Hermann KAINBACHER
ARMAGEDDON
Physikalische Ungereimtheiten im Film für und mit SchülerInnen
aufbereitet
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters
an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der
Karl-Franzens Universität Graz
Univ. Prof. Dr. Heinz Krenn
Dr. Gerhard Rath
Institut für Physik
Mai 2004
Vorwort
Das ist sie also – meine Diplomarbeit. Zweifelsohne mit dem für Physik ein wenig
extravaganten Titel „Armageddon“ ausgestattet, neigt sich damit auch mein Studium
dem Ende entgegen. Doch wie kommt es, dass man den Titel seiner Diplomarbeit
nach der biblischen Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse am letzten aller
Tage benennt? Die Antwort liegt auf der Hand, denn mit dem von mir gewählten
Titel ist kein religiöser Hintergrund gemeint, sondern die Wahl fiel nach dem
gleichnamigen Hollywood-Film, der im Jahre 1998 gedreht wurde.
Die Idee, dieses Thema zum Titel meiner Diplomarbeit zu ernennen, liegt schon ein
paar Semester zurück. Damals besprachen wir im „Schulpraktischen Seminar“, einer
Pflichtlehrveranstaltung für alle Physik-Lehramts-StudentInnen, alternative und
moderne Unterrichtsmethoden. Dr. Gerhard Rath, der der Leiter dieses Seminars
war, stellte uns dabei eine Methode vor, wie man aus einer Zehn-Minuten-Passage
des Filmes Armageddon einen Unterricht aufbauen könnte, in dem man sich mit den
darin vorkommenden physikalischen Fehlern beschäftigt.
Viel später, vielleicht war es ein Jahr (genau kann ich mich nicht mehr erinnern),
kam mir ganz spontan die Idee, genau dieses Happening von der Stunde damals zu
einer Diplomarbeit in physikalischer Fachdidaktik aufzupolieren. Nachdem ich meine
Idee mit Gerhard Rath besprochen hatte, war bald klar: „That's it!“ Somit war ich
einer der wenigen Studenten, die ein Thema samt Betreuer hatten – jedoch war ich
noch ein Stück davon entfernt, die Arbeit effektiv zu beginnen. Meistens ist es
nämlich genau andersrum der Fall: Man braucht dringend ein Thema, das man
ausarbeiten könnte, da man mit dem Rest der universitären Anforderungen beinahe
fertig ist, hat aber keines.
Im Inbegriff, bereits eine Thematik für seine Abschlussarbeit auserkoren zu haben,
wurde das Vorhaben noch ein wenig aufgeschoben, da noch die eine oder andere
Prüfung zu absolvieren war. Im Herbst 2003 schließlich war es dann doch soweit: Die
ersten „echten“ Recherchen begannen. Da ich mich unter anderem mit
physikalischen Ungereimtheiten in diesem Film befasste, ließ es sich nicht vermeiden,
den Movie wieder und wieder anzusehen. Glücklicherweise ist das ein
Leinwandstreifen, der auch beim x-maligen Ansehen noch immer nicht zum Hals
raushängt. Auch die vielbesagten „rechteckigen“ Augen sind erfreulicherweise
ausgeblieben.
Dies war also der Anfang zu meiner Diplomarbeit und nach und nach füllten sich die
Kapitel mit Informationen auf. Jetzt, da die Arbeit fertig ist, muss ich doch
eingestehen, dass die Arbeit, die zum Erstellen dafür nötig war, ein zufriedenes und
schönes Gefühl hinterlässt, welches ich auf keinen Fall missen möchte. Allerdings
wäre ich nie dorthin gekommen, wenn mich nicht im Laufe der Zeit verschiedenste
Personen unterstützt und immer wieder ermutigt hätten. Allen diesen Personen
gebührt mein ausdrücklicher Dank. Da es aber wohl eine sehr lange Liste ergäbe,
wenn ich alle diese Personen einzeln aufzählen würde, die dazu beigetragen haben,
möchte ich nur einige davon stellvertretend für alle nicht namentlich Genannten
explizit erwähnen.
An oberster Stelle meiner Dankesskala stehen unumstritten meine Eltern Oswald und
Maria. Ohne euch wäre ich nie dahin gekommen, wo ich jetzt angelangt bin. Ich
danke euch für die jahrelange Unterstützung und dafür, dass ich immer jenen Weg
gehen durfte, den ich von mir aus einschlagen wollte. In diesem Sinne ein herzliches
„Vergelt’s Gott“ an euch beide.
Ebenfalls bedanken will ich mich bei meinen beiden Betreuern der Diplomarbeit: Bei
Gerhard für die vielen offenen Ohren, die er mir entgegnete, wenn ich mal einen Rat
brauchte, für die beiden Unterrichtsstunden, die ich in seiner Klasse halten durfte
und auch für die vielen literarischen Quellen, die er mir bereitstellte; bei Herrn Prof.
Krenn für die sachlichen und fachlichen Hilfestellungen, die er trotz seiner spärlich
vorhandenen Zeit immer wieder geben konnte.
Auch allen meinen Freunden möchte ich ein „Dankeschön“ aussprechen. Ich werde
an diesem Punkt allerdings nicht alle einzeln aufzählen, das würde wohl zu lange
dauern. Außerdem meine ich, dass ohnehin jede/r Betroffene weiß, dass er/sie
angesprochen ist. Euch allen möchte ich weiters noch sagen, dass es mir eine große
Ehre wäre, unsere Freundschaften weiterhin so aufrechtzuerhalten, wie man sie auch
bis dato vorfinden konnte.
In diesem Sinne wünsche ich allen, die diese Arbeit lesen, nur das Beste und viel
Spaß beim Durchschmökern der einzelnen Seiten.
Graz, im Mai 2004 Hermann Kainbacher
„Aber die Gesetze der Physik kann
ich nicht ändern, Captain!“
(Scotty zu Kirk in „Raumschiff Enterprise“)
INHALTSVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG 7
II. UNGEREIMTHEITEN IN ARMAGEDDON 14
1. Größe 15
2. Entdeckung 16
3. Vor 65 Millionen Jahren... 17
4. Wechselspiel 18
5. Einschläge und deren Auswirkungen 19
6. Koordinatenberechnung und Bahn durchs Weltall 22
7. Aktivitäten im Weltraum 23
8. Beschleunigungsmanöver und die Auswirkungen 25
9. Die Raumstation MIR 28
10. Kann die NASA tatsächlich zwei Shuttles zugleich starten? 36
11. Die Planetoidenoberfläche 38
12. Der Bohrvorgang 42
13. Ist der Bohrvorgang überhaupt sinnvoll? 44
14. Sprengkraft 46
15. Die Ablenkung der beiden Asteroidenhälften 48
16. Ergänzungen zu den Ungereimtheiten 50
III. PHYSIKALISCHER HINTERGRUND 55
17. Meteoriten 56
18. Planetoiden 62
19. Kometen 65
20. Wie groß ist die Gefahr eines weiteren Einschlages? 74
21. Schutzvorkehrungen vor einem drohenden Unheil 79
22. Die Spaceshuttle-Ära 85
23. Ein Flug mit dem Spaceshuttle 96
IV. UNTERRICHTSPRAKTISCHER TEIL 103
24. Die Planung der beiden Unterrichtssequenzen 104
25. Die Durchführung der beiden Unterrichtsstunden 108
26. Nachbetrachtung und Feedback 114
V. DIDAKTISCHE ASPEKTE 120
27. „Start Using ‚Hollywood Physics’ in Your Classroom!“ 122
28. „Physical Science“ 128
VI. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS 141
I. Einleitung
„Wird dieser Asteroid die Erde treffen?“
„Das versuchen wir gerade herauszufinden, Sir.“
„Mit welchem Schaden müssten wir rechnen?“
„Mit welchem Schaden? Totalschaden Sir. Das bezeichnen wir als globalen Killer, das
Ende der Menschheit. Es kommt nicht darauf an, wo er einschlägt - da würde nichts
überleben, nicht mal Bakterien!“
Mit diesem kurzen Auszug aus einem Dialog zwischen dem US-Präsidenten und dem
NASA-Chef wird die Quintessenz des Hollywood-Streifens „Armageddon“ bereits auf
den Punkt gebracht: Ein Asteroid, so groß wie der US-Bundesstaat Texas, rast mit
immens großer Geschwindigkeit durch das Weltall. Dummerweise befindet sich dieser
Gesteinsbrocken genau auf Kollisionskurs mit unserem Heimatplaneten Erde.
Die Folgen einer Karambolage wären katastrophal. Aufgrund der Wucht des Aufpralls
und der dabei freigesetzten Energiemenge würde in der Nähe des Einschlagsgebietes
wohl alles im wahrsten Sinne des Wortes verdampft beziehungsweise verkohlt
werden. Regionen, die weiter entfernt vom Einschlagskrater wären, würden durch
den aufgewirbelten Staub und Schmutz, der beim Aufprall des Himmelskörpers auf
unserem Planeten in die Atmosphäre geschleudert würde, regelrecht erdrückt
werden. Selbst das Sonnenlicht könnte in den nächsten Monaten und Jahren diesen
Staubmantel wohl nicht durchdringen. Somit wäre es unmöglich, Landwirtschaft zu
betreiben und damit Nahrung zu produzieren. Hilfsmaßnahmen wären ebenfalls
illusorisch, da ja die gesamte Bevölkerung der Erde ihren Anteil an der Katastrophe
abkriegen würde. Kurz gesagt, die Erde und alle auf ihr befindlichen Lebewesen
wären Geschichte.
Die Gefahr, die der Kassenschlager zum Thema hatte, ist keinesfalls auf die leichte
Schulter zu nehmen. Sie ist sogar durchaus real, denn im Weltraum schwirren eine
Vielzahl von Gesteins- und Eisbrocken umher, die das Potenzial besitzen, irgendwann
auf die Erde zu stürzen. Nur ein kleiner Anteil davon, etwa 2.000 dieser sogenannten
Erdbahnkreuzer (das sind jene Brocken, die irgendwann auf der Reise durch das
Weltall die Bewegungsebene der Erde passieren) sind über einen Kilometer groß.
Auch den besten Astronomen, die es derzeit gibt, sind nicht mehr als circa zehn
Prozent davon bekannt. Dabei ist es jedoch schwierig, die eben genannten Zahlen als
absolut zu betrachten. Viel leichter ist es natürlich, die nummerntechnischen Fakten
als vermutete Schätzwerte anzunehmen, da es unmöglich ist, aufgrund der
Unendlichkeit des Universums in das gesamte Weltall einzusehen und dieses
protokollgetreu zu katalogisieren.
Dass aber die Erde im Laufe ihres Bestehens immer wieder von solchen Brocken
getroffen wurde, darauf weisen zahlreiche Krater auf dem Planeten Erde hin. Ein
Beispiel ist das „Nördlinger Ries“ in Deutschland: Ein 24 Kilometer großer Krater wird
auf ein Alter von etwa 15 Millionen Jahren geschätzt. Verursacht wurde dieser Krater
durch einen Meteoriteneinschlag. Dabei wurde beim Aufprall eine Sprengkraft von
etwa einer Million gleichzeitig gezündeter Atombomben freigesetzt, wie sie im
Zweiten Weltkrieg beim Abwurf über Hiroshima verwendet wurden. Natürlich ist ein
Meteoriteneinschlag keinesfalls mit einer Nuklearwaffe zu vergleichen, aber um eine
gewisse Vorstellung zu bekommen, wie katastrophal ein Gesteins- oder Eisbrocken
sein kann, wenn er die Erde erreicht, ist dieser Vergleich angebracht.
Krater von der Größe vergleichbar mit dem des Nördlinger Ries entstehen auf dem
Festland etwa alle zwei bis drei Millionen Jahre, sind also keineswegs als Utopie zu
bezeichnen. Das jüngste Relikt eines solchen Einschlages ist der „Zhamanshin-Krater“
in Kasachstan. Sein Durchmesser beträgt 13,5 Kilometer, sein Alter wird von
Experten auf ungefähr eine Million Jahre geschätzt [16].
Sollte nun ein Planetoid, Asteroid, Meteorit oder Komet tatsächlich auf die Erde
stürzen, wären die Einschlagsfolgen verheerend. Eine globale Katastrophe, wie sie in
der Menschheitsgeschichte wohl noch nie da war, würde Einzug halten.
Angenommen, das Einschlagsteil hätte einen Durchmesser von einem Kilometer,
dann würden so circa eineinhalb bis zwei Milliarden Menschen den Tod finden. Ein
solcher Impakt würde jede Menge Naturkatastrophen nach sich ziehen: Neben dem
Einschlagsgebiet samt Umgebung, das sowieso, grob formuliert, nicht mehr existent
wäre, gäbe es noch gewaltige Erdbeben, riesige Brände, kilometerhohe Flutwellen
und dergleichen. Die Flutwellen würden natürlich nur bei einem Treffer ins Wasser
entstehen. Aber da die Erdoberfläche ja zu mehr als zwei Drittel aus Wasser besteht,
ist auch diese Gefahr keineswegs wegzudenken. Außerdem müsste man dann auch
noch die Sekundärfolgen ins Auge fassen: Außer der Verfinsterung der Atmosphäre
durch den aufgewirbelten Staub und der daraus resultierenden Hungersnot aufgrund
des Ausfalls der Landwirtschaft würde wohl das gesamte Weltwirtschaftssystem total
zusammenbrechen. Massenarbeitslosigkeit, Verelendung, religiöse Massenhysterien,
soziale Unruhen und Terror wären unvermeidbar und würden zu vielen weiteren
Todesopfern führen.
Das Thema, das der Film aufgreift, ist also nicht einfach vom Tisch zu wischen. Es
sollte eigentlich sogar dazu anregen, darüber nachzudenken, wie man sich vor so
einer Katastrophe schützt bzw. wie man sich dagegen wehren kann? Erst seit ein
paar Jahren, im besten Fall vielleicht seit zwei bis drei Jahrzehnten, besitzt die
Menschheit tatsächlich effektive Möglichkeiten, ein solch drohendes Unheil abwenden
zu können. Diese Möglichkeiten bestehen weitgehend darin, mit
Nuklearsprengkörpern zu operieren. Aber dafür bedarf es einer ausreichend langen
Vorwarnzeit. 18 Tage, wie in Armageddon, reichen dafür bei weitem nicht aus.
Armageddon – Der Film
Nun aber zum Film: Einem Hobby- und Amateurastronomen fällt eines Tages ein
sehr helles Objekt am Himmel auf, das er selbst nicht kennt. Kurzerhand entschließt
er sich, die NASA (National Aeronautics and Space Administration) davon in Kenntnis
zu setzen und ruft dort an. Wie es bei derartigen Entdeckungen von Himmelskörpern
üblich ist, darf derjenige, der das Objekt gefunden hat, einen Namen dafür
bereitstellen. So wird das noch weitgehend unbekannte Himmelsungetüm auf den
Namen „Dotty“ getauft.
Nachdem die NASA nun von der Existenz dieses unbekannten Objektes in Kenntnis
gesetzt wurde, wird eifrigst versucht, Größe und Bahn von Dotty zu berechnen.
Letztlich lautet das Resultat, dass Dotty ungefähr die Größe von Texas erreicht, also
circa 1.000 Kilometer im Durchmesser misst, und in genau 18 Tagen mit der Erde
kollidieren wird. Panikartig wird versucht, Vorschläge zu erstellen, um das drohende
Unheil abwenden zu können. Dummerweise entpuppen sich die meisten Ideen im
Endeffekt als totale Farce. Aber der Hollywood-Streifen wäre für die meisten Seher
kein guter Film, wenn es nicht doch eine Möglichkeit gäbe. So einigt sich die
Gesamtheit aller NASA-Ingenieure darauf, eine Mission mit einem Spaceshuttle auf
den Asteroiden zu entsenden, um auf Dotty ein Loch zu bohren. Darin sehen sie die
effektivste Methode, um gegen den Weltraumriesen vorzugehen. In dieses Loch
sollte eine Atombombe versenkt werden, die dann von der Erde aus ferngezündet
den globalen Killer zur Detonation bringen sollte. Dabei könnte Dotty in zwei große
Hälften aufgespaltet werden, die sich dann voneinander entfernen und so
erdunschädlich an unserem Planeten vorbeiziehen würden. Dies wäre allerdings nur
dann erfolgreich, wenn die Bohrarbeiten und die Versenkung der Atombombe in dem
erhaltenen Loch noch vor dem Erreichen der sogenannten „Nullbarriere“ des
Asteroiden fertiggestellt würden. Der Nullbarriere entspricht eine virtuelle Linie im
Weltall, ab der es zum allerletzten Zeitpunkt möglich ist, durch Sprengung die Erde
zu retten. Sollte diese Markierung überschritten werden, würden selbst durch die
hervorgerufene Explosion die beiden Asteroidenhälften zu wenig abgelenkt werden
und mit voller Wucht auf der Erde aufschlagen.
Also wird nach dem besten Bohrfachmann auf der ganzen Welt gesucht, der einen
Trupp von Astronauten darauf vorbereiten soll. Im Ölbohrexperten Harry Stamper,
im Film vom sehr populären Charakter des Bruce Willis dargestellt, wird man
schließlich fündig. Dieser beharrt jedoch darauf, dass er höchstpersönlich mit seinen
eigenen Männern den Job übernehmen wolle, mit der Begründung, dass das Bohren
eine eigene Wissenschaft, ja sogar eine Kunst sei, und daher niemand in nur ein paar
Tagen das erlernen könnte. Mangels an Alternativplänen muss der NASA-Chef aber
wohl oder übel zustimmen.
Harry Stamper und seine Männer werden im Schnellverfahren zu Astronauten
ausgebildet, damit sie den Weltraumtripp auf sich nehmen können. Dabei werden
sowohl die Astronauten, die das Raumschiff steuern sollen, als auch die eigentlich
eher Ölbohrer als Astronauten auf zwei verschiedene Shuttles aufgeteilt für den Fall,
dass es unterwegs doch noch zu unvorhersehbaren Ereignissen kommen könnte.
Somit würde dann nicht mit einem Schlag ein Totalausfall zu Buche stehen.
Schließlich könnte ein Fehler oder ein unwillkommenes Ereignis das Ende des
Erdendaseins bedeuten.
Der „Tag der Wahrheit“ beginnt und die beiden Missionen „Freedom“ und
„Independence“ heben von der Erde ab. Der Landeanflug auf den Asteroiden sollte
folgendermaßen ablaufen: Nach dem Start und dem Verlassen der Erdatmosphäre
würden die beiden Shuttles zunächst auf der russischen Raumstation MIR
aufgetankt. Danach sollten die beiden Missionen um den Erdmond herumfliegen,
wodurch sie enorm beschleunigt werden würden, um sich so dem Himmelsungetüm
von hinten zu nähern und schlussendlich darauf zu landen. Mit dem „Armadillo“, das
ist ein eigentlich für den Mars konstruiertes Fahrzeug, aber jetzt umfunktioniert zum
Vehikel für den Asteroiden, würde dann ein 250 Meter tiefes Loch gebohrt werden, in
welches abschließend der Nuklearsprengkopf versenkt werden sollte. Jedes der
beiden Spaceshuttles bekommt beim Start einen Armadillo sowie eine Atombombe
mit an Bord.
Sobald die Aufgabe erfüllt sei, sollte wieder ins Shuttle eingestiegen und im Inbegriff,
ein Held zu sein, nach Hause geflogen werden. In der Zwischenzeit könnte von der
Erde aus der Atomsprengsatz zur Zündung gebracht werden.
Klarerweise geht das eine oder andere gründlich schief, so wie fast in jedem
Kassenschlager. Beispielsweise funktioniert das Auftanken der Shuttles nicht
problemlos. Aufgrund eines Lecks in einer Treibstoffleitung kommt es sogar
knüppeldick: Die Raumstation MIR wird dabei durch eine Explosion vollständig
demoliert und die Ein-Mann-Besatzung der MIR muss nun auf die Independence
umsteigen. Oder: Dotty wird beim Vorbeiflug am Mond durch dessen Anziehungskraft
mächtig ins Trudeln gebracht. Das soll heißen, dass der Gesteinsbrocken sich nicht
mehr stabil wie vorher bewegt, sondern eine leichte Rotation in alle drei
Raumrichtungen vollführt. Und genau diese Tatsache ist auch der Grund dafür, dass
die Raumfähre Independence später auf dem Asteroiden überhaupt abstürzt und die
Raumfähre Freedom weit entfernt von den berechneten Landekoordinaten aufsetzt.
So findet Freedom nicht den Platz mit den günstigsten Bohrbedingungen, sondern
eine denkbar schlechte Stelle mit einem großen Eisengehalt im Boden und einer
daraus resultierenden enormen Dichte. Aber selbst für solche Fälle ist man
gewappnet, so bekommt man als Zuschauer den Eindruck, denn wofür sonst hätte
jeder Armadillo mehrere Bohrköpfe und –getriebe an Bord?
Aber es kommt, wie es in einem Film eben kommen muss, und so wird mit dem
Freedom-Armadillo gebohrt, bis schließlich alle Bohrköpfe verbraucht und alle
Bohrgetriebe ruiniert sind. Wobei natürlich noch zu erwähnen wäre, dass die
erforderliche Mindesttiefe von 250 Metern bei weitem nicht erreicht ist. Wenn man
aber die Kinobesucher dennoch in seinen Bann ziehen möchte, muss natürlich etwas
Unvorhergesehenes passieren: Drei Leute aus der Raumfähre Independence
überleben den Absturz und machen sich mit dem eigenen Armadillo auf die Suche
nach Freedom. Ohne jegliche Orientierungshilfe und vollkommen ahnungslos, wo
sich die Astronauten bzw. Ölbohrer befinden, nimmt das Schicksal seinen Lauf und
nach einigen weiteren Problemen findet man sich „rein zufällig“ doch wieder. Mit
Armadillo Nummer zwei, der ja seine eigene Bohrausstattung besitzt, wird nun die
Arbeit von Armadillo Nummer eins aufgenommen und fertiggestellt.
Höchste Zeit für die nächsten Turbulenzen, wäre man als begeisterter Fan eines
Hollywood-Films geneigt zu sagen. Und tatsächlich beginnt nun die Oberfläche des
Asteroiden zu zittern. Auf der Erde würde man so etwas Erdbeben nennen, auf dem
Asteroiden gibt es wohl keinen eigenen Ausdruck dafür. Jedenfalls werden durch
dieses Beben jede Menge Gesteinsbrocken durch die Luft geschleudert. Einer dieser
Geschosse trifft den Atomsprengsatz und zerstört den Fernzündemechanismus. Mit
anderen Worten, die Bombe kann nun nicht mehr aus der Ferne gesprengt werden.
Jemand muss vor Ort bleiben und die nukleare Bombe von Hand zünden. Man einigt
sich auf Hölzchen ziehen, wer denn in den „Genuss“ kommen darf, die Welt zu
retten. Nachdem auch diese Entscheidung gefallen ist, bereitet sich der noch
vorhandene Rest auf die Heimreise mit dem noch funktionstüchtigen Shuttle
Freedom vor, schließlich sollen bei so vielen Turbulenzen natürlich nicht alle mit dem
Leben davonkommen. Außerdem bringt es ja noch mehr begeisterte Kinogänger,
wenn ab und zu mal ein „Bauernopfer“ gemacht wird.
Der gute Harry Stamper höchstpersönlich bleibt nun tatsächlich an der Oberfläche
von Dotty, um die Menschheit zu retten, obwohl eigentlich nicht er derjenige ist, den
das Schicksal auserkoren hat. Aber mit einem Trick lässt sich natürlich auch die
Hölzchen-Zieh-Methode ad acta legen. Der Rest der Crew findet Platz in der Freedom
und begibt sich auf den Heimweg. Dort angekommen, werden die Helden natürlich
stürmisch empfangen. Wer kann denn auch schon von sich behaupten, die Welt
gerettet zu haben?
Soweit nun mal eine Kurzbeschreibung über den Inhalt des Kassenknüllers aus dem
Jahre 1998.
II. Ungereimtheiten in Armageddon
Als erstes möchte ich in dieser Arbeit die wissenschaftlichen Perspektiven des Filmes
genauer unter die Lupe nehmen, speziell die physikalischen und die astronomischen.
Dabei werden sich natürlich, wie auch schon der Titel der Arbeit vermuten lässt, jede
Menge Ungereimtheiten und schlichtweg Fehler offenbaren. Dabei werde ich aber
nicht darum herumkommen, einige Passagen detailgetreu wiederzugeben. Deshalb
wurde auch die zuvor erstellte Inhaltsbeschreibung des Streifens bewusst kurz
gewählt, um so etwaigen Wiederholungen und einer daraus resultierenden
Langeweile beim Lesen vorzubeugen.
Obwohl in diesem Film mit Ivan Bekey und John Allen zwei echte Fachmänner als
wissenschaftliche Berater zur Seite standen, sind dennoch nicht nur Ungereimtheiten,
sondern fast schon peinliche Unwahrheiten passiert.
Zuallererst sollte erwähnt werden, wer denn diese beiden Herrschaften eigentlich
sind. Ivan Bekey ist ein mittlerweile bereits pensionierter Ingenieur, der jahrelang in
den Diensten der NASA stand. Dementsprechend ausgeprägt ist natürlich sein
technisches Verständnis, was Raumfahrtexpeditionen betrifft. Schließlich reicht es mit
Sicherheit nicht, den geistigen Level eines Normalverbrauchers zu besitzen, um sich
über eine lange Zeitspanne hinweg als NASA-Mitarbeiter ansprechen zu lassen. John
Allen hingegen ist ein ehemaliger US-Astronaut, seines Zeichens klarerweise ein
echter Kenner und Könner auf seinem Gebiet, der tatsächlich selbst schon in den
Genuss von Weltraumexpeditionen gekommen ist.
Wie man also leicht sieht, hat es an fachkundiger Beratung nicht gemangelt. Der
Tenor der beiden eben Genannten aber ist, dass die Produzenten des Filmes einfach
nicht auf ihren Rat gehört hatten. Sehr wohl waren ihrerseits Ratschläge,
Verbesserungsmöglichkeiten, Änderungsvorschläge usf. gekommen, nur: „Ich
versuchte den Produzenten davon zu überzeugen“ […] „aber es war kein
Durchkommen“, um Ivan Bekey wörtlich zu zitieren [16].
1. Größe
Aber um nicht nur die ganze Zeit um den heißen Brei zu reden, sollen einige
Passagen des Movies analysiert werden: So passiert einer der größten Fehler im Film
schon zu Beginn, als der vorher erwähnte Hobbyastronom das zunächst noch
unbekannte Objekt am Himmel, welches später auf den Namen Dotty getauft werden
sollte, ausmacht. Als er seine Entdeckung der NASA mitteilt, berechnet diese später
die Größe des Weltraumungetüms. Und damit wäre man schon beim ersten Fehler
angelangt: Man hört im Film, dass der Asteroid einen Durchmesser von 1.000
Kilometern haben soll. Wenn man dies mit der Größe der Erde vergleicht, die ja auch
„nur“ einen Durchmesser von knapp 13.000 Kilometern aufweist, scheint der Asteroid
eine ziemlich gewaltige Dimension zu haben. Den heutigen Astronomen ist aber
bekannt, dass es solche Riesen in Erdnähe nicht gibt. Selbst in dem sogenannten
Planetoiden- oder Asteroidengürtel, der sich zwischen Mars und Jupiter befindet, gibt
es nur Brocken, deren Ausmaße deutlich hinter Dotty zurückbleiben. Beispielsweise
ist der größte Koloss in dieser Region der Planetoid Ceres mit einem Durchmesser
von 914 Kilometern. Vesta und Pallas, die nächstgrößeren Kaliber, erreichen „nur“ ein
Ausmaß von 526 beziehungsweise 522 Kilometern [9]. Nun kann man sich natürlich
fragen, ob ein 1.000 Kilometer großer Asteroid als Objekt, welches die Erde anvisiert,
definitiv auszuschließen ist? Ja, man kann. Am leichtesten fällt der Beweis dieser
Behauptung mit Helligkeitsbetrachtungen. Aber dazu im nächsten Absatz mehr.
(Außerdem werden genaue Begriffserklärungen von Asteroid und Planetoid in
Kapitel 4 angeführt.)
Andererseits muss auch gesagt werden, wenn sich ein Himmelskörper im
Planetoidengürtel aufhält, dann bewegt er sich, wie alle anderen Planeten, auf einer
Ellipse um die Sonne und wird für unsere Erde wohl keinerlei existenzielle Gefahren
mit sich bringen. Zusammenfassend sei nochmals erwähnt, dass es solch große
Objekte wie „Texas im Weltall“ in Erdnähe nicht gibt. Wenn ein Himmelskörper mit
einem so gewaltigen Ausmaß dennoch auf die Erde einschlagen sollte, würde dies
wohl nicht nur das Ende eines jeden Lebewesens bedeuten, sondern die Erde würde
dabei höchstwahrscheinlich sogar aus ihrer Bahn geschleudert werden. Was daraus
für Folgen entstehen würden, speziell für die restlichen Brocken, die auch auf
geregelten Bahnen durch den Weltraum navigieren, kann nicht vorhergesagt werden,
da sich das eben behandelte Problem sehr bald als chaotisch darstellen würde.
2. Entdeckung
Ein weiterer sehr schwerer Fehler tritt auch schon beim Entdecken von Dotty auf.
Warum wurde eigentlich dieses Ungetüm nicht schon viel früher am Himmel
entdeckt, wenn es so groß ist? Tatsache ist, dass ein Gebilde dieses Ausmaßes
dermaßen hell am Himmel erscheinen müsste, dass es selbst einem ungeschulten
Auge ohne Hilfs- und Zusatzgeräte sofort auffallen würde. Im Film jedoch bleiben ab
Bekanntwerden der Existenz von Dotty nur noch 18 Tage Zeit, bis der Asteroid auf
der Erde aufschlagen würde. Es wird aber nicht ansatzweise eine Erklärung geliefert,
warum man Dotty nicht schon viel früher bemerkte. Um einen entsprechenden
Vergleich anzustreben, sei wiederum auf Ceres und ähnlich große Planetoiden
verwiesen. Diese Bestandteile des Planetoidengürtels wurden aufgrund ihrer
Helligkeit bereits Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckt. So wurde Ceres erstmals am
1. Jänner 1801 vom Italiener Giuseppe Piazzi katalogisiert. Ein Jahr später, also
1802, folgte mit Pallas die nächste Entdeckung. Es folgten im Jahre 1804 mit Juno
und drei Jahre später mit Vesta schon die beiden nächsten katalogisierten Objekte
[9].
Abbildung 1: Giuseppe Piazzi (1746 – 1826)
(Quelle: http://assoc.wanadoo.fr/planetica/astrohistoire/piazzi.html)
18 Tage vor Einschlag befindet sich Dotty jedoch nur noch 15,120.000 Kilometer von
der Erde entfernt, wie man leicht nachrechnen kann (wenn man die Geschwindigkeit
von Dotty mit 35.000 km/h annimmt). Mars hingegen hat einen Abstand von etwa 80
Millionen Kilometern im Mittel von der Erde. Wenn man weiters noch bedenkt, dass
sich die Planetoiden großteils außerhalb der Marsbahn aufhalten, wird einem das
Problem sofort klar. Dotty müsste also mit den heutigen Mitteln der Technik bereits
viel früher erspäht worden sein und könnte nicht so lange unentdeckt seinen
Kollisionskurs zur Erde hin ausführen.
Fast schon obskur erscheit im Film, dass selbst 18 Tage vor der Karambolage von
Dotty mit der Erde die Existenz dieses Asteroiden noch ein paar weitere Tage geheim
gehalten werden kann, ohne dass die Menschheit eine Nachricht oder eine Warnung
des drohenden Unheils erhält.
3. Vor 65 Millionen Jahren...
Man braucht tatsächlich gar nicht lange weiter zu forschen, um bei der „Fehlersuche“
erneut fündig zu werden. Fast schon im Vorspann, mit den ersten Worten, die den
Streifen zieren, wird aus physikalischer Sicht schon wieder einiges durcheinander
gewirbelt. Vor 65 Millionen Jahren, so wird zumindest berichtet, kam die Bedrohung
schon einmal aus dem All. Damals hätte ein Meteoriteneinschlag auf die heutige
mexikanische Halbinsel Yucatán sehr viele Lebewesen ausgerottet, wie zum Beispiel
die allseits bekannten Dinosaurier. Die Energie, die dabei freigesetzt wurde, wäre von
der Größenordnung von 10.000 heutigen Atombomben gewesen, wobei der
Sprengkraft einer Bombe etwa 10 Kilotonnen TNT-Äquivalente nach dem heutigen
Stand der Nuklearwaffentechnik entsprechen. Ganz untypisch für einen Film wird
hierbei ausnahmsweise einmal gehörig untertrieben, denn der Meteorit vor 65
Millionen Jahren müsste wohl eine Sprengkraft von 100 Millionen Megatonnen gehabt
haben, also 10.000.000.000-fach stärker gewesen sein, um tatsächlich circa zwei
Drittel der damaligen Lebewesen auszurotten [15] [16].
Weiters wird im Film noch erwähnt, dass eben dieser Meteoriteneinschlag 1.000
Jahre Dunkelheit durch eine Billion Tonnen aufgewirbelten Staub in die Atmosphäre
verursachte. Jedoch gehen die heutigen Einschlagsexperten, die sich mit diesem
Thema beschäftigen, schlimmstenfalls von ein paar Jahren aus. Hier wurde also
wieder einmal (fast schon standardmäßig) maßlos übertrieben.
4. Wechselspiel
Wenn man nun versucht, weiter in die Fehlerbehandlung von Armageddon
vorzudringen, wird einem
als astronomisch
Gebildeten sofort die
Tatsache auffallen, dass
der „Killerbrocken“, der
ein Asteroid sein soll, des
öfteren mal als Meteor,
mal als Komet, dann doch
wieder als Planetoid
bezeichnet wird. Dem
Laien mag dies egal
erscheinen, aber
physikalisch betrachtet
gehorchen diese
Himmelskörper in
Wirklichkeit doch
unverwechselbar
unterschiedlichen
Gesetzmäßigkeiten.
Unterscheidungen der Himmelskörper
Meteore: Das sind Lichterscheinungen, welche entstehen,
wenn Partikel in die Erdatmosphäre eintreten und dort verglühen.
Meteoriten: Das sind Partikel, die tatsächlich die Erde
erreichen, bevor sie verglühen. Meteoride: Kosmische Kleinstkörper mit Durchmesser
zwischen einigen Metern und weniger als 0,1 mm, die die Erde umlaufen; dienen auch als „Überbegriff“ für Meteore/Meteoriten
Komet: Besteht aus Kern, Koma und Schweif. Man kann
sich Kometen als ein paar Kilometer große kartoffelförmige Brocken aus Wassereis, Trockeneis, Staub und anderen flüchtigen Substanzen vorstellen. Der Kern kann schwärzer sein als ein Stück Kohle (aufgrund chemischer Reaktionen)
Asteroid: Im Normalfall nur ein paar 100 Meter bis etliche
Kilometer große Felsbrocken, die aus der Frühzeit des Sonnensystems stammen. Sie halten sich vorwiegend im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter auf.
Planetoid: Ist eine andere Bezeichnung für Asteroid. [9] [25]
Beispielsweise erfährt man im Film, dass das drohende Unheil aus dem All von einer
Position oberhalb der Ekliptik in unser inneres Sonnensystem vordringt – ein
typisches Kennzeichen eines langperiodischen Kometen. Jedoch wird in Armageddon
zunächst darauf hingewiesen, dass das Objekt keinen Kometenschweif besitzt, was in
Erdnähe allerdings der Fall sein müsste, schließlich werden Kometenschweife
innerhalb der Marsbahn erkennbar. Weiters wäre die Oberfläche nicht eisig, sondern
steinig und zum Teil sogar eisenhaltig. Damit hätte man nun schon zwei Argumente
gefunden, die besagen, dass es sich nicht um einen Kometen handeln kann. Stein-
und eisenhaltige Oberflächen besitzen nämlich definitiv Planetoiden. Diese wiederum
halten sich aber der Regel nach an die Erdbahnebene, was in dem Film aber nicht
der Fall ist [16]. Außerdem fällt in dem Movie auch einmal die Phrase: „Nach dem
Roadrunner-Manöver“, das ist die Beschleunigungsphase der Shuttles um den Mond
herum, „befinden sich die Shuttles hinter dem Asteroiden, dessen Kometenschweif
hoffentlich von der Mondanziehung weggeputzt wurde“. Sollen wir nun tatsächlich
glauben, dass ein Asteroid einen Schweif besitzt? Einen Schweif besitzen
unumstritten Kometen. Aber gerade erst vorhin erfuhren wir, dass Dotty in Erdnähe
keinen Schweif besitzt. Woher kommt also dieses Geschoss aus dem All dann? Eine
Möglichkeit, dieses Phänomen zu erklären besteht in der Tatsache, dass der
Himmelskörper aus dem interstellaren Raum stammt, dann von außen auf den
Asteroidengürtel knallte und dabei allerhand kleine Steinchen Richtung Erde trieb.
Aber dieses „Spiel“ ist aufgrund der Mechanik unmöglich, zumindest in solchen
kurzen Zeitspannen, wie sie im Film präsentiert werden. Damit bleibt die Frage
„Welcher Gattung ist der Himmelsbrocken zuzuschreiben?“ weitgehend ungeklärt.
5. Einschläge und deren Auswirkungen
In einer weiteren Szene schlagen diverse Himmelsgeschosse, die kaum größer als
Hagelkörner sind, minutenlang auf New York ein. Und schon in diesem einen Satz ist
man auf der Odyssee der „Error Analysis“ gleich doppelt fündig geworden. Als erstes
wäre einmal die Zeit: Da alle Geschosse aus der gleichen Richtung im Weltall
geflogen kommen, ist es absolut unmöglich, minutenlang New York zu
bombardieren. Der Grund dafür ist, dass sich auch die Erde bewegt, und das sogar
relativ schnell, wenn man als Bezugssystem den Weltraum betrachtet. Die
Erdbewegung muss dabei sogar in doppelter Hinsicht untersucht werden: Einerseits
bewegt sich unser Heimatplanet natürlich auf einer kreisbahnähnlichen Ellipse um die
Sonne. Mit anderen Worten, die Erde würde, nachdem der erste Feuerball auf New
York abgeregnet ist, im wahrsten Sinne des Wortes mit ungefähr 30 Kilometern pro
Sekunde – das ist die Bahngeschwindigkeit der Erde – „davonlaufen“.
Andererseits darf man aber auch nicht missachten, dass unsere Erde, wie auch alle
anderen Planeten, eine Eigenrotation aufweist. Damit ist Folgendes gemeint:
Angenommen, die Erde würde sich nicht um die Sonne bewegen, dann könnte sie
natürlich auch nicht vor dem himmlischen Bombardement „entfliehen“, wohl aber
sollte sie eine Eigenrotation besitzen. Das Fazit wäre daraus, dass es einen schmalen
Gürtel über die gesamte Globusoberfläche geben müsste, der vom Bombardement
bedroht werden würde. Wenn nämlich vom Universum aus immer der gleiche Fleck
auf der Erde anvisiert würde, dann könnte diese sich schlicht und einfach von diesem
Fleck wegdrehen und der Geschosshagel könnte global über diesen Gürtel verteilt
werden. Jedoch könnte jedes Gebiet, welches in diesem schmalen Band liegt,
bestenfalls sekundenlang im himmlischen Bombenhagel ersticken. Aber es kann
nicht, wie im Film dargestellt wird, New York als minutenlange Zielscheibe fungieren
[16].
Betrachtet man nun die Kombination der beiden Geschwindigkeiten, also Bewegung
um die Sonne und Eigenrotation, steigt die Ausbuchtung der produzierten
Fehlerkapazität erheblich weiter und wird dadurch selbst physikalisch ungebildeten
Personen als negativer Kritikpunkt einleuchtend erscheinen.
Im Eingangssatz dieses Paragraphen verbirgt sich aber auch noch eine zweite
Ungereimtheit, deren Ausmaß mindestens von gleicher, wenn nicht noch höherer
Destruktivität zeugt. Die kleinen Gesteinsbrocken, die in der Eingangsszene wie
Hagelkörner über New York regnen, sind, astronomisch betrachtet, einfach
unmöglich. Sie würden in der Größenordnung, mit der sie im Film dargestellt werden,
bereits beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühen. Damit könnten sie aber auch
nicht, wie im Film gezeigt, einen derartig großen Schaden wie eine Zerstörung von
großen Stadtteilen anrichten. Um aber wieder von dem scheinbaren Mix von
Meteorit, Asteroid und Komet zu sprechen, sollte noch erwähnt werden, dass ein
Beschuss der Erde mit Eisenmeteoriten ungleich schwerwiegendere Folgen hätte.
Diese Trümmer würden tiefer in die Erdatmosphäre eindringen als die zuvor
behandelten Äquivalente und es käme zu einer Explosion dieser in der Luft. Das
wiederum wäre aber viel verheerender als uns Armageddon zeigt [16].
Wie haben nun die Macher des Filmes das scheinbar widersprüchliche Problem
Planetoid/Komet gelöst? Im Prinzip eigentlich gar nicht, die Produzenten haben sich
darauf geeinigt, ein paar kleine Teile auf die Erde einschlagen zu lassen und mit der
daraus resultierenden Vernichtung von Stadtteilen den vermeintlich physikalisch
ungebildeten Kinobesucher zu beeindrucken.
In zwei weiteren Szenen in Armageddon kommt es zu Einschlägen in Shanghai und
in Paris. Erstaunlicherweise trifft jeder Einschlag mitten in den Kern einer Großstadt.
Aber dieses Phänomen ist wohl am
leichtesten damit zu erklären, dass einfach
mehr Action und Spannung in den Film
integriert werden kann, als wenn das
Geschoss aus dem All zum Beispiel in der
Sahara aufprallen würde, deren
Flächenausmaß natürlich ungleich größer
ist als jenes einer Stadt. Im Prinzip würde
aber nichts passieren in solch einer
Szenerie. Abgesehen von den bereits
vorhin behandelten Fehlern der Einschläge
über New York, die selbstverständlich auch
in Shanghai und Paris zum Tragen kommen, bewerten Einschlagsexperten diese
beiden Einschläge als sehr gut dargestellt. Kevin Zahnle vom Ames Research Center
(das ist ein Forschungszentrum der NASA) findet vor allem den Einschlag auf Paris
„satisfyingly done“. Um einen kurzen Abstecher weg von der Physik zu machen, sind
diese beiden Szenen auch politisch vollkommen in Ordnung. Wer sagt denn, dass
Abbildung 2: Kevin Zahnle vom Ames Research Center
(Quelle: http://www.astrosociety.org/events/2003mtg/)
solche Brocken immer nur über dem Gebiet der USA niedergehen müssen?
Schließlich ist die Welt ja groß genug, dass auch mal ein anderer Kontinent getroffen
werden „darf“. Wenn der Asteroid im Film eine Bedrohung für die Gesamtheit aller
Menschen steht, warum sollten dann nicht auch mal Europa und Asien den „Jackpot“
abbekommen?
Um aber wieder zu den physikalischen Ungereimtheiten zurückzukehren sei noch
erwähnt, dass es doch eine Begebenheit gibt, bei der der Einschlag auf Paris nicht
nur gelobt werden sollte. Entgegen aller (bekannten) Naturgesetze bleibt als einziges
Gebäude der Triumphbogen stehen. Dies ist zwar eine lobenswerte Botschaft, die
damit durch den Film transportiert wird, aber leider ist sie physikalisch nicht korrekt.
Warum sollte alles kurz und klein geschlagen werden, währenddessen der
Triumphbogen als einziges Gebäude dem Einschlag trotzt und stehen bleibt, wo man
doch deutlich sehen kann, dass es sogar dem Eiffelturm an den Kragen geht? Sicher,
der Eiffelturm ist bei weitem nicht so stabil, wie der Triumphbogen. Was ich damit
aber sagen möchte, ist, dass es schon ein wenig absurd erscheint, dass alles dem
Erdboden gleich gemacht wird und gerade ein einziges Gebäude unversehrt bleibt.
Aber Hollywood ist eben doch anders und hebt anscheinend die Naturgesetze dort
auf, wo es gerade gebraucht wird.
6. Koordinatenberechnung und Bahn durchs Weltall
Der nächste Zentralpunkt ist wieder Dotty. Nachdem der Hobbyastronom, der schon
zu Beginn dieser Arbeit erwähnt wurde, seine Neuentdeckung der NASA mitteilt,
berechnet diese den Kurs des Weltraumungetüms. Dabei werden jedoch selbst im
Film ein paar Details auf den Fernsehmonitor übertragen, die es in Wirklichkeit nicht
geben kann. So berechnet die NASA einen Crash-Kurs von Dotty mit der Erde wie
folgt: Der Weltraumbrocken kommt von oberhalb der Ekliptik geflogen und trifft von
außen auf den Planetoidengürtel. Nun gilt aber im Weltraum selbstverständlich das
Gravitationsgesetz, welches besagt, dass sich Massen gegenseitig anziehen. Weiters
kann man daraus folgern, dass, wenn ein Gebilde von der Größe von Texas, das sich
auf einer kegelschnittähnlichen Bahn im Weltall bewegt, abgelenkt werden soll, es
eines massereichen Himmelskörpers bedarf, der diese Ablenkung hervorruft.
Überträgt man dies nun auf den Brocken Dotty, der ja wie schon gesagt von
oberhalb der Ekliptikebene auf den Asteroidengürtel auftrifft und dessen Bestandteile
ähnliche Bahnebenen wie jene der Erde aufweisen, dann muss Dotty unterwegs
abgelenkt werden.
Die offene Frage, die auch im Film nicht behandelt, geschweige denn gelöst wird, ist:
Wodurch kann der Asteroid nach seiner Karambolage mit kleinen Steinchen im
Planetoidengürtel noch abgelenkt werden? Notwendig wäre dafür eine große Masse
wie zum Beispiel jener des Jupiters. Wenn jetzt tatsächlich Jupiter eine Ablenkung
hervorrufen würde, dann jedenfalls ganz bestimmt von der Erde weg und nicht auf
die Erde zu, schließlich befindet sich Jupiter außerhalb des Asteroidengürtels. In
diesem Fall wäre Entwarnung zu geben, es bestünde ab sofort keine Gefahr mehr
eines Einschlages für die Menschen. Bleibt dann noch die Möglichkeit, dass es
vielleicht noch andere Körper mit ähnlich großer Masse gibt, die eine Ablenkung zur
Erde hin hervorrufen könnte. Aber auch dieser Fall ist definitiv klar zu verneinen.
Solche großen Himmelskörper gibt es nicht in Erdnähe, also kann auch nichts Dotty
auf Crash-Kurs zu unserer Erde hin ablenken. Zusammenfassend könnte man also für
alle Fälle Entwarnung geben. Keine der möglichen Situationen könnte dazu führen,
dass Dotty auf der Erde einschlagen würde und das Ende unserer Zivilisation als
Ergebnis hätte. Vielmehr würde Dotty seine Bahn nahezu beibehalten, unser
Sonnensystem unterhalb der Ekliptik wieder verlassen und im Endeffekt in den
großen Weiten des Weltalls wieder verschwinden [16].
7. Aktivitäten im Weltraum
Gleich nach dem Vorspann wird in Armageddon eine Szene gezeigt, mit der
eigentlich durch eine weitere Weltraummission mit dem Shuttle „Atlantis“ der Beginn
des drohenden Unheils aus dem All eingeleitet wird. Aber so wie in vielen anderen
Szenen geht auch hier nicht alles physikalisch korrekt von der Hand.
Ein Astronaut, der durch die Raumfähre Atlantis ins All gebracht wurde, befindet sich
gerade auf einer Außenbordaktivität. Dabei geht es um Reparaturmaßnahmen an
einem Satelliten. Das ist aber im Prinzip nicht so wichtig, das Hauptaugenmerk dieser
Passage liegt an einer ganz anderen Stelle. Als dieser Astronaut gerade an den
mechanischen und elektrischen Accessoires des Satelliten herumarbeitet, wird er
plötzlich von einem „Geschoss“ getroffen. Später im Film erfahren wir, dass es sich
dabei um einen ursprünglichen Bestandteil des Planetoidengürtels handelte, der
durch die Kollision von Dotty mit diesem Gürtel, so wie auch viele andere Steinchen,
in den Weltraum geschleudert
wurde. Dabei verirrte sich nun
ein solches Steinchen genau in
Richtung des Astronauten, der
gerade seine
Außenbordaktivität erledigte,
traf ihn und zerschmetterte
dabei sein Visier. So weit, so
gut – doch dann beginnt erst
die physikalische Utopie. Mit
defektem Raumhelm stößt der
Astronaut seine letzten Schreie
aus. Als Physiker weiß man
natürlich, dass man ein
Medium braucht, in dem sich eine Schallwelle ausbreiten kann. Vakuum gehört
allerdings nicht zu den Übertragungsmedien für Schall, es wird ja nicht umsonst auch
als „Leere“ bezeichnet. Damit ein Astronaut im Weltall überleben kann, muss er
einen dementsprechenden Raumanzug mit dazugehörigem Helm tragen. Damit wird
im Inneren dieses Anzuges beziehungsweise Helms eine Atmosphäre erzeugt, in der
er überleben kann, schließlich befindet sich im freien Weltall doch nur Vakuum.
Sollte nun so wie im Film der Helm des Astronauten defekt sein, ist es unmöglich,
noch ein paar Schreie von sich zu geben. Ursache dafür ist natürlich das fehlende
Medium, in dem sich seine Stimme ausbreiten könnte. Man könnte in Wirklichkeit
keinen einzigen Ton hören. Dies ist auch der Grund dafür, dass im Weltall Totenstille
Abbildung 3: Astronaut im Weltall
(Quelle: http://thomas.muetsch.bei.t-online.de/download.html)
vorherrscht. Damit kann man noch einen zweiten Fehler aus dem Film erklären: Die
Außenbordaktivitäten kann man hören, was in Wirklichkeit jedoch nicht sein kann
[16].
Macht man im Film einen Sprung vorwärts zu jener Szene, wo die tapferen Ölbohrer,
die überlebt haben, bereits auf dem Asteroiden gelandet sind, kann man Folgendes
erforschen: Selbstverständlich gilt hier aufgrund des Fehlens eines Mediums das
Gleiche. Man hört die Helden arbeiten. Die Bohrgeräusche müssten dabei aber
ebenso lautlos sein wie der Armadillo. In einer noch späteren Szene kann man sogar
Einschläge auf dem Asteroiden hören. Alle eben aufgezählten Ereignisse können aber
nur ohne Ton ablaufen, da sich natürlich auch an der Oberfläche von Dotty Vakuum
befindet. Mit anderen Worten: Es ist gar nicht möglich, im freien Weltall ein Geräusch
zu erzeugen (sehen wir mal vom „Körperschall“ ab, der aber ohnehin ganz anders
klingen würde). Und doch werden wir in Armageddon scheinbar eines Besseren
belehrt.
Die Raumfähre Atlantis ist aber damit noch immer nicht erlöst von offensichtlichen
Fehlern. Da wäre noch die Explosion, die stattfindet. Aber um das zu erklären,
verweise ich auf einen späteren Punkt, denn beim Auftankvorgang von Freedom und
Independence passiert mit der Raumstation MIR nochmals der gleiche Fehler. Diese
Ungereimtheit werde ich aber in einem späteren Kapitel aufzeigen.
8. Beschleunigungsmanöver und die Auswirkungen
Nachdem die Ölbohrer, Helden, oder wie sonst man die Hauptakteure des
Kassenschlagers noch benennen möchte, im Schnellverfahren zu Astronauten
ausgebildet worden sind, leisten sie gleich wahrlich Übermenschliches. Als sie
nämlich nach dem Auftanken ihrer beiden Spaceshuttles Freedom und Independence
weiterfliegen und sich darauf vorbereiten, auf Dotty zu landen, geht, physikalisch
betrachtet, wieder einmal einiges drunter und drüber. Dabei ist die Grundidee, auf
welche Art und Weise man auf der Asteroidenoberfläche landen möchte, gar nicht so
verkehrt. Das Prinzip stimmt zwar, aber es gibt eine fehlerbehaftete Ausführung. Die
Technik, mit der versucht wird, auf der Oberfläche zu landen, besteht darin, die
Methode der sogenannten „Vorbeiflugtechnik“, oder den auch oft benützten
englischen Ausdruck dafür, das „Swingby-Manöver“, auszunützen [20]. Diese Technik
möchte ich nun kurz etwas näher erläutern:
Damit das Manöver tatsächlich funktionieren kann, braucht man zunächst eine große
Masse. Im betrachteten Fall ist das der Erdmond. Wenn nun Freedom und
Independence an so großen Körpern wie dem Mond knapp vorbeifliegen, dann
geraten sie in das Gravitationsfeld des Mondes, welches die beiden Shuttles anzieht.
Die Shuttles sind dabei so schnell und so weit entfernt, dass sie aber nicht mehr auf
den Mond fallen können. Dadurch, dass sich der Mond bewegt, „zieht“ er beide
Shuttles mit sich und beschleunigt sie zusätzlich. Nach einer gewissen Zeit verlassen
Freedom und Independence aber wieder den Einflussbereich des Mondes und
können mit der gewonnenen zusätzlichen Energie weiterfliegen. Der Mond hat also
an die beiden Shuttles Energie übertragen. Physikalisch betrachtet handelt es sich
hierbei um einen Streuprozess, denn es kommt zu keiner Berührung zwischen Mond
und Shuttle.
Dotty rast mit einer Geschwindigkeit von 35.000 Kilometern in der Stunde auf die
Erde zu. Freedom und Independence müssen also auf alle Fälle auf eine
Geschwindigkeit gebracht werden, die höher als jene von Dotty ist. Im anderen Fall
könnte der Plan, sich von hinten dem Asteroiden zu nähern und darauf zu landen in
den Wind geschlagen werden. Im Endeffekt erreichen beide Shuttles eine
Geschwindigkeit von 36.200 km/h.
Um aber diesen „Speed“ zu erreichen, erfahren die Helden der Nation beim
Beschleunigen um den Mond eine Belastung, die einer zwölffachen(!)
Erdbeschleunigung entspricht, und das gleich für mehr als zehn Minuten lang. Dabei
wird im Inneren der Raumfähren sogar noch geredet, geschrien und gute Miene zum
Spiel gemacht. Das Zwölffache der Erdbeschleunigung kann selbst von den besten
Astronauten nie und nimmer über eine Zeitspanne von zehn Minuten oder mehr
ausgehalten werden. Schon nach kurzer Zeit, wahrscheinlich schon nach ein paar
Sekunden, würden diese Personen in Ohnmacht fallen. Aber die Ölbohrer, die auf
dem Wege sind, die Erde zu retten, schaffen es sogar noch, in dieser
Beschleunigungsphase zu diskutieren. Außerdem würde eine solch gewaltige
Belastung die Gesichter der Betroffenen dermaßen verzerren, dass man sie
wahrscheinlich nicht mehr wiedererkennen würde. Man braucht nur daran denken,
wenn Astronauten in Zentrifugen ihr Training absolvieren. Weit entfernt von der
zwölffachen Erdbeschleunigung werden deren Gesichter bis zur Unkenntlichkeit
verzogen. Aber diese Herausforderung für die Maskenbildner wurde in Armageddon
total ad acta gelegt. Die Weltretter in spe schauen während der
Beschleunigungsphase ein wenig angespannt und übel aus, aber von Verzerrung gibt
es keine Spur.
Um Dotty noch einzuholen, hätten selbst 36.200 km/h nicht gereicht. Diese Tatsache
macht man sich am leichtesten klar, indem die Problematik anhand von Zahlen
aufgearbeitet und durchgerechnet wird: Direkt aus dem Film können wir
übernehmen, dass das Roadrunner-Manöver genau dann gestartet wird, wenn der
Asteroid den Mond passiert. Anders ausgedrückt: Als Dotty am Erdmond vorbeifliegt,
starten Freedom und Independence auf der gegenüberliegenden Seite des Mondes
ihr Beschleunigungsprogramm. Das bedeutet aber, dass die beiden Shuttles noch
den zusätzlichen Weg eines halben Mondumfangs zurücklegen müssen. Der Radius
des Erdmondes beträgt 1.738 Kilometer. Nun erscheint es logisch zu sein, dass das
Beschleunigungsmanöver nicht unmittelbar an der Oberfläche stattfinden kann,
sondern eine gewisse Höhe eingehalten werden muss. Nehmen wir der Einfachheit
halber an, die Shuttles vollziehen ihren Plan in einer Höhe von 260 Kilometern. Dann
befinden sie sich genau 2.000 Kilometer vom Mondmittelpunkt entfernt. Um nun eine
halbe Mondumrundung in der gegebenen Höhe auszuführen, müssen Freedom und
Independence einen Weg zurücklegen, der sich mit der Kreisformel r * Pi zu 6.280
Kilometern ergibt. Dabei entspricht jetzt diese Zahl der Weglänge, die die beiden
Shuttles im Gegensatz zu Dotty zusätzlich zurücklegen müssen. Wie man ja bereits
weiß, dienen diese 6.280 Kilometer dazu, die Shuttles zu beschleunigen.
Um die Rechnung aufs Neue zu vereinfachen, kann man außerdem annehmen, dass
die Weltraumflitzer die gesamte Distanz bereits konstant mit der finalen
Geschwindigkeit von 36.200 km/h unterwegs sind. Dotty bewegt sich nach wie vor
mit 35.000 km/h weiter. Das heißt, pro Stunde können die Weltretter in spe nur
1.200 Kilometer aufholen. Erst nach etwa fünf bis sechs Stunden wird (entsprechend
den 6.280 Kilometern Beschleunigungsstrecke) der Asteroid von den beiden Shuttles
eingeholt. Zu dieser Zeit befindet sich der „globale Killer“ bereits in nur mehr 174.000
Kilometern von der Erde entfernt. Im Film hört man, dass der Bohrvorgang innerhalb
von acht Stunden beendet sein muss, damit die Erde noch gerettet werden kann,
denn nach genau dieser Zeit wird die Nullbarriere erreicht. In diesen acht Stunden
fliegt der Planetoid aber um weitere 280.000 Kilometer weiter. Also hätte es längst
einen Crash mit der Erde geben müssen, noch bevor die Bohrfachmänner ihre Arbeit
erledigt hätten. Ganz zu schweigen davon, dass die Nullbarriere noch immer nicht
überschritten wäre. Wie man nämlich leicht nachrechnen kann, befindet sich die
Nullbarriere in einem Abstand von 138.250 Kilometern von der Erde entfernt.
Schließlich kann man als Ergebnis folgern, dass die im Film gezeigten Situationen
sicher nicht funktionieren können. Außerdem sind bei der Berechnung gleich zwei
Mal Vereinfachungen getroffen worden, so dass die Ausmaße des Fehlers tatsächlich
noch gravierender werden.
In Wirklichkeit hätte die Beschleunigung der beiden Shuttles noch um ein Vielfaches
größer sein müssen, damit das Prinzip, sich dem Asteroiden von hinten zu nähern,
überhaupt funktionieren hätte können. Was dies wiederum für Auswirkungen für die
Astronauten hätte, braucht man wohl nicht mehr zu erläutern.
9. Die Raumstation MIR
Es soll nun als nächstes die Raumstation MIR genauer unter die Lupe genommen
werden – womit man an einem größeren Komplex im Film angekommen wäre [33]
[34]. Die MIR dient in Armageddon als eine wichtige Zwischenstation. Ohne sie
würde das Erdrettungsprogramm nicht funktionieren, deshalb nimmt sie einen
zentralen Teil im Film ein. Auch in diesem Abschnitt werden wir, wie in beinahe allen
Szenen des Kassenschlagers, mit Fehlern konfrontiert. Aber da, wie schon erwähnt,
für die MIR relativ viel Sendezeit eingeplant worden ist, werden wir hier auf unserer
Suche nach Ungereimtheiten gleich zuhauf fündig.
Als bestes Beispiel dafür dient wohl die Tatsache, dass die beiden Shuttles Freedom
und Independence auf der MIR Stopp machen, um die beiden Raumfähren
aufzutanken. Die
gegenwärtigen und realen
Raumfahrtexpeditionen
müssten da aber einiges
verschlafen haben. Selbst die
Medien, Nachrichten,
Technik, Wissenschaft,…
haben nie davon
gesprochen, dass es möglich
wäre, eine künstliche
Tankstelle á la MIR im
Weltall zu errichten. Wo
würde denn der flüssige Sauerstoff, der zum Auftanken benötigt wird, herkommen?
Das Tankmanöver kann natürlich aufgrund mehrerer Umstände nicht zustande
kommen. Dafür dient zunächst einmal die Tatsache, dass auf der MIR sicher nicht
flüssiger Sauerstoff in der Menge gelagert wird, dass man damit mehrere
Spaceshuttles auftanken könnte. Einen weiteren Grund findet man darin, dass auf die
Frage nach der Herkunft des Treibstoffes sicher keine Antwort gegeben werden
kann. Die einzige realistische Möglichkeit bestünde wohl darin, eigens
Versorgungsflüge zur MIR anzustreben, die zum Ziel hätten, mitgeführten Treibstoff
auf die Raumstation „abzupumpen“, um so die MIR neben ihrer eigentlich
zugedachten Funktion eines Laboratoriums noch als „Weltraumtankstelle“
umzufunktionieren. Aber selbst die einfachste Kosten-Nutzen-Rechnung lässt diese
These bereits wieder ad absurdum führen. Sowohl wirtschaftlich als auch finanziell
gesehen erscheint das Projekt einer Weltraumtankstelle vollkommen unrealistisch zu
sein. Einerseits würde ein dementsprechender Versorgungsflug dermaßen teuer sein,
Wichtige Daten der MIR
Größe: ca. 30m x 30m x 30m
Masse: ca. 145.000 kg
Umlaufzeit um die Erde: 92 min
Durchschnittliche Umlaufhöhe über der Erde: 385 km
Umlaufgeschwindigkeit um die Erde: ca. 7670 m/s
„Lebenszeit“ der MIR: 19. Februar 1986 – 23. März 2001
Erstes Andocken eines Spaceshuttles: Juni 1995
Längster MIR-Aufenthalt: Valery Polyakov
(437 d 17 h 38 min)
[28]
dass das Ganze unrentable Folgen hätte. Andererseits würde bei den Starts bei
solchen Versorgungsflügen wohl viel mehr an Treibstoff verbraucht werden, als dann
schlussendlich auf einer Raumstation zwischengelagert werden könnte. Da erscheint
es doch wohl einleuchtender, dass es gleich besser wäre, die Trägerraketen mit
etwas größeren Tanks zu versehen. Dann könnten sie mehr Treibstoff mitnehmen
und ohne Auftanken im All trotzdem dieselbe Leistung vollbringen wie unsere
Shuttles Freedom und Independence.
Aber das ist bei weitem noch nicht alles, was uns die Filmszenen über die
Raumstation MIR an Ungereimtheiten liefern. Da wäre noch die Passage des Films,
bei der dem Zuschauer mitgeteilt wird, dass sich Lev Andropov, in Armageddon ein
russischer Kosmonaut, seit geraumer Zeit, genauer gesagt seit 18 Monaten, auf der
MIR aufhält. Auch wenn die MIR als Laboratorium unter
Schwerelosigkeitsbedingungen dient, hat es bis dato noch niemanden gegeben, der
eine dermaßen lange Periode ununterbrochen im Weltall verbracht hätte. Der
menschliche Organismus ist nämlich nicht so aufgebaut, dass er die Schwerelosigkeit
über eine Zeitspanne von 18 Monaten hinweg ohne degenerative Erscheinungen
überstehen könnte [18]. Nicht umsonst stellt dieser Aspekt einen wichtigen
Beweggrund für die Marsmission-Ablehner dar. Dabei würde die Flugzeit zum Mars
hin und zurück mit den heutigen Mitteln der Technik grob gerundet auch nur etwas
mehr als eineinhalb Jahre dauern, wenn man der Homepage der Universität in
Marburg Glauben schenken darf1. „Touchstone Pictures“ möchte den Kinobesuchern
diesen Sachverhalt einfach mir nix dir nix eintrichtern und lässt Lev Andropov für 18
Monate ganz alleine unentwegt im Weltall. Ganz beachtlich, wenn man bedenkt und
1 http://www.uni-marburg.de/zel/mars_fotos_und_text.html
Abbildung 4: Die Raumstation MIR im Weltall
(Quelle: www.dangl.at/mir.htm)
sieht, in welch guter körperlicher und geistiger Verfassung sich der russische
Kosmonaut befindet. Schließlich könnte man sich vorstellen, dass 18 Monate alleine
in den Weiten des Universums, weit weg von jeglicher Zivilisation, nicht nur physisch,
sondern sehr wohl auch psychisch an die Grenze des Zumutbaren führen könnte.
Bisher gab es nur einen einzigen russischen Kosmonauten, der länger als ein Jahr
unentwegt an Bord der MIR verbrachte: Valery Polyakov. Er verweilte insgesamt 437
Tage nonstop auf der
Raumstation. Dies war für
ihn jedoch auch nur deshalb
möglich, da er Tag für Tag
ein eigens für ihn
zusammengestelltes
Fitnessprogramm zu
absolvieren hatte, damit er
die körperlichen und
seelischen Strapazen
ertragen konnte. Warum
kann man nun eigentlich
keine Fitnessgeräte für Lev
Andropov sehen, wo er doch
um ganze vier Monate länger
im All lebt, als der irdische
Rekordmann? Außerdem
war, wie schon gesagt,
Valery Polyakov bislang der
Einzige, der so lange im
Weltall ausharrte.
Was physikalisch betrachtet fast schon als lachhaft angesehen werden kann, ist das
Faktum, dass die beiden Missionen Freedom und Independence ohne weiteres Zutun
an der MIR andocken, damit sie ihre Tanks wieder füllen können. Erstens hat die MIR
überhaupt nur einen Andockstutzen, also ist es unmöglich, dass zwei verschiedene
Abbildung 5: Angedocktes Shuttle an der Raumstation MIR
(Quelle: http://liftoff.msfc.nasa.gov/rsa/gifs/shuttle_mir.gif)
Shuttles gleichzeitig andocken können [29]. Ein viel schwerwiegenderes Problem
erkennt man aber in der Tatsache, dass es immens schwer sein muss, mit zwei
Shuttles gleichzeitig an einer Raumstation anzudocken. Der Grund liegt darin, dass
sich die Raumstation natürlich bewegt und nicht im Ruhezustand verharrt.
Andernfalls würde ja jeder Satellit abstürzen und könnte sich unmöglich weiterhin auf
einer Erdumlaufbahn befinden. Tatsache ist auch, dass sich die MIR ohnehin schon
auf einer (zumindest annähernden) Kreisbahn um die Erde bewegt [7].
Eigentlich könnte man auch artikulieren, dass es unwichtig ist, die Bewegung um die
Erde in Betracht zu ziehen. Schließlich „fallen“ sowohl die Raumstation MIR als auch
die Shuttles Freedom und Independence gleich schnell, da sie sich ja auf der gleich
hohen Bahn um die Erde befinden. Die minimalen Korrekturen, die trotzdem von
Nöten sind, können durchaus außer Acht gelassen werden. Trotzdem sei auch dieser
Aspekt kurz erwähnt. Interferiert man diese Bewegung nun noch mit der
eingeleiteten Rotation, dann wird jedes einzelne Andockmanöver schon schwierig
genug. Aber ein zweites gleichzeitiges Rendezvous mitzuintegrieren, stößt schon auf
physikalische Fantasie. Man bedenke, dass im Film das Kontrollzentrum in Houston
zentimetergenau an den Monitoren verfolgt, wie weit sich die Shuttles noch von der
MIR entfernt aufhalten bzw. in welche Richtung und wie weit sich Freedom und
Independence noch bewegen müssen, damit alles nach Plan funktioniert.
Das Andockmanöver der beiden Shuttles wird folgendermaßen beschrieben: Ein
Shuttle vollführt eine Kreisbewegung um die Raumstation mit einer genau auf die
Situation eingestellten Geschwindigkeit. Dazu wäre jetzt aber eine
Tangentialgeschwindigkeit der Shuttles einerseits und eine konstante Kraft zum
Zentrum der MIR hin andererseits notwendig. Doch wie sollte man diese Kraft
auftreiben können. Eine Möglichkeit bestünde darin, die beiden Shuttles mit nach
außen hin gerichteten Düsen zu versehen, die eine Kraft nach innen erzeugen
könnten. Jedoch ist von einer solchen Apparatur in Armageddon absolut nichts zu
erkennen. Woher kommt also die Kraft, die man braucht?
Aber auch die „simulierte Schwerkraft“ sollte nicht unerwähnt bleiben. Auch für
dieses Phänomen ist die auf der MIR eingeleitete Rotation hauptverantwortlich.
Durch die Tatsache, dass die MIR in eine Drehung versetzt wird, sollte dem eifrigen
Fernsehzuschauer vorgegaukelt werden, dass es nun zu einer simulierten,
erdähnlichen Schwerkraft im Inneren der Raumstation kommt. Aufgrund der
Gravitationsbedingungen, die es auch auf der Erde gibt, sollte das Auftankmanöver
von Freedom und Independence besonders schnell ablaufen können. Dies klingt in
der Theorie eigentlich ganz passabel, aber wirft man im Folgenden auch einen Blick
darauf, wie die gestellte Problematik in der Praxis aussehen würde, dann kann man
erneut feststellen, dass die eigenen Berechnungen in keiner Weise mit den in
Armageddon dargelegten Szenen übereinstimmen.
Ich beginne den mathematischen Exkurs mit den für eine Drehbewegung bekannten
Formeln
g = v2/r bzw.
v = r * ω.
Der Bereich der MIR, in dem sich Personen aufhalten können, ist ein relativ kleiner
„Kanal“ mit einem Radius von ungefähr eineinhalb Metern. Da es sich um eine
erdähnlich simulierte Schwerkraft handeln soll, kann für die Schwerebeschleunigung
der Wert 9,81 m/s2 eingesetzt werden. Somit ist die erste oben genannte Formel
nach der Umlaufgeschwindigkeit v aufzulösen und man erhält dafür den Wert
v = 3,83 m/s. Diese Geschwindigkeit wird nun in die zweite Gleichung eingesetzt, um
ω zu berechnen. Vollzieht man dies, resultiert daraus ein Wert von ω = 2,56 rad/s.
Teilt man diesen Wert durch (2 * Pi), so erhält man die Frequenz, mit der die MIR
rotiert. Die Frequenz ist also ν = 0,41 Hz. Nimmt man von diesem Ergebnis den
Kehrwert, erhält man als Umlaufsdauer eine Zeitspanne von 2,46 Sekunden. Mit
anderen Worten: Innerhalb von etwa zweieinhalb Sekunden dreht sich die
Raumstation einmal vollständig um die eigene Achse, damit im Inneren tatsächlich
eine Schwerkraft auftreten kann, die man auch auf der Erde findet.
Kann man diese sehr schnelle Rotation auch im Film sehen? Diese Frage ist klar zu
verneinen, denn Armageddon zeigt uns eine ganz langsame Drehung um eine ihrer
Achsen, die jedoch viel länger dauert als die errechneten 2,5 Sekunden. Allerdings
muss hier noch Folgendes in Betracht gezogen werden: Wie oben angekündigt, sollte
es sich auf der MIR doch um eine erdähnliche Schwerkraftsimulation handeln. Wenn
nun die MIR tatsächlich alle 2,5 Sekunden eine Drehung vollzieht, dann erzielt man in
dem oben genannten Kanal eine Beschleunigung von etwa 9,81 m/s2, allerdings nur
am äußeren Rand. Wie sieht jedoch die Schwerebeschleunigung im Zentrum des
Kanals aus, also ungefähr dort, wo sich Hals und Kopf der Astronauten befinden?
Hier würde nach wie vor Schwerelosigkeit vorherrschen. Damit ist man aber schon
beim nächsten Problem angelangt. Schließlich ist der Organismus des Menschen
nicht so aufgebaut, dass er eine dermaßen große Differenz der
Schwerkraftbedingungen von Kopf bis Fuß dauerhaft auszuhalten imstande ist.
Außerdem wurde davon ausgegangen, dass sich auf der MIR durch die vollzogene
Rotation ein erdähnliches Schwerefeld erzeugen lässt. Aber soeben erfuhr man, dass
es im Inneren des Kanals auf der MIR zu einem erduntypischen inhomogenen
Schwerefeld kommt. Ganz zu schweigen davon, dass die MIR doch aus mehreren
(rechtwinkeligen) Tunnels besteht, in dem sich die Weltretter in spe bewegen. Wie
würde dann die Bewegung für eine erdähnliche Schwerkraft aussehen? Da nach
außen hin, also vom Zentrum der MIR weg, der Wert der Beschleunigung zunimmt,
würden sich die Weltraumfahrer hier noch „schwerer“ fühlen [18].
Unter all den letzten Erläuterungen erkennt man ganz deutlich, dass mit einer
Rotation, wie sie im Film gezeigt wird, eine Schwerkraft erzeugt werden kann.
Jedoch kann diese unmöglich erdähnliche Eigenschaften annehmen, denn das
Schwerefeld auf der Erde ist im Vergleich zu dem auf der Raumstation erzeugten
homogen.
Der letzte Punkt, auf den ich bezüglich der MIR zu sprechen komme, ist folgender:
Nachdem die beiden Shuttles Freedom und Independence das unrealistische
Andockmanöver doch geschafft und den Tankvorgang gestartet haben, passiert
wieder etwas vollkommen Unerwartetes, das aus physikalischer Sicht aufs Neue
unmöglich erscheint.
Während des Tankvorgangs schlägt ein Treibstoffrohr Leck. Das soll heißen, dass an
einer Treibstoffleitung der flüssige Sauerstoff nicht wie geplant in die Tanks der
Shuttles fließt, sondern auf dem Weg durch die Rohre austritt, sich dabei entzündet
und explodiert. Noch scheint alles nachvollziehbar zu sein, aber der Clou kommt
noch. So wie die Explosion im Film gezeigt wird, kann dieser Vorgang nicht ablaufen.
Um eine Explosion der im Film gezeigten Größenordnung hervorzurufen, braucht
man jede Menge. Bleibt jetzt noch die „Jackpotfrage“ offen: Woher soll denn der
Wasserstoff genommen werden, der dafür gebraucht wird? Nicht zu vergessen ist
dabei die Tatsache, dass sich das Shuttle ja im Weltall befindet, wo nur eine äußerst
geringe Konzentration an Wasserstoff vorhanden ist. An diesem Punkt muss man
einen kleinen Einwand einfügen: Im Inneren der Raumstation MIR ist natürlich
oxidationsfähiges Material vorhanden. Das heißt, es ist theoretisch schon möglich,
dass es zu einer Explosion im Inneren der MIR kommt. Jedoch kann diese unter
keinen Umständen solche gewaltigen Ausmaße annehmen, wie in Armageddon
gezeigt wird. Wieder einmal ist die Übertreibung, die von den „Filmemachern“
dargeboten wird, fast schon als maßlos anzusehen [6]. Man könnte noch den
Einwand machen, dass diese Explosion physikalisch korrekt sei – schließlich besitzt
eine von der Erde aus gestartete Trägerrakete Wasserstoff und Sauerstoff, sofern sie
mit Flüssigtreibstoff auf Reisen geschickt wird. Jedoch kann man im Film doch
deutlich erkennen, dass die gezeigte Explosion nicht von den beiden Shuttles,
sondern definitiv von der MIR ausgeht.
Mit dieser Explosionsszene sei außerdem noch einmal auf eines der ersten Kapitel
dieser Arbeit verwiesen, bei der die Raumfähre Atlantis behandelt wurde, die
dasselbe Schicksal erfuhr wie die MIR. Auch in diesem Filmabschnitt kann es
natürlich niemals zu einer Explosion dieser Größenordnung kommen. Hier ist der
gezeigte Fehler sogar noch größer, da zunächst das Teleskop, an welchem der
Astronaut seine Wartungsarbeiten verrichtet, in die nicht vorhandene Luft gejagt
wird. Ein Teleskop verfügt aber über gar keine Sauerstoff- bzw. Wasserstoffvorräte
wie sie zum Beispiel im Inneren der MIR vorkommen. Deshalb ist eine Explosion mit
Feuer und Riesenflammen auch auszuschließen.
Abschließend sei nochmals kurz auf die MIR und die beiden Shuttles verwiesen.
Aufgrund des Lecks eines Treibstoffrohres muss der Tankvorgang sofort
abgebrochen werden. Damit die Astronauten und Ölbohrer überhaupt eine Chance
zum Überleben haben, müssen sie so rasch wie möglich wieder ins Shuttle steigen
und weiterreisen. Im anderen Fall würden sie wohl verbrennen. Obwohl der
Tankvorgang nicht zu Ende geführt und dementsprechend der nötige Vorrat an
Treibstoff nicht aufgenommen werden konnte, wird die Mission weitergeführt. Es
mündet sogar darin, dass das Shuttle Freedom wie geplant nach vollbrachter Arbeit
auf dem Asteroiden Dotty wieder Richtung Heimat fliegt und wohlbehalten dort
aufsetzt. Eigenartig mutet jedoch an, dass mit reduzierter Treibstoffmenge die Arbeit
trotzdem ausgeführt werden kann. Dann hätte man doch vorweg auch keinen
größeren Vorrat an flüssigem Sauerstoff einplanen müssen und hätte sich somit den
Tankvorgang auf der MIR gleich erspart.
10. Kann die NASA tatsächlich zwei Shuttles zugleich starten?
Passend zu dieser Passage über den Auftankvorgang der beiden Shuttles Freedom
und Independence möchte ich darauf zu sprechen kommen, ob es für die NASA
möglich erscheint, zwei Shuttles zugleich in den Weltraum zu schicken. Scheint es
nicht paradox zu sein, dass in Armageddon die amerikanische Raumfahrtbehörde
gleich zwei Missionen gleichzeitig zur Rettung der Erde losschickt, während bei allen
bekannten Raumfahrtexpeditionen stets nur eine Mission gestartet wurde?
Tatsächlich scheint es widersprüchlich zu sein, dieses Faktum ist wohl nur mit
cineastischer Fantasie zu erklären. (Im absoluten Katastrophenfall wäre es vielleicht
doch denkbar, zwei Missionen vom gleichen Startareal loszuschicken, da man
sicherlich alle irgendwie möglichen Maßnahmen ergreifen würde, um die Erde
mitsamt der darauf befindlichen Zivilisation Mensch zu retten. Allerdings ist bis dato
noch nie eine auch nur annähernde Situation eingetroffen.)
Seit Bestehen der Raumfahrt, sagen wir grob gerundet seit circa 50 Jahren, hat es
das in Wirklichkeit noch nie gegeben, dass mehr als ein Gefährt zugleich in den
Weltraum geschickt wurde. Dieses Statement lässt sich relativ leicht erklären. Wenn
man bedenkt, wie viele Mitarbeiter jahrelang arbeiten müssen, um eine einzige
Expedition auf die Beine zu stellen, dann wird das Problem mit einem Schlag
schlüssig: Der finanzielle Rahmen kann nicht außer Acht gelassen werden.
NASA-Mitarbeiter sind ja auch nichts anderes als gewöhnliche Arbeitnehmer,
dementsprechend werden sie auch entlohnt. Wenn nun eine einzige Mission mitunter
Jahre in Anspruch nimmt von der Planung bis zur Durchführung, so ist ein
Raketenstart mit allem was dazugehört ein ziemlich teurer Spaß. Schließlich arbeiten
doch Tausende von Leuten an einem Projekt. Ganz zu schweigen natürlich von den
Kosten für Materialien, benötigter Software usf. Um im Weltall bestehen zu können,
müssen diese Materialien qualitativ am allerhöchsten Level stehen. Es wäre doch
dumm, wenn irgendwo im Weltall eine Panne passiert, und niemand kann mehr
helfen. Dann wären die gesamte jahrelange Planung und das gesamte aufgezehrte
Budget mit einem Schlag beim Fenster rausgeworfen.
Also muss man sich wohl oder übel damit zufrieden geben, sich stets auf ein
Weltraumgefährt zu konzentrieren und dafür die bestmöglichen Ingenieure
einzusetzen, damit im Endeffekt das Programm nicht als Desaster endet. Natürlich,
theoretisch wäre es schon denkbar, einen zweiten wiederverwendbaren
Raumtransporter, wie das Spaceshuttle noch genannt wird, zeitgleich zu entsenden.
Jedoch bräuchte man dafür doppelt so viele Leute, die dieses Programm auf die
Beine stellen, doppelt so viele Materialien, doppelt so viel Software und
logischerweise auch doppelt so viel Geld. Wenn dies passieren würde, dann würde
der Budgethaushalt der NASA deutlich überschritten werden. Klar könnte man nun
argumentieren, dass es belanglos erscheint, angesichts des drohenden
Weltuntergangs Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten zu nehmen. Allerdings
erfährt in Armageddon die NASA erst 18 Tage im Voraus von Dotty, dem drohenden
Killer. Also müsste wohl in jeder Situation ein „Notfallplan“ bei der NASA bereitliegen,
der es auch ermöglicht, das Budget zu überziehen. Derartige Notfallbudgets sind
aber derzeit gar nicht eingeplant.
Aber auch die Frage nach der Gefahr sollte zu diesem Thema berücksichtigt werden.
Sollten tatsächlich zwei verschiedene Shuttles zeitgleich von der Erde abheben, wäre
das in Ordnung, wenn dies an zwei völlig verschiedenen Schauplätzen abläuft. In
Armageddon jedoch starten Freedom und Independence nebeneinander vom
gleichen Startareal. Sollten nun wider Erwarten beim Start eines der beiden Shuttles
Komplikationen auftreten, dann würden diese sich unmittelbar auch auf das zweite
auswirken. Somit würde man das zweite Shuttle, welches vielleicht einwandfrei
funktionstüchtig wäre, unnötig in große Gefahr bringen.
11. Die Planetoidenoberfläche
Das nächste Kapitel wird sich mit der Planetoidenoberfläche beschäftigen, worauf
auch im Film immer wieder die Sprache kommt. Auf unserer Fehleranalyse des
Hollywoodklassikers werden wir in dieser Passage mit Informationsinput regelrecht
überhäuft.
Abgesehen von der Gestaltung der Oberfläche, die im Großen und Ganzen vor allem
visuell respektabel modelliert wurde, wird einem sofort klar, dass die
Schwerkraftauswirkungen von Dotty, wie sie im Film gezeigt werden, nicht stimmen
können. Jeder kennt die Bilder, als im Jahre 1969
der US-Astronaut Neill Armstrong als erster Mensch
durch Sand und Staub auf dem Mond stampfte. An
diesen Bildern kann man jedoch ganz deutlich
erkennen, dass die Art und Weise, wie Armstrong
auf dem Mond spazieren ging, ganz deutlich von der
Art des Spazierens auf der Erde differierte. Die
Lösung des Problems liegt natürlich in der
Schwerkraft verborgen. Aufgrund dessen, dass der
Erdmond viel kleiner ist als der Planet Erde, ist auch
seine Anziehung dementsprechend kleiner. Deswegen sieht man auf den Aufnahmen
des ersten Mondspaziergangs fast eine Art „hüpfendes Gehen“.
Um diesen Aspekt noch besser verdeutlichen zu können, kann man einen
Zahlenvergleich anstellen. Die Gravitationskonstante auf der Erde beträgt 9,81 m/s2.
Hierbei muss man lediglich beachten, dass dieser Wert ein gemittelter Wert über die
gesamte Erdoberfläche ist. Am Äquator ist nämlich die Anziehung unterschiedlich von
Abbildung 6: Neill Armstrong
(Quelle: http://www.spaceclub.
de/enid/7w.html)
dem Wert, wie man ihn auf Nord- und Südpol ermitteln kann. Die Ursache dafür liegt
darin, dass unsere Erde keine ideale Kugelgestalt besitzt, wie oft angenommen wird,
sondern an beiden Polkappen leicht abgeplattet ist. Dadurch ist man am Pol, absolut
betrachtet, etwas näher am Erdmittelpunkt als am Äquator. Genau das ist auch der
Grund, warum die Gravitationsbeschleunigungen zwischen 9,84 (Pol) und 9,78
(Äquator) m/s2 schwanken. Die Anziehung am Pol ist also stärker als am Äquator. Im
Folgenden nehmen wir aber stets den zuvor erwähnten gemittelten Wert von 9,81
m/s2 für die zukünftigen Ausführungen.
Die Erde hat einen Radius von etwa 6.370 Kilometern und der Mond misst 3.476
Kilometer im Durchmesser. Seit der ersten bemannten Mondlandung weiß man
aufgrund von Messungen, dass der angenommene Wert für die Anziehung auf dem
Erdtrabanten, nämlich etwa einem Sechstel des Wertes auf der Erde, tatsächlich als
Verifikation der schon früher berechneten Größe angesehen werden kann. Der
Asteroid Dotty hingegen hat einen Durchmesser von geschätzten 1.000 Kilometern.
Wie sich daraus leicht ableiten lässt, muss die Anziehungskraft auf der Oberfläche
von Dotty wiederum um ein Vielfaches kleiner sein als auf dem Mond. Bei einem
Sprung in die Höhe auf dem Planetoiden Dotty könnte man viele Sekunden den
Boden unter den Füßen verlieren und sogar „herumschweben“. Leider haben sich die
Produzenten des Filmes Armageddon überhaupt keine Mühen gemacht, diese
Tatsache im Film zu berücksichtigen. Freilich wäre dies eine riesige Herausforderung
für die Leinwandproduzenten gewesen, aber der Film wäre dadurch viel
spektakulärer geworden. Harry Stamper und seine Männer bewegen sich auf dem
Asteroiden mit gleich schwerem Schritt wie auch auf der Erde, was in der Realität
niemals der Fall sein kann [13] [18].
Eine weitere Szene, in der derselbe Fehler zum wiederholten Male auftritt, ist jene, in
der es zum sogenannten „Asteroidenbeben“ kommt. Dadurch werden einige kleine
Brocken, die sich ebenfalls an der Oberfläche von Dotty befinden, durch die Gegend
geschleudert und schlagen etwas später mit einer enormen Wucht wieder auf
derselben ein. Da ja die Anziehung des Asteroiden Dotty relativ klein ist, kann dieses
Faktum nicht stimmen. Einige der Geschosse würden wahrscheinlich nicht mehr
wiederkehren, wenn sie mit einer wie im Film gezeigten Wucht durch die Gegend
fliegen. Andere wiederum könnten sicherlich wieder auf der Oberfläche aufschlagen,
jedoch wären diese Einschläge als „samtweiches“ Aufsetzen zu titulieren. Doch
Hollywood ist anders, da muss es krachen und knallen, damit die Kinokassen
klingeln. Und da ist es dann auch möglich, dass ein Brocken die
Fernzündeeinrichtung des Atomsprengsatzes zerstört.
Allen, die diesen Standpunkt gerne mit Zahlen untermauert hätten, sei Abhilfe
geschaffen, denn die Schwerebeschleunigung auf der Asteroidenoberfläche lässt sich
ziemlich einfach berechnen. Die durchschnittliche Dichte eines Asteroiden beträgt
ungefähr ρ = 3.000 kg/m3 (da Dotty aber stark eisenhaltig ist, würde die mittlere
Dichte hier wohl noch etwas höher liegen). Angenommen, dass Dotty
Kugelformgestalt besitzt, dann kann die Masse des Asteroiden leicht mit der Formel
m = ρ * V berechnet werden, wobei V das Volumen des kugelförmigen Asteroiden
repräsentiert. Als Ergebnis erhält man, dass sich die Masse von Dotty zu 1,57 * 1021
Kilogramm berechnen lässt. Setzt man diesen Wert nun in das Gravitationsgesetz
g = G * m/r2
ein und fügt den Wert der Gravitationskonstanten G = 6,67 * 10-11 m3/kg*s2 hinzu,
ergibt sich eine durchschnittliche Anziehung an Dottys Oberfläche von 0,42 m/s2.
Natürlich ist dieses Rechenergebnis nur ein Rundungswert. Der Grund liegt darin,
dass wie bei der Erde auch Asteroiden keine vollkommenen Kugelgestalten besitzen.
Als Mittelwert ist dieses Ergebnis aber ganz brauchbar, um eine Vorstellung zu
bekommen, wie die Schwerkraft auf der Oberfläche von Dotty „gefühlt“ werden
muss. Ein kleiner Zahlenvergleich am Rande: Ein 80 Kilogramm-Mann würde an
Dottys Oberfläche nur dreieinhalb Kilogramm „wiegen“. Wie man erkennen kann,
erscheint es glaubwürdig zu sein, dass man sekundenlang an der Oberfläche des
Planetoiden schweben könnte.
Außerdem wären Bewegungsabläufe an Dottys Oberfläche, wie Armageddon es zeigt,
absolut unmöglich. Schließlich könnte unter so stark vermindeter Schwerkraft
überhaupt keine „erdähnliche“ Bewegung gemacht werden. Umgekehrt würde sich
das Ganze genauso verhalten. Auch auf der Erde ist es unmöglich, eine der
Planetoidenoberfläche entsprechende Schwerkraftsimulation für große Szenerien
durchzuführen. Nicht umsonst dient dieser Aspekt als der wichtigste zur
Untermauerung der Tatsache, dass „Apollo 11“ tatsächlich auf der Mondoberfläche
landete und Neill Armstrong wirklich auf dem Mond spazieren ging [13]. Den
Mondmissionsgegnern, die immer noch glauben, dass die Amerikaner die
Mondlandung nur fiktiv der Weltöffentlichkeit vorspielten, könnte mit diesem
Argument entgegen getreten werden.
Eine letzte Passage, in der der Gravitationsfehlereffekt eine Rolle spielt, findet sich
beim Bohrvorgang. Nachdem dieser abgeschlossen ist, muss aus dem 250 Meter
tiefen Loch noch das Bohrgestänge entfernt werden, damit die Atombombe
zielgerecht darin versenkt werden kann. Dummerweise entfaltet sich während dieses
Räumungsvorganges im Loch ein dermaßen großer Gasdruck, dass einer der tapferen
Helden mit großer Geschwindigkeit ins All geschossen wird. Der Gasdruck rührt von
der Tatsache her, dass während des Bohrvorganges eine Gasblase im Inneren des
Planetoiden getroffen wurde. Aber selbst für den Bohrfachmann, der sich auf dem
Weg ins Weltall befindet, gibt es eine Möglichkeit zur Rettung. Zwar erscheint diese
sehr cineastisch zu sein, denn in Wirklichkeit wäre der Held wohl für immer verloren.
Im Film aber hat der auf den Weg ins All geschleuderte Bohrexperte ein Seil um
seinen Leib gebunden, dass ihm die Möglichkeit bietet, zu überleben. Denn in
Superman-Manier schnappt sich Harry Stamper dieses Seil und zieht seinen
Kompagnon relativ mühelos wieder zurück an die Oberfläche des Asteroiden. Warum
wird Harry Stamper aber nicht mit ins All gerissen? Nun ja, ich denke, dass es dann
wohl der Fantasie jedes einzelnen überlassen ist, diese Frage zu beantworten. Man
braucht dazu lediglich das Impulserhaltungsgesetz anwenden.
Angenommen, der im Bohrloch befindliche Weltretter hätte die Masse m1 und wird
mit einer Beschleunigung g nach oben aus dem Loch geschleudert. Harry Stamper
hingegen habe die Masse m2 und als Beschleunigung zunächst den Wert Null. Da
aufgrund von Impulserhaltung der Gesamtimpuls vor der Interaktion und danach
gleich groß sein muss, gilt für die Kräfte:
m1 * g = (m1 + m2) * a,
wobei a für die gemeinsame Beschleunigung steht, die die beiden erfahren, wenn sie
sich gemeinsam auf dem Weg ins Weltall befinden. Nimmt man weiters an, dass
unsere beiden Bohrexperten annähernd die gleiche Masse aufweisen (also m1 ~ m2),
so kann man leicht errechnen, dass die gemeinsame Beschleunigung in etwa der
Hälfte jener entspricht, die unser im Bohrloch befindlicher Weltretter zunächst alleine
hatte. Aber Hauptsache, im Film gilt: „Ende gut, alles gut!“
12. Der Bohrvorgang
Der Bohrvorgang an Dottys Oberfläche bietet noch weitere physikalische
Ungereimtheiten.
Ausgangspunkt sei, dass ein 250 tiefes Loch an Dottys Oberfläche gebohrt werden
soll. Schon zu Beginn des Filmes, genauer gesagt nach Bekanntwerden des
drohenden Unheils aus dem All, beschäftigt sich die NASA mit einem möglichen
Bohrvorgang an Dottys Oberfläche. Dabei wird auch darüber diskutiert, dass es
absolut sinnlos wäre, eine Atombombe an der Oberfläche des Himmelskörpers zu
zünden. Die Begründung erfolgt dabei an einem recht einleuchtenden Beispiel:
„Stellen Sie sich einen Neujahrskracher auf ihrer offenen Handfläche vor. Sie zünden
ihn an und was passiert? Sie verbrennen sich die Hand. Wenn Sie diesen Kracher
aber ganz fest in Ihre Hand nehmen und ihn dann anzünden – bhhh! Und Ihre Frau
muss Ihr Leben lang die Ketchupflaschen für Sie aufmachen!“ Soweit eine wörtliches
Zitat von einem der besten Ingenieure, welche die NASA zu bieten hat – zumindest
erfährt man das im Film. Dabei erscheint die Grundüberlegung der Problematik
ziemlich schlüssig zu sein. Der einzig sinnvolle Weg zur Rettung der Menschheit und
des Planeten Erde besteht darin, den Koloss von Texasgröße von innen heraus zu
sprengen. Schließlich würde bei einer Sprengung an der Oberfläche des Ungetüms
aus dem All aufgrund seiner enormen Größe nichts passieren. „Der würde nur
grinsen und weiterfliegen“, heißt es im Film. Dem Kinogeher sollte damit vor Augen
geführt werden, dass es durch dieses Loch von 250 Meter Tiefe und dem Versenken
einer Atombombe darin sehr wohl zu einer Sprengung des Giganten aus dem All
kommen kann.
Anhand folgender Berechnung kann gezeigt werden, dass die geplante Detonation
nicht funktionieren kann. Zunächst erscheint alles glaubwürdig zu sein, schließlich
misst der Asteroid ja bekanntlich 1.000 Kilometer im Durchmesser. Da scheint es
doch akzeptabel zu sein, ein 250 Meter tiefes Loch zu bohren. Allerdings kommt jetzt
der entscheidende Aspekt, mit dem der Kinobesucher auf eine falsche Fährte gelockt
wird. Man nimmt nämlich beim ersten Hinhören und Hinschauen nur die
verwendeten Zahlen wahr, also die Zahl 1.000 und die Zahl 250. Somit sollte alles im
Lot sein. Jedoch empfiehlt es sich auch auf die Einheiten der beiden Zahlen zu
achten. Man redet doch von 1.000 Kilometern und 250 Metern! Und plötzlich erfährt
die Story über den Asteroiden eine Wendung hin zur Unmöglichkeit. Mit den eben
verwendeten Zahlen und ihren Einheiten ist die Welt durch Bohren eines 250 Meter
tiefen Loches nicht zu retten, denn stellt man diese beiden Zahlen in Relation
zueinander, dann wird man feststellen, dass die 250 Meter im Prinzip
vernachlässigbar sind. Das Verhältnis beträgt schließlich 1 : 4.000, wenn man die
Kilometer in Meter umwandelt und das Ergebnis durch 250 teilt [16].
Um einen Vergleich mit der Erde anzustreben, sei auf Bergwerksstollen verwiesen.
Um obiges Verhältnis beizubehalten, müsste es ausreichen, ein eineinhalb Kilometer
tiefes Loch auf der Erde zu bohren, um sie zu sprengen. Es gibt aber genügend
Stollen, deren Tiefe von der Größenordnung von einem Kilometer und sogar noch
mehr ist. Zweifelsohne ist es schon passiert, dass es in solchen Stollen zu
Explosionen gekommen ist. Aber definitiv hat es unsere Erde dabei noch nie
„zerrissen“. Der Stollen würde dabei höchstwahrscheinlich einstürzen und ein relativ
glimpfliches regionales Erdbeben zur Folge haben. Aber mit dem Ende der
Menschheit hätte das trotz Anbringen eines Nuklearsprengkörpers sicher nichts zu
tun. Also kann dem Killerplanetoiden aus dem All mit der geplanten Sprengung in
250 Meter Tiefe hundertprozentig nicht der Garaus gemacht werden.
Das oben genannte Verhältnis kann auch anhand von Bergen verdeutlicht werden,
denn schließlich weiß zwar jeder, wie groß die Erde ist, aber wirklich vorstellen kann
sich das kaum jemand. Es soll von einem Berg ausgegangen werden, der am Fuß
einen Durchmesser von vier Kilometern hat. In diesem Fall müsste es bereits
genügen, ein zweieinhalb Meter tiefes Loch in den Berg zu bohren, um ihn in die Luft
zu jagen. Warum wird hier allerdings nicht auch das Verhältnis von 1 : 4.000
eingehalten? Das ist ganz schnell erklärt. Ein Berg ist doch am Fußpunkt ziemlich
breit und nimmt mit zunehmender Höhe im Durchmesser ab. Deshalb sollte das
Bohrloch am Fußpunkt etwa zweieinhalb Meter betragen, um einen entsprechenden
Vergleich zu den Bergwerksstollen herzustellen. Man zeige mir jedoch diejenige
Person, die tatsächlich davon überzeugt ist, mit einem zweieinhalb Meter großen
Loch einen Teil der Alpen wegzusprengen – pure Utopie!
13. Ist der Bohrvorgang überhaupt sinnvoll?
Bleibt man beim Bohrvorgang an Dottys Oberfläche, wird man schon wieder fündig,
was physikalische Ungereimtheiten betrifft. Armageddon möchte uns lehren, dass
einzig und allein das Bohren die Menschheit vor ihrem drohenden Untergang
bewahren kann. Ist es jedoch möglich, auf die Art und Weise, wie sie im Film
dargestellt wird, ein Loch auf Dotty zu bohren? Diese Frage ist zu verneinen – es ist
nicht möglich.
Die Begründung dafür findet man in der Dichte des Asteroiden. In diesem Fall ist es
egal, ob man von Asteroiden, Kometen oder Meteoriten spricht. Alle eben Genannten
weisen eine große Dichte auf, dass es mit den Bohrvorrichtungen, über die man auf
der Erde verfügt, wohl nicht möglich sein wird, ein so tiefes Loch zu bohren. Ganz zu
schweigen davon, dass der Bohrvorgang innerhalb von nur acht Stunden
durchgeführt werden sollte. Solche Brocken aus dem All weisen eine viel größere
Dichte auf, als wir es von der Erde her kennen. Beispielsweise weisen Asteroiden
eine durchschnittliche Dichte von etwa 3.000 kg/m3 auf. Dies ist im Vergleich zur
Erde eigentlich nicht besonders hoch. Allerdings erfährt man im Film, dass der
Bohrplatz stark eisenhaltig und somit die ungünstigste Position zum Bohren ist. Damit
soll ausgedrückt werden, dass es gerade an der Stelle, wo mit dem Armadillo
gebohrt werden sollte, sehr wohl zu einer bedeutend höheren Dichte kommen muss.
Nun wird aber der Eine oder Andere immer noch mit der Stirn runzeln und
behaupten, dass ohnehin alles im grünen Bereich ist, denn schließlich ist die
durchschnittliche Dichte der Erde bei circa 5.520 kg/m3 und auf der Erde können
doch auch Löcher von 250 Meter Tiefe gebohrt werden. Dieser Einwand erscheint
zunächst berechtigt, doch durch folgende Erklärung wird er abgeschwächt: Die
relativ große Dichte der Erde entsteht dadurch, dass sie aus einem Eisenkern
besteht, der die mittlere Dichte auf so einen hohen Wert ansteigen lässt. An der
Oberfläche hingegen ist die Erde sehr „dünn“. Wenn man hier an der Erdoberfläche
tatsächlich ein Loch zu bohren versucht, dann passiert dies bei einer viel geringeren
Dichte als jener von Dotty. Das soll heißen, dass erst der Eisenkern den hohen
Durchschnittswert der Erde bewirkt. Und da man ja an der Oberfläche von Dotty
schon an der obersten Schicht Eisen vorfinden kann, wird klar, dass der
Bohrvorgang, wie im Film gezeigt wird, nicht funktionieren kann [16].
Zur Veranschaulichung soll folgender Vergleich dienen: Man stelle sich ein Stück
Eisen vor, in das man mit einer Bohrmaschine ein Loch zu bohren versucht, und
schon erkennt man, wie schwer dies vonstatten geht im Vergleich dazu, mit
demselben Bohrer in ein Stück Erde vorzudringen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt
worden, dass der Bohrer binnen kürzester Zeit extrem heiß werden würde und
zwischendurch wieder auskühlen müsste. Auch das kann man mit einer
Bohrmaschine und einem Stück Eisen sehr leicht verifizieren. An Dottys Oberfläche
hingegen wird das geplante Loch in einem Zug durchgebohrt, ohne auch nur ein paar
Minuten zur Kühlung einzuhalten. Mit anderen Worten: Mit den Mitteln, die auf der
Erde verwendet werden, ist es unmöglich, das erforderliche Loch auf dem
Planetoiden zu bohren. Dazu bräuchte man eine verbesserte Technologie und eine
speziell für solche Fälle verbesserte Materialstruktur. Aber so weit ist die irdische
Entwicklung (noch) nicht vorangeschritten.
Würde man sich nun doch dazu entschließen, den in Armageddon gezeigten
Bohrversuch als physikalisch korrekt zu akzeptieren, bleibt allerdings noch eine
weitere Frage offen: Wenn es so einfach wäre, dieses Loch in den Asteroiden zu
bohren, warum entsendet man dafür nicht gleich eine Salve von Raketenbomben, die
den gleichen Zweck erfüllen könnte? Armageddon zeigt uns doch ganz deutlich, wie
der Armadillo Nummer zwei, nachdem er die Aufgabe von Nummer eins
übernommen hat, sich wie in Butter reinbohrt. Da kommt man ja fast mit dem
Zählen der Meter nicht nach, so schnell werden Fortschritte gemacht. Wenn das
Ganze tatsächlich so einfach wäre, warum investiert man mit den beiden Missionen
Freedom und Independence so viel, während man mit einem viel geringeren
Aufwand in Form einer mit Raketen abgefeuerten Bombenstaffel das gleiche Resultat
erreichen könnte? Dabei ist der Aufwand nicht nur aus wirtschaftlicher und
finanzieller Natur betrachtet geringer; die Raketenbomben könnten sogar
computergesteuert von der Erde aus ihre Arbeit verrichten. Und es müssten nicht
viele Leute ins All geschickt werden, die sich einem sehr hohen Risiko aussetzen. Die
„Bauernopfer“, um ein Beispiel zu nennen, gäbe es bei den Angriffen mittels Raketen
nicht. Außerdem kann man mit der heutigen Technologie der Computer auch die
„Versagensangst“ eines eben solchen als obsolet betrachten, denn Menschen können
in Stresssituationen ebenso Fehler produzieren. Beim Entsenden zweier bemannter
Shuttles ist der „Einsatz“ im Vergleich zu einem ferngesteuerten Geschwader an
Bomben überproportional hoch, während die Erfolgsaussichten in beiden Fällen als
gleich erscheinen.
14. Sprengkraft
Auch die Sprengkraft spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Um einen
globalen Killer á la Texas tatsächlich durch eine Detonation zu zertrümmern,
bräuchte man ungefähr gerundete zehn Millionen Gigatonnen TNT [16]. Damit man
ein gewisses „Gefühl“ für die zehn Millionen Gigatonnen TNT entwickelt, sei nur
darauf verwiesen, dass dies bei weitem mehr ist, als auf der gesamten Erde existiert!
Weltweit gibt es Schätzungen zufolge etwa 10.000 Megatonnen TNT2. Alles irdische
Sprengmaterial zusammengenommen wäre also nur ein unbedeutender Anteil der
2 siehe auch http://www.marum.de/senkom-ozean/planeterde/Kapitel_1.2%252Deutsch.pdf
benötigten Menge. Schließlich entsprechen die TNT-Werte, die man zur Sprengung
tatsächlich bräuchte, einer Größe von 1019 Kilogramm, wenn man die Tonnen gleich
in die standardisierte SI-Einheit für die Masse umwandelt, während das irdische
Vorkommen nur bei etwa 1013 Kilogramm liegt. Es ergibt sich also ein fehlender
Faktor von 106. Oder anders ausgedrückt: Das Vorkommen auf der Erde entspricht
nur dem 0,000001-fachen der tatsächlich benötigten Menge an Sprengstoff. Da
könnten selbst die auf diesem Gebiet als neue Nuklearmächte zu bezeichnenden
Länder wie Pakistan oder Indien nichts Entscheidendes dazu beitragen [27].
Würde man sich aber trotzdem entschließen, das gesamte (bekannte) irdische
Sprengmaterial zusammenzutragen und zur Rettung der Menschheit auf den
Planetoiden zu entsenden, bleibt dann noch ein „Platzproblem“ offen. Ein
Spaceshuttle ist nicht allzu groß, denn es sollte im Endeffekt tatsächlich von der Erde
aus abheben können. Also muss demzufolge die räumliche Ausstattung in einem
kleineren Rahmen stattfinden. Da schließlich die benötigte technische Ausrüstung
einerseits, aber auch die Besatzung andererseits schon einen Teil des Raumes in
Anspruch nehmen, würde nun für unser Bombenmaterial nicht mehr viel Platz
bleiben. Tatsache ist aber, dass das irdische Sprengsortiment bei weitem nicht ins
Spaceshuttle passen würde. Hierfür wäre eine weitaus geräumigere Ausführung
notwendig. Diese jedoch gibt es nicht, andernfalls wäre das Shuttle so
überdimensional groß, dass es ja gar nicht von der Erde abheben könnte.
Außerdem wäre die Nutzlastkapazität eines Shuttles bei weitem nicht so ausgeprägt,
dass man alles irdische Sprengsortiment zusammengenommen im Innenraum
verstauen könnte. Hier seien nur die beiden realen Spaceshuttles Discovery und
Atlantis erwähnt, da diese beiden die meiste Nutzlast aufbieten können. Allerdings
kommt man auch hier nur auf einen Wert von etwa 30 Tonnen. Der Rest, der noch
fehlt auf die 10.000 Megatonnen, müsste dann wohl doch weiterhin auf der Erde
verweilen und darauf warten, dass Dotty alles kurz und klein schlägt, was jemals von
Menschenhand geschaffen wurde.
Ebenfalls erwähnenswert ist noch das Faktum, dass der Nuklearsprengkörper, der
auf die beiden Shuttles Freedom und Independence verladen wird, nicht all zu
„gewaltig“ sein kann. Schließlich erkennt man gleich in mehreren Passagen des
Movies, dass die Bombe mit Leichtigkeit zu zweit transportiert werden kann. Also
kann sie auf gar keinen Fall tonnenschwer sein und somit eine echte Bedrohung für
Dotty darstellen.
Aus all den letzten Sätzen gewinnt man den Eindruck, dass in Armageddon die Welt
wohl nicht mehr zu retten ist. Fast möchte man sagen, dass man froh ist, nur über
einen Film und nicht über die Realität zu berichten.
15. Die Ablenkung der beiden Asteroidenhälften
Angenommen, die Sprengung des Asteroiden wäre, so wie es in Armageddon
dargestellt wird, physikalisch realisierbar. Wie man bereits weiß, kann das nicht sein,
aber es geht doch schließlich nur um eine Annahme. Dotty wird dabei durch die
Detonation in zwei Hälften geteilt, wobei eine Hälfte oberhalb der Erde und die
andere Hälfte unterhalb der Erde vorbeifliegt. Beide Trümmer verfehlen das
ursprünglich anvisierte Ziel um gut 100.000 Kilometer. Die Erde ist damit gerettet
und alle, die den Weltraumtripp überstanden haben, kehren wohlbehalten wieder auf
ihren Heimatplaneten zurück. Es sollten aber an dieser Stelle keine voreiligen
Schlüsse gezogen werden, in dieser Filmszene werden gleich mehrere Punkte
physikalisch durcheinandergebracht. Am leichtesten erkennt man diese
Ungereimtheiten, wenn man die Fakten des Filmes anhand von Zahlen aufarbeitet.
Man betrachte zunächst die beiden Shuttles Freedom und Independence, die durch
die Anziehung des Mondes mittels der Vorbeiflugtechnik auf eine Geschwindigkeit
von 36.200 km/h beschleunigt werden. Zur Erinnerung sei nochmals erwähnt, dass
der Asteroid mit 35.000 km/h seine Bahn durchs Weltall zurücklegt. Das
Beschleunigungsmanöver um den Mond passiert genau zu dem Zeitpunkt, an dem
Dotty am Mond vorbeifliegt – diese Tatsache kann man aus dem Film übernehmen.
Die Entfernung Erde – Mond ist auch genau bekannt, sie misst circa 384.000
Kilometer.
Wenn nun Freedom und Independence tatsächlich auf der Oberfläche von Dotty
landen, dann kann das nur passieren, nachdem der Planetoid am Mond
vorbeigeflogen ist. Der Einfachheit halber gehen wir im Folgenden für unsere
Berechnungen weiterhin von den 384.000 Kilometern aus und behaupten, dass hier
das Landemanöver vonstatten geht. Was man ganz leicht aus dem Film aufnehmen
kann, ist die Tatsache, dass innerhalb von acht Stunden das geplante Bohrprojekt
abgeschlossen sein muss, da genau nach dieser Zeit die Nullbarriere erreicht wird. In
diesen acht Stunden legt der globale Killer immerhin eine Strecke von 280.000
Kilometern zurück. Nach Adam Riese befindet er sich also nur noch etwas mehr als
100.000 Kilometer von der Erde entfernt. Hier an diesem Punkt erfolgt dann die
Sprengung. Die dabei entstehenden Hälften fliegen ebenfalls um gut 100.000
Kilometer an der Erde vorbei. Kaum zu glauben, dass dies tatsächlich so einfach von
der Hand gehen sollte. Bleibt nur noch die Frage offen, warum sich die beiden
Hälften voneinander entfernen bzw. wodurch die beiden Hälften so extrem weit an
der Erde vorbei fliegen können? Schließlich weiß man doch schon, dass dies nur
aufgrund von zusätzlicher Gravitationsbeschleunigung funktionieren kann. Außer
unserer Erde ist aber kein anderer Himmelskörper mehr in der Nähe, der das
erledigen könnte. Außerdem würde die Erde, im Falle einer
Gravitationswechselwirkung, die beiden Brocken doch anziehen und sie nicht um gut
100.000 Kilometer an ihr vorbeiziehen lassen.
Als Endresultat bleibt also lediglich die Frage offen, warum die beiden Trümmer nach
der Sprengung nicht trotzdem auf der Erde aufprallen. Schließlich entspricht der
Kurs, den die beiden Hälften nach der Sprengung einnehmen, einer jeweils um 45
Grad abgelenkten neuen Marschroute. Diese Leistung ist sehr erstaunlich, vor allem
wenn man bedenkt, dass niemand weiß, wie dies überhaupt zustande kommen kann.
Wie man leicht nachrechnen kann, wäre zur Sprengung von Dotty und der daraus
resultierenden Ablenkung eine kinetische Energie (Ekin = m * v2/2) in der
Größenordnung von circa 1029 Joule notwendig! Wenn man nun aber die bereits
zuvor erwähnten 10.000 Megatonnen TNT, die es auf der Erde gibt, in Energie
umrechnet, die damit erzeugt werden kann, so erhält man einen Wert von 4,3 * 1019
Joule, wobei als Umrechnungsfaktor eine Tonne TNT als 4,2 * 109 Joule angegeben
werden kann [21].
Um das eben angeführte Beispiel zu visualisieren, seien die Rechnungen im
Folgenden angeführt: Die Masse von Dotty wurde bereits zu einem früheren
Zeitpunkt ermittelt, diese 1,57 * 1021 Kilogramm kann man übernehmen. Ebenfalls
weiß man schon aus früheren Betrachtungen die Geschwindigkeit von Dotty. Sie
beträgt 35.000 km/h. Jetzt muss man nur noch die Geschwindigkeit in Meter pro
Sekunde umrechnen (35.000 km/h = 9.722,22 m/s) und die beiden Werte in die
Formel für kinetische Energie einsetzen: Ekin = m * v2/2. Daraus ergeben sich die
1029 Joule, die ich bräuchte, um den Koloss so zu zertrümmern, wie es uns
Armageddon zeigt. Die um 45 Grad abgelenkte Bahn der beiden Asteroidenhälften ist
dabei schon inkludiert.
Wie man leicht sieht, fehlen auch hier wieder die
TNT-Vorräte, da alles irdische Vorkommen wieder
nur einen Minianteil der benötigten Substanz
ausmacht. Aber die Hauptsache ist, dass die
Ablenkung im Film funktioniert und die Menschheit
weiterhin ihr ungetrübtes Dasein fristen kann.
16. Ergänzungen zu den Ungereimtheiten
Zweifellos sind bis hierher noch immer nicht alle Ungereimtheiten behandelt worden,
aber ich denke, dass die wichtigsten, schwerwiegendsten und auffälligsten
angesprochen und auch etwas genauer mit physikalischen Gesetzen untermauert
wurden. Der eine oder andere Fehler, der zwar nicht ganz so große Ausmaße
annimmt, sollte als nächstes kurz betrachtet werden. Die Ausarbeitung wird
dementsprechend nicht mehr so ausführlich sein wie bisher.
i. Anblick der Erde aus dem Weltall In Armageddon wird beispielsweise sehr oft der Anblick der Erde aus dem Weltall
gezeigt. Dies ist eine Szene, die sehr oft auftritt und genau so oft fehlerhaft
erscheint. Denn in jeder einzelnen Einstellung kann man deutlich den von der Sonne
beleuchteten Teil des Erdteils sehen. Der Rest sollte dabei dunkel erscheinen. Jedoch
ist es nicht möglich, dass in jeder einzelnen Einspielung der nichtbeleuchtete Teil als
komplett schwarz angesehen werden kann. Es wäre vielmehr korrekt, wenn man die
dunklen Konturen noch erkennen könnte. Dasselbe Phänomen tritt auch beim Mond
auf. Wenn man nächtens zum Himmel schaut und dabei den Mond anvisiert, dann
wird man stets einen hellen Teil und einen dunklen Teil zu Gesicht bekommen, wenn
nicht gerade Voll- oder Neumond ist. Der nichtbeleuchtete Teil wird aber auch
niemals vollständig schwarz erscheinen. Beim Mond hat dieses Phänomen sogar
einen eigenen Namen bekommen: „Erdschein“. Dabei erzeugt das Licht, welches von
der Erde zurückreflektiert wird und den nichtbeleuchteten Teil des Mondes trifft, den
zweifellos dunklen, jedoch keinesfalls absolut schwarzen Kontrast zum ohnehin schon
beleuchteten Teil des Mondes. Um jetzt wieder auf das Erscheinungsbild der Erde
zurückzukommen, sei nochmals erwähnt, dass das Prinzip in diesem Fall natürlich
das Gleiche ist. Reflektierte Lichtstrahlen können auch den nicht direkt von der
Sonne beleuchteten Teil der Erde erhellen, wenn dieser Prozess auf der Erde auch
nicht so große Ausmaße annehmen wird, wie es auf dem Mond passiert. Also wird
die Erde niemals als vollkommen schwarz erscheinen können.
Außerdem findet man bei diesen Aufnahmen der Erde mit Blick aus dem Weltraum
noch eine zweite Ungereimtheit, die allerdings in die Kategorie „sehr billiger Fehler“
einzuordnen ist. Wie gesagt, gibt es stets einen beleuchteten und einen
nichtbeleuchteten Teil der Erde. Jedoch kann es unmöglich sein, dass in einer
Einstellung einmal die linke Hälfte hell ist, in einer nächsten Passage dann der rechte
Teil unseres Planeten von der Sonne direkt beleuchtet wird. Zwischendurch kann
man deutlich erkennen, dass plötzlich die Südhalbkugel der Erde im Sonnenlicht
erstrahlt. Prinzipiell ist gegen diese drei angeführten Passagen nichts einzuwenden.
Jedoch hat man immer den gleichen Blickwinkel auf die Erde, nämlich stets von der
Oberfläche von Dotty weg. Außerdem vernimmt man auch die Zeitspannen, die
vergehen, bis uns der Film eine neue Perspektive der Erde zeigt. Da erscheint es
doch sehr suspekt zu sein, dass innerhalb von nur einer Stunde ein Wechsel der von
der Sonne beleuchteten Hemisphäre auftritt. Nichts kann eine solche globale und
schnelle Änderung von Tag und Nacht auf der Erde hervorrufen. Also bleibt als Fazit,
dass uns Touchstone Pictures wieder einmal einen gänzlich unphysikalischen
Sachverhalt dargeboten hat.
ii. Oberfläche von Dotty Ein anderes Beispiel für einen „kleinen“ Fehler erfährt man in Armageddon bei den
Einspielungen von der Oberfläche von Dotty. In einem früheren Absatz wurde die
Darstellung der Oberfläche noch gelobt. Dies ist natürlich nicht falsch, doch ist es
eher unwahrscheinlich, dass große Gebiete der Oberfläche vollkommen flach wie ein
Tisch sind, so dass der Armadillo problemlos durch die herumfahren kann. Viel eher
realitätstreu wären diese Szenen erschienen, wenn die ebenen Flächen kleinere
Ausmaße angenommen hätten. Und befindet sich unser Armadillo einmal nicht auf so
einer schönen „Straße“, wie diese großen Flachpassagen im Film von Lev Andropov
genannt werden, dann schaltet er eben die Steuerdüsen aus, mit denen er sich an
der Oberfläche Halt verschaffen sollte, und schwebt über das Hindernis hinweg.
Theoretisch ist hier wohl nichts auszusetzen, auch wenn diese Sache im Film
surrealistisch auf den Fernsehmonitor projiziert wird. In Wirklichkeit würde der
Armadillo wohl nicht geradewegs schräg nach oben abheben, wenn man seine
Steuerdüsen ausschaltet, sondern wohl am Boden bleiben, solange er nicht einen
Impuls bekommt, der es ihm ermöglicht, die Oberfläche von Dotty zu verlassen.
iii. Funkenflug auf der Planetoidenoberfläche Beim Absturz von Independence wird das Shuttle schwer beschädigt. Dabei treten
hier solche Ausmaße auf, dass die einzig realistische Möglichkeit einer Rettung im
Film darin besteht, sich mit dem Armadillo den Weg aus dem Shuttle heraus ins Freie
einfach „freizuschießen“. Abgesehen davon, dass es total unlogisch erscheint, einen
großen Munitionsvorrat auf eine Asteroidenoberfläche mitzunehmen, tritt noch eine
zweite Ungereimtheit auf. Es kann nämlich nicht zu einem in Armageddon gezeigten
Funkenflug kommen, wenn man sich den Weg freischießt. Die Begründung findet
man in dem bereits besprochenen Mangel eines brennbaren Mediums. Zweifelsohne
kann eine Funkenbildung nur dann funktionieren, wenn es auch möglich erscheint,
eine Explosion hervorzurufen. Dass das jedoch aufgrund des akuten
Sauerstoffmangels nicht funktionieren kann, ist schon ausführlich behandelt worden
[6].
iv. Einschläge auf der Erde Um nochmals die ebenfalls bereits ausführlich behandelten Einschläge zu Beginn des
Kassenknüllers in Erinnerung zu rufen, sollen die behandelten Ungereimtheiten noch
durch einen weiteren kleinen Fehler ergänzt werden. Im Film sieht man, dass zum
Teil winzige Brocken auf der Erdoberfläche einschlagen und gewaltigen Schaden
anrichten. Abgesehen davon, dass so kleine Teile sicher nicht die Erde erreichen
könnten, so würden sie doch einen Einschlagskrater hervorrufen. Im Film kann man
deutlich erkennen, dass sich mehrere dieser Himmelsgeschosse tunnelartig in den
Boden bohren, ohne auch nur einen Ansatz eines Kraters zu hinterlassen. Außerdem
kommen diese Himmelskörper unter vielen verschiedenen Einschlagswinkeln daher,
was aber zur Folge hätte, dass deren Herkunft total unterschiedlich sein müsste.
Jedoch stammen alle Brocken aus dem Asteroidengürtel, die dann durch die Kollision
von Dotty mit eben diesem Richtung Erde getrieben werden. Also sind sie doch
gleicher Herkunft und können somit die Erde auch nicht unter allen möglichen
Winkeln erreichen.
v. Weltraumbewegungen der Shuttles Abschließend zu dem Kapitel über „Ergänzungen zu den physikalischen
Ungereimtheiten“ möchte ich noch kurz über die Weltraumbewegungen der im Film
auftauchenden Shuttles Freedom und Independence zu sprechen kommen. Eigentlich
ist dies ein Punkt, der nicht einen kleinen Fehler, wie eingangs formuliert, darstellt,
sondern durchaus ein größeres Ausmaß annimmt.
In Armageddon sieht man vor allem in zwei Passagen, nämlich beim Beginn des
Roadrunner-Manövers und beim Landeanflug auf Dotty, dass die beiden Shuttles
mittels eines Antriebes gesteuert werden, der den Antriebsaggregaten von
Flugzeugen auf der Erde verblüffend ähnlich ist. Mittels eines Steuerknüppels können
Freedom und Independence stets auf eine Kursänderung gebracht werden. Würde
man jedoch Weltraumbewegungen ansehen, wie sie in Wirklichkeit stattfinden, so
könnte man feststellen, dass dies meist nur geringfügig korrigierte Bewegungen im
Gravitationsfeld sind. Schließlich gehorchen auch die Shuttles Freedom und
Independence dem Newton’schen Gesetz der Massenanziehung [23].
Zweifellos ist mir die Tatsache bewusst, noch immer nicht alle Ungereimtheiten und
Fehler aufgedeckt zu haben. Sicherlich wird dem einen oder anderen beim
Anschauen einer Videokassette oder einer DVD von Armageddon noch die eine oder
andere Szene merkwürdig erscheinen. Aber ich habe versucht, hauptsächlich die vom
physikalischen Standpunkt aus widersprüchlichsten Szenen in diesem Abschnitt der
Arbeit zu behandeln. Außerdem sollte der Leser dieser Arbeit dazu ermutigt werden,
sich selbst mit diesem Thema auseinanderzusetzen und nach Maßgabe der
Problemstellung auch seinen Teil zur Fehleranalyse beizutragen.
III. Physikalischer Hintergrund
Die Physik von Meteoriten, Planetoiden, Kometen und
Spaceshuttle-Missionen
Um nicht nur die ganze Zeit darauf herumzureiten, wie schlecht oder falsch der Film
Armageddon produziert worden ist, geht es ab ins nächste Kapitel – den
physikalischen Hintergrund. Hierbei werde ich einige wesentliche Aspekte
besprechen, die zum physikalischen Verständnis gezeigter Szenen unabdingbar
notwendig sind.
Als Beispiel dafür werden die Physik und die Technik von Spaceshuttles dienen.
Zweifellos ist schon einiges darüber gesagt worden, aber wie sieht es eigentlich mit
der Funktionsweise eines solchen Weltraumgefährtes aus? Wie funktionieren
Spaceshuttles prinzipiell in der Realität? Ich werde versuchen, einen kleinen Einblick
in dieses weite und sehr interessante Gebiet zu geben.
Dotty ist wohl bei meiner Fehleranalyse am öftesten aufgetreten. Das liegt daran,
dass es für einen Produzenten nicht leicht sein kann, eine solche Begebenheit
detailgetreu auf den Bildschirm zu projizieren. Wenn man bedenkt, wie selten es zu
Einschlägen durch kosmische Himmelskörper auf der Erde kommt, ist es auch nicht
weiter verwunderlich. Und doch können die heutigen Wissenschaftler und Forscher
auf diesem Gebiet zweifelsfrei nachweisen, dass unsere Erde schon seit jeher als
Zielscheibe für diverse „Geschosse“ aus dem All herhalten musste.
Also werde ich auch auf die Frage: „Was tun, wenn ein Himmelskörper auf
Kollisionskurs mit der Erde ist?“, eingehen. Es ist unumgänglich, dass ein Einschlag
wieder einmal passieren wird. Aber wie schon ganz zu Beginn der Arbeit erwähnt
wurde, besitzt die Menschheit erst seit ein paar Jahren, vielleicht seit ein paar
Jahrzehnten, tatsächlich effektive Möglichkeiten, um Meteoriten, Kometen oder
Planetoiden zu trotzen. Auch auf derartige Fragen werde ich versuchen, eine Antwort
zu geben. An dieser Stelle sei eine wörtliche Passage aus Armageddon angeführt, die
sich im Vorspann mit dem Einschlag vor 65 Millionen Jahren beschäftigt und definitiv
richtig ist: „Es [ein Einschlagsszenario] ist einmal geschehen, es wird wieder
geschehen. Die Frage ist nur: Wann?“
17. Meteoriten
Einschlagsrelikte können nicht immer in den gleichen Topf geworfen werden. So
besteht die erste Aufgabe darin, Merkmale für Meteoriten zu erstellen, um sie später
auch von Kometen und Asteroiden unterscheiden zu können.
Im Volksmund würde man etwas salopp formuliert behaupten, dass Meteoriten
Steine wären, die vom Himmel fallen. Und tatsächlich hat man mit dieser Feststellung
die wohl beste Beschreibung dieser Himmelsbrocken gefunden. Meteoriten sind
nämlich Partikel aus dem All, die letztendlich nach ihrer Reise durch den Weltraum
tatsächlich auf die Erde treffen und dort von Wissenschaftlern als solche identifiziert
werden können. Vor der Karambolage mit dem Planeten Erde mussten sie sich
jedoch auf einer Ellipsenbahn um die Sonne bewegt haben. Damit Meteoriten
dennoch von Kometen, die auch elliptische Umlaufbahnen besitzen können,
unterscheidbar sind, sollte die Herkunft von Meteoriten etwas genauer angesehen
werden. Die Größe dieser Boten aus dem Weltall muss ein Molekül überragen, darf
aber Kleinplaneten nicht überschreiten. Man würde sonst in diesem Fall in die
Kategorie Planetoiden vorstoßen. Nicht umsonst werden Meteoriten auch häufig als
Bruchstücke von Asteroiden angesehen.
Die ebenfalls sehr häufig verwendete Form „Meteor“ darf nicht mit „Meteorit“
verwechselt werden. Meteore sind nämlich lediglich Lichterscheinungen am Himmel,
die man beobachten kann, wenn diverse Brocken auf Reisen durch die unendlichen
Weiten des Alls sind und beim Eintritt in die Atmosphäre aufgrund ihrer geringen
Größe verglühen. Während sich ein Meteor mit einer Lichterscheinung beschreiben
lässt, ist ein Meteorit etwas Materielles, und demzufolge auch massebehaftet. Also
muss sehr wohl darauf geachtet werden, welches Wort für welches Phänomen
verwendet wird.
Um die Begriffserklärung abzuschließen sei außerdem noch erwähnt, dass es auch
noch „Meteoride“ gibt. Dieser Begriff hat grob betrachtet sogar zwei Bedeutungen:
Erstens dient er als Überbegriff für Meteoriten und Meteore. Zweitens beschreibt er
kosmische Kleinpartikel, die sich geregelt um die Sonne bewegen und einen
Durchmesser zwischen weniger als 0,1 Millimeter und einigen Metern haben. Da
„Meteorit“ eigentlich nur dann verwendet wird, wenn es sich um größere Brocken
handelt, muss hier der Begriff Meteoride herhalten, auch wenn es im Grunde
genommen um Meteoriten geht – damit wären wir aber ohnehin wieder bei
„Meteoride“ als Überbegriff gelandet [9] [25] [26].
Akzeptiert man den Begriff „Meteoride“, kann man wieder zu den Meteoriten
zurückkehren und versuchen, Fragen nach Herkunft und Zusammensetzung eines
solchen „Steinbrockens“ zu erforschen. Zunächst soll ein Rückblick auf die Zeit
gemacht werden, in welcher unser Sonnesystem gerade erst begann, sich zu
entwickeln.
i. Herkunft Unser Sonnensystem entstand vor etwa 4,6 Milliarden Jahren. Die dabei auftretenden
massebehafteten Partikel (Urmaterie) begannen sich zu vereinen und bildeten im
Laufe der Zeit die heutigen uns bekannten neun Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars,
Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto. Aber nicht die gesamte Masse wurde
durch die Planetenentstehung aufgezehrt. Es gab immer noch massebehaftete
Stücke, die sich weiterhin in unserem Sonnensystem aufhielten. Ein Großteil davon
begann sich genauso wie die neun Planeten auf Ellipsenbahnen um die Sonne zu
bewegen. Nachdem sich wieder diverse Relikte zu größeren Einheiten, den
Planetoiden, zusammengesetzt hatten, bildeten diese Gebilde den sogenannten
„Asteroidengürtel“. Von ihm weiß man heute schon einiges, zum Beispiel, dass er
sich zum größten Teil zwischen Mars und Jupiter aufhält. Darauf werde ich aber
später genauer eingehen.
Fakt ist, dass auch durch die Entstehung der Planetoiden noch immer nicht die
gesamte Urmaterie aufgebraucht war. Immer noch schwirrten Partikel verschiedener
Größe im Sonnensystem umher, angefangen von Teilchen mit einem Durchmesser im
Tausendstelmillimeter-Bereich bis hin zu einer Größenordnung von mehreren hundert
Kilometern. Ein Teil dieser noch immer vorhandenen Urmaterie entwich unserem
Sonnensystem und befindet sich noch immer auf der Reise zwischen den Sternen.
Der Rest, der unserem Sonnensystem erhalten blieb, stürzte größtenteils auf die
Planeten und deren Monde ab. Speziell in der Periode der ersten Jahrmilliarde glich
unser Sonnensystem regelrecht einer Schießbude.
Mit der Zeit ließ die Intensität des kosmischen Bombardements nach, da ja immer
weniger von der Urmaterie übrig blieb. Jedoch befinden sich vereinzelte Relikte noch
immer in unserem Sonnensystem und warten darauf, auf einen Planeten oder einen
Mond abzustürzen, oder auf die Möglichkeit, unser Sonnensystem irgendwann
verlassen zu können. Diese Relikte, von denen die Rede ist, werden im Fachjargon
als Meteoriten bezeichnet. Somit wären als erstes die Herkunft und die
Entstehungsgeschichte dieser Brocken geklärt [15].
ii. Zusammensetzung Es ist nicht leicht, hieb- und stichfeste Argumente für die Zusammensetzung von
Meteoriten zu finden, da nur sehr wenige der auf die Erde abgestürzten Trümmer
tatsächlich gefunden wurden. Experten gehen jedoch davon aus, dass jährlich circa
19.000 Objekte die Erde treffen, die mehr als 100 Gramm wiegen. Gründe, warum
sie trotzdem sehr oft nicht gefunden werden, liegen in der Tatsache, dass der
Großteil aufgrund der Beschaffenheit der Erdoberfläche im Wasser landet und am
Meeresgrund liegen bleibt. Ein zweiter Punkt ist darin begründet, dass sehr oft
unbesiedelte und auch schwer zugängliche Gebiete getroffen werden.
Die meisten der bisher auf der Erde gefundenen Meteoriten befanden sich im Gebiet
der Antarktis. Dort wurden diese Teile geradezu über eine längere Zeitspanne hinweg
„konserviert“ und blieben dadurch gut erhalten. Schließlich werden Kleinmeteoriten
durch Witterungs- und Erosionseinflüsse auf der Erde sehr schnell als solche
unkenntlich gemacht. Der größte auf der Erde gefundene Meteorit beispielsweise ist
ein Brocken mit einer Masse von 54,4 Tonnen und einer Länge von etwa drei Metern.
Er wurde im Jahre 1920 in Namibia entdeckt [15].
Trotz der als eher rar zu bezeichnenden Ausbeute an Fundstücken wird die These als
gesichert angesehen, dass Meteoriten zu 93% aus Stein bestehen. Diese Art wird als
„Steinmeteorit“ bezeichnet. Fünf Prozent haben hauptsächlich eisenhaltige
Bestandteile (= „Eisenmeteorit“) und der Rest von zwei Prozent ist eine Mischform
aus Stein- und Eisenansammlungen. Diese sehr seltene Gattung hat den Namen
„Stein-Eisenmeteorit“ [3] [9] [15].
iii. Auswirkungen eines Meteoriteneinschlages Meteoriten, größer als der Fund in Namibia, hat es in letzter Zeit nicht gegeben. Das
lässt sich insofern leicht begründen, da ein großer Meteorit stets einen Krater
hinterlässt. Und da nirgends auf der Erde ein solcher bekannt ist, kann man
annehmen, dass Mutter Erde schon längere Zeit von großen Einschlägen verschont
geblieben ist. Blättert man jedoch weiter in die Vergangenheit der Erde zurück, wird
man sehr wohl fündig, was Meteoriteneinschläge mit verheerenden Auswirkungen
betrifft.
Vor knapp 15 Millionen Jahren schlug ein Steinmeteorit in Nördlingen ein. Dieses
Gebiet liegt in Bayern, Deutschland, ist also gar nicht weit weg von unserer Haustür
zu finden. Berechnungen ergaben, dass der damalige Einschlag von einem Brocken
stammt, der einen Kilometer im Durchmesser maß. Werden Einschläge allerdings von
so großen Trümmern hervorgerufen, dann reicht die Atmosphäre, die den Erdball
umgibt, kaum mehr aus, um den Meteoriten abzubremsen. So schlug auch der
Steinbrocken vor 15 Millionen Jahren mit einer Geschwindigkeit von 40.000
Kilometern pro Stunde auf der Erdoberfläche ein. Den Atmosphäreneintritt schaffte
der Meteorit bei einer Geschwindigkeit von 70.000 km/h.
Nachdem er die Oberfläche der Erde erreicht hatte, bohrte er sich in nur drei
Hundertstelsekunden bis zu einem Kilometer tief ins vorherrschende Juragebirge. Als
hochkomprimiertes Gas explodierte er dort. Es entstand eine Stoßwelle, die sich auch
erdeinwärts weiter ausbreitete. Erst ab einer Tiefe von fünf bis sechs Kilometern
blieb die Erdkruste nahezu unversehrt. Anschließend brach der Gesteinsdampf, der
durch die Explosion hervorgerufen wurde, nach oben hin aus. Zehn Millionen Bar
muss der Druck damals kurzzeitig gehabt haben und 30.000 Grad war wohl die
vorherrschende Temperatur zu diesem Zeitpunkt. Die Erde wurde in dieser Region zu
einem „Vulkan“: Verdampfte, geschmolzene und zerborstene Steine wurden binnen
einer Minute bis zu 20 Kilometer hoch in die Atmosphäre geschleudert.
Der Krater wuchs aber noch während des „Vulkanausbruchs“ weiter und erreichte
nach ein paar Minuten Maximalausmaße: Bis zu 25 Kilometer maß der Krater im
Durchmesser und erreichte eine Tiefe von bis zu 4,5 Kilometern! An seinem Rand
bildeten sich Gesteinstürme, die heutige Hochhäuser um ein Vielfaches übertroffen
hätten. Das Auswurfmaterial kühlte in der Atmosphäre rasch ab, verfestigte sich und
kehrte wieder als Gestein zur Erde zurück. Im Umkreis von 50 Kilometern muss
damals wohl alles mindestens unter einer 30 bis 40 Meter dicken Gesteinsschicht
vergraben gewesen sein. Schließlich fiel auch noch die Glutwolke zusammen, legte
sich auf die ohnehin schon tote Landschaft und steckte alles in Brand, was nicht
feuerfest war.
Zehn Minuten nach dem Einschlag legte sich der riesige Tumult wieder. Langsam
klangen die schnellen Bewegungen ab und die Erde begann sich zu beruhigen. Zeit
also, Bilanz zu ziehen. 6.500 Quadratkilometer Land waren verwüstet. Im Umkreis
von 100 Kilometern gab es (fast) kein Leben mehr. Experten meinen, dass der
damalige Einschlag vergleichbar wäre mit 1,2 Millionen gleichzeitig gezündeter
Hiroshima-Bomben. Gewaltige Energiemengen müssen damals also freigesetzt
worden sein [15].
Was wäre passiert, wenn der Einschlag nicht vor 15 Millionen Jahren, sondern erst
gestern erfolgt wäre? Ganz Mitteleuropa wäre zerstört worden, niemand hätte
diesem Einschlag Stand gehalten. Die Zivilisation Mensch wäre in Mitteleuropa nicht
mehr präsent.
Unzählige weitere Regionen teilen das Schicksal von Nördlingen. Keineswegs war
dieser Einschlag ein Unikum. Die bekanntesten Einschläge, die aus kürzerer Zeit
herrühren, liegen in Hoba in Südafrika und in Arizona (USA). Aber auch das
Tunguska-Ereignis sollte an dieser Stelle angeführt werden. Zwar war dieser Absturz
eines Meteoriten keinesfalls von der Größenordnung vergleichbar mit Nördlingen,
aber wenn man bedenkt, dass dieser Absturz erst im Jahre 1908 stattfand, also nicht
einmal 100 Jahre zurückliegt, wird auch dieser Einschlag interessant.
Das Problem beim Nachweisen von Kratern besteht darin, dass diese nach circa 100
Millionen Jahren unmöglich noch als solche identifiziert werden können.
Kontinentalverschiebungen und Erosion sind hierfür hauptverantwortlich. Dennoch
hat man bereits über 150 „kosmische Narben“ an der Erdoberfläche gefunden.
Berechnungen zufolge müsste es aber doppelt so viele geben. Aber aufgrund der
oben beschriebenen Vorgänge ist es nicht sehr leicht, diese zu finden. Nicht
inkludiert in diese Betrachtung wurde die Möglichkeit von Einschlägen ins Wasser.
Auch hier sollte man um die 700 Treffer zählen können. Jedoch lässt sich hier nichts
mehr nachweisen, da das Wasser im Laufe der Jahrmillionen höchstwahrscheinlich
auch die kleinsten Spuren getilgt hat. Von den Landkratern wird angenommen, dass
es 30 davon geben sollte, die größer als 40 Kilometer wären [15].
Zusammenfassend kann man also durchaus behaupten, dass Nördlingen keinesfalls
der einzige Volltreffer war und dass es mitnichten das gravierendste Szenario
darstellte, welches Mutter Erde einstecken musste. Denn größere Krater, die es
definitiv gibt, bedeuten auch größere Einschlagstrümmer. Daraus resultieren
wiederum schwerwiegendere Auswirkungen und so beginnt der Teufelskreis erneut
seinen Lauf. Es ist also höchste Zeit, dass in diese Richtung weitergeforscht wird, um
einem etwaigen drohenden Unheil aus dem All Paroli bieten zu können. Schließlich
sollte der Spezies Mensch nicht dasselbe Schicksal widerfahren wie den Dinosauriern
vor 65 Millionen Jahren.
18. Planetoiden
Im 17. und 18. Jahrhundert unserer Zeitrechnung war die Astronomie zweifellos eine
der interessantesten und auch eine der am häufigsten von „Profis“ ausgeübten
Wissensgebiete. So stellten die besten Astronomen zur damaligen Zeit klar, dass es
wohl eine „Lücke“ im Weltraum zwischen Mars und Jupiter geben müsste.
In der Neujahrsnacht des Jahres 1801 war der Startschuss erfolgt, diese „Lücke“ zu
füllen. Der italienische Astronom Giuseppe Piazzi machte genau in dieser Region ein
Objekt aus, das er Ceres taufte. Heute wissen wir, dass Piazzi den ersten Asteroiden
(oder Planetoiden, manchmal auch Kleinplaneten) entdeckt hatte. Nach und nach
wurden weitere Objekte gefunden, die die scheinbare „Lücke“ beheben sollten.
Einem Teil der bereits zuvor angerissenen Urmaterie ist es nicht gelungen, sich zu
einem großen Planeten zu verdichten. Hauptursache hierfür war wohl das sehr starke
Schwerefeld des bereits entstandenen Jupiters. Dieses Schwerefeld sollte als
Grundlage für alle heute bekannten Asteroiden dienen. So sammelten sich die
verschiedenen Teile in einem Gürtel an, der fortan Asteroidengürtel heißen sollte.
Alle Objekte, die sich darin befinden, bewegen sich planetenähnlich um die Sonne.
Das heißt, sie ziehen ebenfalls Ellipsenbahnen bei einer Sonnenumrundung. Obwohl
planetenähnlich, werden diese Teile maximal als Kleinplaneten, jedoch niemals als
Planeten, tituliert. Man weiß heutzutage, dass es mehrere Milliarden Mitglieder in
diesem Asteroidengürtel gibt, eine Million davon ist größer als einen Kilometer, und
das, obgleich die Gesamtmasse des Asteroidengürtels nur einem Tausendstel jenem
der Erde entspricht (Oder noch anders ausgedrückt würde diese Gesamtmasse nur
etwa dem Vierfachen der Masse von Dotty in Armageddon entsprechen!) [9] [15]
[25].
Die ersten beiden Planetoiden, die etwas genauer unter die Lupe genommen
wurden, waren im Jahre 1991 Gaspra und 1993 Ida. Die amerikanische Raumsonde
Galileo, die eigentlich Wissenswertes über den Planeten Jupiter und seine Monde
erforschen sollte, wurde auf ihrer jahrelangen Reise über Gaspra und Ida
„umgeleitet“. Galileo sollte auch Neuigkeiten von den beiden Asteroiden übermitteln.
Und tatsächlich war die Fachwelt verblüfft, als man erfuhr, dass Gaspra sogar ein
eigenes Magnetfeld besitzt, was für einen circa 18 x 10,5 x 10 Kilometer kleinen,
unorthodox aufgebauten Brocken total untypisch ist. Hypothetisch betrachtet könnte
Gaspra durch eine Explosion von einem größeren Mutterkörper abgesprengt worden
sein und so auch ein gewisses Magnetfeld, hervorgerufen durch einen ungewöhnlich
großen Metallgehalt, mitbekommen haben. Außerdem ist dieses Magnetfeld extrem
groß, vergleichbar mit dem der Erde! Es könnte also durchaus auch sein, dass
Asteroiden nicht nur aus der Urmaterie entstanden sind, sondern die Begründung der
Herkunft könnte in bestimmten Fällen auch durch Kollisionen und daraus
resultierender Abspaltung im Weltall plausibel gemacht werden.
Auch Ida war für Überraschungen gut. Dieser Brocken, etwa fünfmal so groß wie
Gaspra, war ebenfalls unregelmäßig aufgebaut und setzte die Forscher in Erstaunen:
Ida besitzt nämlich einen eigenen Mond! Und dabei ist dieser Planetoid astronomisch
betrachtet selbst nur winzig klein. Aber die Experten auf diesem Gebiet haben
versucht, auch hier eine Antwort zu geben. So wird angenommen, dass aufgrund der
unförmigen Struktur von Ida dieser Asteroid ebenfalls durch eine Abspaltung von
einem Mutterkörper entstanden sein könnte. Zwei Brocken könnten sich gegenseitig
jedoch wieder so stark angezogen haben, dass daraus Ida entstand. Der kleine Mond
hingegen wurde nicht so stark angezogen, dass er an der Bindung teilnahm, aber die
Anziehung könnte groß genug gewesen sein, um ihn nicht fliehen zu lassen. Auf
diese Weise wäre es durchaus denkbar, dass Ida zu seinem Mond gekommen ist
[15].
Allerdings ist die Planetoidenforschung noch nicht besonders fortgeschritten. Über
diesen Teil des Sonnensystems weiß man fast noch weniger als über Meteoriten.
Abbildung 7: Der Asteroid Ida (Quelle: http://www.jpl.nasa.gov/flash/neo_flash.cfm)
Zudem keimten durch die nicht zu erwartenden Überraschungen von Gaspra und Ida
viele neue Fragen auf, deren vollständige Beantwortung in nächster Zeit wohl nicht
zu schaffen sein wird. Nichtsdestotrotz werden immer mehr und vor allem immer
neuere Sonden losgeschickt, die speziell Planetoiden untersuchen und somit einen
Versuch starten sollen, die neue „Lücke“ des Wissens über Asteroiden zu verkleinern.
Was man über sie jedoch sicher weiß, ist ihre durchschnittliche Konsistenz. So
werden etwa 75% dieser Gebilde als C-Typ tituliert, was soviel bedeutet, dass der
Asteroid zum Großteil aus Kohlenstoffverbindungen aufgebaut ist. Weitere 17%
heißen S-Typ. Diese Gattung besteht hauptsächlich aus silikatreichem Material. Sie
können noch am ehesten als Verwandte von Steinmeteoriten angesehen werden. Die
Art, zu der aufgrund des großen Metallgehaltes auch Gaspra zählt, wird M-Typ
genannt. Sie sind jedoch relativ selten, weshalb Gaspra auch eine Überraschung
mehr lieferte. Darüber hinaus gibt es auch noch ein paar Mischformen. Aber auch
hier ist der prozentuelle Anteil der Häufigkeit sehr klein [9] [15].
Wie können Querverbindungen zwischen Meteoriten und Planetoiden hergestellt
werden? Schon lange wird vermutet, dass hier ein Zusammenhang besteht. Beweise
dafür sind bis heute leider ausgeblieben. Man nimmt jedoch an, dass einige
Steinmeteoriten ursprünglich Bestandteile von Planetoiden darstellten und durch
kosmische Kollisionen herausgesprengt wurden und so zu Meteoriten geworden sind.
Zunächst erscheint es unlogisch zu sein, dass solche Trümmer auf Erdkurs gelangen
können. Aber auch hier kann Abhilfe geschaffen werden. Es gibt für einige
Planetoiden eine sogenannte „Instabilitätszone“. Dies lässt sich folgendermaßen
erklären: Jupiter braucht für eine Sonnenumrundung ein ganzzahliges Vielfaches des
betrachteten Asteroiden. Das bedeutet aber, dass unser Asteroid immer an derselben
Stelle im Weltraum Jupiter gegenüber steht bzw. ihm am nächsten kommt. Bei
genügend Umrundungen um die Sonne sollte dies ausreichen, dass der gesamte
Ablauf mehr und mehr gestört wird. Hauptverantwortlich ist hier natürlich die
Anziehungskraft von Jupiter. Und nun wird es auch möglich, dass aus der
ursprünglichen Ellipse des Planetoiden eine andere Bahn entsteht. Im Prinzip erhält
man dann ein deterministisches Chaos, bei dem es durchaus möglich erscheint, dass
sich der eine oder andere Gesteinsbrocken in Richtung Erde verirrt.
Da dies aber nur ein Gedankenexperiment zu sein scheint, wurde nun eifrigst
versucht, mit Hilfe eines Computer-Simulationsprogrammes etwas schlauer zu
werden. Und tatsächlich könnte an dieser These etwas dran sein. Speziell der
Planetoid Hebe scheint ein potenzieller Kandidat dafür zu sein, alle 200 Millionen
Jahre mit einem anderen Körper zu kollidieren, wodurch insgesamt mehrere Billionen
Tonnen Material herausgesprengt werden könnten. Innerhalb weniger Jahrmillionen
könnte ein Teil dieses kosmischen Staubes tatsächlich in Richtung Erde weiterreisen
und diese irgendwann erreichen. Ein japanischer Supercomputer errechnete
allerdings, dass es nur ungefähr alle 100 Millionen Jahre eine Kollision zwischen
Planetoiden geben würde.
19. Kometen
Kometen verhalten sich definitiv ganz eigen. Sie sind Brocken, die mit Meteoriten
oder Planetoiden überhaupt nicht in Einklang gebracht werden können. Ob vom
Aufbau die Rede ist, oder von den Bahnen, auf denen sie sich bewegen, nirgends
wird man Übereinstimmungsmerkmale zu den anderen bereits behandelten Körpern
finden. Als Ausnahme dient hier lediglich, dass Kometen als Analogon zu Meteoriten
und Asteroiden, ebenfalls als Boten des frühen Universums angesehen werden
können, also auch schon seit jeher ihre Bahnen im All ziehen.
i. Aufbau und Zusammensetzung
Wie sieht es aus mit dem Aufbau von Kometen? Sie bestehen grundsätzlich aus drei
Teilen: Der Koma, dem Kern und dem Schweif. Schon seit einigen Jahrhunderten ist
es möglich, dass man mit einem lichtstarken Fernrohr helle Lichtflecke am Himmel
sichten kann, deren Intensitäten in Richtung Zentrum hin immer stärker werden.
Sollte man so etwas tatsächlich einmal entdecken, dann handelt es sich
höchstwahrscheinlich um die Koma eines Kometen. Die Koma kann man sich als eine
kometeneigene Atmosphäre vorstellen, die umso heller zu leuchten beginnt, je näher
sich der Komet an die Sonne heranpirscht. Außerdem gewinnt sie mit geringerem
Abstand zur Sonne auch an Umfang. Weiters ist bei jedem Kometen die Koma
zusätzlich noch in eine Wasserstoffwolke gehüllt, doch diese zu erkennen gelingt
meistens nur Raumsonden. Mit einem Fernrohr oder gar mit freiem Auge hat man
hier keine Chance mehr.
Genau in der Mitte der Koma befindet sich der Kometenkern, oft auch als Nukleus
bezeichnet. Ihn kann man sich als Herzstück des Weltraumkalibers vorstellen. Seine
Ausmaße nehmen in der Regel Werte zwischen einem und zwanzig Kilometer an.
Sollte sich ein Komet näher als drei Astronomische Einheiten an die Sonne
heranbewegen, dann „erwacht“ der Kern: Der Komet wird aktiv. Der Sonnenwind
„bläst“ zunehmend Gas- und Staubmassen des Kometen davon. Diese fortgeblasene
Materie bildet schließlich den Schweif. Aufgrund des Sonnenwindes, der ja stets von
der Sonne ausgeht, ragen auch Kometenschweife in jedem Fall auf die der Sonne
abgeneigten Seite des Kometen in das Weltall hinaus. Diese Erscheinungen können
riesige Ausmaße annehmen. Der längste jemals beobachtete Schweif war satte 300
Millionen Kilometer oder zwei Astronomische Einheiten lang! [9] [15] [25].
Somit hätte man erst einmal eine äußerliche Grobeinteilung des Kometenaufbaus
erstellt. Im Folgenden kann man aber auch noch genauere Betrachtungen anstellen,
um zu erkennen, woraus der Nukleus aufgebaut ist.
„Kometen sind wie schmutzige Schneebälle.“ Welche Grundlage steht hinter dieser
Aussage? Wie kommt man darauf, Kometen als schmutzige Schneebälle zu
bezeichnen?
Abbildung 8: Der Komet Halley im Jahre 1986 in Erdnähe
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Halleyscher_Komet)
Dreht man als erstes die Zeit ein wenig zurück und steigt im Jahr 1950 ein, dann
taucht als erstes der Name des amerikanischen Astronemen Fred Lawrence Whipple
auf. Er stellte ein neues Modell vor, welches später sogar „berühmt“ werden sollte.
Ihm zufolge handelt es sich bei Kometen um poröse Ansammlungen von Wassereis
und anderen gefrorenen Substanzen, die mit Staub und Gesteinsbrocken
„verunreinigt“ sind – im Grunde genommen also um „schmutzige Schneebälle“. Sollte
nun ein Komet in Sonnennähe geraten, dann könnte ein Teil des Wassereises
aufgrund der zunehmenden Temperatur verdampfen und einen Teil des Staubes
mitreißen. So könnte auch die Entstehungsgeschichte von Koma und Schweif eines
Kometen plausibel erklärt werden.
Soviel zur Theorie. Doch wie sieht es mit praktischen Verifikationen diesbezüglich
aus? Die Whipple’sche Hypothese konnte erstmals 1986 am Kometen Halley bestätigt
werden. Zunächst sollte aber noch erläutert werden, dass der Komet Halley ein
Brocken ist, der sich zwar auf der Bahn einer Ellipse fortbewegt, jedoch in seinem
Fall die Sonne nicht das Zentrum oder ein Brennpunkt ist, um das alles abläuft.
Halley schreitet vielmehr auf einer Ellipsenbahn, die gegenüber der Erdbahn um 17,8
Grad geneigt ist, durch den Weltraum. Im sonnenfernsten Punkt, dem Aphel, ragt
diese Ellipse bis über die Neptunbahn hinaus, während der Perihel, der
sonnennächste Punkt, innerhalb der Venusbahn liegt. Und trotzdem liegt die Sonne
innerhalb dieser Ellipse, jedoch nicht als Brenn- oder gar Mittelpunkt. Man sieht also,
dass Halley im Vergleich zu Planeten oder Planetoiden eine sehr „komische“
Ellipsenbahn vollführt. Halley braucht für eine Sonnenumrundung eine Zeitspanne
von 76 Jahren, befindet sich also logischerweise auch alle 76 Jahre relativ nahe der
Abbildung 9: Der Kern des Kometen Halley
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Halleyscher_Komet)
Erde. Und gerade im Jahre 1986 war es wieder mal soweit: Halley kam in Sonnen-
bzw. Erdnähe. Eine Schar von Sonden wurde ihm entgegengeschickt, um unter
anderem auch die Aussagen von Fred Lawrence Whipple zu bestätigen. Die mit einer
Hochleistungskamera bestückte europäische Sonde Giotto raste in einer regelrechten
Kamikaze-Aktion in nur 596 Kilometern Abstand an Halley vorbei. Die dabei
gewonnenen Bilder zeigten, dass der Kometenkern einer überdimensionalen Erdnuss
gleicht, aus der hell angestrahlte Gasfontänen entwichen. Jedoch waren nur etwa
10% der Halley’schen Oberfläche aktiv. Weiters entdeckte Giotto noch, dass die
Oberfläche des Nukleus pechschwarz ist, also vermutlich von einer rußförmigen
Kruste bedeckt ist.
1992 ist Giotto dann auch am Kometen Grigg-Skjellerup vorbeigeflogen. Er ist schon
stärker gealtert als Halley, das heißt, er produziert 100-mal weniger Gas. Auch hier
konnte nachgewiesen werden, dass Grigg-Skjellerups Staubkoma bis zu 17.000
Kilometer in den Raum reicht. Es wurden bei dieser Begegnung vier winzige Teilchen,
größenordnungsmäßig zwischen zwei und einhundert Mikrometer, eingefangen und
analysiert. Nun schlug sich die These breit, dass ein Komet dreimal mehr Staub als
Gas ausstößt. Der neue Vorschlag war nun, Kometen eher als gefrorene
Schmutzbälle, denn als schmutzige Schneebälle zu bezeichnen. Nichtsdestotrotz
diente auch das Rendezvous mit Grigg-Skjellerup als Verifikation der Hypothese von
Whipple. Vielleicht sollte als interessanter Nebenaspekt noch erwähnt werden, dass
die vier hier eingefangenen Staubkörnchen die kleinsten Partikel im Weltall sind, die
einen eigenen Namen bekommen haben: Whopper, Big Mac, Bretzel und Barley.
Zieht man Resümee über die Begegnung Halleys mit der wahren Flut von Sonden im
Jahre 1986 und dem Rendezvous von Giotto mit Grigg-Skjellerup 1992, so kann
Abbildung 10: Die europäische Raumsonde Giotto
(Quelle: www.solarviews.com/cap/craft/giotto.htm)
durchaus behauptet werden, dass die Hypothese von den schmutzigen Schneebällen
etwas Wahres beinhaltet und Kometen auch weiterhin als schmutzige Schneebälle
bezeichnet werden können.
ii. Ursprünge von Kometen
Doch woher kommen diese Gebilde eigentlich? Sind sie in völliger Übereinstimmung
zu den Meteoriten und Planetoiden stets nur als schmutzige Schneebälle Boten des
frühen Universums oder kann deren Ursprung womöglich gar außerhalb unseres
Sonnensystems liegen? Im Folgenden werde ich in diese Richtung auftretende
Fragen zu beantworten versuchen.
Auf die Frage nach der Herkunft von Kometen kann der niederländische Astronom
Jan Hendrik Oort als Pionier angesehen werden. Er veröffentlichte im Jahre 1950
eine neue Hypothese, die in der Fachwelt auf reges Interesse und große Resonanz
gestoßen ist. Dabei befasste sich seine Theorie mit langperiodischen Kometen. Das
sind jene Kometen, die mehr als 200 Jahre für eine Umlaufzeit benötigen (Im
Vergleich dazu haben wir gerade vorhin erfahren, dass Halley beispielsweise alle 76
Jahre wiederkehrt. Er zählt also zu den kurzperiodischen Kometen.). Oort stellte fest,
dass die langperiodischen Kometen über alle Raumrichtungen verteilt ins innere
Sonnensystem vordringen, nicht nur auf der Ebene der Planetenbahnen.
Abbildung 11: Der niederländische Kometenphysiker Jan Hendrik Oort (28.1.1900 – 5.11.1992)
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Hendrik_Oort)
Außerdem fiel ihm die Tatsache auf, dass sich annähernd gleich viele dieser
schmutzigen Schneebälle im Uhrzeigersinn wie im Gegenuhrzeigersinn bewegen
würden. Schätzungen zufolge müsste der äußerste Punkt der großen Halbachse eines
solchen Kometen stattliche 50.000 bis 150.000 Astronomische Einheiten von der
Sonne entfernt liegen. Dem entsprächen 0,7 bis 2,2 Lichtjahre! Oort vermutete, dass
in diesem Gebiet unser Sonnesystem kugelschalenförmig von Kometen mit einer
Umlaufperiode von ein paar Millionen Jahren umschwärmt wird. Als Andenken an ihn
wurde dieses Gebiet fortan „Oort’sche Kometenwolke“ genannt. Vom „Erfinder“ der
Oort’schen Wolke noch auf eine Anzahl von 100 Milliarden geschätzt, glauben die
heutigen Wissenschaftler, dass es in diesem Bereich mindestens das Zehnfache an
Nuklei geben müsste.
Bleibt nun noch die Frage zu klären, wie die Kometen aus der Oort’schen Wolke ins
innere Sonnensystem vordringen können? Hierfür gibt es zwei Lösungsansätze. Der
erste besagt, dass circa alle 100 Millionen Jahre mächtige Gaswolken, die zwischen
den Sternen treiben, so dicht an den Kometen vorbeiziehen, dass einige dieser
schmutzigen Schneebälle Richtung Sonne getrieben werden können. Die zweite
Methode beschreibt den „Störeffekt“ benachbarter Sterne. Bewegt sich ein Stern
nahe genug an der Oort’schen Wolke vorbei, dann kann es zu gravitativen
Indifferenzen kommen. Die Folge daraus wäre wiederum, dass regelrechte
Kometenschauer ins innere Sonnesystem katapultiert werden könnten.
Leider konnte die Oort’sche Theorie noch nicht experimentell bestätigt oder gar
bewiesen werden. Das liegt wohl darin begründet, dass es selbst mit den technisch
höchststehenden Teleskopen (noch) nicht möglich ist, in ferne Regionen wie der
Oort’schen Wolke einzusehen. Trotzdem ist die Fachwelt davon überzeugt, in Jan
Hendrik Oort jemanden gefunden zu haben, der einen entscheidenden Schritt in die
Richtung zur Beantwortung der Frage nach der Herkunft von langperiodischen
Kometen gesetzt hat. Offen im Raum steht nun aber weiterhin die Herkunft der
kurzperiodischen Kometen. Für diese Gattung vermag auch die Hypothese von Oort
nichts Entscheidendes zu bewegen.
Die kurzperiodischen Kometen bewegen sich im Normalfall wie die Planeten um die
Sonne – Halley bildet hier die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Außerdem sind die Bahnebenen dieser Boten aus dem All in den meisten Fällen um
weniger als 35 Grad zur Erdbahnebene geneigt, gehorchen also keinesfalls einer
zufälligen Verteilung wie die langperiodischen Brüder. Genau diese Tatsache war
1951 Ausgangspunkt für Gerard Kuiper, um ein weiteres Kometenreservoir, speziell
für die kurzperiodischen unter den Kometen, zu fordern. Außerdem sollte sich dieses
Gebiet, welches in späterer Folge „Kuipergürtel“ genannt wurde, in der Ebene der
Planetenbahnen befinden. Jedoch beginnt der Kuipergürtel im Gegensatz zur
Oort’schen Wolke schon jenseits der Neptunbahn, also etwa 35 Astronomische
Einheiten von der Sonne entfernt. Er stünde als Repräsentant eines unmittelbaren
frühzeitlichen Reliktes und sollte noch dichter bevölkert sein als die Oort’sche Wolke.
Die Nuklei der kurzperiodischen schmutzigen Schneebälle hätten sich außerhalb der
Uranusbahn aus den dortigen flüchtigen Elementen geformt und würden wohl noch
immer in dieser Region ihre Bahnen ziehen. Einige dieser Kometenkerne könnten
durch sehr nahe Sternpassagen gravitativ nach außen gezogen worden sein und
bildeten dort die Oort’sche Wolke.
Abbildung 12: Der Kometenphysiker Gerard Kuiper (12.7.1905 - 23.12.1973)
(Quelle: http://www.windows.ucar.edu/tour/link=/people/today/kuiper.html&edu=high)
Im Gegensatz zur Hypothese von Jan Hendrik Oort ist die Vermutung von Gerard
Kuiper zumindest theoretisch bestätigt worden. Drei Forscher vom Institut für
theoretische Astrophysik in Kanada waren im Jahre 1988 dafür verantwortlich. Sie
zeigten mit Hilfe von Computersimulationen, dass man die Bahnen der
kurzperiodischen Kometen tatsächlich erklären kann, wenn man den Kuipergürtel als
Voraussetzung akzeptiert. Außerdem wissen wir von diesem Forschertrio die
geschätzte Anzahl der Nuklei in dieser Region: Sie sollte sich zwischen 100 Millionen
und 10 Milliarden belaufen [9] [15].
iii. Wie „sterben“ Kometen?
Die Lebensdauer von kurzperiodischen Kometen sollte zwischen 10.000 und 100.000
Jahren liegen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Sie erlöschen ganz einfach oder
besser gesagt, sie sind ausgebrannt bzw. ausgegast. Wie man ja schon weiß, bläst
der Sonnenwind ausströmendes Gas und Staub weg. Da sich aber ein Komet nicht
selbst reproduzieren kann, wird er unter Umständen völlig aufgelöst, bis nur noch
kleine Staubpartikel von ihm übrig bleiben. Halley beispielsweise verliert pro
Sonnenumlauf etwa 250 Millionen Tonnen Masse. Hochrechnungen zufolge wäre
damit seine Lebenserwartung mit 200.000 Jahren beschränkt.
Vielen Kometen könnte aber auch ein anderes Schicksal widerfahren. Es ist nämlich
möglich, dass ein Komet unter dem Einfluss eines Schwerefeldes, welches zum
Beispiel von einem großen Planeten herreichen könnte, schlicht und einfach zerbricht
und auf diesen abstürzt. Dass diese Vorstellung auf keinen Fall eine Utopie ist,
bewies im Jahre 1994 der Komet Shoemaker-Levy 9. Auch er war unter dem Einfluss
des anziehenden Jupiters in mehrere Teile zerbrochen. Es ist auch kein Geheimnis,
dass diese Trümmer in der Woche vom 16. bis zum 22. Juli 1994 tatsächlich auf
Jupiter abstürzten, und so für ein wunderbares kosmisches Schauspiel sorgten, aber
auch jede Menge Arbeit für Forscher und Wissenschaftler darstellten.
Speziell für diese eine Woche wurde weltweit das größte astronomische
Beobachtungsprojekt auf die Beine gestellt, das es je gab. Schließlich war der
Einschlag des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf Jupiter auch die größte Kollision von
Himmelskörpern, die in der Geschichte der Astronomie jemals beobachtet wurde.
Raumsonden, Teleskope auf allen Kontinenten, aber auch fast alle größeren
Sternwarten hatten in dieser Woche nur ein Ziel im Visier: Jupiter.
Und niemand wurde bei diesem Jahrhundertschauspiel enttäuscht. Zwar erreichten
einige Trümmer nicht die Oberfläche von Jupiter, sondern verglühten bereits in
seiner Atmosphäre, jedoch stürzten 13 Teile des zerborstenen Kometen auf Jupiter
ab. Gewaltige Energiemengen wurden dabei freigesetzt. Sage und schreibe 6
Millionen Megatonnen TNT(!) hätte man als adäquatem Pendant gebraucht, um
lediglich den stärksten der 13 Einschläge zu beschreiben. Dies übertrifft aber das
irdische Kernwaffenarsenal um mehr als das Fünfhundertfache! Kein Wunder also,
dass selbst ein Riese wie Jupiter einen solch starken „Angriff“ aus dem All nicht so
einfach wegstecken konnte.
Was wäre jedoch gewesen, wenn nicht Jupiter, sondern die Erde Zielscheibe von
Shoemaker-Levy 9 gewesen wäre? Klarerweise wären die Folgen und Auswirkungen
hier noch viel drastischer gewesen. Die Erde ist viel kleiner als Jupiter, also wären die
Auswirkungen deshalb wohl noch um ein Vielfaches verheerender. Nicht inkludiert ist
außerdem noch ein vermeintlich unscheinbarer, jedoch sehr wohl wichtiger Aspekt:
Die Oberflächenbeschaffenheit. Jupiter besitzt bekanntlich eine gasförmige
Oberfläche. Dementsprechend kann ein Einschlag auf seiner Oberfläche viel besser
abgebremst werden als dies auf der Erde der Fall sein würde. Hinzu kommt natürlich
auch noch die aus der gasförmigen Oberfläche mitgestaltete
Atmosphärenbeschaffenheit. Erstens ist diese bei Jupiter logischerweise viel größer
als auf der Erde und kann dadurch auch schon in der Atmosphäre anfliegende Teile
viel stärker abbremsen. Zweitens besteht von vorn herein bereits eine größere
Möglichkeit, dass das anstürmende Einschlagsrelikt in der Atmosphäre verglüht und
somit überhaupt nicht in die Nähe der Oberfläche kommt [15].
Einschläge, wie der auf Jupiter vor mittlerweile bereits zehn Jahren, sind keinesfalls
Einzelfälle. Auch wenn dieser Impakt für den größten Planeten in unserem
Sonnensystem keinesfalls eine vernichtende Auswirkung hatte, seine Wunden musste
auch er lecken. Dass aber auch Brocken von der Größe des Kometen
Shoemaker-Levy 9 in ferner Vergangenheit die Erde erreichten, ist bewiesen. Ja
sogar Brocken, die noch weitaus größer waren, brachten unseren Planeten schon
mehrmals an den Rand des totalen Ruins. Doch irgendwie hat es Mutter Erde immer
wieder geschafft, sich aufzuraffen – bisweilen zumindest.
So paradox es auch klingen mag, der Einschlag von Shoemaker-Levy 9 war ein
spektakuläres Experiment der Natur, aus dem man viel Neues lernen konnte.
Übertragen auf die Erde muss man aber dennoch das Argument vertreten, diese
Botschaft als ernstzunehmende Warnung aufzufassen. Denn wie hieß es schon in
Armageddon: „Es ist einmal geschehen, es wird wieder geschehen. Die Frage ist nur:
Wann?“ Um für eine solche Begebenheit bestens gerüstet zu sein, müssen Methoden
entwickelt werden, wie man sich davor schützen kann. Oder noch besser: Die Frage
„Wie kann man sich dagegen wehren?“ muss konstruktive Lösungsansätze
bekommen. Auch wenn man es nicht hören kann, die kosmische Bombe aus dem All
tickt bereits und zählt den Countdown für den nächsten Volltreffer. Höchste Zeit also,
Pläne zur Rettung der Erde zu erstellen.
20. Wie groß ist die Gefahr eines weiteren Einschlages?
In diesem Abschnitt werde ich nicht darum herumkommen, Behauptungen mittels
Zahlendaten zu belegen. Dabei wird wiederum fast ausnahmslos das großartige Buch
„Der Tod kam aus dem All“, verfasst von Rüdiger Vaas, als Hauptinformationsquelle
dienen [15].
Sicherlich hat schon jede Person Bilder gesehen, die die Oberfläche des Erdmondes
zeigt. Man kann ganz deutlich erkennen, dass seine Struktur regelrecht übersät ist
von Kratern. Und da Krater nun mal nicht willkürlich entstehen können, sondern stets
auf kosmische Kollisionen zurückzuführen sind, ist auch klar, dass der Erdtrabant
schon einige Male voll getroffen worden sein muss.
Betrachtet man nun die lunaren Krater, die größer als 50 Kilometer sind, so findet
man, dass es genau fünf davon gibt. Hochrechnungen zufolge stellten
Wissenschaftler fest, dass es circa alle 120 Millionen Jahre zu einem neuen Krater der
gegebenen Größenordnung an der Oberfläche des Mondes kommen müsste. Auch
wenn es etwas vage erscheinen mag, die eben für den Mond spezifizierten Werte
können auf die Erde übertragen werden. Münzt man nämlich die lunartypischen
Zahlen auf die Erde um, so erhält man als Schätzwert, dass es in den letzten 3,5
Milliarden Jahren zu 400 Einschlägen in der Kratergrößenordnung von 50 Kilometern
und mehr gekommen sein muss. Damit man sich diese Zahlen etwas besser
verdeutlichen kann, sei darauf verwiesen, dass das etwa einem Treffer in zehn
Millionen Jahren entspricht. Dabei sollten zu zwei Drittel Planetoiden verantwortlich
sein. Der Rest rührt vermutlich von (langperiodischen) Kometen her. Speziell Letztere
hätten fatale Auswirkungen, da sie mit einer Relativgeschwindigkeit von bis zu 70
Kilometern pro Sekunde (!) aufprallen könnten.
i. NEOs und langperiodische Kometen
Damit es überhaupt zu einer Kollision der Erde mit einem anderen „Himmelsbrocken“
kommen kann, müssen diese natürlich irgendwann die Bewegungsebene der Erde
schneiden. Ansonsten wären alle vorausgesagten Kollisionsmöglichkeiten als obsolet
zu betrachten. Wie man bereits weiß, befinden sich die Planetoiden zum Großteil
zwischen Mars und Jupiter. Jedoch gibt es auch hier genügend Ausnahmen. Fakt ist,
dass mindestens ein Prozent der bekannten Planetoiden zumindest eine
Planetenbahn kreuzt. Da sich aber, wie schon gesagt, nicht alle Brocken im
Asteroidengürtel aufhalten, kommt es auch vor, dass der eine oder andere
Kleinplanet die Erdbahn schneidet. In diesem Fall spricht man von „NEOs“ (= Near
Earth Objects). Der berühmte Planetoiden- und Kometenforscher Eugene Shoemaker
vermutete, dass 80% der NEOs Planetoiden wären, die zumeist aus dem
Asteroidengürtel stammen würden.
Die fehlenden 20% der Erdbahnkreuzer sollten in langperiodischen Kometen ihre
Identifikation finden. Da sie zum Teil jedoch sehr schwer von den Planetoiden zu
unterscheiden sind, könnte es durchaus sein, dass dieser Wert im Endeffekt noch ein
wenig größer wird. Schätzungen (bei denen wieder Eugene Shoemaker seine Finger
im Spiel hatte) zufolge muss die Menschheit damit rechnen, dass alle 250.000 Jahre
ein zwei bis vier Kilometer großer Kometenkern auf die Erde stürzen sollte. Obwohl
dies nur eine Schätzung ist, stehen diese Hochrechnungen in guter Übereinstimmung
mit der Anzahl und dem Alter der über zehn Kilometer großen Krater auf der Erde.
Das Problem der Festlegung von NEOs bzw. Kometen, die potenzielle Kandidaten
wären, um irgendwann tatsächlich auf die Erde abzustürzen, besteht darin, dass sich
die Bahnberechnungen der eben Genannten sehr bald in der Chaostheorie verlaufen.
Somit ist keine heuristische Kennzeichnung möglich. Man kann lediglich sagen, dass
es in nächster Zeit nicht zu einem Absturz kommen wird – längere Prognosen
hingegen können (noch) nicht getroffen werden.
ii. Gefahren für die Zivilisation Mensch
Sollte es tatsächlich eines Tages soweit sein, dass ein Brocken vom Himmel fällt,
dann wäre dies gerade noch ohne gröbere Auswirkungen für den Menschen, sofern
das Einschlagsrelikt einen Durchmesser von 50 Metern nicht überschreitet. Ein NEO
mit der zehnfachen Größe hingegen würde bereits für die gesamte Menschheit ein
riesiges Gefahrenpotenzial darstellen. Ein Steinmeteorit beispielsweise mit der Größe
von 50 Metern wäre schon in der Lage, Energien in der Größenordnung einer
Abbildung 13: Eugene Shoemaker, der berühmte Kometenforscher (28.4.1928 – 18.7.1997)
(Quelle: http://wwwflag.wr.usgs.gov/USGSFlag/Space/Shoemaker/)
Hiroshima-Bombe freizusetzen. Ein gleich großer Eisenmeteorit hätte noch
gravierendere Folgen. Geht man noch einen Schritt weiter und nimmt an, dass ein
solches Weltraumprojektil genau in den Kern einer Stadt trifft, dann ist die
Katastrophe selbst bei solch „kleinen“ Geschossen aus dem All kaum abzusehen.
In der Regel wären ab einem Durchmesser von etwa 250 Metern lokale Katastrophen
unumgänglich. Ein Krater von der Größe im Fünfkilometerbereich würde durch solch
einen Impakt entstehen. Allein dieser Brocken würde die Sprengkraft eines Zehntels
der irdischen Kernwaffenarsenale äquivalent erscheinen lassen. Mit zunehmender
Größe wächst die Ausbuchtung der Folgen jedoch nicht linear an, wie man vielleicht
vermuten möchte, sondern exponentiell. Das kann man auch ganz deutlich an der
Grafik auf der nächsten Seite ablesen. Zunächst scheint sich die äquivalente
Abbildung 14:
Zusammenhang
zwischen dem
Durchmesser eines
Einschlag-
reliktes und der
äquivalenten Menge
an TNT.
(Quelle:
http://lexikon.
astronomie.
info/TNT/TNT.html)
Energiemenge TNT zum Durchmesser des Einschlagreliktes linear zu verhalten,
jedoch ist die Skala für den Durchmesser bereits logarithmisch aufgetragen.
Der Menschheit kann aber dennoch Entwarnung gegeben werden, denn die Statistik
besagt, dass es nur etwa alle 10.000 Jahre zu einer Karambolage eines 250 Meter
großen Brockens mit der Erde kommt. Das sollte aber nicht dazu anmuten, etwaige
drohende Einschläge auf die leichte Schulter zu nehmen, sondern vielmehr dazu
anregen, an konstruktiven Lösungsvorschlägen zu basteln, um für den Fall der Fälle
am Tag X gesattelt zu sein.
Anders sieht es jedoch bei Einschlagstrümmern aus, die einen Durchmesser von
einem halben Kilometer oder mehr haben. Eine solche Katastrophe hätte schon
globale Auswirkungen – sie wäre also nicht mehr nur regional beschränkt. Forscher
glauben, dass bei einem Impakt der gegebenen Größenordnung circa 1,5 Milliarden
Menschen den sicheren Tod finden würden (vorausgesetzt natürlich, man nimmt die
gegenwärtige Bevölkerungsdichte als Basis). Wie schon in der Einleitung dieser
Arbeit beschrieben, wären die Primärfolgen gar nicht das ausschlaggebendste
Argument für die 1,5 Milliarden Toten. „Nur“ 30 Millionen Leute würden dabei ihr
Leben verlieren. Vielmehr wären dafür die Sekundärfolgen hauptverantwortlich. Ein
vorübergehender Temperatursturz und eine Verfinsterung der Atmosphäre würden
dazu führen, dass die Landwirtschaft und somit auch die Nahrungsmittelproduktion
eine Zeit lang auf Eis gelegt werden würde. Aber nicht nur biologische, sondern auch
psychologische und wirtschaftliche Aspekte müssten ins Auge gefasst werden.
Massenarbeitslosigkeit würde ebenso vorherrschen wie soziale Unruhen und Terror.
Auch religiöse Massenhysterien würden Einzug halten und somit viele weitere
Todesopfer erfordern. Kurz: Die Menschheit wäre in allen Belangen aufs Neue
gefordert, um auch aus dieser Misere siegreich hervorgehen zu können. Denn eines
ist klar, die Spezies Mensch würde wohl weiterhin existieren, nur wäre sie im
wahrsten Sinne des Wortes mit einem Schlag um ganze Epochen zurückgeworfen
[14] [17] [25].
21. Schutzvorkehrungen vor einem drohenden Unheil
Um einem drohenden Unheil aus dem All mit den eben beschriebenen Auswirkungen
nicht ideen- und tatenlos zusehen zu müssen, wurden in den letzten Jahren und
Jahrzehnten Methoden entwickelt, um solch einem Desaster vorzubeugen. Als erstes
war dafür die Gründung eines Systems notwendig, welches die „Himmelsbotschafter“
immer genauer hinblicklich Bahn und der Wahrscheinlichkeit einer Kollision ins Auge
fassen sollte. Schließlich war und ist das Fehlen einer genauen Datenerfassung und
-auswertung immer noch das Hauptmanko in der Asteroiden- und
Kometenforschung.
i. Operation Spacewatch und Spaceguard
Um das Risiko einer Bedrohung aus dem All gezielter und zuverlässiger abschätzen
und mögliche Gegenmaßnahmen einleiten zu können, wurde die sogenannte
„Operation Spacewatch“ gegründet. Dieses Programm sollte als allererstes
Weltraumvagabunden aufspüren, die bis dato noch nicht oder nur kaum bekannt
waren. Filtert man nun diejenigen Brocken heraus, die irgendwann auf Erdkurs
kommen könnten, dann wäre man in der Lage, die Bahnparameter der
Erdbahnkreuzer so exakt wie möglich zu messen bzw. zu berechnen. Somit könnte
man sie ständig aktualisieren, um sie so für die nächsten Jahrhunderte schon im
Voraus zu prognostizieren. Das zweite Hauptaugenmerk bei der Operation
Spacewatch richtet sich auf die Entwicklung von Abwehrmechanismen, sollte eine
konkrete Gefährdung durch solch einen Weltraumkoloss vorliegen.
Auf den ersten Blick scheint dieses eingeleitete Programm recht „unspektakulär“ zu
sein. Erdnahe Objekte sollten doch wohl auch ohne eigens inszenierte Programme
aufzuspüren sein – möchte man zumindest meinen. Wenn man jedoch die Erfolge
ansieht, die die Operation Spacewatch verbuchen konnte, muss man seine Meinung
schlagartig revidieren. Schätzungsweise schwirren nämlich rund 10.000 Planetoiden
in Erdnähe durch den Raum, die einen Durchmesser von einem Kilometer oder mehr
aufweisen, von denen man lange absolut nichts wusste! Auch sind der Menschheit
durch dieses Programm mittlerweile über 300 NEOs bekannt, deren Aphel weniger
als 1,3 Astronomische Einheiten misst.
Eugene Shoemaker, der unter anderem ein Mitinitiator dieses Programms war, kam
zu folgendem Resultat: „Die Erde befindet sich in einem Schwarm von Asteroiden“.
Wenn man die obigen 10.000 Planetoiden und 300 NEOs als Beurteilungsbasis
hernimmt, stellt man fest, dass die Aussage durchaus keine Übertreibung darstellt,
sondern als ernstzunehmende Tatsache aufzufassen ist.
Zusammenfassend kann man Bilanz ziehen: Schon Mitte der 1990er Jahre ließen die
damaligen Daten darauf schließen, dass die Bahn der Erde von mehr als einer
Milliarde Objekten mit über zehn Metern Durchmesser gekreuzt wird! 2.000 davon
Das Spaceguard-Projekt
Zunächst wurde dieses Projekt, dessen Konzept bei einem Workshop entstanden war, noch ad acta gelegt. Niemand wollte die Finanzierung der ideell vorgestellten sechs Spiegelteleskope übernehmen. Es schien, als würde alles beim Alten bleiben. Die bereits bestehenden Teleskope sollten lediglich „modernisiert“ und auf Planetoiden- und Kometenjagd geschickt werden. Die Meinung, die bereits existierenden Teleskope seien gut genug, behielt die Oberhand.
Da aber viele Astronomen darauf hinwiesen, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis der nächste Brocken auf die Erde trifft, begann sich allmählich die Meinung etwas zu revidieren. Man startete Überlegungen, dass es wohl im Sinne der gesamten Weltbevölkerung wäre, einem drohenden Unheil aus dem All auf die „beste“ Art und Weise vorzubeugen.
Also bemächtigte sich die amerikanische Regierung dieses Projektes und gab die Aufgabenstellung an die NASA weiter, sie solle die Realisierung beginnen. Für die finanzielle Sicherheit würde dabei die US-Regierung haften.
Seit 1998 sucht nun die NASA nach Erdbahnkreuzern mit dem Ziel, bis zum Jahr 2008 etwa 90% aller Meteoriten, die größer als einen Kilometer sind und sich der Erde bis auf 45 Millionen Kilometer oder weniger nähern, zu finden. Mittlerweile nimmt man an, dass die Anzahl der gesuchten Objekte in der Größenordnung von circa 1.100 liegt (mit einer Ungenauigkeit von plus/minus 200). 600 davon sind bereits katalogisiert.
Dank des Spaceguard-Projektes weiß man, dass die Bedrohung aus dem All nicht mehr ganz so stark ist, wie man noch vor Projektbeginn vermutete. Man kann also ruhigen Gewissens behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit eines Einschlages auf der Erde etwas zurückgegangen ist. Allerdings sollte dies auf gar keinen Fall dazu verleiten, zu behaupten, man braucht in naher Zukunft nicht weiter in diese Richtung zu forschen, sondern vielmehr als Motivation dienen. Schließlich wäre ohne Spaceguard-Projekt die Einschlagswahrscheinlichkeit unverändert hoch einzustufen und die Menschheit würde einmal mehr einen weiteren Schritt im Dunkeln tappen müssen.
[14]
sollten sogar über einen Kilometer groß sein. Dass die Zahlen in den letzten zehn
Jahren natürlich nicht kleiner, sondern nur größer werden konnten, erscheint klar.
Aus all den Messergebnissen und den Auswertungen dazu haben Astronomen
folgende Regel entwickelt: Ein 100 Meter großes Objekt sollte demnach alle 10.000
Jahre auf die Erde stürzen, ein Körper mit einem Kilometer Durchmesser nur alle ein
Millionen Jahre. Zehn Kilometer große Brocken hingegen wären sehr selten, nämlich
nur circa einmal in 100 Millionen Jahren.
Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre wurden zahlreiche Workshops abgehalten,
um weitere Programme zu erstellen, die die Erde am Tag X beschützen sollten. An
diesen Workshops nahmen nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch große
Teile Europas daran teil. Auch hier schlug sich die Meinung breit, zunächst müsse ein
vernünftiger Datensatz erstellt werden, um gezielte praktische Abwehrtechniken
entwickeln zu können. Von den meisten Astronomen wurde ein Programm favorisiert,
welches den Namen „Spaceguard“ (= Weltraumwache) erhielt. Dieses Programm sah
vor, speziell für die Fahndung von NEOs sechs neue und weltweit verteilte
hochwertige Spiegelteleskope zu bauen. Mit modernster Software ausgestattet,
sollten sie selbstständig Objekte aufspüren und diese dann sofort melden. Von den
Observatorien aus könnte dann mittels Radarmessung die Bewegung des georteten
NEOs gemessen und folglich seine Bahn rekonstruiert werden [15].
Leider konnte dieses Projekt in seiner ursprünglich vorgelegten Version zunächst
nicht auf die Beine gestellt werden. Grund dafür war, man wird es sicherlich gleich
erraten, das Geld. Niemand wollte die Finanzierung des Spaceguard-Programms
übernehmen. Und so musste man sich darauf einigen, dass es wohl ausreichend
wäre, die bereits existierenden Teleskope mit modernen Detektorsystemen zu
versehen und diese auf Planetoidenjagd zu schicken. Ein paar Jahre später, nämlich
1998, konnte man sich doch noch dazu durchringen, sechs Stück von einem bis zwei
Meter große Spiegelteleskope zu bauen und diese zur vorbeugenden Rettung der
Menschheit einzusetzen.
ii. Praktische Abwehrmöglichkeiten
Es erscheint einleuchtend, dass man keine große Vielfalt an Möglichkeiten vorweisen
kann, die praktische Abwehrmaßnahmen darstellen. Aber auch wenn die irdischen
Reservoirs beschränkt sind, chancenlos wird sich die Menschheit dem nächsten
anbahnenden Volltreffer nicht präsentieren. Die von den Astronomen favorisiertesten
Methoden möchte ich im Folgenden kurz vorstellen.
Eine mögliche Abwehrmaßnahme besteht darin, dass man den „Killerbrocken“ gezielt
aus seiner Bahn lenkt. Viele Astronomen glauben sogar, dass diese Version sehr
vielversprechend ist, denn die Technik, um ein solches Objekt im Weltraum
anzusteuern, ist bereits ausgeklügelt und somit vorhanden. Einziger Nachteil: Man
müsste dies bereits Jahre im Voraus ausführen, für größere Körper hingegen sollte
mindestens eine Zeitspanne von einem Jahrzehnt bis zur berechneten Einschlagszeit
dazwischenliegen. Hierfür wäre also wiederum eine bereits um Dekaden im Voraus
berechnete Datenbasis von NEOs unerlässlich. Für diese Datenbasis sind wie schon
im vorigen Kapitel erklärt, die Operation Spacewatch und das Spaceguard-Projekt
zuständig. Sie sollten uns auch in nächster Zeit mit Informationsinput füttern.
Eine ebenfalls sehr effiziente Methode besteht darin, die Geschwindigkeit von
herannahenden kosmischen Projektilen zu verändern. Sieht man von den gleichen
Zeitspannen bis zum errechneten Einschlagstermin ab wie bei der zuvor
besprochenen Bahnablenkung, dann sollte es ausreichen, die Geschwindigkeit des
Kolosses aus dem All um lediglich einen Zentimeter pro Sekunde zu verändern. Der
Brocken wäre dann nicht mehr in der Lage, weiterhin auf Crashkurs mit der Erde zu
bleiben. Je weiter der betrachtete Himmelskörper auf seiner Kollisionsbahn bereits
vorangeschritten ist, umso größer muss dementsprechend auch seine
Geschwindigkeitsveränderung sein. Besonders wirkungsvoll wäre die Änderung der
Geschwindigkeit dabei im sonnenentferntesten Punkt – hier könnte das bestmögliche
Resultat erzielt werden. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass man
gegenüber der Bahnablenkung viel weniger Energie aufbringen müsste.
Für kleinere Körper mit einer Größe von circa 100 Meter im Durchmesser, empfiehlt
sich auch noch eine andere Methode als zielführend. Ein direkter Beschuss mit
Raketen wäre für Brocken der gegebenen Größenordnung sehr günstig. Solche
Körper würden eine ungefähre Masse von 100.000 Tonnen aufweisen und könnten
durch Beschuss eines zwischen 100 und 1.000 Kilogramm schweren Projektils auf
eine Geschwindigkeitsänderung von etwa 0,6 Meter pro Sekunde gebracht werden.
Wie aber kommt hier die Geschwindigkeitsdifferenz zu Stande? Das ist leicht zu
erklären. Wird nämlich der kleine Körper mit einem etwa eine Tonne schweren
Projektil beschossen, dann bildet sich an dessen Oberfläche ein Krater. Das
„Auswurfmaterial“ würde dabei weggeschleudert werden, und durch die geringere
Masse müsste der Kleinkörper seine Geschwindigkeit verändern.
Für größere Körper, etwa Brocken mit einem Kilometer im Durchmesser, empfiehlt
sich diese Methode jedoch nicht, da das Resultat um ein Tausendfaches schwächer
sein würde. Allerdings kann man für Kaliber in dieser Größe eine ähnliche Version
anwenden. Ziel wäre hier, einen sogenannten Massentreiber auf der Oberfläche des
auf die Erde zurasenden Killers zu landen, der dann Stück für Stück Eis oder Stein
aus ihm herausgräbt und ins All schleudert. Will man in diesem Fall die
Geschwindigkeit mit Hilfe des Rückstoßeffektes entscheidend verändern, so müssten
mehrere tausend Tonnen mit 300 Metern pro Sekunde abgeführt werden. Dies
scheint gänzlich unmöglich zu sein, ist es aber nicht. Lediglich an der experimentellen
Umsetzung muss in den nächsten Jahren noch gefeilt werden.
Eine ebenfalls sehr effiziente Möglichkeit zur Rettung der Erde kann man am Beispiel
von Neutronenbomben finden. Bekannt dafür, dass durch die hohe Dosis an
freigesetzter harter Gamma- und Neutronenstrahlung die meisten Lebewesen in
einem weiten Umkreis getötet werden würden, unter praktisch gleichzeitiger
Unversehrtheit von Gebäuden, kann auch sie in dieser Problematik weiterhelfen. Nur
im unmittelbaren Umkreis könnte eine Neutronenbombe alles kurz und klein
schlagen. Überträgt man die Wirkungsweise auf bedrohliche Asteroiden oder
Kometen, so stellt man fest, dass eine Detonation der Bombe nicht weit entfernt vom
gefährlichen Körper für diesen fatale Folgen hätte. Dieser würde nämlich auf der
Seite, die der Bombe zugewandt ist, regelrecht abrasiert werden. Im Endeffekt wäre
als brauchbares Ergebnis einmal mehr die erforderliche Geschwindigkeitsänderung
durch den Masseverlust erzielt worden.
Detonationen direkt an der Oberfläche des bedrohlichen Objekts wären nicht
wirksamer. Diese Explosionen würden außerdem ein neues Gefahrenpotenzial
beinhalten. Sollte nämlich der Koloss in der Mitte auseinanderbrechen, so kann
niemand garantieren, dass die entstandenen Hälften die Erde verfehlen würden. Man
kann sogar behaupten, aus einem Problem plötzlich noch ein zweites erstellt zu
haben. Auch hier erkennt man den physikalischen Unterschied zu Armageddon: Im
Film war die Aufspaltung des Asteroiden in zwei Hälften nämlich die einzige Chance
zur Rettung der Menschheit und des Planeten Erde.
Sollte jemand davon hören, dass man auch mittels Antimaterie-Bomben,
patrouillierenden Raketengeschwadern im Orbit, Anbringen von Schubdüsen oder
Sonnensegeln an der Oberfläche von den Erdbahnkreuzern oder aber auch durch
Installationen ganzer Geschützbatterien von Hochenergie-Lasern auf Erde und Mond
die Menschheit vor kosmischen Bomben schützen könnte, so entspricht das nach
dem heutigen Stand der Technik (noch) reiner Utopie. Jedoch lässt sich der eine oder
andere Ansatz in den nächsten Jahrzehnten vielleicht doch zu einer Methode
erweitern, die schlussendlich brauchbar wird. Vom momentanen Standpunkt aus
betrachtet hingegen sind diese Methoden schlicht und einfach (noch) unmöglich.
Abschließend bleibt zu sagen, dass die aktuell effektivste Möglichkeit zur Rettung von
Erde und Menschheit darin besteht, die NEOs gezielt abzulenken. Die notwendige
Technik dazu ist bereits erforscht und damit entspricht solch einem Manöver eine
relativ leichte Realisierung (vorausgesetzt, man hat eine genügend lange Vorwarnzeit
zur Verfügung) [15].
22. Die Spaceshuttle-Ära
Der zweite große Teil, den ich in dem Kapitel „Physikalischer Hintergrund“
ansprechen möchte, wird sich mit dem Spaceshuttle beschäftigen. Auch dieser Punkt
ist in Armageddon sehr stark involviert. Ohne Spaceshuttle würden die Missionen
Freedom und Independence gar nicht die Möglichkeit haben, die Welt retten zu
können. Doch die Fragen: „Was steckt dahinter?“, „Wie ist ein Spaceshuttle
aufgebaut?“ und „Wie funktioniert es?“ werden dabei etwas eingehender einer
physikalischen Betrachtung unterzogen werden.
i. Die Planungsphase
Ende der 1960er Jahre hatten die Amerikaner gegen die Russen das Wettrennen um
die bemannte Mondlandung gewonnen. Doch damit war noch lange nicht genug;
man bekam den Eindruck, dass damit erst der Startschuss zur Umsetzung für viele
folgende Weltraumpläne gegeben war. So starteten die USA ein neues Unterfangen:
Kommunikations-, Wetter- und Erdbeobachtungssatelliten wurden ins All gebracht.
Dies sollte als Beginn einer kommerziellen Nutzung des Weltalls angesehen werden.
Es fehlte nun jedoch noch an einem kostengünstigen wieder verwendbaren
Raumtransportersystem, mit dem die Satelliten mit all ihren Bestandteilen in den
Orbit gebracht werden konnten. Auch anfallende Reparaturmaßnahmen an den
Satelliten sollten relativ kostengünstig durch Raumflüge gedeckt werden.
Die ersten Studien dafür wurden bereits im Jahre 1968 entworfen, also schon bevor
Armstrong, Aldrin und Collins den Mond erreichten. Man konnte sich jedoch nicht
gleich auf ein Projekt einigen, sondern grenzte nach und nach die potenziellen
Kandidaten für ein Raumtransportsystem ein. 1972 schließlich war die Entscheidung
gefallen: Das neu zu entwickelnde System sollte in die Bauphase übertreten und den
Namen „Spaceshuttle“ erhalten [24].
Die NASA - Orbiter
Insgesamt wurden im Laufe des Spaceshuttle-Programms sechs Orbiter gebaut. Die Namen dieser Orbiter lauten: Enterprise, Columbia, Challenger, Discovery, Atlantis und Endeavour.
Die Enterprise wurde, wie man sicherlich gleich erraten wird, nach der gleichnamigen Science-Fiction-Fernsehserie getauft. 1976 wurde dieser Orbiter in Palmdale, Kalifornien, von der Firma Rockwell International hergestellt. Auch die fünf Schwesternschiffe sollten später von derselben Institution am gleichen Platz gebaut werden. Die Aufgabe der Enterprise bestand darin, alle möglichen Tests über sich ergehen zu lassen. In den Genuss einer echten Weltraummission gelangte sie jedoch nie – sie war dafür ohnehin viel zu schwer. Zu den Tests gehörten zunächst 13 Landungen. Huckepack mittels einer Boeing 747 in die Luft gebracht, wurden als erstes die Gleitflüge analysiert. Am 12. August 1977 kam die Enterprise vom ersten „Flug“ zurück. 1978 wurden dann Schwingungsprüfungen des Orbiters durchgeführt und 1979 ging man dazu über, die Enterprise mit Boostern und Triebwerken zu koppeln, um auch das Startprozedere zu erproben. Da aber immer wieder Probleme bei den Tests auftauchten, verschob sich der erste geplante Einsatz des Schwesternschiffes immer weiter nach hinten.
Am 12. April 1981 war es dann aber soweit: Die Columbia war das erste Shuttle, das ins All flog. Benannt nach einer Korvette von Boston (Massachusetts), war sie der erste Orbiter, der 1991 einem Inspektions- und Verbesserungsprogramm unterzogen wurde. 50 Modifikationen wurden vorgenommen, unter anderem Karbon-Bremsen und Bremsschirme für die Landung. Am 1. Februar 2003 verunglückte die Columbia bei der Rückkehr einer Forschungsmission. Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre zerbrach die Raumfähre in 60.000 Metern Höhe. Alle sieben Besatzungsmitglieder kamen ums Leben.
Die Challenger, getauft nach einem amerikanischen Navy-Forschungsschiff, diente zunächst nur als Testobjekt für Schwingungsprüfungen. Am 4. April 1983 war sie jedoch der zweite Orbiter, der ins Weltall flog. Leider meinte es das Schicksal auch bei ihr nicht gut: Nach zehn gelungenen Einsätzen explodierte sie am 28. Jänner 1986 beim Start. Auch hier überlebte niemand der sieben Besatzungsmitglieder. Zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte waren Astronauten während eines Einsatzes gestorben. Nach dem Unglück wurde ein generelles Startverbot für Shuttles ausgesprochen. In den folgenden zweieinhalb Jahren wurden über 2.000 Änderungen vorgenommen, so dass die Shuttleflotte wieder sicher und einsatzfähig wurde. Außerdem wurde der Plan, ein Ersatzshuttle für die Challenger zu bauen, in Auftrag gegeben. Am 29. August 1988 startete die Columbia in die zweite Shuttle-Ära mit bemannten Raumflügen.
Die Discovery wurde nach dem Schiff benannt, mit dem James Cook Hawaii entdeckte. Baugleich wie die Atlantis (die übrigens benannt wurde nach einem wichtigen Forschungsschiff des Woods Hole Oceanographic Institutes in Massachussetts), profitierte man hier von den Erfahrungen, die man bei Enterprise, Challenger und Columbia gelernt hatte. Daraus resultierte, dass Discovery und Atlantis viel leichter waren als ihre Vorgänger.
Die Endeavour ist der neueste Orbiter. Als Ersatz für die Challenger gebaut, wurde auch sie nach einem Schiff von James Cook benannt. Neue Hardwareentwürfe und eine verbesserte Leistungsfähigkeit kennzeichneten den neuen Orbiter. Bei ihr wurden auch noch viele weitere verbesserte Details eingesetzt, wie z. B. ein Bremsfallschirm mit 12 Metern Durchmesser oder auch Modifikationen, die es ermöglichen, 28 Tage im All zu bleiben. Auch eine verbesserte Bordelektronik und Hilfsstromversorgung waren neue Merkmale des Shuttles. [23]
Der Grobplan dieses neuen Raumtransporters sah vor, dass der Erstflug des neuen
Systems im März 1978 von statten gehen sollte. Da aber vom ersten Tag an das
Programm nicht planmäßig ablief, sondern immer wieder unerwünschte Probleme
auftauchten, war bald klar, dass dieser Termin nicht eingehalten werden konnte.
Egal, ob man von den Triebwerken spricht, die zur Anwendung kommen sollten, oder
von den Hitzeschutzkacheln – die Entwicklung eckte einfach an allen Enden an. Die
ersten Erprobungen der Gleitflüge im Jahre 1977 lieferten zwar erstmals den
gewünschten Erfolg, trotzdem wurde die Zahl der Entwicklungstage, -wochen,
und -monate immer größer und größer.
Ein weiteres, nicht einkalkuliertes Problem entstand daraus, dass die NASA ein immer
geringeres Budget zur Verfügung bekam. Kurzzeitig schien es, als ob das Projekt
wieder eingestellt werden müsste, ohne auch nur einen einzigen Flug mit dem neuen
System getätigt zu haben. Aber es meldete sich ein neuer Interessent am
Spaceshuttle: Das Verteidigungsministerium. Fotoaufklärungs- und
Kommunikationssatelliten in den Weltraum zu schicken, wurde immer teurer und
erforderte zudem immer größere Trägerraketen. Aus diesem Grunde zeigte das
Verteidigungsministerium reges Interesse an dem noch in der Bauphase befindlichen
Spaceshuttle. Da jetzt aber mit dem Militär ein neuer Geldgeber gefunden war,
Abbildung 15: Die Enterprise während des ersten gemeinsamen Testflugs mit dem Boeing-747-Trägerflugzeug im
Jahre 1977 (Quelle: [23])
wurde das Spaceshuttle-Programm im Endeffekt durchgezogen und sollte zu einem
späteren Zeitpunkt seine Feuertaufe erhalten.
ii. Aufbau und technische Details
Das neue Konzept des wieder verwendbaren Raumtransporters bestand aus zwei
Komponenten – nämlich dem Booster und dem Orbiter. Der Booster kann als
Antriebsstufe des zweistufigen Fluggerätes angesehen werden. Er entspricht jenem
Teil des Shuttles, der auf jeden Fall unbemannt ist. Eine genauere Unterteilung des
Boosters liefert uns zwei Feststoff-Booster und einen externen Tank. Der Orbiter
hingegen ist jene Einheit, welche die Besatzung in das erdnahe Weltall bringen sollte.
Allerdings ist auch er in den ersten Flugphasen mit einem relativ großen
Treibstofftank verbunden. Wie man aber später noch sehen wird, kann dieser
Treibstofftank nicht wieder verwendet werden, da er beim Absturz in der Atmosphäre
fast gänzlich verglüht. Manchmal hört man, dass auch noch eine dritte Komponente
als Bestandteil des Shuttles angesehen wird: Das Haupttriebwerk. Dieses ist im
Orbiter integriert und wird mit dem Treibstoff aus dem externen Tank versorgt [23].
Nach dieser oberflächlichen Einteilung kann man sich die Bestandteile einzeln etwas
genauer ansehen:
Die Feststoff-Booster
Ihre Aufgabe besteht darin, dass sie den größten Teil des Startschubes erzeugen
sollen. Nach lediglich zwei Minuten Brennzeit werden sie vom externen Tank, an dem
sie befestigt sind, abgetrennt, und fallen mit Fallschirmen versehen in den Atlantik.
Dort können sie aus dem Wasser gefischt und später wieder verwendet werden.
Genau das ist auch der Grund dafür, der Feststoff-Booster als die preiswerteste
Komponente des Spaceshuttles erscheinen lässt. (Es gab zwischendurch auch Pläne,
die Feststoff-Booster durch andere Raketen zu ersetzen, damit man mehr Spielraum
für die Nutzlastkapazität erhalten würde. Jedoch wurden diese Pläne aus
Kostengründen wieder vernachlässigt und man blieb beim altbewährten System.)
Jeder der beiden Booster wird vor Beginn einer Mission mit 450 Tonnen festem
Treibstoff gefüllt. Diese spezielle Art des Treibstoffes wird im US–Bundesstaat Utah
erzeugt und fühlt sich wie ein harter Radiergummi an. Damit die Flexibilität des
Treibstoffes gewährleistet ist, wird außer Aluminium und einem festen Oxidator auch
noch eine gewisse Ration „curing agent“ in den Tank gefüllt. Dieses curing agent ist
ein Polymer-Gemisch und kann tatsächlich einem synthetischen Gummi gleichgesetzt
werden.
Der externe Tank
Der externe Tank kann als die „Gasflasche“ des Spaceshuttles angesehen werden. In
ihm werden mehr als 700 Tonnen Sauerstoff und Wasserstoff in flüssiger Form
gelagert, somit kann er die Haupttriebwerke des Orbiters mit flüssigem Treibstoff
versorgen. Nach ungefähr 8,5 Minuten ist der Treibstoff verbraucht und dann wird in
völliger Analogie zu den beiden Feststoff-Boostern der externe Tank abgeworfen.
Was diesen Tank jedoch von seinen beiden Feststoff-Brüdern unterscheidet, ist die
Tatsache, dass er fast vollständig in der Atmosphäre verglüht und somit (als einziger
Bestandteil des Spaceshuttles) nicht wieder verwendet werden kann.
Aber der externe Tank hat auch noch eine zweite Funktion zu verrichten: Er ist
verantwortlich für die strukturelle Stabilität des gesamten Startpaketes und kann
quasi als „Rückgrat“ des Spaceshuttles bezeichnet werden.
Der externe Tank ist aus drei Hauptbestandteilen aufgebaut. Im obersten Bereich
befindet sich ein Tank für den flüssigen Sauerstoff, während sich im unteren
Segment der Wasserstofftank befindet. Dazwischen liegt der sogenannte Intertank.
Seine Aufgabe ist es, die beiden Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff im richtigen
Verhältnis zu kombinieren und auch die nötigen Geräte und Leitungen
bereitzustellen. An der Außenseite des Intertanks ist zudem noch die obere
Befestigung der Feststoff-Booster angebracht.
Die Außenhaut des externen Tanks ist mit einem Wärmeschutzsystem beschichtet.
Dieses ist etwa 2,5 Zentimeter dick und wird ursprünglich als Schaum aufgetragen.
Dieses Wärmeschutzsystem hat drei wichtige Aufgaben zu erfüllen: Erstens soll es
dafür sorgen, dass die Treibstoffe in einer akzeptablen Temperatur verharren, denn
der Wasserstoff ist erst unter einer Temperatur von -252,8 Grad Celsius flüssig.
Zweitens soll es für einen ausreichenden Schutz vor Überhitzung durch Luftreibung
während des Fluges sorgen. Drittens soll mit ihm verhindert werden, dass es zu einer
Eisbildung durch die stark gekühlten Treibstoffe kommt.
Auch der Innenraum des externen Tanks birgt allerhand physikalisch interessante
Gesichtspunkte. Beispielsweise beinhaltet er ein Treibstoffleitsystem, welches
ermöglicht, dass die Brennstoffe in die Haupttriebwerke am Heck des Orbiters
gelangen können. Dies geschieht durch eine 43 Zentimeter dicke Verbindung, die
sich, nachdem der externe Tank verlassen wurde, verzweigt, um alle drei
Haupttriebwerke mit Treibstoff zu versorgen. Außerdem beinhaltet der Tank ein
Druckausgleichsystem, um den Tankinhalt regulieren zu können, was den Druck
betrifft. Weiters gibt es noch ein Umweltkontrollsystem, das die Temperatur des
Treibstoffes regeln soll, und ein Energiesystem. Dieses kann als einer der wichtigsten
Teile angesehen werden, denn seine Aufgabe ist es, die Stromversorgung der
Kontrollsysteme zu ermöglichen und vor Blitzeinschlägen zu schützen.
Da der externe Tank als einziger Teil des Spaceshuttles zur Gänze nicht wieder
verwendet werden kann, wird er auch als einer der teuersten Teile angesehen.
Deshalb gab es ursprünglich Überlegungen dazu, wie man auch dieser Situation
etwas Positives abgewinnen kann. So wurde die Idee geboren, den externen Tank
zum Aufbau einer Raumstation zu nutzen. Dabei wäre er nur zum Teil mit Treibstoff
gefüllt worden. Den Rest des „fehlenden“ Inhalts hätte eine Luftschleuse gebildet.
Damit wäre man in der Lage gewesen, den Tank in eine Erdumlaufbahn zu bringen
und ihn mit dem ersten Modul einer neuen Raumstation zu identifizieren. Mehrere
Tanks kombiniert hätten eine Raumstation ergeben, deren Ausmaße gigantisch
gewesen wären. Ein Tank allein würde nämlich schon ein Volumen von 2.000
Kubikmetern liefern. Dies ist viel mehr, als die Internationale Raumstation ISS an
Platz aufweist. Ihre 1.200 Kubikmeter wirken dagegen sehr bescheiden. Die
Begründung, warum dieses Projekt nie umgesetzt wurde, findet man in der Tatsache,
dass einige Shuttles ohne Nutzlast hätten starten müssen, nur um die Tanks in die
Umlaufbahn zu bringen. Da aber die Startfrequenz für bereits geplante Projekte
ohnehin schon sehr hoch war, wurde der Plan einer „Tank-Raumstation“ wieder
verworfen.
Die Haupttriebwerke
Die drei Haupttriebwerke des Shuttles produzieren zusammen mit den beiden
Feststoff-Boostern den notwendigen Schub zum Abheben des Orbiters. Nach dem
Start arbeiten sie für achteinhalb Minuten. Das ist genau jene Zeit, in der das
Spaceshuttle mit voller Kraft fliegt. Nachdem die Feststoff-Booster abgeworfen sind,
produzieren allein die Haupttriebwerke den Schub, der noch gebraucht wird, um das
Shuttle von 4.828 km/h auf 27.358 km/h zu beschleunigen. Da die Feststoff-Booster
schon nach zwei Minuten abgeworfen werden, bleibt für diese Beschleunigungsphase
lediglich eine Zeitspanne von etwas mehr als sechs Minuten! Während dieser
Beschleunigung verbrennen die Triebwerke ca. 1,9 Millionen Liter flüssigen
Wasserstoff und Sauerstoff, die zuvor im externen Tank gespeichert wurden.
Die Haupttriebwerke sind sehr umweltfreundliche Komponenten, denn ihre Abgase
bestehen größtenteils aus reinem Wasserdampf, der von der Reaktion von
Wasserstoff mit Sauerstoff herrührt. Dieser Gasausstoß bewirkt den Schub, der das
Shuttle schließlich in den Erdorbit befördert. Um sich besser vor Augen führen zu
können, mit welch großen Dimensionen man es hier zu tun hat, sei Folgendes
erwähnt: In weniger als 25 Sekunden verbrauchen die Triebwerke so viel Treibstoff,
wie in einen mittelgroßen Swimmingpool passen würde, wobei die Treibstoffpumpen
13-mal so schnell arbeiten wie bei einem Auto, das sich mit 120 km/h fortbewegt.
Der Schub wird durch die Triebwerke in einem gestaffelten Verbrennungszyklus
erzeugt. Dabei werden die hochenergetischen Treibstoffe teilweise in einen
„Vorbrenner“ geleitet, um den nötigen Druck der „Turbopumpen“ zu gewährleisten.
Diese wiederum pumpen den Treibstoff weiter in die Hauptbrennkammer. Die
Temperatur in diesen Brennkammern kann sogar mehr als 3.300 Grad Celsius
erreichen! Jedes der drei Haupttriebwerke arbeitet mit einem Treibstoffverhältnis von
6:1 (Sauerstoff:Wasserstoff).
Am Boden kann mit den Haupttriebwerken ein Schub von 179.097 Tonnen erzeugt
werden, im Vakuum sind es sogar 213.188 Tonnen. Die Triebwerke können dabei auf
bis zu 65% Schub gedrosselt werden, der Maximalwert liegt bei 109% Schub. Dieser
Maximalwert wird am Start und während der ersten Flugminuten benötigt,
währenddessen man den Minimalwert von 65% Schub dazu braucht, um das Limit
einer dreifachen Gravitationskraft nicht zu überschreiten.
Der Orbiter
Als Orbiter wird der Teil bezeichnet, der das eigentliche Shuttle darstellt und der
nach Missionsende wie ein Flugzeug landen und später wieder starten kann. Im Zuge
des Spaceshuttle-Projektes sind bis heute sechs Orbiter gebaut worden, nämlich:
Enterprise, Columbia, Challenger, Atlantis, Discovery und Endeavour.
Alle Orbiter bestehen aus drei Komponenten: dem vorderen Abschnitt, dem mittleren
Abschnitt sowie dem Heck. Die Mannschaftsunterkünfte, das Cockpit und eine
Experimentierstation bilden das Inventar des vorderen Abschnittes, wobei der
druckregulierte Bereich, in dem sich die Astronauten ohne Raumanzüge bewegen
können, 74,3 Kubikmeter groß ist. Im mittleren Teil findet man die Ladebucht für die
Nutzlast, die transportiert werden sollte und am Heck sind die Haupttriebwerke
mitsamt den Manövriertriebwerken untergebracht. Um genauere Sichtweisen zu
erhalten, empfiehlt es sich auch hier, die drei verschiedenen Abschnitte einzeln unter
die Lupe zu nehmen [20] [23].
Der vordere Abschnitt
Beginnt man mit dem vorderen Abschnitt, taucht als erstes der Besatzungsbereich
auf. Dieser ist, wie schon der Name erahnen lässt, der ständige Aufenthaltsbereich
der Shuttlebesatzung. Mit einem Volumen von 65,8 Kubikmetern kann er in die
Unterbereiche Arbeit, Leben und Stauraum aufgeteilt werden. Der Besatzungsbereich
beinhaltet unter anderem das Flugdeck (das ist der obere Bereich des Decks), das
Mitteldeck samt Ausrüstungsbereich (dem entspricht der untere Deckbereich) und
eine Luftschleuse, die in die Nutzlastbucht führt. Hier kann beispielsweise ein
Verbindungstunnel zum Andocken an eine Raumstation montiert werden. Auch
andere Geräte für Außeneinsätze können hier angeschlossen werden.
Das Flugdeck ist an der Vorderseite wie ein normales Flugzeug-Cockpit strukturiert.
Der Pilot sitzt also links und zu seiner Rechten befindet sich der Copilot. In völliger
Übereinstimmung zu verkehrsüblichen Flugzeugen ist auch hier der Grundgedanke,
dass im Falle eines Unfalles an Bord ein Mann allein das Shuttle landen kann. Für
jeden der beiden Sitze sind eigene manuelle Flugkontrollen installiert, wie z. B. die
Rotations- und Übersetzungshandkontrollen, oder aber auch die Höhenruder- und
Abbildung 16: Schnittbild des vorderen Teils eines Shuttles – einmal von
links und einmal von der rechten Seite aus betrachtet
(Quelle: http://travel.howstuffworks.com/space-shuttle3.htm)
Bremskontrollen. Im hinteren Teil des Flugdecks befinden sich Kontrollbildschirme für
den Arbeitsablauf im Erdorbit. Auch Displays und Kontrollen kann man im Flugdeck
zur Genüge finden: Ingesamt mehr als 2.000 davon befinden sich dort! Weiters
findet man im oberen Teil des Flugdecks noch sechs Hochdruck-Windschutzscheiben,
zwei Deckenfenster und zwei Fenster, die in die Nutzlastbucht zeigen. Ein letztes
Fenster ist in der Ein-/Ausstiegsluke integriert, dieses zählt jedoch schon zum
Mitteldeck.
Das Mitteldeck repräsentiert den Stauraum für die Ausrüstung und
Versorgungsanlagen. Außerdem ist dieser Bereich des Orbiters auch der Schlafplatz
und Essplatz der Astronauten (es ist dafür ein extra Ess- und Arbeitstisch montiert).
Ein Abfallverwertungssystem und eine Hygienestation sind ebenfalls im Mitteldeck
untergebracht. Da die maximale Besatzungsstärke eines Shuttles mit sieben limitiert
ist, können im Mitteldeck anstelle des Lagerbereichs zusätzlich noch drei
Rettungssitze angebracht werden.
Um den vorderen Abschnitt abzuschließen, muss noch die Luftschleuse ein wenig
genauer erörtert werden. Diese 4,74 Kubikmeter große Schleuse erlaubt
Abbildung 17: Die verschiedenen Elemente eines Orbiters: Vorderer Abschnitt, mittlerer Abschnitt sowie das Heck
sind deutlich erkennbar. (Quelle: http://encarta.msn.com/media_461520234/Space-Shuttle_Orbiter.html)
Dockingmanöver, Übergänge in Forschungsmodule in der Nutzlastbucht und ist auch
hauptverantwortlich dafür, dass ein Astronaut aussteigen und einen
Weltraumspaziergang machen kann. Die Luftschleuse hat keinen fixen Ort im Shuttle,
sondern kann an unterschiedlichen Positionen untergebracht sein. In der
Luftschleuse sind zwei Raumanzüge verstaut: Einer für einen sechs Stunden lang
dauernden Raumspaziergang und einer für einen etwaigen Zusatzausstieg oder
Rettungseinsatz. Diese Schleuse ist relativ knapp bemessen, denn sie bietet nur zwei
Besatzungsmitgliedern Platz, sich die Raumanzüge anzuziehen. Schließlich befindet
sich hier in dieser Passage des vorderen Abschnittes noch eine spezielle
Ausstiegsausrüstung.
Der mittlere Abschnitt
Der wichtigste Teil in diesem Abschnitt ist die Nutzlastbucht. Allerdings zählen auch
noch viele weitere technische Accessoires dazu. Die wichtigsten davon sind: Die
Türen der Nutzlastbucht, die Befestigungs- und Verankerungsausstattung sowie
diverse andere Orbiter-Systeme. Nicht zu vergessen ist natürlich auch noch, dass
jede Tür der Nutzlastbucht mit vier Heizkörpern versehen ist.
Eines dieser Stücke, die zur Verankerungsausstattung gehören, ist das
Reichweiten-Manipulationssystem (kurz: RMS für „Remote Manipulator System“).
Abbildung 18: Das RMS-System mit seinem doppelgelenkigen Greifarm
(Quelle: http://www.medphys.ucl.ac.uk/~martins/orbit/orbit.html)
Dies ist ein 15,2 Meter langer Roboterarm, der vom Flugdeck des Orbiters aus
gesteuert wird. Er hat zwei bewegliche Gelenke, die es ermöglichen, eine Nutzlast
aus der Ladebucht in den Weltraum zu befördern, aber auch Satelliten einzufangen,
um sie zu reparieren. Eine Fernsehkamera, versehen mit einem Scheinwerfer, am
hinteren Ende des Roboterarms lassen den Astronauten, der ihn bedient, auf einem
Monitor genau verfolgen, wie er ihn handhabt. Als Hilfsutensilien sind zusätzlich auf
jeder Seite der Nutzlastbucht drei große Scheinwerfer angebracht.
Das Heck
Somit fehlt in der Abhandlung der „Bestandteile“ des Orbiters nur noch das Heck.
Dieses besteht aus den Haupttriebwerken des Spaceshuttles, dem
Manövriertriebwerk, dem Ruderblatt und den Befestigungen des externen Tanks. An
der Vorderseite gibt es ein Schott, welches den mittleren Bereich, also die
Nutzlastbucht, vom Heck abschließt. Hinter diesem Schott sind außer den
Triebwerken auch noch Geringdruck-Turbopumpen und diverse Treibstoffleitungen
untergebracht.
23. Ein Flug mit dem Spaceshuttle
Nachdem die wesentlichen technischen Ausstattungsstücke des wieder verwendbaren
Raumtransportsystems vorgestellt worden sind, ist es höchste Zeit, mit dem Shuttle
„auf Reisen zu gehen“. Dabei werde ich die verschiedenen Phasen eines Raumfluges
etwas genauer erklären; vor allem werde ich auch beschreiben, was in diesen Phasen
alles passiert.
Der Ablauf einer Mission vom Start bis zur Landung kann in eine vierstufige
Gliederung unterteilt werden, die mit den Phasen Liftoff, Aufstieg, Die Mission im
Orbit und Landung getätigt werden kann. Zum leichteren Verständnis wird die
Abhandlung der verschiedenen Punkte chronologisch erfolgen [23] [32].
Liftoff
Dieser Begriff „Liftoff“ steht für die Startphase bzw. den Startvorgang eines
Spaceshuttles. Dabei wird das Shuttle zunächst aus einer vertikalen Position
gestartet. Für den notwendigen Startschub sorgen die Feststoff-Booster sowie die am
Heck des Orbiters befindlichen Haupttriebwerke. Während des Abhebens arbeiten
sowohl die beiden Booster als auch die Haupttriebwerke mit „Vollgas“, denn um
einen Orbit zu erreichen, muss das Shuttle von null auf 28.968 km/h beschleunigt
werden. Dies entspricht ungefähr der neunfachen Geschwindigkeit einer
Gewehrkugel!
Die hohe Geschwindigkeit ist deshalb von Nöten, da es erst dann möglich wird, dass
sich das Shuttle tatsächlich um die Erde herum bewegt. Wäre die Geschwindigkeit
geringer, dann würde das Shuttle ganz einfach vom Erdball wieder angezogen
werden und es käme gar nie in die Position, in der es für eine längere Zeitspanne im
Erdorbit verharren könnte. Dass aber die Reise ins Weltall trotzdem nur langsam
anlaufen kann, ist klar. Schließlich hat das Shuttle zu Missionsbeginn eine Masse von
über 2.040 Tonnen. Trotzdem dauert es lediglich acht Sekunden, bis die
Raketentriebwerke das Shuttle auf 161 km/h beschleunigt haben. Eine Minute nach
dem Start bewegt sich das Raumfahrzeug bereits mit 1.609 km/h weiter und es
wurden bereits 680 Tonnen Treibstoff verbraucht.
Abbildung 19: Die Columbia bei ihrem Start zur ersten Mission am 12. April 1981
(Quelle: [31])
Der Aufstieg
Nach zwei Minuten Flugzeit befindet sich das Shuttle bereits in 45 Kilometern Höhe
und hat schon eine Geschwindigkeit von 4.828 km/h aufgenommen. Dies ist der
Zeitpunkt, an dem die Feststoff-Booster ausgebrannt sind und deshalb abgeworfen
werden. Gleich nach dem Abwurf öffnen sich an ihnen die Bremsfallschirme und sie
stürzen abschließend unbeschadet circa 225 Kilometer vor der Küste Floridas ins
Meer. Dort werden sie mittels Spezialschiffen der NASA aufgelesen und für den
nächsten Flug tauglich gemacht. Die drei Haupttriebwerke am Heck des Orbiters
laufen hingegen auf Hochtouren weiter - bis genau 8,5 Minuten nach dem Start. Erst
dann werden sie abgestellt. In diesen 8,5 Minuten verbrennen sie 1,9 Millionen Liter
(dies entspricht etwa 1.590 Tonnen) des flüssigen Gemisches aus Sauerstoff und
Wasserstoff bei 3.315,6 Grad Celsius. Dies geschieht also bei einer Temperatur, die
beispielsweise höher liegt als der Siedepunkt von Eisen! Man kann sogar behaupten,
dass die Haupttriebwerke jene Geräte repräsentieren, die bei den höchsten
Temperaturen funktionieren, die je von Menschenhand geschaffen wurden.
Achteinhalb Minuten nach dem Start bewegt sich das Shuttle mit bereits acht
Kilometern pro Sekunde vorwärts. Eine Sekunde später wird der externe Tank, der
mittlerweile vollständig ausgebrannt ist, abgeworfen und zum Verglühen in der
Atmosphäre frei gegeben.
Die Mission im Orbit
Nachdem nun alle Triebwerke abgeschaltet sind, befindet sich das Shuttle in einem
ellipsenförmigen Orbit (Der Orbit, in dem sich die Shuttles aufhalten können, befindet
sich in einer Höhe zwischen 304 und 560 Kilometern). Wenn keine weiteren
Triebwerke zünden würden, dann könnte es wieder in die Erdatmosphäre eintreten.
Dass dem aber nicht so ist, dafür sorgen die beiden orbitalen Manövriertriebwerke.
Diese befinden sich auf der linken und rechten Seite am Heck des Orbiters und
werden, 35 Minuten nachdem die Haupttriebwerke abgeschaltet wurden, für drei
Minuten lang gezündet. In diesem Augenblick befindet sich das Weltraumgefährt auf
dem höchsten Punkt der ellipsenförmigen Bahn. Die orbitalen Manövriertriebwerke
arbeiten mit zwei festen Treibstoffen, die sofort bei Kontakt zünden. Nun kann das
Shuttle auf eine konstante Höhe, nämlich den Erdorbit, „geschossen“ werden. Einmal
dort angekommen, kann es dort verweilen und läuft keine Gefahr mehr, wieder tiefer
in die Erdatmosphäre abzustürzen.
Wenn das Shuttle im Orbit angekommen ist, dann können die Astronauten mit ihrer
Arbeit beginnen. Vielleicht sollte an dieser Stelle noch gesagt werden, dass das
Spaceshuttle das einzige Raumfahrzeug ist, das auch große Satelliten zurück auf die
Erde transportieren kann. Die „Einfangarbeit“ wird dabei großteils durch das schon
beschriebene RMS–System erledigt. Der Roboterarm ist aber auch in der Lage, große
Objekte in den Weltraum aus der Nutzlastbucht heraus freizusetzen. Selbst
Astronauten können während eines Weltraumspazierganges zwecks
Reparaturmaßnahmen mit ihm an einen Satelliten herangehoben werden – so
erstmalig geschehen bei der Reparatur des Hubble Space Teleskops. Auch die
Internationale Raumstation ISS wird zum Großteil mit Hilfe des Roboterarms
aufgebaut.
Noch ein paar Worte zur Mission selbst: Die größte jemals eingesetzte Shuttle-
Besatzung war acht Mann stark. Der Durchschnitt liegt jedoch bei fünf bis sieben
Mann. Davon sind zwei Personen die Piloten, von denen einer der „Commander“ ist.
Dieser ist der „Boss“ an Bord und hat meistens die Funktion des Copiloten. Den Rest
der Crew bilden Wissenschaftler, Ingenieure und sonstige Experimentatoren für
Weltraumversuche. Ab und zu kann es vorkommen, dass auch ein „Nutzlastspezialist“
mitfliegt. Seine Aufgabe ist meist die Handhabung eines speziellen Nutzlastutensils.
Insgesamt kann ein Shuttle ca. 28,803 Tonnen Nutzlast in den Orbit befördern und
dort für maximal 28 Tage verweilen, bevor es im Endeffekt wieder zur Erde
zurückkehrt.
Landung
Ist die Mission erfolgreich abgeschlossen, dann beginnt das Shuttle zu rotieren,
sodass es die Manövriertriebwerke in die richtige Richtung bewegen kann. Der
sogenannte „deorbit burn“ (dies entspricht einer „Zündung zum Verlassen des
Orbits“) beinhaltet den Betrieb der Triebwerke für drei Minuten. Dieses Manöver soll
die Bahngeschwindigkeit des Orbiters um einige 100 km/h verringern. Dies reicht
aus, um ihn in Richtung der Atmosphäre zu lenken. Der deorbit burn wird circa eine
halbe Planetenbewegung vor dem Landeziel gestartet - wenn das Shuttle also am
Kennedy Space Center in Florida landen soll, dann zünden die Triebwerke über dem
Indischen Ozean. Diese Zündung ist gleichzeitig die einzig „echte“ Bremsung des
Orbiters auf seinem Landeanflug. Den Rest des Fluges wird er lediglich durch den
Druck verzögert, den die Atmosphäre durch die hohe Eintrittsgeschwindigkeit
erzeugt.
Nach dem deorbit burn dauert es 25 Minuten, bis jener Bereich der Atmosphäre
erreicht wird, ab dem starke Erhitzungserscheinungen wirksam werden. Der Orbiter
ist zu diesem Zeitpunkt noch in einer
Höhe von 120 Kilometern und befindet
sich noch in 8.000 Kilometer
Entfernung vom geplanten Landeplatz.
Kurz bevor der Orbiter in die
Atmosphäre eintritt, lässt das vordere
Reaktionssystem als
Sicherheitsmaßnahme noch den
übriggebliebenen Treibstoff in Form
von Wasserstoff und Sauerstoff ab. Danach wird die „Nase“ des Orbiters auf etwa 40
Grad Höhe angehoben, damit beim Eintritt wirklich nur die Hitzeschutzkacheln von
der Reibungswärme beeinträchtigt werden. Temperaturen bis zu 1.600 Grad Celsius
können hier auftreten!
Die hinteren Lenkruder haben die Aufgabe, das Shuttle beim Hinabgleiten zu steuern.
Beim Wiedereintritt wird aus dem Orbiter praktisch ein Flugzeug, wobei Lenkruder
und Hitzeplatten erstmals aktiv eingesetzt werden. Die Steuerung übernimmt ab
sofort ein automatisches System.
Nähert sich das Shuttle der Landestelle auf 225 Kilometer, dann erhält der Orbiter
eine Navigations-Unterstützung des taktischen Navigationssystems TACAN („Tactical
Air Navigation System“). Dieses unterstützt die Bord-Navigationssysteme und
stabilisiert das Shuttle für den verbleibenden Rest des Fluges, insbesondere beim
Abbildung 20: Der Missionsablauf vom Start bis zur
Landung eines Spaceshuttles (Quelle: [32])
Anflug auf die Landebahn. Während das Shuttle seinen Landeanflug fortsetzt, wird
seine Geschwindigkeit auf unter dreifache Schallgeschwindigkeit gesenkt. Zeitgleich
werden an der Spitze des Orbiters zwei Luftproben analysiert. Dadurch sollen
nochmals Eigengeschwindigkeit, Höhe, Außendruck und Windgeschwindigkeit
überprüft werden.
Circa 40 Kilometer vor der Landung übernehmen Flugkontrollcomputer die
„Herrschaft“ über das Shuttle. Zu diesem Zeitpunkt ist der Orbiter nur noch mit
Unterschallgeschwindigkeit unterwegs und befindet sich außerdem immer noch in
einer Höhe von 15,2 Kilometern. Sollte der eingeschlagene Kurs auf die Landebahn
passen, dann beginnt ein steiler Sinkflug. Der Neigungswinkel ist dabei siebenmal
tiefer als bei der Landung einer normalen Verkehrsmaschine und die Geschwindigkeit
ist immer noch 20-mal größer als die eines Passagierflugzeuges. In einer Höhe von
knapp über 600 Metern zieht der Commander an Bord des Orbiters das Steuer hoch
und vermindert so die Geschwindigkeit entscheidend. Nachdem auch noch das
Fahrwerk ausgefahren wird, sind nun alle erforderlichen Maßnahmen für die Landung
getroffen worden.
Wenn das primäre Fahrwerk auf der Landebahn aufsetzt, liegt die
Fallgeschwindigkeit unter 30 Kilometern in der Stunde, die Vorwärtsgeschwindigkeit
jedoch immer noch bei 354 km/h. Nach dem Aufsetzen wird der Bremsfallschirm
ausgefahren. Dieser wird aber ziemlich bald wieder abgetrennt, damit er nicht auf
dem schlussendlich stehenden Shuttle zum Liegen kommt. Sobald das Shuttle zum
Stehen gekommen ist, ist der Landevorgang beendet.
Abschließend zu diesem Kapitel sei auf der nächsten Seite noch die sogenannte
„Timeline“ eines Spaceshuttle-Fluges erwähnt [23]. Diese gibt Auskunft darüber, was
wann passiert, damit die Mission ein Erfolg wird. Dabei werde ich mich an die übliche
Schreibweise halten. „T minus 20 Sekunden“ bedeutet also, dass man sich 20
Sekunden vor dem Start befindet. „T plus 5 Minuten“ hingegen würde ausdrücken,
dass der Start bereits vor fünf Minuten erfolgt ist.
Timeline
T minus 20 Minuten Vorzündungssysteme werden vom Computer der Bodenstation kontrolliert
T minus 9 Minuten Letzte Startvorbereitungen
T minus 31 Sekunden Computer der Bodenstation aktiviert die automatische Startsequenz an Bord
T minus 6,6 Sekunden Alle drei Haupttriebwerke werden in gestaffelter Reihenfolge alle 120 Millisekunden gezündet
T minus 3 Sekunden Haupttriebwerke werden in Startposition gebracht
Start Bordsysteme aktivieren die Zündung der Feststoff-Booster Schublevel der drei Haupttriebwerke auf 100% Schubkraft Bodenstation-Startsequenz beendet Abheben des Spaceshuttles
T plus 20 Sekunden Shuttle rollt von einer 180 Grad Flugbahn auf eine 78 Grad Flugbahn
T plus 26 Sekunden Haupttriebwerke werden zu maximalem dynamischen Druck gedrosselt
T plus 60 Sekunden Haupttriebwerke werden auf 104% Schub hochgefahren
T plus 2:06 Minuten Abtrennung der Feststoff-Booster
T plus 7:40 Minuten Haupttriebwerke werden heruntergefahren, um das strukturelle Limit der dreifachen Erdgravitationskraft nicht zu überschreiten
T plus 8:30 Minuten Haupttriebwerk-Abschaltsequenz beginnt
T plus 8:33 Minuten Haupttriebwerke werden auf 65% Schubkraft heruntergefahren
T plus 8:40 Minuten Abschaltung der Haupttriebwerke Automatische Abschaltfrequenz bestätigt die Deaktivierung und
aktiviert die Abtrennungssequenz des externen Tanks T plus 8:58 Minuten Externer Tank wird vom Orbiter abgetrennt
Orbit-Einflug Orbitale Manövrier-Triebwerke zünden, um das Shuttle in eine kreisförmige Umlaufbahn zu bringen (circa zwei Minuten nach Abschaltung der Haupttriebwerke)
Im Orbit Führungs-, Navigations- und Kontrollsystem prüfen Geplante Geschwindigkeit und Position des Orbiters einnehmen Türen der Nutzlastbucht öffnen sich, um Hitze abzugeben Orbit-Flugkontrollen-Software reguliert orbitale Manövrier-
Triebwerks-Zündung Überprüfung vor
Verlassen des Orbits Einen Tag vor Verlassen des Orbits werden linke und rechte Düse
des Haupttriebwerkes neu positioniert Aktivierung und Überprüfung des Hydraulik-Systems Alle Cockpit-Displays und Cockpit-Kontrollen werden gecheckt
Verlassen des Orbits Nutzlastbucht-Türen werden wieder verschlossen Orbiter rotiert um 180 Grad und das Manövrier-System bringt ihn auf
Kurs Richtung Erde Positionierung des Orbiters mit „Nase“ nach unten
Eintrittsphase Eintrittsphase beginnt fünf Minuten bevor das Shuttle die Atmosphäre erreicht
Durch Reibung an der Erdatmosphäre produziert das Shuttle so starke Hitze, dass die Kommunikation mit der Bodenstation für 16 Minuten aussetzt
Führungssoftware kontrolliert die Flugbahn und beeinflusst sie so, dass der Orbiter weder überhitzt noch der Druck an Bord zu hoch wird
Landung Shuttle setzt auf und ist wieder „zuhause“
Maximale Missionsdauer
28 Tage
IV. Unterrichtspraktischer Teil
Dies ist nun der Punkt, bei dem es hauptsächlich um die zweite Aufgabenstellung
dieser Arbeit geht, nämlich um die Aufbereitung der Analysen dieser Arbeit für und
mit SchülerInnen. Dabei wurde bereits im Vorfeld mit meinem Betreuungslehrer
Herrn Dr. Gerhard Rath abgeklärt, wie ich zwei Unterrichtsstunden in der 6.c – Klasse
im BRG Kepler halten sollte. Die Vorbereitungen, Ausführungen und
Nachbetrachtungen dazu werden die Eckpunkte dieses Abschnittes repräsentieren.
Videofilme im Unterricht einzusetzen klingt stets sehr verlockend. Wenn ich nun aber
an meine eigene Schulzeit zurückdenke, dann muss ich leider doch sagen, dass
dieses alternative Medium in den meisten Fällen kaum eingesetzt wurde. Aus eigener
Erfahrung weiß ich, dass auf das Medium Videofilm hauptsächlich dann
zurückgegriffen wird, wenn sich ein Semester/Schuljahr dem Ende zu neigt und die
Noten großteils bereits feststehen oder aber, wenn es quasi eine „Belohnung“ für
eine vollbrachte Leistung darstellen sollte (wie zum Beispiel in einer Stunde nach
einer Schularbeit, bei der die SchülerInnen ziemlich „ausgepowert“ sind). Trotzdem
wurde diese Form des Unterrichtens von einem Großteil des Lehrkörpers als unnütze
Zeitverschwendung abgelehnt, schließlich diente dies doch nur zur „Regeneration“
nach vollbrachter Arbeit.
Nichtsdestotrotz finde ich die Idee, Filme, speziell auch Kinofilme, in den Unterricht
zu integrieren, großartig. SchülerInnen sehen doch auch in ihrer Freizeit gerne fern
und gehen auch oft ins Kino. Warum sollte es nun unmöglich sein, gewöhnliche
Freizeitaktivitäten mit schulischen Herausforderungen zu kombinieren? Mit dem
Zugang zu einem Stoffgebiet mit Hilfe eines allseits vertrauten und beliebten
Mediums kann man die SchülerInnen doch viel eher ansprechen als wenn man
komplexe und realitätsferne Aspekte einfach nur theoretisch abzuhandeln versucht.
Im Folgenden werde ich nun meine eigene Planung vorstellen, aufgrund welcher ich
dann auch tatsächlich in der 6.c – Klasse unterrichtet habe.
24. Die Planung der beiden Unterrichtssequenzen Zweifelsohne war ich mir der Tatsache bewusst, dass es unmöglich ist, den ganzen
Kinofilm im Unterricht zu zeigen. Dies liegt darin begründet, dass die Dauer mit circa
140 Minuten äußerst lang ist und in den beiden Unterrichtsstunden nur zwei Mal 50
Minuten zur Verfügung standen. Außerdem sollte Armageddon nicht angesehen,
sondern auch damit gearbeitet werden. Also beschränkte sich eine meiner ersten
Vorbereitungsarbeiten darauf, eventuell von der Länge her geeignete Passagen im
Film zu finden, die dann später im Unterricht tatsächlich eingebaut werden könnten.
Aber wie schon aus der Fehleranalyse im ersten Kapitel ersichtlich war, „drängten“
sich einige Passagen von selbst auf, da sie nur so von unphysikalischen Effekten
strotzen. Schließlich fiel die Entscheidung auf die zwölfminütige Szene vom Start der
beiden Shuttles bis hin zur Explosion der Raumstation MIR. Dies sollte nun die
Sequenz für die erste Stunde sein. Für die zweite Stunde legte ich mich fest, die
Passage von der Explosion der MIR bis zur Landung von Freedom und Independence
auf dem Asteroiden bereitzustellen. Dauer dieses Filmausschnittes: acht Minuten.
Somit war Schritt eins meiner Planung erledigt und es sollten als nächstes diese
beiden Szenen in ein Gesamtkonzept eingebaut werden, damit Armageddon
„unterrichtstauglich“ werden würde.
Was ich auf gar keinen Fall wollte, war eine vorgespielte Filmszene, an die ich
anschließend einen Frontalvortrag anhängen würde. Also musste ich mir etwas
Anderes dafür ausdenken, schließlich gibt es doch so viele verschiedene
Unterrichtsformen. Letztendlich hatten meine beiden geplanten Unterrichtseinheiten
folgende Struktur:
1. Stunde:
Zeit Aktivitäten Kommentar/Ziele Ca. 10’ • Kurzes Vorstellen meinerseits
• Kurze Erklärung, was in den nächsten beiden Stunden geplant ist
• Kurz gehaltene Inhaltsangabe des Filmes
In diesen zehn Minuten gibt es eigentlich nur Aktivitäten meinerseits – die SchülerInnen sollten auf einen Unterricht eingestimmt werden, der einmal etwas „anders“ abläuft
Ca. 12’ Abspielen der Filmsequenz Vor dem Videostart Hinweis für die SchülerInnen, in den zwölf Minuten, die die Passage dauert, vor allem auf die darin vorkommende Physik aufzupassen
Ca. 20’ Ein von mir ausgeteiltes Handout („Fragen zur gezeigten Filmsequenz aus Armageddon“) wird in 3er-Gruppen bearbeitet
• Bewusst offene Fragestellungen, kein Einschränken meinerseits
• Auch kein Verweis, dass es eigentlich um physikalische Fehler geht – sowohl „gute“ als auch „schlechte“ Physik sollte behandelt werden
• Ziel: durch 3er-Gruppen erhoffe ich mir gruppeninterne Diskussionen, die dann in der nächsten Stunde auf die gesamte Klasse ausgeweitet werden können
Die Lernziele für diese Stunde möchte ich noch einmal explizit erwähnen. Dabei steht
sicherlich an vorderster Front, dass die SchülerInnen befähigt werden sollten,
Filmpassagen kritisch zu hinterfragen und nicht gleich alles unüberlegt geglaubt
werden sollte. Im weitesten Sinne könnte man sogar sagen, die SchülerInnen sollten
befähigt werden, zwischen Realität und einer vorgespielten virtuellen Welt, also
zwischen Science und Fiction, zu unterscheiden. Im didaktischen Abschnitt gibt es
später dazu aber ohnehin noch Ausführlicheres. Da dies zunächst auf alle Fälle nicht
so leicht anzuwenden ist, stellte ich mir vor, dass es für den Beginn leichter sein
würde, dies in Gruppen abzuhalten. Außerdem sollte man als SchülerIn erkennen,
dass man nicht nur im Unterricht in der Schule, sondern sehr wohl auch außerhalb
des Schulgebäudes stets mit Physik konfrontiert wird. Mit diesem Statement sollte die
Wichtigkeit und Notwendigkeit der Physik im Alltag etwas gestärkt werden.
Fragen zur gezeigten Filmsequenz aus „Armageddon“:
Was ist euch in dieser Szene alles an Physik aufgefallen?
Was war dabei „gute“ und korrekte Physik? (Begründung!)
Welche Passagen waren vom physikalischen Standpunkt aus betrachtet
fehlerbehaftet? (Begründung!)
Mit welchen Teilen der gezeigten Passage habt ihr euch schon mal beschäftigt
(z.B.: über Spaceshuttles gelesen, über Funktionsweise einer Rakete
diskutiert, etwas über die Raumstation MIR in Erfahrung gebracht,...)?
Findet ihr den Filmausschnitt total realistisch, zum Teil unglaubwürdig oder
vielleicht sogar total an den Haaren herbeigezogen,...? Habt ihr noch andere
Eindrücke, die der Filmauszug bei euch hinterlassen hat?
2. Stunde:
Zeit Aktivitäten Kommentar/Ziele Ca. 15’ Präsentation der einzelnen Gruppen mit der
Ausarbeitung des Handouts von voriger Stunde
Ziel: SchülerInnen sollten einen groben Überblick darüber kriegen, was an Physik vorgekommen ist, auf das man selbst vielleicht nicht draufgekommen ist
Ca. 15’ Informationsinput meinerseits mit einem zweiten vorbereiteten Handout („Physikalische Ungereimtheiten in Armageddon“), auf dem die aus meiner Sicht gröbsten Fehler festgehalten wurden; Einbau einer Rechnung auf demselben
Ziel: SchülerInnen sollten merken, dass sie nicht nur vom Lehrer bzw. der Lehrerin Physik vermittelt bekommen, sondern durchaus auch mit Freunden, Kollegen oder ganz einfach mit Mitmenschen Physik „erleben“ können. Dafür sollte die klasseninterne Diskussion dienen. Die notwendigen Stichworte sollten einerseits bei der Präsentation der einzelnen Gruppen gegeben worden sein oder andererseits auf dem von mir vorbereiteten zweiten Handout stehen. Außerdem wird das physikalische Spektrum durch die eingebaute Rechnung ergänzt
Ca. 8’ Zeigen einer zweiten Sequenz aus dem Film Verweis an die SchülerInnen, diesmal speziell auf die physikalischen Ungereimtheiten aufzupassen
Ca. 5-7’ Kurzanalyse der gezeigten Passage klassenintern mittels Diskussion aufbereitet. Kein vorbereiteter Bogen mehr, keine Gruppenarbeit. Jeder versucht für sich selbst Fakten herauszufinden.
Ziel: Mit den Kenntnissen aus der ersten Stunde sollten nun alle SchülerInnen in der Lage sein, ein paar „Fehler“ zu finden, einige wiederum sollten ein paar Ungereimtheiten mehr als beim ersten Mal erkennen können.
Physikalische Ungereimtheiten in „Armageddon“:
MIR dient als Tankstelle:
- auf der MIR ist kein Treibstoff gelagert
- nach Tankabbruch fliegen die beiden Shuttles einfach ganz normal weiter,
warum also müssen sie überhaupt auftanken?
- woher würde der Treibstoff auf der MIR kommen?
MIR ist 18 Monate lang dauerbesetzt mit dem gleichen Mann
MIR hat nur einen Andockstutzen, also können nicht zwei Shuttles zugleich
andocken
MIR wird in Rotation versetzt, um erdähnliche Schwerkraft zu simulieren.
- Wie schnell müsste sie aber dabei rotieren? (ausrechnen mit g = v2/r bzw.
v = r * ω, unter der Annahme, dass der Radius mit 1,5 Meter angenommen
wird):
- es würde sich trotzdem kein erdähnliches homogenes Schwerefeld ergeben,
sondern lediglich ein erduntypisches inhomogenes
- wie würde es aussehen, wenn zwei Shuttles zugleich an einer drehenden
Raumstation andocken? (wäre unter Umständen möglich mit nach außen
gerichteten Düsen)
Für eine Explosion wie sie im Film gezeigt wird, braucht man jede Menge
Sauerstoff und Wasserstoff. Wo aber kommt der Wasserstoff her?
Zwei Shuttles starten vom gleichen Areal aus in den Weltraum – das wäre viel
zu teuer und viel zu gefährlich
Soviel zur Planung für den Armageddon-Unterricht. Die einzige große Unbekannte,
die meines Erachtens in dieser Planung noch auftrat, bestand darin, dass man
angeregte Diskussionen nicht minutiös planen kann. Aus diesem Grund habe ich die
beiden Einheiten nicht mit 50 Minuten detailliert verplant, sondern stets ein paar
Minuten als „Reserve“ offen gelassen. Damit könnte eine von den SchülerInnen gut
geheißene Diskussion sogar noch spontan etwas ausgeweitet werden. Für den Fall,
dass man sein Plansoll jedoch schon vor der eigentlich dafür vorgesehenen
Zeitspanne erfüllt hätte, könnte man entweder die Filmszene zum Abschluss ein
zweites Mal ansehen, damit man auch nach der Diskussion nochmals einen kurzen
Einblick in die Thematik gewährt bekommt, oder aber man könnte ebenfalls ganz
spontan eine kurze weitere Szene abspielen. In diesem Falle wäre dies dann als
Vorgeschmack auf die nächste Unterrichtseinheit anzusehen und würde die erste
Sequenz ideal abrunden.
25. Die Durchführung der beiden Unterrichtsstunden
i. Erste Stunde
Am Montag, dem 9. Februar 2004, war es soweit: Die erste der beiden Einheiten
fand in der fünften Unterrichtsstunde des Tages statt. Nachdem zu Stundenbeginn
um 11.30 Uhr die SchülerInnen allmählich im Physiksaal eintrafen, musste ich als
erstes feststellen, dass an diesem Tag leider ein Großteil der Mädchen der Klasse
nicht präsent war, da gerade an diesem Tag ein Projekt mit dem Schwerpunkt
„Mädchen in der Technik“ durchgeführt wurde. Nichtsdestotrotz begann ich wie
geplant mit meinem Armageddon-Unterricht, obwohl statt der in Normalbesetzung
mit 29 SchülerInnen bestückten Klasse nur 21 davon präsent waren. Anfangs stellte
mich Herr Dr. Gerhard Rath noch der Klasse vor und verwies ganz kurz auf die
beiden folgenden Physikstunden, dass es hier um die Thematik der Integration von
Kinofilmen in den Unterricht ging. Nachdem auch dies erledigt war, durfte ich meinen
Unterricht beginnen.
Ich verwies zunächst auf einen Kollegen, der schon früher in diesem Semester
ebenfalls zwei Stunden in dieser Klasse halten durfte. Auch er hatte damals die
Möglichkeit genutzt, einen unterrichtspraktischen Teil in seine Diplomarbeit
einzubauen. Somit erhoffte ich mir, dass die SchülerInnen gleich wussten, was sie in
den nächsten beiden Unterrichtseinheiten erwarten würde.
Wie geplant, begann ich anschließend kurz über den Film allgemein zu reden. Dabei
fragte ich, wer den Film noch nicht kannte. Da keine einzige aufgezeigte Hand zu
erblicken war, sollte der Film wohl sehr populär und bereits bekannt sein. Allerdings
gab ich trotzdem eine kurze Inhaltsangabe desselben, um einerseits den Film zu
wiederholen, andererseits um die SchülerInnen auf die richtige „Schublade“
hinzuführen. Schließlich weiß man nicht immer sofort, wovon ein Film, den man
bereits gesehen hat, handelt – es sei denn, man schnappt wieder das eine oder
andere Detail auf. Da ich nicht die ganze Zeit auf meine Uhr blickte, kann ich auch
nicht genau sagen, wie lange diese Inhaltsangabe dauerte, aber ich schätze, dass
von den zehn dafür eingeplanten Minuten wohl nicht allzu viel davon übrig blieb.
In einem nächsten Schritt stellte ich die Videokassette bereit und gab die
ausdrückliche Anweisung an die SchülerInnen, in der kommenden zwölfminütigen
Sequenz auf die darin vorkommende Physik Acht zu geben, da ich anschließend
einen Zettel dazu austeilen würde. Wie bereits oben erwähnt, sprach ich es bewusst
nicht an, dass es eigentlich nur um Ungereimtheiten gehen sollte. Jedenfalls wussten
die SchülerInnen um ihre Aufgabe während des Videosehens und so legte ich die
Kassette in den Rekorder ein. Zwei Fernseher und ein Videorekorder gehören zur
Standardausrüstung für den Physiksaal am BRG Kepler, womit ich auch keine
Vorbereitungen diesbezüglich zu treffen hatte.
Die Filmszene begann und nach etwa einer Minute hatte sich der zu Beginn des
Raketenstarts doch etwas erhöhte Lärmpegel der Klasse praktisch auf Null gesenkt.
Damit stand einem „qualitativen“ Videosehen nichts mehr im Weg.
Die zwölf Minuten vergingen wie im Flug und die SchülerInnen konzentrierten sich
vollends auf den Film. Am Ende dieser Passage schaltete ich den Videorekorder
wieder aus und begann zu erklären, dass ich anschließend ein Handout mit fünf
Fragen darauf austeilen würde. Dieses sollte allerdings in Dreiergruppen bearbeitet
werden. Also war die nächste Aufgabenstellung an die SchülerInnen, sich zunächst
zu formieren. Dabei arbeiteten die meisten jedoch ohnehin mit ihren
SitznachbarInnen zusammen, sodass es keine große Hürde darstellte, die Gruppen zu
finden.
Nachdem auch die Zettel ausgeteilt waren, begannen gruppeninterne Diskussionen
ihren Lauf zu nehmen. Dabei war ich zum Teil positiv überrascht, wie intensiv die
eine oder andere Gruppe zu Werke ging. Für diesen Part der Unterrichtsstunde
wären eigentlich 15 Minuten eingeplant gewesen, zur Verfügung standen jetzt noch
mehr als 20 Minuten. Das liegt darin begründet, dass ja in der Planung die eine oder
andere Minute als „Reserve“ eingebaut war für den Fall, dass etwas
Unvorhergesehenes während der Stunde passieren sollte. Aufgrund der regen
Diskussionen der meisten Gruppen erwies sich die größere Zeitspanne auf alle Fälle
als Vorteil. Lediglich eine Gruppe meinte, nach etwa zehn Minuten bereits fertig zu
sein. Also ermunterte ich diese drei Schüler, trotzdem noch nachzudenken, da es in
diesem Kontext eigentlich kein „fertig“ gibt. Schließlich hatte ich ja speziell eine
Szene ausgesucht, in welcher Physik und Nichtphysik in einer enormen Häufigkeit
auftreten. Glücklicherweise nahm diese Gruppe dieses Argument an und betrachtete
es als Motivation für neue Denkanstöße.
Kurz vor Ende der Stunde erklärte ich der Klasse noch, dass in der nächsten
Physikstunde, die ohnehin schon am nächsten Tag stattfinden sollte, jede Gruppe
ihre gefundenen Aspekte vorstellen sollte. Außerdem stellte ich noch kurz den Plan
für die kommende Einheit vor und beendete anschließend die Physikstunde.
ii. Zweite Stunde
Gleich einen Tag später, am Dienstag, den 10. Februar 2004, fand meine zweite und
damit letzte Unterrichtsstunde zum Thema Armageddon statt. Dies hatte natürlich
den Vorteil, dass die am Vortag behandelten Inhalte noch „frisch“ waren und somit
gleich daran angeschlossen werden konnte. An diesem Tag fiel die Physikstunde der
Klasse auf die sechste Stunde. Anschließend sollte diese Klasse dann bereits frei
haben.
Wiederum traf auf diese Stunde das Gleiche zu wie in meiner ersten: Das Projekt
„Mädchen in der Technik“ dauerte auch an diesem Tag noch an und so hatte ich
abermals nur 21 SchülerInnen für den Armageddon-Unterricht. Da ich jedoch das
eine oder andere fremde Gesicht im Vergleich zum Vortag sah, wiederholte ich in
aller Kürze den Ablauf der Stunde vom Vortag und gab eine kurze
Inhaltsbeschreibung des Films, da dieses Mal eine Schülerin anwesend war, die
Armageddon noch nicht kannte.
Als nächster Programmpunkt diente die in der ersten Stunde bereits angekündigte
Präsentation der behandelten Fragen meines Zettels. Gruppe für Gruppe gab
bekannt, was sie herausgefunden hätten, wobei sich das Hauptaugenmerk hier auf
die ersten drei Fragen richtete. Die beiden restlichen Fragen sollten lediglich für mich
eine Gliederungshilfe bei der Auswertung darstellen – doch dazu im nächsten Kapitel
mehr.
Erstaunt, aber auch erfreut, musste ich feststellen, dass die meisten Gruppen nicht
nur Oberflächliches herausgefunden hatten, sondern teilweise sogar kleine
unscheinbare Details erspähten, die sie im Endeffekt auch noch mit einer richtigen
Begründung in die Kategorien Gute Physik/Schlechte Physik zuordneten. Als Beispiel
hierfür dient zum Beispiel das Andockmanöver der beiden Shuttles an der
Raumstation MIR. Sogar mehrere Gruppen meinten, dass der Druckausgleich, der
dabei entstehen würde, sehr realitätsnah auf den Bildschirm projiziert wurde. Dies
war ein Punkt, den ich mir eigentlich gar nicht erwartete, dass er zur Sprache
kommt, aber wie schon gesagt, ich nahm dies mit Freude zur Kenntnis. Zweifellos
kam auch schon mal eine Meldung, die nicht zu 100% richtig war, aber das war dann
meistens auch schon die Ausnahme. Jedenfalls nahm die Stunde ihren Lauf und so
präsentierte sich jede Gruppe, bis schlussendlich alle dran waren.
Als dies erledigt war, trat wieder ich in Erscheinung. Mein zweiter vorbereiteter Zettel
(„Physikalische Ungereimtheiten in Armageddon“) wurde ausgeteilt und anhand
dieses Zettels versuchte ich mit der Klasse gemeinsam, die meines Erachtens
gröbsten physikalischen Schnitzer aufzuarbeiten. Damit wollte ich erreichen, dass ein
gewisses Grundgerüst der Thematik für alle SchülerInnen aufgestellt werden sollte,
auf das jeder selbstständig je nach Lust und Interesse weiter aufbauen könnte.
Anders ausgedrückt: Meine vorbereiteten Argumente sollten den sogenannten
Kernstoff dieser beiden Unterrichtseinheiten repräsentieren.
Wiederum entpuppte sich das Ganze sehr bald als Diskussion, nur diesmal nicht
gruppen-, sondern klassenintern. Deshalb dauerte dieser Abschnitt der Stunde etwas
länger als eigentlich geplant, aber dafür hatte ich wieder ein paar Minuten als
„Reserve“ offen gelassen.
Punkt für Punkt auf meinem Zettel wurde nun von mir angesprochen und behandelt.
Bei der eingebauten Rechnung versuchte ich zuerst, die SchülerInnen selbst die
Lösung erstellen zu lassen. Zwar gab ich immer wieder nach und nach Hinweise zur
Lösung derselbigen, aber die meisten der Anwesenden hatten die Situation ohnehin
im Griff. Nach ein paar Minuten der „Probierphase“ rechnete ich sie trotzdem Schritt
für Schritt an der Tafel vor für den Fall, dass jemand noch immer keine Ahnung
hatte, wie man auf eine Lösung der gestellten Problematik kommen könnte.
Als nächstes wurden die noch offenen Punkte des Zettels angesprochen und analog
zur Situation vor der Rechnung diskutiert. Leider verging die Zeit in dieser Stunde
subjektiv betrachtet sehr schnell, so dass für den zweiten Videoausschnitt, den ich
vorbereitet hatte, keine allzu große Zeitspanne in Anspruch genommen werden
konnte. Trotzdem erklärte ich den SchülerInnen nach Beendigung der „Error
Analysis“ über die am Vortag gezeigte Sequenz, dass ich zum Abschluss der Stunde
eine weitere Passage von Armageddon herzeigen möchte. Außerdem verwies ich
darauf, dass es leider nicht mehr möglich wäre, diesen Ausschnitt gründlich zu
analysieren, da die Zeit schon zu knapp wäre.
Nichtsdestotrotz legte ich erneut die Videokassette ein und die SchülerInnen sahen
den achtminütigen Ausschnitt von der Explosion der MIR bis hin zur Landung der
beiden Shuttles auf Dotty. Anschließend versuchte ich gemeinsam mit der Klasse in
den letzten zwei oder drei Minuten, die gröbsten Schnitzer aus dieser Sequenz
herauszufiltern. Im Prinzip war dies aber nicht mehr als eine „Fehlersuche“ ohne
Verbesserungsvorschläge. Man könnte auch sagen, dass die letzten Minuten meiner
beiden Stunden leider nur noch quantitativ behandelt werden konnten. Jedoch
verwies ich die gesamte anwesende Schülerschar darauf, dass sie sich ja auch selbst
weiterhin mit der Thematik beschäftigen könnte. Ich erwähnte noch kurz, dass
zufällig zwei Tage später der Spielfilm in voller Länge auf einem
Satellitenfernsehprogramm ausgestrahlt werden würde. Hier könnte sich dann jeder
ausgiebig und selbstständig mit der in meinem Unterricht angerissenen Problematik
beschäftigen.
Die letzte Aktivität, die ich in dieser Stunde noch vollbrachte, war das Austeilen eines
letzten Zettels, der dafür dienen sollte, mir ein Feedback von SchülerInnenseite über
meine beiden Unterrichtsstunden zu geben. Dabei hatte ich zwölf vorbereitete
Fragen, die zum Teil nur anzukreuzen waren. Aber es wurden durchaus auch
Formulierungen inbegriffen, die zu begründen waren. Das Resultat dieses Feedbacks
werde ich im nächsten Kapitel preisgeben, jedoch liste ich hier noch den von mir
aufgestellten Fragebogen („Abschließende Fragen zu Armageddon“) auf:
Abschließende Fragen zu „Armageddon“:
1. Wie findest du es, Kinofilme in den Unterricht zu integrieren?
□ sehr gut □ eher gut □ eher schlecht □ sehr schlecht
2. Glaubst du, man sollte diese Art des Unterrichtens öfter veranstalten?
□ auf alle Fälle □ ab und zu schon □ nicht zu oft □ auf keinen Fall
3. Wie beurteilst du die Lernkapazität der letzten beiden Stunden?
□ sehr hoch □ hoch □ mäßig □ kaum vorhanden
4. Mir persönlich hat die Arbeit mit Armageddon sehr gut gefallen.
□ auf alle Fälle □ eher schon □ eher weniger □ überhaupt nicht
Warum?
5. Über Raumfahrt, Raketen und Raumstationen hatte ich schon ... Vorwissen.
□ sehr viel □ einiges □ etwas □ kein
6. Subjektiv betrachtet habe ich ... gelernt in den beiden vorangegangenen
Stunden.
□ sehr viel □ einiges □ ein bisschen □ nichts
7. Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass es öfter zu einem
videounterstützten Unterricht in Physik kommt.
□ auf alle Fälle □ ab und zu schon □ nicht zu oft □ auf keinen Fall
8. Hast du dich gerne mit diesem Thema beschäftigt?
□ auf alle Fälle □ eher schon □ eher weniger □ auf keinen Fall
Warum?
9. Am besten gefallen in den letzten beiden Stunden hat mir...
10. Am wenigsten gefallen in den letzten beiden Stunden hat mir...
11. Ich beurteile die beiden letzten Unterrichtssequenzen als:
□ sehr gut □ eher gut □ eher schlecht □ sehr schlecht
Warum?
12. Ich beurteile den Lehrenden der letzten beiden Stunden mit:
□ sehr gut □ eher gut □ eher schlecht □ sehr schlecht
Warum?
26. Nachbetrachtung und Feedback
In diesem Abschnitt meiner Arbeit möchte ich gerne ein paar Gedanken dazu äußern,
was ich persönlich von den beiden von mir gehaltenen Stunden denke. Anschließend
werde ich dasselbe Prozedere aus SchülerInnensicht aufs Neue präsentieren, denn
dafür war ja der obige Fragebogen gedacht.
Wie schon weiter oben erwähnt, finde ich einen videounterstützten Unterricht auf alle
Fälle mal „anders“. Damit sollte aber noch keine Wertigkeit festgelegt werden,
sondern lediglich darauf verwiesen werden, dass in meinen beiden gehaltenen
Stunden der Themenschwerpunkt über eine nicht „prototypische“ Zutrittsart erreicht
wurde. Schließlich gehört ein Einstieg in ein Thema mittels eines Videos mitnichten
zum Standardrepertoire eines Pädagogen bzw. einer Pädagogin. Und da in Zeiten
eines Cyberspace virtuelle Welten fast schon zum Alltag für Teenager gehören und
ein Hollywoodfilm streng genommen auch nichts anderes als eine künstliche Welt ist,
fanden die SchülerInnen sehr schnell eine Identifikation mit der Thematik und dem
daraus resultierenden Unterricht. Aus diesem Grunde finde ich den Einsatz eines
Videos in meinem Unterricht als durchaus gelungen.
Einen weiteren Grund für eine Befürwortung eines Einsatzes von Hollywoodfilmen im
Unterricht findet man in dem Aspekt, dass es genug Filme gibt, die für eine jeweilige
Altersgruppe geeignet sind. In meinem Fall war das eben die sechste Klasse oder
anders ausgedrückt, die ungefähr Sechzehn- bis Siebzehnjährigen. Nun ist es so,
dass es speziell unter den Burschen dieser Altersgruppe ein enormes Interesse für
Technik und allem was dazu gehört, gibt. Und was gibt es Schöneres für einen
Lehrer oder eine Lehrerin, als Interesse und die oben besprochene Identifikation mit
der Thematik zu vereinen? Bleibt noch die Frage offen, was mit den nicht so
technisch versierten und interessierten Mädchen während dieser Stunden passiert?
Einerseits lässt sich das Problem noch weiter vertiefen, indem man argumentieren
kann, dass Mädchen von Haus aus ein nicht so großes Interesse für Physik an den
Tag bringen (abgesehen natürlich von Ausnahmen). Dies ist so zu akzeptieren, aber
nicht Gegenstand meiner Arbeit. Im anderen Fall könnte man sich sicherlich auch mal
bemühen, die eine oder andere Stunde nach dem Geschmack von den Mädchen zu
halten. Zweifellos lassen sich Themen und vor allem auch Möglichkeiten finden, mit
denen man dann vorwiegend diesen Part der Klasse erreichen kann. Und, ehrlich
gesagt, dass man mit seinem Unterricht stets 100 Prozent der SchülerInnen
erreichen und zufrieden stellen kann, grenzt ohnehin an eine Utopie.
Um nicht weiterhin mit psychologischen Betrachtungen aufzukreuzen, seien wieder
meine beiden Unterrichtstunden das Hauptaugenmerk der anstehenden
Ausführungen. Nachdem ich in der ersten Stunde die vorbereitete Sequenz
hergezeigt hatte und anschließend den Zettel für die Gruppenarbeit austeilte, war ich
bei einigen SchülerInnen schon ein wenig überrascht, mit welcher Vehemenz
gruppenintern versucht wurde, die von mir gestellten Fragen zu beantworten. Das
Fazit daraus war, dass die eine oder andere Gruppe später bei der Präsentation mit
Argumenten aufkreuzte, die physikalisch betrachtet sehr tiefgründig waren und mit
denen ich deswegen auch nicht unbedingt gerechnet hätte. Beispielsweise wurde in
einer Dreiergruppe bereits vollständig und auch richtig begründet, warum die auf der
MIR eingeleitete Schwerkraftsimulation unter keinen Umständen erfolgreich sein
kann. In meinen Augen ist dies aber nur ein Indikator dafür, dass die Stunde
„interessant“ gestaltet war. Andere Gruppen wiederum kreuzten mit sehr detaillierten
Antworten auf, so dass am Ende das volle Spektrum an Ausarbeitungsmöglichkeiten
erreicht wurde.
Wie sah die Situation in meiner zweiten Unterrichtsstunde aus? Da ich ja hier die für
mich gröbsten physikalischen Schnitzer aufzulisten und zu erklären versuchte, wusste
ich zuerst nicht so recht, mit wie viel Resonanz aus dem Publikum, sprich den
SchülerInnen, ich rechnen konnte. Schon allein an der Tatsache, dass ich für diesen
Part deutlich mehr Zeit als eigentlich geplant in Anspruch nehmen musste, zeigt,
dass es wiederum zu einer sehr regen Diskussion gekommen ist, die sich durchaus
auch wieder an gewissen Punkten als (physikalisch betrachtet) tiefgründig
entpuppte.
Am Ende der zweiten Stunde verließ ich die Klasse mit einem Gefühl, den
SchülerInnen etwas gegeben zu haben, was sie aufgrund der Neuheit, oder vielleicht
auch aus anderen Gründen, gerne angenommen haben. Zu diesem Zeitpunkt konnte
ich mir außerdem durchaus vorstellen, dass ein Großteil der Klasse bereit wäre,
dasselbe Prozedere zu wiederholen – mit anderen Filmen natürlich.
Um nicht die ganze Zeit auf meinen Gefühlen herumzureiten, hatte ich am
Stundenende den Zettel „Abschließende Fragen zu Armageddon“ ausgeteilt. Durch
die Auswertung der Meinungen von SchülerInnenseite konnte ich nun vergleichen, ob
meine Ansichten mit jenen der Sechzehn- und Siebzehnjährigen kompatibel
erscheinen würden. Wirft man im Folgenden einen Blick auf die Resultate der
SchülerInnen, wie sie es fanden, mit Armageddon zu arbeiten, so ergibt sich
folgende Auswertung.
Bis auf eine einzige Ausnahme wurde die Frage „Wie findest du es, Kinofilme in den
Unterricht zu integrieren?“ durch die Bank mit sehr gut beantwortet. Ebenfalls
glaubten fast alle, dass man diese Art des Unterrichtens öfter veranstalten sollte. Auf
die Frage drei: „Wie beurteilst du die Lernkapazität der letzten beiden Stunden?“
wurde mit großer Mehrheit das Kästchen für hoch angekreuzt. Auf alle Fälle erschien
mehr als 70% der SchülerInnen als die am ehesten geeignetste Antwort für die
vierte Frage, die über das persönliche Gefallen der Arbeit mit Armageddon Auskunft
geben sollte. Interessant an dieser Tatsache waren zum Teil die Begründungen
dafür, von denen ich eine wörtlich wiedergebe: „Man hat sich selbst überlegt, was
Physik ist. Es einem einfach nur zu sagen, geht in einem Ohr rein, am anderen raus.
Außerdem ist man durch einen Film oder auch durch Experimente viel motivierter,
etwas zu lernen.“ Dieser Aussage möchte ich nichts mehr hinzufügen, sondern sie
einfach im Raum stehen lassen, da sie meines Erachtens nicht treffender formuliert
werden könnte. Abschließend zu dieser Frage vielleicht noch ein weiterer
Kommentar, der von SchülerInnenseite dazu auftauchte: „Man sieht, das Hollywood
nicht perfekt ist.“ Auch dieses Statement spricht für sich und bedarf wohl keiner
genaueren Erläuterung, da auch hier voll ins Schwarze getroffen wurde.
Die Frage nach dem Vorwissen sollte eigentlich nur dazu dienen, mir
Gliederungsmerkmale zu bieten. Mit null Ahnung würde es nun mal schwer möglich
sein, mit dieser Art des Unterrichtens ein „perfektes“ Endresultat zu erlangen.
Unterm Strich trafen sich hier die meisten Antworten aber ohnehin in der Mitte, also
zwischen einigem beziehungsweise etwas Vorwissen, so dass ich mir diese
Formulierung eigentlich hätte sparen können. Punkt sechs, der wieder wesentlich
interessanter für mich erschien, wurde so bewertet, dass die meisten SchülerInnen
meinten, dass sie subjektiv einiges gelernt hätten. Aufs Neue war auf alle Fälle das
Gros der Antworten bei Frage Nummer sieben, die von der persönlichen Vorstellung
über einen öfter auftretenden videounterstützten Physikunterricht in Zukunft
handelte. „Hast du dich gerne mit diesem Thema beschäftigt?“ wurde abermals von
den meisten bei dem Kästchen für auf alle Fälle ein Kreuz gesetzt. Jemand, der das
auch so sah, fügte noch an: „Da ich den Film nicht mochte, konnte ich mich bei den
Negativaspekten so richtig austoben.“ Das ist eigentlich ein Punkt, der zunächst
etwas verwunderlich erscheint. Man mochte einen Film nicht, trotzdem war auf alle
Fälle eine Bereitschaft vorhanden, sich damit auseinanderzusetzen. Aber sich mal so
richtig austoben zu können, hat eben auch seine Reize.
Man möchte meinen, es ist unschwer zu erraten, was den SchülerInnen in den
beiden Stunden über Armageddon am meisten gefallen hat. Schließlich nimmt man
an, dass „Videoschauen“ mit Abstand an vorderster Front erscheinen sollte. Das ist
durchaus nicht falsch, jedoch folgten gleich zwei weitere Aspekte: Die Fehleranalyse
des Streifens, aber auch die Diskussionen über die darin (nicht) vorkommende Physik
wurden mehrmals gutgeheißen. Jedoch wird man gleich einen Volltreffer landen
können, wenn man zu erraten versucht, was den SchülerInnen am wenigsten
gefallen hat in meinen beiden Stunden. Obwohl ich ohnehin nur eine einzige
Rechnung in zwei Unterrichtsstunden verpackt hatte, war dies ein gefundenes
Fressen für die Unbeliebtheitsskala. Aber im Grunde genommen lege ich mit dieser
Tatsache keine neuen Thesen frei. Dass alles, was mit Mathematik zu tun hat, in der
Physik von vielen SchülerInnen verabscheut wird, ist doch gang und gebe.
Als Gesamtpaket wurden die beiden Unterrichtssequenzen vom Großteil als sehr gut
empfunden, eine etwas kleinere Anzahl meinte, eher gut sei zutreffender.
Begründungen dafür handelten meist von Abwechslung, guter Vorbereitung und
einer außernatürlichen Unterrichtsform; aber auch die entspannte Lernsituation ist
einem Schüler oder einer Schülerin nicht verborgen geblieben.
In der abschließenden Frage sollte ich meine persönliche Kritik erhalten, damit ich
etwas Handfestes von SchülerInnenseite vorweisen kann. Als Resultat steht zu
Buche, dass ich eher gut agierte. Auch das Prädikat sehr gut wurde mir verliehen,
jedoch nicht ganz so häufig wie eher gut. Der Tenor bei dieser Frage bestand darin,
dass die Themenwahl, aber auch die Idee, wie dieses Thema aufbereitet war, gerne
angenommen wurde. Auch ein gewisses Engagement für mein Vorhaben wurde
seitens der SchülerInnen an mir entdeckt, obgleich ich es für den einen oder anderen
verabsäumte, noch mehr Motivation rüberzubringen.
In jedem Fall fühle ich mich nicht zuletzt aufgrund des Feedbacks von
SchülerInnenseite bestärkt, diese Unterrichtsweise auch in meinem späteren Beruf
als Lehrer erneut einzusetzen, da ein übergeordnetes Gesamtresümee durchaus
positiv ausfällt. Und da die Teenager diese Unterrichtsart gerne angenommen und
gezeigt haben, dass sie stets offen für etwas Neues sind, steht einem zukünftigen
„guten“, interessanten und abwechslungsreichen Physikunterricht nichts mehr im
Wege.
V. Didaktische Aspekte
„Start Using ‘Hollywood Physics’ in Your Classroom!“ Diese Aufforderung entspringt
keinesfalls meiner Fantasie, sondern wurde von angesehenen, wohlbekannten und
renommierten Fachleuten in die Wege geleitet. So entstammt obige Phrase
beispielsweise als Überschrift eines Artikels im „Physics Teacher“ von Chandler M.
Dennis Jr., der sich in den letzten Jahren eingehend mit der Thematik beschäftigte
[5]. Die Resultate und Erfahrungen seinerseits wurden sogar als Buch publik
gemacht [4].
Bevor ich aber genauere Betrachtungen zur von Chandler M. Dennis geäußerten
Sachlage auflisten möchte, sollte zunächst erläutert werden, wer denn dieser Herr
eigentlich ist. Am Anfang seiner akademischen Laufbahn begann er als Forscher auf
dem Gebiet von Nuklearenergie als auch im Bereich der „Newton’schen Kühlung“.
Später konzentrierte er sich dann vorwiegend auf die Fachdidaktik der Physik. Jedoch
behandelte er seine Ideen nicht nur theoretisch, sondern fungierte auch als Lehrer
an der Columbia High School in Maplewood im US-Bundesstaat New Jersey. Da er
dieses Amt 30 Jahre lang ausübte, kann man durchaus behaupten, dass er ein echter
Fachmann auf seinem Gebiet ist. Nicht umsonst werden seine Erfahrungen und
Ideen vielerorts sehr geschätzt.
Als zweite Hauptinspiration für meine didaktische Betrachtung dient „Physical
Science – A revitalization of the traditional course by avators of Hollywood in the
physics classroom“. Da den meisten Lesern dies aber vollkommen unbekannt
erscheinen wird, werde ich auch hier zuallererst ein wenig darüber erzählen, worum
es hierbei eigentlich geht. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es alljährlich
zwei Meetings, die sich mit Kurzvorträgen von etwa einer Viertelstunde pro Rede
beschäftigen, wobei sich die Themenschwerpunkte stets an der Physik orientieren.
Da jedoch alle möglichen Bereiche der Physik zum Zug kommen, handelt der eine
oder andere Beitrag von physikalischer Fachdidaktik. Der oben genannte Titel zum
Beispiel befasst sich mit solch einem Artikel, der im März 2003 behandelt wurde.
Ralph Llewellyn, der der Referent dieses Artikels war, erklärte sich via Email bereit,
dass ich die schriftlich ausgearbeitete Version dazu, welche von ihm und seinem
Kollegen Costas Efthimiou erstellt wurde, downloaden dürfe [21]. (Ein Jahr später
beschrieb Costas Efthimiou die Situation erneut aufgrund seiner eigenen
Erfahrungen. Seine Betrachtungsweise findet man in dem Artikel [22] und sie ist erst
im April dieses Jahres verfasst worden.)
Der Vortrag von Ralph Llewellyn beschäftigte sich mit der Art und Weise, wie Physik
in Form von Kinofilmen an das Volk „verscherbelt“ wird. „Verscherbelt“ passt hier
deshalb ziemlich gut, da von den Produzenten großteils nur versucht wird, das große
Geld zu scheffeln und nicht, eine wissenschaftlich gesicherte und korrekte Physik zu
vermitteln. Als Resultat steht dann zu Buche, dass sehr viele Amerikaner nicht
zwischen Wissenschaft und einer von Ralph Llewellyn benannten
„Pseudowissenschaft“ unterscheiden können. Und das, obwohl 90% der
ausgewerteten Personen zu Protokoll gaben, dass sie sich für Wissenschaft
interessieren und mehr finanzielle Unterstützung für Forschung seitens der Regierung
erwarten würden. Dabei sind diese Tatsachen keinesfalls frei erfunden, sondern es
gibt Studien darüber, die sich mit genau diesen angesprochenen Themen
beschäftigten.
Weiters wird in diesem Artikel erwähnt, dass beispielsweise unglaubliche 50% der
Befragten, die angaben, sich für Wissenschaft zu interessieren, keine Ahnung davon
hätten, dass die Erde innerhalb einer Zeitspanne von einem Jahr die Sonne umkreist.
Außerdem hätten viele derselben Personen keine Ahnung davon, dass Atome größer
wären als Elektronen. Oder noch schlimmer: Ein Großteil derselben Befragten hatte
keine Ahnung davon, dass die ersten Menschen NICHT zur gleichen Zeit lebten wie
die Dinosaurier! Und diese Leute meinen, dass sie sich für Wissenschaft in all ihrer
Bandbreite interessieren und sogar von der Regierung mehr Geld dafür fordern. Die
Ursache für dieses Nichtwissen von ganz trivialen Aspekten kann jedoch nicht so
einfach gefunden werden, da anscheinend sehr viele Faktoren Einfluss darauf haben.
Die Filmindustrie hingegen versucht, sich gerade dies zu Nutze zu machen. Je
spektakulärer ein Leinwandstreifen ist, umso häufiger wird er angesehen und
niemand fragt nach, was eigentlich dahintersteckt: Wissenschaft oder doch reine
Fiktion?
Es ist also höchste Zeit, diesem Mangel an Selbsterkenntnis ein wenig auf die
Sprünge zu helfen. Da im Prinzip beide von mir zu Rate gezogenen Artikel dasselbe
Ziel haben, werde ich zunächst den einen, anschließend den zweiten, zumindest auf
dem Papier, durchexerzieren. Sowohl Chandler M. Dennis als auch Ralph Llewellyn
behandeln praktische Beispiele, wie man in der Schule anhand von Kinofilmen lernen
kann, pure Fiktion von wissenschaftlichem zu Input trennen. Auch die theoretische
Version dazu kommt in beiden Beiträgen keinesfalls zu kurz. Und gerade darauf
werde ich mich in den nächsten Paragraphen hauptsächlich spezialisieren.
27. „Start Using ‚Hollywood Physics’ in Your Classroom!“
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Sichtweise zum Lernprozess zur Trennung von
Wissenschaft und Pseudowissenschaft. Ausgangspunkt ist Chandler M. Dennis Jr. Er
schreibt in einem seiner ersten Absätze, dass Kinder und Jugendliche am meisten
Informationsinput aufzunehmen imstande sind, wenn der Lernstoff vor allem visuell
ansprechend gestaltet ist. Dabei entspricht diese Tatsache keinem „angelernten“
Prozess, sondern ist von Zeit zu Zeit instinktiv bei jedem Individuum mitentwickelt
worden. Als Beispiele werden wiederum die bereits von mir in meinen vorherigen
Betrachtungen andiskutierten „typischen Beschäftigungen“ für Kinder und
Jugendliche angesehen; also Fernsehen, Computerspielen, usf. Weiters meint der
Autor, dass auch bei Büchern derselbe Effekt zutrifft: Alle Bestseller haben
durchwegs färbige Bilder und Zeichnungen auf fast jeder Seite auffindbar. Auf
PhysiklehrerInnen übertragen soll das nun bedeuten, dass ihre normalerweise stark
ausgeprägte verbale Unterrichtsform, die zweifellos auch sehr wichtig ist, trotzdem
auf alle Fälle visuell unterstützt gehört. Relevante und vor allem auch interessante
Hilfsmittel dafür wären Hollywood-Filme in all ihrer Faszination.
Wie sollen diese im Unterricht einsetzbaren Filmsequenzen aussehen? Im Grunde
genommen gibt es kaum eine Sparte von Filmen, aus der keine wissenschaftliche
Analyse abgeleitet werden kann. Jedoch werden zwei wichtige Punkte angeführt, die
unter allen Umständen erfüllt sein sollten und an die auch ich mich in meinen beiden
Unterrichtsstunden zu halten versuchte:
• Der Filmausschnitt sollte dem Seher realitätsnah erscheinen, damit er sich mit
dem Thema leichter identifizieren kann. Besser noch: Die ausgewählten
Passagen sollten nach Möglichkeit mit den eigenen Erfahrungen der Seher
korrelieren, um auch die Bedeutsamkeit des Themas zu unterstreichen.
• Die gezeigten Segmente sollten kurz und prägnant sein. Sieben bis acht
Minuten würden dafür vollkommen ausreichen.
Auch auf Dokumentationen wird kurz eingegangen. Sie sind jene Gattung von
visuellen Informationsstützen, die im „normalen“ und alltäglichen Physikunterricht
noch am ehesten Verwendung findet. Das Problem hierbei besteht jedoch darin, dass
das Video zumeist hergezeigt wird und anschließend alles trotzdem sehr
lehrerzentriert abläuft. Der Instruktor bzw. die Instruktorin fasst zusammen, was
eben gesehen worden ist und legt im einen oder anderen Fall auch noch fest, was
der Kernbereich des Segmentes ist, aber das war es dann auch schon. Durch den
Einsatz von Hollywood-Produktionen hingegen lässt sich viel leichter ein
schülerbezogener Unterricht aufbauen.
Der wichtigste Grund, der für den Einsatz von Hollywood-Filmen im Unterricht
spricht, spiegelt sich in der Tatsache wieder, dass damit ein enorm hohes Interesse
seitens der SchülerInnen erzeugt werden kann. Betreibt man Ursachenforschung,
warum das so ist, dann treten vor allem zwei Aspekte auf. Erstens finden sich die
SchülerInnen dadurch auf einem „familiären“ Milieu wieder oder wie es Chandler M.
Dennis formuliert: „Movies generally become part of pop culture“. Zweitens
bekommen die Jugendlichen ein Gefühl dafür, dass der in Physik gelernte Stoff
durchaus etwas zu tun haben könnte mit dem „Stoff“ auf dem Fernsehmonitor, der
dadurch realer und wirklichkeitsbezogener erscheinen würde. Er, der Autor dieses
Artikels, meint weiters, hat selbst herausgefunden, dass „traditioneller“ Unterricht in
Kombination mit gut ausgewählten Videopassagen (diese werde später noch genauer
aufgelistet) die Visualisierung von wichtigen physikalischen Konzepten fördert.
Weiters wird noch behandelt, dass es mit herkömmlichen Unterrichtsmethoden, mit
der von Chandler M. Dennis sogenannten „Pädagogik der Vergangenheit“, sehr
schwer fiele, aus nicht so guten SchülerInnen sehr wohl gute zu machen. Dies
versucht er an einem Abstecher zur Mathematik klarzumachen: Wie Untersuchungen
zeigten, bringt ein traditioneller Physikunterricht mit stark involvierter Mathematik
schwächere „SchülerInnen“ nicht entscheidend weiter. Man kommt schwach in
Mathematik in den Klassenraum rein und man geht auch schwach wieder raus.
Befindet man sich jedoch in einer Klasse, die darauf bedacht ist, physikalische
Konzepte auf die oben besprochene Art und Weise dem Auditorium zu vermitteln,
eine Methode also, die nicht als „traditionell“ betrachtet werden kann, tritt ein kaum
zu glaubender Effekt ein. Nun ist es tatsächlich möglich, aus einem in Mathematik
schwachen Schüler oder aus einer schwachen Schülerin „kluge Köpfe“ zu gewinnen.
Zusammengefasst heißt das also, dass durch die visuellen Eindrücke SchülerInnen
selbstständig befähigt werden, physikalische Konzepte zu erstellen und mit ihnen zu
operieren. Und gerade durch das Lernen vom Erstellen von Konzepten wird die
Sachlage auch wieder auf den mathematisch orientierten Physikunterricht
übertragbar. Mit einem Schlag haben die SchülerInnen es selbst in der Hand, ihre
Schwachpunkte auszumerzen.
Im nächsten Absatz beschreibt Chandler M. Dennis die Kriterien, wonach man als
PhysiklehrerIn trachten sollte, um geeignete Videosegmente herauszufiltern, die
dann tatsächlich in den Unterricht integriert werden könnten. Das Ergebnis beinhaltet
fünf Punkte:
1) Es sollten Szenen verwendet werden, bei der der Regisseur des Films Mutter
Natur vertraut und damit den physikalischen Gesetzen genügend Spielraum
bietet. Aber Vorsicht ist geboten: Schließlich sollten Zeitlupenausschnitte
tunlichst vermieden werden. Nur, wenn man einen Teil des Movies in
„Echtzeit“ wahrnehmen kann, werden physikalische Gesetze anwendbar.
2) Ausschnitte mit Berechnungen und Messungen im Film sollten unbedingt
einbezogen werden. Dabei reicht es zum Beispiel schon, wenn auf dem
Bildschirm digitale Zahlendaten (Uhren) erscheinen. Aber hier kann man auch
den umgekehrten Weg gehen: Man lässt die SchülerInnen die Zeitspanne
messen, die ein Auto auf dem Bildschirm von A nach B braucht oder wie lange
es dauert, dass das Auto mittels einer Vollbremsung zum Stillstand gebracht
wird und schon hat man sich in eine tolle Position gebracht, um mit
Geschwindigkeit und Beschleunigung zu arbeiten. In diesem Fall hätte man
sogar alles bisher Gehörte und Gelesene in eine einzige Unterrichtsstunde
verpackt! Verbaler, visueller, praktischer und theoretischer Unterricht könnte
nun in einer Lerneinheit abgehalten werden.
3) Gute und geeignete Passagen lassen sich in allen verschiedenen Kategorien
von Filmen finden. Das einzige Genre, das bis jetzt ab und zu in den
Klassenräumen Verwendung fand, wären Science-Fiction-Filme. Und hier
wurde großteils auch nur darüber gelästert, was den Produzenten alles an
physikalischem Nonsens widerfahren ist. Wenn man seinen Horizont jedoch
auch nur ein wenig zu erweitern versucht, dann wird man draufkommen, dass
in „guten“ Filmpassagen fast immer nur „gute“ Physik vorkommt. Analog
findet man „schlechte“ Physik vorwiegend in „schlechten“ Ausschnitten. Doch
diese „guten“ und „schlechten“ Szenen lassen sich in allen möglichen Typen
von Leinwandproduktionen finden, nicht nur in Science-Fiction-Movies.
4) Unbedingt ältere Filme vermeiden und nur aktuelle oder höchstens ein paar
Jahre alte Filme verwenden. Schauspieler, die SchülerInnen nicht kennen,
werden auch nicht angenommen. Aktuelle Akteure, die vielleicht außerdem
noch als Vorbilder und Idole angesehen werden, sind hingegen total „cool“
und sprechen somit Kinder und Jugendliche an.
5) Die Sequenzen sollten längstens zehn Minuten dauern, können aber durchaus
auch kürzer gewählt werden. Es erscheint schon klar, dass ein 90 Minuten
dauernder Film nicht in voller Länge angesehen werden kann, denn es würde
der Rahmen der vorhandenen Zeit gesprengt werden. Ein weiterer Grund liegt
darin, dass man sich durch zu langes Video-Sehen eigentlich wieder immer
mehr von der Thematik wegbewegt als wenn man kurze und prägnante
Szenen auswählt.
Wenn man diese fünf Punkte auf meinen Unterricht über Armageddon anwendet, so
wird man feststellen müssen, dass ich mich bemüht habe, mich an diese Vorgaben
zu halten. In dem in der Schulklasse gezeigten Ausschnitt aus Armageddon kam
keine Zeitlupensequenz vor und Mutter Natur bekam genügend Spielraum.
Berechnungen waren am Beispiel der rotierenden MIR involviert und der Film ist erst
ein paar Jahre alt. Harry Stamper alias Bruce Willis ist ein Schauspieler, der den
meisten als Actionheld ein Begriff ist und somit kennt ihn normalerweise auch jeder.
Viele finden sogar, dass er der beste Leinwand-Akteur ist, den es gibt. Der einzige
Punkt, den ich nicht ganz erfüllen konnte, war die Länge des Ausschnittes. Bei mir
waren es zwölf Minuten und nicht die vorgegebenen zehn Minuten Obergrenze. Das
ist aber leicht erklärt, schließlich kann es nicht förderlich sein, mitten in einer
Handlung das Fernsehgerät abzudrehen, weil die Zeit vorüber ist. Also musste ich
mich damit zufrieden geben, zumindest noch in der „Toleranzgrenze“ gewesen zu
sein.
Abschließend in dem Artikel lässt uns Chandler M. Dennis erfahren, dass es viele
verschiedene Möglichkeiten geben würde, einen videounterstützten Unterricht zu
fabrizieren. Dabei listet er als allererstes den Fall auf, bei dem Physik in der ersten
Stunde des Tages aufscheint. Wenn die SchülerInnen mehr oder weniger müde in
der Schule eintreffen, könnte mit einem Start mittels eines Filmsegments die immer
wieder auftretende Teilnahmslosigkeit zu Beginn des schulischen Alltages
hervorragend überbrückt werden. Einzige Bedingung an das Lehrpersonal: Nach dem
Videoeinstieg sollte es gut durchdacht in Form von vorbereiteten Fragen auf einer
Overheadfolie oder einem Handout weitergehen, damit der Unterricht auch bis zum
Ende der Stunde interessant bleibt.
Eine weitere Möglichkeit findet er in der Tatsache, dass es auch ein leichtes wäre,
einen praktischen Gruppenunterricht auf die Beine zu stellen. Bremszeiten,
Bremswege, Zeitspannen zwischen zwei Ereignissen auf dem Fernsehmonitor und
vieles mehr kann ganz toll in einer Gruppe abgehandelt werden, wenn jeder einen
eigenen Part zum Messen und Auswerten bekommt. Zum Abschluss, wenn dann alle
Daten ausgewertet und wieder zusammengeführt werden, kann man feststellen, dass
im Prinzip eine Art von wissenschaftlicher Arbeitsweise angewendet worden ist.
Speziell für „gute“ SchülerInnen gibt es auch eine eigene Methode, aus dieser
Unterrichtsweise einen Profit zu erzielen. Dabei findet er die Erklärung wieder am
Beispiel der Mathematik am einleuchtendsten: Filmausschnitte sollten wiederum in
Gruppen angesehen werden, wobei der Lehrer bzw. die Lehrerin danach trachten
sollte, dass in jeder Gruppe eine Person enthalten ist, die sehr gute mathematische
und technische Fähigkeiten besitzt. Nach Ansehen der vorbereiteten Passage hätte
diese Person dann die Aufgabe, den anderen Gruppenmitgliedern das Wesentliche zu
erläutern. Dies ist eigentlich das sogenannte „Peer-group-teaching“, das den meisten
Lesern sehr wohl ein Begriff sein sollte. Als LehrerIn hätte man in diesem Fall
großteils eine leitende und keine lehrende Funktion in der Klasse zu übernehmen.
Die Methode, physikalische Ungereimtheiten aufzubereiten, wie auch ich es in
meinen beiden Unterrichtsstunden ausprobieren durfte, findet bei Chandler M.
Dennis ebenfalls Erwähnung. Er meint, dass man fehlerbehaftete Physik den
SchülerInnen klar machen kann, indem man konkrete Fragen zur gewählten
Thematik wählt. Als Beispiel wählt er folgende Situation. Im Hollywood-Streifen
„Waterworld“ ist alles irdische Polareis bereits zerschmolzen. Wenn man die
SchülerInnen fragt, ob es möglich wäre, dass damit der gesamte Globus 500 Meter
unter Wasser stehen würde, dann müssten diese Abschätzungen und Berechnungen,
aber auch bereits in früheren Zeiten Gelerntes zu Hilfe ziehen. Durch solch einen
konstruktiven Unterricht wird man aber angeregt, Filmszenen grundsätzlich etwas
kritischer zu hinterfragen. Außerdem hätte man sich mit der Physik „als Ganzem“
beschäftigt, da ja wie schon gesagt, auch bereits Gelerntes zu Rate gezogen werden
muss, das zwar nicht unmittelbar mit der Filmszene zusammenhängt, aber trotzdem
als Teil des großen physikalischen Spektrums angesehen werden kann.
Last but not least führt Chandler M. Dennis auch noch an, dass Videosehen eine sehr
geeignete Methode wäre, um vor einem Test oder einer Prüfung den Stoff noch
einmal Revue passieren zu lassen. Hier würde sich ein geeigneter Filmausschnitt
hervorragend eignen, da jede/r SchülerIn Anteil daran nehmen kann an dieser
Wiederholung.
Somit wäre es das gewesen mit der Betrachtungsweise aus der Sicht eines sehr
renommierten Fachmannes auf diesem Gebiet, Chandler M. Dennis Jr. Als nächsten
Programmpunkt kann man sich ansehen, was Ralph Llewellyn alles eruiert hat zu
diesem Thema.
28. „Physical Science“
Wie schon eingangs kurz angerissen, beschäftigt sich dieser Artikel zum Großteil mit
dem Zwiespalt Wissenschaft/Pseudowissenschaft. Die Gründe, warum ein großer Teil
der Bevölkerung nicht zwischen den beiden gegebenen Begriffen unterscheiden
kann, sind nicht so klar zu finden, wie man es gerne hätte. Da spielen soziale
Gegebenheiten eine Hauptrolle, genau wie auch wirtschaftliche Aspekte. Diese
eingehender zu erörtern ist zweifellos nicht leicht, außerdem würden sie den Rahmen
einer Diplomarbeit sprengen und auch nicht an diese Stelle hier passen. Fakt ist,
dass man im Endeffekt dort landet, dass alles literarisch erfasst und
niedergeschrieben wird, auch wenn vieles davon totaler Schwachsinn ist.
Geht man nun einen Schritt weiter, dann findet man die Medien, die sowieso alles
aufgreifen und das „große“ Geld zu scheffeln versuchen. Nur leider gibt es immer
wieder eingesessene Leute, die meinen, die Zeitungen seien das Um und Auf – erst
einmal reingeschnuppert auf ein paar Seiten, weicht man nicht mehr davon ab, dass
man alles glauben kann, ja fast schon glauben muss, was da drinnen steht.
Schließlich kann man es doch schwarz auf weiß mit eigenen Augen lesen und die
eigenen Augen werden wohl nicht lügen.
Um dieser prekären Situation Abhilfe zu schaffen, haben Ralph Llewellyn und Costas
Efthimiou ein Projekt entwickelt, mit der der Öffentlichkeit ein besseres
Grundverständnis an physikalischen Konzepten dargeboten werden sollte, um dem
obigen Zwiespalt nach Möglichkeit in Zukunft aus dem Wege gehen zu können. Die
Resultate dieses Projektes, das mit verschieden großen Gruppen
„Nichtwissenschaftlern“ in einem physikalischen Grundkurs an einer Universität in
Florida3 durchgeführt wurde, werden im Folgenden bekannt gegeben. Da die
teilnehmenden Personen gerade noch SchülerInnen, oder gerade schon
StudentInnen waren, werde ich mich im Folgenden darauf beschränken, stets nur
von StudentInnen zu sprechen.
Vorweg aber noch allgemeine Daten zum abgehaltenen Kurs. Dieser ist an der UCF in
der Größenordnung von drei Semesterwochenstunden konzipiert worden und wird
durchschnittlich von insgesamt etwa 3.000 TeilnehmerInnen jährlich besucht. Dazu
gibt es noch eine unabhängige Semesterstunde im Labor, welche in die Betrachtung
und Auswertung allerdings nicht einfließt. Während des akademischen Jahres findet
der Kurs in Gruppen zwischen 300 und 450 StudentInnen statt. Alle Lehrvorträge
finden in multimediabestückten Räumen statt.
Zunächst werden vom Lehrenden die diversen „Herzstücke“ der Physik kurz
angesprochen, wobei sich diese keineswegs nur auf die traditionelle klassische Physik
beschränken, sondern auch auf „modernere“ Themen wie zum Beispiel Relativität,
Quantenmechanik, neuere Astronomie oder Kosmologie zurückgegriffen wird. Nach
dieser kurzen Einleitung des Vortragenden geht es mit wissenschaftlicher „Literatur“
weiter und hier gelangen wir zum entscheidenden Punkt, denn die wissenschaftliche
Literatur wird in diesem Fall von den Videoeinsätzen repräsentiert. Diese Segmente
dauern bei Ralph Llewellyn in völliger Analogie zu Chandler M. Dennis fünf bis
höchstens acht Minuten, werden also auch hier relativ kurz gehalten. Als Basis für
Diskussionen, Abschätzungen, Berechnungen und dergleichen würde dies aber
vollkommen ausreichen. Auch Ralph Llewellyn spricht von einer legeren und lockeren
Atmosphäre, die durch den Videoeinsatz erzeugt wird. Er vergisst aber auch nicht
darauf hinzuweisen, dass die KursteilnehmerInnen es zum Teil sogar genießen, mal
nicht von einem Frontalvortrag zu zehren.
3 University of Central Florida, kurz: UCF
Die Ziele, die in diesem Kurs strikt verfolgt werden, lassen sich in vier Kernbereiche
zusammenfassen:
1) StudentInnen sollten befähigt werden, die wissenschaftlichen Szenen, die im
Film vorkommen, kritisch zu hinterfragen.
2) Die StudentInnen sollten Unterscheidungsmerkmale zwischen einem
physikalischen Gesetz und einer Pseudowissenschaft kennenlernen.
3) Die Visualisierung von Physik sollte dazu beitragen, dass ein gewisses
Grundverständnis aufgebaut wird, wie Wissenschaft „funktioniert“. Außerdem
könnte ein Einblick gegeben werden, wie großflächig eine Wissenschaft
angelegt ist, damit mit ihr „gearbeitet“ werden kann.
4) StudentInnen sollten im Laufe des Kurses immer deutlicher die Grenzen
zwischen wirklicher und „erfundener“ Physik, oder anders ausgedrückt
zwischen „Science“ und „Fiction“, erkennen.
Ralph Llewellyn sieht seinen Kurs als rein quantitative Analyse an. Trotzdem
behauptet er, dass der eingeschlagene Weg der richtige sei. Schließlich hätten
mehrere auf qualitative Säulen aufbauende Pilotprojekte, die stets reine
Science-Fiction-Filme anwendeten, gezeigt, dass diese zu engstirnig angelegt
gewesen wären. Durch die Beschränkung auf quantitative Richtlinien jedoch wird es
möglich, konstruktiv und vor allem auch produktiv mit StudentInnen und
Jugendlichen zu arbeiten.
Insgesamt fanden neun verschiedene Kinofilme in diesem Kurs Anwendung. Jeder
davon hatte verschiedene Schwerpunkte, nach denen er eingesetzt wurde. Um alle
Movies einzusehen, die Verwendung fanden, verweise ich auf die angeführte
Internetseite [21]. Nur soviel sei erwähnt: Auch Armageddon zählte zu den neun
Auserwählten. Dabei war dieser Hollywood-Klassiker für die physikalischen
Themengebiete Energie, Impuls, Kometen und Asteroiden vorgesehen. Über die Art
und Weise, wie dieser Film eingesetzt wurde, gibt es jedoch später mehr.
Vorerst noch einige andere wichtige Bemerkungen zum Kurs von Ralph Llewellyn. So
sehe ich es als wichtig an, dass pro Woche je ein Film zum Einsatz kam – für jeden
Film war also gleich viel Zeit zur Verfügung. Da außerdem die hergezeigten
Sequenzen recht kurz bemessen waren, wurden die zu behandelnden Streifen (in
voller Länge) schon zuvor als Hausübung aufgegeben, damit der Film für niemanden
mehr Neuland sein sollte. Von den StudentInnen wurde diese Art der Hausübung
sensationellerweise so gut geheißen, dass daraus schon regelrechte
„Videofilm-Hausübungsparties“ entstanden.
Einzige Vorsichtsmaßnahme, die auch bei Ralph Llewellyn Verwendung findet, ist,
dass man stets danach trachten sollte, aktuelle Filme einzusetzen, denn nur so wäre
es möglich, einen Unterricht auf die Beine zu stellen, der up to date ablaufen würde.
Genau dieses Statement wäre nämlich der Hauptkritikpunkt am „normalen“
Unterricht. Wenn Bücher auch nur einige wenige Jahre verwendet werden, dann sind
sie nicht mehr am neuesten Stand. Damit wird das Interesse der StudentInnen
wieder gelockert und man findet sich wieder dort an, wo man ohnehin schon lange
war, nämlich am Ende der Beliebtheitsskala von Unterrichtsfächern. Videofilme
hingegen könnten problemlos Jahr für Jahr einfach ausgetauscht werden und so
hätte man stets die neuesten Kinoprodukte auf der „Leinwand“ in der Schule oder an
der Universität präsent, mit der man einen interessanten und informativen Unterricht
gestalten könnte.
Jeder Tag, an dem nun ein Video eingesetzt wurde, bekam schon von vornherein
eine Headline zugeordnet. Ziel für die StudentInnen während des Unterrichtes war es
nun, in der gezeigten Kurzpassage Details auf dem Fernsehmonitor zu sichten, die
mit der Headline zum Tage kompatibel wären. Gerade diese Details waren für die
StudentInnen das „Produkt“, mit dem nun weitergearbeitet werden konnte in Form
von Diskussionen, Anregungen, usf.; aber auch Fehleranalyse und daraus
resultierende Verbesserungsvorschläge kämen nicht zu kurz. Nachdem auch diese
klasseninternen Happenings abgehalten wurden, kann den StudentInnen als
nächstes ein kurzer Videobeitrag in Form einer Dokumentation oder Demonstration
vorgespielt werden, der sich rein mit der Grundlage der physikalischen Prinzipien
beschäftigt, welche in dem Hollywood-Ausschnitt davor Anwendung gefunden haben.
Dies sollte selbstverständlich dazu dienen, den Unterricht noch einmal etwas zu
vertiefen und die Sachlage zu konkretisieren. Wenn der Unterricht vorbei ist, stellt
der/die Lehrende eine ausführliche Ausarbeitung ins Netz, damit jeder sich zu
beliebigen Zeitpunkten mit dem Filmausschnitt weiterbeschäftigen kann. Außerdem
stellt das Internet-Paket auch eine gute Basis für Wiederholungen dar, die von den
StudentInnen vor einer Prüfung als sehr brauchbar angesehen wird.
Um dieses Prozedere nicht nur theoretisch abzuhandeln, führt Ralph Llewellyn als
Beispiel an einem Filmausschnitt von Armageddon die konkreten Arbeitsschritte aus.
Zunächst wird den StudentInnen die Szene präsentiert, in welcher die NASA die
Flugroute der beiden Shuttles und den Sprengplan für Dotty erstellt. Inkludiert in
diese Szene ist, wie man ja mittlerweile schon aus einer der ersten Seiten dieser
Arbeit weiß, die Beschreibung und Abhandlung der Nullbarriere. Dieses Filmsegment
kann nun ausnahmsweise mehrmals klassenintern aufbereitet werden. Zunächst
passt die Passage wunderbar zur Headline „Impuls“, in einer weiteren Bearbeitung
findet dieselbe Szene Anwendung in Form von „Energie“; auch „Ablenkung der
beiden Asteroidenhälften“ ließe sich damit behandeln – zwei von diesen Kapiteln sind
auch schon in meiner subjektiven Fehleranalyse eingehender erläutert worden. Ein
zweiter kurzer Auszug aus dem Film kann mit der Einschlagsszene auf New York
gewählt werden, bei der ursprüngliche Bestandteile des Asteroidengürtels unter allen
(nicht-)möglichen Winkeln die Millionenstadt kurz und klein schlagen. Mit dieser
Passage kann auf die Headline „Asteroiden“ und auch auf die Frage nach deren
Massenberechnungen eingegangen werden. Insgesamt tauchen also vier
verschiedene Topics auf, von denen die Art der Abhandlung chronologisch näher
erklärt wird.
i. Impuls
Nachdem der Asteroid durch Sprengung der Atombombe in zwei gleich große Teile
aufgespalten worden ist (was natürlich nur einer Annahme entsprechen kann),
betrachtet man die Bewegung der beiden Brocken nach der Detonation. Zur
Vereinfachung nimmt man weiters an, die Bewegung des Asteroiden vor der
Sprengung entsprach einer Translation in x-Richtung. Demnach hatte Dotty auch
einen Impuls in dieselbe Richtung, schließlich setzt sich dieser aus dem Produkt von
Masse und dem Geschwindigkeitsvektor zusammen. Wenn durch die hervorgerufene
Detonation tatsächlich eine leicht modifizierte Bewegungsrichtung der beiden
Asteroidenhälften hervorgerufen werden kann, damit die Erde tatsächlich unschädlich
bleibt, so muss auch eine Geschwindigkeit in einer auf die x-Achse normal stehenden
y-Richtung erfolgen, womit man gleichzeitig auch wieder einen Impuls in
besprochener Richtung hätte. Die Bewegung der beiden Brocken in Richtung Erde
hin erfolgt natürlich mit gleicher Geschwindigkeit wie Dotty vor der Sprengung
aufwies. Aber da beide Bruchstücke danach auch eine auf die 36.200 km/h von Dotty
normal stehende Geschwindigkeit aufweisen, muss auf folgenden Aspekt aufgepasst
werden: Einer der beiden Brocken bewegt sich nach der Sprengung in die positive y-
Richtung, währenddessen sich der andere Koloss in negativer y-Richtung fortpflanzt.
Betrachtet man nun den Gesamtimpuls in einer auf die x-Achse normal stehenden
Richtung, so treten zwar zwei Beiträge auf, die beachtet werden müssen. Jedoch
heben diese beiden sich aufgrund des unterschiedlichen Vorzeichens auf (funktioniert
natürlich nur, wenn wie im Film die beiden Segmente tatsächlich die gleiche Masse
haben!) und somit braucht dieser Wert für den Gesamtimpuls nach der Detonation
nicht weiter berücksichtigt werden. Also reicht es vollkommen aus, weiterhin nur die
x-Achse in die Überlegungen einzubeziehen. Dass aber dieser Impuls derselbe ist wie
vor der Sprengung, ist klar. Also hat man ein wunderschönes Beispiel zur Anwendung
eines Beispieles für den Impulserhaltungssatz gefunden.
ii. Masse von Asteroiden
Um die Masse des Asteroiden Dotty zu bestimmen, legt Ralph Llewellyn aufs Neue
einen quantitativen Plan vor. Dabei beginnt er das Problem mittels Abschätzungen
„handlich“ zu machen, damit es für den späteren Gebrauch mathematisch einsetzbar
wird.
In Armageddon kann man mehrfach hören, dass Dotty Texasgröße erreicht. Nun
kann aber in jedem Atlas nachschlagen werden, dass die Fläche dieses
US-Bundesstaates 691.027 Quadratkilometer misst. Wäre Texas quadratisch,
entspräche dies einer Seitenlänge von 831,3 km. Die tatsächlichen Ausmaße jedoch
streuen ein wenig von obigem Mittelwert. So ist die größte Ausdehnung in
Ost-West-Richtung etwa 1.244 km, in Nord-Süd-Richtung circa 1.289 km. Dieses
Statement macht man sich am leichtesten klar, wenn man beachtet, dass
Bundesstaaten selten gerade Linien als Grenzen haben. Und durch die vielen
Einbuchtungen, die für die Flächenberechnung wieder abgezogen werden müssen,
kann es schon mal vorkommen, dass die Erstreckungen deutlich über dem eigentlich
im Idealfall quadratischen Pendant entsprechen. Um aber unsere weiteren
Betrachtungen etwas zu vereinfachen, nehmen wir als Zahlenwert im Folgenden
trotzdem die 831,3 km als Maß zu Hilfe.
Schon im ersten Unterkapitel meiner Arbeit führte ich Zahlen an, die belegen, dass es
nur einen einzigen Asteroiden (Ceres) gibt, der tatsächlich eine solch gewaltige
Dimension annimmt. Würde man nun alle bekannten Asteroiden, die sich im
Asteroidengürtel aufhalten, zu einem großen Planetoiden „verschmelzen“, dann hätte
unser neuer Koloss auch nur einen Durchmesser von etwa 1.500 Kilometer und die
Masse würde nicht über einem Zehntel jener des Erdmondes liegen. Somit hätte man
im Grunde ohne auch nur eine einzige Formel angerührt zu haben trotzdem
felsenfest belegt, dass die Existenz eines so großen „Monstrums“ aus dem
Planetoidengürtel reine Utopie sein muss. Bereiten wir jedoch dem Regisseur von
Armageddon eine Freude, und beziehen diesen Brocken, obwohl es ihn nicht geben
kann, in die weiteren Arbeitsschritte ein.
Asteroiden können entweder kubisch oder sphärisch sein. Im kubischen Fall würde
sich sein Volumen zu 5,7 * 108 km3 ergeben, sphärisch betrachtet wären ziemlich
genau 53% davon der richtige Wert. Große Planetoiden haben typischerweise
sphärische Strukturen. Deshalb wird eher der zweite Wert der behandelten Situation
entsprechen. Zur Sicherheit trifft man aber einen Mittelwert, der dann weiter
verwendet werden kann, z. B. 5 * 108 km3 oder anders ausgedrückt 5 * 1017 m3.
Ebenfalls wohl bekannt ist der Menschheit, dass 15% der Planetoiden aus Silikaten,
wie z. B. steinigem Material, bestehen. 75% können Carbonate als ihr
Hauptbestandteil angeben und lediglich 10% passen in überhaupt kein Schema.
Steinige Asteroiden sollten eine ähnliche Dichte aufweisen, wie Felsen auf der Erde.
Trotzdem haben Wissenschaftler mittels Messungen festgestellt, dass beispielsweise
die Dichte des Planetoiden Ida zwischen 2.200 und 2.900 Kilogramm pro Kubikmeter
schwanken. Asteroid Mathilde dagegen weist gar nur eine Dichte von 1.400 kg/m3
auf. Um die konservative Ader durchzuziehen, kann man ungefähr 2.000 kg/m3 als
Mittelwert annehmen. Um jetzt die Masse von Dotty endgültig zu errechnen, braucht
man diesen Mittelwert nur noch mit den oben „erschätzten“ 5 * 1017 m3
multiplizieren und kriegt als Ergebnis eine Masse von 1021 kg raus. Wie man also
leicht erkennen kann, sind lauter Abschätzungen und Mittelwerte getroffen worden,
und erst ganz zum Schluss hatte man eine einzige leichte Multiplikation zu errechnen.
Trotzdem stimmt dieser Wert wunderbar mit dem Wert überein, der auch von mir
schon vorher in dieser Arbeit festgelegt wurde. Ich erhielt mit meinen Überlegungen
einen Wert von 1,57 * 1021 kg. Also ist die von Ralph Llewellyn vollzogene
Abschätzungsvariante zielführend gewesen.
iii. Energie
Wie man schon öfter gehört hat, wird in Armageddon ein Atomsprengsatz
verwendet, um Dotty in zwei Teile zu sprengen. Die Kraft, die von einer Atombombe
ausgeht, wird üblicherweise in TNT angegeben, auch das ist schon erläutert worden.
So entsprechen einer Tonne TNT genau 4,2 * 109 Joule. Da für dieses Fachgebiet
eine Tonne ausnahmsweise mal eine sehr kleine Einheit darstellt, werden auch oft
Kilo- und Megatonnen verwendet, um nicht noch größere Zahlen zu erhalten. Um ein
gewisses „Gefühl“ für diese Einheiten zu entwickeln, führt Ralph Llewellyn an, dass
beispielsweise die Atombombe von Hiroshima im Jahre 1945 äquivalent zu zwölf
Kilotonnen TNT oder 5 * 1013 Joule war. Modernere Bomben hingegen wären
äquivalent zu 20 Megatonnen TNT. Dies würde sogar schon 1.667 Bomben
entsprechen, wie sie im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden. Ebenfalls wird noch
erwähnt, dass die Länder, die solche Waffen besitzen, momentan nicht danach
trachten, die Atombomben noch stärker zu machen, sondern dass es üblicher ist, die
Größe einer solchen zu reduzieren.
iv. Ablenkung der beiden Asteroidenhälften
Die Bombe, die in Armageddon Verwendung findet, ist von der Größenordnung, die
einem 100.000-fachen Äquivalent entspricht, welches in Hiroshima Anwendung
gefunden hat. Ohne auch nur einen Kommentar über die Richtigkeit des
Zahlenwertes abzugeben, kann man gerade diesen Wert in die weitere
Vorgehensweise einbauen und so dem Regisseur wohl einen weiteren Gefallen
machen. Eine solche Bombe würde bei der Detonation einen Energiewert von
5 * 1018 Joule freisetzen. Ein Teil davon würde die Aufspaltung von Dotty in zwei
Teile bewirken.
Um nicht kleinlich zu wirken, kann gleich die nächste Vereinfachung getroffen
werden: Die Energie sollte nur in kinetischer Form auftreten und genau zu gleichen
Teilen auf die beiden Bruchstücke aufgeteilt werden. Jedes Fragment erfährt also
2,5 * 1018 Joule an kinetischer Energie, welche stets normal auf die ursprüngliche
Bewegungsrichtung von Dotty wirken sollte. Früher wurde bereits festgelegt, dass
diese normale Richtung durch die y-Koordinate gekennzeichnet wird. Eine letzte
Annäherung für das Vorhaben besteht darin, dass die gesamte kinetische Energie
lediglich in y-Richtung wirkt. Somit hätte man alle erforderlichen Abschätzungen zu
unserem Nutzen zurechtgelegt und weiter geht es mit einer kurzen Rechnung.
Wie man weiß, ist die kinetische Energie als Formel ausgedrückt: Ekin = m v2/2.
Daraus lässt sich nun mit einer Formelumformung die Geschwindigkeit der beiden
Bruchstücke errechnen. Als Ergebnis kommt v = 0,07 m/s heraus. Mit Worten
ausgedrückt bedeutet das, dass beide Segmente sich pro Sekunde um sieben
Zentimeter vom ursprünglichen Kurs wegbewegen würden. Rechnet man diese
sieben Sekunden hoch, die die beiden Bruchstücke bis zum Aufprall auf der Erde
brauchen würden, so kriegt man einen Wert von 504 Meter oder 0,5 Kilometer als
Ergebnis! Nur zum Vergleich: Der Erdradius beispielsweise beträgt 6.370.000 Meter.
Aber im Film kann man doch erfahren, dass die beiden Hälften von Dotty die Erde
um satte 100.000 Kilometer verfehlen. Also kann man ganz leicht erkennen, dass
hier wohl einiges nicht zusammen passen kann. Nicht inkludiert dabei ist noch die
Tatsache, dass wir zuhauf Vereinfachungen getroffen haben, sodass der
ursprüngliche Fehler noch viel größer wäre.
Abschließend zu dem am Beispiel von Armageddon durchgeführten Prozedere gibt
Ralph Llewellyn noch an, dass er damit glaubt, die StudentInnen auf eine Bahn
bringen zu können, wo sie sich selbstständig mit kritischen Hinterfragungen zum
Thema beschäftigen können. Durch „wissenschaftliche Vereinfachungen“ könnten die
StudentInnen lernen, auch mit Themengebieten umzugehen, die nur auf den ersten
Blick nichts mit Physik zu tun hätten.
Ein wichtiger Punkt fehlt noch in der Betrachtung von Ralph Llewellyn, nämlich: Wie
haben die StundentInnen den videounterstützten Unterricht aufgenommen? Allein
die Tatsache, dass die StudentInnen großteils enthusiastisch zu Werke gingen, ist auf
alle Fälle ein wichtiger Pluspunkt. Aber Herr Llewellyn mahnt trotzdem zur Vorsicht,
da ein begeistertes Publikum noch lange kein Qualitätsstandard wäre. Genau aus
diesem Grunde sind Feedback-Fragen erstellt worden, die nach Abhaltung und Arbeit
mit der Videosequenz computerunterstützt beantwortet wurden. Vier Beispielfragen
werden in dem Artikel auch zahlenunterstützt offen gelegt:
1) Die Filme sind eine gute Möglichkeit, um eine breite Fläche an
wissenschaftlichen Ideen zu vermitteln.
2) Die Topics aus den Filmen waren für eine physikalische Analyse sehr
interessant.
3) Der Instruktor bzw. die Instruktorin sollte diese Art des Kurses öfter einsetzen,
da sie interessanter ist als eine „standardisierte“ physikalische Unterrichtseinheit.
4) Ich werde meinen FreundInnenen berichten, dass sie sich auch einmal mit so
etwas beschäftigen sollen.
Die Auswertungskriterien sahen folgendermaßen aus: Es waren stets vier
Antwortmöglichkeiten gegeben und die StudentInnen brauchten nur noch ein Kreuz
an der für sie geeignetsten Stelle machen. Die Antwortmöglichkeiten waren: strikt
bejahend, bejahend, eher nicht und niemals. Die Auswertung der Fragen sah in
Zahlen folgendermaßen aus:
Frage 1: strikt bejahend 38,16%
bejahend 52,63%
eher nicht 5,26%
niemals 3,95%
Frage 2: strikt bejahend 28,95%
bejahend 60,52%
eher nicht 9,21%
niemals 1,32%
Frage 3: strikt bejahend 77,92%
bejahend 10,39%
eher nicht 9,09%
niemals 2,6%
Frage 4: strikt bejahend 66,24%
bejahend 27,27%
eher nicht 5,19%
niemals 1,3%
Ohne viel weiteres Zutun kann jeder ganz leicht erkennen, dass diese Form des
Unterrichtes sehr beliebt gewesen ist. Aber wie schon erwähnt, um diese These auch
noch hieb- und stichfest werden zu lassen, brauchen wir ein weiteres
Qualitätsmerkmal.
Hierfür wurde bei Ralph Llewellyn ein Physikkurs untersucht, der analog in zwei
Klassen abgehalten wurde, wobei zunächst ein „normaler“ Unterricht in der ersten
Klasse stattfand und ein Jahr später die Methode mittels Videounterstützung für die
nächste Klasse gewählt wurde. Noch zu erwähnen ist, dass nach Möglichkeit die
Rahmenbedingungen für alle gleich gehalten wurden. Die Klassen waren gleich groß,
wurden im gleichen Raum mit Physik konfrontiert, hatten dasselbe Hilfsmaterial zur
Verfügung, verwendeten die gleichen Bücher, wurden vom selben Instruktor
unterrichtet, bekamen die gleichen Tests und noch vieles mehr. Doch diesmal wurde
nicht nach den persönlichen Eindrücken gefragt, sondern als Beurteilungskriterium
dienten diesmal vier Tests, die während dem Semester abgehalten wurden. Am
besten ist es, ich übernehme diese Daten über die Resultate gleich direkt aus dem
Artikel von Ralph Llewellyn:
2001: Traditioneller Physikunterricht, 295 StudentInnen
Test 1 Test 2 Test 3 Test 4
Durchschnitt 49,34 65,33 58,15 59,44
Standardabweichung 13,22 16,09 15,88 11,67
2002: Videounterstützter Unterricht, 292 StudentInnen
Test 1 Test 2 Test 3 Test 4
Durchschnitt 74,92 67,68 75,68 72,82
Standardabweichung 14,36 16,92 14,08 12,84
Zu erwähnen ist hier noch, dass die maximale Punkteanzahl für jeden Test bei 100
lag. Unschwer erkennt man, dass auch das betrachtete Qualitätsmerkmal ganz klar
zu Gunsten von Hollywood-Filmen ausschlägt. Es hatten also tatsächlich die 292
StudentInnen aus dem Jahre 2002 mehr in Physik gelernt als die 295
VorgängerInnen ein Jahr zuvor.
Es muss doch ein schönes Gefühl sein, Physik zu unterrichten, wobei die Interessen
der Studierenden getroffen werden und außerdem noch ein besseres Ergebnis zu
Buche steht als bei einem herkömmlichen Unterricht. Also, liebe PhysiklehrerInnen,
worauf wartet ihr noch? Ab in den nächsten Videoladen...
VI. Literatur- und Quellenverzeichnis
Verwendete Bücher und Zeitschriften (Autoren in alphabetischer Reihenfolge):
[1] APEL, Uwe: Sinn und Zweck der Raumfahrt, Astronomie und Raumfahrt 5/1999,
S. 17 - 19
[2] BUFFET, Philippe; LEBARON, Marcel: Spaceflight – How it works and the benefits it brings,
Les editions Ronald Hirle, Strasbourg 1999
[3] DAMBECK, Thorsten: Der Neu-Schwanstein, Bild der Wissenschaft 1/2004, S. 57 - 61
[4] DENNIS, Chandler M., Jr.: Hollywood Physics: Mechanics, Fidget Publications 2001
[5] DENNIS, Chandler M., Jr.: Start Using “Hollywood Physics” in your Classroom, Physics
Teacher Vol. 40, Oktober 2002, Seite 40 ff.
[6] GRÜN, Karl: Feuer an Bord, Star Observer 6/2001, S. 74 - 77
[7] GRÜN, Karl: Räder im Weltraum, Star Observer 10/2000, S. 84 - 87
[8] KRAUSS, Lawrence M.: Die Physik von Star Trek, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1995
[9] LUSTIG, Günther: Das Planetensystem, Skriptum zur Vorlesung, Sommersemester 2001
[10] NEUKUM, Gerhard; HOFFMANN, Harald: Raumfahrt für die Planetenforschung, Astronomie
und Raumfahrt 5/1999, S. 10 - 14
[11] OBERHUMMER, Heinz: Maßarbeit in unserem Universum, Physik in unserer Zeit 3/2002,
S. 106 - 112
[12] V. PUTTKAMER, Jesco: Raumfahrt: Aufbruch zu neuen Ufern, Astronomie und Raumfahrt
2/2001, S. 4 - 8
[13] THALLER, Sigrid: Hochsprung auf dem Mond, Physik in unserer Zeit 2/2003, S. 87 - 89
[14] VAAS, Rüdiger: Bomben aus dem All, Bild der Wissenschaft 1/2004, S. 50 - 56
[15] VAAS, Rüdiger: Der Tod kam aus dem All, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 1995
[16] VAAS, Rüdiger: Ein harter Schlag – Astro-Logik im Kino, Perry Rhodan Journal Nr.9,
1. Auflage Nr. 1946, Dezember 1998, S. 2 - 8
[17] VAAS, Rüdiger: Tödliches Finale, Bild der Wissenschaft 9/1998, S. 54 - 69
[18] WEYMAYR, Christian: Der Mensch im All, Star Observer 10/1998, S. 42 - 52
[19] ZIMMER, Harro: Vierzig Jahre bemannte Raumfahrt, Astronomie und Raumfahrt 2/2001,
S. 9 - 13
[20] ZIMMER, Harro; MARFELD, A.F.: Weltraumfahrt, Safari Verlag, Berlin 1978
Verwendete Internetadressen (Stand: 11. Mai 2004):
[21] http://arxiv.org/abs/physics/0303005 (Ralph LLewellyn)
[22] http://arxiv.org/abs/physics/0404078 (Costas Efthimiou)
[23] http://www.raumfahrer.net/raumfahrt/spaceshuttle/
[24] http://www.bernd-leitenberger.de/raumfahrt.html
[25] http://lexikon.astronomie.info
[26] http://www.jpl.nasa.gov/
[27] http://www.globaldefence.net/deutsch/spezial/kern.htm
[28] http://www.dangl.at/mir.htm
[29] http://members.surfeu.at/wpatzl/schule/mir.htm
[30] http://www.space-weltraum.de
[31] http://de.wikipedia.org/wiki/Space_Shuttle
[32] http://astronomie-sonnensystem.de/shuttle.htm
[33] http://www.blue-cosmos.de/station/mir/mir.html
[34] http://online.wdr.de/online/news/mir/
Top Related