nicht

beklagen, weil er jene Besetzung durch seinen Ein

fall in Österreich im Frühjahr 1233 mehr als quitt

gemacht hatte. Die Grenzsperre gegen die bischöf

lichen Nachbarländer müssen wir ungerecht nennen,

wenigstens insoweit sie sich auf die von den bischöf

lichen Besitzungen in Österreich und Steier kommen

den Getreide- und Weinladungen bezog. Wenn sich

der Streit auch um die Gerichtshoheit drehte, so

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müssen wir dem Herzog auch hierin Unrecht geben.

Denn wenn zwischen den Herzogen und Bischöfen

infolge der bekannten unklaren Stelle des Privilegium

minus bezüglich der Exemption der bischöflichen

Besitzungen von der Gerichtsgewalt des Herzogs

früher Streitigkeiten erklärlich waren, so daß eben

jene Stelle von kompetenter Seite hätte eine Inter

pretation finden sollen, so war die Sache ein für

allemal entschieden, da der Großvater und Vater

Friedrichs des Streitbaren in den Jahren 1189 und

1215 auf ihre Ansprüche urkundlich verzichtet hatten.

Nichtsdestoweniger wird man nicht behaupten können,

daß der Herzog sich durch diese Ungerechtigkeiten

der Acht schuldig gemacht, da er, wenn man aus

der wohlwollenden Gesinnung des Salzburger Erz-

bischofs und des Freisinger Bischofs gegen ihn nach

dem Augsburger Tage und späterhin bis zur Äch

tung schließen darf, seine Maßregeln gegen sie bald

zurückgenommen zu haben scheint.

Berechtigt ist auch die Anklage wegen des Krie

ges gegen die Ungarn, da derselbe gegen das direkte

Verbot des Kaisers unternommen wurde. Außer

ordentlich würde gegen den Herzog auch die Miß

achtung der beiden Citationen ins Gewicht fallen und

die Ächtung vollständig begründen, wenn nicht die

Stelle des Privilegs über die Hoffahrt der österrei

chischen Herzoge derart wäre, daß der Wortlaut

durchaus für den Babenberger spricht. Wir wollen

damit nicht leugnen, daß dem Sinn des Privilegs das

Gegenteil bei weitem mehr entsprach, allein ohne

Zweifel hätte die Stelle eben auch einer Interpreta

tion — etwa durch ein Fürstenschiedsgericht — drin

gend bedurft, wobei man natürlich auf Unparteilich

keit des Schiedsgerichtes außerordentlich sorgfältig

hätte sehen müssen.

Die Unterhandlungen mit den Lombarden und

die Versuchung des Papstes von Seite eines Reichs

fürsten werden ja allerdings an Reichsverrat mehr

als streifen, aber der Herzog tat diese Schritte in der

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höchsten Not; man kann wohl sagen, er wurde vom

Kaiser selbst dazu gedrängt. Jede hochverräterische

Verbindung mit König Heinrich dagegen haben wir

als durchaus unbegründet abgewiesen.

Was jene Verbrechen betrifft, die sich auf die

kaiserliche Person und Ehre beziehen, so darf man

den Assassinenauschlag Verleumdung nennen. Die

Beraubungen der kaiserlichen und russischen Boten

und die Besetzung der Burg lassen sich nicht kurz

weg leugnen; sie sind aber wohl nach dem vollstän

digen Bruche, letztere wenigstens wahrscheinlich, zu

setzen und waren sie gewiß ein Hohn gegen den Kaiser,

so handelte es sich bei der Besetzung der Burg

vielleicht wieder um die Landeshoheit.

So können wir als Momente, welche die Acht

begründeten, nur die schlechte Behandlung der Her

zogin Theodora, den Krieg gegen die Ungarn im

Jahre 1235, die Unterhandlungen mit den Lombarden

und dem Papste und endlich die Beraubung der

kaiserlichen und russischen Gesandten anführen.

Alle zusammen lassen die Reichsacht immer

hin berechtigt erscheinen. Nichtsdestoweniger geben

wirFicker gerne zu, daß sich im Hintergrunde noch

etwas ganz (anderes barg, was der Kaiser der übrigen

Fürsten wegen wohlweislich verschwieg, nämlich das

Streben, den Herzog mit fester, konsequenter Hand

wieder enger ans Reich zu ziehen, während der Herzog

nicht nur seine Landeshoheit im Innern befestigen

und ausbilden, sondern auch, gestützt auf sein Pri

vileg, seine gesonderten Wege von der Reichsmacht

möglichst unbeirrt energisch weiterschieiten wollte.

So drehte sich der Kampf um die zwei Gegen-

prinzipe, um die es sich in den folgenden Jahrhun

derten noch oft und manchenorts handeln sollte, um

Reich und Territorium.

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