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2.1.Volksrechte

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Demokratische Rechte:Ist breit zu verstehen und umfasst neben den unmittelbaren Mitwirkungsrechten der Stimmbürger auch die einem weiteren Kreis zustehenden Freiheitsrechte (z.B. Meinungsfreiheit Art. 16 Abs. 1 und 2 BV), ohne die die Ausübung der politischen Rechte nicht möglich wäre.

Politische Rechte(Art. 34 Abs. 1 und 136 Abs. 1 BV) bedeuten die politische Selbstbestimmung und Teilhabe der Bürger an der Staatsgewalt. Sie geben den Stimmberechtigten die Möglichkeit aktiv am politischen Entscheidungsprozess teilzunehmen. Sie zählen als subjektive Rechte zu den Grundrechten.

VolksrechteZu den Volksrechten zählen die einzelnen Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte der Stimmberechtigten als Ganzes. Sie sind als Kompetenzen des Staatsorgans Volk zu sehen und zählen zum Organisationsrecht. Das Wahlrecht, das Initiativrecht und das Referendumsrecht zählen zu den Volksrechten. Volksrechte werden im Folgenden näher dargestellt

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• Wahlrecht– Aktiv: Berechtigung, an der Bestellung von

Staatsorganen teilzunehmen– Passiv: Recht, in ein Amt gewählt zu werden

• Wahlsystem– Majorz: Mehrheitswahlsystem– Proporz: Verhältniswahlsystem

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Beteiligung an VerfassungsgebungObligatorisches Verfassungsreferendum

Art. 140 Abs. 1 lit. a BV Volk und StändeVolksinitiative (Art. 138 ff. BV und 68 ff. BPR)

Verfassung kann jederzeit geändert werden (Art. 192 Abs. 1 BV)Formelle Total- und Teilrevision

Unter der formellen Totalrevision versteht man die Änderung aller Artikel der Verfassung. Wobei es möglich ist, dass neue Artikel inhaltlich mit alten identisch sind. Eine formelle Teilrevision liegt dagegen vor, wenn nur einzelne Artikel der BV geändert werden.

Materielle Total- und TeilrevisionDie materielle Revision stellt auf den Inhalt ab. Bei der materiellen Totalrevision werden eine oder mehrere Grundprinzipien der BV geändert. Bei der materiellen Teilrevision bleiben hingegen die Grundsätze gewahrt, es werden nur Einzelfragen geändert.

Allgemeine Anregung (Art. 99 ParlG)Ausgearbeiteter Entwurf

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Beteiligung an VerfassungsgebungSchranken der Verfassungsrevision

Einheit der Materie (Art. 75 Abs. 2 BPR)Die Einheit der Materie verlangt, dass die einzelnen Teile der Initiative einen sachlichen Zusammenhang aufweisen. Dieser ist gegeben, wenn die Regelungselemente einer Vorlage in einer Zweck-Mittel-Relation zueinander stehen, sie dasselbe Ziel oder eine einheitliche Thematik verfolgen.

Einheit der Form (Art. 75 Abs. 3 BPR)Dieses Erfordernis besagt, dass die Initiative entweder vollständig als ausgearbeiteter Entwurf oder vollständig als allgemeine Anregung eingereicht werden muss.

Beachtung von zwingendem VölkerrechtFaktische Durchführbarkeit

Dieses Gebot besagt, dass eine Initiative, die etwas sachlich, physisch Undurchführbares verlangt nicht zur Abstimmung gebracht werden darf. Die Unmöglichkeit muss offensichtlich sein.

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•PrüfungsfrageDie schweizerische Partei "Für eine freie Schweiz" hat am 15. Februar 2008 die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)" mit insgesamt 212'028 Unterschriften im Bundeshaus eingereicht. Die Initiative hat den folgenden Wortlaut:

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PrüfungsfrageDie schweizerische Partei "Für eine freie Schweiz" hat am 15. Februar 2008 die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)" mit insgesamt 212'028 Unterschriften im Bundeshaus eingereicht.Prüfen Sie, ob die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Aus- schaffungsinitiative)" die verfassungsmässigen Voraussetzungen der Gültigkeit erfüllt. (4 Punkte)

Einheit der Materie (total 1 Punkt) Die einzelnen Teile der Initiative müssen einen sachlichen Zusammenhang aufweisen (Art. 75 Abs. 2 BPR). Der sachliche Zusammenhang gilt als gewahrt, wenn - die Regelungselemente einer Vorlage in einer Zweck-Mittel-Relation zueinander stehen. Das ist vorliegend der Fall, da die Initiative den Zweck, dass keine straffälligen Ausländer in der Schweiz bleiben, in Bezug setzt zum Mittel, dass die rechtskräftig wegen einem schweren Delikt verurteilten Ausländer ausgeschafft werden. Weiter ist erforderlich, dass mit den Regelungselementen dasselbe Ziel verfolgt wird: Ausländer raus, wenn kriminell – Und die Regelungselemente eine einheitliche Thematik verfolgen. I.c. der Fall: Ausländerkriminalität bedeutet "raus aus CH". Fazit: i.c. ist der sachliche Zusammenhang gegeben.

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•PrüfungsfrageDie schweizerische Partei "Für eine freie Schweiz" hat am 15. Februar 2008 die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)" mit insgesamt 212'028 Unterschriften im Bundeshaus eingereicht.Prüfen Sie, ob die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Aus- schaffungsinitiative)" die verfassungsmässigen Voraussetzungen der Gültigkeit erfüllt. (4 Punkte)

Einheit der Form (total 0.5 Punkte): Entweder vollständig als ausgearbeiteter Entwurf oder vollständig als allgemeine Anregung: ist erfüllt, i.c. vollständig ausgearbeiteter Entwurf.

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PrüfungsfrageDie schweizerische Partei "Für eine freie Schweiz" hat am 15. Februar 2008 die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)" mit insgesamt 212'028 Unterschriften im Bundeshaus eingereicht.Prüfen Sie, ob die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Aus- schaffungsinitiative)" die verfassungsmässigen Voraussetzungen der Gültigkeit erfüllt. (4 Punkte)

Beachtung zwingender Bestimmungen des Völkerrechts (ius cogens) (total 2 Punkte); was passiert, wenn der kriminelle Ausländer nach z.B. Somalia zurückgeschafft werden soll?ius cogens = völkerrechtliche Basis-Standards der Völkergemeinschaft, denen sich die CH schlicht nicht entziehen kann und will. Ius Cogens stellt völkerrechtliches Gewohnheitsrecht mit zwingendem Charakter dar, dem sich ein Rechtsstaat nicht durch Berufung auf entgegenstehendes Verfassungsrecht entziehen darf1.Das Non-Refoulement-Prinzip wird durch die Initiative zumindest in Frage gestellt. Im Allgemeinen ist von verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten jene zu wählen, die einerseits dem Sinn und Zweck der Initiative am besten entspricht und andererseits mit dem übergeordneten Recht am ehesten vereinbar erscheint. Kann der Initiative in diesem Rahmen ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, so ist sie gültig zu erklären und der Volksabstimmung zu unterstellen. Der in der Initiative verwendete Ausdruck muss wohl so ausgelegt werden, dass er keine Ausnahmen zulässt; an sich handelt es sich um eine sehr klare, unzweideutige Anweisung.

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PrüfungsfrageDie schweizerische Partei "Für eine freie Schweiz" hat am 15. Februar 2008 die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)" mit insgesamt 212'028 Unterschriften im Bundeshaus eingereicht.Prüfen Sie, ob die Volksinitiative "Ausschaffung krimineller Ausländer (Aus- schaffungsinitiative)" die verfassungsmässigen Voraussetzungen der Gültigkeit erfüllt. (4 Punkte)

faktische Durchführbarkeit (0.5 Zusatzpunkte): undurchführbare Initiativen sollen nicht zur Abstimmung gebracht werden. Eine lediglich rechtlich unmögliche Initiative darf hingegen nicht ungültig erklärt werden. i.c. ist hier die faktische Durchführbarkeit zweifellos gegeben, da schon heute ausgeschafft wird.

Fazit (total 0,5 Punkte): Die Punkte Einheit der Materie, Einheit der Form und faktische Durchführbarkeit sind zweifelsohne gegeben. Die Beachtung der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts hingegen ist umstritten. Das Non-Refoulement-Gebot darf nicht verletzt werden, da es zum zwingenden Völkerrecht gehört. Da die Initiative im Wortlaut klar ist, bleibt für eine freie Auslegung kein Platz.

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• Gehen Sie das gleiche Schema mit Art. 123a BV durch (Verwahrungsinitiative)

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• Gehen Sie das gleiche Schema mit dem Minarettverbot durch– Die Initiative bezweckt im Wesentlichen, dass in

der Schweiz keine Minarette gebaut werden dürfen

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• Beteiligung an Verfassungsgebung– Obligatorisches Verfassungsreferendum

Art. 140 Abs. 1 lit. a BV Volk und Stände– Volksinitiative (Art. 138 ff. BV und 68 ff. BPR)– Beteiligung an der Gesetzgebung und bei

Staatsverträgen• Fakultatives Gesetzesreferendum (Art. 141 Abs. 1

lit. a BV; Art. 59 BPR)• Bundesbeschlüsse: Art. 141 Abs. 1 lit. c BV• Staatsvertragsreferendum

– Obligatorisch: Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften wie UNO, NATO (Art. 140 Abs. 1 lit. b BV)

– Fakultativ: Art. 141 Abs. 1 lit. d BV