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Betriebserfahrungen HGÜ-System
Cahora Bassa – Apollo
Michael Schubert, Berlin
gekürzt erschienen in: ETG Journal 2018, H. 1, S. 77-80
Die Anlage Cahora Bassa1 – Apollo
2 wurde nach Inbetriebnahme der dritten Ausbaustufe an
die Kunden HCB3 und Eskom übergeben. Die Betriebsdaten +/- 533 kV Leiterspannung und
1.800 A Leiterstrom wurden im Rahmen eines umfangreichen Abnahmeprogramms
nachgewiesen.
Bild 1 HCB mit dem Kraftwerk in der Schlucht von Cahora Bassa; Quelle: Autor
1 Die Cahora-Bassa-Talsperre (Bauzeit 1969–1979) in Mozambique/Provinz Tete ist eine der größten Talsperren
der Welt. 2 Station des südafrikanischen Stromversorgers Eskom nahe Pretoria.
3 Die Hidroeléctrica de Cahora Bassa ist die mozambiqueanische Betreibergesellschaft von Cahora Bassa.
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In den ersten Monaten assistierte ZAMCO-Personal4 bei Betriebsführung und Fehlersuche.
Jede Anlage dieser Größenordnung erzeugt Ausfälle und Probleme speziell in der
Anfangsphase, die hier aber nicht näher betrachtet werden sollen. Neben diversen schwer
wiegenden Ereignissen traten Störungen in erster Linie in folgenden Bereichen auf:
Relaissteuerung für die Gleichspannungs-Schaltanlage (wurde in beiden Stationen später
durch eine Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) ersetzt)
Elektronikfehler an Impulsverstärkern und Ventilelektronik (vorzugsweise Bauelemente-
Fehler)
ungleichmäßige Spannungsverteilung an mehrstufigen Isolatoren
Gleichspannungs-Durchführungen
Überspannungsableiter
Feuchtigkeit in Druckluftversorgung
punktuelle, unzulässige Wärmeentwicklung (Hot Spots) an Pantographen-Trennern
Erdelektroden
Doppel-6-Puls-Rückwirkungen mit Zwangsabschaltung der Filter in Songo5
Instabilitäten im Übertragungssystem durch aggressiven Thyristorschutz
(Kommutierungsfehler, Zwangskippungen, Leitungsschutz)
Bild 2 HGÜ-Substation Songo in Mozambique; Quelle: Autor
4 Die ZAMCO war ein gemeinsames Konsortium internationaler Kapitalgeber und Firmen, welches als
Vertragspartner für die portugiesische Kolonialverwaltung für das Bauprojekt Cahora Bassa fungierte. 5 Songo ist der Cahora Bassa nächstgelegene Ort.
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Bis etwa 2008 gibt es keine verlässlichen Daten oder Fehlerstatistiken, da beide Betreiber,
HCB wie auch Eskom, kaum miteinander kommuniziert haben.
Zu den Faktoren, die den Übertragungsbetrieb bis heute beeinflusst haben gehören:
Isolationsproblematik von Leitungen und Stationen
Leitungsverfügbarkeit nach Inbetriebnahme
Ventilschäden nach Stillstandsphase
Überstromableiter und Transformatorschäden
Auch Leitungsüberschläge, vorzugsweise durch Gewitter und Buschfeuer hervorgerufen
(ungenügende Servitude, keine Maintenance, Kriegshandlungen) haben die Betriebsstabilität
stark beeinflusst.
Bild 3 Eskom und deren Substation Apollo in Südafrika; Quelle: Autor
Die anfänglich einheitlich mit Glasisolatoren ausgerüstete Leitung wurde aufgrund häufiger
Überschläge und daraus resultierender Rückwirkungen zum Problem für den
Übertragungsbetrieb (Bild 4).
Mehr und mehr traten jedoch Schäden durch Vandalismus (in Südafrika) und Sabotage
(Mozambique) bezüglich Stabilität und Zuverlässigkeit der Übertragung in den Vordergrund.
Die Häufigkeit dieser Ereignisse nahm zu. Die Schäden wurden immer umfangreicher
(Bild 5).
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Bild 4 Ausgangsleitungsmast bei Songo bespannt mit 533-kV-Fernleitung
und Erdelektrodenzuführung; Quelle: Autor
Bild 5 sabotierter Leitungsmast; Quelle: Autor
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Überschläge an den Porzellan-Erdseil-Isolatoren wurden für das PLC-System6 zur
Schwachstelle. Die Porzellanisolatoren wurden später durch Glasisolatoren mit
Funkenhörnern ersetzt.
Die andauernden Kriegshandlungen zwischen Frelimo7 und Renamo
8 in Mozambique führten
letztendlich zum Totalausfall des Übertragungsbetriebs. Das hier dargestellte Diagramm
(Bild 6) veranschaulicht, dass die Energieübertragung 1984 zum Erliegen kam und erst 1997
wieder aufgenommen wurde.
Bild 6 Output Cahora Bassa Power Station; Quelle: HCB
Während der Stillstandsperiode von 13 Jahren lieferte das Kraftwerk Energie praktisch nur für
die Eigenversorgung und für die Substation, die Wohnsiedlung Songo sowie die Stadt Tete.
Später wurde eine Drehstromverbindung mit einer Kapazität von 500 MW nach Zimbabwe
installiert.
6 Power Line Carrier, Telekommunikation zwischen den Stationen über die Hochspannungsleitung
7 Die FRELIMO (dt.: Mozambiqueanische Befreiungsfront) errichtete nach der Unabhängigkeit von Portugal
1975 ein kommunistisches Einparteiensystem in Mozambique. 8 Die RENAMO (dt.: Nationaler Widerstand Mozambiques) wurde nach der Unabhängigkeit Mozambiques 1975
als antikommunistische Widerstandsbewegung zur FRELIMO gegründet.
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Die unsicheren Zukunftsaussichten bei ca. 1.000 umgestürzten Leitungsmasten führten zum
Weggang des Personals in beiden Stationen und entsprechendem Verlust an Know-how.
Maintenance und sonstige Erhaltungsmaßnahmen wurden praktisch nicht mehr durchgeführt.
Bereits sichtbare Schäden an den Stromrichterventilen wurden ignoriert und Hinweise auf die
zu erhaltende Betriebsfähigkeit, z. B. durch gelegentlichen Back-to-Back-Betrieb9, in
Ermangelung geeigneten Personals nicht beachtet.
Mit dem Ende der politischen Auseinandersetzungen in Mozambique und der
Wiederherstellung der Leitungen wurden in diversen Bereichen des Übertragungssystems die
Isolationsbedingungen verbessert, die sich vorher als kritisch erwiesen hatten. Hierzu gehörte
die Erhöhung von Tragmasten sowie die Verlängerung der Isolatorketten der DC-Leitungen.
Die Eskom hatte bereits entschieden, das gesamte Leitungsstück in Südafrika anstelle der
Glasisolatoren mit Silicon-Rubber-Isolatoren auszurüsten. Ein erstes Teilstück, d.h. die
Durchquerung des Krügerparks ist bereits vollendet (Stand: 2011), mit besten
Betriebsergebnissen. Resultat: Kein einziger Überschlag innerhalb eines Jahres. Der
verbleibende Rest auf südafrikanischem Territorium soll innerhalb der nächsten Monate
gleichfalls mit Silicon-Rubber-Isolatoren ausgerüstet werden. Der Vorteil: Es bedarf keiner
Maintenance und bietet ein erhebliches Sparpotenzial, verglichen mit der bisher
durchgeführten Helicopter-Spray-Reinigung der Glasisolatoren. Die Stationsisolation wurde
durch generelles Aufbringen von Silicon-RTV10
an den Gleichspannungs-Isolationsstrecken
verbessert.
In Mozambique werden die Isolatoren weiterhin in Bereichen starker Verschmutzung manuell
gewaschen, was zur Stilllegung des betroffenen Pols führt. Diese Prozedur erfordert innerhalb
eines Jahres an ca. sechs Wochenenden die Abschaltung der Leitung, was besonders Eskom
wegen ihres hohen Energiebedarfs schmerzt (Bild 7).
Auch in Songo wurde die Behandlung der Gleichspannungs-Isolatoren weitestgehend mit
Silicon-RTV durchgeführt.
9 Betrieb einer Brücke als Gleichrichter und einer zweiten als Wechselrichter
10 Siliconpaste zur Verbesserung der Hochspannungsfestigkeit von Isolationsstrecken
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Bild 7 Service-Team auf einem Leitungsmast; Quelle: Autor
Nach Wiederaufnahme des Übertragungsbetriebes wurden u.a. bei Öl- und Gasanalysen des
Ventilkühlöls Zersetzungen festgestellt, die auf hohe Temperatureinwirkungen
zurückzuführen waren. Eine Inspektion der Ventile ergab Schäden an der inneren
Kühlölverteilung der Thyristoraufbauten. Hier waren in erster Linie die diversen
Kunststoffschläuche, die zur Einspeisung von Thyristorstacks und Drosseln vorgesehen
waren, betroffen. Bild 8 zeigt ein unbeschädigtes Thyristormodul im Neu-Zustand.
Bild 8 Thyristormodul mit intakten Kühlschläuchen; Quelle: Autor
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Nach mehrjähriger Stillstandszeit und kurzzeitigen Betriebsperioden war das
Schlauchmaterial völlig verhärtet und meist an den Übergängen zu Anschlussnippeln der
Geräte aufgrund von Vibrationen abgeschert bzw. abgebrochen (Bilder 10 bis 12). Diese
Vibrationen (Impulsverstärker) waren auch Ursache für das Zerbrechen der Spannbänder an
den Drosselkernen (Bild 9).
Bild 9 defektes Spannband eines Schnittbandkerns aus einer Etagendrossel; Quelle: Autor
Das Schadensbild zog sich durch alle Ventile in beiden Stationen. Trotz der Unterbrechung
der forcierten Kühlölzuführung zu den Kühlkörpern der Scheibenzellen wurde keine erhöhte
Ausfallhäufigkeit von Thyristoren festgestellt (Bilder 10 bis 12).
Bild 10 defekte Thyristor-Ventilschläuche; Quelle: Autor
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Bild 11 defekte Anschlüsse an einem Thyristormodul; Quelle: Autor
Bild 12 defekter Kühlöl-Schlauch an einer Etagendrossel; Quelle: Autor
Bild 13 Etagendrosseldefekt aufgrund ausgefallener Kühlung; Quelle: Autor
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Anders bei den Drosseln: Ein hoher Prozentsatz der Etagendrosseln war durch Überhitzung
beschädigt. Die Trägerplatten aus Hartpapier waren verkohlt und zum Teil zerbrochen
(Bild 13). Trotz allem wurde mit diesen stark beschädigten Ventilen der Betrieb
aufrechterhalten.
Ende der 1990er Jahre wurden Reparaturmaßnahmen eingeleitet, um diese Schäden
kurzfristig zu beheben. Weitere Schritte zur Verbesserung des Systems (refurbishment)
wurden diskutiert, kamen aber nicht zur Ausführung, da Eskom entschied, den gesamten
Ventilbereich inklusive Steuerung und Regelung durch Ventile mit Wasserkühlung für
Freiluftaufstellung zu ersetzen.
Die Stromrichtertransformatoren wurden beibehalten. Die HCB betreibt noch heute die
Station mit der Original-Ausrüstung, d.h. mit den soweit wie möglich reparierten eigenen
Ventilen und einigen von Eskom nach dem Stationsumbau überlassenen Apollo-Ventilen.
Entscheidenden Einfluss auf den Betriebsverlauf nahm eine Schutzeinrichtung für die
Thyristorventile, die für den Worst Case unter diversen Störfällen, d.h. Überschlag eines
Brückenzweigs, vorgesehen ist. Die Überstromableiter (ÜSA) entlasten zwar die zu
schützende Ventilgruppe, verursachen aber einen Klemmenkurzschluss an den zugehörigen
Stromrichtertransformatoren (Bilder 14 und 15). Diese sollten kurzschlussfest sein, haben den
Beweis dafür aber nie antreten können.
Bild 14 Überstromableiter in Songo; Quelle: Autor
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Bild 15 abgeklemmte Überstrom-Ableiter in Apollo; Quelle: Autor
Es gab ca. 20 ÜSA-Schutzansprechungen in Apollo und insgesamt etwa 230 (208 nach
Aufzeichnungen zwischen 1975 und 2005) in Songo, die für den Totalausfall von
Transformatoren in Apollo und Songo verantwortlich waren. In Songo sind ca. zehn
Transformatoren ausgefallen, die direkt auf der Station repariert werden bzw. wurden (aus
Gründen ungenügender Transportinfrastruktur). Vier Transformatoren sind in Apollo
verschrottet worden. Die Reparatur des letzten Trafos wurde erst Mitte 2012 beendet. Vorher
war kein Betrieb mit 4-Brücken/-Pol möglich.
In Apollo hat die Eskom 1996 wegen der geringeren Belastung der Ventile im Überschlagfall
(Wechselrichter, keine Energierichtungsumkehr) die ÜSA abgeklemmt. Auch auf das
Nachspannen der bisher nicht behandelten Transformatoren wurde verzichtet. Für die neuen
Ventile ist dies ohnehin nicht notwendig.
In Songo lässt sich die HCB von Manitoba Hydro beraten, mit welchen Maßnahmen, z. B.
schnellere Erfassungs- und Schalterzeiten, das Risiko für ein Ansprechen der ÜSA im
Worst Case-Fall für die Thyristoren minimieren lässt.
Mit der Umrüstung der Thyristorventile in Apollo (Bild 16; beendet im April 2008) hat sich
eine Beruhigung in den Betriebsabläufen eingestellt.
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Bild 16 wassergekühlte Ersatzventile Apollo; Quelle: Autor
Die im Ventilschutzkonzept vorgesehenen Zwangskippungen haben einen wesentlichen Teil
zur Beruhigung beigetragen. Die hohe Anzahl von Eskom-Netzstörungen, die solche
Notzündungen auslösten, ist stark zurückgegangen. Da die modernen Ventile diese Art von
Schutzreaktionen nicht mehr erfordern, reduzieren sich auch die Leistungs-, Strom- und
Spannungsänderungen in Songo, das mit einer zuverlässigeren Energieübertragung reagiert.
Zum Vergleich: Kommutierungsfehler aufgrund von Eskom-Netzfehlern treten heute ca.
einmal im Monat auf, ursprünglich waren es etwa fünf pro Tag.
Die Stabilität der Übertragung könnte z. B. bei Ausfall eines Pols noch verbessert werden,
wenn die zugelassene Überlastung des verbleibenden Pols erhöht würde (bisher 125 % für
2 s), da dann die nachteiligen Folgen (Frequenzerhöhung, Filterausfall) in Songo vermieden
werden könnten. Für eine solche Maßnahme bestehen bei der Wechselrichterstation keine
Einschränkungen mehr, da die Stromtragfähigkeit der Thyristoren 3.300 A beträgt und 10 s
totaler Kühlungsausfall zugelassen werden. Die Zulässigkeit für Durchführungen,
Gleichspannungsschaltanlage (DC-yard) und Transformatorstufenschalter (Tap-changer) ist
zu überprüfen.
Die Entscheidung für den Umbau der Station Apollo erfolgte einseitig von Eskom im Jahr
2005. In der Ausführungsphase waren diverse Einbrüche bei der zu übertragenden Leistung
die Folge. Die Verfügbarkeit des Systems wurde durch die gleichzeitig laufenden
Reparaturarbeiten an den Transformatoren in Songo weiterhin reduziert.
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Zurzeit (Stand: 2011) ist die Gleichspannungs-Leitung 1 in Südafrika die Leitung mit der
schlechtesten Betriebsstatistik in Bezug auf die Anzahl der Überschläge pro 100 km
(verursacht durch Buschfeuer, Staub, Vögel etc.). Sie hat positive Polarität und läuft mit
533 kV, wogegen Leitung 2 negative Polarität hat und wegen der Traforeparatur in Songo nur
mit 400 kV betrieben wird. Die Polaritätswahl wurde so festgelegt, da auf diese Weise die
bestmögliche Telekommunikation erreichbar ist.
Wegen dauerhafter Trafoausfälle in Songo war Betrieb mit voller Spannung auf beiden Polen
seit Anfang der 1980er Jahre nicht mehr möglich. Beide Stationen haben jeweils eine
Glättungsdrossel verloren. Eskom hat eine neue Drossel bestellt; HCB will Öldrosseln durch
je drei Luftdrosseln/Pol ersetzen. Apollo hat jeweils einen Satz Transformatoren für Brücke
5/6 und 7/8 geordert, um eventuellen Ausfällen vorzubeugen. Zahlreiche Ausfälle an Öl
gefüllten Papier-Gleichspannungs-Durchführungen sowohl in Songo als auch in Apollo
machen Probleme. Eine Reserve ist nicht vorhanden. Apollo hat Druckluftschalter gegen
Feder getriebene SF6-Schalter ersetzt. Daher besteht nur noch geringer Bedarf für Druckluft,
da auch Überstromableiter und Signalübertrager eliminiert wurden. DC-yard-Schaltgeräte
werden weiterhin mit Druckluft versorgt.
In Songo sind die Stromrichter häufig wegen Ausfällen von Impulsverstärkern und
Ventilelektronik gestört. Durchschnittlich war ein Ausfall alle ein bis zwei Wochen zu
verzeichnen. Zwei mal 6-Puls-Betrieb der Brücken in Songo führte zu Filterabschaltungen mit
entsprechender Reduzierung der zu übertragenden Leistung. Der Betrieb mit 533 kV ab 2007
hat nur etwa zu 75 % stattgefunden. In der vorangegangenen Phase war der Anteil noch
geringer wegen zeitlicher Überlappung von Ventil-Reparaturen und Transformator-Fehlern.
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