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BERLIN. Es sind markante Zahlen: DieLeistungsausgaben der gesetzlichenKrankenversicherung (GKV) über-schritten 2015 erstmals die 200-Milli-arden-Euro-Marke. Über ein Drittelder Ausgaben (70,25 Milliarden Euro)wurden durch Klinikbehandlungenverursacht. Dabei wurden in demsel-ben Jahr allein innerhalb der AOK 1,5Millionen Versicherte mindestenseinmal wegen einer potenziell ver-meidbaren Erkrankung stationär be-handelt. Nach Fallzahlen entsprechedas zwei Millionen sogenannter am-bulant-sensitiver Krankenhausfälle(ASK-Fälle), so das WissenschaftlicheInstitut der AOK (WIdO).

Jeder Achte über 65 ist betroffen

Dabei geht es nicht nur um das Ausga-benvolumen: Die stationären Klinik-aufenthalte sind vor allem eine Belas-tung für die Patienten. Immerhin istdas Gros der betroffenen Patienten äl-ter als 65 Jahre gewesen: Von dieserAltersgruppe der AOK-Versichertenwar 2015 im Schnitt jeder Achte min-destens einmal aufgrund eines ASK-Falles in der Klinik. „Diese Zahlenkönnten durch entsprechende Prä-vention und eine effektive, qualitativhochwertige Versorgung im ambulan-ten Sektor reduziert werden“, sagtHelmut Schröder, stellvertretenderGeschäftsführer des WIdO.

Das WIdO weiß auch, dass nicht al-le dieser Fälle tatsächlich vermeidbarsind. Das Institut hat aber analysiert,welche Erkrankungen die Hauptaus-löser solcher potenziell vermeidbarenKlinikaufenthalte sind und wie großdas Vermeidungspotenzial denn nunsein könnte. Die Analyse basiert aufeinem methodischen Ansatz, der vonLeonie Sundmacher et al. im Jahr2015 entwickelt wurde (Which hospi-talisations are ambulatory care-sensi-tive, to what degree, and how couldthe rates be reduced?; Health Policy119 (11), 1415-1423). Die Forscher hat-ten dabei auch ein Expertenpanel von40 Ärzten hinzugezogen. Der Vorteillaut WIdO: Die Liste wurde in

Deutschland erstellt und bezieht sicheben nicht nur auf Erfahrungen ausdem Ausland. Allerdings enthält siedaher auch einige Krankheiten, diebisher in anderen ASK-Listen nichtenthalten waren.

Letztlich kommt das Institut auf1,44 Millionen vermeidbare Fälle beiden AOK-Versicherten, das wärenknapp 22 Prozent aller AOK-Kran-kenhausfälle. Dabei handelte es sichbei über der Hälfte der ASK-Fälle umeine Notfallbehandlung.

Für Ärzte wichtig sind aber vor al-lem die Indikationen, die zu den ASK-Fällen führen. Die meisten ASK-Fällesind mit rund 594 000 Krankenhaus-fällen auf Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zurückzuführen,von denen laut Definition von Sund-macher 413 000 Fälle vermeidbar wä-ren, also nahezu 70 Prozent. Betrach-tet man die einzelnen Krankheitsgrup-pen, dann ist die Herzinsuffizienz(193 000 ASK-Fälle) Spitzenreiter.Hier wären nach der Analyse 64 Pro-zent der Fälle potenziell vermeidbargewesen. Aber auch Bluthochdruckund seine Folgeerkrankungen verur-sachten immerhin 107 000 ASK-Fälle,hier hätten 83 Prozent der Klinikauf-enthalte vermieden werden können.

Platz zwei der ASK-Fälle in derWIdO-Analyse belegen die Lungener-krankungen. Bei Bronchitis, COPDund Bronchiektasie hätten drei Vier-tel der Patienten nicht in der Kliniklanden müssen. Aber auch von dennahezu 113 000 Grippe- und Pneumo-nie-Patienten unter den ASK-Fällen

sind nach der Methodik von Sundma-cher 68 Prozent vermeidbar.

Aufhorchen lässt aber auch, dassRückenschmerzen ebenfalls relativhäufig zu ASK-Fällen führten (112 000Fälle) und diese zu 81 Prozent ver-meidbar gewesen wären. Oder aber,dass Psychische und Verhaltensstö-rungen durch Alkohol und Opioide aufPlatz drei der ASK-Fälle rangieren.

Sektorengrenzen überwinden

Das WIdO sieht zwei Ansatzpunkte,um künftig ASK-Fälle zu reduzieren:Prävention und eine bessere Verzah-nung der Versorgungsebenen. „Somuss Prävention im Kindergarten undder Schule wichtige Impulse setzenund im betrieblichen Kontext ver-stärkt werden. Sollte eine Krankheitdann doch nicht vermieden werdenkönnen, ist es wichtig, dass sektoraleGrenzen beispielsweise zwischen am-bulant tätigen Ärzten, Kliniken oderPflegeeinrichtungen überwunden wer-den“, so Schröder. Krankenkassen bie-ten Ärzten und Kliniken hier auch be-reits Hilfestellung – etwa mit pharma-kologischer Beratung oder Einweiser-informationen zur Qualität von Klini-ken. Es gibt aber auch Hilfs-Tools, dievon Ärzte entwickelt wurden, etwa derARRIBA-Score, der das Risiko fürHerz-Kreislauf-Erkrankungen misst(siehe auch Mittelspalte).

Das WIdO weist in seiner Analysedarauf hin, dass die aktuell vorliegen-den Daten keinen direkten Rück-schluss auf die Qualität der ambulan-ten Versorgung zulassen. Dies liege da-

rin begründet, dass weitere, vom be-handelnden Arzt nicht zu beeinflus-sende Faktoren wie der sozioökonomi-sche Status, das Gesundheitsverhaltendes Einzelnen oder auch die regionaleVersorgungsstruktur, einen Klinikauf-enthalt bedingen könnten. Dennochkann die vorliegende Analyse für dieProblematik sensibilisieren. Gerade inder aktuellen Grippewelle. Hier könntedie Impfung für spezifische Zielgrup-pen eventuell Klinikfälle verhindern,so das Institut. Dass es dem WIdOnicht vorrangig darum geht, die Kostenin der GKV zu senken, zeigt sich auchbeim Thema Pneumonie: Hier plädiertdas Institut für eine engmaschige Be-treuung des Patienten und die recht-zeitige Gabe geeigneter Arzneimittel.

Klinikfälle: Ein Fünftel wäre vermeidbar

VON REBEKKA HÖHL

1,5 Millionen AOK-Versichertewurden im Jahr 2015 mindes-tens einmal wegen einerpotenziell vermeidbarenErkrankung stationär behan-delt. So das Ergebnis einerWIdO-Analyse. Hauptaus-löser waren Herz- undLungenerkrankungen, Sucht-probleme und Grippefälle.

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Hilfsmittel für Praxen

arriba – Absolutes und RelativesRisiko – Individuelle Beratung inder Allgemeinarzt-Praxis

Hierbei handelt es sich um einBeratungs- und Prognosetool,mit dem Hausärzte gemeinsammit ihren Patienten das indivi-duelle Risiko für Herzinfarkt undSchlaganfall ermitteln können –und zwar auf Grundlage vonErgebnissen großer Studien(z.B. Framingham).Dabei wurde das Tool vonAllgemeinmedizinern entwi-ckelt. Genauer stecken die Ab-teilungen für Allgemeinmedizinder Universitäten Marburg undDüsseldorf dahinter.Das Tool gibt es in Papierformund seit 2007 auch als kosten-freie Software-Version:www.arriba-hausarzt.de

AOK-Faktenboxzur Grippe-Impfung ab 60:

Die AOK hat in einer Faktenbox,die für das Beratungsgesprächgenutzt werden kann, sachlich-wissenschaftlich alle Infos zuNutzen und Risiken der Grippe-schutz-Impfung für Patienten ab60 Jahren zusammengefasst.Die Infos wurden gemeinsammit dem Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschungerstellt.Download im Web:www.aok.de/inhalt/faktenbo-xen-gesundheit/

QuATRo - Qualität in Arztnetzen– Transparenz mit Routinedaten:

QuATRo liefert Ärztenetzen an-hand von Routinedaten der AOKInformationen zur Versorgungs-qualität im Netzwerk. Die Netzeerhalten etwa Qualitätsberichtefür die Arbeit in Qualitätszirkeln.Auch hier erhält das Netz einSoftwaretool zur Erstellung voneinzelnen Praxisberichten.Weitere Infos unterwww.qisa.de (> QISA in derPraxis)

Anlaufstelle Krankenhaus: Bei über der Hälfte der potenziell vermeidbaren Klinikfälle handelt es sich um eine Notfallbehandlung. © UPIXA /FOTOLIA.COM

Pro Dialog Freitag/Samstag, 24./25. Februar 2017 Nr. 21-38D8

IM BLICK » ARZT UND PRAXISTEAM Eine Serie in Kooperation von ÄrzteZeitung und AOK-Bundesverband

Lesen Sie am 10. März: Der Kran-kenhaus-Report 2017 des WIdO be-legt den positiven Zusammenhangzwischen Behandlungshäufigkeitund -ergebnis. Doch wie sieht diePraxis aus? Sind wir mit den beste-henden Mindestmengen am Ziel?Was muss geschehen, um diese vor-anzubringen?

Kontakt: Haben Sie Fragenoder Anregungen an die AOKoder Themenwünsche für dieseSeite? Dann schreiben Sie unseine E-Mail an: [email protected].

▼Die Praxis-Serie