Universität Greifswald Institut für Geographie und Geologie
Diplomarbeit im Studiengang Geographie
„Eine diskursanalytische Untersuchung der Darstellung von Bioener-
gie in lokalen Printmedien in Bezug auf die Wahrnehmung und
Einstellung diskursintegrierter Akteure auf Rügen“
Vorgelegt von:
Torsten Klemmstein
Erstgutachterin: Dr. Anne Cristina de la Vega-Leinert
Zweitgutachterin: Prof. Dr. Susanne Stoll-Kleemann
(Lehrstuhl für Nachhaltigkeitswissenschaft und angewandte Geographie)
Greifswald, Januar 2012
II
III
Erklärung zur Diplomarbeit Ich versichere an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit mit dem Thema:
„Eine diskursanalytische Untersuchung der Darstellung von Bioenergie in lokalen Printmedien in Bezug auf die Wahrnehmung und Einstellung diskursintegrierter Akteure auf Rügen“
selbstständig verfasst und keine anderen Hilfsmittel als die angegebenen verwendet habe. Die Stellen, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen sind, habe ich in jedem Falle durch Angaben der Quelle, auch der Sekundärliteratur, als Entlehnung kenntlich gemacht.
Greifswald, den 20. Januar 2012 Torsten Klemmstein
IV
„An grenzenloses Wachstum auf einem Planeten mit begrenzten
Ressourcen glauben nur Verrückte und Ökonomen – leider sind wir
mittlerweile alle Ökonomen.“
Serge Latouche („Kaufen für die Müllhalde“ARTE-Dokumentation)
Danksagung Ich möchte mich bei allen Menschen bedanken, die mir bei der Entstehung dieser Arbeit zur
Seite standen. Zu allererst danke ich meinen beiden Betreuerinnen Frau Prof. Stoll-Kleemann
und Frau Dr. de la Vega-Leinert für ihre anregenden Gespräche. Weiterhin bedanke ich mich
für die Hilfe und Kooperationsbereitschaft bei den Mitarbeitern der Ostseezeitung (Frau De-
grassi, Herr Dr. Oberdörfer und Herr Driest), des Projektes Bioenergieregion Rügen (Frau Dr.
Gehrig, Frau Buchholz, Frau Kewitz und Herr Diederich) und den Akteuren, die mir bereit-
willig für ein Interview zur Verfügung standen. Dank gilt auch Frau Schlender und Herrn
Schnick vom Biosphärenreservat Südost-Rügen.
Vielen Dank an meine Gegenleser: Karen, Anja, Birdy, Caro, Claudi, Tophel, Stefan, Ronald
und Thomas. Vor allem aber danke ich meiner Familie dafür, dass sie die ganze Zeit über zu
mir gehalten hat und für mich da war.
V
Inhaltsverzeichnis ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................VIII
TABELLENVERZEICHNIS .....................................................................................VIII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS....................................................................................X
EINHEITEN UND FORMELZEICHEN ....................................................................... XII
ZUSAMMENFASSUNG .........................................................................................XIII
ABSTRACT .........................................................................................................XIV
1. EINLEITUNG ........................................................................................................1
2. DIE UNTERSUCHUNGSREGION RÜGEN.................................................................5
3. THEORETISCHER HINTERGRUND .........................................................................8
3.1 Diskurstheorie ..............................................................................................8
3.1.1 Diskurstheorie nach Michel Foucault .......................................................................9
3.1.2 Hegemonie- und Diskurstheorie von Laclau und Mouffe........................................11
3.2 Theorie der nachhaltigen Entwicklung und Nachhaltigkeit.......................12
3.2.1 Das Drei-Säulen Modell für nachhaltige Entwicklung ...........................................13
3.2.2 Schwache versus starke Nachhaltigkeit...................................................................15
3.2.3 Effizienz, Konsistenz und Suffizienz.........................................................................16
4. KLIMA, GLOBALE ERWÄRMUNG, KLIMASCHUTZ...............................................20
4.1 Die Bedeutung der erneuerbaren Energien ................................................25
4.2 Energetische Nutzung von Biomasse.........................................................25
4.2.1 Biomasse für die Wärme- und Stromerzeugung ......................................................26
4.2.2 Biomasse für die Kraftstofferzeugung .....................................................................28
4.3 Bioenergiepolitik und rechtliche Grundlagen ............................................29
4.3.1 Bioenergie auf europäischer Ebene ........................................................................29
4.3.2 Bioenergie auf bundesdeutscher Ebene...................................................................30
4.3.3 Bioenergie auf Landesebene MV.............................................................................32
4.4 Bioenergie auf Rügen.................................................................................33
5. METHODIK ........................................................................................................37
5.1. Die Diskursanalyse in der Humangeographie...........................................37
VI
5.1.1 Grundzüge der Grounded Theory - Methodologie ................................................. 38
5.1.2 Auswahl und Aufnahme von Zeitungsartikeln......................................................... 39
5.2 Qualitative Sozialforschung ...................................................................... 42
5.2.1 Qualitative Leitfadeninterviews .............................................................................. 42
5.2.2 Klassifizierung von Akteuren .................................................................................. 43
5.2.3 Transkription der Leitfadeninterviews.................................................................... 45
5.3 Computergestützte Datenanalyse mit Hilfe von ATLAS.ti ...................... 47
6. ERGEBNISSE ..................................................................................................... 49
6. 1 Ergebnisse der Diskursanalyse................................................................. 49
6.1.1 Ergebnisse der Datenaufnahme.............................................................................. 49
6.1.2 Regionaldiskursergebnisse...................................................................................... 50
a) Nutzung fossiler Energien versus erneuerbare Energien........................................ 50
b) Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen und ihre Probleme................................ 53
c) Einspeisung und Umverteilung von Bioenergie....................................................... 55
6.1.3 Lokaldiskursergebnisse........................................................................................... 56
a) Bioenergienutzung und ihre Probleme .................................................................... 56
b) Begründungsmuster für die Relevanz von Bioenergie............................................. 61
c) Rechtliche Einflüsse auf die Bioenergieerzeugung und -nutzung............................ 63
d) Informationsaspekte – wie wird die Bevölkerung über Bioenergie informiert........ 64
e) Hauptakteure im Lokaldiskurs................................................................................. 66
f) Rational wirtschaftliche Deutungsmuster ................................................................ 67
g) Nachhaltigkeitsaspekte im Lokaldiskurs.................................................................. 70
6.2 Ergebnisse der qualitativen Leitfadeninterviews ...................................... 73
6.2.1 Wahrnehmung und Probleme bei der Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen . 73
6.2.2 Reststoffnutzung und ihre Probleme ....................................................................... 76
6.2.3 Wahrnehmung und Probleme von Bioenergieanlagen ........................................... 79
6.2.4 Einfluss der Printmedien......................................................................................... 82
6.2.5 Mentalität, Bereitschaft und Verhalten von Akteuren und der Bevölkerung .......... 83
6.2.6 Interessen und Verhalten im Akteursnetzwerk ........................................................ 86
6.2.7 Bioenergie und Nachhaltigkeit im Akteursdiskurs.................................................. 89
7. DISKUSSION DER ERGEBNISSE .......................................................................... 94
VII
7.1. Ökologische Probleme von Energiepflanzen aus nachhaltiger Sicht .......94
7.1.1 Energiepflanzen-Monokulturen und Alternativen ...................................................94
7.1.2 Intensivanbau von Energiepflanzen ........................................................................97
7.2 Nutzungskonkurrenzen bei der Biomassenutzung und ihre Ursachen ....100
7.2.1 Flächennutzungskonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion ................................100
7.2.2 Flächennutzungskonkurrenz zum Naturschutz ......................................................101
7.2.3 Rational wirtschaftliche Handlungsmuster des primären Sektors im Kontext
gesetzlicher Rahmenbedingungen ..................................................................................103
7.3 Information und Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf eine nachhaltige
Bioenergienutzung .........................................................................................107
8. FAZIT UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ........................................................111
8.1 Handlungsempfehlungen..........................................................................115
8.1.1 Information in lokalen Printmedien und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit ............115
8.1.2 Empfehlungen für das BER-Akteursnetzwerk........................................................116
8.1.3 Optimierung des Konsistenz-Verständnisses.........................................................117
8.1.4 Suffizienzstrategien für Rügen – aktuelle umweltpsychologische Ansätze............118
8.1.5 Empfehlungen für die Bioenergie-Gesetzgebung ..................................................121
GLOSSAR ............................................................................................................122
LITERATURVERZEICHNIS.....................................................................................124
ANHANG ..................................................................................................................i
Anhang I – Kriterienkatalog für die Aufnahme von Zeitungsartikeln in die
Diskursanalyse.....................................................................................................i
Anhang II – Deselektionsbegründungen für aussortierte Artikel ..................... ii
Anhang III – Interviewleitfaden für die qualitativen Interviews ......................vi
Anhang IV – Informationsblatt zum Umgang mit Interviewaufnahmen........ vii
Anhang V – Einwilligungserklärung für die Aufnahme der Interviews........ viii
Anhang VI – Transkriptionsregeln....................................................................ix
Anhang VII - Zeitungsartikel und Transkripte der Interviews (Anhang-CD)
VIII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Insel Rügen ................................................................................................... 5
Abbildung 2: Altersstruktur des Landkreises Rügen in 2010.................................................... 6
Abbildung 3: Funktionsweise einer Biogasanlage................................................................... 27
Abbildung 4: Bioenergieanlagen auf Rügen............................................................................ 35
Abbildung 5: Verbreitungsgebiet der Ostsee-Zeitung ............................................................. 40
Abbildung 6: Artikel-Hits nach Stichworten und Diskursen ................................................... 49
Abbildung 7: Bestehende und geplante Biogasanlagen auf Rügen ......................................... 59
Abbildung 8: Haupteinflussfaktoren für die Akzeptanz von Biogasanlagen auf Rügen ......... 79
Abbildung 9: Feldfrüchte im Hauptanbau auf Rügen in % der Ackerfläche in 2007.............. 95
Abbildung 10: Nutzviehbestand pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche auf Rügen . 96
Abbildung 11: Entwicklung des Ökolandbaus auf Rügen ....................................................... 99
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Leitlinien und Maßnahmen der Strategie „Energieland 2020“............................... 32
Tabelle 2: Biomassepotentiale auf Rügen................................................................................ 34
Tabelle 3: Biogasanlagen und ihre Inputstoffe auf Rügen....................................................... 36
Tabelle 4: Zeitungsartikelkodierung ........................................................................................ 41
Tabelle 5: Klassifizierung der Akteure für die qualitativen Leitfadeninterviews.................... 44
Tabelle 6: Kritik an NawaRo und Argumentationsmuster im Regionaldiskurs ...................... 54
Tabelle 7: Probleme der Biomassenutzung und von Biogasanlagen im Lokaldiskurs ............ 57
Tabelle 8: Möglichkeiten und Hindernisse bei der Reststoffnutzung (Lokaldiskurs) ............. 60
Tabelle 9: Begründungsmuster für die Relevanz von Bioenergie im Lokaldiskurs ................ 62
Tabelle 10: Informationsquellen zum Thema Bioenergie im Lokaldiskurs ............................ 64
Tabelle 11: Hauptakteure des Lokaldiskurses ......................................................................... 66
Tabelle 12: Imagegewinn und Standortvorteil durch Bioenergie im Lokaldiskurs ................. 67
Tabelle 13: Wettbewerb um Bioenergie im Lokaldiskurs ....................................................... 67
Tabelle 14: Profit- und Wachstumsdenken in Bezug auf Bioenergie im Lokaldiskurs........... 68
Tabelle 15: Suffizienz und Effizienz im Lokaldiskurs ............................................................ 71
Tabelle 16: Einfluss von möglichen Monokulturen auf Rügen ............................................... 73
Tabelle 17: Flächenkonkurrenz zu Naturschutz und Nahrungsmittelproduktion .................... 74
IX
Tabelle 18: Rational wirtschaftliche Begründungen und Förderung von Bioenergie ..............75
Tabelle 19: Aspekte der Holznutzung auf Rügen.....................................................................76
Tabelle 20: Aspekte der Reststoffnutzung auf Rügen ..............................................................77
Tabelle 21: Wirtschaftlichkeit der Reststoffnutzung................................................................78
Tabelle 22: Haupteinflussfaktoren für die Akzeptanz von Biogasanlagen auf Rügen.............80
Tabelle 23: Einfluss der Printmedien .......................................................................................82
Tabelle 24: Gegeninformation des BER-Netzwerks und Kooperation mit lokalen Zeitungen 83
Tabelle 25: Mentalität der Bevölkerung und mangelnde Bereitschaft zur Partizipation .........84
Tabelle 26: Bereitschaft von Akteuren zur Kooperation und Investition.................................85
Tabelle 27: Aspekte der sozialen Konsistenz ...........................................................................89
Tabelle 28: Aspekte der stofflichen Konsistenz .......................................................................91
Tabelle 29: Aspekte der Energieeffizienz und -einsparung......................................................92
X
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
AF Ackerfläche
AG Aktiengesellschaft
BER Bioenergieregion (auch als Akteur des Netzwerkprojekts Bioenergieregion
Rügen)
BfN Bundesamt für Naturschutz
BGA(n) Biogasanlage(n)
BHKW Blockheizkraftwerk
Biokraft-NachV Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Bio-
kraftstoffen (Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung)
BioKraftQuG Gesetz zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtli-
cher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz)
BiomasseV Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse (Biomasseverord-
nung)
BioSt-NachV Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von flüssi-
ger Biomasse zu Stromherstellung (Biomassestrom-Nachhaltigkeitsver-
ordnung)
BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
BR Biosphärenreservat
BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
C4 C4 Energie AG (Abkürzung im Lokaldiskurs)
dt. deutsch
DVL Deutscher Verband für Landschaftspflege
ebd. ebenda
EE Erneuerbare Energien
EEG Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-
Gesetz)
EE-RL Erneuerbare Energien Richtlinie der europäischen Union
EEWärmeG Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-
Energien-Wärmegesetz)
XI
EWE Energieversorgung Weser-Ems
FNR Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe
FÖJ freiwilliges ökologisches Jahr
GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GmbH & Co. KG Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft
GVO Gentechnisch veränderte Organismen
iLUC indirect land use change (dt.: indirekte Landnutzungsänderung) (siehe auch
Glossar)
IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change (dt.: Zwischenstaatlicher Aus-
schuss für Klimaänderungen)
IT Informationstechnik
KH Kreishandwerkerschaft (Abkürzung im Lokaldiskurs)
KHW Kreishandwerkerschaft (Abkürzung als Akteur)
LF landwirtschaftlich genutzte Fläche
MAB Man and Biosphere
MAP Madrid Action Plan (dt.: Madrider Aktionsplan)
Mio. Million(en)
MV Mecklenburg-Vorpommern
NABU Naturschutzbund Deutschland
NawaRo Nachwachsende Rohstoffe (siehe auch Glossar)
RHT Rügen Haustechnik (Abkürzung im Lokaldiskurs)
RL Richtlinie
RPNV Rügener Personennahverkehr
SRU Sachverständigenrat für Umweltfragen
STATBA Statistisches Bundesamt
STATLA Statistisches Landesamt
StAUN Staatliches Amt für Umwelt und Natur
THG Treibhausgas(e)
TVR Tourismusverband Rügen (Abkürzung im Lokaldiskurs)
UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (dt.: Orga-
nisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur)
Vgl. Vergleiche
XII
WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung globale Umweltveränderun-
gen
WI Wuppertal Institut für Umwelt und Energie
WMO World Meteorological Organization (dt.: Weltorganisation für Meteorologie)
z.B. zum Beispiel
ZWAR Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen
Einheiten und Formelzeichen
a Jahr
fm Festmeter (Ein fm entspricht einem m³ fester Holzmasse ohne Zwischenräume in der
Schichtung)
ha Hektar
K Kelvin (0 ºC = 273 K)
KWh Kilowattstunden
m² Quadratmeter
min Minuten
MW Megawatt
ºC Grad Celsius
Q Energieflussdichte
sec Sekunden
t Tonne
T Temperatur
TWh Terrawattstunden
W Watt
ε Emissionsvermögen (im Fall eines idealen Schwarzen Körpers ist ε = 1)
λmax maximale Wellenlänge (Wellenlänge, bei der die Intensität pro Wellenlängenintervall
maximal ist)
µm Mikrometer
σ Stefan-Boltzmann-Konstante (5,67*10-8 Wm-2K-4)
XIII
Zusammenfassung
Der anthropogene Klimawandel schreitet voran. So postulieren Wissenschaft und auch die
Medienwelt. Bioenergie gilt als eine von vielen erneuerbaren Energien, welche einer gefährli-
chen CO2-Konzentration in unserer Erdatmosphäre entgegen wirken soll. Sie ist aber auch –
wie keine andere Energie – Sinnbild für die Dezentralisierung der Energiewirtschaft. Für die-
se Dezentralisierung muss jedoch erstens die Akzeptanz von regionalen Bevölkerungsgruppen
verstärkt werden. Und zweitens muss die Bioenergieerzeugung in Bezug auf geschlossene
Stoffkreisläufe nachhaltig erfolgen. Als Sieger des Bundeswettbewerbs „Bioenergieregionen“
eignet sich der Landkreis Rügen vortrefflich für eine Untersuchung der Nachhaltigkeit von
Bioenergie und der ihr erbrachten Akzeptanz auf regionaler Ebene.
Da Bioenergie eine Vielzahl von Politikbereichen und Interessen berührt, wurde in der vorlie-
genden Arbeit die Methode der Diskursanalyse von Zeitungsartikeln gewählt. Dies geschah
unter der Annahme, dass in lokalen Printmedien eine Vielzahl von Interessen vertreten sind,
aber durch sie auch ähnlich viele Meinungen in der Lokalbevölkerung ausgebildet werden.
Als Spiegel für dieses lokale Meinungsbild sollten regionale Akteure der Bioenergieregion
Rügen fungieren. Ihre Wahrnehmung und Einstellung gegenüber der regionalen Bioenergie-
nutzung wurde mit Hilfe von qualitativen Leitfadeninterviews ermittelt. Die Ergebnisse beider
Methoden wurden in Beziehung gesetzt. Insgesamt wurden 261 Zeitungsartikel aus zwei Zei-
tungen und die Transkripte von neun Interviews mit Akteuren untersucht.
Ziel dieser Arbeit war es herauszufinden, in welcher Weise die Bioenergienutzung auf Rügen
unter nachhaltigen Gesichtspunkten und auf der Basis von Information und Netzwerkarbeit
optimiert werden kann. Dazu wurden Parameter ermittelt, die einer nachhaltigen Bioenergie-
nutzung entgegenwirken. Hierunter zählt eine unneutrale und pauschalisierte Bericherstattung
der Printmedien. Nutzenmaximierung und Wettbewerbsstreben sind sowohl in der medialen
Berichterstattung als auch unter den Akteuren ausschlaggebende Deutungssmuster. Durch sie
resultiert ausgeprägtes Misstrauen und eine mangelnde Kooperationsbereitschaft, welche sich
auf die traditionellen Werte und Normen der Lokalbevölkerung aufsummieren. Das wirt-
schaftliche Prinzip, welches als Effizienz auch Eingang in den gängigen Nachhaltigkeitsstra-
tegien gefunden hat, unterwandert den Nachhaltigkeitsbegriff unnachhaltig. Die Nutzung von
biogenen Reststoffen ist bisweilen nicht wirtschaftlich. Gleichzeitig wird eine Intensivierung
der Landwirtschaft forciert, die auch Nutzungskonkurrenzen nicht ausschließt. Klimaschutz-
ziele müssen in erster Linie durch den Ausbau von Bioenergie erfüllt werden. Ein bewusstes
Verständnis von absoluter Energie- und Ressourceneinsparung ist nicht ausgeprägt.
Auf Basis der Ergebnisse wurden Empfehlungen an das Netzwerkprojekt Bioenergieregion
Rügen und seine Akteure gegeben. Durch neutrale Medien- und Öffentlichkeitsarbeit muss
das nötige nachhaltige Praxiswissen bei Akteuren und Lokalbevölkerung geschaffen werden.
Zugleich muss sich der Akteursdialog auf eine interdisziplinäre, transparente, beteiligungsori-
entierte und vertrauenswürdige Zusammenarbeit ausrichten.
XIV
Abstract
The anthropogenic climate change is processing. That’s the declaration of sciences and the
mediaworld. Bioenergy stands as one of many renewable energies, which shall counteract
against a hazardous CO2-concentration in our earth atmosphere. Like no other energy, it is
also a symbol for the decentralization of our energy industry. For this decentralization firstly
the acceptance of regional population groups has to strengthen. And secondly the bioenergy
use has to be sustainable in the meaning of closed material circles. As the winner of the na-
tional contest “Bioenergy Regions” the administrative district of Rügen is a good choice for a
research of the sustainability of bioenergy use and its acceptance in regional level.
Because bioenergy influence various political sectors and interests, in this research the
method of discourse-analyses was chosen. It was the assumption, that local print medias fea-
ture a multitude of interests, but also cultivate similar much opinions in the local population.
As a reflection for this spectrum of opinions regional stakeholders of the Bioenergy Region
Rügen shall act. Their perception and attitude of regional bioenergy use were identified with
the help of qualitative guided interviews. The results of both methods were correlated to each
other. All in all 261 newspaper articles of two newspapers and the transcripts of nine stake-
holder interviews were evaluated.
It was the aim of this research, to find a way to optimize the bioenergy use at Rügen in
reference to sustainable factors and on the basis of information and networking. Referring to
this, parameters were detected, which counteract a sustainable bioenergy use. This contains a
biased and trivialized representation in print medias. The maximization of profits and a
competitive ambition are determining interpretative patterns in the media coverage as well as
in the stakeholder dialogue. They result in a distinctive mistrust and a lacking willingness to
cooperate, which add to traditional ethical values and standards of the local population. The
economic principle, which also encroach on current sustainability-strategies as efficiency,
subvert the idea of sustainability in an unsustainable way. The use of biogenic residual
materials is uneconomical. At the same time an intensification of the agriculture, which also
includes utilization rivalries, is accelerated. Primarily the aims of climate protection have to
be implemented by the expansion of bioenergy use. A conscious understanding of absolute
energy- and resource-reductions is not distinctive.
In consideration of the results, suggestions were given to the network of the Bioenergy
Region Rügen and its stakeholders. A mix of neutral media representation and public relations
shall create the required practical knowledge of sustainable bioenergy use among the
stakeholders and the local population. Simultaneously the stakeholder dialogue has to align
with a interdisciplinary, transparent, participatory and trustable cooperation.
1
1. Einleitung
Die Erde erwärmt sich und der anthropogene CO2-Ausstoß in die Atmosphäre, welcher haupt-
sächlich durch die Nutzung fossiler Brennstoffe vorangetrieben wird, ist dafür mitverantwort-
lich – so deklarierte 2007 die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger des Zwi-
schenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC 2007, S. 2ff.). Erneuerbare Ener-
gien (EE) sollen unter anderem als Strategie gegen einen steigenden CO2-Ausstoß und als
Substitut für fossile Energien weltweit implementiert werden um einen gefährlichen Klima-
wandel zu vermeiden. Für die Einführung von EE in Europa steht hierfür stellvertretend auf
institutioneller Ebene die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EE-RL 2009/28/EG). Hier wird
als Hauptziel festgelegt, bis 2020 20 % des gesamten Energieverbrauchs der europäischen
Gemeinschaft aus erneuerbaren Quellen zu versorgen, wobei der Anteil im Verkehrssektor zu
mindestens 10 % aus erneuerbaren Kraftstoffen gedeckt werden soll (Art. 5 EE-RL).
Erneuerbare Energien kann man definieren als Energiequellen, die durch die Kraft der Sonne
regeneriert werden und nicht fossilen Ursprungs sind – durch die Nutzung wird ihre Quelle
nicht erschöpft (HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 30f.). Hierzu zählen Solarkraft, Windener-
gie, Wasserkraft, Geothermie und Bioenergie. Der große Vorteil von EE ist, dass sie weniger
CO2-Emissionen freisetzen als fossile Energieträger wie Öl, Gas oder Kohle. Damit verrin-
gern sie relativ den Einfluss des Menschen auf die globale Erwärmung (ebd., S. 13).
Allerdings haben EE auch Nachteile (ebd., S. 13ff.). Einer davon resultiert etwa aus den de-
zentralen und vielzahligen Anlagen, aus denen sich lokale Widerstände wie das NIMBY-
Phänomen („not in my backyard“) meist aufgrund ästhetischer Einschränkungen entwickeln
können (HIRSCHL 2010, S. 49). Hinzu kommen eine eventuelle Versorgungsunsicherheit und
ökologische Probleme (HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 19).
In dieser Arbeit soll der Forschungsbereich auf die Bioenergieerzeugung und -nutzung einge-
schränkt werden. Unter Bioenergie versteht man alle Arten von Energie, die aus Biomasse
gewonnen werden. Durch die energetische Nutzung von Biomasse wird nur soviel CO2 wie-
der frei gesetzt, wie durch das Wachstum der Pflanzen gebunden wurde (SRU 2007, S. 99).1
Bioenergie ist im Forschungsgedanken besonders interessant, da durch eine Vielzahl an Nut-
zungspfaden von Biomasse das gesamte energetische Spektrum von Wärmeenergie, über
elektrischen Strom, bis hin zu Kraftstoffen abgedeckt werden kann (HENNICKE & FISCHEDICK
2010, S. 14; 57). Des Weiteren berührt die Bioenergieerzeugung eine Vielzahl von Interessen
und Politikfelder, neben Energie-, Landwirtschafts- und Klimapolitik auch Umwelt-, Ver-
kehrs-, Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik (WBGU 2008, S. 227).
Eine Untersuchung ist notwenig, weil eine Diskrepanz zwischen der Klima schonenden Funk-
tion von Bioenergie und einer lokalen Akzeptanz besteht. So sind Schlagzeilen in der lokalen
Presse wie „Ablehnung zur Biogasanlage“ (Art. 079) oder „Gingster Touristiker fürchten
1 Unter der Vorrausetzung, dass man Dünge-, Transport- und Umwandlungsemissionen nicht mitrechnet.
2
Gestank“ (Art. 06) beispielhaft für einen lokal entwickelten Widerstand im Sinne des NIM-
BY-Phänomens. Aus diesem Grunde soll die vorliegende Arbeit zum Verständnis dieser Dis-
krepanz beitragen, in dem sie Faktoren für das Akzeptanzproblem auf regionaler Ebene unter-
sucht. Hierfür wurde Rügen als Fallstudienregion ausgewählt.
Die Region Rügen ist in zweierlei Hinsicht geeignet für eine Untersuchung. Erstens ist der
Naturraum Rügen identisch mit der Gebietsfläche des Landkreises Rügen.2 Zweitens ist die
Region Rügen nach dem Gewinn eines Bundeswettbewerbs des Bundesministeriums für Er-
nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) seit März 2009 offiziell eine von
25 Bioenergieregionen in Deutschland. Damit hat sich Rügen zur Aufgabe gemacht, bis 2020
seinen Primärenergiebedarf zu einem Drittel aus Biomasse zu decken (FNR 2010a, S. 21).
Unter der Annahme, dass die mediale Darstellung und Information einen großen Einfluss auf
die Wahrnehmung und Einstellung gegenüber Bioenergie haben kann, wurde in dieser Arbeit
der Ansatz der Diskursanalyse lokal und regional erscheinender Zeitungsartikel gewählt. Kel-
ler (2011) definiert Diskurse als „abgrenzbare, situierte, bedeutungskonstituierende Ereignisse
bzw. Praktiken des Sprach- und Zeichengebrauchs durch gesellschaftliche Akteure“ (KELLER
2011, S. 66). In der Diskursanalyse werden diese Ereignisse und Praktiken rekonstruiert. Was
und wie man über ein Thema spricht, spielt eine große Rolle für den politischen Prozess und
die Institutionalisierung von Gesetzen und Verordnungen. Daher ist es sehr wichtig zu verste-
hen, was und wie über Bioenergie gesprochen wird. Als theoretischer Hintergrund sollen hier
die Diskurstheorie von Foucault, sowie die Hegemonie- und Diskurstheorie von Laclau und
Mouffe dienen.
In Bezug auf die Nutzung von Biomasse und ihre Darstellung in den Printmedien soll zusätz-
lich die Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs betrachtet werden. In dieser Arbeit soll unter
Nachhaltigkeit der Begriff der starken Nachhaltigkeit von Ott (2008; 2010) verstanden wer-
den. Im Kontext der Biomassenutzung ist Nachhaltigkeit damit so zu verstehen, dass „regene-
rierbare lebende Ressourcen […] nur in dem Maße genutzt werden [dürfen], wie Bestände
natürlich nachwachsen“ (OTT 1999, S. 15). Nachhaltige Entwicklung beschreibt dagegen ei-
nen Prozess. Der Brundtland-Bericht gibt sustainable development in der deutschen Fassung
wie folgt wieder: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegen-
wart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht
befriedigen können.“ (HAUFF 1987, S. 46).3 In diesem Zusammenhang wird die Hypothese
gestellt, dass die Bioenergieerzeugung auf Rügen sich aufgrund ökologischer Einschränkun-
gen nicht nachhaltig entwickelt.
Da die Bioenergie teilweise auf der Nutzung von Energiepflanzen basiert, welche auf land-
wirtschaftlichen Flächen angebaut werden, besteht auch die Forschungsrelevanz herauszufin-
den, wie dieser Anbau unter nachhaltigen Aspekten gewährleistet oder ob er gegebenenfalls
2 Dieser heißt seit der Kreisgebietsreform 2011 nun aber Vorpommern-Rügen (vgl. Kapitel 2) 3 Für eine detaillierte Erklärung von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung siehe Kapitel 3.2
3
durch die Nutzung von Reststoffen ersetzt werden kann. Hier kann es zu Konkurrenzen mit
anderen Bodennutzungsformen kommen. Gesellschaftliche und damit diskursive Diskussio-
nen über die Nutzungsprobleme von Biomasse beeinflussen sowohl die Wahrnehmung der
regionalen Bevölkerung und Akteure als auch eine nachhaltige Implementierung. Die diskur-
siven Diskussionen wiederum, können durch die Berichterstattung in lokalen Medien beein-
flusst werden, so eine weitere Hypothese.
Es wird erwartet, dass die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie auf Rügen im Kontext der
Nachhaltigkeit optimiert werden kann. Es wird weiterhin erwartet, dass dieser Aspekt auf-
grund des Fehlens von Information, bzw. wegen Fehlinformation gar nicht so wahrgenommen
wird und dass andere Themen als wichtiger empfunden werden. In diesem Sinne ist es das
Ziel dieser Arbeit, auf Information und Netzwerkarbeit basierende Wege und Lösungen zu
einer nachhaltigen Bioenergienutzung auf Rügen aufzuzeigen. Dafür sollten diskurstheoreti-
sche Parameter und ihre Wirkungsweisen ermittelt werden, die einer nachhaltigen Bioener-
gienutzung entgegen stehen. Durch die Ergebnisse soll ein wichtiger Beitrag für die Mensch-
Umwelt-Forschung und für eine interdisziplinäre Diskursforschung hin zu ökologischen
Themen geleistet werden. Unter der Annahme der bisherigen Überlegungen entwickelte sich
folgende, dieser Arbeit zu Grunde liegende Fragestellung:
Auf welche Art müssen diskursive Bedingungen verändert werden, um die Bioenergieerzeu-
gung und –Nutzung in der Region Rügen unter nachhaltigen Gesichtspunkten zu optimieren?
Neben der Diskursanalyse von Zeitungsartikeln über die Thematik, sollen mit Hilfe einer
zweiten qualitativen Datenaufnahme diskursintegrierte Akteure zu ihrer Wahrnehmung und
Einstellung gegenüber der Bioenergienutzung auf Rügen befragt werden. Dies sollte auch als
Spiegel des Meinungsbildes der lokalen Bevölkerung dienen. Diese zweite Untersuchungsme-
thode erfolgte durch qualitative Leidfadeninterviews. Um die Art der Implementierung von
Bioenergie und ihre Folgen für die Region sichtbar zu machen, wurden zu dem genauer die
einzelnen Interessen der Akteure beleuchtet. Basierend auf den zwei angenommenen Metho-
den und den Vorüberlegungen, ergaben sich folgende spezifische Forschungsfragen, deren
Untersuchung zu einer schrittweisen Beantwortung der Hauptfragestellung führen soll.
1. Wie äußert sich die Berichterstattung über Bioenergie in den lokalen Printmedien auf Rü-
gen allgemein und in Bezug auf Nachhaltigkeit?
2. Wie konstituiert sich die Wahrnehmung und Einstellung diskursintegrierter Akteure gegen-
über der Bioenergienutzung auf Rügen?
3. In welcher Weise hemmen diskurstheoretische Parameter eine nachhaltige Implementie-
rung von Bioenergie in der Region Rügen?
Der weitere Aufbau der Arbeit stellt sich wie folgt dar: Im anschließenden Kapitel 2 soll zu-
nächst die Untersuchungsregion Rügen geographisch näher vorgestellt werden.
4
Anschließend wird In Kapitel 3 der theoretische Hintergrund eindringlicher beleuchtet. Hier
wird zuerst auf zwei Ansätze der Diskurstheorie (Abschnitt 3.1) und anschließend auf die
Theorie und den Diskurs der Nachhaltigkeit und nachhaltigen Entwicklung eingegangen (Ab-
schnitt 3.2). Für die Untersuchung besonders ausschlaggebend soll die Diskussion der drei
Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz sein (Abschnitt 3.2.3).
Im Anschluss wird in Kapitel 4 erklärt, was in unserer heutigen Zeit als Klimawandel, globale
Erwärmung und Klimaschutz verstanden wird. Danach wird die Bedeutung von EE allgemein
(Abschnitt 4.1) und Bioenergie im Speziellen (Abschnitt 4.2) wiedergegeben. An dieser Stel-
le wird auch erklärt, welche Nutzungspfade sich bei Biomasse ergeben bzw. welche Biomasse
energetisch genutzt werden kann (Abschnitt 4.2.1-4.2.2). Nachfolgend sollen die politischen
und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bioenergienutzung auf europäischer, bundes-
deutscher Ebene und Landesebene Mecklenburg-Vorpommern (MV) erklärt werden (Ab-
schnitte 4.3-4.3.3). Das Kapitel schließt ab mit einer Vorstellung der Biomassenutzung auf
Rügen im Kontext der Bioenergieregion (Abschnitt 4.4).
Nachfolgend gibt Kapitel 5 die methodischen Annahmen und Vorgehensweisen dieser Arbeit
wieder. Hier wird genau erklärt wie beispielsweise Zeitungsartikel aufgenommen und katalo-
gisiert (Abschnitt 5.1.3) oder Interviews geführt und transkribiert wurden (Abschnitt 5.2.1-
5.2.3). Auch die Analyse der Daten mit Hilfe des Programms ATLAS.ti wird an dieser Stelle
beschrieben (Abschnitt 5.3).
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden in Kapitel 6 die Ergebnisse der Untersuchungen
aufgeführt. Hierbei ist nach Ergebnissen der Diskursanalyse (Abschnitt 6.1) und Ergebnissen
der Befragung von Akteuren (Abschnitt 6.2) unterschieden worden.
In der nachfolgenden Diskussion (Kapitel 7) wurden spezifische Ergebnisse in Bezug zu theo-
retischen Annahmen und zum wissenschaftlichen Forschungsstand gesetzt. Hierbei wurden
zum einen ökologische Effekte von Energiepflanzen auf Rügen (Abschnitt 7.1), weiterhin
Flächennutzungskonkurrenzen zur Nahrungsmittelproduktion und zum Naturschutz und ihre
Ursachen (Abschnitt 7.2) und letztlich die mediale Information im Vergleich zur vorherr-
schenden Öffentlichkeitsarbeit (Abschnitt 7.3) aufgegriffen.
Am Ende dieser Arbeit soll im Fazit (Kapitel 8) zusammenfassend die Beantwortung der For-
schungsfragen erfolgen. Weiterhin soll die Hauptfragestellung mit Hilfe von Handlungsemp-
fehlungen für das Netzwerkprojekt Bioenergieregion Rügen sowie seine Akteure und für die
Bioenergie-Gesetzgebung beantwortet werden.
5
2. Die Untersuchungsregion Rügen
Rügen war bis zur Kreisgebietsreform 2011 der einzige Landkreis Deutschlands dessen
Kreisgrenze gleichzeitig Küstenlinie ist (FNR 2010a, S. 21). Der neue Landkreis heißt seit
dem 4. September 2011 nun Vorpommern-Rügen. Da die Untersuchungsregion während der
Datenaufnahme aber noch Landkreis Rügen hieß, soll hier der frühere Landkreis Rügen in der
Präsensform vorgestellt werden.
Rügen ist mit einer Fläche von 97.456 ha der flächenmäßig kleinste Landkreis in MV aber
auch der nordöstlichste Landkreis Deutschlands (KREISHANDWERKERSCHAFT RÜGEN 2008,
S. 3). Gleichzeitig ist Rügen – exponiert in der Ostsee gelegen – die größte Insel Deutsch-
lands. Zum Landkreis gehören weiterhin die Inseln Ummanz und Hiddensee und eine Reihe
weiterer kleinerer Inseln (vgl. Abbildung 1).
Die Flächennutzung verteilt sich auf 17 % Waldfläche, 69 % Landwirtschaftsfläche (davon
11 % Dauergrünland) und 8 % Siedlungs- und Verkehrsfläche – aus dieser Sicht ist der Land-
wirtschaftssektor dominierend (FNR 2010a, S. 21). Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird
von einer Vielzahl von Betrieben bewirtschaftet. Hierzu gehören unter anderem 113 Haupt-
und Nebenerwerbsbetriebe (13.304 ha), 43 GbR (13.989 ha), drei Genossenschaften
(7.146 ha) und 27 GmbHs (23.959 ha) (KREISHANDWERKERSCHAFT RÜGEN 2008, S. 4).
4 Quelle: http://www.einfach-schoener-inseln.de/ruegen.jpg (eingesehen am 14.09.2011), veränderte Darstellung
Abbildung 1: Die Insel Rügen4
6
Ende 2010 lebten auf Rügen 67.526 Menschen. Damit verlor der Landkreis seit der Wieder-
vereinigung rund 21 % seiner Bevölkerung. Es ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von
69 Einwohner pro km2 (Quelle: STATLA MV). Die Bevölkerungsstruktur des Landkreises
Rügen ist aus Abbildung 2 ersichtlich. Demnach sind annährend zwei Drittel der Einwohner
älter als 40 Jahre.
Gemessen an der Bruttowertschöpfung von Rügen mit 1.218 Mio. € im Jahr 2009 ist der
Dienstleistungsbereich mit einem Anteil von 84,3 % der stärkste Sektor. Es folgen das produ-
zierende Gewerbe mit 10,6 % und die Land-, Forstwirtschaft und Fischerei mit 5,1 % (STAT-
LA MV 2011, S. 50f.). Die Stärke des Tourismus im Dienstleistungssektor lässt sich durch
Handel, Gastgewerbe und Verkehr (32,3 %) sowie die öffentlichen und privaten Dienstleister
(27,7 %) ausmachen (ebd., S. 50f.).
Administrativ gliedert sich der Landkreis Rügen in drei amtsfreie Gemeinden (Binz, Putbus,
Sassnitz) und die vier Ämter Bergen auf Rügen, Mönchgut-Granitz, Nord- und Westrügen.
Rügens Kreisstadt Bergen auf Rügen zählt 14.030 Einwohner (Dezember 2010). Die insge-
samt 42 Gemeinden reichen von einer Einwohnerzahl von 238 in Buschvitz bis 10.366 in
Sassnitz (Quelle: STATLA MV). Rügen selbst hat kein eigenes Oberzentrum – es liegt aber im
Einzugsbereich des Oberzentrums Greifswald/Stralsund. Bergen und Sassnitz haben den Sta-
tus eines Mittelzentrums.
Bei der Verkehrsinfrastruktur ist für den Straßenverkehr als erstes die Bundesstraße 96 zu
nennen, die einen Großteil der Insel erschließt. Mit der Fertigstellung der Rügenbrücke im
Jahr 2007 ist neben dem Rügendamm die Überfahrt nach Rügen ausgebaut worden. Beim
Schienenverkehr führt eine zweigleisige, elektrifizierte Verbindung von Stralsund bis nach
Lietzow, rund 11 km nordöstlich von Bergen. Weitere Verbindungen von Lietzow bis nach
Sassnitz und Binz sind eingleisig. Darüber hinaus befindet sich in Güttin (Gemeinde Dresch-
5 Eigene Darstellung; Quelle: STATLA MV
Altersstruktur Landkreis Rügen
23,1%
41,6%
22,9%
12,4%
unter 18
18-39
40-64
über 65
Abbildung 2: Altersstruktur des Landkreises Rügen in 20105
7
vitz) ein regionaler Flugplatz und es existieren Fährverbindungen von Sassnitz bis nach Trel-
leborg (Schweden), Klaipėda (Litauen), Sankt Petersburg (Russland) und zur Ostseeinsel
Bornholm (Dänemark).
Annährend 45 % der Inselfläche besitzen Schutzgebietsstatus. Es existieren der Nationalpark
Jasmund im Nordosten von Rügen, der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft am
Westrand von Rügen und einem Großteil von Hiddensee sowie das Biosphärenreservat (BR)
Südost-Rügen südöstlich im Bereich Mönchgut-Granitz gelegen. Darüber hinaus gibt es
25 Naturschutzgebiete, drei Landschaftsschutzgebiete sowie eine Vielzahl an Vogelschutz-
und FFH-Gebieten und Landschaftsteile die dem europäischen Schutzgebietssystem NATU-
RA 2000 zugehörig sind (KREISHANDWERKERSCHAFT RÜGEN 2008, S. 4).
8
3. Theoretischer Hintergrund
In diesem Kapitel soll die Relevanz und Anwendung von zwei Theoriebezügen für diese Ar-
beit erklärt werden. Zum einen handelt es sich hierbei um die Diskurstheorie, deren Grundzü-
ge und Hauptmerkmale nach Foucault in Abschnitt 3.1.1 erläutert werden. Eine Weiterent-
wicklung, die auch für die vorliegende Thematik dieser Arbeit interessant ist, wird durch die
Hegemonie- und Diskurstheorie von Laclau und Mouffe in Abschnitt 3.1.2 erklärt.
Den zweiten theoretischen Rahmen für diese Arbeit bildet die Theorie der Nachhaltigkeit und
nachhaltigen Entwicklung, welche in Abschnitt 3.2 thematisiert wird. Zunächst wird kurz auf
die Begriffsentstehung sowie die politische Implementierung eingegangen, um danach zum
Konzept des Drei-Säulen-Modells nachhaltiger Entwicklung (Abschnitt 3.2.1) überzuleiten.
Nachfolgend wird die Kontroverse schwache versus starke Nachhaltigkeit (Abschnitt 3.2.2)
diskutiert. Was für die Untersuchungsmethoden dieser Arbeit besonders wichtig sein soll,
sind die Umsetzungsstrategien von nachhaltiger Entwicklung, welche in Abschnitt 3.2.3 ver-
deutlicht werden.
3.1 Diskurstheorie
Wenn man Raum, aufgrund der Menschen, die in ihm Leben, und ihrer Interessen und Mei-
nungen, als gesellschaftlich konstruiert und nicht objektiv gegeben annimmt, lässt sich die
Plausibilität der Diskurstheorie für diese Untersuchung erklären. Und wenn wir sehen, dass
sich auch innerhalb des Energiesektors verschiedene Meinungen und Interessengruppen aus-
gebildet haben, lässt sich der Diskursansatz auch zu dieser Thematik heranziehen. Die Fragen,
welche mit Hilfe der Diskurstheorie gerade in Bezug auf die Untersuchungsregion Rügen
diskutiert werden sollen, sind folgende: Wie äußert sich die Berichterstattung über Bioenergie
und in welcher Weise manifestiert sich daraus die Wahrnehmung diskursintegrierter Akteure?
Wo bestehen Gemeinsamkeiten bzw. wo haben sich Unterschiede und Widersprüche entwi-
ckelt und welche Aspekte werden nicht thematisiert. Diese Arbeit untersucht die Darstellung
einer Thematik, welche durch die Institution der Printmedien (und anderer Institutionen)
fortwährend Subjekte und Interessen produziert und reguliert. Regional erscheinende Zeitun-
gen können auf der Maßstabsebene der Region für die Untersuchung der Herausbildung von
spezifischen lokalen und überregionalen Diskursformationen herangezogen werden. Deshalb
ist die Diskurstheorie, die auf der Basis von Wissen, Macht und Subjekt konstituiert ist, sehr
gut geeignet, um für die Untersuchung von Zeitungsartikeln angewandt zu werden.
9
3.1.1 Diskurstheorie nach Michel Foucault
Mit Hilfe der Diskurstheorie von Michel Foucault soll in diesem Abschnitt der Begriff des
Diskurses und seine wichtigsten Schwerpunkte erläutert werden. Zunächst: Was ist überhaupt
ein Diskurs? Ausgehend vom Strukturalismus, der für sich postuliert, dass einzelne Phänome-
ne nicht absolut und ausschließlich für sich existieren, sondern immer nur in ihrem spezifi-
schen Gefüge von Beziehungen, der Struktur, zu bewerten sind, kann eine Bedeutung von
Diskurs konzeptionalisiert werden. Die Bedeutung von Phänomenen, ebenso wie von Diskur-
sen ergibt sich also aus ihrer „Stellung innerhalb eines relationalen Bezugssystems“ (GLASZE
& MATTISSEK 2009b, S. 20). Für Foucault sind Diskurse sprachliche Aspekte, spezifische
Herstellungsmodi der Verknüpfung von „Institutionen, ökonomischen und gesellschaftlichen
Prozessen, Verhaltensformen, Normsystemen, Techniken, Klassifikationstypen und Charakte-
risierungsweisen“ (FOUCAULT 1988, S. 68). Die Sprache ist für Diskurse also maßgeblich.
Sie ist gewissermaßen ein gesellschaftliches Ordnungsprinzip. Genauer gesagt ist es nicht nur
die Sprache allein, sondern das Zusammenspiel zwischen den durch Sprache artikulierbaren
Bedeutungen und den sichtbaren Dingen, die für diese Artikulationen stehen: Das Verhältnis
zwischen Signifikant und Signifikat (DE SAUSSURE 2001, S. 78f.). Durch diskursive Praktiken
wie Schreiben, Lesen, Sprechen und Wahrnehmen werden Diskurse somit sprachlich und ge-
sellschaftlich produziert und immer wieder reproduziert (STRÜVER 2009, S. 65).
Darüber hinaus beschäftigt sich der Foucault’sche Diskursbegriff mit der gesellschaftlichen
Konstruktion und Regulation von zuvor genannten artikulierbaren Bedeutungen, ihren
zugrundeliegenden Machtverhältnissen und daraus resultierenden „Versionsansprüchen“ von
Wahrheit und Wirklichkeit. Dabei ist das Subjekt, das Individuum (und seine Ballungen als
Interessengruppen und ganzen Gesellschaften), immer das Transmissionsmedium von Bedeu-
tungszuweisungen spezifischer Phänomene.
Foucault konzipierte eine Systematik für Diskurse entlang von drei Achsen, die da wären
Wissen – Macht – Subjekt. Dabei liegt der Beziehung Wissen – Macht das Wissen zu Grun-
de, denn Wissen ist Macht und für Macht wird Wissen benötigt. In dieser Beziehung unter-
suchte Foucault Wissen nicht in der Form von wissenschaftlichem Wissen á la „wahre[n] Er-
kenntnis objektiver Gegebenheiten“ (STRÜVER 2009, S. 64), sondern sah sich mehr in der
Verantwortung, universelle Objektivität zu hinterfragen und die genauen Konstitutions- und
Ordnungsverhältnisse von Wissen (vor allem derer dominanten Arten) zu rekonstruieren.
Wissen ist „der Raum, in dem das Subjekt die Stellung einnehmen kann, um von Gegenstän-
den zu sprechen, mit denen es in seinem Diskurs zu tun hat“ (FOUCAULT 1988, S. 259). Das
heißt, dass Wissen ohne diskursive Praxis nicht existieren kann und gleichzeitig jede diskur-
sive Praxis durch Wissen bestimmt und konfiguriert wird.
Wie oben beschrieben gelangt man mit Hilfe von Wissen zu Macht. Weber (1972) definiert
Macht als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen
Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance beruht“ (WEBER 1972, S. 89).
10
Foucault versteht den Machtbegriff als weitaus universeller und nicht als in erster Linie so
subjektiv. Für ihn ist Macht nicht nur repressiv und destruktiv. Sie kann auch positiv produk-
tive Züge aufweisen. Für Foucault stellt sich in Verbindung zu Macht vor allem folgende Fra-
ge: „Wie wird sie ausgeübt?“ (FOUCAULT 1987, S. 251). Seine Kritik am traditionellen
Machtbegriff richtet sich in erster Linie an die Starrheit im Sinne von staatlicher Machtaus-
übung in Form von Herrschaft, Unterdrückung und Gewalt. Nach seiner Ansicht ist „Macht
[…] nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert“ (FOU-
CAULT 1976, S. 115). Sie ist universell und omnipräsent vorhanden und kann jeglichen Struk-
turen, Beziehungen und Bedeutungen inhärent sein. Zugleich schließt sie das Aufkommen
von Widerstand nicht aus (STRÜVER 2009, S. 66f.). Schließlich mündet Macht in Strategien,
durch die sie ihre Wirkung in Form von institutionellen Kristallisierungen entfalten kann
(FOUCAULT 1976, S. 113f.). Das heißt, sie schafft Regeln, welche ihre Ausübung legitimieren
– die Institutionen.
Berger & Luckmann (1977) widmen sich in ihrem Klassiker der Wissenssoziologie „Die ge-
sellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ (BERGER & LUCKMANN 1977) ausgiebig dem
Institutionsbegriff und beschreiben Institutionen als
„Regeln für Problemlösungen des Alltags, sie ‚definieren‘ das, was möglich und sinnvoll
ist und gewinnen über das Handeln der Menschen bald eine objektive Macht, der sie sich
kaum noch entziehen können, obwohl nur sie die Regeln und die darauf aufbauenden In-
stitutionen geschaffen haben und durch ihr Tun auch fortwährend reproduzieren.“ (ESSER
2000, S. 3)
Esser (2000) fasst den Begriff etwas knapper zusammen: „Eine Institution sei – ganz knapp
und allgemein gesagt – eine Erwartung über die Einhaltung bestimmter Regeln, die verbindli-
che Geltung beanspruchen.“ (ESSER 2000, S. 2). Es sind sozusagen gesellschaftliche Konven-
tionen, die ein Miteinander von Individuen regulieren.
Das Subjekt ist die dritte Achse der Systematisierung des Foucault’schen Diskursbegriffs,
wobei es in enger Wechselwirkung mit Wissen und Macht steht. Nach der Auffassung von
Michel Foucault existieren Subjekte nicht einfach aus Selbstverständlichkeit oder einem prä-
diskursiven Bewusstsein heraus. Er ist gegen „die idealistische Auffassung von Autonomie
[…], nach der Subjekte alleiniger und genuiner Ursprung ihres Denkens, Fühlens und Han-
delns sind“ (STRÜVER 2009, S. 71). Stattdessen ist der Diskurs durch seine Elemente der
Macht und des Wissens ein prägender Faktor für die Subjektkonstitution. Die Identität von
Subjekten wird somit sozial und diskursiv konstruiert und ist stets progressiv. Diskursive
Praktiken und Institutionen (wie Schule und Familie) erschaffen Meinungen, Vorlieben und
Gefühle von Subjekten, welche auf gleiche Weise stetig transformiert werden. Dennoch sind
Subjekte für Foucault denkende, fühlende und gesellschaftlich agierende Individuen, welche
aufgrund von Meinungskonflikten mit anderen Identitäten stets zu Widerstand und zur Ent-
scheidung verschiedenster Handlungsmöglichkeiten befähigt sind (STRÜVER 2009, S. 71).
11
3.1.2 Hegemonie- und Diskurstheorie von Laclau und Mouffe
Die beiden PolitikwissenschaftlerInnen Ernesto Laclau und Chantal Mouffe erbringen Mitte
der 1980’er Jahre eine neue Interpretation der Diskurstheorie. Sie nehmen an, dass politische
Auseinandersetzungen und die Konstitution von Identitäten sowie ganzer Gesellschaften nicht
objektiv gegeben sind und nicht auf dafür notwendigen sozialen Strukturen oder autonomen
Subjekten basieren. Eine prädiskursive Basis existiert nach ihrer Auffassung nicht, da es keine
absoluten und festgeschriebenen Zustände gibt. In diesem Sinne gibt es nur Prozesse, die aus
Prozessen entstanden sind und wieder neue Prozesse entstehen lassen.
Somit gibt es auch keine absolute und abgeschlossene Gesellschaft oder Identität von Subjek-
ten, da diese ebenso in einem ständigen Fluss von Eindrücken und Einflüssen „gefangen“
sind, welcher ihre Konstitution ständig neu ausrichtet. Identitäten und gesellschaftliche
Machtverhältnisse werden temporär durch Hegemonialisierung6 fixiert und als scheinbar na-
türliche Wirklichkeit wahrgenommen (GLASZE & MATTISSEK 2009a, S. 157). Verschiedene
Meinungen innerhalb eines Diskurses und die damit verbundenen Widersprüche sind der
Grund dafür, dass Bedeutungen und soziale Verhältnisse niemals konsequent festgeschrieben
werden können. Sie sind kontingent, d.h. sie haben zu einem bestimmten Zeitpunkt eine be-
stimmte Ausrichtung. Sie könnten aber auch eine andere Ausrichtung haben, wenn auf sie
andere Einflüsse, z.B. modifizierte Information, eingewirkt hätten.
„Identität ist für Laclau und Mouffe die Identifikation mit einer diskursiv konstituierten
Subjektposition“ (GLASZE & MATTISSEK 2009a, S. 162).
Damit ist gemeint, dass Individuen im Laufe ihres Identitätsbildungsprozesses von verschie-
denen diskursiven Bedeutungen „angerufen“ und damit beeinflusst werden. Aufgrund von
bestehenden Erfahrungen wird der Einfluss als nützlich oder unnützlich bzw. contraproduktiv
für den Prozess empfunden. Jedoch drückt der Terminus Prozess an dieser Stelle aus, dass ein
Zustand nicht dauerhaft, sondern nur temporär gegeben ist. Somit kann auch „keine Subjekt-
position eine vollkommene, ganze und endgültig fixierte Identität bieten“ (GLASZE & MAT-
TISSEK 2009a, S. 163). Aufgrund von verschiedenen Meinungen und den damit verbundenen
Widersprüchen innerhalb von Diskursen kommt es zur Ausbildung von Kollektividentitäten
und Koalitionen, indem sich „Partikularinteressen […] zu Äquivalenzketten zusam-
men[schließen]“ (GLASZE & MATTISSEK 2009a, S. 165). Das bedeutet, dass sich Subjekte
durch ihre temporäre Identität und auf Grundlage eines gemeinsamen Signifikanten kollektiv
solidarisieren. Laclau und Mouffe nennen diese Kennzeichnung „leeren Signifikanten“. Die-
ser ist sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner, welcher eine Kollektivgemeinschaft ver-
bindet, z.B. Hautfarbe, Religion oder Sprache. Dabei ist er sowohl die Grundlage für die Kol-
lektividentität, als auch die Repräsentation einer Abgrenzung nach außen gegenüber einem
antagonistischen7 Gegenpart. In diesem Zusammenhang wird dieses antagonistische Außen
6 Siehe Glossar 7 Siehe Glossar
12
als Gefährdung des Eigenen durch ein Anderes konstruiert, was es unter allen Umständen
auszuschließen gilt. Das Paradoxon hierbei ist, dass das Außen gleichzeitig die Existenz der
eigenen Identität konstituiert: Ohne ein ihr gibt es kein wir, ohne ein dort gibt es kein hier
(MATTISSEK & REUBER 2004, S. 236). Somit ist eine diskursiv konstituierte Gemeinschaft
immer auf der Suche nach dem nächsten Konflikt mit einem anderen Außen. Denn ohne einen
Widersacher, gegen den man argumentieren oder kämpfen kann, würde die eigene kollektive
Identität zerfallen.
3.2 Theorie der nachhaltigen Entwicklung und Nachhaltigkeit
Die Anwendung der Theorie der nachhaltigen Entwicklung und Nachhaltigkeit spielt für die
vorliegende Untersuchung von Bioenergieerzeugung und -nutzung eine entscheidende und
notwendige Rolle. Fragen wie die Nutzung von Ackerflächen zum Anbau von nachwachsen-
den Rohstoffen (NawaRo)8, der Umsetzung von geschlossenen regionalen Stoff- und Ener-
giekreisläufen und generell der Umgang mit Energie können mit Hilfe der Theorie nachhalti-
ger Entwicklung konstruktiv diskutiert werden. Zu diesem Zweck werden innerhalb dieses
Kapitels die Grundlagen des Gedankens der Nachhaltigkeit und der nachhaltigen Entwicklung
dargestellt.
Die historischen Vorgänger des Nachhaltigkeitsbegriffs lassen sich in der „Sylvicultura oeco-
nomica“ von 1713 finden, wo Hannß Carl von Carlowitz den Begriff erstmals als „continuir-
lich beständige und nachhaltende Nutzung“ von Forstbeständen formuliert (VON HAUFF &
KLEINE 2009, S. 2; OTT & DÖRING 2008, S. 22). Daraus entwickelte sich das Prinzip, Holz nur
in dem Maße zu schlagen, wie es nachwächst. Eine Konjunktur erlebte die Nachhaltigkeit vor
allem durch den Brundtland-Bericht der World Commission on Environment and Develop-
ment (WCED). Hier wurde 1987 erstmals das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung formu-
liert. Sie wird als diejenige Entwicklung beschrieben, „die die Bedürfnisse der Gegenwart
befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht be-
friedigen können“ (HAUFF 1987, S. 46). Ott und Döring sehen den Brundtland-Bericht „als
[ein] diplomatisches Dokument in systematisch-theoretischer Hinsicht“ (OTT & DÖRING 2008,
S. 32), welches man jedoch nicht überschätzen sollte, da ein prädiskursiver Rahmen, der sich
schon in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts herauskristallisiert hatte, hiermit nur „breiten-
wirksamer“ gemacht wurde (ebd., S. 32). Wie die oben angegebene Definition es beschreibt,
stehen menschliche Bedürfnisse im Mittelpunkt der nachhaltigen Entwicklung. Damit nimmt
diese Definition eindeutig eine anthropozentrische Position ein. Es bleibt die Frage bestehen
wie eine Bedürfnisbefriedigung heutiger und künftiger Generationen bemessen werden kann,
denn jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. Hier besteht eine Diskrepanz zwischen den Beg-
riffen Bedarf und Bedürfnis, wobei Bedarf eher ökonomischer Natur ist und Bedürfnisse sich
eher auf Grundbedürfnisse wie Nahrung, sauberes Wasser, Wohnung und Arbeit beziehen
8 Siehe Glossar
13
(ebd., S. 33). Für Paech (2005) resultieren Bedarfe aus Bedürfnissen, z.B. kann das Erho-
lungsbedürfnis einen Mobilitätsbedarf implizieren (PAECH 2005, S. 62).
Durch den niedrigen Konkretisierungsgrad des Berichtes, welcher ausgedehnte Interpretati-
onsspielräume lässt, kam es zu einer international breiten Zustimmung, die allerdings auf mit-
unter gegensätzlichen Interessen beruht (VON HAUFF & KLEINE 2009, S. 7). Durch die Ernen-
nung des Rates für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2000 und mit der Ausfertigung einer
nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2002 kam es in Deutschland zu einer Institutiona-
lisierung des Nachhaltigkeitsbegriffs.
3.2.1 Das Drei-Säulen Modell für nachhaltige Entwicklung
Das Drei-Säulen-Modell findet sich als konzeptionelle Grundlage auf bundesdeutscher Ebene
zum ersten Mal im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der
Umwelt“ (1998) wieder. Vorgänger sind allerdings schon in internationalen Debatten der
1990er Jahre anzutreffen. Das Modell wurde mit der Behauptung angeführt, dass die Ziele des
Brundtland-Berichtes, nämlich eine Verbundlösung von Umwelt und Entwicklungsproblemen
(ENQUETE-KOMMISSION "SCHUTZ DES MENSCHEN UND DER UMWELT" 1998, S. 218), mit einer
Gleichrangigkeit aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Komponenten am besten er-
fasst werden. Für die Zielstellungen dieser drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung
wird meist ein Kapitalbegriff der Wirtschaftstheorie herangezogen. Neben monetären Mitteln
zählen zum Kapital in diesem Sinne „auch physikalische Einheiten [...] sowie zeitliche und
qualitative Größen“ (VON HAUFF & KLEINE 2009, S. 15).
Ökologische Dimension
Die ökologische Dimension basiert auf dem ökologischen Kapital, welches den Ökosystemen
immanenten Bestand an erneuerbaren Ressourcen wiedergibt. Hinzu kommen „Land und öko-
logische Faktoren wie Nahrungskreisläufe, Klimasysteme, solare Einstrahlung, Gleichgewich-
te und Tragfähigkeit“ (VON HAUFF & KLEINE 2009, S. 15–16). Eine ökologische Nachhaltig-
keit impliziert die Aufrechterhaltung des Bestandes an ökologischen Kapitalien. Beim Natur-
kapital besteht die Schwierigkeit der Werterfassung, sowohl in normativer als auch in monetä-
rer Hinsicht. Mit Hilfe des Konzepts der Tragekapazität und dem daraus entwickelten ökolo-
gischen Fußabdruck wird versucht eine Bewertung des Naturkapitals auf der Basis von natür-
lich Grenzen zu formulieren (UNNERSTALL 2003, S. 132 f.). Da unsere Erde begrenzt ist, soll-
ten mit einer Zunahme der Weltbevölkerung Naturkapitalien eine Wertsteigerung erfahren.
Auch aus normativer Sicht müssten Naturkapitalien durch ihre Verknappung stetig wertvoller
und schützenswerter werden. Dies bezieht sich vor allem auf die Belastbarkeit von Ökosyste-
men, die Fähigkeit der Regeneration natürlicher Ressourcen und ihre Verfügbarkeit, denn
14
diese Parameter stellen lebenswichtige Ökosystemleistungen bereit, die wir um unserer selbst
willen bewahren sollten (BUND & MISEREOR 1996, S. 27).
Ökonomische Dimension
In der ökonomischen Dimension wird jede Art des Wirtschaftens als nachhaltig erachtet,
wenn sie sich ihren Gesamtkapitalbestand (d.h. die Summe ökonomischer, ökologischer und
sozialer Kapitalien) mindestens konstant hält (UNNERSTALL 2003, S. 133). Das ökonomische
Kapital bildet sich aus dem „wirtschaftliche[n] Produktionskapital in Form von Sach-, Wis-
sens- und Humankapital (z.B. technische Anlagen, Patente und qualifizierte Mitarbeiter) so-
wie […] [den] in die Wirtschaft eingebrachten Ressourcen“ (VON HAUFF & KLEINE 2009, S.
16). Ziel ökonomischer Nachhaltigkeit ist die Gewährleistung der materiellen Grundbedürf-
nisse des Menschen und die Aufrechterhaltung wirtschaftlicher „Kreisläufe“.
Soziale Dimension
Bei der sozialer Dimension von Nachhaltigkeit geht es um den gerechten Zugang zu sozialen
Grundgütern. Von Hauff und Kleine (2010) weisen Sozialkapital volkswirtschaftlich als
„vorwiegend materielle Infrastruktur wie Sachanlagen und öffentliche Einrichtungen“
(VON HAUFF & KLEINE 2009, S. 16) aus. Auf einer anderen Ebene wird Sozialkapital dagegen
mit dem gesamtgesellschaftlichen Bestand an Werten und Normen, Vertrauen und sozialen
Netzwerken gleichgesetzt (HAUG & GERLITZ 2007, S. 191 ff.). Die soziale Dimension wird
explizit in der Definition von nachhaltiger Entwicklung im Brundtland-Bericht aufgeführt. Sie
thematisiert eine „Verteilungsgerechtigkeit“ (intragenerationelle Gerechtigkeit) und eine
„Hinterlassungsgerechtigkeit“ (intergenerationelle Gerechtigkeit). Aus logischer Betrach-
tungsweise ist die gleichberechtigte Verteilung zur Befriedigung der Bedürfnisse heutiger
Generationen eine kausale Notwendigkeit für die Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Gene-
rationen. In einem integrativen Sinn sozialer Nachhaltigkeit fordern Jörissen et al. (1999) un-
ter anderem politische Partizipationsmöglichkeit, eine Chancengleichheit in Bildung und Be-
ruf, gleichberechtigter Zugang zu Informationen, die Sicherungsmöglichkeit eines Existenz-
minimums durch eigene Arbeit und die Stärkung sozialer Werte, wie Solidarität und Toleranz
(JÖRISSEN et al. 1999, S. 99).
Durch die Vereinbarkeit der drei Säulen äußert Ekardt (2005) Kritik an der Prämisse der Ver-
knüpfung von zwei Zielen wie konventionellem grenzenlosem Wirtschaftswachstum und Na-
tur- und Artenschutz, die zueinander widersprüchlich sind (EKARDT 2005, S. 28). Von vorne-
herein ist es illegitim eine Gleichrangigkeit von drei Säulen anzunehmen, da es aus systemi-
scher Sicht mit einem Ganzen (die Natur), einer Teilmenge des Ganzen (die Gesellschaft) und
einer Teilmenge der Teilmenge (die Wirtschaft) keine Gleichrangigkeit geben kann (MEYER-
ABICH 2001, S. 303). Das größte Problem des Drei-Säulen-Modells ist die Integrationsfähig-
15
keit der drei Dimension in das Konzept sowie die Vereinbarkeit aller Dimensionen miteinan-
der. Ott (2010) sieht das Drei-Säulen-Modell, bei dem die drei Dimensionen Ökologie, Öko-
nomie und Soziales als gleichberechtigt angesehen werden, im Sinne schwacher Nachhaltig-
keit als Legitimationskonzept, welches „dem (opportunistischen) System der Politik große
Flexibilität“ (OTT 2010, S. 165) gewährt. Für Brand & Jochum (2000) ist das Drei-Säulen-
Modell aus politischer Sicht sogar „eine Art ,Wunschzettel‘ [...], in den die unterschiedlichen
Akteure ihre unverhandelbaren Positionen einbringen“ (BRAND & JOCHUM 2000, S. 75) kön-
nen. Das Drei-Säulen-Modell muss deshalb als Provisorium angesehen werden, dass „abge-
löst werden kann und sollte.“ (OTT & DÖRING 2008, S. 38).
3.2.2 Schwache versus starke Nachhaltigkeit
Im Brundtlandt-Bericht gibt es eine weitere, jedoch unbekanntere Formulierung von nachhal-
tiger Entwicklung, die diese als
„Wandlungsprozeß, in dem die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die
Richtung technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander harmo-
nieren und das derzeitige und künftige Potential vergrößern, menschliche Bedürfnisse
und Wünsche zu erfüllen“ (HAUFF 1987, S. 46)
beschreibt. Diese Deutung hält fest am bisherigen Fortschrittsglauben unserer Wachstumsge-
sellschaft (OTT 2010, S. 163 f.). Bis heute ist der Begriff der nachhaltigen Entwicklung zudem
geprägt von einer „sprachlichen Inflationierung und konzeptioneller Konturlosigkeit, die in
der Kompromissformel bereits angelegt war“ (OTT 2010, S. 164). Wirtschaftsakteure können
demnach genauso frei handeln wie vorher, wenn sie nur ihre Bedürfnisse von Wirtschafts-
wachstum, globalem Freihandel und erhöhtem Geldeinkommen im Sinne der Nachhaltigkeit
ausrichten. Im Umweltgutachten „Für eine neue Vorreiterrolle“ des Sachverständigenrates für
Umweltfragen (SRU 2002) wurde zum ersten Mal die kontroverse Konkurrenz des schwachen
und des starken Nachhaltigkeitskonzeptes zentral behandelt (SRU 2002, S. 58–67). An dieser
Stelle wurde als Schlussfolgerung der umweltpolitische Grundsatz gefasst, wonach Naturka-
pital zeitlos konstant gehalten werden sollte. Ott (2010) verwendet hier den Begriff der
„Constant Natural Capital Rule“ (CNCR), welcher den zentralen Ansatzpunkt starker Nach-
haltigkeit ausmacht. Somit ist es das Ziel starker Nachhaltigkeit, das ökologische System von
Naturkapitalien konstant zu halten, weil diese Konstante die existentielle Voraussetzung für
ökonomische und kulturelle Nachhaltigkeit ist und langfristige Kollektivinteressen berück-
sichtigt. Das Problem bei beiden Konzepten ist, dass es sich um normative, diskursiv entstan-
dene Argumentationskonstrukte handelt, die weder verifiziert noch falsifiziert werden können
– sie sind interessenabhängig (OTT 2010, S. 171).
Die Hauptkritik am Konzept der schwachen Nachhaltigkeit bezieht sich auf die Operationali-
sierung von spezifischen Konzepten. Dabei berücksichtigt der inhärente Substitutionsopti-
mismus schwacher Nachhaltigkeit nicht die Wichtigkeit von Ökosystemleistungen und ihre
16
ökonomisch wie kulturell lebensnotwendige Bewandtnis. Noch dazu kommen die sogenann-
ten „primary values“ wie z.B. Süßwasser, die Atmosphäre oder die Photosynthese, welche
nicht in ihrer Gänze substituierbar sind. Auch eine Verdrängung der durch den Menschen
verursachten künftigen Schäden an der Natur kann ethisch nicht gerechtfertigt werden (OTT
2010, S. 174). Die Entschädigung von Naturschäden ist in der Hinsicht fragwürdig, dass sich
zukünftige Generationen nicht angemessen zur Situation äußern können. Selbstverständlich
ist es unserer heutigen Generation unmöglich zu wissen, wie sich künftige Bedürfnisse, Werte
und Normen manifestieren werden, aber wir haben eine Verantwortung gegenüber künftigen
Generationen. In diesem Sinne sind wir zu einer Optionen-Diversität verpflichtet, da wir nicht
von einer rein homogenen sondern in zunehmendem Maße heterogenen künftigen Gesell-
schaft ausgehen müssen (OTT 2010, S. 178 f.).
Die prägende Behauptung der schwachen Nachhaltigkeit ist die Erhaltung der Gesamtsumme
an Kapitalien als Voraussetzung für eine ausreichend wirksame Nachhaltigkeit. Unter diesem
Gesichtspunkt könnte z.B. für die Abholzung von einigen Bäumen eine Straße als Substitut
errichtet werden. Die Summe der Kapitalien bleibt bestehen und die Nachhaltigkeit ist ge-
wahrt. Im Sinne starker Nachhaltigkeit müssten für die Errichtung der Straße und die voraus-
gegangenen Rodungen Wiederaufforstungsmaßnahmen geleistet werden.
Im Sinne eines „vermittelnden“ Paradigmas der ausgewogenen Nachhaltigkeit versucht man
die konträren Einstellungen des quantitativen Wachstums einer schwachen Nachhaltigkeit und
des Nullwachstums einer starken Nachhaltigkeit zu verbinden (VON HAUFF & KLEINE 2009,
S. 35). Für Huber (2001) sind hierfür drei Leitstrategien nachhaltiger Entwicklung notwendig,
von denen jede Strategie komplementär zu den anderen und jede einzelne ein notwendiger
aber nicht hinreichender Faktor für „nachhaltiges Wirtschaften“ (HUBER 2001, S. 250) ist.
Diese drei Strategien sollen im folgenden Abschnitt erläutert werden.
3.2.3 Effizienz, Konsistenz und Suffizienz
Effizienz
Unter Effizienz aus Sicht der Nachhaltigkeit ist eine Steigerung der Ressourcenproduktivität
gemeint. Dabei soll ein bestimmtes Ziel unter der Berücksichtung des geringst möglichen
Energie- und Ressourceneinsatzes erreicht werden. Wie Scholz (1996) es richtig beschreibt,
ist bei „gleicher Wirkung […] die billigere Massnahme die effizientere. Bei gleichen Kosten
ist die wirkungsvollere Massnahme die effizientere“ (SCHOLZ 1996, S. 4). Jedoch sind Nut-
zenbetrachtungen und somit auch Effizienzbetrachtungen perspektiv- und interessengebun-
den. Dementsprechend sind Effizienzbestimmungen wie auch Nutzenbestimmungen, determi-
niert durch spezifische Interessen, damit diskursiv konstruiert und herausgebildet.9 Mit Hilfe
von effizienten Technologien, Wiederverwertung und einer Erhöhung der Produktlebensdauer
9 Vgl. Kapitel 3.1
17
wird versucht die Effizienzstrategie zu implementieren, was wiederum zu einer Reduzierung
des Ressourcenverbrauchs und der Umweltbelastung führen soll (OTTO 2007, S. 52).
Gerade in der Wirtschaft und Politik ist die Effizienzstrategie sehr stark anerkannt. Aber viele
Stimmen stehen ihr auch kritisch gegenüber, da sie eine Konstanthaltung an Naturkapitalien
nicht explizit bejaht, sondern nur auf eine Kosten-Nutzen-Maximierung abzielt. Sie ist nur ein
relatives Maß und berücksichtigt nicht die Werte absoluten Verbrauchs, auf die es bei einer
steigenden Weltbevölkerung ankommt (PAECH 2005, S. 57). Hinzu kommt ein starker Tech-
nikoptimismus, der mit seinem Fortschrittsgedanken als Lösung aller Probleme und mit sei-
nen notwendigen Innovationen dem Konzept der Nachhaltigkeit einen Strich durch die Rech-
nung macht. Für Paech (2010) resultiert Innovation in „ein[em] Teufelskreis, der die Proble-
me systematisch von der Gegenwart in die Zukunft verschiebt“ (PAECH 2010, S. 13), da aus
Innovationen immer wieder neue Probleme entstehen, die wiederum durch neue Innovationen
gelöst werden müssen. Anstatt beispielsweise die Menschen zum Stromsparen zu animieren,
fördert Innovation den Ausbau von Bioenergie und Windkraft, ohne dabei fossile Energieträ-
ger zurückzufahren (PAECH 2010, S. 13). Beim sogenannten Rebound-Effekt wird die durch
Ökoeffizienz erreichte Ersparnis durch einen erhöhten Mengenverbrauch hinfällig (LINZ
2006, S. 8). Gronemeyer (2000) stellt die ungeahnte Gefahr des Fortschritts- und Innovati-
onsparadigmas treffend dar:
„Unter dem Imperativ der Innovation werden Gegenwartskrisen niemals aus begangenen
Irrtümern oder aus Fehlentscheidungen erklärt. Krisen sind in dieser Lesart immer und
ausschließlich Resultat eines Novitätsmankos. [...] Wer in der Krise steckt, ist nicht mo-
dern genug. Punktum. Für die Innovateure liegt die Rettung in der Zukunft des Nie-
Dagewesenen. Jede Besinnung, jedes Innehalten, jedes Zögern ist darum verlorene Zeit,
geradezu Sabotage gegen die vorwärts weisenden Rettungsbemühungen.“ (GRONEMEYER
2000, S. 6–7)
Gerade in einer wettbewerbsbedingten Marktwirtschaft ist es so, dass jede Einsparung an Zeit,
Ressourcen und Kapital aus Sicht von wirtschaftlichen Akteuren zur Expansion der Leistung
genutzt wird (SACHS 2002, S. 52). Effizienz ist zu aller erst die Voraussetzung und Triebfeder
für einen Konkurrenz- und Wachstumswahn sondergleichen.
Konsistenz
Konsistenz beschreibt die Organisation ökonomischer Prozesse als System geschlossener
Kreisläufe mit der Einbettung von Stoff- und Energieumsätzen in den ökologischen Haushalt.
Hierbei gilt das Ziel, dass „industrielle Stoffwechselprozesse [...] die natürlichen nicht stören
[dürfen]“ (LINZ 2002, S. 8). Stoffe, die für die Natur schädlich sind, sollen in individuellen
und geschlossenen Kreisläufen geführt werden. Wenn die Geschlossenheit nicht realisierbar
ist, sollen betreffende Stoffe von der Nutzung ausgeschlossen werden (LINZ 2002, S. 9). Da-
bei soll sich die Wirtschaftsweise der Biosphäre als Vorbild genommen werden. Unter dem
18
Aspekt des natürlichen Stoffwechselsystems und seiner umweltunschädlichen Art will man
durch Adaption eine Neutralisierung von Schadstoffen in anthropogenen Prozessen erreichen
(PAECH 2006, S. 49). Auch in der Konsistenzstrategie ist der Innovations- und Fortschrittsge-
danke explizit vorhanden, da konventionelle Systeme naturverträglich umgestellt werden
müssen. Dafür braucht man nach heutigem Verständnis Innovationen. Hierfür ist die Energie-
erzeugung aus Biomasse das beste Beispiel. Für Paech (2005) wirken Effizienz und Konsis-
tenz wie eine Immunisierung „des Gesamtsystems gegen einen kulturellen Wandel in Rich-
tung suffizienter Lebensstile“ (PAECH 2005, S. 52).
Suffizienz
Unter Suffizienz im Sinne der Nachhaltigkeit wird der geringere Verbrauch an Materie und
Energie durch eine gedrosselte Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen verstanden. Gera-
de im Energiesektor und unter dem Aspekt einer wachsenden Weltbevölkerung und dem
künftigen Energiehunger von Schwellenländern ist eine Steigerung der Effizienz nicht ausrei-
chend. Sie muss mit der absoluten Einsparung von Energie und Rohstoffen verbunden sein.
Jedoch kann man Maßnahmen der Suffizienz auch auf die Effizienzstrategie anwenden. So
kann das Teilen oder Ausleihen anstelle des Neuerwerbs von Produkten zu einer Einsparung
beitragen. Auf diese Weise können beispielsweise zwei Nachbarn durch den teilenden
Gebrauch eines Rasenmähers, dessen Nutzeneffizienz um den Faktor zwei steigern (PAECH
2005, S. 58).
Ebenso kann eine Reparatur von vorhandenem Produktbesitz dort zu Lebensdauerverlänge-
rung und Ressourceneinsparung führen, wo alteingesessene Konsummuster nur mit bloßer
Substitution locken. Die wesentliche Idee ist eine adäquate Bedürfnisbefriedigung mit einem
Mindestmaß an Produkten. Dabei sollen mit der Reduktion des Konsums die Förderung und
der Ausbau sozialer Beziehungen, die verstärkte Beschäftigung mit der Natur, sowie indivi-
duelle Aktivitäten zur Bedürfnisbefriedigung einhergehen. Insofern proklamiert Suffizienz ein
aufgeklärtes Eigeninteresse und den unabhängigen und freiwilligen Entschluss zur Solidarität
gegenüber einer Weltgesellschaft, deren Teil wir10 alle sind (LINZ 2002, S. 12 f.). Hier besteht
wahrscheinlich der größte Konflikt der Suffizienz mit unserem rezenten Zeitgeist: Freiwillig-
keit basiert auf intrinsischem Handeln, d.h. man handelt um seiner selbst willen und nicht
wegen der puren Aussicht auf materielle Vorteile.
Anhand einer Wohlstandspsychologie kann man Suffizienz als „lebenskluges Vermeiden des
Verzichts auf das andere, das man ebenfalls braucht“ (SCHERHORN 2002, S. 17) verstehen,
anstatt sich von einem System aus Arbeit und Konsum übermannen und selbst-schädigen zu
lassen (ebd., S. 17f.). Neben dem Faktor Raum spielt hierbei die Zeit eine wichtige Rolle.
Prämisse sollte es sein, Bedürfnisse (und zwar alle) zeitlich ausgeglichen einzuteilen und
10 Allerdings setzt ein „Wir“ auch immer ein „Ihr“ voraus (vgl. Abschnitt 3.1.2).
19
nicht einige wenige überdimensioniert zu befriedigen, da andere sonst zu kurz kommen
(PAECH 2010, S. 12f.; SCHERHORN 2002, S. 19). Genau hier muss der Ansatz erfolgen, bei
einer verstärkten Identifikation mit anderen vernachlässigten Bedürfnissen und einer gestei-
gerten Verbundenheit mit seinem Lebensraum. Eine solche Strategie versucht beispielsweise
das MAB-Programm für Biosphärenreservate umzusetzen, wie es etwa in den Zielen des
MAP mit dem „kulturelle[n] Wohlergehen von Bevölkerungsgruppen“ (UNESCO 2008, S. 3)
deklariert ist.
Für Linz (2002) ist Nachhaltigkeit nur durch die interdependente Verbindung von allen drei
Strategien realisierbar. Jedoch ist das nachhaltige Ziel allein auf effizient- und konsistentstra-
tegische Weise und ganz ohne das Zutun von Suffizienz nicht zu erreichen (LINZ 2002, S. 10).
Dieser Gedanke soll weiterführend für die gesamte vorliegende Arbeit verfolgt werden: Ohne
Suffizienz keine Entwicklung zur Nachhaltigkeit.
20
4. Klima, globale Erwärmung, Klimaschutz
Da die Gewinnung von Energien aus regenerativen Quellen global und auch bundesweit eine
zunehmende Rolle spielt, wird in diesem Kapitel einführend die eigentliche Intention von
regenerativen Energien beleuchtet. Es besteht die Frage: Wozu brauchen wir EE? Die Ant-
wort ist: Wir brauchen EE für den Klimaschutz. Aber was ist überhaupt Klimaschutz, was ist
überhaupt Klima und wie wird es beeinflusst? In diesem Zusammenhang sollen die näheren
klimatologischen Hintergründe und der anthropogene Einfluss auf unser Klima an dieser Stel-
le geklärt werden. Im Anschluss wird auf die Notwendigkeit von regenerativen Energien
übergeleitet (Abschnitt 4.1). Nachfolgend wird die Thematik auf die energetische Nutzung
von Biomasse spezifiziert (Abschnitt 4.2). Im nächsten Abschnitt werden die institutionellen
Rahmenbedingungen auf verschiedener Maßstabsebenen für diese Nutzung beleuchtet (Ab-
schnitt 4.3), um abschließend die regionale Nutzung von Bioenergie im Kontext der BER Rü-
gen kurz vorzustellen (Abschnitt 4.4).
Malberg (2007) gibt den Klimabegriff wie folgt wieder:
„Unter dem Klima eines Orts verstehen wir die Gesamtheit der atmosphärischen Zustände
und Vorgänge in einem hinreichend langen Zeitraum, beschrieben durch den mittleren Zu-
stand (Mittelwerte) sowie durch die auftretenden Schwankungen (Streuung, Häufigkeits-
verteilung, Extremwerte usw.).“ (MALBERG 2007, S. 272)
Das Klima auf unserer Erde wird durch spezifische Klimafaktoren wie geographische Breite,
Entfernung zum Ozean und Orographie (geographische Höhenlage) beeinflusst. Zusätzlich zu
den Klimafaktoren sind auch noch eine Vielzahl von Klimasteuerungsmechanismen aus-
schlaggebend (BECK 2007, S. 224). Schönwiese (2007) unterscheidet dabei zwischen internen
Wechselwirkungen innerhalb des Klimasystems und externen Einflüssen auf das Klimasys-
tem (SCHÖNWIESE 2007, S. 251). Die internen Wirkungen manifestieren sich in der gesamten
Zirkulation der Atmosphäre. Hierzu gehören Verdunstung und Niederschlagsbildung, als auch
die Wolkenbildung. Durch die Zirkulation der Atmosphäre kommt es zu gegenseitigen Wech-
selbeziehungen zwischen Atmosphäre und Ozeanen, Gletschereismassen, der Erdoberfläche
und der Vegetation. Speziell kann man hier z.B. von der Erwärmung und Verdunstung von
Wasser zu Wasserdampf oder der Bildung von Gletschern durch ausreichend hohe Nieder-
schläge und ausreichend tiefe Temperaturen sprechen.
Im Vergleich zur Erdoberfläche können Gletscher weniger Wärmeenergie der Sonne absor-
bieren, da sie über eine höhere Albedo verfügen. Albedo wird definiert als das Verhältnis
„von reflektierter und gestreuter kurzwelliger Strahlung zur gesamten auffallenden Strah-
lungsenergie“ (MALBERG 2007, S. 44). Gletscher sind demnach wegen einer höheren Albedo
weniger anfällig für Verdunstung, da sie einen Großteil der Sonnenstrahlung reflektieren.
21
Die Vegetation wird, ebenso wie die Eismassen, von der Temperatur und vom Niederschlag
beeinflusst, wobei eine ausgiebige Vegetation auf hohe Temperaturen und Niederschläge an-
gewiesen ist. Die Vegetation trägt durch Transpiration zum Wasserdampfgehalt der Luft bei.
All diese Faktoren, bis auf die Sonneneinstrahlung, zählen zu internen Einflüssen, die durch
Wechselwirkungen in Beziehung stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Bis auf die Glet-
scherbildung und -schmelze könnte man die internen Wechselwirkungen im Vergleich zu
externen Einflüssen auch als „kurzfristig“ bezeichnen. Die externen Einflüsse auf unser Kli-
masystem sind eher in geologische und kosmische Zeiträume einzuordnen. Zu ihnen gehören
neben dem wichtigsten, dem Einfluss der Sonneneinstrahlung, auch noch der Vulkanismus,
der Kontinentaldrift und Meteoriteneinschläge (SCHÖNWIESE 2007, S. 251f.).
In Hinblick auf die Sonneneinstrahlung spielen neben der Entfernung zwischen Erde und
Sonne (Exzentrizität) auch die Neigung der Erde (Ekliptik), die sich wiederum aus der Ände-
rung der Erdrotationsachse (Präzession) ergibt, eine Rolle für das Klima auf der Erde. Durch
den Astronomen Milutin Milankovitch wurden Anfang des 20. Jahrhunderts die hierauf basie-
renden Erdbahnzyklen (Milankovitch-Zyklen) erstmals theoretisch nachgewiesen (RAHMS-
TORF & SCHELLNHUBER 2007, S. 21). Mit dem Zusammenspiel zwischen Exzentrizität, Prä-
zession und Ekliptik hat er Zyklen festgestellt, die jeweils 23.000, 41.000 und 100.000 Jahre
andauern und sich teilweise überlagern. Neben diesen Zyklen ist auch die Sonnenfleckenakti-
vität ein externer Einflussfaktor auf unser planetares Klimasystem.
Vulkanausbrüche führen zwar im Vergleich zur Sonnenaktivität zu recht kurzen Klimaände-
rungen, jedoch verursachen sie die einzige wirkliche Klimaänderung, „die zweifelsfrei geklärt
ist“ (LÜDECKE 2007, S. 75). Das Max Planck-Institut für Meteorologie gibt bei Vulkanausbrü-
chen austretendes CO2 und Wasserdampf für Klimaänderungen nur auf längere Sicht als rele-
vant an. Viel ausschlaggebender seien die schwefelhaltigen Gase SO2 und H2S (MPI FÜR ME-
TEOROLOGIE 2002). Diese Schwefel-Aerosole können das sichtbare Licht der Sonne reflektie-
ren und teilweise absorbieren, wobei die direkte Sonneneinstrahlung auf die Erde drastisch
reduziert wird und zu einer Abkühlung der Erdoberfläche führen kann (LÜDECKE 2007,
S. 75). Gleichzeitig führen sie aber auch zu einer vorübergehenden Erwärmung der Strato-
sphäre. Meteoriteneinschläge führen ähnlich wie Vulkanausbrüche zu Einträgen von terrestri-
schen Partikeln in die Atmosphäre, die als Absorber von Solarstrahlen wirken.
Der Kontinentaldrift, das heißt die tektonische Bewegung von ozeanischen und kontinentalen
Platten, hat in der Erdgeschichte zu variierenden Klimaten geführt. Generell ist hierbei die
Verteilung von Land- und Meeresmassen auf unserem Planeten ausschlaggebend. Dabei muss
beachtet werden, dass Wasser eine geringere Albedo als Land hat. Die Albedo von Wasser
beträgt bei Sonnenhöchststand ungefähr 0,05-0,1, die von landwirtschaftlichen Nutzflächen
0,15-0,3 (ENDLICHER 2007, S. 202). Wasser kann demnach die Wärmestrahlung der Sonne
besser aufnehmen als Landmassen. Durch die Plattentektonik haben sich die Konstellation
22
und das Verhältnis von Meeres- und Landmassen in geologischen Zeiträumen verändert und
mit ihnen auch das Klima.
Der Treibhauseffekt ist ein natürlicher und lebensnotwendiger Vorgang in der Atmosphäre.
Wenn die Sonnenstrahlung auf unsere Erde trifft, werden dabei unter anderem durch Wasser-
dampf, Ozon, Wolkentröpfchen und Aerosole in der Atmosphäre Sonnenstrahlen verschiede-
ner Wellenlängen absorbiert, reflektiert bzw. gestreut oder durchgelassen. Aus dem durchge-
lassenen Teil, also der direkten Sonneneinstrahlung, und dem gestreuten Anteil ergibt sich die
Globalstrahlung: Die Strahlung, die am Ende wirklich auf unsere Erdoberfläche trifft. Sie
beträgt ungefähr 50 Prozent der extraterrestrischen Solarstrahlung (ENDLICHER 2007, S. 201).
Durch eine mittlere Temperatur der Erde von 15 ºC (288 K) lässt sich mit Hilfe des
Wien’schen Verschiebungsgesetzes
λmax [µm] * T [K] = 2 898 [µm * K] (ENDLICHER 2007, S. 200)
ein Ausstrahlungsmaximum der Erde mit einer Wellenlänge von 10,06 µm und damit im
langwelligen Infrarotbereich liegend ermitteln. Um dieses Maximum erstreckt sich ein Ge-
samtausstrahlungsspektrum der Erde von ungefähr 4 bis 50 µm, welches von den Treibhaus-
gasen (THG) teilweise absorbiert wird. Dabei absorbiert zum Beispiel Wasserdampf in den
Bereichen 6,3 µm und über 18 µm, Kohlendioxid bei 4,3 µm und 15 µm (MALBERG 2007,
S. 49). Mit der Absorption erwärmt sich die Atmosphäre. Entsprechend ihrer Temperatur und
Zusammensetzung strahlen die spezifischen Schichten der Atmosphäre in diskreten Spektral-
bereichen und so gelangt ein Teil als atmosphärische Gegenstrahlung zur Erdoberfläche zu-
rück.
Der Temperaturunterschied, den der Treibhauseffekt für die Erde ausmacht, beträgt 33 ºC.
Dieser Wert ergibt sich aus der Annahme, die Erde hätte keine Atmosphäre. Dabei beträgt die
gesamte Strahlung der Sonne pro Quadratmeter ca. 1370 Watt – die sogenannte Solarkonstan-
te. Wenn man diesen Wert senkrecht strahlend auf die Kreisquerschnittsfläche einer rotieren-
den Erde annimmt und ihn auf ihre Kugelgestalt umrechnet, erhält man einen Wert von unge-
fähr 340 W/m², der auf der Erdoberfläche wirksam wird (MALBERG 2007, S. 39). Da wir wis-
sen, dass die globale Albedo 30 % beträgt, bleiben ungefähr 242 W/m² übrig. Diese Strah-
lungsmenge nimmt die Erde auf und gibt sie in Form von Wärme wieder ab. Nach dem Ste-
fan-Boltzmann-Gesetz für strahlende Körper
Q = εσT4 (MALBERG 2007, S. 47)
ergibt sich für einen Körper, der diese Strahlung emittiert eine Temperatur von 255 K oder -
18 ºC. Mit unserer heutigen mittleren Erdtemperatur von 15 ºC ergibt sich eine Differenz von
33 ºC, die durch die THG in der Erdatmosphäre hervorgerufen wird (RAHMSTORF &
SCHELLNHUBER 2007, S. 31).
Eine Verstärkung dieses natürlichen Treibhauseffektes durch anthropogene Verbrennung fos-
siler Energieträger bewirkt zusätzliche CO2-Emissionen, die unsere Atmosphäre noch intensi-
23
ver erwärmen. Aufgrund der zunehmenden landwirtschaftlichen Fläche, die global mittlerwei-
le 40 % der Erdoberfläche ausmacht (ALISCH 2008, S. 15), werden (vor allem durch die Tier-
haltung) ebenfalls verstärkt Methan (CH4) und Lachgas (N2O) in die Erdatmosphäre emittiert.
Dabei geht der landwirtschaftlichen Nutzung meist die Rodung von Wäldern voraus, welche
den Treibhauseffekt zusätzlich ankurbelt, da durch den reduzierten Bestand der Biomasse
weniger CO2 längerfristig gebunden werden kann. Hinzu kommen unter anderem die Versie-
gelung von Böden durch Siedlungsbau und die Trockenlegung oder Begradigung von Flüssen
und Sümpfen, welche einen verstärkenden Einfluss auf spezifische regionale Klimate haben
(ebd., S. 15).
Da das menschliche Leben, besonders in Bezug auf Landwirtschaft und damit verbundener
Ernährungssicherheit, sehr stark vom Klima abhängt, ist es wichtig den Treibhauseffekt auf
einem lebensfreundlichen Niveau zu stabilisieren. Dies führt zur ersten Strategie im Umgang
mit dem Klimawandel – die Klimawandelvermeidung. Nach Rahmstorf und Schellnhuber
(2007) ist diese Strategie der Begrenzung in erster Linie „mit technologischem Fortschritt bei
der ‚Dekarbonisierung‘ unserer Wirtschaftsmaschinerie“ (RAHMSTORF & SCHELLNHUBER
2007, S. 92) zu erreichen. Gerade der Aspekt des technologischen Fortschritts erscheint in
dieser Beziehung als widersprüchlich, da er es ja eigentlich war, der uns erst in diese Situation
der globalen Erwärmung geführt hat.
Verbunden mit einem technologischen Forstschritt sind vor allem die Entwicklung und der
Ausbau von EE. Nach der Theorie der Nachhaltigkeit ergeben sich noch weitere Wege der
Vermeidung, welche allerdings unserem westlichen Verständnis der Wohlstands- und Über-
flussgesellschaft widersprechen, z.B. eine vegetarische Lebensweise oder generell eine Kon-
sumeinschränkung von materiellen als auch energetischen Produkten (Vgl. Kapitel 3.2.3). Ein
weiterer Vermeidungsansatz ist die Möglichkeit des Schutzes bzw. der Ausdehnung der natür-
lichen CO2-Senken durch Moor- und Waldschutz, sowie die Wiederaufforstung von Wäldern.
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung der Weltbevölkerung ergibt sich in dieser Bezie-
hung langfristig eine erhöhte Flächennutzungskonkurrenz zwischen den Wäldern und Mooren
als Senken, den landwirtschaftlichen Flächen zur Ernährungssicherung und der Bioenergieer-
zeugung. An dieser Stelle wären wir wieder beim elementarsten Problem von geschlossenen
Systemen: der Unmöglichkeit von unbegrenztem Wachstum.
Auf die zweite Strategie der Klimawandelanpassung soll im Rahmen dieser Arbeit nicht wei-
ter eingegangen werden, da sie nicht der Thematik entspricht. Konzepte und Maßnahmen der
Anpassung an einen Klimawandel geben zum Beispiel Rahmsdorf & Schellnhuber (2007) und
das BMU (RAHMSTORF & SCHELLNHUBER 2007, S. 92; BMU 2009, S. 23ff.).
An dieser Stelle soll der Terminus Klima nochmals etwas genauer betrachtet werden. In der
oben aufgeführten Definition von Malberg (2007) ist Klima als die Gesamtheit der atmosphä-
rischen Zustände und Vorgänge beschrieben. Man kann Klima vorsichtig als Ableitung des
Wetters deklarieren, mit dem Hintergrund, dass Klima sich „auf einen hinreichend langen
24
Zeitraum“ bezieht, damit den Maßstab verkleinert und sich vom Wetter entfernt. Behalten wir
diese Phrase „hinreichend langer Zeitraum“ im Hinterkopf, während wir uns kurz die etymo-
logische Bedeutung von Klima näher führen:
„Klima Sn std (16. Jh.). Entlehnt aus spl. clīma (-atis), dieses aus gr. klĩma (eigentlich die
»Neigung«), zu gr. klínein »neigen, beugen, lehnen«. So bezeichnet nach dem witterungs-
bestimmenden Faktor der geographischen Breite und der damit verbundenen mittleren
Neigung des Sonnenstandes.“ (KLUGE 2002, S. 496)
Der Faktor der geographischen Breite ist wie oben schon beschrieben abhängig von der Eklip-
tik, die wiederum von der Präzession beeinflusst wird. Das heißt für unsere Breiten ändert
sich das Klima „kurzfristig“ aus dem Stand zur Sonne, es entstehen die Jahreszeiten. Durch
die Rotation der Erdrotationsachse kommt es zusätzlich zu überlagernden längerfristigen Zyk-
len, wie Milankovitch sie beschrieben hat.
Schaut man sich eine Klima-Definition des IPCC an, scheint es keine genau abgegrenzte De-
finition von Klima zu geben – zu weit fächern sich die Zeiträume auseinander. Hier wird nach
Angaben der WMO eine klassische Periode des ausreichend langen Zeitraums von 30 Jahren
angegeben. Im gleichen Zug werden Bandbreiten von einigen Monaten zu tausenden oder
Millionen von Jahren ausgewiesen (im Original: „[…] from months to thousands or millions
of years.“ IPCC 2001, S. 788).
Es soll an dieser Stelle kein Zweifel am Klimawandel geäußert werden. Es soll lediglich dar-
auf aufmerksam gemacht werden, dass das Klima von einer Vielzahl von Faktoren und Steue-
rungsmechanismen abhängt (siehe oben), die weit davon entfernt sind, aus einer ganzheitli-
chen Sicht verstanden zu sein. Im extremen Widerspruch zu diesem Sachverhalt steht die Tat-
sache, dass Begriffe wie Klimawandel, globale Erwärmung und Klimaschutz in unserer öf-
fentlichkeitswirksamen Medienwelt zunehmend pauschalisiert, dramatisiert und instrumenta-
lisiert werden (PANSEGRAU 2009, S. 139ff.) und zwar aus dem einen Grund, Macht auszuüben
und Interessen durchzusetzen (Vgl. Kapitel 3.1.1). Dieser Tatbestand wird von einer Mehrheit
der Menschen als Wahrheit wahrgenommen. Ob sie es ist oder nicht, sei in diesem Moment
dahingestellt, es spielt nur sekundäre Rolle, weil es aus dieser Betrachtungsweise um unter-
schiedliche Interessen geht und nicht um eine „objektive Wahrheit“.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Klima von sehr vielen Faktoren abhängt, zu denen
nicht nur der CO2-Ausstoß gehört, sondern zum Beispiel auch andere THG wie Methan und
Lachgas, aber vor allem der Wasserdampf. Ein ganzheitliches Verständnis von Klima kann
nicht angenommen werden. Eine diskursive Darstellung des Klimawandels in den Medien
lässt zunehmend eine Pauschalisierung und Dramatisierung erkennen, die dafür genutzt wird,
spezifische Interessen meist politischer oder wirtschaftlicher Art durchzusetzen. Dadurch wird
vor allem eine große Hoffnung in die Erforschung von neuen Technologien gesetzt, was zu
zusätzlicher Expansion führt. Dies geschieht aber ohne den Aspekt, dass die Menschen ihren
Produkt-, Dienstleistungs- und Energiekonsum einschränken. Solange wir EE erzeugen,
25
gleichzeitig aber fossile Energienutzung nicht reduzieren, wird sich keine Normalisierung des
Treibhauseffektes einstellen.
4.1 Die Bedeutung der erneuerbaren Energien
Ohne EE ist in unserer heutigen Gesellschaft kein Klimaschutz möglich, denn sie wirken
emissionseinsparend. In diesem Sinne sind EE als nachhaltigkeitsfördernd einzustufen: Sie
tragen nachhaltig zu einer anteiligen Reduzierung der CO2-Emissionen unserer Energiewirt-
schaft und somit zu einer Verminderung der globalen Erwärmung bei (HENNICKE & FISCHE-
DICK 2010, S. 13).
Im Widerspruch zur CO2-Reduzierung durch EE stehen allerdings die steigenden Zahlen für
Energieverbräuche, besonders in den Industrienationen aber auch in Schwellenländern wie
China, Indien oder Brasilien. Ein steigender Anteil von EE muss in dieser Beziehung noch
keinen sinkenden Anteil von fossilen Energieträgern bedeuten. In Deutschland betrug der
Anteil von EE am Bruttoenergieverbrauch im Jahr 2008 zwar 8,6 %, allerdings ist dieser
Verbrauch von 1998 bis 2008 um 255 % gestiegen (STATBA 2011, S. 4ff.). Dabei hat beson-
ders die industrielle Produktion mit 686 % am stärksten zugenommen. Sowohl im Verbrauch
als auch in der Erzeugung ist Deutschland damit Spitzenreiter in der europäischen Union
(STATBA 2011, S. 6).
Da sie die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten und somit das Risiko von Konflikten um
diese Energierohstoffe verringern, können EE als friedensstiftend angenommen werden
(HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 13). Eine Dezentralisierung der Energieerzeugung in der
relativen Nähe zum Verbrauchsstandort führt außerdem zu einer optimierten Versorgungssi-
cherheit. Auf diese Weise wird auch die Möglichkeit eröffnet, dass sich eine erhöhte Anzahl
von Akteuren mit in den Energieversorgungsprozess einschalten kann. Durch die sich damit
einstellende Diversität wird die Gefahr einer Monopolisierung des Energiesektors zumindest
in Ansätzen gebannt, sind doch die Investitionskosten von Akteuren für EE-Anlagen geringer
als für Kohle- oder Atomkraftwerke (HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 17).
4.2 Energetische Nutzung von Biomasse
In diesem Abschnitt soll Bioenergie als spezifische EE zur Vermeidung des Klimawandels
kurz vorgestellt werden. Bioenergie selbst basiert auf jedweder energetischen Nutzung von
Biomasse. Der SRU (2007) unterteilt Biomasse zum einen in biogene Reststoffe und zum
anderen in NawaRo, wobei es nach den §§ 2-3 BiomasseV für die energetische Nutzung aner-
kannte und nicht anerkannte Biomasse gibt (SRU 2007, S. 22). Biomasse wird allerdings nicht
nur energetisch genutzt. Hierbei kommt es zu Nutzungskonkurrenzen mit anderen Bereichen.
Hennicke & Fischedick (2010) unterteilen Biomasse in drei Potentialkategorien: Neben bio-
genen Reststoffen, wie beispielsweise Rückstände aus der Land- und Forstwirtschaft, Indust-
26
rie und Kommunen, separieren sie die NawaRo in holzartige Biomasse und Energiepflanzen
aus gezieltem landwirtschaftlichen Anbau (HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 57).
Holzartige Biomasse für die energetische Nutzung steht dabei in Konkurrenz zu einer stoffli-
chen Nutzung, wie z.B. als Baumaterial oder in der Papierindustrie. Landwirtschaftliche
Energiepflanzen stehen ebenfalls in einer Konkurrenz zur stofflichen Nutzung, hier z.B. als
Schmier- und Kunststoffe oder in der Kosmetik und Pharmaindustrie. Zusätzlich zur stoffli-
chen Nutzung besteht bei Energiepflanzen eine Konkurrenz zu jeder Art von Nahrungsmittel-
produktion. In Deutschland ist etwa der Anteil der stofflichen Nutzung von Holzbiomasse mit
69 % im Vergleich zur energetischen Nutzung (31 %) recht hoch – bei NawaRo aus landwirt-
schaftlicher Produktion ist die energetische Verwertung mit 90-92 % allerdings höher als eine
stoffliche Nutzung von 8-10 % (SRU 2007, S. 27). Und auch biogene Reststoffe wurden in
der Vergangenheit anders verwertet und werden auch heute noch anderweitig benötigt, so
etwa zur Viehfütterung.
Aufgrund der Speicherbarkeit als biogene Materie kann Bioenergie im Vergleich zur Solar-
oder Windkraft als eine sehr flexible erneuerbare Energieform angenommen werden. Die Fle-
xibilität ergibt sich in dieser Hinsicht aus dem Primärenergieträger11 Biomasse, welcher weit-
aus besser verfügbar und lagerfähig ist als Wind oder Sonnenstrahlung (SRU 2007, S. 20).
Durch eine Vielzahl von Umwandlungsformen können aus den Primärenergieträgern der
obenangegebenen zwei bzw. drei Biomassekategorien feste, flüssige und gasförmige End-
energieträger12 erzeugt werden. Bei diesen Umwandlungen entstehen jedoch immer Energie-
verluste.
4.2.1 Biomasse für die Wärme- und Stromerzeugung
Die Wärmeenergieerzeugung aus Biomasse ist so alt wie die Erfindung des Feuers. Und so
werden schon seit Jahrtausenden Holz, getrockneter Torf und Dung direkt über die Verbren-
nung hierfür genutzt (DVL & NABU 2007, S. 10). Die heute meistgenutzte Art der Wärmeer-
zeugung durch Biomasse ist die Verbrennung von Holz im häuslichen Bereich. Dabei können
Scheitholz, Hackschnitzel und Pellets zum Einsatz kommen (HENNICKE & FISCHEDICK 2010,
S. 58). In Heizwerken kann Biomasse verbrannt und mit dieser Wärmeenergie Wasser für die
Versorgung von Haushalten erhitzt werden. Die Wärmebereitstellung aus Biomasse machte
im Jahr 2009 mit einem Wert von 100,6 TWh ca. 91 % der erneuerbar erzeugten Wärme und
7,6 % der gesamten bundesdeutschen Wärmebereitstellung aus (FNR 2010b, S. 2).
Mit Hilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in sogenannten Blockheizkraftwerken
(BHKW) kann sowohl elektrische als auch thermische Energie erzeugt werden. Hierdurch
werden auch der Wirkungsgrad der energetischen Nutzung von Biomasse erhöht und die
11 Siehe Glossar 12 Siehe Glossar
27
Energieverluste minimiert. Allerdings fällt die Wärmeenergie als Abwärme an, wodurch z.B.
landwirtschaftliche Biogasanlagen (BGAn) mit BHKW, aber ohne Abnehmer der Wärme,
keine optimale Lösung sind. Biogas selbst kann allerdings – nach einer Aufbereitung zu Bio-
erdgas (Biomethan) – in das nationale Erdgasnetz eingespeist und für die Wärmeenergiebe-
reitstellung genutzt werden (HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 58).
Generell wird Biogas im Hinblick auf den Vergütungsanreiz durch das EEG in Kraftwerken
und BHKWs verstromt. In Deutschland wird der Energieträger Biogas für die Elektroenergie-
erzeugung bisher noch nicht mit fossilem Erdgas gemischt, da es hierfür nach EEG keine Ver-
gütung gibt (HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 58). Für eine detaillierte Beschreibung der
Erzeugung von Biogas soll an dieser Stelle auf Kaltschmitt et al. (2009) verwiesen werden
(KALTSCHMITT et al. 2009, S. 851–909).
Neben Biogas gibt es aber auch noch andere Biomasse wie Pflanzenöle aus Raps oder Son-
nenblumen und Festbiomasse wie Kurzumtriebsgehölze14, die für die Verstromung genutzt
werden können. Das Biomassegemisch, was in BGAn gegeben und vergoren wird, nennt man
Substrat15. Durch die Vergärung entsteht das Biogas, was durch Verbrennung zum Antrieb
von Motoren und/oder Generatoren verwendet wird. Es können aber auch Dampfturbinen
zum Einsatz kommen. Hierdurch entsteht die elektrische Energie, die nach EEG vergütet
wird. Mit KWK kann durch diese Vorgänge gleichzeitig Brauchwasser erwärmt werden. Die
Funktionsweise einer BGA ist in Abbildung 3 ersichtlich.
Im Jahr 2009 hatte die Stromerzeugung aus Biomasse in Deutschland einen Wert von
30,3 TWh. Das entspricht einem Anteil an erneuerbarer Stromerzeugung von 33 % und an der
Gesamtstromerzeugung von 5,3 % (FNR 2010b, S. 2).
13 Quelle: http://www.seilnacht.com/referate/biogas02.gif (eingesehen am 12.07.2011) 14 Siehe Glossar 15 Siehe Glossar
Abbildung 3: Funktionsweise einer Biogasanlage13
28
4.2.2 Biomasse für die Kraftstofferzeugung
Als letzter Nutzungszweig kann Bioenergie im Kraftstoffsektor eingesetzt werden. Der Groß-
teil der genutzten Biokraftstoffe ist flüssig. Allerdings kann auch Biomethan als Erdgassubsti-
tut zur Anwendung kommen (HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 60). In Deutschland beträgt
die Produktionsmenge von Biokraftstoffen 3,52 Mio. t im Jahr 2009. Das entspricht einem
energetischen Anteil von 5,5 % am Gesamtkraftstoffverbrauch (FNR 2010d, S. 2).
Generell werden Biokraftstoffe in zwei Generationen eingeteilt, welche in unterschiedlichem
Maß verfügbar sind. Zur ersten Generation gehören Bioethanol, Biodiesel und reines Pflan-
zenöl (HENNICKE & FISCHEDICK 2010, S. 59). Hierbei fällt der Großteil der weltweiten Bio-
kraftstoffproduktion auf Ethanol. Dieses kann durch die Gärung von zucker- und stärkehalti-
gen Pflanzen, z.B. Zuckerrohr (Brasilien), Mais (Nordamerika), Kartoffeln, Zuckerrüben oder
Getreide (Europa) gewonnen werden. Aufgrund eines sehr geringen Nettoenergieertrags pro
Hektar erzeugt Bioethanol jedoch vergleichsweise hohe THG-Emissionen (DVL & NABU
2007, S. 16). Eine detaillierte Beschreibung der Erzeugung von Bioethanol zur Kraftstoffnut-
zung findet sich bei Kaltschmitt et al. (2009) (KALTSCHMITT et al. 2009, S. 793–834).
Reines Pflanzenöl und Biodiesel werden dagegen aus ölhaltigen Pflanzen wie Raps, Sonnen-
blumen, Soja oder aus Palmöl gewonnen. Beim Einsatz von reinem Pflanzenöl in Dieselmoto-
ren ist aufgrund der Viskosität ein Umbau notwendig. Durch den chemischen Vorgang der
Veresterung wird aus Pflanzenöl Pflanzenölmethylester oder kurz Biodiesel erzeugt (SRU
2007, S. 20). Für eine ausführliche Beschreibung der Erzeugung und Nutzung von Pflan-
zenölkraftstoffen wird hier wiederum auf Kaltschmitt et al. (2009) verwiesen (KALTSCHMITT
et al. 2009, S. 711–768).
Die zweite Generation von Biokraftstoffen umfasst Biomethan, Biomass-to-Liquid (BtL)16
und Bioethanol auf Lignozellulosebasis17. Biomethan ähnelt in seiner Zusammensetzung dem
üblichen Erdgas und wird durch eine Aufbereitung von Biogas erzeugt. BtL-Kraftstoffe wer-
den aus zucker- und stärkehaltigen Pflanzen synthetisch unter hohen Temperaturen und ho-
hem Druck gewonnen (DVL & NABU 2007, S. 16). Ein Vorteil von BtL ist, dass für den
Kraftstoff eine sehr große Bandbreite an Primärenergieträgern genutzt werden kann. Dies sind
neben Energiepflanzen z.B. auch Reststoffe wie Stroh, Bioabfälle und Restholz (FNR 2007,
S. 33). Lignozellulose-Ethanol wird aus lignozellulosehaltigen Pflanzen und Reststoffen ge-
wonnen. Das bedeutet, dass im Gegensatz zum Bioethanol erster Generation alle pflanzlichen
Bestandteile und auch landwirtschaftliche Reststoffe wie Kleie oder Stroh genutzt werden
können (FNR 2009a, S. 64). Die zweite Generation von Biokraftstoffen soll in an dieser Stelle
nicht weiter erklärt werden, da sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in vergleichbaren Maß
wie Biokraftstoffe der ersten Generation verfügbar sind bzw. sich noch in der Forschungspha-
se befinden.
16 Siehe Glossar 17 Siehe Glossar
29
4.3 Bioenergiepolitik und rechtliche Grundlagen
Als institutioneller Rahmen für die gesamte Bioenergieerzeugung und –Nutzung sollen in
diesem Abschnitt die bestehenden politischen und rechtlichen Grundlagen vorgestellt werden.
Dabei wird auf europäischer Ebene begonnen, mit der bundesdeutschen Ebene fortgesetzt und
mit der Landesebene MV abgeschlossen. Einen globalen Rahmen für die Bioenergienutzung
gibt es nicht. Es existieren zwar die Klimarahmenkonvention und das Kyoto-Protokoll, wel-
che den Klimaschutz auf globaler Ebene institutionalisieren, jedoch wird in keinem der beiden
Dokumente eine energetische Nutzung von Biomasse explizit angesprochen. Insofern kann
für die globale Ebene hier keine institutionelle Regelung vorgestellt werden.
4.3.1 Bioenergie auf europäischer Ebene
Auf europäischer Ebene steht die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EE-RL) für alle EU-
Mitgliedsstaaten als Regelung zur Emissionsminderung von THG und zum Ausbau des An-
teils EE am gesamten EU-Energieverbrauch. In der ersten Fassung, die am 27. Oktober 2001
in Kraft trat (RL 2001/77/EG), wurden die Mitgliedsstaaten zunächst dazu aufgefordert, den
Anteil der Stromerzeugung aus EE von 14 % in 1997 auf 22 % im Jahr 2010 und ihren Anteil
am Gesamtenergieverbrauch auf 12 % in 2010 anzuheben (RODE et al. 2005, S. 75). In einer
weiteren Richtlinie von 2003 (RL 2003/30/EG) wurde die Förderung der Verwendung von
Biokraftstoffen beschlossen (RUHBAUM et al. 2011, S. 29). In der aktuellen EE-RL (RL
2009/28/EG) wurden die ersten beiden Richtlinien zusammengefasst und um wichtige Punkte
ergänzt. Dabei wurde beispielsweise die Unverbindlichkeit der Endziele bis 2020 außer Kraft
gesetzt. Diese sind nun bindend, wobei ein Nichteinhalten geahndet werden kann (ebd.,
S. 29). Zu diesen Zielen gehören,
„20 % des Bruttoinlandsverbrauchs der Gemeinschaft bis 2020 [durch EE] zu decken
[…] und ein Mindestanteil von 10 % im Verkehrssektor für alle Mitgliedstaaten“ (ebd.,
S. 30)
zu erreichen. Durch das „effort-sharing“-Prinzip wird die Erhöhung der Anteile an den jewei-
ligen Bruttoinlandsprodukten ausgerichtet. So muss z.B. Malta seinen EE-Anteil auf 10 %,
Schweden dagegen auf 49 % und Deutschland auf 18 % steigern (ebd., S. 30). Außer der Min-
destanforderung im Kraftstoffsektor gibt es keine Vorschriften, auf welche Weise die Steige-
rung der Anteile erfolgen soll. Es werden jedoch gewisse Maßnahmen empfohlen.
Die wichtigste Maßnahme stellt eine nationale Förderregelung dar. Dies ist für Deutschland
das EEG (vgl. Abschnitt 4.3.2). Die zweite Maßnahme ist die eher indirekte Effizienzsteige-
rung im gesamten Produktions- und Erzeugungsprozess von Anlagen, Biomasse und Energie.
Als letzte Maßnahme können die flexiblen Mechanismen der EE-RL umgesetzt werden. Diese
basieren auf dem FlexMechs-Quartett des Kyoto-Protokolls (ebd., S. 31). Demnach können
überschüssige EE-Anteile eines Mitgliedsstaates an andere Mitgliedsstaaten transferiert wer-
30
den. Des Weiteren können mehrere Mitgliedsstaaten, als auch Mitgliedstaaten mit außereuro-
päischen Drittstaaten gemeinsame Projekte zur Erzeugung von EE realisieren. In einer Ko-
operation mit Drittstaaten kann allerdings nur erneuerbar erzeugter Strom auf die Richtlinien-
ziele angerechnet werden (RUHBAUM et al. 2011, S. 31). Der letzte Mechanismus impliziert
die freiwillige Zusammenlegung und Koordination nationaler Förderregelungen mehrerer
Mitgliedsstaaten.
Speziell die Energieerzeugung aus Biomasse betreffend, müssen die Mitgliedsstaaten Berichte
über indirekte Landnutzungsänderung (iLUC18) durch den Anbau von Energiepflanzen und
ihre Auswirkungen dem europäischen Gesetzgeber zukommen lassen. In den nationalen Akti-
onsplänen, die jeder Mitgliedsstaat bis zum 30. Juni 2010 einzureichen hatte, mussten zum
ersten Mal die sektoralen Ziele (Verkehr, Strom, Wärme und Kälte) und für die Umsetzung
notwendige Maßnahmen dargelegt werden. Hierzu gehörte auch eine nationale Strategie zur
Entwicklung von Biomasse inklusive ihrer Importvorhaben (RUHBAUM et al. 2011, S. 33).
Für die energetische Nutzung von Biomasse sind in Art. 17-19 EE-RL Nachhaltigkeitsanfor-
derungen für den landwirtschaftlichen Anbau von Biomasse verankert worden. Allerdings
beschränken sich diese Anforderungen bisher nur auf die angebauten Rohstoffe für die Erzeu-
gung von flüssigen Biokraftstoffen und flüssigen Brennstoffen im Strom- und Wärme-
/Kältesektor (RUHBAUM et al. 2011, S. 35f.). Das heißt, es betrifft alle Arten von Pflan-
zenölen, Biodiesel und Bioethanol, nicht aber Biogas/Biomethan oder direkt genutzte Fest-
biomasse wie Holz. Die konkreten Anforderungen enthalten eine THG-Minderungsbilanz von
flüssiger Biomasse im Vergleich zu fossilen Brenn- oder Kraftstoffen von zunächst 35 % und
ab 2017 von mindestens 50 %. Zusätzlich dürfen die genutzten Rohstoffe nicht auf Flächen
angebaut werden, „die im Januar 2008 eine hohe biologische Vielfalt aufwiesen oder in denen
viel Kohlenstoff gebunden war“ (RUHBAUM et al. 2011, S. 35). Hierfür stehen auf bundes-
deutscher Ebene exemplarisch die BioSt-NachV und die Biokraft-NachV.
4.3.2 Bioenergie auf bundesdeutscher Ebene
Auf bundesdeutscher Ebene regelt das EEG die Vergütungstarife für Strom aus Biomasse und
dessen Einspeisung in das nationale Stromnetz (RODE et al. 2005, S. 76). Im Jahr 2000 löste
das EEG das Stromeinspeisungsgesetz ab. Die aktuelle Novelle19 des EEG trat am 01. Januar
2010 in Kraft. Nach § 5 EEG sind die großen Elektrizitätsunternehmen dazu verpflichtet, vor-
rangig Strom aus erneuerbaren Quellen abzunehmen und nach speziellen Vorgaben zu vergü-
ten, wobei die Kosten für die Energieversorger auf die Verbraucher umgelegt werden
(EKARDT et al. 2009, S. 228). Die Vorgaben für die Grundvergütung richten sich für Bioener-
gie nach der Anlagengröße gemessen in installierter Leistung, welche bis 20 MW reichen
darf. Generell gilt: Je größer die Anlage, desto kleiner die Grundvergütung. Hinzu kommen
18 Siehe Glossar 19 Siehe Glossar
31
die sogenannten Boni, so z.B. für die Nutzung von NawaRo und für die Nutzung von Kraft-
wärmekopplung oder die Verwendung besonders innovativer Technologien (FNR 2009b,
S. 138). Eine detaillierte Aufschlüsselung und Regelung der Vergütungssätze findet sich bei
Wedemeyer (WEDEMEYER 2009, S. 25–28).
Bei der Biogasverstromung ist der Ausschließlichkeitsgrundsatz für den NawaRo-Bonus auf-
gehoben worden. Das bedeutet, dass NawaRo künftig mit bestimmten rein pflanzlichen Ne-
benprodukten gemischt werden können. Hiermit erhofft man sich eine Entspannung des Ener-
giepflanzenmarktes (ebd., S. 26). Außerdem ist in der aktuellen EEG-Novelle eine Abde-
ckung des Gärrestlagers vorgeschrieben. Dadurch soll der Methanaustrag während der Bio-
gasproduktion vermieden und somit die Klimabilanz verbessert werden (ebd., S. 27).
Für die Nutzung von Biomasse zur Stromerzeugung wirkt die Biomasseverordnung seit 2005
flankierend auf das EEG. Hier (§ 2 BiomasseV) wird vorgeschrieben, aus welcher anerkann-
ten Biomasse Strom erzeugt werden kann, der dann auch eine Vergütung erhält. So zählt bei-
spielsweise Torf nicht zu anerkannter Biomasse (FNR 2009b, S. 137). Des Weiteren werden
in der Biomasseverordnung die technischen Anforderungen zur Stromerzeugung als auch de-
ren Umweltanforderungen festgelegt (RODE et al. 2005, S. 77).
Weiterhin ist auf bundesdeutscher Ebene für den Kraftstoffsektor das Biokraftstoffquotenge-
setz zu nennen, welches seit dem 18. Dezember 2006 wirksam ist. Das Gesetz verpflichtet die
Mineralölwirtschaft dazu, einen festgelegten und steigenden Anteil an Biokraftstoffen in den
Verkehrssektor einzuspeisen. Erstmalig war eine Steigerung des Anteils an Biokraftstoffen
um jährlich 0,25 % auf 8 % im Jahr 2015 geplant. Kritik gegen die Biokraftstoffquote verwies
vor allem auf eine verschärfte Landnutzungsänderung in Entwicklungsländern für den Anbau
von Soja oder Palmöl zur Biodieselproduktion (LUDWIG 2009, S. 831). Ein weiteres Problem
ist die Beimischung von Bioethanol zu normalen Ottokraftstoffen, welche in vielen Verbren-
nungsmotoren unverträglich ist. Infolge dessen kam es zu einer Senkung der Biokraftstoff-
quote von 6,25 % auf 5,25 % in 2009 und zu einer darauffolgenden Einfrierung der Quote auf
6,25 % in den Jahren 2010 bis 2014 (ebd., S. 831).
Ebenfalls flankierend auf das EEG und auf das BioKraftQuG wirken seit 2009 die Biomasse-
strom- und die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung, welche die Nachhaltigkeitsanforde-
rungen der EE-RL im bundesdeutschen Recht umsetzen. Demnach dürfen NawaRo für flüssi-
ge Kraft- und Brennstoffe nicht auf Flächen mit hohem Naturschutzwert angebaut werden,
wozu bewaldete Flächen, Naturschutzflächen und Grünland mit hoher Biodiversität zählen
(AMMERMANN & MENGEL 2011, S. 331f.). Eine Einhaltung dieser Anforderungen wird ver-
sucht mit Hilfe von Zertifizierungssystemen zu realisieren. Noch keine Regelung dieser Art
gibt es dagegen für die energetische Nutzung von fester und gasförmiger Biomasse.
Für die Wärmeversorgung von Gebäuden ist das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz heran-
zuziehen. Hier wird in § 1 festgelegt, den EE-Anteil an der Wärmeversorgung von 6 % in
2007 auf mindestens 14 % in 2020 zu erhöhen. Ab Anfang 2009 mussten demnach die Wär-
32
me- und Kälteversorgung von Neubauten anteilig mit Hilfe von Solaranlagen, Wärmepumpen
oder Biomasseheizungen abdeckt werden. In einer ersten Novelle 2011 betrifft diese Bestim-
mung nun auch Gebäude der öffentlichen Hand (§ 5a EEWärmeG).
Ein weiteres Regelungssystem erstreckt sich um den gesamten Verfahrensprozess der Ge-
nehmigung von BGA, in dem eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielt. Hierzu zählen
unter anderem der Anlagenstandort, das Genehmigungsverfahren selbst, die Hygienevor-
schriften und baulichen Anforderungen sowie die Ausbringung der Gärreste. Folglich müssen
eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen beachtet werden, welche die Realisierung ei-
ner BGA bestimmen. Hierzu gehören für die oben genannten Faktoren das Baugesetzbuch,
das Bundesimmissionsschutzgesetz, die EU-Hygieneverordnung, die Bioabfallverordnung,
sowie die Düngemittel- und Düngeverordnung. Die Fachagentur für Nachwachsende Rohstof-
fe gibt diesbezüglich eine ausführliche Schilderung der Gesetzeslage (FNR 2009b, S. 140–
148).
4.3.3 Bioenergie auf Landesebene MV
Auf Basis des integrierten Energie- und Klimaprogramms der Bundesregierung (IEKP) von
2007, ist für MV die Strategie „Energieland 2020“ ins Leben gerufen worden. Die Ziele des
IEKP sind wie folgt festgelegt:
1) Verdopplung der gesamtwirtschaftlichen Energieproduktivität gegenüber 1990;
2) Erhöhung des EE-Anteils an der Stromerzeugung auf 25 - 30 %;
3) Erhöhung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Anteils an der Stromerzeugung auf 25 %;
4) Erhöhung des EE-Anteils am Endenergieverbrauch: Wärme 14 %, Kraftstoffe 17 %;
5) Senkung der CO2-Emissionen um 36 - 40 % (MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND
TOURISMUS MV 2009, S. 9)
Aus den Zielen des IEKP ergab sich am 5. September 2007 der Auftrag des Landtages an die
Landesregierung MV eine Gesamtstrategie „Energieland 2020“ auszuarbeiten. In Tabelle 1
sind die acht Leitlinien dieser Strategie und ihre wichtigsten Maßnahmen zusammenfassend
dargestellt.
Tabelle 1: Leitlinien und Maßnahmen der Strategie „Energieland 2020“
Leitlinie Maßnahmen
LL1 Energieeffizienz und Klimaschutz Verbesserung Energieeffizienz; Verwendung ungenutzter Abwärme; Fördermaßnahmen in Wohnungs- und Städte-bau und Verkehrswesen
LL2 Erneuerbare Energien/NawaRo Bis 2050 klimaneutrale Stromerzeugung ohne Einsatz fossiler Energie; Ausbau der EE, jedoch kein Rückbau konventioneller Kraftwerke
33
LL3 Energiepreise/Nachhaltige Energie-versorgung
Verschärfung des Wettbewerbs auf Energiemärkten durch u.a. Konkretisierung des Kartellrechts und optimierte An-schlussbedingungen für neue Kraftwerke; Modernisierung konventioneller Kraftwerksparks; Energiemix aus erneuer-baren und fossilen Quellen
LL4 Ausbau Strom- und Gasnetze Ableitung der russischen Gaspipeline Richtung S und W; Zusammenlegung der Regelzonen der Stromversorgung; Anschlüsse von dezentralen Biogasproduzenten
LL5 Energiestandort Lubmin Aufwertung durch die Ostseepipeline; Ansiedlung weiterer Wärmenutzer am Standort
LL6 Abfall- und Energiewirtschaft Verstärkte energetische Verwertung von Abfall
LL7 Technologieförderung/Innovation Unterstützung von Netzwerken und Kompetenzzentren; Erforschung von Speichertechnologien
LL8 Schaffung und Sicherung von Ar-beitsplätzen
Entsprechende Randbedingungen schaffen z.B. Ansied-lung von Unternehmen der Energiebranche
4.4 Bioenergie auf Rügen
Mit dem Gewinn des Bundeswettbewerbs Bioenergieregion ist Rügen seit Mitte März Bio-
energieregion (BER). Der Projektstart war am 14. Mai 2009. Zu diesem Zeitpunkt erhielt die
Kreishandwerkerschaft Rügen als Träger eine Zusage des BMELV zur Förderung in Höhe
von maximal 400.000 € über eine Projektlaufzeit von drei Jahren. Für den Wettbewerb musste
ein regionales Entwicklungskonzept mit Zielen und Strategien konzipiert werden. Als lang-
fristiges Hauptziel wurde deklariert, bis 2020 den Primärenergiebedarf von Rügen zu einem
Drittel durch die energetische Verwertung von Biomasse abzudecken (FNR 2010a, S. 21). Im
regionalen Entwicklungskonzept wird zusätzlich als langfristiges Ziel die weitgehende Ener-
gieautarkie durch einen Energiemix aus EE beschrieben (KREISHANDWERKERSCHAFT RÜGEN
2008, S. 11). Weiterhin werden sieben Teilziele verfolgt, die zur Erreichung der übergeordne-
ten Ziele beitragen sollen (KREISHANDWERKERSCHAFT RÜGEN 2008, S. 11f.). Hierunter zäh-
len:
1. Die Senkung des Wärmebedarfs: Einbindung schon vorhandener Bioenergiewärmemengen
ohne Verwertung und vollständige Wärmenutzung von neuen Bauprojekten durch Biowärme.
2. Nachhaltiger Tourismus: qualitativer Ausbau zu einem nachhaltigen Tourismus bis 2015;
Einbindung von EE in die Marketingstrategie der Insel Rügen, damit Entwicklung zur Vor-
bildregion.
3. Entwicklung intelligenter Verwertungslösungen für alle regional anfallenden Biomasse-
ströme: Hierunter fallen kommunale Bioabfälle, organische Restabfallfraktionen, Klär-
34
schlamm, Landschaftspflegematerial, Seetang/Treibsel20 und die Biomasse aus der Land- und
Forstwirtschaft.
4. Verringerung Individualverkehr und Umstellung des ÖPNV auf Biokraftstoffe aus regiona-
ler Biomasse: Ab 2010 erster Betrieb von Buslinien mit Bioerdgas.
5. Unterstützung von Investoren für Bioenergieprojekte: Zusammenbringen von Investoren
und Abnehmern; Ansiedlung von mindestens fünf kleinen, lokal ansässigen Energieversor-
gungsunternehmen; Unterstützung bei Abwicklung von Verwaltungsvorgängen.
6. Mindesterhaltung der Beschäftigtenzahl durch Kompetenzentwicklung und Qualifizie-
rungsmaßnahmen: Sicherung von Arbeitsplätzen im Handwerk und Dienstleistungssektor;
Schaffung neuer Berufs- und Ausbildungsfelder und eines höheren Lohnniveaus, damit Ent-
gegenwirkung zur Abwanderung; Verjüngung der Beschäftigtenstruktur; höhere Identifikation
mit der Region.
7. Stärkung und Diversifikation mit Hilfe der Erschließung neuer wirtschaftlicher Betäti-
gungsfelder in Land- und Forstwirtschaft, Handwerk und Gewerbe: Verwertung und Vered-
lung einheimischer Produkte; Energieholzproduktion; Einsatz und Einbau innovativer Tech-
nologien; Umrüstung von Gebäuden.
Neben diesen Zielen gibt das Entwicklungskonzept auch eine Analyse der gegenwärtigen
Biomassepotentiale auf Rügen im Jahr 2008 wieder. Diese sind in Tabelle 2 zusammenge-
fasst. Für das Aufkommen an Bioabfällen gibt es allerdings starke saisonale Schwankungen
durch den Tourismus (KREISHANDWERKERSCHAFT RÜGEN 2008, S. 8). Bei der Algen- und
Seetangfrage ist die energetische Verwertung bisher noch unbeantwortet. Die hohen Sand-
und Salzanteile des Materials sind hinderlich (GAUL 2010, S. 61).
Tabelle 2: Biomassepotentiale auf Rügen21
Stoff Potential (Masse/Volumen/von Fläche)
Grasschnitt von 11.025,39 ha Dauergrünlandfläche
Waldholz 1.885 fm/a
Stroh (Getreide-/Rapsstroh) 86.677 t/a
Landschaftspflegematerial 900 t/a
Klärschlamm 2.153 t Trockensubstanz
Bioabfälle/Grünabfälle 7.581 t
Algen und Seetang Nordost-Küste: 3.520 t; Ost-Küste: 2.000 t
20 Siehe Glossar 21 Quelle: KREISHANDWERKERSCHAFT RÜGEN 2008, S. 7f.
35
Mittlerweile existieren – neben 290 Photovoltaik- und 61 Windkraftanlagen – 7 Biomassean-
lagen, die durch das EEG gefördert werden (vlg. Abbildung 4). Damit können 16 % des
Strombedarfs von Rügen durch EE abgedeckt werden (FNR 2011, S. 8). Für die vier BGAn in
Sagard, Putbus/Pastitz, Bergen/Tilzow und Rothenkirchen können an dieser Stelle Inputdaten
aufgeführt werden (vgl. Tabelle 3). Auffällig ist die starke Nutzung von Reststoffen in den
beiden älteren Anlagen Pastitz und Sagard. Bei den beiden neuen und größeren Anlagen in
Bergen und Rothenkirchen überwiegen die Energiepflanzen. Bei einigen Biomassearten ist
die Unterscheidung zwischen NawaRo oder Reststoff nicht so einfach. So wird beispielsweise
die Grassilage von extensiv landwirtschaftlichen Flächen gewonnen, aber nicht gezielt als
Energiepflanze angebaut. Grassilage wird bei der BGA Sagard im gleichen Zug mit Maissila-
ge genannt. In Rothenkirchen ist Gras dagegen unsiliert bei sonstiger Biomasse zusammen
mit Reststoffen aufgeführt. Auch bei Landschaftspflegematerial ist die Einordnung zwischen
Abfall und angebauter Biomasse umstritten (AMMERMANN & MENGEL 2011, S. 329).
Um für die BGAn der Region Rügen ein Biomasse-Nutzungsverhältnis von NawaRo zu Rest-
stoffen zu erhalten, soll der Grasanteil bei der jeweiligen Nennung eingeordnet werden. Dem-
nach ergibt sich ein Biomasse-Verhältnis von 74,3 % Reststoffen und 25,7 % NawaRo.
22 Quelle: FNR 2011, S. 8, veränderte Darstellung
4 2
1
3
5
6
7
4
2
1
3
5
6
7
BGA Sagard
BGA Putbus/Pastitz
BGA Bergen/Tilzow
BGA Rothenkirchen
BHKW Sassnitz
BHKW Binz
BHKW Sellin
Abbildung 4: Bioenergieanlagen auf Rügen22
36
Tabelle 3: Biogasanlagen und ihre Inputstoffe auf Rügen23
Biogasanlage Baujahr Inputstoffe pro Jahr
Sagard 1996 50.000 t Gülle, Mist und Speiseabfälle; ca. 5.500 t Mais- und Grassilage
Putbus/Pastitz 1998 30.000 t Rinder- und Schweinegülle; 70.000 t Kofermente aus Gastronomie und Lebensmittelproduktion
Bergen/Tilzow 2008 14.000 t Getreideganzpflanzensilage; 7000 t Maissilage; 7000 t Gülle
Rothenkirchen 2011 20.000 t Ganzpflanzensilage; 15.500 t Maissilage; 22.500 t sonsti-ge Biomasse (Gülle, Mist, Gras)24
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Biogasertragszahl für Reststoffe wie Mist und
Gülle weitaus niedriger liegt als für Mais- oder Getreideganzpflanzensilage (FNR 2010c,
S. 3). Wenn man die NawaRo-Inputstoffe für Rügens BGAn auf die Ertragszahlen von Silo-
mais und Getreidepflanzen und weiterhin auf die Fläche hochrechnet, kommt man zu dem
Ergebnis, dass auf Rügen auf 5.128 ha Energiegetreide und auf 492 bis 612 ha Energiemais
angebaut wird – das zusammen entspricht schon mehr als 11 % der Ackerfläche Rügens.25
Und hier ist der Rapsanteil zur Rapsöl- und Biodieselproduktion noch gar nicht mit einge-
rechnet.
23 Quelle bis auf Rothenkirchen: GAUL 2010, S. 61 24 Quelle: Agrarproduktions- und Vertriebsgemeinschaft Samtens 25 Alle Bezugszahlen (Mais- und Getreideerträge, sowie Ackerfläche) von 2007 (Quelle: STATLA MV)
37
5. Methodik
Im folgenden Kapitel sollen die methodischen Grundlagen und Verfahrensweisen dieser Ar-
beit vorgestellt werden. Hierzu zählen zum einen die Methode der Diskursanalyse und die
qualitative Sozialforschung, welche in dieser Arbeit durch qualitative Leitfadeninterviews mit
Experten repräsentiert ist. Die Grounded Theory Methodologie (Abschnitt 5.1.1) soll sowohl
für die Diskursanalyse (Abschnitt 5.1) als auch für die Analyse von qualitativen Interviews
(Abschnitt 5.2) als Basis dienen. In Abschnitt 5.3 wird abschließend für beide Methoden er-
klärt, in welcher Weise die computergestützte Auswertung der Daten mit Hilfe des Pro-
gramms ATLAS.ti erfolgte.
5.1. Die Diskursanalyse in der Humangeographie
Wie schon im diskurstheoretischen Hintergrund in Kapitel 3.1 erwähnt, kann man Räume und
Orte aufgrund der in ihnen lebenden Menschen samt ihrer Sprache und Handlungen als sozia-
le Konstrukte annehmen. Räume und ihre namentlichen Bezeichnungen können in diesem
Sinne symbolisch für verschiedenste Inhalte stehen, z.B. der deutsche Fluss Rhein als „Grenz-
fluss, romantisch-verklärtes Naturdenkmal […], Industriekloake und vieles mehr“ (MATTIS-
SEK & REUBER 2007, S. 174). Die geographische Diskursanalyse kann auf den unterschied-
lichsten Maßstabsebenen von lokal bis global ansetzen. Im Gegensatz zu qualitativ-
hermeneutischen Methoden untersucht die sie nicht die Lebenswelten und Denkmuster von
einzelnen Individuen, sondern beleuchtet eher die allgemeinen Strukturen und verbindenden
Elemente von menschlichen Denk- und Handlungsmustern (ebd., S. 175). Ihre Entstehung
und die Machtwirkungen, die von ihnen ausgehen, sollen erklärt werden. Ziel der geographi-
schen Diskursanalyse ist damit auch,
„die Zwänge, Regeln und Beschränkungen, die bestimmen, was in einer bestimmten Si-
tuation gesagt, geschrieben oder gedacht werden kann und was nicht, herauszuarbeiten
und offen zu legen.“ (ebd., S. 175)
Aufgrund der Komplexität von Diskursen und der bisweilen unkonsequenten Vorgedanken
Foucaults hat sich in den letzten Jahren eine große Bandbreite von mitunter sehr verschiede-
nen diskursanalytischen Ansätzen entwickelt (MATTISSEK & REUBER 2004, S. 230). Allen
gemeinsam ist der Aspekt, dass die Sprache ins Zentrum der Konstruktion sozialer Wirklich-
keit gestellt wird. Unter dieser Annahme können als Datengrundlage unterschiedliche ge-
schriebene oder gesprochene Dokumente, wie z.B. Zeitungstexte, Werbebroschüren, Veröf-
fentlichungen oder Interviews für die Untersuchung herangezogen werden (MATTISSEK &
REUBER 2007, S. 179). In Anlehnung an die wissenssoziologische Diskursanalyse in herme-
neutischer Wissenschaftstradition soll in dieser Arbeit besonders auf den institutionellen und
soziokulturellen Rahmen und weniger auf den historischen Kontext der untersuchten Doku-
mente Bezug genommen werden. Auf die Autoren der aufgenommenen Zeitungsartikel konn-
38
te angesichts der Vielzahl von Journalisten und wegen begrenzter Zeit nicht eingegangen wer-
den. Es soll an dieser Stelle allerdings strikt darauf hingewiesen werden, dass gemäß der Ka-
pitel 3.1.1 und 3.1.2 auch in der Analyse der gewonnenen diskursiven Daten keine autonom
denkenden und handelnden Subjekte angenommen werden (MATTISSEK & REUBER 2007,
S. 180).
Nicht nur in der qualitativen Sozialforschung sondern auch in der diskursanalytischen For-
schung kann die Grounded Theory angewandt werden (KELLER 2011, S. 77). Da die Ergeb-
nisse der beiden methodischen Ansätze dieser Arbeit in Bezug gesetzt werden, soll sie auch
für die Diskursanalyse angewandt und im nächsten Abschnitt stellvertretend für beide Metho-
den vorgestellt werden.
5.1.1 Grundzüge der Grounded Theory - Methodologie
Der Ansatz der Grounded Theory von Barney Glaser und Anselm Strauss zielt darauf ab, qua-
litative Forschung als kreative Theoriekonstruktion zu begreifen, welche sukzessiv an den
Daten kontrolliert wird (WIEDEMANN 1995, S. 440). Damit kann man sie als Methodologie
einer Theorieentwicklung aus den Daten heraus verstehen. In diesem Zusammenhang unter-
scheidet sie sich von anderen qualitativen Methoden, die stark deduktiv-lastig Hypothesen
von bestehenden Theorien ableiten und an ihnen überprüfen (ebd., S. 440). In dieser Arbeit
sollen keine neuen Theorien gefunden, sondern die gestellten Forschungsfragen beantwortet
werden. Zumal wird mit der Diskurstheorie und der Theorie der Nachhaltigkeit und nachhal-
tigen Entwicklung schon vorab ein theoretischer Hintergrund angenommen und auf den Un-
tersuchungsgegenstand angewandt. Aber durch die Grounded Theory können aus den Daten
gewonnene Konzepte für die Beantwortung der Forschungsfragen gewonnen werden. Somit
soll sowohl für die diskursanalytische Methode als auch für die Analyse von qualitativen Ex-
perteninterviews die Grounded Theory Methodologie als Basis dienen. Im folgenden Ab-
schnitt sollen deswegen die grundlegenden Merkmale erklärt werden.
Das Hauptmerkmal der Grounded Theory ist das Kodieren, was bedeutet, dass theoretische
Konzeptionen aus Gemeinsamkeiten von Daten in ausdifferenzierte Kategorien abgeleitet und
somit zusammengefasst werden (ebd., S. 442). Für eine Vielzahl gemeinsamer Eigenschaften
eines Phänomens wird auf diese Weise ein „Label“ erstellt.
Mit ständig wiederholender kritischer Betrachtung der Daten und unter der Verwendung von
Memos werden aus datenspezifischen Codes schrittweise theoretische Codes entwickelt.
Grundlage hiefür ist das Zusammenfassen von Gemeinsamkeiten und das Herausstellen von
Unterschieden oder sogar Widersprüchen. Hildenbrand (2000) bezeichnet dieses Vorgehen als
triadisch, zirkulären Prozess. Das theoretische Sampling gibt hierbei im Vorhinein die Art und
Weise der Fallauswahl und im Forschungsprozess die Überprüfung von gewonnenen Hypo-
thesen an den Daten wieder (HILDENBRAND 2000, S. 36). Nach einer theoretischen Sättigung,
39
das heißt wenn neu gewonnene, empirische Aspekte sich unter der entwickelten Theorie fas-
sen lassen, ist das theoretische Sampling beendet (WIEDEMANN 1995, S. 441).
Innerhalb der oben genannten Kategorienbildung erfolgt eine Vernetzung durch drei Teil-
schritte: offenes Kodieren, axiales Kodieren und theoretisches Kodieren. Dabei laufen diese
Teilschritte nicht getrennt von einander ab (ebd., S. 443). Die Daten werden anfänglich durch
offenes Kodieren in eine Vielzahl von Kategorien zerlegt. Das axiale Kodieren bezieht sich
auf die Ausdifferenzierung einzelner Kategorien. Das theoretische Kodieren hat die Zusam-
menführung einzelner Kategorien zu einem Modell als Aufgabe (ebd., S. 443).
Die in dieser Arbeit verfolgte Art der Grounded Theory setzt auf eine Fallauswahl von Exper-
ten für qualitative Interviews aus einer zuvor erfolgten diskursanalytischen Betrachtung her-
aus. Das heißt, die erst genannte Methode baut auf der zweit genannten auf: Die Interview-
partner wurden zum Großteil durch das Auftreten ihrer Institution im medialen Diskurs ermit-
telt. Auch der Interviewleitfaden wurde aus der Diskursanalyse entwickelt.
5.1.2 Auswahl und Aufnahme von Zeitungsartikeln
Der Auswahl und Aufnahme von Zeitungsartikeln ging eine notwendige Identifikation von
Zeitungen voraus. Es wurden drei Zeitungen identifiziert, die für eine weitere Analyse in Fra-
ge kamen. Dies geschah unter den Bedingungen, dass die Zeitungen in der Untersuchungsre-
gion Rügen erscheinen und dass sie einen regionalen Bezug haben sollten. Das heißt, dass sie
aus der Region und für die Region berichten. Schließlich sind für ein Regionalbewusstsein
Zeitungen ausschlaggebend, die dieses durch Berichterstattung aus der Region prägen, wo-
durch bundesweit erscheinende Tageszeitungen für die Untersuchung ausschieden. Die betref-
fenden Zeitungen sind die Ostsee-Zeitung (im weiteren Text OZ genannt), der Ostsee-
Anzeiger / Rüganer Anzeiger (im weiteren Text Rüganer genannt) und der Blitz / Rügen Blitz.
Um Zeit bei der Artikelaufnahme zu sparen war die Folgebedingung, nur Zeitungen zu unter-
suchen, die über ein Online-Archiv verfügen. Dies traf auf die OZ und den Rüganer zu. Der
Rügen Blitz wurde hiermit ausgeschlossen. Nachfolgend sollen die beiden verbleibenden Blät-
ter kurz vorgestellt werden.
Die Anfänge der OZ lassen sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts finden. Im Jahr 1952 wurde
sie für mehr als 37 Jahre zum zentralen Propaganda-Organ der SED-Bezirksleitung Rostock
um im Jahre 1990 mit Hilfe der Lübecker Nachrichten und der Axel Springer AG unabhängig
von „der Partei“ zu werden (REINKE 2002, S. 9; 190 ff.). Im Jahre 2009 verkaufte die Axel
Springer AG ihre Anteile an die Lübecker Nachrichten, wodurch letztgenannte zum Alleinei-
gentümer der OZ wurde (AXEL SPRINGER AG 2009). Im zweiten Quartal 2011 betrug die Auf-
lagenstärke der OZ auf Rügen 14.769 Exemplare.26 Neben einem überregionalen Teil (Man-
26 Quelle: http://daten.ivw.eu/index.php?menuid=1&u=&p=&detail=true&20112=ON&titelnrliste=2122; (eingesehen am: 02.09.2011)
40
tel) und einem Wochenendzusatz (Journal) enthält die OZ zehn Lokalausgaben, unter ande-
rem die Lokalausgabe Rügen für die gesamte Insel Rügen und Hiddensee. Die OZ ist eine
überregional erscheinende Tageszeitung und ihr Erscheinungsgebiet erstreckt sich über alle
Kreise von MV, die an die Ostseeküste angrenzen, inklusive aller kreisfreien Städte innerhalb
dieses Gebietes (vgl. Abbildung 5).
Der Rüganer ist die wöchentliche Lokalausgabe des Ostsee-Anzeigers, die jeden Mittwoch
kostenlos an alle Haushalte der Region Rügen verteilt wird. Neben Artikeln werden Anzeigen
von sogenannten Geschäftspartnern veröffentlicht, die den größten Teil des Blattes ausma-
chen. Die aktuelle Auflagenstärke auf Rügen liegt bei 37.288 Exemplaren.28 Der Druck des
Rüganers wird über die OSTSEE-ZEITUNG GmbH & Co. KG realisiert. Der Rüganer selbst
ist wie der ganze Ostsee-Anzeiger im Besitz der MV-Media GmbH & Co. KG.
Nach der Auswahl der zu untersuchenden Zeitungen wurde eine Stichwortliste erstellt, nach
der die Online-Archive der OZ und des Rüganers untersucht werden sollten. Um einen über-
regionalen Überblick über die Thematik zu bekommen, wurden innerhalb der OZ nicht nur
Artikel des Lokalteils Rügen, sondern auch Artikel, die im Mantel und im Journal erschienen
sind, aufgenommen. Die Ergebnisse, die sich aus letztgenannten Artikeln ergeben, sollen hier
als Regionaldiskurs bezeichnet werden. Artikel des OZ-Lokalteils für Rügen und des Rüga-
ners bilden dagegen den Lokaldiskurs. Generell lag dabei die Spezifikation auf der Thematik
Bioenergieerzeugung und –Nutzung, wodurch folgende Stichwortliste erstellt wurde:
Bioenergie
Biogas
Biodiesel
Biomasse
27 Quelle: http://www.turschner-werbung.de/assets/images/Ostsee_zeitung.jpg (eingesehen am 15.09.2011) 28 Quelle: http://media-mv.de/index.php?lg=&m1=1&m2=7 (eingesehen am: 02.09.2011)
Abbildung 5: Verbreitungsgebiet der Ostsee-Zeitung27
41
Die Stichwörter wurden sowohl auf Schlagzeilen, als auch auf den Fließtext angewandt. Als
Untersuchungszeitreihe kam eine Spanne von zwei Jahren in Betracht. Die Aufnahme an Zei-
tungsartikeln erfolgte im Oktober 2010. Der Zeitraum vom 21. Oktober 2008 bis 21. Oktober
2010 wurde als Untersuchungszeitraum exakt abgegrenzt.
Aus dem Archiv der OZ wurden 291 Zeitungsartikel aufgenommen, wobei 193 auf den Man-
tel und 98 auf den Lokalteil Rügen fielen. Mitunter kam es hier zu Dopplungen von gleichen
Artikeln, da manche von ihnen z. B. in verschiedenen Sparten mehrfach erschienen sind. Aus
dem Archiv des Rüganers wurden lediglich 15 Artikel aufgenommen, was sich durch sein nur
wöchentliches Erscheinen und die niedrigere Seitenanzahl pro Ausgabe erklären lässt.
Bei der Aufnahme der Artikel wurde wie folgt vorgegangen: Ein Stichwort nach dem anderen
wurde in die Suchfunktion eingegeben. Die Reihenfolge der Stichwortsuche entspricht der
Reihenfolge der oben angegebenen Stichwortliste. Zuerst wurde nach Bioenergie gesucht und
entsprechende Artikel wurden aufgenommen. Danach wurde nach Biogas gesucht: Wiederum
wurden entsprechende Artikel aufgenommen, allerdings Überschneidungen mit Bioenergie
aussortiert. Analog wurden Biodiesel- und Biomasse-Artikel aufgenommen und mit vorigen
Stichworten auf Überschneidungen überprüft. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise konnte so-
wohl eine Gesamtzahl von Artikeln festgestellt werden, die sich mit allen Stichworten be-
schäftigen (ohne Überschneidungen), als auch eine Gesamtanzahl an Treffern (Hits) pro
Stichwort. Nach der Aussortierung von Dopplungen und Überschneidungen wurden die ver-
bliebenen Artikel nach folgendem Muster beschriftet und chronologisch nach ihrem Erschei-
nen katalogisiert: Zuerst wurde eine chronologische Kennzahl für jeden Artikel vergeben.
Hierbei besitzen OZ-Mantelartikel eine dreistellige Kennzahl, OZ-Artikel des Lokalteils Rü-
gen eine zweistellige Kennzahl. Rüganer-Artikel beginnen mit einem R und enden mit einer
zweistelligen Kennzahl. Am Ende von Mantelartikel wurde zusätzlich die Sparte angegeben,
in der der Artikel erschienen ist. Dies ist beispielhaft in Tabelle 4 dargestellt.
Nach einer ersten Sichtung der aufgenommenen Daten, wurden thematisch irrelevante Artikel
aus dem Datenset aussortiert. Als thematisch irrelevant wurden Artikel befunden, die nichts
mit der primären Thematik Bioenergieerzeugung und –Nutzung zu tun hatten. Ein Beispiel
hierfür ist etwa die Thematisierung der Biomasse von Fischbeständen in der Ostsee.
Um das Datenset weiter auf die primäre Thematik einzugrenzen, wurde ein Kriterienkatalog
für die Aufnahme von relevanten Zeitungsartikeln erstellt, um Zeitungsartikel mit mangelnder
Tabelle 4: Zeitungsartikelkodierung
Artikel aus Beispiel Dateiname Artikel (Code Titel (Datum))
OZ-Mantel 054 Biodieselbranche bangt um ihre Existenz (02.05.2009) WIR
OZ-Lokalteil Rügen 61 Saubere Wärme für 10 000 Rüganer (16.02.2010)
Rüganer R12 Bioenergieregion Rügen im Jahr 2010 (06.01.2010)
42
Relevanz auszuschließen.29 Nach einem abschließenden Ausschluss von für die Analyse irre-
levanten Artikeln verblieben aus der OZ 249 (Mantel: 164; Lokalteil: 85) und aus dem Rüga-
ner 12 Zeitungsartikel, die für eine nähere Analyse herangezogen wurden.30
5.2 Qualitative Sozialforschung
Die qualitative Sozialforschung ist eine Herangehensweise an ein Forschungsthema, die ver-
sucht einen Zugang zur „interaktiv ,hergestellt’ und in sprachlichen wie nichtsprachlichen
Symbolen repräsentiert gedachten sozialen Wirklichkeit“ (VON KARDORFF 1995, S. 4) zu fin-
den. Dafür muss ein möglichst detailliertes und vollständiges Abbild der zu ermittelnden
Wirklichkeitsausschnitte geschaffen werden (ebd., S. 4). In diesem Sinne soll die Vorgehens-
weise der qualitativen Sozialforschung für diese Arbeit in den nächsten Abschnitten erklärt
werden. Es ist zu beachten, dass es sich um qualitative Daten handelt. Die Experten geben
ihre subjektive Wahrnehmung und ihr Verständnis von Wirklichkeit wieder. Die Ergebnisse
können nicht verallgemeinert werden und sind damit nicht repräsentativ.
5.2.1 Qualitative Leitfadeninterviews
Die qualitative Methodik der Interviews, welche dieser Arbeit zu Gunde liegt, zeichnet sich in
erster Hinsicht als teilstrukturiert aus: Aufgrund der begrenzten Zeit im Rahmen dieser Arbeit
sollten die Befragten im Interviewprozess sich nur in dem Maße äußern, wie es den For-
schungsfragen dienlich war. In diesem Sinne wurden keine narrativen Interviews geführt. Ein
aus den Forschungsfragen und Ergebnissen der Diskursanalyse konzipierter Interviewleitfa-
den31 sollte die Subjekte themenspezifisch zum Antworten verleiten, sie jedoch auch davon
abhalten, zu sehr vom Thema abzuschweifen (FLICK 1995, S. 158; KUCKARTZ et al. 2008,
S. 21). Aus diesem Grund wurden Zwischenfragen mit der Intention „nachzuhaken“ auch
während des Interviews gestellt und nicht auf danach verschoben (KUCKARTZ et al. 2008,
S. 25). Außerdem war es wichtig, spezifische Fragen zu Teilprojekten beantwortet zu wissen,
welche nur bestimmte Akteure aufgrund ihres Expertenwissens beantworten konnten.32
Die einführende Frage zielte darauf ab, von den Interviewpartnern eine Auffassung über die
generelle Relevanz von EE zu erhalten. Diese Frage sollte Begründungsmuster aufzeigen um
diese mit Begründungsmustern aus dem Lokaldiskurs zu vergleichen. Durch die zweite und
dritte Frage sollten die Vor- und Nachteile des BER-Netzwerkprojektes herausgefunden wer-
den. Hiermit wurden sich erste Aussagen zu Einstellungen und Verhalten im Akteursnetzwerk
29 Für den Kriterienkatalog zur Selektion relevanter Artikel, sowie die thematisch irrelevanten Artikel und Arti-kel mit mangelnder Relevanz (mit Begründung für ihre Deselektion) siehe Anhang 30 Alle Zeitungsartikel sind übersichtlich im Anhang-CD katalogisiert und aufgeführt 31 Siehe Anhang 32 Diese sind nicht im Interviewleitfaden aufgeführt, aber in den Transkripten der Interviews ersichtlich (Transkripte siehe Anhang/CD)
43
erhofft. Durch Frage vier sollte beleuchtet werden, in welchen Bereichen Bioenergie Arbeits-
plätze generiert und ob überhaupt eine Arbeitsplatzschaffung wahrgenommen wird. Die
Wahrnehmung zur Nutzung von Bioenergie wurde in Frage fünf erfragt. Hier sollte von den
Akteuren auch wiedergegeben werden, wie sie die Resonanz in der Bevölkerung wahrneh-
men. Frage sechs sollte eine Abgrenzung von Bioenergie zu anderen Energieformen heraus-
finden. Das Problem der Flächennutzungskonkurrenz zwischen NawaRo und der Nahrungs-
mittelerzeugung wurde in Frage sieben näher beleuchtet. Diesbezüglich sollte die Wahrneh-
mung der Akteure für die Region Rügen wiedergegeben werden. Die letzte Frage zielte auf
die Wahrnehmung der Akteure in Hinblick auf die Förderung von Bioenergie ab. Hier sollten
Meinungen zu den rechtlichen Regelungen der Vergütung von Bioenergie und dem hierfür
bestehenden institutionellen Rahmen (EEG) erörtert werden.
Alle Fragen, sowohl im Leitfaden, als auch spezielle Fragen, sind offen gestellt worden. Es
wurden keine Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Es handelt sich demnach in zweiter Hin-
sicht um eine teilstandardisierte Methode des Interviews (HOPF 1995, S. 177). Alle Akteure
konnten nach ihrem besten Sinnen und Wissen auf die Fragen antworten. Es erfolgte keine
Hinleitung zu bestimmten Antworten aufgrund von weisenden Suggestivfragen (HOPF 1995,
S. 182). Durch ein erstes Testinterview mit einem Mitarbeiter des BER-Netzwerkprojektes
Rügen sollte die Verständlichkeit der Fragen, die Schlüssigkeit des Leitfadens und die Dauer
des Interviews ermittelt werden (KUCKARTZ et al. 2008, S. 20). Des Weiteren wurde mit die-
sem Experten diskutiert, ermittelt und abgeglichen, welche weiteren Experten noch für ein
Interview in Frage kommen könnten. Auf Basis des Testinterviews wurden un- bzw. missver-
ständliche Fragen in ihrer Verständlichkeit optimiert und die zu beanstandende Zeit für ein
Interview auf im Mittel 30 bis 45 Minuten geschätzt.
Vor der Aufnahme eines Interviews wurden die Interviewpartner begrüßt und es wurde für die
Bereitschaft zur Teilnahme gedankt. Es folgten die Schilderung der Thematik und eine Ein-
verständniserklärung33 des Interviewten gegenüber der Tonbandaufnahme (KUCKARTZ et al.
2008, S. 25).
5.2.2 Klassifizierung von Akteuren
Die befragten Akteure wurden, wie schon erwähnt, zu einem Großteil aus dem medialen Dis-
kurs gewonnen. Es sind diskursintegrierte Akteure, d.h. sie treten durch ihre Institution direkt
im medialen Lokaldiskurs auf Rügen in Erscheinung. Damit wird zugleich angenommen, dass
die meisten Akteure den medialen Diskurs auf Rügen mit beeinflussen. Es sind insgesamt
neun Interviews mit Akteuren für eine qualitative Analyse herangezogen worden. Wie im
vorigen Abschnitt schon erwähnt wurde, bekamen die interviewten Akteure eine Einverständ-
niserklärung. Hier war unter anderem angegeben, dass Namen und Orte in den Transkripten
33 Informationsblatt und Einverständniserklärung (Muster) siehe Anhang
44
anonymisiert werden. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit auch keine Namen der Ak-
teure aufgeführt.
Allerdings wurden für jeden Akteur und den Bereich, den er repräsentiert, markante Abkürzungen ge-wählt. Diese Kurzformen der Akteure werden zur besseren Übersichtlichkeit in den gesamten qualitativen Ergebnissen (vgl. Kapitel 6.2) groß geschrieben und bestehen immer aus drei Buchstaben. Solange nicht explizit erwähnt wird, dass der Akteur durch den Mitarbeiter des BER-Projektes für ein Interview identi-fiziert wurde (Empfohlen von BER), gilt die Prämisse, dass er als diskursintegriert aus dem Lokaldiskurs ausgewählt wurde. Die wichtigsten Sektoren für eine Untersuchung waren der Tourismus-, Land- und Forstwirtschaftssektor. Hinzu kamen solche Initiatoren von Leuchtturmprojekten der BER Rügen, die im Lokaldiskurs besonders oft genannt wurden. In
Tabelle 5 sind die Akteure, ihre Institution und die Expertise, für die sie stehen, exemplarisch
aufgeführt. Die Reihenfolge entspricht der chronologischen Durchführung der Interviews. Die
Transkripte der Interviews wurden analog mit einer chronologischen Kennzahl und dem Co-
de-Namen der Akteure beschriftet (z.B. 01BER). Die Durchführung der Interviews erfolgte
im Zeitraum vom 11. April bis 13. Mai 2011.
Tabelle 5: Klassifizierung der Akteure für die qualitativen Leitfadeninterviews
Code Institution Expertise
BER Netzwerkprojekt Bioenergieregion Rügen Netzwerkarbeit, Information, Träger der BER Rügen
NAT Biologische Station Hiddensee Naturschutz, Landschaftspflege, Forschung, Leuchtturmprojekt
TOU Tourismusverband Rügen Tourismus, Marketing, Präsentation
POL Bürgermeister Kommunalpolitik, Vertreter der Bevölkerung
ROT Biogasanlagenbetreiber (BGA Rothenkirchen) Landwirtschaft, Biogaserzeugung, Leucht-turmprojekt
FOR Forstamt Abtshagen-Rügen (Empfohlen von BER)
Forstwirtschaft, Waldschutz/-betreuung
KHW Kreishandwerkerschaft Rügen Handwerk, Energieeffizienz, ehemals Trä-ger der BER Rügen
WIR Kreisverwaltung Rügen: Sachgebiet Wirtschaft und Kultur (Empfohlen von BER)
Wirtschaft, Organisation
BAU Kreisbauernverband Rügen Landwirtschaft, Verbandsarbeit
45
5.2.3 Transkription der Leitfadeninterviews
Eine Transkription ist die „graphische Darstellung ausgewählter Verhaltensaspekte von Per-
sonen, die an einem Gespräch (z.B. Interview oder einer Alltagsunterhaltung) teilnehmen“
(KOWAL & O'CONNELL 2000, S. 438). Ziel der Transkription ist es, Audiodaten einer akusti-
schen Aufnahme eines Interviews in niedergeschriebener Form dauerhaft für textuale Analy-
sen bereitzustellen. Hierbei sollen abhängig vom Forschungsfeld verbale (geäußerte Wortab-
folgen), prosodische (lautliche Sprachwahl) sowie nonverbale Merkmale (parasprachlich wie
Lachen und Räuspern, als auch außersprachlich wie Gesten und Blickverhalten) aus Aufnah-
men und Gesprächsprotokollen heraus verschriftlicht werden (KOWAL & O'CONNELL 2000,
S. 438).
Kowal & O’Connell (2000) weisen darauf hin, dass Transkriptionen immer auch aus theoreti-
scher Sicht zu betrachten und immer „selektive Konstruktionen“ sind, die abhängig vom For-
scher die Interpretation beeinflussen (KOWAL & O'CONNELL 2000, S. 440). Mit dem methodi-
schen Vorsatz, die aufgenommenen Daten so authentisch wie möglich zu übernehmen und sie
damit so wenig wie möglich zu verfälschen, wurde in der vorliegenden Arbeit an der Über-
sichtlichkeit zugunsten der Unverfälschtheit gespart. Diese Maßnahme hat nichts mit Feti-
schismus zu tun, sondern soll bloß den Interpretationsgrad minimieren bzw. die Interpretation
auf die eigentliche Analyse der Daten beschränken (FLICK 1995, S. 161). Auf phonetische
Schrift wird verzichtet, die buchstäblich unübersichtlich wäre und in der angewandten
Sprachforschung besser aufgehoben ist. Auch wurden der Vollständigkeit halber keine Teile
der Interviews untranskribiert gelassen, was ebenso einer Selektion und damit Interpretation
der Daten gleich gekommen wäre. Nachfolgend sollen einige Transkriptionsregeln34 aufge-
führt werden, die in dieser Arbeit zur Anwendung kamen und aus denen sich ein individuelles
Transkriptionssystem ergibt, welches im gleichen Zuge erklärt werden soll.35
Eine zugrunde gelegte Standardorthographie soll durch Elision (Einsparung von Lauten) und
Assimilation (Angleichung von Lauten) modifiziert werden (KOWAL & O'CONNELL 2000,
S. 441). Hiermit wird auf die Authentizität verschiedener Dialekte Rücksicht genommen. Das
äußert sich in folgenden Regeln:
Bsp. für Elision: „is“ für ist oder „ma“ für mal
Bsp. für Assimilation: „kannste“ für kannst du oder „ausm“ für aus dem
Von nonverbalen Merkmalen wurden nur parasprachliche Äußerungen aufgenommen. Auf
die Aufnahme von außersprachlichen Gesten oder Blicken wurde verzichtet (KOWAL &
O'CONNELL 2000, S. 443). Parasprachliche Merkmale sind in Klammern gekennzeichnet.
Atmen wird hier nicht explizit, sondern nur in Form von schwerem Atmen (Seufzt) bis sehr 34 An dieser Stelle nur beispielhaft, für einen ergänzenden Bestand an Transkriptionsregeln siehe Anhang. 35 Es sollen in dieser Arbeit bewusst keine bekannten Transkriptionssysteme (aufgrund spezifischer Komplexität) angewandt werden. Kowal & O’Connel (2000) stellen in diesem Zusammenhang eine Standardisierung von Transkriptionsregeln in Frage, was sie durch die Vielfalt möglicher Forschungsziele begründen (KOWAL & O'CONNELL 2000, S. 445).
46
schwerem Atmen (Stöhnt) aufgeführt. Zusätzlich wurden auch (Telefonklingeln) und
(Türklopfen) als einzige außersprachliche Aspekte mit aufgenommen.
Von prosodischen Merkmalen wurden nur Sprechpausen mit in die Transkription
aufgenommen. Auf Betonung, Intonation36, Dehnung und Lautstärke wurde verzichtet
(KOWAL & O'CONNELL 2000, S. 442). Hierbei sind lange Pausen als (Pause) und kurze
Pausen mit zwei Punkten erfasst (z.B.: Und dann kannste die Jungs greifen und wenn nicht, ..
begeistert die das relativ wenig). Wenn es einen besonderen Grund für eine längere Pause
gab, der nicht im „Nachsinnen“ lag, wurde dieser mit aufgeführt. Unterbrechungen, die mit
einem Ausschalten des Tonbands verbunden waren, wurden in Form von
(Unterbrechung/Grund für die Unterbrechung) kenntlich gemacht.
Mit Abkürzungen bzw. Ausgeschriebenem wurde wie folgt umgegangen: Abkürzungen, bei
denen wirklich nur die Buchstaben zu hören waren, beispielsweise ÖPNV oder EEG, wurden
nicht ausgeschrieben. Wortfolgen, die abgekürzt hätten werden können, wie beispielsweise
beziehungsweise (bzw.) oder auch das heißt (d.h.), aber auch in Anführungsstrichen (ein Wort
in „“), sind im Transkript37 ausgeschrieben worden. Alle Zahlenformen von eins bis zehn sind
ebenfalls ausgeschrieben worden. Hinzu kommen 100 als hundert, 1000 als tausend, sowie
Million und Milliarde. Alle anderen Zahlen wurden in Ziffernform aufgenommen.
Des Weiteren wurden Verzögerungen wie die Wiederholung von bestimmten Wörtern, Füll-
laute (z.B. äh und hmm) und Versprecher dokumentiert (KOWAL & O'CONNELL 2000, S. 444).
Mit Wort- und Satzabbrüchen wurde wie folgt umgegangen: Die Abbrüche wurden mit
Bindestrich, gefolgt von einem Komma kenntlich gemacht. Es wurde hier darauf geachtet,
dass Satzabbrüche nur da zur Anwendung kamen, wo der „Faden“ wirklich verloren und nicht
mehr aufgenommen wurde.
Bsp. für Wortabbruch:
„Der sagte ja, wir liegen ja bei, wat weiß ich, 'n Fünftel oder 20 Pro-, wenn über-
haupt, ne?“
Bsp. für Satzabbruch:
„Und ich kann mich erinnern, die erste Biogasanlage, die wir dann gebaut-, wir
haben ja mehrere schon in den Jahren nach der Wende, äh-, aber dat waren in
der Regel kleinere.“
Ein letzter Aspekt, der hier erwähnt werden soll, ist die Unterbrechung des Wortflusses der
Interviewten, entweder aus Eigeninitiative oder aufgrund von Nachfragen des Interviewers.
Dies wurde durch drei Punkte (…) beim Sprecherwechsel und nachfolgender Wiederaufnah-
36 Siehe Glossar 37 Alle Transkripte sind im Anhang/CD ersichtlich. Originalaufnahmen können aufgrund der Anonymisierung nicht aufgeführt werden.
47
me kenntlich gemacht ist. Die Darstellung von simultanem Sprechen mehrerer Personen fin-
det in dieser Arbeit keine Anwendung.
Bsp. für Unterbrechung des Wortflusses:
„P: Welches Verhältnis jetzt, also was von der Silage noch, äh, wieder rauskommt,
sag ich mal so, das liegt so bei 80 %, jetzt oder, äh...
I: Ich meine, was reingegeben wird in die Anlage…
P: ...ja, ich hab ja die, die Gülle reingegeben, die hier zu 100 % von uns reinkommt,
ja?“
Wie oben schon erwähnt, soll in dieser Arbeit versucht werden die Interpretation auf die com-
putergestützte Analyse der Transkripte zu beschränken und nicht schon während der
Transkription zu interpretieren. Dies ist zwar nie zu hundert Prozent möglich, da – wie eben-
falls erwähnt – Transkriptionen immer selektiv und damit interpretativ sind. Aber es wird eine
Verfälschung im Sinne der „Reduktion auf das Notwendigste“ vorgebeugt.
5.3 Computergestützte Datenanalyse mit Hilfe von ATLAS.ti
Für die computergestützte Datenauswertung wurde das Programm ATLAS.ti verwendet. Bei-
de Datensätze, sowohl die diskursiven Daten der Zeitungsartikel als auch die Daten der quali-
tativen Interviews, wurden mit Hilfe von ATLAS.ti analysiert. Zunächst sind die gesammel-
ten Zeitungsartikel im RTF-Format (die Interviews nach der Transkription ebenfalls RTF) in
das Programm eingelesen worden.
Durch ein erstes offenes Kodieren der Zeitungsartikel im Sinne der Grounded Theory wurden
Grundkategorien wie z.B. Energiepreise oder Nutzung von NawaRo gefunden und mit betref-
fenden Zitaten verknüpft. Allerdings gab es auch deduktive Vorannahmen der Diskurstheorie,
die sich schon vor Anfang der Codierung in Codes wie Wissensvermittlung, Wirtschaftsströ-
me oder institutioneller Rahmen manifestierten. Des Weiteren wurden spezifische Codes für
die Forschungsfragen entworfen. Hierzu gehören vor allem die Darstellung von Nachhaltig-
keit in Bezug auf Bioenergie oder auch schon die Darstellung von Wahrnehmung und Einstel-
lung gegenüber der Nutzung von Bioenergie.
Durch eine sukzessiv wiederholende Interpretation der Daten und mit der Hilfe von erstellten
Memos konnten auf induktive Weise Codes spezifiziert oder zusammengefasst werden (KU-
CKARTZ 2010, S. 201). Mit Hilfe der Erstellung von Codefamilien und nachfolgender Anwen-
dung des Query-Tools konnten spezifische Gemeinsamkeiten zwischen Codes und Codefami-
lien herausgestellt werden. Besonders durch die Verwendung von Hyperlinks im Auswer-
tungsprozess konnten immanente Widersprüche innerhalb der Daten ausgemacht und darge-
stellt werden. Durch die Aufbereitung der Daten zu Konzeptmemos und ihrer Einbettung in
Netzwerkansichten konnten gezielte Modelle, inklusive ihre Widersprüche, erstellt werden.
48
Der Netzwerkeditor wurde vor allem in der Diskursanalyse angewandt, um die Verbindungen,
Abhängigkeiten und Ströme zwischen den einzelnen Sektoren und Akteuren zu beleuchten.
Für die qualitativen Interviews wurde zunehmend hierauf verzichtet und vorrangig das Query-
Tool genutzt.
Für die Darstellung bzw. den Nachweis im Ergebnissteil wurde für Zeitungsartikel nur der
Code der Zeitungsartikel angewandt, da die meisten Artikel kurzzeilig oder höchstens ein- bis
zweiseitig sind. Für die qualitativen Interviews wurden dagegen der Code des Transkripts und
der jeweilige Absatz im Dokument, wo das Zitat zu finden ist, angegeben. Diese Angaben
sind in ATLAS.ti am linken Seitenrand der Primärdokumente, aber auch in den Transkripten
der Interviews ersichtlich.
49
6. Ergebnisse
Dieses Kapitel teilt sich in die Ergebnisse der Diskursanalyse (Abschnitt 6.1) und die Ergeb-
nisse der Auswertung der qualitativen Leitfadeninterviews (Abschnitt 6.2).
6. 1 Ergebnisse der Diskursanalyse
Die Ergebnisdarstellung der Diskursanalyse ist in drei Teile gegliedert, wobei Abschnitt 6.1.1
quantitative Ergebnisse vorstellt, welche bei der Datenaufnahme gemacht wurden. Qualitative
Ergebnisse sind für den Regionaldiskurs überblicksartig in Abschnitt 6.1.238 und für den
Lokaldiskurs detailliert in Abschnitt 6.1.3 dargestellt. Bei den qualitativen Ergebnissen ist zu
beachten, dass sie aus regionalen Printmedien gewonnen wurden und subjektiv gefärbt sein
können. Sie sollten also vielmehr als Interpretation der Realität durch eine Person – den Autor
des jeweiligen Zeitungsartikels – aufgefasst werden. Zu diesem Zweck wird in den Kapiteln
6.1.2 und 6.1.3 vorwiegend die Form des Konjunktivs verwendet um deutlich zu machen,
dass eine Tatsache zutreffend sein könnte (MERTENS 2008, S. 38ff.).
6.1.1 Ergebnisse der Datenaufnahme
Nach der Datenaufnahme, jedoch vor der eigentlichen Textanalyse, konnten bereits interes-
sante quantitative Ergebnisse des Regional- und Lokaldiskurses ausgemacht und interpretiert
werden. Die Zeitungsartikel, welche nach der Archivsuche als Ergebnis aufgeführt wurden,
sollen hier Hits genannt werden. Ein Hit für ein bestimmtes Stichwort bezeichnet in diesem
Zusammenhang einen Artikel, in welchem das Stichwort mindestens einmal auftritt. Hierbei
konnte es zu Dopplungen und Überschneidungen kommen. In Abbildung 6 ist dargestellt,
38 Vgl. Kapitel 5.1.2 39 Quelle: eigene Daten und Darstellung
Artikel-Hits nach Stichworten und Diskursen
4959
92
59
242
61
25
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Reg-Diskurs Lok-Diskurs
An
zah
l Art
ikel
Bioenergie
Biogas
BiodieselBiomasse
Abbildung 6: Artikel-Hits nach Stichworten und Diskursen39
50
welche Stichworte in wie vielen Artikeln auftraten. Hierbei wurde eine Differenzierung zwi-
schen Regionaldiskurs (OZ-Mantel-Artikel) und Lokaldiskurs (OZ-Lokalteil-Rügen-Artikel
und Rüganer-Artikel) getroffen.40
Im Regionaldiskurs ist deutlich die hohe Artikelanzahl zu erkennen, die sich mit Biogas als
Stichwort beschäftigt. In fast der Hälfte (47,67 %)41 der aufgenommenen Artikel wird dieses
Stichwort erwähnt. Im Lokaldiskurs für Rügen werden Bioenergie (53,10 %) und Biogas
(53,98 %) in annährend gleichem Maße thematisiert. Stichwort Biomasse wird im Regional-
diskurs öfter (31,61 %) als Bioenergie (25,39 %), im Lokaldiskurs dagegen seltener (22,12 %)
als Bioenergie erwähnt. Auffällig ist die relativ seltene Erwähnung von Biodiesel im Lokal-
diskurs (1,78 %) – lediglich zwei Artikel beschäftigen sich mit dem Kraftstoff erster Genera-
tion. Im Regionaldiskurs wird er zwar häufiger, aber im Vergleich zu den anderen Stichwor-
ten ebenfalls am seltensten thematisiert (12,44 %). Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass
Biodiesel auf Rügen generell wenig genutzt wird. Es gibt nur zwei Tankstellen die Biokraft-
stoff anbieten und dann auch nur E1042. Des Weiteren beschäftigt sich ein Projekt der BER
Rügen mit der Umstellung des Rügener Personennahverkehrs (RPNV) auf Biogas und nicht
auf Biodiesel.
6.1.2 Regionaldiskursergebnisse
Für den Regionaldiskurs, welcher sich in den Zeitungsartikeln des OZ-Mantels manifestiert,
sollen aufgrund der Vielzahl der angesprochenen Themen im folgenden Abschnitt nur ausge-
wählte Ergebnisse als grober Überblick vorgestellt werden. Der Fokus liegt auf dem Lokal-
diskurs für Rügen. Aus diesem Grund wurden nur drei Hauptdeutungsmuster und ihre mar-
kantesten Phänomenstrukturen und Widersprüche in die folgenden Ergebnisse mit aufge-
nommen. Diese Strukturen sind die Konkurrenz zwischen fossilen und erneuerbaren Energien
(a), die Nutzung von NawaRo und deren Konflikträume (b) sowie die Einspeisung und Um-
verteilung von Bioenergie (c).
a) Nutzung fossiler Energien versus erneuerbare Energien
Das Spektrum der Konkurrenz von fossilen und atomaren zu regenerativen Energieträgern
wird vor allem in der Landespolitik stark diskutiert (in 24 Zeitungsartikeln wird das Thema
explizit angesprochen43).
40 In dieser Darstellung sind vollkommen irrelevante Artikel und Artikel mit mangelnder Relevanz noch nicht aussortiert (vgl. Kapitel 5.1.2) 41 Hier aufgeführte Prozentzahlen beziehen sich auf die Gesamtanzahl der aufgenommenen Zeitungsartikel (Re-gionaldiskurs: 193; Lokaldiskurs: 113) 42 Siehe Glossar 43 Auftreten in Art. 018, 027, 028, 034, 037, 052, 061, 062, 068, 075, 081, 082, 084, 085, 100, 105, 117, 121, 142, 164, 165, 166, 171, 175
51
Nach Meinung von Experten des Bundesverbands Windenergie sollte die schlechte Ausbeute
aus Solar- und Windkraft durch weitere BGAn ausgeglichen werden (Art. 121). Besonders die
SPD scheint sehr ambitioniert im Ausbau der erneuerbaren Energien zu sein. Die CDU be-
steht weiterhin auf fossile Energieträger wie Steinkohle und setzt sich auch für das umstrittene
Steinkohlekraftwerk Lubmin ein, da eine Stromversorgungslücke geschlossen werden müsse
(Art. 027). Zwischen den Koalitionsparteien entbrenne ein regelrechter „Machtpoker“
(Schlagzeile, Art. 028) um das Energiethema.
Hier geht es besonders um Energiepreise, die für die Verbraucher bezahlbar bleiben müssen.
So steht es auch im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU:
„Danach sei es das Ziel, für MV stabile und günstige Energiepreise zu sichern, so Wolf-
gang Waldmüller, Energie-Experte der CDU-Fraktion“ (Art. 027).
Hier versucht sich die SPD von ihrem Koalitionspartner (CDU) abzugrenzen. Mit dem Anste-
hen von gleich drei Wahlen im Jahr 2009 (Kommunal-, Europa- und Bundestagswahlen) eig-
nete sich für die SPD kein anderes Thema besser „als der politische Dauerzwist Kohle contra
Klimaschutz“ (Art. 028) um das Parteiprofil zu stärken. Noch dazu kommt, dass sich die SPD
zwar gegen Steinkohle positioniert, jedoch die Nutzung von Erdgas befürwortet (Art. 018). Im
Frühjahr 2010 wendet sich plötzlich auch die CDU „verstärkt den erneuerbaren Energien zu“
(Art. 142), allerdings erst nachdem eine Milliarden-Investition in das geplante Steinkohle-
kraftwerk Lubmin nicht zu Stande kam. Auch die CDU stellt den Vorteil der Arbeitsplätze bei
EE heraus (Art. 138). Hier besteht die Gefahr der Instrumentalisierung von EE, um auf der
Basis von Wählerstimmen spezifische Interessen durchzusetzen.
Auch Bündnis 90/Grüne wollen keine neuen Steinkohlkraftwerke, solange das „Treibhausgas
CO244 nicht zuverlässig abgeschieden werden kann“ (Art. 075). Als Oppositionspartei favori-
sieren sie den verstärkten Ausbau von EE, meint die Bundesparteivorsitzende Claudia Roth.
Allerdings gibt es hier – genauso wie bei der SPD – wenig Spezifizierung der Art und Weise,
nur dass es geschehen soll. Die einzigen Argumente für den Ausbau sind die Umweltfreund-
lichkeit, die Arbeitsplatzschaffung und – solange der Ausbau fortgeführt wird – die günstigen
Preise von EE (Art. 075, 101, 102, 174).45
Laut einem Leserbrief von Norbert Große gibt es „Zu viele Lobbyisten für den Kohlemeiler“
(Schlagzeile, Art. 025). So ist es im Falle Greifswalds die CDU, die den Bau einer geplanten
Biodieselanlage wegen sogenannter Geruchsbelästigung blockiert (Art. 025).
Auch die „Atommeiler“ würden den Ausbau der EE blockieren. Solange noch Atomkraftwer-
ke am Netz sind, müsse die Energie aus Wind, Sonne und Biomasse weiterhin subventioniert
werden um konkurrenzfähig zu bleiben (Art. 166). Thomas Moore (Leserbrief), ein Befürwor-
ter der Kernenergie, hätte sich dagegen mehr Investitionen in die Forschung eben dieser ge-
44 Fehler im Original 45 Vgl. Abschnitt 6.1.3 b)
52
wünscht. Als Argument dafür nennt er die Versorgungssicherheit des Strombedarfs in der
Grundlast (Art. 082).
Durch eine Studie des Konzerns ExxonMobil (US-amerikanischer Mineralölkonzern) wird
Ende 2009 prognostiziert, dass Öl und Gas für die nächsten zwei Jahrzehnte die wichtigsten
Bausteine im bundesdeutschen Energiemix bleiben werden. Die EE werden demnach bis 2030
auf einen Anteil von „16 Prozent am deutschen Energieverbrauch“ (Art. 117) ansteigen, je-
doch hinter Erstgenannten zurück bleiben. Kernenergie wird aus politischen Gründen nur
noch 4 % zur Energieversorgung beisteuern. Diese Studie sollte man aufgrund des Urhebers
sehr kritisch betrachten, denn dies könnte ein Versuch von ExxonMobil sein, sich möglicher
Mitkonkurrenten am Energiemarkt zu entledigen oder sie zumindest zu blockieren. Eine wei-
tere Studie des Hamburger Arrhenius-Instituts (Mitte 2009) kommt jedoch zu dem Schluss,
dass der Kauf von Emissionszertifikaten die Verschmutzungsrechte von Kohlekraftwerken
und somit auch den Strompreis verteuert, da diese Kosten auf die Verbraucher umgelegt wer-
den (Art. 061).
In mehreren Leserbriefen (Art. 023, 037, 081, 092) von Herrn Bodo Müller wird starke Kritik
an der Bioenergieerzeugung geäußert. Besonders deutlich führt er das in seinem Leserbrief
vom 20. Februar 2009 (Art. 037) aus: Wenn man sich die Bioenergieerzeugung im Vergleich
zur Atomenergie anschaut, ist es so, dass für einen einzigen Atomreaktor („Druckwasserreak-
tor“ im Original) mit 1600 MW Leistung rund 80 BGAn gebaut werden müssten. Für eine
kontinuierliche Nutzung dieser Anlagen bräuchte man die Biomasse von 800.000 ha Acker-
land (entsprechen 67 % der AF von MV). Dafür wären Investitionen von über 10 Milliarden
Euro notwendig. „Beide Faktoren sind volkswirtschaftliche Idiotien“. Die Aspekte Atommüll
und Endlagerung spricht Herr Müller in keinem Wort an. Mit all diesen rational wirtschaftli-
chen Argumenten gegen EE sei „der Glanz vom goldenen Öko-Kalb etwas verblasst“.
„Mittelfristig führt kein Weg am Umstieg in erneuerbare Energiequellen vorbei. Uran,
Kohle, Gas - sie alle sind endlich, haben keine Zukunft. Strom aus Sonne, Wind, Wasser
und Biomasse dagegen wird noch viele Jahrtausende zur Verfügung stehen können. Denn
er stammt aus einer schier unerschöpflichen Quelle.“ (Art. 166)
Dies ist ein Argument, welches sehr kritisch betrachtet werden muss. Es stimmt zwar, dass
die Sonnenenergie, die alle EE beeinflusst und regeneriert, langfristig gesehen unerschöpflich
ist. Die Ressourcen unserer Erde sind es aber nicht: Sowohl jene Ressourcen, die zum Bau der
Anlagen (seien es nun Windparks, Photovoltaik- oder Biogasanlagen) genutzt werden, als
auch die Flächen für diese Anlagen und für die benötigten Energiepflanzen sind endlich. So
wird besonders Biogas in einigen Artikeln als begrenzte Ressource dargestellt (Art. 001, 004)
und auf biologisch vertretbare Anbaugrenzen von Energiepflanzen verwiesen (Art. 055). In
MV ist die Lage so, dass im April 2009 die EE mit 51 % erstmals die traditionellen fossilen
Energieträger im Mix der Energieerzeugung ablösten (Art. 175).
53
b) Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen und ihre Probleme
NawaRo für die Bioenergieerzeugung treten im Regionaldiskurs in Form von Raps (in
11 Artikeln46), Mais (in 20 Artikeln47) und anderen Getreidearten als Ganzpflanzensilagen
(in 6 Artikeln48) auf. Kurzumtriebsgehölze werden nicht genannt (vgl. Abschnitt 4.2.1). Die
Thematik der Reststoffnutzung aus Gülle (in 16 Artikeln49), Grünschnitt (in 6 Artikeln50) oder
Bioabfällen (in 4 Artikeln51) wird auch, aber im Vergleich zur Energiepflanzennutzung nur
untergeordnet angesprochen.
Die Wirtschaft bewege sich zu den besonders lukrativen, landwirtschaftlich produzierten Na-
waRo. Die Nawaro Bioenergie AG aus Leipzig, welche in MV zu den größten BGAn-
Betreibern gehört, unterhält eine Anlage in Penkun (Art. 032, 037, 041, 137) und eine weitere
in Güstrow (Art. 004, 041, 044, 063, 191). In der Penkuner Anlage werden zu 90 % Maissila-
ge und zu 10 % Gülle verstromt. In Güstrow sind es 70 % Mais und 30 % Gras- und Ganz-
pflanzensilage sowie Zwischenfrüchte und Hirse (Art. 004). Auf Gülle wird in Güstrow kom-
plett verzichtet. Im Kontext der Schlagzeile „Genmais: Bauer will Produzent anzeigen“
(Art. 191) wurde zeitweilig in die Güstrower Anlage ein Anteil Genmais beigemischt und im
Gärrest als Dünger wieder mit auf die Felder gebracht (Art. 191). Der Streit zwischen Unter-
nehmer und Landwirt ist im Untersuchungszeitraum nicht beigelegt worden.
Mais ist für die Biogasproduktion besonders lukrativ, da sich die Silage über drei Jahre ohne
Energieverlust lagern lässt (Art. 004). Mit der in Güstrow erzeugten Energie (160 Mio. KWh
Strom und 180 Mio. KWh Wärme) können 50.000 Haushalte versorgt werden (Art. 044, 063).
Es wird jedoch die Biomasse von 50 Agrarbetrieben benötigt um damit 80 % der benötigten
Rohstoffe für die Anlage zu decken (Art. 063). Die Biogas-Produktion ist „nur dann wirt-
schaftlich, wenn die Transportkosten im Rahmen bleiben“ (Art. 004), meint Nawaro-Chef
Eckhard Pratsch. Für ihn müssten Rohstoffe im Umkreis von 50 Kilometern von einer BGA
angebaut und angeliefert werden (Art. 004).
Im kommunalen Bereich der Bioenergiedörfer (z.B. Zinzow, Ivenack und Recknitz-Trebeltal)
würde neben der NawaRo-Nutzung auch zunehmend Wert auf ein „ökologisch nachhaltiges
und ökonomisch effizientes Energiekonzept“ (Zitat Till Backhaus, Art. 014) gelegt. Von Rest-
stoffverwertung wird allerdings auch hier wenig gesprochen. In Zinzow in Vorpommern wird
lediglich ein Anteil Rindergülle in die vorhandene BGA eingebracht (Art. 133). In Tabelle 6
ist die Kritik an NawaRo dargestellt, wobei unterstützende Argumente und abschwächende
Gegenargumente aufgenommen wurden.
46 Auftreten in Art. 015, 035, 055, 056, 073, 087, 092, 096, 104, 172, 179 47 Auftreten in Art. 004, 016, 021, 023, 048, 063, 066, 073, 092, 096, 098, 104, 125, 133, 137, 146, 160, 163, 179, 191 48 Auftreten in Art. 004, 104, 133, 155, 157, 179 49 Auftreten in Art. 004, 011, 037, 063, 066, 074, 125, 133, 135, 137, 153, 160, 186, 187, 188, 191 50 Auftreten in Art. 004, 021, 063, 066, 133, 160 51 Auftreten in Art. 037, 135, 156, 172
54
Tabelle 6: Kritik an NawaRo und Argumentationsmuster im Regionaldiskurs
Kritik unterstützend abschwächend
„Flächen und Pachten wegen des Anbaus von Bioenergiepflanzen im-mer teurer“ (Art. 151)
Graf von Bassewitz: Beitrag von Energiepflanzen gegen Preisverfall von Böden und Getreide (Art. 160)
Einschränkung der Schäferei in MV (Art. 151)
BGAn liefern organischen Dünger für die Landwirtschaft (Art. 160)
Anstieg Nahrungsmit-tel- und Bodenpreise
Bauern in MV würden mehr Geld mit Strom und Wärme als mit Milch ver-dienen (Art. 160)
NawaRo sind „ein bedeutendes Standbein der Landwirtschaft“ (Art. 179)
Besonders Mais: „Das hat mit Land-wirtschaft nichts zu tun […].“ (Zitat, Art. 016)
„[…] ein Agrarbetrieb [könne] zehn bis 20 % Mais oder Energiepflan-zen“ anbauen (Art. 160).
Raps: „Pilzkrankheiten, hoher Schäd-lingsbefall und stagnierende Erträge“ (Art. 055)
Damit verbunden mögliche Einschlei-chung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) (Art. 063)
Silomaisfläche MV (Mitte 2009): 119.400 ha (11 % der AF) (Art. 073)
Angst vor Energie-pflanzen-Monokulturen
Landwirt hat auf 70 % seiner Mais-schläge Maiszünslerbefall (Frühjahr 2009) (Art. 047)
Nationales Anbaupotential von Energiepflanzen auf 2,5 – 4 Mio. ha, ohne Einschränkung der Nah-rungsmittelproduktion (Art. 179)
Gefahr für Bienen, Schmetterlinge, Mäuse und Hamster (Art. 047, 160)
Möglicher Eintrag in Honig (Art. 146)
Angst vor GVO
Graf von Bassewitz und Fachverband Biogas gegen GVO (Art. 160)
Durch Einsatz von Pestiziden ster-ben „vermutlich mehr unbeteiligte Insekten […] als durch das Giftgen in Mon 810“. (Art. 047)
weiterer Einfluss auf Tierwelt
Flächen gehen für Störche als Nah-rungsquelle verloren; Landen und Umherstaksen unmöglich (Art. 096, 163)
-
Ethische Bedenken „Zweckentfremdung von Lebensmit-teln“ (Leserbrief, Art. 114)
-
Im September 2010 wurden nach Angaben des Agrarministeriums in MV auf etwa 175.000 ha
NawaRo für die Energiegewinnung angebaut. Wie die FNR berichtet wird bundesweit eine
Fläche von 2,15 Mio. ha für NawaRo genutzt – das sind etwa 18 % der gesamten Ackerfläche.
Die für die Biogasherstellung besonders wichtigen Mais-, Getreide- und Grassilagen legten
von 530.000 ha (2009) auf etwa 650.000 ha Anbaufläche (2010) zu (Art. 179).
55
c) Einspeisung und Umverteilung von Bioenergie
Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel mitteilt, gibt es keine Investitionen für den Ausbau der
Stromnetze in Richtung der großen Industriezentren Süddeutschlands (Art. 183). Die Netz-
kosten sind im „dünn besiedelten und wenig industrialisierten Nordosten“ (Art. 149) ver-
gleichsweise hoch. Der regionale Netzbetreiber E.ON edis legt diese Netzkosten auf den
Verbraucher um – daraus würden höhere Strompreise resultieren (Art. 120, 149). Im Schnitt
fließen trotzdem ungefähr zwei Drittel des in MV erzeugten Stromes aus dem Land ab
(Art. 148). E.ON edis investiert „allein 90 Millionen Euro in den Ausbau des Stromnetzes“
(Art. 148), denn die Energie würde in den Industriezentren gebraucht (Art. 183).
Die großen Netzbetreiber sind laut Gesetz dazu verpflichtet, jedweden produzierten Ökostrom
abzunehmen und nach Vorgabe des EEG zu vergüten (Art. 064). Vor allem auch die kommu-
nalen Energieanbieter der jeweiligen Stadtwerke speisen ihren Ökostrom ins nationale Strom-
netz ein (Art. 126, 135, 178). Im Bioenergiedorf (siehe Glossar) Ivenack zum Beispiel wird
nur die Wärme (Abwärme) einer BGA über ein Nahwärmenetz an die Verbraucher geliefert.
Der Strom wird wiederum ins bundesweite Stromnetz eingespeist, da die BGA von den hiesi-
gen Stadtwerken betrieben wird (Art. 021).
Für Herrn Bodo Müller (Leserbrief) ist erneuerbar erzeugter Strom wegen den Vergütungs-
modalitäten und der mangelnden Verfügbarkeit wirtschaftlich gesehen keine Alternative zu
fossilen Energieträgern:
„Abschließend sei bemerkt, eine kWh nach EEG würde bei derzeitiger Struktur ca. 65-80
Cent kosten und wäre nur sporadisch verfügbar. Für mich keine Alternative für die In-
dustrie tödlich.“ (Art. 081)
Aber auch wegen der nicht vorhandenen Speicherbarkeit sei erneuerbarer Strom unlukrativ:
„Es gibt aber derzeit nicht die geringsten Speichermöglichkeiten und es sind solche auch
in Jahrzehnten nicht absehbar.“ (Art. 023)
Ein Hindernis für den Ausbau von EE ist, dass „die vier Energie-Giganten den Strom in
Großkraftwerken produzieren, [damit] haben sie wenig Interesse daran, das Leitungsnetz
dezentral auszubauen“ (Art. 166). Solange alte Strukturen erhalten blieben, würden EE ge-
hemmt. MV trägt bloß ein bis zwei Prozent zur deutschen Stromgewinnung bei, was ver-
gleichsweise wenig sei (Art. 175). Nichtsdestotrotz könnte sich MV ab 2015 theoretisch zu
100 % mit grünem Strom versorgen (Art. 148). Bundesweit wird schon jetzt „mehr Strom
erzeugt als benötigt“ (Art. 034). Auch bei den EE würde Deutschland wahrscheinlich ein
gestecktes Ziel schon vor der Zeit erfüllen:
„Demnach soll der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix nicht wie geplant bis
2020 auf 18 Prozent, sondern auf 18,7 Prozent ansteigen, wie die EU-Kommission mit-
teilte.“ (Art. 130)
56
Anteile dieses Überschusses könnte Deutschland an andere Länder wie Italien verkaufen, so
die Sprecherin von Energiekommissar Günther Oettinger.
Laut Frau Happach-Kasan (FDP-Bundestagsabgeordnete) würden die staatlich garantierten
Vergütungstarife für EE zwar sinken, jedoch steigt die Gesamtfördersumme „wegen des star-
ken Zubaus“ (Art. 091) an. Die Kosten würden auf den Steuerzahler umgemünzt – dies wären
immerhin 50 Milliarden Euro in den nächsten 25 Jahren. Das gesamte EEG müsse wegen ei-
ner Überförderung der EE auf den Prüfstand (Art. 091). Hier werden zwar Fördernachteile
angeführt, allerdings keine Alternativen beleuchtet.
6.1.3 Lokaldiskursergebnisse
Die Lokaldiskursergebnisse sind unterteilt in insgesamt sieben Haupt-Themenmuster, welche
im Lokaldiskurs auf Rügen auftauchten. Der erste Abschnitt a) gibt Ergebnisse der Bioener-
gienutzung und deren Probleme im Lokaldiskurs wieder. Es wird damit auch aufgeführt, wie
sich die Wahrnehmung gegenüber Bioenergie manifestiert und bei welchen Aspekten sich
Widerstand ausbildet. Abschnitt b) beleuchtet die diskursive Formation von Begründungs-
mustern, die angeben, warum es relevant ist Bioenergie zu nutzen. Abschnitt c) hat den prä-
genden Einfluss rechtlicher Institutionen auf den Diskurs zum Thema, welcher auch in den
Gedanken von Foucault fest verankert ist. Abschnitt d) kann im Kontext der Diskurstheorie
als die Form von Wissensvermittlung erfasst werden, welche einer Machtausbildung voraus-
geht. Hier wird dargestellt wie über das Thema Bioenergie im Lokaldiskurs informiert wird.
In Abschnitt e) werden die Hauptakteure des Lokaldiskurses kurz vorgestellt. Rational wirt-
schaftliche Deutungsmuster werden in Abschnitt f) veranschaulicht. Der letzte Abschnitt g)
stellt weitere nachhaltige Aspekte im Lokaldiskurs dar.
a) Bioenergienutzung und ihre Probleme
Bei der Biomasseerzeugung durch Energiepflanzenanbau in der Landwirtschaft sind Phäno-
menstrukturen identifiziert worden, welche staatliche Eingriffe sowie niedrige Marktpreise
(Art. 74, 75) und den Widerstand der Bevölkerung und des Tourismus gegenüber erhöhter
Straßenbelastung und Geruchsbelästigung (Art. 06, 08, 79, 86) hervorheben. Des Weiteren
werden ökologische Probleme thematisiert. Das mögliche Problem der Monokulturen wird im
gesamten Lokaldiskurs nur einmal angesprochen: Weil man auf lediglich 3,7 % der Ackerflä-
che Rügens Mais anbaut und dies noch weniger als vor der Wende wäre, brauche man vor
Monokulturen auf Rügen keine Angst zu haben (Art. 57). Im Kontext der BGAn werden auch
Probleme wie eine mögliche Lärmbelästigung, ästhetische Einschränkung und der Ausbau der
Fernwärmenetze diskutiert (vgl. Tabelle 7).
57
Tabelle 7: Probleme der Biomassenutzung und von Biogasanlagen im Lokaldiskurs
Problem Beispiel
Staatliche Eingriffe im Kraftstoffsektor
Die Steuerpolitik „hat Rügens Landwirten das Geschäft vermasselt“, da auf Biodiesel inzwischen eine Steuer gezahlt werden muss. Die Alternati-ve heißt: „Wir wollen Rapsöl als Heizmittel einsetzen“ (Zitat, Art.75).
Niedrige Marktpreise für Raps
„Pro Hektar werden im Durchschnitt vier Tonnen geerntet. Verkaufen sie die, bekommen sie aktuell 130 Euro pro Tonne. ,Damit haben wir gerade mal das Lagergeld verdient. Ein lohnendes Geschäft ist es nicht’“ (Art. 75 und Zitat).
Trotz Belastung der „Kreidebahn“ durch eine bestehende BGA in Sagard Beschluss zum Bau einer zweiten, aber Angst vor Qualitätseinbußen: „Die [Transporte] werden immer schwerer und fahren ruckzuck den Bord-stein runter“ (Zitat, Art. 86).
Widerstand gegen Stra-ßenbelastung
„Gingst [habe] inmitten des Ortes einen Engpass […], an dem beidseitig Gäste in gastronomischen Einrichtungen sitzen und sich der Verkehr staut.“ (Art. 06)
„Gerüche fallen schon beim Bewegen von 40.000 Tonnen Silage an“ (Zitat, Art. 06).
Widerstand gegen Ge-ruchsbelästigung
Pastitz (Putbus) darf wegen Geruchsbelästigung keine Schilder mehr mit der Aufschrift „staatlich anerkannte[r] Erholungsort“ anbringen (Art. 08).
Grünlandumbruch führe zum Rückgang der Storchenpopulation auf Rü-gen, weil die Nahrungsquellen für die Tiere schrumpfen: „Doch immer mehr extensives Grünland wird intensiv bewirtschaftet - keine Brutstätte für Insekten.“ (Zitat, Art. 89)
Ökologische Auswirkun-gen
Naturschützer Hans Ulrich Dost: Durch Ausbreitung des Maisanbaus und Bau von Windkraftanlagen fänden Vögel immer weniger Nahrung. Effi-ziente und billige Alternative: Atomenergie und auch „für den Müll finde[t] man […] eine Lösung“ (Zitat, Art. 96).
BGA Bergen Lärm, Ge-ruch, ästhetische Ein-schränkung
„Weniger kunstvoll wirken die Silos im Bergener Gewerbegebiet an der Tilzower Chaussee. Monatelang waren Anwohner wegen gefürchteter Lärm- und Geruchsbelästigungen gegen den Bau der Biogasanlage Sturm gelaufen.“ (Art. 09)
Politikverdrossenheit
„Anhand der Biogasanlage in Bergen sieht man deutlich, wie mit den Rechten der Bürger umgegangen wird. Erst wird beschwichtigt und auf rechtsstaatliche Verfahren verwiesen (es wird schon nicht so schlimm). Nun steht die Anlage und für die Probleme ist keiner mehr zuständig und es interessiert auch keinen Politiker mehr. Sieh zu Bevölkerung, wie du klar kommst.“ (Leserbrief, Art. 38)
Weitere ästhetische Ein-schränkungen
Gefahr der Degradierung des Stadtbildes von Bergen durch den 20 m hohen Faulturm einer vom ZWAR geplanten Kläschlammverbrennungs-anlage (Art. 38, 69).
Ausbau Fernwärmenetz Bergen
„,Wir sind ganz und gar nicht einverstanden, wie die Arbeiten erledigt wer-den. Das geht einfach besser.’ Der Zustand in Rotensee sei für die An-wohner ,unzumutbar’.“ (Art. 95 und Zitat)
Die Straßen seien aufgerissen und gesperrt, viele Parkplätze seien umge-graben worden und Baugruben stünden seit Tagen offen.
58
Bei der Geruchsbelästigung bleibt die Frage bestehen, was jetzt eigentlich stinkt: die Fermen-
ter der BGA oder die Biomasse, welche für die Anlage angeliefert wird. Das Problem der
BGA Pastitz ist, dass für die Biogaserzeugung 30 % Gülle und 70 % Kofermente aus der Le-
bensmittelproduktion und Gastronomie genutzt werden.52 Dieser Aspekt ist aus ökologischer
Sicht allerdings positiv zu bewerten, da zu 100 % Reststoffe verwendet werden.
Das generell gute Konzept einer Verwertungsanlage, die 4.000 Tonnen Klärschlamm-
trockensubstanz verarbeiten und nach Angaben des ZWAR auch Algen (Art. 38) verwenden
könnte, ist im Untersuchungszeitraum des Lokaldiskurses nicht realisiert worden. Immerhin
wurde das Vorhaben vom Staatlichen Amt für Umwelt und Natur (StAUN)53 in Stralsund
genehmigt. Dies geschah jedoch ohne die Zustimmung des Kreises oder der Stadt Bergen, an
denen der ZWAR vorbeiplanen würde. Der ZWAR verteidigt das geplante Projekt:
„Die Kläranlage liegt in einer Senke. Der Schornstein befindet sich im Gebäude und ragt
nur wenige Meter oben raus […].“ (Zitat, Art. 69)
Für den ZWAR würden massive Mehrkosten entstehen, sobald man behandelten Klär-
schlamm nicht mehr als Dünger auf die Felder ausbringen könnte (Art. 38, 69). Dann müsste
man ihn z.B. nach Schönberg bei Lübeck auf die Deponie bringen, was einen langen und teu-
ren Transport einschließen würde (Art. 38). Hier besteht eine Diskrepanz von zwei Nachtei-
len, zwischen denen man sich entscheiden muss: Nachweislich würden sich Algen und Klär-
schlamm in der Anlage verwerten lassen (vgl. Tabelle 8), wodurch allerdings das Stadtbild
Bergens beeinträchtigt werden würde. Aber wenn die Anlage nicht gebaut wird, hätte man
immer noch das Algenproblem an Rügens Stränden. Für die Einwohner von Bergen ist das
erstgenannte natürlich das größere Problem. Allerdings ist das zweite Problem für den Tou-
rismus und die Region Rügen als Ganzes schwerwiegender. Letztlich würde sich mit der
energetischen Verwertung der Algen ein regionaler Stoffkreislauf schließen.
Die Berichterstattung über die Nutzung von Biomasse in BGAn konzentriert sich auf die bei-
den zugleich neuesten und größten Anlagen der C4 Energie AG in Rothenkirchen und Ber-
gen/Tilzow, wobei über die geplante Anlage in Rothenkirchen weit aus mehr berichtet wird.
Die BGA in Bergen produziere Biogas, dass in zwei BHKW zu Strom und Wärme umgewan-
delt wird:
„,Der Strom wird in das Netz eingespeist, die Wärme in die Haushalte im Stadtteil Süd
geleitet’, […]. C4 liefert die Wärme, RHT leitet sie in die Wohnhäuser weiter.“ (Art. 33)
6.000 Menschen in 2.000 Haushalten im Stadtteil Süd nutzen die Wärme bereits (Art. 59).
Diese sei „nicht nur klimafreundlicher sondern auch billiger […] als Wärme aus fossilen
Brennstoffen“ (Art. 55).54 Die geplante BGA in Rothenkirchen soll für eine ausgeweitete Ver-
sorgung der Haushalte in Bergen und Samtens mit Fernwärme sorgen. Dazu würden aller-
52 Vgl. Kapitel 4.4 53 Das StAUN in Stralsund heißt mittlerweile Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) 54 Relevanzbegründung für Bioenergie vgl. Abschnitt 6.1.3 b)
59
dings zwei neue 19 km lange „Gaspipelines“ (Art. 61, 81) von Rothenkirchen nach Ber-
gen, als auch ein Ausbau des bestehenden städtischen Wärmenetzes von Nöten sein
(Art. 33, 55, 95). Außerdem soll ein drittes BHKW in Bergen gebaut werden. Den Bau der
Pipelines übernimmt die C4 und den Ausbau des städtischen Wärmenetzes RHT.55 Bei Erfolg
des Vorhabens würden durch die zusätzliche Versorgung aus Rothenkirchen 4.000 weitere
Haushalte im Stadtteil Rotensee und der Innenstadt „auf die billige, klimafreundliche Erdgas-
Alternative umstellen können“ (Art. 81). Im Kontext der Probleme beim Ausbau des städti-
schen Wärmenetzes kommt der größte Protest von den Anwohnern und vom Bauamt Rügen.
Im Kreistag werden den „Baufirmen und [dem] Auftraggeber […] klare Fristen“ gesetzt
(Art. 95).
In Abbildung 7 ist eine im Lokaldiskurs erschienene Karte mit bestehenden und geplanten
BGAn auf Rügen aufgeführt. Die Symbole sind eindeutig als Gärsilos von BGAn zu identifi-
zieren, dort wo aus der Biomasse das Biogas entsteht. Das erste Problem hierbei ist, dass alle
Anlagen gleich groß dargestellt wurden, was nicht zutreffend ist. Generell sind die Symbole
relativ groß gewählt. Dies könnte suggerieren, dass Rügen bald mit BGAn „zugepflastert“ ist.
Darüber hinaus ist die Anlage in Sassnitz keine BGA, sondern ein Biomasse-Heizkraftwerk.
Die beiden geplanten Anlagen in Gingst und Rothenkirchen sind nicht innerhalb des Untersu-
chungszeitraumes in Betrieb gegangen. Die Anlage in Gingst wurde überhaupt nicht gebaut.
In einigen Artikeln wird über die Reststoffnutzung oder besser ausgedrückt den Versuch der
Reststoffnutzung berichtet. Bei der Nutzung von manchen Reststoffen scheint es noch ausgie-
55 Akteure im Lokaldiskurs vgl. Abschnitt 6.1.3 e) 56 Quelle: Art. 61
Abbildung 7: Bestehende und geplante Biogasanlagen auf Rügen56
60
bigen Forschungsbedarf zu geben und die Entsorgung – vor allem von Klärschlamm und Al-
gen – wäre sehr kostspielig (Art. R07). In der OZ wird ein Großteil von Reststoffen aufge-
zählt und für die Nutzung in BGAn als problematisch eingeschätzt:
„Grünschnitt, Gehölz, Laub, Weihnachtsbäume, Stroh, vergammeltes Rohrdach, Seegras,
Tang und sogar Tiermist gehören zu jenem Biomüll, der in herkömmlichen Biogasanla-
gen nicht oder nur sehr aufwendig verwertet werden kann.“ (Art. 13).
Es lassen sich drei „Themengroßbereiche“ identifizieren, die sich mit dem Versuch der
Reststoffnutzung auseinandersetzen. Dies sind die Nutzung von Landschaftspflegematerial
(vordergründig auf Hiddensee), die Verwertung von Seetang und Treibseln und die
Verwertung von kommunalen Bioabfällen. Die Verwendung von Gülle und anderen
landwirtschaftlichen Reststoffen, sowie der Einsatz von Klärschlamm zur Energiegewinnung
werden nur am Rande thematisiert. Möglichkeiten (+) und Probleme bzw. Hindernisse (–) bei
der energetischen Reststoffnutzung sind in Tabelle 8 angegeben.
Tabelle 8: Möglichkeiten und Hindernisse bei der Reststoffnutzung (Lokaldiskurs)
Nutzung von Landschaftspflegematerial (auf Hiddensee) (Art. 48, 50, 59, R04 & R10)
+ Ziel des Projektes ist es, anfallendes Landschaftspflegematerial aus der Dünenheide und dem Dornbusch für die Energiegewinnung zu nutzen, da auf Hiddensee Intensivlandwirtschaft und der Anbau von Energiepflanzen nicht möglich sind (Art. 48).
+ Rund 700 t Strauchwerk, Pferdemist, Rasenschnitt und Seetang würden jedes Jahr von der Insel abgefahren, damit könnte man 18 % des Wärmeenergiebedarfs von Hiddensee decken (Art. 50).
+ Andere Angaben sprechen von 25 – 30 % des Energiebedarfs von Hiddensee (Art. 59).
– Nach einem Test von Biomasse aus der Dünenheide im Labor (FH Stralsund) wurde diese als eher schlecht verwertbar eingestuft. Und das „gut brennbare Holz ist auf der Insel Mangelware“ (Art. 50).
– Leserbrief: „[…] um nur 18 Prozent der Bewohner zu versorgen, lohnen weder etwaige Überle-gungen noch der Kostenaufwand.“ (Art. 51)
– Errichtung eines zentralen Heizkraftwerkes würde Bau von Leitungen zu einzelnen Häusern er-fordern. Mit der möglichen Biomasse kämen nur kleine dezentrale Anlagen in Frage (Art. 50).
Verwertung von Seetang und Treibseln (Art. 03, 13, 23, 41, 42, 50, 69, R07)
– Das Problem der Algenbelastung an den Stränden von Rügen und Hiddensee ist gravierend und wirkt sich auch auf den Tourismus aus. Eine Verwertung vor Ort wäre optimal (Art. 03, 23, 41).
– Die Nutzung von Seetang auf Hiddensee sieht Prof. Ahlhaus (FH Stralsund) „wegen des Sandan-teils, der Muscheln und der zurückbleibenden Asche“ als problematisch an (Art. 50).
+ Die Universität Rostock erforscht die Verwendung von Seetang zur Stromerzeugung oder als Dämmmaterial (Art. 03).
– Für BGAn käme die Verwertung von Algen aufgrund des Salzgehaltes nicht in Frage (Art. 41).
+ Getrocknet und zu Pellets verarbeitet kommen die Algen jedoch „als umweltfreundlicher Brenn-stoff in Frage“ (Zitat, Art. 41).
61
+
Der ZWAR hat die Weiterverarbeitung von Algen in einer Klärschlammverbrennungsanlage in Neu-Ulm positiv getestet: „Der Versuch hat ergeben, dass sich der Wert der Salzsäure im End-produkt nicht signifikant erhöht“ (Zitat, Art. 69). Die Verwertung ist in einer Klärschlamm-verbrennungsanlage geplant (siehe oben).
Verwertung von kommunalen Bioabfällen (Art. 03, 23, 42, 59, R04, R10)
– Die Entsorgung der kommunalen Bioabfälle wird vom Landkreis ausgeschrieben und ist in der Vergangenheit aufs Festland gebracht worden (Art. 59).
+ Künftig soll jedoch eine Verwertung des Bioabfallaufkommens zu Biogas und dessen Nutzung als Kraftstoff für den RPNV angestrebt werden (Art. 23, 42).
+ „Eine weitere Idee wäre es, aus dem Abfall, den Hotels produzieren, Energie zu gewinnen.“ (Zitat, Art. 03).
+ „Wenn die Abfälle auf Rügen zu Treibstoff verarbeitet werden, können die Touristen mit dem eige-nen Müll Bus fahren […].“ (Zitat, Art. 59)
+ Eine Studie der Fachhochschule Göttingen überprüft die betriebswirtschaftliche Machbarkeit des RPNV-Projekts (Art. 59).
b) Begründungsmuster für die Relevanz von Bioenergie
Für die Nutzungsrelevanz von Bioenergie bzw. generell von EE tauchen im Lokaldiskurs etli-
che Begründungmuster auf. Einige treten sogar kombiniert in Erscheinung, wie zum Beispiel
die Umweltfreundlichkeit57 von Bioenergie und der im Vergleich zu fossilen Energien
günstige Preis58. Zusammen mit den günstigen Preisen wird auch die Versorgungssicher-
heit59 diskutiert. Im Kontext der Umweltfreundlichkeit lässt sich deutlich eine spezifizierte
Klimafreundlichkeit in Form der Reduzierung des CO2-Ausstoßes60 identifizieren. Als
letztes Argument wird angeführt, dass Bioenergie Arbeitsplätze und regionale Wertschöp-
fung61 schaffen würde. Den Aspekt der Umweltfreundlichkeit kann man an einer Vielzahl
von Ausdrucksformen wie umweltfreundlich, umweltschonend, natürlich und sauber ausma-
chen. Aufgrund der Vielzahl der Erwähnungen von Umweltfreundlichkeit und günstiger Prei-
se, sollen nur wahlweise Artikel aufgeführt werden, in denen beide Begründungsmuster kom-
biniert auftauchen. Die Begründungsmuster für die Relevanz von Bioenergie sind in Tabelle 9
ersichtlich.
57 Auftreten in Art. 23, 33, 35, 41, 44, 45, 54, 55, 56, 61, 67, 78, 81, 82, 93, R13, R14 58 Auftreten in Art. 23, 33, 55, 59, 67, 78, 81, 93, 95 59 Auftreten in Art. 23, 33, 71, 81, 93 60 Auftreten in Art. 03, 44, 55, 59, 95, R07 61 Auftreten in Art. 21, 25, 37, R04, R10, R13
62
Tabelle 9: Begründungsmuster für die Relevanz von Bioenergie im Lokaldiskurs
Relevanz Begründungsmuster
Unter der Schlagzeile „Sauber und billig: Bergen heizt bald mit Biowärme“ (Art. 33) wollen C4 und RHT 10.000 weitere Menschen mit Wärme aus der geplanten BGA Rothenkirchen versorgen.
Da die Wärme aus Biogas gewonnen werde, „profitiert die Umwelt“ von dem Projekt. Dazu kommt, dass „Bio-Fernwärme […] billiger [ist] als Heizenergie aus fossilen Brennstoffen“ (Art. 33).
„Weil der Staat für den umweltfreundlichen Strom 20 Jahre lang konstant gute Prei-se garantiert, kann auch die Wärme vergleichsweise günstig angeboten werden.“ (Art. 33)
Schon jetzt werde der „Stadtteil Bergen-Süd mit Biofernwärme versorgt, die nicht nur klimafreundlicher sondern auch billiger ist als Wärme aus fossilen Brennstoffen“ (Art. 55).
Auch die Bergener Wohnungsgesellschaft BeWo meint: „Das Gas, das in Rothen-kirchen erzeugt werden soll, ist nicht nur besser für die Umwelt, sondern auch billi-ger für die Kunden.“ (Art. 78)
Umwelt-freundlichkeit und günstige Preise
Dank der sauberen Bioenergie aus Rothenkirchen sparen die Kunden aus Bergen und Samtens „in den kommenden 20 Jahren gut 20 Millionen Euro an Kosten“ (Art. 81), so die C4-Energie AG.
Versorgungs-sicherheit
Bergens Bürgermeisterin Andrea Köster zeigt sich ebenfalls begeistert gegenüber der neuen Fernwärmeversorgung: „Wir sichern damit Bergens Versorgung mit sau-berer Energie […].“ (Zitat, Art. 81)
Für seine Marina in Lauterbach möchte Till Jaich künftig Energie nutzen, „die CO2-neutral produziert wird“. Dies soll unter anderem mit Hilfe der Sonne sowie Pellets und Rapsöl geschehen. Eine konkrete CO2-Einsparung oder -Bilanz wird nicht an-gegeben (Art. 44).
Die BER Rügen müsse als Initiative mehr in die Breite gehen und sich „hin zu ei-nem Flächenfeuer an Biomasse-Projekten entwickeln“, da Rügen schließlich bis 2050 „emissionsneutraler Landkreis“ werden will (Art. 59).
„Das ambitionierte Ziel, bis zum Jahr 2020 den auf der Insel verursachten Kohlendi-oxid-Ausstoß um 40 Prozent zu reduzieren, indem ein Drittel des Energie-Bedarfs aus Biomasse kommt, ließe sich nur dann erreichen, ,wenn wir zugleich alle Poten-tiale an Einsparung und Effizienzsteigerung ausschöpfen.’“ (Art. 05 und Zitat)
Reduzierung CO2-Ausstoß
In Bergen würden „durch die ,CO2-neutrale Wärme’ dank Biogasanlage […] jetzt 1700 Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Jahr eingespart“ (Art. 59).
Das BER-Projekt soll sich mit seinen Synergien positiv auf die regionale Wertschöp-fung und den Arbeitsmarkt auswirken, wodurch das Geld auf der Insel bleibt und al-len zu Gute kommt. Dabei soll besonders der „Einsatz regionaler Unternehmen aus dem Handwerk […] Arbeitsplätze“ schaffen (Art. R10).
„Wir müssen selbst etwas in die Hand nehmen und bewegen, bevor ’fremde’ Inves-toren kommen.“ (Zitat, Art. R10)
Arbeitsplätze und regionale Wertschöp-fung
Die Leitlinien der BER-Rügen sind als „Investitionen, Energieeffizienz, Beteiligun-gen, Arbeitsplätze und mehr“ (Art. R13) deklariert.
63
Alle Aufmerksamkeit bezüglich der Arbeitsplatzschaffung scheint sich auf das Netzwerkpro-
jekt BER Rügen zu richten. Arbeitsplätze sind in diesem Zusammenhang weniger Begrün-
dungsmuster als vielmehr Forderung an das BER-Netzwerk.
Die „sauber & billig Variante“ der Relevanzbegründung konzentriert sich augenscheinlich auf
die Fernwärme der BGAn Bergen/Tilzow und Rothenkirchen. Vermutlich, um den Einwoh-
nern von Bergen die neue Wärmeversorgung schmackhaft zu machen bzw. um eventuelle
Einschränkungen abzumildern und damit den Widerstand so gering wie möglich zu halten.62
Letztlich ist zu sagen, dass der Preis für die Energie vom Netzbetreiber und der jeweiligen
Organisationsform der Anlagen abhängt.
In Bezug auf die Versorgungssicherheit müssen „im Winter, wenn es richtig kalt ist, […] mit
den vorhandenen Heizkesseln und fossilen Brennstoffen die Spitzen“ (Zitat, Art. 33, auch
Art. 71) abgedeckt werden, so die RHT. Des Weiteren wird beschrieben, dass Biogas zwar
„umweltfreundlich und zudem auch deutlich billiger als ,normales’ Erdgas“ sei. Das einzige
Problem hierbei wäre: „Es gibt zu wenig davon“ (Art. 93), da die bisher auf Rügen produzier-
te Menge gerade mal ausreicht um Bergens Stadtteil Süd zu versorgen.
Ein großes Manko für die Günstigkeit von Biofernwärme spiegelt sich in den zu leistenden
Investitionen wieder. Vom Preis her hätte ein lokales Wärmenetz zunächst nämlich seine Tü-
cken. Wie das Leader Plus Regionalmanagement aufzeigt, müssten für eine „Hausübergabe-
station etwa 2500 Euro gezahlt werden, der Hausanschluss beläuft sich auf weitere 2500 Eu-
ro“ (Art. 71). Dazu käme das Wärmenetz, welches pro Meter Leitung für die Versorgung
einzelner Häuser 250 Euro kosten würde (ebd.).
c) Rechtliche Einflüsse auf die Bioenergieerzeugung und -nutzung
Neben der Steuerpolitik, die sich negativ auf die Biodieselbesteuerung auswirken würde63,
sind im Diskurs weitere rechtliche Einflussfaktoren auf die Erzeugung und Nutzung von Bio-
energie identifizierbar. Darunter fällt z. B. auch die Förderpolitik. Demnach könnten in Rap-
pin „Dank in Aussicht stehender Förderung […] Anlagen errichtet werden, um Bioenergie zu
produzieren“ (Art. 28). Auch über das EEG wirkt sich eine Erzeugung von Bioenergie in An-
betracht der Vergütung positiv aus. Die Sparkasse Rügen gibt beispielsweise an, dass sie
künftige Investitionen nach dem EEG „bevorzugt bearbeiten und günstige Konditionen anbie-
ten“ (Art. 05) werde. Weitere Information über Vergütungsregelungen des EEG speziell für
Bioenergie werden im Lokaldiskurs nicht aufgeführt.
Rügen müsse unbedingt „aufs Tempo drücken“ (Art. 59). Schließlich ist die Finanzierung der
BER Rügen durch das BMELV nur bis 2013 gesichert. In diesem Sinne bündelt die Koordi-
nierungsstelle der Kreishandwerkerschaft (KH) zwar „die Interessen, vermittelt know-how,
62 Zum Bauchaos in Bergen vgl. Abschnitt 6.1.3 a) 63 Vgl. hierzu Tabelle 7
64
organisiert Fördermittel, schult und informiert“ (Art. R02). Es wird allerdings nicht erklärt,
dass das Netzwerkprojekt BER gar keine Fördermittel zur Anschubfinanzierung von Projek-
ten verteilen kann. Die Fördermittel des BMELV stehen ausschließlich für Netzwerkarbeit
oder für die Finanzierung von Studien zur Verfügung.
Es gibt jedoch europäische Fördermittel für das Projekt „Eines von 500 Bioenergiedörfern in
MV“. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass „bei kommunaler Beteiligung […] eine bessere
Förderung durch die EU möglich“ (Art. 92) sei. Das wäre auf Rügen für die Gemeinden Lan-
cken-Granitz (Art. 92, 94) und Rappin (Art. 68, 82) denkbar.
Ein weiteres Muster von rechtlichen Einflüssen lässt sich in den Genehmigungsverfahren
für Bioenergieanlagen64 und ihren Problemen ausmachen. Demnach hat es sich in Rothenk-
irchen so dargestellt, dass der Bau eine BGA schon früher geplant war, sich jedoch aufgrund
von Problemen bei den Genehmigungen verzögerte:
„Die Behörden und der Investor hatten in einigen Punkten unterschiedliche Ansichten.
Mehr will C4 Energie-Vorstand Olaf Bockholt dazu nicht sagen“ (Art. 61).
Eine weitere befürchtete rechtliche Regelung gab den Impuls für den Bau einer Klär-
schlammverbrennungsanlage in Bergen. Das Ausbringen von behandeltem Klärschlamm als
Dünger auf Ackerflächen könnte in Zukunft verboten werden. Da es auf Rügen bisher keine
Anlage zur Klärschlammverbrennung gäbe, müsste der ZWAR ihn zu weit entfernten Depo-
nien transportieren, wenn ein solches Gesetz auf den Weg käme – „Und das würde viel Geld
kosten“ (Zitat, Art. 38). Die Asche des verbrannten Klärschlamms dürfte man dagegen als
Dünger ausbringen. Das Bauvorhaben wurde im Untersuchungszeitraum nicht realisiert.
d) Informationsaspekte – wie wird die Bevölkerung über Bioenergie informiert
Nachfolgend sollen Informationsquellen aufgeführt werden, welche über Bioenergie informie-
ren und zur Wissensbildung der Bevölkerung beitragen können. Zentraler Anlaufpunkt sind
die Rügener Klimatage, die von der KH und dem Leader Plus Regionalmanagement zur Initi-
ierung der BER Rügen organisiert wurden. Zunächst sind Beiträge zu Informationsquellen in
Tabelle 10 dargestellt.
Tabelle 10: Informationsquellen zum Thema Bioenergie im Lokaldiskurs
Informationsquelle Beschreibung
„Schon der erste Klimatag hat die Weichen in die Richtung gestellt, Energie- und Klimaschutz zum Entwicklungsmotor der Insel zu machen“ (Art. R14)
Rügener Klimatage
2. Klimatag (01. Dezember 2008): Es wurden Partner und Projekte der BER Rügen vorgestellt und zusammen mit allen Teilnehmenden über zukünftige Stra-tegien diskutiert (Art. 04)
64 Vgl. Kapitel 4.3.2
65
3. Klimatag (05. Februar 2010): Aktuelle Projekte wurden vorgestellt und außer-dem eine Studie präsentiert, „die zeigt, wie Touristiker von der Bioenergie profi-tieren können“ (Zitat, Art. 58). Es wurde allerdings deutlich, dass für die Ziele emissionsneutraler Landkreis bis 2020 und ein Drittel der Energiegewinnung aus Biomasse bis 2020 „mehr getan werden muss“ (Art. 59).
Internetportal der BER-Rügen
Vom IT-College Putbus in Kooperation mit der KH erstellt, ist es zentraler digita-ler Anlaufpunkt für interessierte Akteure aus Energie und Handwerk. Unter an-derem sollen hier „wichtige wissenschaftliche und gesetzliche Neuerungen pub-liziert“ (Art. 12), Erreichtes dargestellt, neue Ideen und Ziele kommuniziert und damit die nötige Transparenz geschaffen werden (Art. 45). Des Weiteren soll der Kontakt zwischen Unternehmen geknüpft werden um diese „zum Mitmachen [zu] animieren“ (Art. 12).
Weitere regionale Ausstellungen
„Rügens größte Leistungsschau“ (Art. 36): Die Rügana vom 05. - 06. September 2009 (Art. R06) und vom 03. - 05. September 2010 (Art. 87)
Die Energiemesse in Baabe 03. - 04. Oktober 2009 (Art. 42, R03)
Die Energie- und Holzmesse in Lauterbach vom 05. - 06. Juni 2010 (Art. 76, 77)
Informations-Broschüre
Eine 52-seitige Informationsbroschüre des Landkreises liegt zum Mitnehmen in allen Amts- und Gemeindeverwaltungen, sowie in den Ämtern des Landkreises und in der Kreisverwaltung von Rügen aus. Hierin wird auch über das Thema BER Rügen informiert (Art. R15).
Darüber hinaus fungiert die KH mit ihrer Koordinierungsstelle als zentraler Anlaufpunkt zur
Weiterbildung und Umschulung für Handwerksunternehmen und als Informationsquelle für
alle Interessierten (Art. 03, R02). Außerdem werden Energietouren unternommen, die unter
anderem auch Leuchtturmprojekte der BER Rügen beinhalten (Art. 54).
All diese Informationsmöglichkeiten kann man als indirekt auffassen, da ein gewisses Grund-
interesse und die aktive Bereitschaft der Bevölkerung zur Information als Vorrausetzung vor-
handen sein müssen. Die einzige direkte Information lässt sich in einem Umweltbildungspro-
jekt des BR Südost-Rügen identifizieren. Hier wurde das FÖJ-Projekt „Regenerative Ener-
gien“ erarbeitet, welches Schülern der Klassenstufen drei bis neun direkt näher gebracht wer-
den soll (Art. 12).
Natürlich können auch die OZ und der Rüganer als direkte Informationsquellen angesehen
werden, da die Informationen direkt zum Verbraucher nach Hause kommen, wobei das bei der
OZ nur Abonnenten beinhaltet. Jedoch fungieren die lokalen Printmedien erstens lediglich als
Verweisinformationsquelle auf oben angegebene primäre Informationsquellen, welche weit-
aus detaillierter in ihrer Informationsfülle sind. Und zweitens sind die lokalen Printmedien nie
wertungsfrei oder objektiv in ihrer Information, was auch die Ergebnisse dieses Kapitels dar-
stellen sollen.
66
e) Hauptakteure im Lokaldiskurs
Im folgenden Abschnitt sollen die Hauptakteure des Lokaldiskurses kurz vorgestellt werden
(vgl. Tabelle 11). Für jeden Akteur wird eine kurze Funktionsbeschreibung gegeben. Die
Kommunalpolitik soll an dieser Stelle nicht explizit als ein Akteur aufgeführt werden, da sie
eine Vielzahl von Subjekten einschließt, die sehr verschiedene Interessen aufweisen.
Tabelle 11: Hauptakteure des Lokaldiskurses
Akteur Funktion
Kreishandwerkerschaft Rügen (KH)
Als Projektkoordinator des Netzwerkprojektes BER Rügen hat die Kreis-handwerkerschaft die Netzwerk- und Kooperationshoheit zu allen wichtigen Akteuren. Mittlerweile ist die KH nicht mehr Träger der BER Rügen. Dies ist durch den medialen Diskurs jedoch nicht ersichtlich.
Tourismusverband Rügen (TVR)
Der Tourismusverband Rügen repräsentiert alle Hotels, Herbergen, Cam-pingplätze und Gastronomien auf den Inseln Rügen und Hiddensee.
Kreisbauernverband Rügen
Der Kreisbauernverband Rügen repräsentiert alle Landwirte in der Region Rügen. Kontakte bestehen zur KH, dem TVR und einigen landwirtschaftli-chen Leuchtturmprojekten der BER Rügen.
Leader Plus Regio-nalmanagement
Leader bedeutet die Vernetzung von Initiativen zur Entwicklung des ländli-chen Raums. Es handelt sich hierbei um ein Programm aus dem Europäi-schen Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung ländlicher Räume (ELER).65
BR Südost Rügen Das BR Südost-Rügen ist unter anderem Ideengeber für die BER Rügen. Im Diskurs wird es allerdings recht selten angesprochen und es kann auch kei-ne explizite Kooperation zur KH ausgemacht werden. Allerdings fungiert das BR als Informant und setzt sich für die Bildung nachhaltiger Entwicklung ein.
Rügener Haus-Technik (RHT)
Die Rügener Haus-Technik ist für die Verlegung von Fernwärmenetzen und Hausanschlüssen zuständig. Die Firma bringt die Wärme von den Anlagen zu den Verbrauchern.
C4 Energie AG (C4) Die C4 Energie AG tritt im Diskurs als Investor und Bauherr der BGAn Rot-henkirchen und Bergen/Tilzow auf.
IT-College Putbus Das IT-College Putbus steht in Kooperation mit der KH und erstellt für die BER eine Internet-Plattform. Damit ist es hauptsächlich im Bereich Informa-tionstechnik einzuordnen.
Zweckverband Was-serversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (ZWAR)
Der Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbehandlung tritt im Lokaldiskurs als möglicher Betreiber einer geplanten Klärschlamm-verbrennungsanlage in Bergen auf, welche einen Teil der Wärmeversorgung leisten könnte. Indirekt setzt sich der ZWAR auch für die Algenverwertung in dieser Anlage ein, welche zu einem Großteil auch ein Problem des Touris-mus ist.
65 Quelle: http://www.leader-ruegen.de/seite-1.html (eingesehen am 13.09.2011)
67
f) Rational wirtschaftliche Deutungsmuster
Rational wirtschaftliche Deutungsmuster, welche die Nutzenmaximierung von Akteuren und
Individuen auf der Basis von Bioenergie in den Vordergrund stellen, können zu einem Groß-
teil mit dem Phänomen des Imagegewinns bzw. Standortvorteils für die Region in Verbin-
dung gebracht werden (Art. 03, 27, 33, R07, R10, R14). Dieser Aspekt ist beispielhaft in
Tabelle 12 angegeben. Des Weiteren lässt sich eine starke Ausrichtung zum Wettbewerbsge-
danken identifizieren, der in einer Profit- bzw. Gewinnmaximierung mündet.
Tabelle 12: Imagegewinn und Standortvorteil durch Bioenergie im Lokaldiskurs
Aspekte Imagegewinn Nachweis
Verknüpfung Imagege-winn und Tourismussek-tor
„Der Tourismus ist der bedeutendste Wirtschaftszweig auf der Insel. Ener-gie ist ein Imagefaktor. Als klimafreundliche66 könnten Hotels zum Beispiel werben. Auch aus Kostengründen wird es sich langfristig für sie lohnen, in Energieeffizienz zu investieren.“ (Art. 03)
Standortvorteil durch EE Bauamt Rügen: Gebiete, die mit Bioenergie versorgt werden, „hätten ei-nen [betriebswirtschaftlichen] Standortvorteil“ (Art. 33)
Attraktivität für Investo-ren
Die Gemeinde Gingst möchte attraktiver für Investoren werden. Hierbei ist egal, ob in den Bereichen Wohnbebauung, Gewerbe oder Industrie: „Die Gemeinde ist offen für alles“ (Art. 27).
Attraktivität durch Sen-kung von CO2-Emissionen
Das Ziel der „wirtschaftliche[n] Unabhängigkeit des Landkreises“ (Zitat, Art. R07) würde sich mit dem Nebeneffekt der Senkung von CO2-Ausstößen attraktivierend für die Urlaubsregion Rügen auswirken (Art. R07).
Aus dem Imagegewinn könnte sich ein Wettbewerbsvorteil ergeben. Ausdrucksweisen wie
„Startschuss“ (Art. 23, 98), „an den Start gehen“ (Art. 24), „mehr Fahrtwind aufnehmen“
(Art. 59), „aufs Tempo drücken“ (Art. 59) und „wir stehen in den Startlöchern“ (Art. 61)
machen die Präsenz des Themas Wettbewerb und Wettrennen deutlich. Beispiele für das
Wettbewerbsphänomen sind in Tabelle 13 angegeben.
Tabelle 13: Wettbewerb um Bioenergie im Lokaldiskurs
Aspekt Wettbewerb Nachweis
Wettbewerb zwi-schen Akteuren
„In einer Region,67 ist die Energiefrage eine Kostenfrage. In einer Tourismus-region wie Rügen kann die Energiefrage und der schonende Umgang mit den natürlichen Ressourcen auch eine Wettbewerbsfrage sein, wenn das Interes-se der Akteure vorhanden ist.“ (Zitat, Art. R10)
Abgrenzung gegen andere Tourismus-regionen
Mit der Wahrnehmung der Inselgäste „Wer nach Rügen fährt, tut etwas für die Umwelt“ entstehe „die Möglichkeit, sich gegenüber Wettbewerbsregionen ab-zuheben: Rügen als vorbildlicher Tourismus und Gesundheitsstandort“ (Art. R10).
Fotowettbewerb der BER Rügen
„Ob Sie sich nun mit dem Logo ,Ich bin voller Energie’ fotografieren lassen oder vielleicht auch dabei, wie Sie an der Zapfsäule anstelle des Zapfhahns eine Flasche Rügener Rapsöl in den Tank stecken oder eine eigene
66 Fehler im Original 67 Fehler im Original
68
,Erfindung’ präsentieren, wie Sie von natürlicher Energie profitieren wollen - Ihr Foto konnte68 Furore machen und als Siegerfoto für die Bioenergieregion Rügen weltweit werben ... Also: Sind Sie voller Energie?“ (Art. R12)
Wettrennen auf der Rügana
Bioenergie-Cup mit „geländegängigen Modellfahrzeugen“ an allen drei Tagen der Rügana 2010: „Der Parcours besteht aus regenerativen Roh- und Brenn-stoffen und deren Verarbeitungsprodukte“. Die Rügana ist die alljährliche „Leistungsschau der Rügener Wirtschaft“69. Als Gewinne „winken attraktive Sparkassen-Geschenkgutscheine“ (Art. 87).
Bericht über einen Vortrag des TVR auf dem 3. Klimatag (2010)
„Energie einsparen und auf Bioenergie umstellen - das sind die beiden Kern-ziele der Bioenergieregion Rügen […]. ,Beides bietet einen Wettbewerbsvor-teil, der sich schnell im Portemonnaie der Hoteliers und Gastronomen be-merkbar macht’ […]. Doch genau dieses Potenzial liege derzeit noch brach.“ (Art. 59 und Zitat)
In der Abgrenzung zu anderen Regionen taucht wieder der Imagegewinn als Nutzenfaktor auf.
Erstaunlich ist hier auch die Ausdrucksweise: Nach Rügen fahren und etwas für die Umwelt
tun. Beim Fotowettbewerb der BER Rügen ist der Wettbewerbsgedanke in Verbindung mit
persönlichem Profit nicht zu übersehen. Dieses Gewinndenken und das wirtschaftliche
Wachstum der Region sind auch in weiteren Artikeln aufzufinden (vlg. Tabelle 14).
Tabelle 14: Profit- und Wachstumsdenken in Bezug auf Bioenergie im Lokaldiskurs
Gewinn/ Wachstum Nachweis
Wirtschaftlicher Profit durch Klimaschutz
Die KH betont, „dass von Aktivitäten zum Klimaschutz alle wirtschaftlichen Sektoren profitieren; neben Handwerk, Hotellerie und Verbrauchern auch Bau-, Aus- und Weiterbildungs- und sogar die Finanzierungsbranche“ (Art. 05).
Abrechenbare Ergebnis-se der BER Rügen
Für den Erfolg der BER Rügen „sind regionale Entwicklungskonzepte zu erarbeiten, die regionale Potentiale nicht nur aufzeigen, sondern auch darstellen, wer sich wie mit Ideen und Investitionen einbringen wird, um Energie und Kosten zu senken; einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und regionale Entwicklungspotenzen zu heben. Es zählen abrechenbare Ergebnisse.“ (Art. R02)
Energieautarkie und Gewinnmaximierung
Die Kreisverwaltung und der CDU Kreisverband Rügen würden gern dem österreichischen Ort Güssing nacheifern und damit „das goldene Zeitalter auch auf Rügen anbrechen lassen“ (Art. 24). Die Güssinger, die es ge-schafft haben energieautark zu werden, „erzielen im Jahr drei bis dreiein-halb Millionen Euro Überschuss und wissen gar nicht, was sie sich noch vergolden könnten.“ (Zitat, Art. 24, auch in Art. R07)
Profit durch regionale Wertschöpfung
„Die mit dem Klimaschutzkonzept verbundenen oder aber daraus resultie-renden Investitionen führen zur Wertschöpfung bei der Energieversor-gung. Durch den Betrieb von entsprechenden Anlagen können Gemein-den und/oder Versorger und Erzeuger Einnahmen und künftig Gewinne erzielen.“ (Art. R07)
68 Fehler im Original 69 Quelle: http://ruegana.kreis-rueg.de/ (eingesehen am 12.09.2011), vgl. auch Abschnitt 6.1.3 d)
69
Energie für Bauern lukra-tiver als Nahrungsmittel
Milch und Getreidepreise fallen in den Keller, Düngemittelkosten explodie-ren um bis zu 100 Prozent.: „Schon jetzt könnten sich viele seiner Berufs-kollegen nur mit Hilfen vom Staat über Wasser halten. ,Die Liquiditätshilfen vom Land werden sehr gut angenommen’ […].“ (Art. 57 und Zitat)
Wenn wirtschaftliche Akteure vom Klimaschutz profitieren, reichern sie durch neue Betäti-
gungsfelder und der darin geleisteten Arbeit Profit an. Ob die hierfür notwendige Nutzung
von Ressourcen klimaneutral ist, bleibt eine Frage für sich. Der Aspekt der regionalen Wert-
schöpfung kann als soziale Konsistenz70 in dem Sinne verstanden werden, dass sich regional
finanzielle Kreisläufe ausbilden, die allen Menschen der Region zu Gute kommen. Eine ge-
rechte Verteilung ist jedoch essenziell notwendig. Sollte die regionale Wertschöpfung auf
dem Gedanken der Profitmaximierung einiger Weniger basieren, würde sich diese Strategie
nicht nachhaltig auswirken. Hieraus würden niedrige Löhne und das Abfließen des Geldes aus
der Region resultieren. Sobald die regionale Wertschöpfung zunimmt, könnte sich jedoch eine
Abgrenzung der Region nach außen verschärfen. Dieser Effekt wird auch schon in der Ab-
grenzung durch einen Standortvorteil offen gelegt.
Für die Landwirte geht die sichere Abnahme von Biomasse in BGAn mit der Gefahr einer
Abhängigkeit von Fördermitteln einher. Als Nachteil wirkt sich in diesem Zusammenhang
auch der Aspekt aus, dass die Bauern Milch liefern, aber erst Wochen später wissen, wie viel
Geld sie dafür bekommen (Art. 57). Die Möglichkeit der regionalen Wertschöpfung ist für
Landwirte schwer zu realisieren, da es keine regionalen Märkte gibt. Ihre Existenz hängt di-
rekt von internationalen bzw. nationalen Marktpreisen und mittlerweile auch von Fördermit-
teln ab. In diesem Sinne handeln sie notgedrungen rational wirtschaftlich.
Ein wichtiger Begriff, der immer wieder in rational wirtschaftlichen Deutungsmustern auf-
taucht, ist der des Potentials. Da Potential nicht direkt mit wirtschaftlichem Wachstum und
Profitstreben verbunden ist, sondern auch andere Bereiche tangieren kann, soll der Potential-
begriff für den Lokaldiskurs hier kurz erläutert werden. Potential leitet sich aus dem lateini-
schen potēns ab, was so viel wie „mächtig“ bedeutet. Es ist in diesem Zusammenhang gleich-
zusetzen mit „Wirkungsmöglichkeit“ bzw. der Möglichkeit zur Macht (KLUGE 2002, S. 715).
Und wozu braucht man Macht? Um seine Interessen gegenüber anderen Menschen durchzu-
setzen.71 Das Problem ist nur, dass hiesige Potentiale fast ausschließlich zur Profitmaximie-
rung genutzt werden. In keinem der in diesem Abschnitt angesprochenen Artikel wird die
Nachhaltigkeit explizit erwähnt. Die einzige Berücksichtigung findet sich indirekt in Form
von Energieeffizienz. Wie in dieser Arbeit schon dargestellt wurde, kann Effizienz als Strate-
gie allein nicht für eine nachhaltige Entwicklung wirksam sein72, da sich durch die relative
70 Vgl. Kapitel 3.2.3 71 Vgl. Kapitel 3.1 72 Vgl. Kapitel 3.2.3
70
Einsparung immer mehr Potentiale ergeben, die genutzt werden wollen. Dieser Aspekt ist in
folgendem Auszug zutreffend dargestellt:
„Klare Ziele, engagierte Partner und zielgerichtetes Handeln sind die Schlüssel zum Er-
folg. Die KH hat 42 Betriebe ausgebildet, die kostenlos Energiechecks anbieten. Ziel:
Energiesparpotentiale aufzeigen!“ (Art. 02)
Was für eine nachhaltige Energienutzung hilfreich wäre, sind Energiesparmöglichkeiten im
Sinne absoluter suffizienter Einsparung, und zwar primär aus intrinsischer73 Motivation her-
aus und nicht um einen finanziellen Vorteil zu erhalten. Der Begriff Potential könnte sich da-
mit direkt aus Effizienzbemühungen ableiten und gleichzeitig in ihnen resultieren.
g) Nachhaltigkeitsaspekte im Lokaldiskurs
An dieser Stelle soll betrachtet werden, in welcher Weise die Thematik Nachhaltigkeit und
die drei Nachhaltigkeitsstrategien im Lokaldiskurs dargestellt werden. Hierfür wurde zunächst
der Datensatz nach den Begriffen nachhaltig74 und Nachhaltigkeit durchsucht. Dabei wurden
von allen 97 Artikeln nur in fünf Artikeln Treffer gefunden. Diesbezüglich sind in drei Arti-
keln Eigennamen wie „Akademie für nachhaltige Entwicklung“ (Art. 24, 71), „Professor für
nachhaltige Entwicklung“ (Art. 05) und „www.nachhaltigkeitsforum.de“ (Art. 71) genannt
worden. Die Akademie für nachhaltige Entwicklung in MV wurde zwei Mal in Verbindung
mit regionaler Wertschöpfung durch Energienetzwerke im ländlichen Raum erwähnt. Die
zwei Artikel, die sich direkt mit einem spezifischen Verständnis von Nachhaltigkeit auseinan-
dersetzen, sind nachfolgend aufgeführt:
Unter dem Titel „Finanzierung als Ausgangspunkt für Nachhaltigkeit“ (Art. 04) wurde ein
Referat eines „Fach“-mannes auf dem 2. Klimatag am 01. Dezember 2008 in Samtens gehal-
ten. Für den Energieversorger EWE AG sei die „Nachhaltigkeit wichtig“. So sollen beteiligte
Landwirte die Biomasse für eine geplante BGA bei Gingst „nur auf 20 Prozent ihrer Flächen
[…] anbauen“ (Art. 93). Die Anlage wurde nicht realisiert.
Von den drei Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz wird nur die
Effizienz direkt angesprochen. Konsistenz kann man zumindest indirekt in allen Formen der
Bioenergienutzung identifizieren, jedoch nur unter der Bedingung, dass sich wirklich
geschlossene Stoffkreisläufe ausbilden. In diesem Sinne kann die Landwirtschaft im Hinblick
auf die Ausbringung von Gärresten als Düngemittel als stark konsistent, mit der Einbringung
von Pestiziden und chemischen Düngemitteln allerdings als schwach konsistent ausgemacht
werden. Besonders die Nutzung von Reststoffen wie Gülle, Bioabfälle oder Seegras und
Algen in BGAn kann als sehr konsistent erachtet werden. Auch die Berücksichtigung der
CO2-Lebenszyklen von Produkten und Dienstleistungen ist für eine konsistente Betrachtung
73 Zur Erläuterung siehe Abschnitt 6.1.3 g) 74 Schließt die Formulierung nachhaltige Entwicklung mit ein.
71
wichtig. In diesem Sinne sind auch die Gewinnung von Ressourcen und ihre Weiter-
verarbeitung zum Anlagenbau oder für den Ausbau der Energienetze kritisch zu beurteilen.
Dieser Aspekt wird im Lokaldiskurs aber nicht angesprochen. Der Begriff soziale Konsistenz
kann so verstanden werden, dass sich die regionale Wertschöpfung zum Wohle aller in der
Region lebenden Menschen auswirkt. Sowohl stoffliche als auch soziale Konsistenz sollen
hier nicht weiter erläutert oder belegt werden, da sie ausführlich in den Abschnitten a) bzw. b)
und f) thematisiert wurden.
Suffizienz wird ebenfalls indirekt in Form der Einsparung von Energie angesprochen. In Ver-
bindung mit Suffizienz wird oft die Energieeffizienz genannt bzw. manchmal ist nicht er-
kennbar welches von beiden gemeint ist und die Begriffe werden synonym verwendet. Bei-
spiele für diese Unklarheit sind in Tabelle 15 wiedergegeben.
Tabelle 15: Suffizienz und Effizienz im Lokaldiskurs
Aspekt Beispiel
Für Bergens Rathaus existiert „bereits ein Energiespar-Konzept“ (Art. 32), das auf alle öffentlichen Gebäude ausgeweitet werden soll.
Über das Energieeinsparen wird auf der Energiemesse in Baabe (Art. R08) und auf der Web-Plattform der BER Rügen (Art. R12) informiert.
Suffizienz
Unter der Trägerschaft der KH werden die Ziele des Netzwerkprojektes angegeben als „Energie einsparen und auf Bioenergie umstellen.“ (Art. 59)
Für die KH gibt es „zwei Schwerpunkte: Einsparungen und Effizienzverbesserungen und Einsatz möglichst regional verfügbarer Energiequellen, wo das wirtschaftlich sinn-voll ist.“ (Art. R02)
Die Web-Plattform des Netzwerkprojektes wiederum informiert wie „Hausbesitzer und Verbraucher […] durch den Einsatz effizienter Techniken [Energie und Geld] sparen können.“ (Art. 01)
„Wir haben auch andere Weiterbildungen organisiert, damit sich Handwerker immer weiter auf das Thema Energieeinsparung spezialisieren können. Um solche Maßnah-men umzusetzen, kommen Elektrohandwerk, Heizung und Sanitär, das Bauhandwerk, Dachdecker, Zimmerer, Maler und Lackierer, selbst Raumausstatter und Fliesenleger zum Einsatz.“ (Art. 03)
Im Haus der Generationen in Putbus werde „Biogas für Wärme […] sorgen [und] eine besonders energiesparende Wärmedämmung installiert.“ (Art. 97)
Suffizienz/ Effizienz
Das Leader Plus Regionalmanagement mahnt, dass die Reduzierung von Rügens CO2-Ausstoß um 40 % bis 2020 nur zu erreichen sei, „wenn wir zugleich alle Potentiale an Einsparung und Effizienz ausschöpfen.“ (Art. 05)
Laut einer Studie, die vom TVR und der KH in Auftrag gegeben wurde, könnten 20 – 30 %
des Energiebedarfs im Tourismus reduziert werden (Art. 59). Diese Reduzierung ließe sich
durch effiziente Maßnahmen realisieren. Man sollte sich hier klar machen, dass bei Energie-
Effizienz nicht die Art und das Ausmaß des Konsums reduziert werden. An der Einstellung
der Konsumenten ändert sich also nichts – sie verbrauchen nur weniger Energie für ihren
72
Konsum. Die Begriffe Effizienz und Suffizienz haben eigentlich beide die Intention der Ein-
sparung. Jedoch impliziert die Effizienz eine relative Einsparung, die vornehmlich auf extrin-
sischer Motivation basiert: Ich baue mir eine Dämmung in mein Gebäude, damit ich Wärme
und damit Heizkosten sparen kann. Wie in Kapitel 3.2.3 erwähnt, besteht bei der Effizienz die
Gefahr von Rebound-Effekten. So könnte es beispielsweise möglich sein, dass sich Hotels
neue Wellness-Angebote leisten wollen, wenn sie durch eine Gebäudedämmung oder Ener-
giesparlampen Kosteneinsparungen zu verzeichnen haben. Die Suffizienz dagegen appelliert
dazu, dass jeder Verbraucher bei sich selbst anfängt und betrachtet, auf welche Weise er abso-
lut Energie einsparen kann. Sie basiert auf intrinsischer Motivation, in der die Handelnden
etwas von sich heraus, aus Spaß, oder für eine größere Sache tun. Rebound-Effekte treten bei
dieser Strategie weit aus seltener auf.
73
6.2 Ergebnisse der qualitativen Leitfadeninterviews
Die in diesem Abschnitt vorgestellten Ergebnisse wurden durch die Auswertung der qualitati-
ven Leitfadeninterviews gewonnen. Sie geben die Wahrnehmung und Einstellung und die
Interessen von diskursintegrierten Akteuren zur Bioenergienutzung auf Rügen wieder.
6.2.1 Wahrnehmung und Probleme bei der Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen
Als genutzte NawaRo sind auf Rügen vor allem der Raps und Getreideganzpflanzensilagen zu
verzeichnen. Der Maisanteil ist relativ gering. Trotzdem wird von den Akteuren eine Verän-
derung der Agrarlandschaft wahrgenommen und auch die Angst vor Monokulturen ist deut-
lich vorhanden, wird aber in Bezug auf Mais eher bestritten. In Kombination hierzu wird eine
Degradierung des Landschaftsbildes befürchtet. Die Diskussionspunkte hierfür sind in Tabelle
16 dargestellt.
Tabelle 16: Einfluss von möglichen Monokulturen auf Rügen
Aspekt Monokulturen
„Auf Rügen haben wir Gott sei dank nicht, noch nicht das, also das Problem der Vermaisung75 an sich noch nicht ganz so stark, weil wir noch unter fünf Prozent, äh, Fläche, Silomaisflächen haben und um die 50 Prozent Getreide […].“ (01BER:60)
Maismonokultur wird es „nie geben […] bei uns, aber, äh, ist natürlich 'n Schlag-wort, was natürlich erstmal Negativstimmung auslösen kann.“ (05ROT:91)
Keine Maismo-nokultur vorhan-den
Die Substratmenge der BGA Rothenkirchen „verteilt sich eben auf verschiedene Betriebe, wir sind da nicht alleine mit, äh, der Maisanbau wird deswegen auch nicht ausgeweitet. Der ist ja im Laufe der Jahre eh geschrumpft […].“ (05ROT:75)
Anstieg Mais-quote, energiein-tensive Pflanze
„Also wenn ich mir überlege, auch so die Maisquote, was die hier gestiegen ist auf der Insel Rügen, ne, Katastrophe. Wenn ich mir überlege, was da so reingeballert wird, um so 'ne, so 'ne, so 'ne Maispflanze zu entwickeln an, an, was da auch an Wasser von Nöten ist und an, an, an Giftstoffen reingeht und Dünger.“ (04POL:75)
Nachlassen der Kulturpflanzen-vielfalt
„Das heißt, äh, auch im Rahmen der Produktion für diese Biogaserzeugung eben die Vielfalt in den Feldern mit Sicherheit nachlassen wird. Ob das schon der Fall ist, weiß ich nicht. Das kann man auch schlecht einschätzen. Weil so vielfältig war die Agrarkultur bisher schon nicht, aber ich denke, dass sich das noch stärker in Richtung Vereinheitlichung bewegen wird.“ (06FOR:27)
Verödung der Böden
„Also auch Biomasse ist nicht end-, äh, unendlich, äh, sondern, äh-, und auch das Nachwachsen der Rohstoffe muss kontrolliert werden, äh, um die Böden nicht auszulaugen und so weiter. Also, da muss man natürlich sehr, äh, sensibel ran-gehen.“ (08WIR:27)
Schädlingsbefall auf Rapsanteil
„[…] man wird hier kolossal belästigt von den Rapskäfern, die, äh, also ist mal, das eine zieht das andere mit sich. Und ich glaube, in der Gänze betrachtet, das ist 'ne katastrophale Entwicklung.“ (04POL:55)
75 Siehe Glossar
74
Gefahr für das Landschaftsbild?
Durch einen erhöhten Einsatz von Mais zur Bioenergienutzung würde von dem doch sehr reizvollen Landschaftsbild „nachher auch nicht mehr so viel zu sehen“ (03TOU:39) sein.
Mögliche Degra-dierung durch Mais
„[…] wenn wir also jetzt große Felder von Mais haben, Anbau, dann sieht das sehr öde in der Landschaft, teilweise, diese großen Grünflächen.“ (08WIR:63)
„Dass also alles voll Mais dann plötzlich voll gepflanzt wird, was ja im Moment noch nicht der Fall ist. Und beim Raps stört's die Wenigsten, weil die gelben Rapsfelder gefallen dann wieder allen, aber eben wenn eben der Mais da steht, das gefällt eben nicht jedem.“ (06FOR:35)
Raps besser als Mais für das Landschaftsbild
„Man kann das jetzt hier auf der Insel ja auch schon beobachten, also, ähm, der Rapsanteilzuwachs, also, es ist ja enorm, ist ja Wahnsinn. Ich mein, für die Touries ist es toll, wenn alles schön gelb ist […].“ (04POL:55)
Nach Meinung von WIR haben die Landwirte die Pflicht darauf zu achten, dass die Böden
nicht veröden. Sie dürfen nicht nur als Landwirte, sondern müssen auch als Landschaftspfle-
ger auftreten (08WIR:63). Über ökologische Probleme des starken Rapsanbaus wird kaum
ein Wort gesprochen. CO2-Bilanzen von Biodiesel sind aber „im Grunde genommen plusmi-
nus Null“ (02NAT:71) oder wegen Kunstdünger, Maschinen, Arbeit und Bekämpfungsmit-
teln sogar negativ.
„Also im Grunde genommen ist das nicht der glückliche Weg und auf Rügen wird ja sehr
viel angebaut, also jetz gerade Raps und so, ne?“ (02NAT:71)
Dieser Arbeit liegen keine genauen Zahlen vor, die zeigen wie groß Rügens Rapsanteil für
biogene Kraft- und Brennstoffe ist. Offensichtlich ist aber, dass Rapsöl als Kraftstoff seit der
Besteuerung unrentabel geworden ist (04ROT:87). Die Akteure ROT und POL widersprechen
sich, da der eine einen Rückgang, der andere allerdings einen Anstieg der Maisquote auf Rü-
gen wahrnimmt. Im Kontext von Energiepflanzen-Monokulturen werden auch mögliche Flä-
chenkonkurrenzen diskutiert. Zum einen besteht die Konkurrenz zum Naturschutz und zum
anderen zur Nahrungsmittelproduktion, welche in Tabelle 17 erfasst sind.
Tabelle 17: Flächenkonkurrenz zu Naturschutz und Nahrungsmittelproduktion
Flächenkonkurrenz zum Naturschutz
Umbruch von Grünland zu Ackerland
Durch den hohen Stickstoffbedarf der Maispflanze verlieren viele Arten ihren Le-bensraum, die an nährstoffarme Verhältnisse angepasst sind: „Das heißt, da wird dann richtig gedüngt intensiv und dann sind die Flächen für den Naturschutz na-türlich verloren […].“ (02NAT:125)
„Ich weiß nur, äh, dass viel über Stilllegungsflächen hier gearbeitet wird und, äh, in dem Moment könnte man diese Flächen ja beispielsweise dann auch nutzen um regenerative Dinge anzubauen, wie Mais oder was auch immer.“ (03TOU:87)
Noch genug Flächen für Energiepflan-zenanbau
„Dat wir dann dort wat abzwacken können, können dort auf diesen, äh, Flächen, die dann übrig sind, äh, bevor se still liegen oder, oder brach liegen, dann dort solche Dinge zu produzieren wie Gehölze oder Futterkulturen, wo man dann so
75
Biogas von produziert, also Bioenergie mit produzieren kann, ne?“ (09BAU:43)
Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
Ausweitung Bioenergieer-zeugung
„Wenn dann aber die Ausweitung weiter geht und sagt: ,Naja, das ist ja doch 'ne profitable Geschichte!’ und ich bau da noch eine hin und noch eine und noch eine und vielleicht solche großen Anlagen, wie jetzt in Rothenkirchen oder so, ne, dann, denk ich mal, dann kommt man schnell in diesen, in diesen, äh, Sog der Flächenkonkurrenz.“ (07KHW:55)
Anbau Energie-pflanzen wegen höheren Erlösen
„Und wenn man bei der Bioenergie eben viel oder mehr Geld erlösen kann als bei den Nahrungsmitteln, macht man das natürlich, logischerweise. Ansonsten kann man so 'nen Betrieb nicht führen, wenn man, äh, immer nur als Nahrungsmittel-wirtscha-, oder für Nahrungsmittel wirtschaften möchte und aber kein Geld ver-dienen, ne?“ (05ROT:111)
Globales und komplexes Prob-lem
Neben den Hedgefonds sind noch viele andere Faktoren für die Flächenkonkur-renz ausschlaggebend und man müsste das Ganze auch global sehen und könne es „nicht auf das kleine Deutschland beschränken […].“ (05ROT:111).
Primärfunktion der Landwirt-schaft
„Ich hatte eingangs gesagt, für uns steht an erster Stelle, und dat ist 'ne ethische und moralische Frage: Landwirtschaft wird eigentlich betrieben um die Mensch-heit zu ernähren. Dat is Landwirtschaft.“ (09BAU:43)
In der Flächenkonkurrenz der Landwirtschaft sieht ROT allerdings eine Wende zu einer höhe-
ren Wertschätzung von Nahrungsmitteln und die Bioenergie hat vielleicht hierzu beigetragen
(05ROT:111). Mit seinen Aussagen macht BAU ausdrücklich klar, dass Landwirtschaft die
primäre Funktion der menschlichen Ernährung hat und sekundär Energiepflanzen angebaut
werden können. In diesem Sinne wird der Naturschutz aber eher als unwichtig wahrgenom-
men. Aus einer Vielzahl von Argumentationsweisen der Akteure lässt sich ableiten, dass der
Landwirtschaftsektor auf rationaler Gewinnmaximierung nach dem Motto „mehr ist besser“
funktioniert. Allerdings wird auch schnell klar, dass diese Nutzenkalkulationen durch die
Vergütung von Bioenergie beeinflusst werden. Beispiele hierfür gibt Tabelle 18 wieder.
Tabelle 18: Rational wirtschaftliche Begründungen und Förderung von Bioenergie
Rational wirtschaftliche Begründungen für den primären Sektor
Es wird das angebaut, was am meisten Gewinn bringt und womit man das Meiste „raus holen oder […] erzielen“ kann (03TOU:87).
Nutzenmaxi-mierung
„Es wird das gemacht, was Geld bringt, da brauch man sich gar nichts vor machen.“ (04POL:63)
Mais am lukra-tivsten
„Und Mais ist nun mal die Frucht, äh, sag ich mal, sicherlich ähnlich wie mit der Ganzpflanzensilage, die nehmen sich nicht weit, sach ich mal, die am lukrativsten sind um dort, äh, rein zu machen.“ (05ROT:151)
Förderung von Bioenergie
Förderung von NawaRo für Bioenergie nach EEG
„Äh, aufgrund der Förderung besteht die Gefahr, dass eben dieser Anteil deutlich noch nach oben gezogen wird, aber überdimensional nach oben gezogen wird. Und damit, und damit kann das Ganze dann auch schnell nach hinten los gehen, wenn man jetzt nur noch Mais anbaut oder so, weil das eben am profitabelsten ist.“ (07KHW:51)
76
Dadurch An-stieg Flächen-preise
„Ähm, .. die Ausweitung der Bioenergie, die unbegrenzte Ausweitung der Bioener-gie-, meines Erachtens nach muss, muss da 'n Auge draufgehalten werden, dass das nicht, äh, dann dazu führt, dass, naja, dass.. dass uferlose, dass, dass die Preise für, für die, für Land uferlos nach oben gehen.“ (08WIR:51)
Die Ursache für den hohen bundesweiten Maisflächenanteil sieht BER in der Förderung und
den Vergütungsregelungen von Bioenergie (EEG) gegeben, die in dieser Beziehung einfach
fehlerhaft waren. Die Langzeitfolgen durch die Förderung werden nicht betrachtet und müss-
ten unbedingt mehr Berücksichtigung finden. Hier müsste man „so ein bisschen, bisschen mit
mehr Bewusstsein ran gehen“ (01BER:72). Vor allem die Förderung nach EEG induziert die
Energiepflanzennutzung zur Stromerzeugung. Nach Meinung von BER (:60), KHW (:55),
FOR (:51-55) und BAU (:51) müssen hierfür Regularien geschaffen werden, die den grenzen-
losen Ausbau von Bioenergieanlagen und besonders Energie-Mais regeln bzw. drosseln. Als
Alternative zur Bioenergieerzeugung aus landwirtschaftlichen Energiepflanzen sehen einige
Akteure die Holznutzung (vgl. Tabelle 19). Hierbei ist allerdings zwischen Waldholz und
angebautem Energieholz zu unterscheiden.
Tabelle 19: Aspekte der Holznutzung auf Rügen
Aspekte der Holznutzung
Holzplantagen Es „kristallisiert sich immer mehr heraus, dass man, ähm, ich sach mal, in ir-gendeiner Form mit Holz arbeiten sollte. Also, ich sach mal, wenn man jetzt so Holzplantagen anlegt, äh, wie auch immer dann eben.“ (04POL:19)
Unbewusste Bio-energienutzung
„[…] eigentlich nutzen viele Leute hier schon Bioenergie, weil sie selbst […] in den Wald gehen und sich ihre Holzscheite holen, sehen aber das noch nicht so, weil Bioenergie für viele Leute einfach so was ist wie Biogasanlagen oder so was verbindet man damit oder große Holzheizkraftwerke […].“ (01BER:40)
Waldbesitzstruktur problematisch
„Ja, und die Frage Holzheizung war mal schon etwas bedeutender, ist allerdings wieder zurückgefallen, weil einfach die, ich sag mal, die Waldbesitzstruktur keine größeren, ja, Möglichkeiten ergibt.“ (06FOR:03)
6.2.2 Reststoffnutzung und ihre Probleme
Reststoffnutzung ist ein Thema auf Rügen. Auch unter den Akteuren wird dieses Thema dis-
kutiert, im Vergleich zur NawaRo-Nutzung jedoch nachrangig. Die Möglichkeit der Nutzung
besteht in den Bereichen Gülle und Mist aus landwirtschaftlicher Produktion, kommunale
Bioabfälle, Landschaftspflegematerial, Klärschlamm, Restholz und Meeresalgen. Die Rest-
stoffe Gülle, Mist und kommunale Bioabfälle werden bereits anteilig in allen BGAn auf Rü-
gen mit eingebracht.76 Hier besteht die Diskussion, wie sich das Verhältnis NawaRo zu
Reststoffen in Zukunft verändern könnte. Dies ist exemplarisch in Tabelle 20 erfasst.
76 Vgl. Kapitel 4.4
77
Tabelle 20: Aspekte der Reststoffnutzung auf Rügen
Aspekte der Reststoffnutzung
Institutionelle Re-gelungen für ver-stärkte Reststoff-nutzung
„[…] ich glaube, das neue EEG, was nächstes Jahr kommt, oder auch die Nachhaltigkeitsverordnung im, im Biomassebereich werden schon regeln, dass es nicht überhand nimmt und dass man Effizienz auch irgendwo im Auge be-hält und dass man verstärkt Reststoffe nutzt, das glaube ich, das wird der Trend einfach werden, denk ich.“ (01BER:60)
Mistnutzung in landwirtschaftlichen BGAn
„Und eben, was wir eben sehen: Den Mist. Wir haben sehr viel auf Strohhal-tung noch und haben relativ viel Mist. Und im Mist ist unwahrscheinlich viel Energie drinne, wenn man den richtig freigesetzt kriegt, ne?“ (05ROT:151)
Förderung von Konfiskaten der Produktion
„Dat is auch richtig, dat man da bei der Förderung solcher Anlagen jetzt drauf achtet, dat wir nicht nur mit Mais und dat wir insbesondere mit Gülle, dat heißt also, schon mit, äh, Konfiskaten oder Resten der Produktion diese Dinge befüt-tern. Aber alleine damit geht's auch nicht.“ (09BAU:19)
Nutzungsmuss von NawaRo
„Ganz klar! Also nur, nur Mais in die Biogasanlage wird so nicht, nicht mehr lange tragfähig sein, aber es wird auch nicht komplett ohne Mais gehen. Also ich glaub, ein gewisser Anteil Mais muss immer rein […].“ (01BER:60)
Austarierung „Das wird sich irgendwann austarieren. Ich denke, es wird 'n Teil, äh, der Rest-stoffnutzung wird, wird möglich sein. Und die Produktion muss man dann eben sehen, wie viel, wie viel an, ich sag mal, direkt als Produktion für Energiebedarf Fläche benutzt werden kann.“ (06FOR:31)
Nutzung von Bio-abfällen
„Sondern, äh, wir sehen auf der anderen Seite auch, wenn wir jetzt zum Bei-spiel die Entwicklung der Biogasanlagen sehen, auch, äh, eine stärkere Hin-wendung zur Nutzung der Abfälle, Grünpflanzenabfälle“ (08WIR:07)
Widerspruch zum Nutzungsmuss von NawaRo
„Wir haben, das ist eigentlich gar nicht so bekannt, eine, die Biogasanlage schon seit Jahren in Pastitz, die nur auf dieser, äh-äh, auf Gülle und Abfall-, äh, Pflanzenabfälle basiert, äh, die also wirklich 'n regionalen Kreislauf, äh, eben auch, äh, nutzt, ähm, und die also auch Wärme erzeugt schon, also nicht nur Strom, Wärme erzeugt.“ (08WIR:07)
Die Kommentare von BER und BAU zeigen, dass für eine verstärkte Nutzung von Reststof-
fen ein Nutzenanreiz durch die Förderung dieser gegeben sein muss. Dies ist bereits durch die
EEG-Novelle 2009 mit dem Gülle- und Landschaftspflegebonus erfolgt. Man sollte sich aber
auch klar machen, dass aufgrund der Nutzung von Mist und Gülle – wie ROT und BAU sie
ansprechen – immer eine Viehhaltung notwendig ist. Den Argumenten von BER, BAU und
FOR, dass die Reststoffnutzung in BGAn nur anteilig möglich ist und NawaRo unbedingt
genutzt werden müssen, widerspricht WIR mit dem letzten Beispiel der Anlage in Put-
bus/Pastitz, die schon seit dem Jahr 1996 ausschließlich Gülle aus der Landwirtschaft und
Bioabfälle aus der Gastronomie verwendet.77 Im Bereich der Nutzung von Landschaftspfle-
gematerial müssten nach Meinung von WIR noch ausgiebig Potentialanalysen besonders in
den Großschutzgebieten durchgeführt werden. In Verbindung zu den ungenutzten Reststoff-
möglichkeiten wird die Wirtschaftlichkeit ihrer Nutzung diskutiert. In Tabelle 21 sind Argu-
mentationsmuster für diese Wirtschaftlichkeit aufgeführt.
77 Vgl. Kapitel 4.4
78
Tabelle 21: Wirtschaftlichkeit der Reststoffnutzung
Wirtschaftlichkeit der Reststoffnutzung
Grünschnitt- und Pflanzenabfälle
„Wie können wa das besser schaffen, dass wir also diese Grünschnitt- und Pflanzenabfälle geregelt, äh-ähm, sammeln. Und, also, da brauch es überall, äh, auch, äh-ähm, Unternehmen, die sich darum kümmern. Also, äh, insofern, äh, das ist alles jetzt noch, äh, in der Entwicklung, im Moment noch nicht wirt-schaftlich, trägt sich vieles noch nicht“ (08WIR:19)
Grünschnitt „Wenn ich mir angucke, was wir aus den Alleen hier rausholen, äh, was für teures Geld nach Berlin gefahren wird, äh, und, und, und. Also, auch da könn-te man noch was machen.“ (03TOU:67)
Grassilage „Aber der Transport und das Herstellen der [Gras-]Silage ist einfach so teuer, dass ich das nicht machen kann. Also das rechnet sich einfach nicht, ne? Das ist 'n einfaches Rechenbeispiel.“ (05ROT:151)
Treibsel/Seetang „Ansonsten wenn ich den [EEG-] Bonus nicht kriege, dann ist das fraglich. Und der Transport von diesen Algen ist ja natürlich nicht ohne, ne? Da is ja, ich muss mir ja überlegen wie ich das ganze Zeug dann transportiere, wie ich das dann abfiltere und das ist, denk ich mal, nicht alles ganz so einfach.“ (05ROT:151)
Es gibt immer wieder „[…] Diskussionspunkte, ob sich das denn überhaupt rechnet oder lohnt, wenn jetzt 18 % des Energiebedarfs zur Wärmeerzeugung damit gedeckt werden können. Wie sehen Sie das?
P: 18 % sind 18 %! 18 % sind 18 %, die man sonst, äh, an Öl oder Gas reinbut-tern müsste, ne?“ (02NAT:21-23)
Nutzung von Landschafts-pflegematerial auf Hiddensee
Es besteht das Problem, dass man das Hiddensee-Energiekonzept „ökono-misch nicht so leicht auf die Reihe kriegt“ (02NAT:11)
Die Nutzung von Landschaftspflegematerial auf Hiddensee ist zwar unlukrativ, da die Ge-
winnungs- und eventuellen Verarbeitungskosten weit über den Marktpreisen liegen, aber hier
handelt es sich um Biomasse, die ohnehin gewonnen wird. Außerdem gehen Landschaftspfle-
ge und Naturschutz auf Hiddensee Hand in Hand mit dem Tourismus, da sich Touristen eine
eher offene Landschaft wünschen und der Naturschutz nach FFH-Richtlinie auch in der
Pflicht steht, vorhandene alte Kulturlebensräume zu erhalten und zu pflegen (02NAT:19). Der
logistische Aufwand, die kommunalen Bioabfälle im Landkreis Rügen einzusammeln, bleibt
vorerst eine große Herausforderung. Zumindest wird die Biomasse nicht mehr in dem Aus-
maß einfach verbrannt wie früher (08WIR:43). Der Kommentar von TOU widerspricht einer
Unwirtschaftlichkeit von Grünschnitt, wenn Unternehmen dafür bezahlt werden, diesen zu
schneiden und abzutransportieren.
Angespülte Algen sind rechtlich gesehen Sondermüll, weswegen der Tourismussektor mit
dem StAUN verhandeln muss. TOU sieht die Algenaufkommen an Rügens Stränden demzu-
folge vordergründig als Problem und nicht als energetische Nutzungsmöglichkeit an:
„Die Algen müssen vom Strand weg. Punkt, Ende, aus! Was danach passiert, ist mir ehr-
lich gesagt erstmal Wurst, damit.“ (03TOU:51)
79
Außerdem, so merkt ROT an, ist es notwendig, dass dieses Material „ja im EEG dann auch
aufgenommen werden“ (05ROT:151) muss. Der Akteur macht damit deutlich, dass die Rest-
stoffnutzung von der Förderung abhängt und damit betriebswirtschaftlich unlukrativ ist, wür-
de es keine Vergütung geben. Bei einer thermischen Verwertung der Algen könnte jedoch
ohnehin keine Vergütung gezahlt werden, da sich das EEG ausschließlich auf die Stromver-
gütung beschränkt. Nach Meinung von NAT ist eine Algennutzung bisher nicht möglich, da
das Material „erstens viel zu viel Salz enthält und zweitens zu viel Sand“ (02NAT:83).
In Verbindung mit Holz als Biomasse spricht TOU extreme Kapazitäten an. Man sollte dar-
über nachdenken, „ob man den Nationalpark Jasmund da die Bäume einfach so umfallen
lässt oder sie dann raus nimmt“ (03TOU:67).
6.2.3 Wahrnehmung und Probleme von Bioenergieanlagen
Aus dem Akteursdiskurs wurden Aspekten ermittelt, welche die Wahrnehmung der Akteure
und auch der Bevölkerung gegenüber Bioenergieanlagen beeinflussen. Diese schlagen sich
auch auf die Akzeptanz letzterer, speziell BGAn, nieder. Aus den Argumenten der Akteure
geht hervor, dass sich die Akzeptanz von BGAn entlang von drei Haupteinflussachsen er-
streckt. Dies sind die Partizipationsmöglichkeit der Bevölkerung und von Akteuren, die Anla-
gengröße und der Anlagenstandort, welche in Abbildung 8 graphisch dargestellt sind. Dabei
wirkt sich ein (+) positiv und ein (–) negativ auf die Akzeptanz aus. In Tabelle 22 sind nach-
folgend dazu die Argumentationsmuster dieser drei Haupteinflussfaktoren wiedergegeben.
78 Quelle: Eigene Daten und Darstellung
Partizipationmöglichkeit
Anlagengröße
Anlagenstandort
vorhanden (+)
nicht vorhanden (–)
groß (–)
zentral (–) klein (+)
dezentral (+)
Abbildung 8: Haupteinflussfaktoren für die Akzeptanz von Biogasanlagen auf Rügen78
80
Tabelle 22: Haupteinflussfaktoren für die Akzeptanz von Biogasanlagen auf Rügen
Einflussfaktor Nachweis
Partizipation „Denn die haben dann 'nen gesicherten, relativ gesicherten, ähm, Preis für Wärme, also den sie zahlen müssen. Und das kann man direkt dieser Biogasanlage zu-schreiben. Also, sehen sie da 'nen, sehen sie darin 'nen Vorteil und sind der Sache […] positiv gegenüber eingestellt.“ (07KHW:39)
Partizipation „Aber so wie das gegenwärtig funktioniert, so seh ich das zumindest, ist es so, dass es eher größere Unternehmen sind, die Anlagen bauen. Und diese größeren Unter-nehmen sind dann irgendwo 'n Äquivalent für diese, für E.ON edis oder für andere. Also, sie übernehmen nur die Stelle, aber es hat sich nicht wirklich irgendwas verän-dert.“ (07KHW:35)
Partizipation/ Anlagengröße
„Und, ähm, ein sowieso, einer der größten Landwirte auf der Insel Rügen hat also mit Sicherheit jetzt die größte Biogasproduktionsanlage [Rothenkirchen] gebaut. Das heißt also, das Kapital, was sowieso schon da ist, vermehrt sich umso mehr. Also es ist 'n Paradebeispiel wie immer größer expandiert wird und eine Beteiligung der Bür-ger findet in keinster Weise statt.“ (04POL:11)
Partizipation/ Anlagengröße
„Also, gibt's ja 'ne Menge Windhunde, die ja jetzt schon auf der Insel los gerannt sind, große Anlagen gebaut haben, halte ich für völligen Quatsch. Also, ich bin der Meinung, die Bürger müssen eingebunden werden […] und dadurch wird billiger, äh, Energie hergestellt […].“ (04POL:07)
Anlagengröße „Es gibt natürlich eben auch, ähm, teilweise, äh, doch die Auffassung, ähm, ja, .. das nicht, äh, zu weit zu führen. Eben, wie gesagt, mit zu großen Anlagen“ (08WIR:23).
Anlagengröße „[…] man darf's natürlich nicht übertreiben, ne? Wenn ich jetzt 'ne riesengroße Anla-ge nehm-, unsere ist schon nicht klein, die wir hier gebaut haben, ne?“ (05ROT:75)
Anlagengröße/ Standort
„Voraussetzung ist, dass wir dann nicht über, äh, Großanlagen sprechen, sondern über viele kleine dezentrale Anlagen, die auch für den Gast erlebbar sein müssen.“ (07KHW:07)
Anlagengröße/ Standort
„[…] wir haben ja mehrere schon in den Jahren nach der Wende, äh-, aber dat wa-ren in der Regel kleinere. […] Aber wenn du dann nachher anfängst, äh, solche Bio-gas-, speziell Biogasanlagen dann auch so in, in räumlicher Nähe von, äh, größeren Städten oder, oder-, in Anführungsstrichen natürlich auf Rügen, aber zumindestens von solchen Zentren, wo viele Leute wohnen. Da gibt it 'n Akzeptanzproblem, dat haben wir auch verspürt, insbesondere in Bergen.“ (09BAU:19)
Anlagengröße/ Standort
„I: Gibt es von ihrer Wahrnehmung aus her auch Widerstand gegenüber Bioenergie auf Rügen?
P: Eigentlich nur in der For-, in den, in den Teilen wo, also solche großen Biogasan-lagen direkt in Ortsnähe entstehen, in Bergen gab's das.“ (06FOR:35)
Standort „Die Leute, die dann da im Umfeld wohnen und die jetzt genau in der Einflugschnei-se der Fahrzeuge sind, die werden sagen: ,Nein, das ist negativ!’“ (07KHW:39)
Standort BER stellt die Geruchsbelästigung und das erhöhte Verkehrsaufkommen als die Aspekte der Zentralität von BGAn dar, die zwar viel Gegenwehr verursachen, aber im Grunde genommen „Vorurteile“ sind (01BER:40).
Standort „Dat Problem is ja nich die Biogasanlage an sich. Diese Gerüche und so, die sind ja alle beherrschbar jetzt mittlerweile, ne? Weil dat Problem war eher, äh, dat, dat Problem, der, der Transport so, also die Biogasanlage, die steht ja an einem, zwar nicht im Zentrum am Rande der Stadt, aber it muss ja bewegt werden.“ (09BAU:19)
81
Die Beteiligung der Bürger muss besonders für POL gewährleistet sein. In diesem Sinne ist
die Partizipationsmöglichkeit auch abhängig von der Anlagengröße, da Gemeinden besser in
kleine Anlagen investieren können. Der Ausdruck des Akteurs als Windhund, der losgerannt
ist, spiegelt dabei den Wettbewerbsgedanken aus dem Lokaldiskurs wieder.79 KHW erkennt
zwar auch keine direkte Beteiligung der Bürger, aber er sieht den Preisvorteil einer sicheren
Biofernwärmeversorgung für die Abnehmer, was indirekt die Akzeptanz steigert. Für ihn sind
Großanlagen besonders unter dem touristischen Gesichtspunkt unvorteilhaft. In diesem Zu-
sammenhang ist die Wirtschaftlichkeit von Großanlagen natürlich als besser zu bewerten.
Man könnte argumentieren, dass Kleinanlagen damit den Nachteil des relativ höheren Res-
sourcenaufwandes für den Bau haben. Generell treiben Großanlagen aber die Ausweitung des
Energiepflanzenanbaus stärker voran als kleine Anlagen, was sich in den Argumenten von
WIR und ROT widerspiegelt. Das heißt die künftige Ausweitung ist auch ein Einflussfaktor
für die Akzeptanz von Bioenergie. Demnach wird das landwirtschaftliche Biomassepotential
für die bestehenden und geplanten Anlagen auf Rügen erschöpft sein. In der Reststoffnutzung
seien dagegen noch Potentiale vorhanden, die bisher allerdings ungenutzt sind (08WIR:15).
Die Aspekte der Geruchsbelästigung und erhöhten Straßenbelastung, welche auch schon im
Lokaldiskurs aufgetaucht sind, kann man aus dem Standorteinfluss ableiten. Es gilt: wenn die
Anlage dezentral errichtet wird, werden diese Aspekte nicht so stark wahrgenommen. Der
Widerstand gegenüber der BGA in Bergen/Tilzow hätte sich aber mittlerweile beruhigt
(09BAU:19). Daraus lässt sich für die Anlagengröße schlussfolgern: Je näher BGAn an Sied-
lungen errichtet werden, desto kleiner sollten sie sein, um die Verkehrsbelastung so gering
wie möglich zu halten. Aus einer Dezentralität ergibt sich allerdings auch der mögliche wirt-
schaftliche Nachteil der Anbindungskosten. Dies ist zum Beispiel durch kilometerlange Pipe-
lines von Rothenkirchen nach Bergen erkennbar.
BER spricht ein letztes Problem an, das die Vergütung von Bioenergie nach dem EEG be-
trifft. Solange diese besteht, würde sich nie eine Akzeptanz gegenüber Bioenergie einstellen:
„[…] solange das so hoch subventioniert bleibt, wird die Akzeptanz bei der Bevölkerung
auch nicht, nicht stärker werden, weil, weil die, die Energieleutchens da von E.ON und
wie sie alle heißen immer noch dieses Argument haben: ,Wir müssen die Strompreise er-
höhen aufgrund der Erneuerbaren-Energien-Umlage’ und solche Geschichten.“
(01BER:72)
Wie die meisten Akteure sich einig sind, müsste die Vergütung so bald wie möglich zurück
gefahren werden, damit sich die Ausweitung von Bioenergieanlagen und Energiepflanzenan-
bau nicht zu Lasten von Natur oder Nahrungsmittelversorgung auswirkt (01BER:72;
04POL:83; 06FOR:63; 07KHW:67; 09BAU:55).
79 Vgl. Abschnitt 6.1.3 f)
82
6.2.4 Einfluss der Printmedien
Der Einfluss der Medien wird fast ausschließlich von BER wahrgenommen, der als Vertreter
des Netzwerkprojektes BER Rügen die zentrale Anlaufstelle für Informations- und Wissens-
bildung in Sachen Bioenergie ist. Als zweiter Akteur spricht POL über die Berichterstattung
in den Printmedien. Nach Meinung der beiden Akteure wird die Bevölkerung durch die medi-
ale Berichterstattung stark beeinflusst. Dies äußert sich in mangelnder Information (besonders
die E10-Einführung betreffend) bis hin zu Fehlinformation und Pauschalisierung (vlg. Tabelle
23). Demnach ist eine Akzeptanzschaffung für Bioenergie schwierig.
Tabelle 23: Einfluss der Printmedien
Einfluss Printmedien
Wenig positive Berichterstattung
„Aber die [Bürgermeister] nehmen es im Moment eher so als, naja, als Übel wahr, also nicht, nicht, nicht die, kriegen nicht die positiven Aspekte mit, also sie gucken es halt so wie es in den Medien aussieht. Und das, die positiven Sachen werden halt selten vermittelt, leider.“ (01BER:40)
Pauschalisierung „Öko ist Öko, das ist grüner, das sind die ganz Bekloppten, das sind auch Kom-munisten. Is so, Punkt! So, das ist also diese Pauschalisierung, die ja in der all-gemeinen Gesellschaft gegenwärtig ist. Da brauch man sich nichts vormachen, is doch so! Also, wenn man die Zeitung aufschlägt, sind's ja, ich sag mal, Spitz-findigkeiten zwischen den Zeilen wie die Artikel zum Teil geschrieben werden.“ (04POL:43)
Bioenergie zu teuer
„Aber, ich sag mal, jetzt so als ehrenamtlicher Bürgermeister, äh, wenn man dann die Gespräche führt mit den Einzelnen, äh, da kommt immer wieder: ,Ja, aber! Und, äh, die Bioenergie ist ja viel zu teuer, steht ja jetzt wieder in der Zei-tung.’“ (04POL:39)
Aufklärung zur E10-Einführung
„Und wenn ich, wenn ich davon ausgehe, dass ich jetzt jemand, ein Bürger, wä-re, der dann irgendwo ein Auto fährt und dann Zeitung lese-, in der Zeitung wur-de kaum aufgeklärt, man hat es versucht mit so einem fadenscheinigen Artikel: ,Und wenden Sie sich an den!’ und hin und her.“ (01BER:48)
Vor allem die Bürgermeister der Gemeinden sieht BER unter anderem auch durch die Medien
beeinflusst, wodurch eine Bereitschaft der Bevölkerung von der politischen Basis aus schwer
zu erreichen ist. Dagegen stellt sich zumindest ein Bürgermeister in Akteursform POL, der die
Nähe und Aufklärung seiner Bürger sucht, die allerdings auch von den Printmedien beein-
flusst werden. Trotz des widerstreitenden Einflusses der Medien, versucht das Netzwerkpro-
jekt BER Rügen die Kooperation zu den lokalen Printmedien herzustellen. Gleichzeitig wird
durch indirekte Informationsvermittlung versucht, Vorurteile in der Bevölkerung auszuräu-
men (vgl. Tabelle 24).
83
Tabelle 24: Gegeninformation des BER-Netzwerks und Kooperation mit lokalen Zeitungen
Gegeninformation des BER-Netzwerks und Kooperation mit lokalen Zeitungen
Indirekte Infor-mation aus ers-ter Hand
„Das versuchen wir schon und dann, dann darauf hin, dass die Leute uns auch mal anrufen und fragen und, naja, solche Sachen, sich denn auch mal wirklich die Informationen aus erster Hand abholen und nicht irgendwo in der Bild-Zeitung lesen, (Lacht) um es mal ganz böse zu sagen.“ (01BER:44)
Ausräumung von Vorurteilen
„[…] also dass man, dass man Vorurteile ausräumt, die von den Medien geschaf-fen werden, in erster Linie, dass man wirklich auch, auch, auch zeigt, dass, dass man Ressourcen, die es auf der Insel gibt, wirtschaftlich nutzen kann.“ (01BER:08)
„Also, wir haben jetzt einen Startartikel und waren letzte oder vorletzte Woche bei der, bei den beiden Zeitungen, beim Rüganer Anzeiger und der Ostseezeitung für Rügen. Da haben wir mit den beiden Geschäftsführern gesprochen, zusammen mit dem Landkreis und starten jetzt 'ne, 'ne Pressereihe und circa alle zwei Wo-chen, äh, Artikel zu, zu allgemeinen Themen, Vermaisung (Stöhnt), E10 und sol-che Sachen.“ (01BER:44)
Kooperation mit lokalen Printme-dien
„Da hatten wir so ein bisschen Anfangsprobleme mit der, mit der Zeitung und hoffen jetzt, dass die mehr, mehr auch mitziehen und Sachen stärker veröffentli-chen und das Ganze ein bisschen pushen auch, mit.“ (01BER:44)
Es besteht das Problem, dass bei einer indirekten Informationsvermittlung per Anruf eine
Grundbereitschaft der Bevölkerung vorhanden sein muss. Hier wären Flugblätter oder News-
letter als direkte Information wahrscheinlich besser, aber auch kostenintensiver. Die objektive
Information der lokalen Bevölkerung ist der wichtigste Ansatzpunkt zur Akzeptanzschaffung.
Es ist wichtig, in der Bevölkerung „[…] den theoretischen Nährboden zu schaffen. […] da
muss dat los gehen, dort müssen wir, dort müssen wir im Prinzip die Basis schaffen“
(09BAU:11). Von den restlichen Akteuren wird eine unzureichend aufklärende Berichterstat-
tung in den Medien nicht wahrgenommen.
6.2.5 Mentalität, Bereitschaft und Verhalten von Akteuren und der Bevölkerung
Es ist aufgefallen, dass die Akteure verschiedene gesellschaftliche Strömungen beschreiben,
die einer nachhaltigen Implementierung von Bioenergie in der Region Rügen entgegenwirken.
Die Berichterstattung in den Medien, welche im vorigen Abschnitt vorgestellt wurde, kann
hier als Triebfeder einer mangelnden oder sogar fehlerhaften Information gesehen werden.
Diese könnte eine widerstrebende Mentalität der Bevölkerung mit ausprägen. Die Bereitschaft
an einer Akzeptanz schaffenden Partizipation ist aber auch aus verschiedenen anderen Grün-
den nicht oder nur sehr unterschwellig vorhanden. Wie sich eine ablehnende Bereitschaft der
Bevölkerung zu Partizipation manifestiert, ist in Tabelle 25 dargestellt. Eine ausgeprägte Rou-
tine, die durch alteingesessene Werte und Strukturen verstärkt wird, ist hier ausschlaggebend.
Dies wird auch hervorgerufen durch das relativ hohe Alter der Bevölkerung und Aspekte,
gegenüber denen die Menschen abgeneigt waren und sind.
84
Tabelle 25: Mentalität der Bevölkerung und mangelnde Bereitschaft zur Partizipation
Mentalität der Bevölkerung und mangelnde Bereitschaft zur Partizipation
„Aber das ist eben das Problem: Die sind in ihrem Standardtrott, die kennen ihre Gasheizung, sie kennen ihren Schornsteinfeger und sie kennen auch ihren Sani-tär-, .. äh, ist das, wollt grad sagen -fritzen (Lacht), nee, äh-äh, also ihren Hei-zungsklempner. Und, äh, ja, und von diesem Kurs gehen die einfach nur schlecht ab, ne?“ (04POL:07)
„Äh, weil da, äh, von der Mentalität her vielleicht eine gewisse, ähm, ausgepräg-tere Ruhe ist. Ich weiß es nicht, oder auch Distanz, keine Ahnung.“ (04POL:39)
Mentalität der Be-völkerung
KHW beschreibt die Region Rügen in der Art, dass es nicht „die unbedingt auf-geschlossendste Gegend“ ist und dass die Menschen „eher vorsichtig […] und vielleicht auch 'n bisschen zurückhaltend“ (07KHW:47) sind.
Abneigung gegen Altes
(Organisationsform BGA)
„Aber der Begriff Genossenschaft ist aus der jüngsten Vergangenheit her sehr negativ behaftet. Also Genossenschaft, das waren ja zumeist Zwangsgenossen-schaften. Ähm, und, äh, wenn man unter der Begrifflichkeit Genossenschaft auf Menschen zugeht, also, dann winken die erstmal schon ab, äh-äh, weil sie eben vorbelastet sind.“ (04POL:23)
Abneigung gegen Neues
(gesetzliche Ver-ordnung)
„Dass die Bürger beteiligt werden und die Bürger ziemlich träge sind. […] Ähm, also ich finde zum Beispiel diese Wärmeenergieverordnung, die da jetzt ge-drückt wurde und wo viele drüber schimpfen, halte ich für absolut wichtig und auch richtig, ähm, damit die Bürger einfach wach werden, damit se mal von ih-rem Ofen und Fernseher weg kommen und, ähm, ich sach mal, wirklich mal darüber nachdenken, also, in irgendeiner Form anders zu agieren.“ (04POL:15)
Altersstruktur „In der Regel sind's, oder viele sind ältere Leute. Die wollen dann auch oder können dann auch nicht mehr und wollen auch nicht mehr was verändern.“ (07KHW:35)
„Da muss man, glaub ich, alte Strukturen sehr, sehr stark durchbrechen, hier. Das muss, das ist, glaub ich, ein langer Prozess, wo man wirklich schon im, bei den, bei den Jugendlichen anfangen muss um das irgendwo nachher für später anders zu haben, weil die jetzigen Bürgermeister zum Teil 30 Jahre im Amt sind, oder 40 Jahre im Amt sind und das schon immer so gemacht haben.“ (01BER:40)
Alteingesessene Werte in Kommu-nalpolitik und Tou-rismus
Besonders der Tourismus, wo die großen Verbräuche sind, würde Bioenergie „eher so als Übel“ wahrnehmen und die ansässigen Akteure „sehen nicht, nicht die Notwendigkeit, was zu ändern, weil es einfach schon 20, 30 Jahre so funkti-oniert hat“ (01BER:40).
Zeitaufwendiger Prozess
Um diese konservativen Werte hin zu einem Bewusstsein der Bioenergiebefür-wortung zu lenken, denkt auch TOU, dass es viel Kraft und Zeit kosten wird, „da glaub ich, brauchen wa noch richtig Zeit“, denn „ich glaub nicht, dass die Bio-energie im Bereich der, der Energieromantik sich da bewegt“ (03TOU:103).
Aus den Argumenten lässt sich deuten, dass die Bevölkerung vielleicht einmal offener gewe-
sen ist und irgendetwas zu ihrer Zurückhaltung beigetragen hat. Im Kontext der Organisati-
onsform einer BGA bringt POL die Mentalität der Menschen mit vergangenen Ereignissen in
Beziehung, welchen die Menschen gegenüber abgeneigt sind. Dies betrifft hier konkret den
geschichtlichen Genossenschaftsbegriff. Der Akteur KHW verbindet die Mentalität der Men-
schen mit ihrer Altersstruktur. Für ihn sind einfach zu viele alte Menschen auf Rügen ange-
85
siedelt, die nicht mehr die Kraft und Lust haben, sich aktiv zu beteiligen. Diesbezüglich macht
BER die Anmerkung, dass besonders die Bürgermeister und der Tourismusbereich, dort wo
die großen Energieverbräuche sind, auf alteingesessenen Verhaltensweisen und festen Werten
verharren, weil sie schon seit langer Zeit diese Schiene fahren, die für sie bisher immer Erfolg
hatte. Generell zeigt sich also leichte Abneigung gegen die Nutzung von Bioenergie. Keiner
der Akteure hätte wirklich darüber nachgedacht, was das Projekt BER für Rügen bedeuten
könnte. Der ausbleibende Erfolg der BER Rügen liegt allerdings nicht an der momentanen
Trägerschaft sondern „an der Bereitschaft der Insel über so was nachzudenken“ (03TOU:07).
Auch die Kooperation der Akteure wird durch ihre Mentalität beeinflusst. Diesbezüglich wird
des Öfteren der Landwirtschaftssektor angesprochen. Wenn die Akteure handeln oder koope-
rieren sollen, müsse vom Netzwerkprojekt BER Rügen ein Nutzenanreiz geschaffen werden
(05ROT:11). Hier dringt wieder einmal eine rational wirtschaftliche Einstellung nach einem
unbedingten Vorteil durch. Des Weiteren liegt die Teilnahmebereitschaft der Bevölkerung an
einem Projekt in den zu leistenden Investitionen begründet (07KHW:35). In Tabelle 26 sind
die Schwierigkeiten der Kooperations- und Investitionsbereitschaft aufgeführt.
Tabelle 26: Bereitschaft von Akteuren zur Kooperation und Investition
Bereitschaft von Akteuren zur Kooperation und Investition
Nutzenanreiz „Ja, und dann müssen die Leute oder die Wirtschaft an sich, die sie ja ansprechen wollen, müssen das auch wollen und da mitziehen und müssen aber auch 'n Vorteil haben. Wenn sie keinen Anreiz haben, äh, bringt das ganze Projekt nichts, wie ge-sagt.“ (05ROT:11)
„[…] dat setzt natürlich dann auch, neben dem Willen auch, äh, voraus, dass man die Bürger mit nimmt und dass man sagt: ,So, Veränderungen bedeuten meistens auch irgendwelche Investitionen für die Leute.’“ (07KHW:35)
Kommunale Investitionen
„Und die Gemeinde selb-, die Gemeinden selber, das ist auch von der Struktur her so zerklüftet und so kleinteilig, dass die von der Finanzkraft her einfach viel Dinge nicht machen können.“ (07KHW:35)
Mangelnde Kooperation
„Also, die Grenzen liegen darin, dass, ähm, dass dieses zusammen-arbeiten-wollen nicht so ausgeprägt ist, also mehr jeder sieht nur immer so sein, seine Parzelle und damit kommen wir nicht zu dem Ergebnis, was wir eigentlich anstreben.“ (07KHW:15)
Mangelnde Aufrichtigkeit
„Der eine Landwirt erzählt dem anderen das und das und so richtig ehrlich ist, ist ja doch keiner und jedem geht's ja doch besser als dem anderen und solche Ge-schichten […]. Da sind die Landwirte schon sehr eigen und sehr für sich selbst und ich glaube, das ist im ganzen Bundesland auch so, schon relativ, relativ ausgeprägt, dass jeder sein eigenes Ding macht und wenige Leute sich zusammenfinden.“ (01BER:68)
Dagegen sieht POL einige Akteure in einer besonderen Wettbewerbs-Mentalität – sie würden ohne nachzudenken „einfach Fördermittel abschöpfen für irgendwelche Schwachsinnsprojekte“ (04POL:07) und damit vieles zu schnell initiieren.
Wettbewerbs-mentalität von Akteuren
„Und das ärgert mich einfach, diese Windhundmentalität. Also, da wird irgendwas initiiert, was-, ich sag mal, der Gedanke is ja gut, aber dann rennen eben die Wind-hunde los, nutzen das für sich aus, äh, und, äh, machen vieles kaputt, was eigent-
86
lich im Urgedanken eigentlich gar nicht gewollt wurde. Ähm, und das ist einfach, ja, das fatale in unserer schnelllebigen Gesellschaft, aber das kriegen wir nicht mehr umgedreht.“ (04POL:55)
Nach Meinung von KHW sind demnach nur ungefähr 12 bis 15 Gemeinden in der Lage, Pro-
jekte durch Eigeninvestition von sich aus zu stemmen (07KHW:35). Externe Investoren sind
grundsätzlich nicht gerne gesehen (08WIR:27). Es scheint so, als ob die Bevölkerung denkt,
dass man ihnen mit externen Investitionen etwas wegnehmen würde. Die letzten Argumenta-
tionspunkte machen deutlich, dass der Wettlauf nach Investitionen und Fördermitteln indirekt
die Mentalität beeinflusst, weil die Menschen von ihren Wertvorstellungen her denken, dass
sie zu kurz kommen. So entsteht eine Abneigung gegen externe Investoren, welche durch ihre
Beteiligung an Projekten das Geld aus der Region abfließen lassen, da man selbst ohnehin
nicht investieren kann. Eine geplante regionale Wertschöpfung soll in diesem Zusammenhang
eine direkte Abgrenzung nach außen implizieren, wodurch eine regionale Identität weiter aus-
gebildet werden könnte. Bedauerlicherweise ist die Teilnahmebereitschaft nicht ausgeprägt,
die Abneigung von Genossenschaften dafür schon. Dadurch kann keine gerechte Gleichvertei-
lung möglicher Gewinne gewährleistet werden.
6.2.6 Interessen und Verhalten im Akteursnetzwerk
Im folgenden Abschnitt sollen die Interessen und des Verhalten der einzelnen Akteure darge-
stellt werden. Die beiden Aspekte werden in Verbindung zum Netzwerkprojekt BER Rügen
gesetzt, dessen stellvertretender Akteur BER ist. Diesbezüglich wurde jeder Akteur gefragt,
was für ihn die größten Vorteile bzw. die gravierendsten Nachteile des Projektes BER Rügen
sind. Die Ergebnisse dieses Akteursdialoges sind die folgenden.
Der Akteur KHW hatte im Zeitraum seiner Projektträgerschaft das Interesse, die Akteure zu
verbinden, damit erfolgreicher zu sein und den Erfolg dann auch nach außen hin sichtbar zu
machen (07KHW:11). Ein zweites Interesse des Akteurs war eine Potentialermittlung für
„die Energieeinsparung und […] Energieeffizienzverbesserung“ (07KHW:15). Dieses Inte-
resse von KHW wird vom aktuellen Träger BER nicht mehr gewahrt, da „der Fokus zu stark,
zu sehr auf dem Thema Biogas, Bioenergie“ (07KHW:15) liegt.
FOR sieht die größten Vorteile des BER-Projekts darin, dass die Akteure vernetzt und Koo-
perations- bzw. Fördermöglichkeiten aufgezeigt werden (06FOR:07). Der Akteur selbst äu-
ßert allerdings keine direkten Interessen, er merkt nur noch als Nachteile des Projektes an,
„dass am Anfang etwas schleppend war und der falsche Träger war“ (06FOR:11).
Der Akteur TOU verfolgt stellvertretend für den Tourismussektor Interessen des Marketings
mit eventuellen Bioenergie-Projekten in der Hotellerie. Infrage hierfür kämen zentrale
BHKWs bei großen Hotelstandorten wie Binz oder Sellin (03TOU:27). Dadurch soll die Re-
gion Rügen für Touristen noch attraktiver gemacht werden:
87
„Wenn es eine funktionierende Strategie gibt und gute, umsetzbare Projekte, die gerade
auch im Bereich der Hotellerie möglich sind, dann ist Bioenergie auch ein Marketingmit-
tel, das wir hier sehr gut einsetzen könn(t)en.“ (03TOU:03)
Dementsprechend bräuchte man für interessierte Hoteliers eine sinnvolle Beratung im Ge-
schäftsbereich „um denen eben die Möglichkeiten aufzuzeigen, die dann da sind und das mit
denen mal zu diskutieren“ (03TOU:91). Durch die Vielzahl an Tourismusunternehmen stellt
sich eine Kooperation jedoch als schwierig dar. Zum Handling des BER-Projektes unter der
Trägerschaft von KHW will TOU sich nicht äußern:
„(Stöhnt abwertend) Will ich nichts zu sagen […]. Es ist gut, dass es jetzt so ist wie es
jetzt ist und alles was vorher war, vergessen wir. Wir haben viel Zeit verloren, ähm, bei
der ganzen Geschichte […].“ (03TOU:17)
Anscheinend wurden die Interessen des Tourismussektors vom ehemaligen Träger KHW
nicht ausreichend berücksichtigt. Im weiteren Verlauf des Gesprächs äußert sich TOU aller-
dings doch noch einmal zu den Netzwerkakteuren BER und KHW:
„Also jetzt sitzt auf jeden Fall jemand dran, der weiß, wovon er redet. Das war vorher
bei der Kreishandwerkerschaft tatsächlich nicht der Fall. […] Die Kreishandwerker-
schaft ist, meines Erachtens, völlig überfordert gewesen, äh, mit der ganzen Thematik.
Die haben dann, wie gesagt, die Elektro-Innung dann mal los geschickt und haben ge-
sagt: ,So, jetzt guckt mal, wo können wa denn Strom sparen!’ Und, ähm, also da war
kein, äh, kein wirkliches Konzept da.“ (03TOU:91)
Dieses Verhalten von KHW kommentiert POL wie folgt:
„Also, und, ähm, also ich seh das jetzt, seit anderthalb Jahren läuft das Projekt. Ähm, es
wurde dann, ich sach mal jetze, Richtung Handwerkskammer angegliedert. Ähm, da hatte
ich schon gleich die Befürchtung, also, dass sich da einige Handwerker zusammentun
und sagen: ,Komm hier, jetzt machen wa ordentlich Cash!’“ (04POL:15)
Dadurch sieht POL Fördergelder für andere Projekte und seine Vorstellungen von einer ge-
nossenschaftlich betriebenen BGA im Sand versiegen (04POL:07).
ROT hatte ebenso „keine riesen Vorteile“ (05ROT:11) durch die Kooperation mit dem BER-
Netzwerk. Schließlich „hätten [wir] das auch gemacht ohne die Bioenergieregion“
(05ROT:15), und vielleicht hat sie „so 'n ganz kleines bisschen, sach ich mal, an, an, äh,
Image oder so [gebracht] bei den Leuten, aber ansonsten wenig“ (05ROT:15). Dabei hätte
sich ROT mehr von der Kooperation versprochen. So gehen die Gelder in Studien, die keine
nennenswerten Ergebnisse bringen. Notwendige Vorteile für das Mitziehen von wirtschaftli-
chen Akteuren ergeben sich nicht (05ROT:11).
„Es kann ja kein Geld direkt für 'n Projekt verwendet werden, es kann immer nur für das
ganze Drumherum. Aber selbst dieses ganze Drumherum seh ich im Moment, äh, ja,
88
mehr oder weniger, äh, nicht in die richtige Richtung laufen, muss ich mal so sagen.“
(05ROT:11)
Dieses Drumherum, das mitunter auch im Beirat des BER-Netzwerks diskutiert wird, interes-
siert ROT sehr wenig. Es sitzt zwar ein Vertreter von ROT mit im Beirat der BER, jedoch
scheint die direkte Übermittlung der Diskussionen an die landwirtschaftliche Basis des
Leuchtturmprojektes Rothenkirchen nicht durchzusickern:
„[…] da passiert eigentlich wenig, außer dass sich dann um irgendwelche, wie ich schon
gesagt hab, Konzepte und, äh, Gelder und Haushaltspläne gestritten werden oder disku-
tiert wird.“ (05ROT:143)
Wie BER berichtet, wären die Interessen von NAT und seinem Hiddenseeprojekt unter der
Trägerschaft von KHW nicht so gewahrt gewesen wie heute, da der Kontakt „'ne Zeit lang
ein bisschen eingeschlafen“ (01BER:16) war. Durch BER würde sich jetzt um Fördergelder
beim Wirtschaftsministerium bemüht und versucht, „es auf jeden Fall in der Öffentlichkeit so
ein bisschen publiker zu machen, dass wir hier was machen mit Landschaftspflegematerial“
(01BER:16).
Für BER, aber auch die Mehrzahl der anderen Akteure, sind die gravierendsten Nachteile des
BER-Projektes eindeutig in der Fördergrundlage gegeben:
„Wir haben aber keine Möglichkeit Investitionen zu tätigen. Uns fehlen gänzlich die Mit-
tel um, um auch nur die kleinste Anschubfinanzierung zu leisten. Das heißt, wenn wir
Projekte anreißen wollen oder, oder irgendwie befördern wollen, müssen wir immer nach
externen Investoren suchen.“ (01BER:20)
Dies bedeutet einen Zwang nach externen Investoren, der schon im vorigen Abschnitt ange-
deutet war und wodurch keine optimale regionale Wertschöpfung entstehen kann. Die fehlen-
den Investitionsmöglichkeiten erkennt auch NAT und beschreibt wiederum das „Drumher-
um“, welches auch ROT schon erwähnt hat:
„[…] dass die Fördergelder, die geflossen sind, die sind eigentlich praktisch jetzt nur für
oder im groß-, größtenteils für 'n zentrales Netzwerkbüro, ne? […] wenn's an die konkre-
te Umsetzung von einzelnen Projekten, äh, geht und das erfahren wir auf Hiddensee
auch, äh, da kriegen wir dann nicht so wahnsinnig viel Hilfe.“ (02NAT:35)
NAT bezieht sich sogleich auf die gesamte Fördergrundlage von Regenerativen Energien in
Deutschland und nicht nur die für Bioenergie. Es würden einfach zu viele Workshops und
Konferenzen veranstaltet, aber es wird sehr wenig getan „um irgendwo mal in 'ne praktische
Umsetzung zu kommen“ (02NAT:39). BER meint den Start des BER-Projektes betreffend –
was sich wiederum auf KHW bezieht – dass die „ersten Ziele wahrscheinlich ein bisschen
hochgesteckt [waren] in manchen Bereichen oder kaum erreichbar, einfach“ (01BER:12).
Dies kann auch BAU bestätigen. Allerdings bezieht er diesen Aspekt auf die Bewusstseins-
bildung bei Akteuren und der Bevölkerung:
89
„Dat heißt, höchstwahrscheinlich sind wir 'n bisschen zu weit vorgeprellt, am Anfang
(Räuspern), ohne dat-, den theoretischen Nährboden zu schaffen. […] also bei den, bei
den Bürgern, bei den gesellschaftlichen Kräften, bei denjenigen, die dat letzten Endes
auch umsetzen sollen. Dat wär-, wurde dann mehr so abgetan: ,Also, na gut, da haben
wir noch Zeit, dat können wir-’, nee, da muss dat los gehen, dort müssen wir, dort müs-
sen wir im Prinzip die Basis schaffen.“ (09BAU:11)
Dieser Aspekt wurde anfänglich etwas versäumt, werde aber jetzt nachgeholt, so BAU. Dage-
gen meldet sich WIR mit einer anderen Meinung zu Wort, die schon fast widersprüchlich zu
BAU’s Kommentar ist. WIR sah den Bereich Information und Öffentlichkeitsarbeit zu Zeiten
von KHW breitenwirksamer als momentan:
„Also, es is, die, die Aktivitäten sind nicht mehr außen so, so sehr sichtbar. Aber, äh,
hierzu muss ich sagen, das, äh, wir also hier auch im ständigen Kontakt sind mit dem
Koordinator, auch viele Dinge abstimmen. Äh, allerdings muss das Netzwerk wieder, äh,
breiter, äh, funktionieren und es muss auch mehr Öffentlichkeitsarbeit, äh, statt finden.“
(08WIR:59)
BAU bezieht sich wahrscheinlich auf die jetzige stärkere Bewusstseinsbildung in der Bevöl-
kerung, z.B. durch Umweltbildung. WIR meint dagegen wahrscheinlich eher die Information
über den Erfolg einzelner Projekte, wie KHW es zuvor schon angesprochen hatte.
6.2.7 Bioenergie und Nachhaltigkeit im Akteursdiskurs
Für die Ergebnisse dieses Abschnitts wurden in erster Linie die drei Strategien für nachhaltige
Entwicklung Effizienz, Konsistenz und Suffizienz herangezogen. Es traten aber auch andere
Auffassungen von Nachhaltigkeit auf. Bioenergie kommt, wenn sie durch Biomasse aus der
Region produziert und auch in der Region genutzt wird, durch die sehr lange Wertschöp-
fungskette einer Vielzahl von Menschen zu Gute. Dieser Aspekt, der in Hinblick auf regionale
Kreisläufe als soziale Konsistenz80 aufgefasst werden kann, ist für die regionale Bevölkerung
besser, als wenn nur fossile Brennstoffe genutzt würden. Vorraussetzung hierfür ist die Parti-
zipationsmöglichkeit der Bevölkerung und einzelner regionaler Sektoren. In Tabelle 27 sind
Aspekte der sozialen Konsistenz aufgeführt.
Tabelle 27: Aspekte der sozialen Konsistenz
Aspekte der sozialen Konsistenz
Längere Wertschöp-fungskette
„Aber dadurch, dass die, die Wertschöpfungskette einfach länger ist als jetzt bei einer Windenergienanlage oder Photovoltaikanlage, die in China produziert wurde, ist glaub ich, der, der Nutzen für die Region größer, weil mehr Leute daran partizipieren können […].“ (01BER:32)
80 Vgl. Abschnitte 6.1.3 b), f) und g)
90
Regionale Wert-schöpfung durch EE
„Auf der anderen Seite sind regenerative Energien ein großes Spektrum, ein großer, eine große Möglichkeit für unsere Klientel. Von der Seite her kann, können regenerative Energien ein Beitrag sein um, wie heißt es so schön, regionale Wertschöpfung.. zu machen, zu haben.“ (07KHW:07)
Nachhaltigkeit durch Genossenschaften
„[…] unsere Vision ist ja 'ne Genossenschaft, ähm, könnte man sehr viel Geld, Kapital in der Region binden. Und somit ist das mit Sicherheit nachhaltiger als das Geld irgendwo, ich sach mal, nach Russland oder Saudi Arabien zu über-weisen.“ (04POL:03) (auch 07KHW:35)
Wachsende Weltbe-völkerung als Hinder-nis für soziale Konsis-tenz
„Wir waren vor 'n paar Jahren, ich glaub, bei sechs Milliarden, jetzt sind wa bei acht Milliarden, ich glaub, 30 Jahre weiter sind wa bei 14 Milliarden. Äh, da geht das Theater los. Äh, ich glaube, wir müssen grundsätzlich überlegen, also, diese Wirtschaftskreisläufe, weil sie nachhaltig sind, aufzubauen. Aber ob man sie erhalten kann, das ist, äh, so meine Überlegung.“ (04POL:51)
Mit dem momentanen Fokus auf BGAn könne allerdings nach Meinung von KHW keine gro-
ße regionale Wertschöpfung erreicht werden. Damit kann man „nicht die große Masse mit-
nehmen, sondern vielleicht große Landwirtschaftsbetriebe, die 'n Interesse haben da 'ne Bio-
gasanlage hinzubauen“ (07KHW:15). Übergeordnetes Ziel von KHW als Träger des BER-
Projektes war es, regionale Akteure und die Bevölkerung in Hinblick auf Energieeffizienz und
-einsparung aufzuklären. Nach dem Trägerwechsel von KHW auf BER würde aber der Fokus
zu sehr auf der Konsistenz von Biogasanlagen liegen (07KHW:15). Energieeffizienzverbes-
serung und –Einsparung wurden zunehmend verdrängt, wodurch regionale Handwerksbetrie-
be nicht mehr so stark angesprochen werden. Landwirtschaftsbetriebe seien hierdurch im Vor-
teil. Für POL und KHW ist die Vorraussetzung für soziale Konsistenz die Genossenschaft.
Mit genossenschaftlich geführten BGAn und der Beteiligung lokaler Landwirte, könnte sich
ein geschlossener Kreislauf entwickeln, der die Energiekosten niedrig hält und von dem die
einheimische Bevölkerung und die Landwirte profitieren würden (04POL:07). In diesem Zu-
sammenhang sieht POL wirtschaftlichen Profit jedoch als nicht nachhaltig an, weil die meis-
ten regionalen Akteure dem rationalen Prinzip der Wirtschaftlichkeit81 unterliegen und
dem Profit geradezu hinterher rennen:
„[…] aber eben nachhaltig im Sinne des Dudens, also nicht Nachhaltigkeit im Sinne,
ähm, wirtschaftlichen Profites. Also man sollte wirklich-, viele nutzen das Wort Nachhal-
tigkeit, ähm, ziemlich falsch, würde ich sagen. Und, also ich hoffe einfach, nachhaltig zu
agieren, also für die Bürger, für alle, zum Vorteil für alle dann einfach, ne?“ (04POL:11)
Bioenergie selbst ist in Hinblick auf stoffliche Konsistenz für das Klimasystem nachhaltig
indem vernünftige nicht-fossile Kreisläufe aufgebaut werden, die das menschliche Leben auf
der Erde nicht gefährden. Argumentationsmuster für die stoffliche Konsistenz der Bioener-
gienutzung sind in Tabelle 28 wiedergegeben.
81 Vgl. Abschnitte 6.1.3 f), 6.2.5 und 6.2.6
91
Tabelle 28: Aspekte der stofflichen Konsistenz
Aspekte der stofflichen Konsistenz
Klimafreundlicher Kreislauf
„Also, ähm, Bioenergie ist einfach nachhaltiger, wenn man einen vernünftigen Kreislauf aufbaut. […] wenn wir diese fossilen Brennstoffe wieder in die Atmo-sphäre in Gänze rein blasen oder zu 40, 50 %, schaffen wir also eine Atmo-sphäre, wo damals auf unserem lieben, blauen Planeten, also, der noch nicht blau war, sondern da war ein Leben nicht möglich.“ (04POL:51)
Nutzung der Gär-reste von BGAn
„Ja, der geht komplett wieder aufs Feld. […] Die Silage, die ich anliefer, da be-komm ich, äh, Gärrest in, äh, in der, im Mengenverhältnis von 80 % zurück und die kann ich aufs Feld als Dünger wieder ausbringen.“ (05ROT:99)
Klimabilanz von Biokraftstoffen nicht immer umwelt-freundlich
„Also wenn man sich jetzt nur CO2 anguckt, dass das im Grunde genommen plusminus Null ist oder sogar 'ne Negativbilanz. Dass das, was rein gesteckt wird an, was weiß ich, Kunstdünger, Maschinen, Arbeit und, äh, Bekämp-fungsmittel, dass da also mehr CO2 bei erzeugt wird als was man hinterher […] verbraucht“ (02NAT:71)
Der von ROT angesprochene Kreislauf ist zwar geschlossen, die Konsistenz ist aber auf Basis
der konventionellen Landwirtschaft fragwürdig, da hier zu einem Großteil Schadstoffe unter
Einsatz von Pestiziden und Industriedüngern in den Kreislauf gelangen. Außerdem muss der
Landwirt darauf achten, dass die Böden nicht überdüngt werden, wenn er die Gärreste kom-
plett wieder auf die Felder ausbringt. Im Gegensatz zu Energiepflanzen ist die Reststoffnut-
zung im Sinne konsistenter Nachhaltigkeit positiv zu bewerten. Das beste Beispiel für eine
sehr konsistente energetische Nutzung von Biomasse ist die BGA Putbus/Pastitz, in der aus-
schließlich Reststoffe genutzt werden.82 Für BER darf die Flächenexpansion zum Anbau von
Energiepflanzen nicht übertrieben werden. Die Nutzung von Reststoffen muss verstärkt und
auch in den entsprechenden Gesetzen verankert werden (01BER:60). Im Widerspruch zu ei-
ner nachhaltigen Biomassenutzung in der Landwirtschaft stehen für BAU an erster Stelle die
Erfüllung der Bedürfnisse heutiger Generationen durch die Versorgung mit Nahrungs-
mitteln auf globaler Ebene:
„Die wollen alle, ja, nicht, ne, mit 'ner Handvoll Reis-, man muss ja davon ausgehen
auch die Bedürfnisse dieser Menschen, die heute noch unter unsern Bedingungen-, ähm,
wo wir sagen, na gut, ein großer Teil kann sich wohl ernähren. Aber wir haben immerhin
noch zwischen 800 Millionen und einer Milliarde, die, äh, nicht in der Lage sind, sich
vernünftig zu ernähren, ne?“ (09BAU:31)
Hier wird die soziale Nachhaltigkeit, die auf den Grundbedürfnissen der Menschen basiert,
der Bioenergienutzung entgegengestellt. Dementsprechend fordert BAU ein Umdenken in der
Ernährungsweise hin zu einer bewussten und vegetarischen Ernährung. Aspekte der beiden
Strategien der Effizienz und Suffizienz sollen in Tabelle 29 näher veranschaulicht werden.
82 Vgl. Kapitel 4.4 und Abschnitt 6.2.2
92
Tabelle 29: Aspekte der Energieeffizienz und -einsparung
Aspekte der Energieeffizienz und -einsparung
Förderung von Effi-zienz
„Also, das wird auch möglich sein, weil die Anlagen einfach durch Erfahrung, sie werden effektiver, effizienter. Sie werden einfach auch kostengünstiger sein, so dass diese Subventionierung nicht, äh, unbegrenzt ausgeweitet wer-den kann, sondern auch stufenweise zurückgeführt werden muss, um auch dieses Ausufern dann abzu-, irgendwann ist das dann ausreichend.“ (07KHW:67)
Potential Effizienz „I: Wie sehen Sie denn das Thema Energieeffizienz und Energieeinsparung hier in der Bevölkerung auf Rügen? Gibt's da schon positive Effekte, oder?
P: Glaub ich weniger, aber da, dort liegt natürlich ein riesen Potential, ne? Das fängt bei der Dämmung an, das fängt bei Haushaltsgeräten an.“ (06FOR:73-75)
Mangelnde Öffent-lichkeitsarbeit für Einsparmaßnahmen
„Aber auch, ähm-äh, insgesamt im Gastgewerbe sind ja noch sehr viel Potenti-ale auch da, äh, gerade bei […] Energiesparmaßnahmen. Also, da wird ja auch, äh, angeboten, äh, auch zu unterstützen bei Energiesparmaßnahmen. Und, äh, meines Erachtens, äh, ist da tatsächlich die ganze Öffentlichkeitsar-beit in dem Bereich, ähm, nicht so gut, das stimmt.“ (08WIR:59)
Kraft-Wärme-Kopplung in Rot-henkirchen
„Äh, und, äh, wir haben eben, äh-äh, die also auch Wärmeversorgung dann für den Ort, äh, für Wohnungen im, im Ort Samtens mit übernimmt. Insofern haben wir damit ja auch 'ne, 'ne, äh-äh, sehr effektive Nutzung dieser Anlage.“ (08WIR:15)
Das Problem bei der Einsparung ist, dass nicht klar wird, ob Effizienz oder Suffizienz ge-
meint ist. FOR nennt beispielsweise in seinem Kommentar nur die effizienten Möglichkeiten
von Dämmung und Haushaltsgeräten. Generell scheinen Einsparung und Effizienz synonym
verstanden zu werden. Neben WIR, sieht auch FOR noch etliche Versäumnisse aufgrund von
mangelnder Öffentlichkeitsarbeit zu dieser Thematik. Wie im Lokaldiskurs wird auch von den
Akteuren der Potentialbegriff83, hier besonders in Bezug auf Energiesparmaßnahmen, genutzt.
Nahezu alle Aspekte, die durch nachhaltige Strategien abgedeckt werden sollen, betreffen die
Angebotsseite: Die Erzeugung von Energie soll konsistent und effizient sein. Über die Nach-
frageseite der Energienutzung werden allerdings keine großen suffizienten Einschränkungen
angesprochen. POL sieht hier eine Möglichkeit über den Preis die Nachfrageseite zu drosseln:
„Und das ist die, meines Erachtens, die Argumentationsschiene, zu sagen, also, dieses
ganze System, was jetzt aufgebaut wird auch in Richtung Bioenergie, verteuert also den
Gesamtstrompreis dann einfach, ne? Halt ich für absoluten Blödsinn, weil, äh, ich bin
der Meinung, der Strom ist einfach viel zu billig […]. Weil wenn der teurer wär, äh, wür-
den die Leute auch von sich aus mehr drauf achten, dass sie weniger verwenden. Und das
Weniger spart ja auch schon wieder ein, dann, ne?“ (04POL:39)
Die Strategie der Energiesuffizienz wird – wie erwartet – nur wenig und wenn dann auch nur
sehr unkonkret angesprochen. Der Fokus liegt auf der Strategie der Konsistenz im Sinne von
Bioenergieanlagen, welche durch Reststoffnutzung allerdings konsistenter ist, als durch die
83 Vgl. Abschnitt 6.1.3 f)
93
Nutzung von Energiepflanzen. Die Effizienz der Anlagen wird besonders über eine institutio-
nelle Einbettung gefordert. Hierbei muss aber die Vergütung von Bioenergie zurückgefahren
werden, sobald sich eine Konkurrenzfähigkeit gegenüber fossilen Energieträgern einstellt. Die
Energieeffizienz im privaten, häuslichen Bereich ist aufgrund von mangelnder Öffentlich-
keitsarbeit noch nicht ausreichend ausgebildet.
94
7. Diskussion der Ergebnisse
7.1. Ökologische Probleme von Energiepflanzen aus nachhaltiger Sicht
In diesem ersten Diskussionsabschnitt soll die Konsistenz als eine notwendige Strategie für
den nachhaltigen Biomasseanbau diskutiert werden. Hierbei wird beleuchtet, welche Aspekte
des Regional-, Lokal- und Akteursdiskurses eine Debatte auslösen und in welchen Diskursen
spezifische Themen wenig bzw. nicht angesprochen werden. Bei der Nutzung von Energie-
pflanzen sind es die Themen ökologische Effekte von Energiepflanzen-Monokulturen und
ihren Alternativen und des intensivierten Anbaus von Energiepflanzen.
7.1.1 Energiepflanzen-Monokulturen und Alternativen
Schöne (2008) stellt dar, dass durch die verstärkte bioenergetische Nachfrage von Raps und
Mais Monokulturen entstehen, wodurch sich auch die Fruchtfolge verengt (SCHÖNE 2008,
S. 29). Dies resultiert aus dem Aspekt, dass die Konzentration der Energiepflanzenproduktion
auf den Kulturen mit den höchsten Ertragspotentialen liegt (AMMERMANN & MENGEL 2011,
S. 327). Die Gefahr von Energiepflanzen-Monokulturen wird in den untersuchten Printmedien
thematisiert. Im Regionaldiskurs wird noch ausführlich über mögliche Mais- und
Rapsmonokulturen berichtet (Art. 004, 016, 063). Dabei greift die Berichterstattung sowohl
eine mögliche Einschleichung von GVO (Art. 047, 063, 146, 160), als auch einen erhöhten
Schädlings- und Pilzbefall, sowie stagnierende Erträge als Folgen auf (Art. 055). Durch eine
Verengung der Fruchtfolgen und die Verringerung der Kulturpflanzenvielfalt sieht auch
Schöne (2008) Probleme wie den erhöhten Schädlingsbefall und eine degradierte Resistenz
entstehen, die von einem stärkeren Interesse an GVO gefolgt sein können (SCHÖNE 2008,
S. 29). Trotzdem spricht der Regionaldiskurs von einem nationalen Anbaupotential für
Energiepflanzen, welches noch ausgereizt werden kann (Art. 179). Durch die verstärkte
Nutzung von Mais auf geneigten Lagen, sowie die fehlende Bodenbedeckung nach der Ernte
sehen Ammermann und Mengel (2011) die Gefahr einer erhöhten Erosionswahrscheinlichkeit
(AMMERMANN & MENGEL 2011, S. 327).
Der SRU (2007) gibt den mehrjährigen Anbau von Kurzumtriebsplantagen (KUP) zur Ge-
winnung von Holz- und Grünschnitt als umweltfreundlichere Alternative an, da im Vergleich
zu einjährigen Anbauverfahren eine geringere Bodenerosion und ein verminderter Nährstoff-
und Pestizideintrag gegeben wäre (SRU 2007, S. 45). Die Auflockerung von Ackerflächen in
Verbindung mit angrenzenden KUP könnte somit eine größere Vielfalt im Kulturartenmix
gewährleisten (ebd., 49f.). Eine Anbauplanung von KUP-Gehölzen wird auch von den Akteu-
ren BER und POL angesprochen (01BER:68; 04POL:19). Dieser mögliche Anbau bezieht
sich allerdings auf Stilllegungsflächen, die eigentlich für den Naturschutz interessant wären.84
Auf Rügen ist die Flächengröße von Dauerkulturen, worunter neben Korbweiden- und
84 Vgl. Abschnitt 7.2.3
95
Pappelanpflanzungen aber auch Obst, Rebland, Baumschulen und Weihnachtsbaumkulturen
zählen, mit 119 ha (0,19 % der LF Rügens 2007) eher gering. Allerdings hat sich diese Fläche
seit 1999 annähernd verdreifacht (Quelle: STATLA MV). Hieraus kann jedoch nicht abgelesen
werden, welches Ausmaß an Weiden- und Pappelanpflanzungen wirklich energetisch genutzt
wird. Ein Manko, dass sich für landwirtschaftlich betriebene BGAn einstellen könnte, ist die
Energieausbeute von KUP-Gehölzen. Diese ist bei einer Direktverbrennung größer, als bei
einer Verwertung in BGAn (SRU 2007, S. 38). Hier müsste das Holz vorher gehäckselt wer-
den. Die direkte Verbrennung ist damit lukrativer. Allerdings hat die Vergasung von KUP-
Holz immer noch eine größere Energieausbeute als die Vergasung von Maissilage
(ebd., S. 38). KUP-Holz kann jedoch erst drei bis zehn Jahre nach der Pflanzung geerntet
werden – danach alle drei bis vier Jahre (DVL & NABU 2007, S. 11). Dies könnte eine lang-
fristige Risikoanlage für Landwirte sein, die in halb- bis ganzjährigen Vegetationszyklen den-
ken und rechnen müssen. Und noch eine Sache ist zu beachten: Die Agrodiversität auf Acker-
flächen wird durch KUP zwar erhöht, für naturschutzfachliche Belange sind sie aber ähnlich
konfliktreich wie Energiemais. So deklarieren DVL & NABU (2007), dass das Anlegen von
KUP auf artenreichen Grünlandstandorten und in Feuchtgebieten zur Reduktion der land-
schaftlichen und biologischen Vielfalt führen kann (ebd., S. 11).
Im Lokaldiskurs wird nur einmal der Begriff Monokultur in Verbindung mit Mais genannt.
Diese Nennung ist jedoch keine kritische, sondern eine beschwichtigende: Mit 3,7 % Maisan-
bau an Rügens Ackerfläche bräuchte man vor Monokulturen keine Angst zu haben (Art. 57).
Die Abbildung 9 gibt die Agrarstruktur der Ackerfläche auf Rügen wieder. Es ist deutlich zu
erkennen, dass man momentan auf Rügen wirklich keine Angst vor Mais-Monokulturen ha-
ben braucht. Seit 2007 ist der Wert sogar rückläufig. Allerdings kann man die Agrarlandschaft
85 Eigene Darstellung; Quelle: STATLA MV (Grasanbau ist nicht gleichzusetzen mit Dauergrünland)
Anbau von Feldfrüchten im Hauptanbau auf Rügen in % der Ackerfläche 2007 (ohne Brachen)
44,17%
27,15%
14,71%
4,45%
3,84%
2,51%
1,97%1,40%
Weizen
Raps
Gerste
Silomais
Grasanbau
Roggen
Zuckerrüben
Sonstige
Abbildung 9: Feldfrüchte im Hauptanbau auf Rügen in % der Ackerfläche in 2007 (ohne Brachen)85
96
auch nicht gerade als vielfältig bezeichnen. Es sind deutlich die starken Weizen- und Gerste-
formationen und der große Rapsanteil zu erkennen. Zusammen machen diese drei Kulturen
mehr als 85 % der Ackerfläche auf Rügen aus.
Eine Maismonokultur auf Rügen wird auch von den meisten Akteuren nicht wahrgenommen.
Lediglich POL ist der Meinung, dass der Anstieg der Maisquote katastrophal sei, was wider-
sprüchlich ist (04POL:75). Allerdings verspürt der Akteur drastische Folgen des ausgeweite-
ten Rapsanbaus, welche sich durch eine erhöhte Rapskäferpopulationen bemerkbar macht
(04POL:55). Dies entspricht auch Berichten aus dem Regionaldiskurs für MV (Art. 055).
Der SRU (2007) sieht die Chance von nachhaltigen Anbauverfahren für die Bioenergieerzeu-
gung. Dies kann etwa durch die Beibehaltung extensiver Grünlandnutzung in Gebieten mit
zurückgehender Milch-, Schaf- und Rindfleischproduktion geschehen (SRU 2007, S. 50). Auf
Rügen ist genau das der Fall. Besonders die Rindviehhaltung zur Fleischproduktion hat in den
letzten Jahren stark abgenommen (vgl. Abbildung 10). Waren es 1999 noch 34,9 Tiere pro
100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche sank die Zahl bis 2007 stetig auf 27,4 Tiere. Auch die
Milchviehhaltung hat auf Rügen abgenommen, wenn auch weit weniger stark als die Rinder-
haltung. Die Schafhaltung hat mit 13,2 Tieren pro 100 ha im Jahr 2007 im Vergleich zu 1999
einen höheren Wert, entwickelte sich aber über die Jahre eher schwankend. Insgesamt hat der
Nutzviehbestand auf Grünlandflächen in der Region aber stark abgenommen, was eine ver-
stärkte extensive Grünlandnutzung unterstützen würde.
Bedauerlicherweise werden nachhaltige Anbauverfahren besonders durch die hohen Methan-
ausbeuten von Mais und der damit verbundenen optimierten Wirtschaftlichkeit geschmälert
86 Eigene Darstellung; Quelle: STATLA MV (fehlende Werte wurden interpoliert)
Nutzviehbestand pro 100 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche auf Rügen
34,9 32,829,2 27,4
12,9 13,1 12,3 13,2
12,811,3 10,4 9,6
0
10
20
30
40
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Tie
re/1
00 h
a Rinder
Schafe
Milchkühe
Abbildung 10: Nutzviehbestand pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche auf Rügen86
97
(SRU 2007, S. 50). In diesem Zusammenhang merkt der Akteur ROT an, dass Getreideganz-
pflanzensilage und Maissilage sich in puncto Ausbeute nicht sehr viel nehmen (05ROT:111).
In der BGA Rothenkirchen betrifft das beim Getreide vor allem Roggen und Gerste
(05ROT:83). Auf Rügen geht Getreide von ungefähr 5.128 ha Fläche in den Energiesektor.
Hinzu kommen noch einmal 492 bis 612 ha für Energiemais. Zusammen entspricht das mehr
als 11 % der Ackerfläche Rügens.87 Der Rapsanteil ist hier noch nicht mit einbezogen. Man
kann also anmerken, dass die Ausbildung von Monokulturen auf Rügen durch den Energie-
pflanzensektor unterstützt wird. Allerdings sind Monokulturen kein alleiniges Phänomen des
Energiepflanzenanbaus – dennoch wird es durch ihn verstärkt (EKARDT et al. 2009, S. 225).
7.1.2 Intensivanbau von Energiepflanzen
Auch beim Energiepflanzenanbau besteht das Problem der intensivierten Landwirtschaft. Da-
bei können sich – wie beim konventionellen Nahrungsmittelanbau – Effekte wie eine erhöhte
Pestizidbelastung und Überdüngung der landwirtschaftlichen Flächen, sowie eine verstärkte
Erosionswahrscheinlichkeit und die Eutrophierung88 von Gewässern einstellen. Ekardt et al.
(2009) merken in diesem Zusammenhang an, dass sich diese Effekte bei Energiepflanzen so-
gar intensiver ausbilden können als bei Nahrungsmittel- und Futterpflanzen, da Energiepflan-
zen nicht verzehrt werden müssen und „daher die Sensibilität potenziell geringer ist“
(EKARDT et al. 2009, S. 223). Wie Schöne (2008) feststellt, führt der Ersatz von Zwischen-
früchten durch den Anbau von humuszehrenden Energiepflanzen zu einer Reduktion des Hu-
musgehalts auf den Äckern (SCHÖNE 2008, S. 29). Der Aspekt der weitgehenden Verwendung
aller Pflanzenteile (Ganzpflanzen) in BGAn verstärkt diesen Effekt zusätzlich (ebd., 29).
Aber auch bei der Bioethanolherstellung, vor allem aus Mais, wird den Anbauflächen die ge-
samte Biomasse entnommen, wodurch der Düngemittelbedarf der Böden verstärkt wird. Al-
lerdings hebt Maier (2006) die Ganzpflanzennutzung bei Biokraftstoffen der zweiten Genera-
tion als Effizienzvorteil hervor (MAIER 2006, S. 11). Zur Herstellung von Rapsdiesel (1. Ge-
neration) werden dagegen nur die Ölfrucht, das Rapsstroh und -schrot jedoch nicht verwendet
(ebd., 11). Ekardt et al. (2009) sehen – neben der KWK auf der technologischen Seite – auch
den Einsatz von vollständig nutzbaren Pflanzen als Notwendigkeit für eine hocheffiziente
Bioenergieerzeugung an (EKARDT et al. 2009, S. 226). Insofern kann man eine deutliche
Spannung zwischen der Nachhaltigkeitsstrategie der Effizienz durch Ganzpflanzennutzung
und einer möglichen Humuszehrung auf landwirtschaftlichen Flächen ausmachen (SRU 2007,
S. 47).
Neben der Humuszehrung bei der Ganzpflanzennutzung, entstehen durch Intensivierung zu-
sätzliche Konflikte für die heimische Pflanzen- und Tierwelt (DVL & NABU 2007, S. 21;
RODE et al. 2005, S. 124). Im Lokaldiskurs auf Rügen wird das durch den Rückgang der Stor-
87 Vgl. Kapitel 4.4 88 Siehe Glossar
98
chenpopulation dargestellt. Die Störche fänden keine Nahrung mehr, weil immer weniger
Insekten auf den Feldern leben und immer mehr Grünland zu Ackerflächen umgebrochen
wird (Art. 89, 96). Auch im Regionaldiskurs wird dieses Problem für die Störche thematisiert
(Art. 096, 163). Weitere Einschränkungen von anderen Tierarten werden in Bezug auf die
Intensivierung nicht genannt.
Der Akteur BAU kann bestätigen, dass Energiepflanzen in der Milchreife89 geerntet werden,
da hier die höchste Energieausbeute zu verzeichnen ist (09BAU:19). Eine Ernte, die drei bis
vier Wochen vor dem üblichen Erntetermin stattfindet, schadet jedoch in großem Maße der
Fortpflanzung von Flora und Fauna (DVL & NABU 2007, S. 22). Auf Rügen ist die Nutzung
der offensichtlichen Getreideganzpflanzensilage, aber auch die Verwendung von ganzen
Maispflanzen als Silage für den Energiesektor von 11% der Ackerflächen Rügens
auszumachen.90 Im Hinblick auf Pflanzenschutzmittel für Ganzpflanzenkulturen merken DVL
& NABU (2007) an, dass hier kein Einsatz zu erfolgen braucht, da die generative
Entwicklung von Unkräutern zum Zeitpunkt der Milchreife noch nicht abgeschlossen ist
(ebd., S. 31).
Durch den oben erwähnten erhöhten Düngemittelbedarf bei der Ganzpflanzennutzung ergibt
sich ein weitgehender Konflikt zu konsistenten landwirtschaftlichen Anbaumethoden, da zu-
sätzliche Stoffe in den Kreislauf eingebracht werden. In diesem Zusammenhang merkt der
Akteur POL an, dass der hohe Einsatz von Dünger, Giftstoffen und Wasser beim Maisanbau
nicht der richtige Weg sei (04POL:75). Sollte es sich beim Dünger um die Gärreste von
BGAn und nicht um Industriedünger handeln, wird dieser Effekt zwar abgemildert. Die Inten-
sität landwirtschaftlicher Düngung bleibt jedoch bestehen. Energiepflanzen zur Kraftstoffpro-
duktion haben in dieser Hinsicht den Nachteil, dass sie keine Gärreste liefern. In diesem Zu-
sammenhang hält Maier (2006) die Verwendung von Biogas für eine gute Alternative zum
flüssigen Biokraftstoff. Denn Biogas hat den Vorteil, dass ein Großteil der Nährstoffe wieder
aufs Feld gebracht wird und dass es aus einer Vielzahl von Kulturarten gewonnen werden
kann (MAIER 2006, S. 11). Durch die Entnahme aller Pflanzenteile bleibt jedoch eine Boden-
bedeckung nach der Ernte aus. Die damit verbundene erhöhte Erosionswahrscheinlichkeit
verstärkt auch die Eutrophierung von Gewässern (SRU 2007, S. 48).
Extensive Anbaumethoden wie Dauergrünland oder generell der Ökolandbau wären für Ener-
giepflanzen eine konsistentere Alternative (DVL & NABU 2007, S. 23; SCHÖNE 2008, S.30).
Auf Rügen gibt es allerdings recht wenig Ökolandbau (vgl. Abbildung 11). Die Anzahl der
Ökolandbaubetriebe (22 in 2007) stieg in den letzten Jahren zwar an und auch der Anteil an
allen landwirtschaftlichen Betrieben hat sich vergrößert (9,5 % in 2007) – dieser Wert liegt
über dem Bundesdurchschnitt von ca. 5 % (Quelle: STATBA). Jedoch schwanken die Größe
der ökologisch bewirtschafteten Flächen und ihr Anteil an der gesamten landwirtschaftlichen
89 Siehe Glossar 90 Siehe vorigen Abschnitt und Kapitel 4.4
99
Fläche stark. Im Jahr 2007 lag der Anteil mit 4,4 % an der LF Rügens etwas unter dem bun-
desdeutschen Durchschnitt von ca. 6 % (Quelle: STATBA). Hier setzt wieder das oben ge-
nannte Argument von Ekardt et al. (2009) ein: Warum sollte man Energiepflanzen ökologisch
anbauen, wo doch im Ökolandbau das Privileg eher auf der Nahrungsmittelproduktion liegt?
Energiepflanzen muss man nicht essen (EKARDT et al. 2009, S. 223). Im Konflikt dazu steht
die Aussage des Akteurs BAU: Für ihn hat die Ernährung von Menschen, gefolgt vom Ener-
giepflanzenanbau zwar oberste Priorität, für beides müsse allerdings die Produktivität der
Landwirtschaft noch weiter intensiviert werden (09BAU:31).
Entwicklung Ökolandbau auf Rügen (Flächengröße, Anzahl Betriebe und jeweilige Anteile)
31,81
27,42
38,36
15,59
21
22
18
18
5,2%
4,4%
6,3%
2,6%
9,5%9,2%
7,4%7,7%
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Flä
ch
e u
nd
N B
etri
eb
e
0%
1%
2%
3%
4%
5%
6%
7%
8%
9%
10%
Fläche [km²]
N Betriebe
% an LF
% Betriebe
Abbildung 11: Entwicklung des Ökolandbaus auf Rügen91
Die extensive Grünlandnutzung im Zuge des Rückgangs der Viehbestände, wie sie im vorigen
Abschnitt dargestellt wurde, wäre auf Rügen möglich. Sie ist aber nicht lukrativ. Der Akteur
ROT stellt dar, dass das gesamte Boddengrünland für die Grünschnitternte zur Verfügung
stehen würde. Jedoch sind der Transport des Grünschnitts und die Silierung betriebswirt-
schaftlich nicht rentabel (05ROT:151). Rode et al. (2005) führen aus, dass es bei der Wirt-
schaftlichkeit von Grasschnitt auf die Intensität der Nutzung ankomme (RODE et al. 2005,
S. 145). So hat Grassilage von intensiv genutzten Flächen (4 Schnitte pro Jahr) sogar eine
höhere Methanausbeute als Mais. Es geht dabei nicht nur um die absolute Biomasse, die auf
intensiv genutzten Grünlandflächen höher ist. Je häufiger eine Wiese geschnitten wird, desto
mehr Energie kann man auch aus ihrer Biomasse ziehen. Dies geht auf den Rohfasergehalt
von Gras zurück. Dieser ist auf älteren Wiesen höher, wirkt sich für die Energieausbeute je-
doch negativer aus (ebd., S. 144). Um eine energetische Nutzung von Grünschnitt von exten-
siven Standorten oder Naturschutzflächen wirtschaftlich zu betreiben, müssten 300 bis 350 €
Ausgleichszahlungen gewährleistet werden (ebd., S. 146).
91 Eigene Darstellung; Quelle: STATLA MV (fehlende Werte wurden interpoliert)
100
7.2 Nutzungskonkurrenzen bei der Biomassenutzung und ihre Ursachen
Durch die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen zum Anbau von Energiepflanzen kann
eine Konkurrenz zu anderen Nutzungsformen entstehen. Der Bioenergieboom in einigen Re-
gionen resultiert in einer erhöhten Nachfrage nach Energiepflanzen. Und diese Nachfrage
impliziert nicht nur erhöhte Preise für die Energiepflanzen, sondern auch generell steigende
Preise für landwirtschaftliche Produkte und Pachten (GERLING & GANS 2008, S. 59). In die-
sem Abschnitt sollen die Flächennutzungskonkurrenzen zur Nahrungsmittelproduktion und
zum Naturschutz diskutiert werden.
7.2.1 Flächennutzungskonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
Im Regionaldiskurs wird berichtet, dass Flächen und Pachten immer teurer werden. Dadurch
würde in MV besonders die Schäferei eingeschränkt (Art. 151), aber auch die Milchviehwirt-
schaft scheint nicht mehr lukrativ betrieben werden zu können (Art. 160). Außerdem wird
argumentiert, dass der Energiepflanzenanbau die Preise für Flächen und Getreide nicht ins
Bodenlose fallen lässt (Art. 160). In MV würden schon allein die Silomaisflächen einen An-
teil von 11 % an der Ackerfläche ausmachen. Hier sind Getreideganzpflanzensilagen und
Raps noch gar nicht eingerechnet (Art. 073). Für die Landwirtschaft wäre dieser Anteil ein
bedeutendes Standbein (Art. 179). Dazu käme der Aspekt, dass die energetische Nutzung von
Biomasse zumindest in BGAn Gärreste hervorbringt, die als organischer Dünger wieder in der
Landwirtschaft eingesetzt werden können (Art. 160). Hier ist allerdings zu bemerken, dass
man auch aus Reststoffen Gärreste erhält. Für organischen Dünger sind damit nicht unbedingt
und ausschließlich Energiepflanzen notwendig. Neben diesen Aspekten werden unter der
Schlagzeile „Zweckentfremdung von Lebensmitteln“ auch ethische Bedenken an einer Aus-
weitung des Energiepflanzenanbaus angesprochen (Art. 114).
Im Lokaldiskurs stellt sich die Flächenkonkurrenz etwas anders dar. Weil Milch- und Getrei-
depreise in den Keller fallen und gleichzeitig die Düngemittelpreise steigen, würde die Nah-
rungsmittelerzeugung gegenüber dem Energiepflanzenanbau unlukrativ sein (Art. 57, 75).
Dies bestätigt Schöne (2008), der feststellt, dass die Milchviehhaltung sowie der Ökolandbau
nicht mehr rentabel betrieben werden können (SCHÖNE 2008, S. 30). Das Problem für die
Milchviehwirtschaft auf Rügen manifestiere sich in der wochenlangen Wartezeit auf die
Milchpreise nach der Abnahme (Art. 57). Die Abnahme von Biomasse in BGAn verspricht im
Vergleich dazu ein relativ sicheres Einkommen für die Landwirte.
Im Akteursdiskurs äußert sich die Auffassung der Flächenkonkurrenz als Sog, der vor allem
wirtschaftlich bedingt ist (07KHW:55). Mit Energiepflanzen kann der Landwirt einfach mehr
Erlöse erzielen als mit Nahrungs- oder Futtermittelpflanzen. Wenn man nicht das anbaut, was
am meisten Erlöse bringt, kann man einen landwirtschaftlichen Betrieb nicht führen
(05ROT:11). Der Akteur TOU sieht eine Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
101
auf Rügen nicht gegeben (03TOU:79). Man sollte hier allerdings beachten, dass sich die Flä-
chenkonkurrenz in steigenden Preisen für Land widerspiegelt und nicht in einer real wahr-
nehmbaren Konkurrenz zwischen verschiedenen regionalen Nutzungsarten von Kulturpflan-
zen. In diesem Zusammenhang deutet der Akteur ROT an, dass die Flächenkonkurrenz zur
Nahrungsmittelproduktion ein globales Phänomen ist, in dem eine Vielzahl von Faktoren mit
hinein spielen, unter anderem auch Hedgefonds (05ROT:111). Wedemeyer (2009) merkt dazu
an, dass sich bei der momentanen Marktsituation die Veredelungs- und Grünlandbetriebe tat-
sächlich im Nachteil befinden. Da aber die Vergütungstarife für Bioenergie statisch sind,
könnte sich die Biogasproduktion mittelfristig und mit veränderter Marktlage als nachteilig
für die Landwirtschaft auswirken (WEDEMEYER 2009, S. 25). Darüber hinaus würden beste-
hende BGAn stark unter den gestiegenen Rohstoffpreisen für die landwirtschaftliche Produk-
tion (Energie- und Düngekosten) leiden (ebd., S. 25). Dies deckt sich mit einem Bericht des
Lokaldiskurses, nachdem die Düngekosten um bis zu 100 % angestiegen sind (Art. 57). In
Bezug auf die Verknappung von fossilen Energieträgern prognostizieren Klauss et al. (2009),
dass der Anbau von Energiepflanzen durch einen Erdölpreisanstieg nicht begünstigt werden
würde (KLAUSS et al. 2009, S. 471). Es würden sich voraussichtlich die Preise für Energie-
pflanzen und Nahrungsmittel erhöhen, wobei Nahrungs- und Futtermittelpreise absolut be-
trachtet stärker ansteigen würden als Energiepflanzenpreise (ebd., S. 471). Dies würde den
Nahrungsmittelanbau wieder begünstigen und den Energiepflanzenanbau drosseln. Im Gegen-
satz zu Monokulturen, kann man eine Flächenkonkurrenz direkt, wenn auch nicht ausschließ-
lich, der Bioenergieproduktion zurechnen.
7.2.2 Flächennutzungskonkurrenz zum Naturschutz
Durch die Einführung des NawaRo-Bonus im EEG 2004 ist eine Ausweitung des Energie-
pflanzenanbaus zu verzeichnen (AMMERMANN & MENGEL 2011, S. 327). Damit wurde eine
Richtung forciert, die andere Vergütungen nicht mehr attraktiv wirken lässt, z.B. Agrarum-
weltprogramme oder die Teilnahme an Naturschutzprojekten (ebd., S. 327). Neben dem Grün-
landumbruch äußert sich die Konkurrenz der Biomassenutzung zum Naturschutz in der Ent-
wässerung von Moorböden, der Wiederbewirtschaftung von Stilllegungsflächen und in einer
abnehmenden Attraktivität von extensiven Bewirtschaftungsformen durch die geringere För-
derung über Agrarumweltprogramme (SRU 2007, S. 49). Diese Effekte ergeben sich unmit-
telbar aus dem EEG. Im Lokaldiskurs wird ein Umbruch von Stilllegungsflächen zu Mais-
äckern angesprochen, welcher die Nahrungsquellen für Störche beeinträchtigt (Art. 89). Mit
Stilllegungsflächen wird auch auf Rügen gearbeitet und man könnte sie nach Meinung einzel-
ner Akteure nutzen, um Energiemais oder Gehölze anzubauen (03TOU:87, 09:BAU:43). Der
Akteur POL sieht Stilllegungsflächen als Pufferzonen zwischen hochwertigen Flächen des
Naturschutzes und des Nahrungsmittelanbaus an, die für eine Bioenergienutzung durchaus in
Frage kämen (04POL:19). Für den Akteur NAT wären diese Flächen dagegen gerade für den
Vertragsnaturschutz interessant (02NAT:125).
102
Für Schleyer et al. (2011) erfährt die Flächenstilllegung einen Bedeutungsverlust ihrer Funk-
tion als Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten (SCHLEYER et al. 2011, S. 35).
Dies wird durch das EEG mit forciert. Der Anbau von Energiepflanzen und die damit verbun-
denen Vergütungen sind einfach lukrativer als die Flächen ungenutzt zu lassen und dafür Still-
legungsprämien von nationaler oder europäischer Ebene zu erhalten. DVL & NABU (2009)
geben an, dass zwischen 2007 und 2008 über 50 % der vorhandenen Stilllegungsflächen in
Deutschland wieder in Nutzung genommen wurden (DVL & NABU 2009, S. 13). Nach der
Abschaffung der obligatorischen Flächenstilllegung Anfang 2009 sind zusätzliche Agrarum-
weltmaßnahmen freiwillig und gerade für stillgelegte Flächen mit guten Böden unlukrativ
(ebd., S. 13). Darüber hinaus dürfen die EU-Mitgliedsstaaten nach europäischer Verordnung
den „Anbau mehrjähriger Energiepflanzen auf Stilllegungsflächen zusätzlich mit nationalen
Beihilfen im Umfang von 50 % der Einstiegskosten fördern“ (SRU 2007, S. 84). Dies ver-
stärkt den Druck auf stillgelegte Flächen zusätzlich.
Im Regionaldiskurs wird berichtet, dass der Grünlandanteil in MV zurückgeht und für den
Mais- und Rapsanbau umgenutzt wird (Art. 096). Dies geschehe, obwohl der
Grünlandbestand nach Landesverordnung seit 2008 nicht mehr verringert werden darf (Art.
163). Ammermann & Mengel (2011) geben an, dass der Grünlandanteil in Deutschland seit
2003 um 3,8 % gesunken ist. Davon ging ungefähr die Hälfte in den Maisanbau
(AMMERMANN & MENGEL 2011, S. 326f.). Da Grünland in Mitteleuropa als Kohlenstoffsenke
fungiert, bewirkt der Umbruch zu Ackerland eine Nettoemissionszunahme von 130 g
Kohlenstoff pro m2 und Jahr (SRU 2007, S. 45). Auch wenn Dauergrünland prinzipiell vor
der Nutzung durch Energiepflanzen für flüssige Kraft- und Brennstoffe gesetzlich geschützt
ist, besteht die Gefahr von Energiepflanzen zur Biogasproduktion (AMMERMANN & MENGEL
2011, S. 331f.). Zusätzlich bleibt der iLUC-Faktor bestehen.92 Die indirekte Landnutzungs-
änderung kann zu Stande kommen, wenn beispielsweise Energiemais auf ehemals
Weizenackerflächen für die Nahrungsmittelproduktion angebaut wird und der Weizenanbau
wiederum auf Grünland ausweichen muss (GAWEL & LUDWIG 2011, S. 329). Im EEG und
auch im europäischen Recht gibt es bisher noch keine Regelungen um iLUC
entgegenzuwirken (ebd., S. 329). Für den Akteur NAT gehen somit Stilllegungs- oder
Grünlandflächen allgemein durch ihren Umbruch zu Ackerland und die Intensivierung der
Nutzung für den Naturschutz verloren (02NAT:125). In MV ist auf 267.175 ha (2007) Fläche
selbstbewirtschaftete Grünlandnutzung zu verzeichnen – dies entspricht einem Rückgang von
3,6 % seit 2001. Auf Rügen hat sich die Grünlandfläche dagegen seit 2001 um 3,1 % auf
11.328 ha (2007) vergrößert (Quelle: STATLA MV). Die Angst vor einer Einschränkung der
Grünlandnutzung ist hier also unbegründet. Allerdings sagen diese Zahlen nichts über die
Bewirtschaftungsintensität der Grünlandflächen aus.
92 Vgl. Kapitel 4.3.2
103
7.2.3 Rational wirtschaftliche Handlungsmuster des primären Sektors im Kontext gesetzli-
cher Rahmenbedingungen
Rational wirtschaftliche Handlungsmuster93 lassen sich aus den Daten in einer Vielzahl von
Sektoren ausmachen. So ist auf Rügen der tertiäre Sektor besonders durch den Tourismus
vertreten, dessen Akteure durch Energieeffizienz und -konsistenz und im Sinne des wirt-
schaftlichen Prinzips um einen Standortvorteil wetteifern (Art. 59). Aber auch im administra-
tiven Lager der Kreisverwaltung und in Parteiverbänden Rügens denkt man unter der Prämis-
se der regionalen Wertschöpfung vornehmlich rational wirtschaftlich (Art. 24, R07). Vom
Akteur POL werden diese Muster besonders im regionalen Handwerk wahrgenommen
(04POL:15). Die Wahrnehmung des regionalen Handwerks fokussiert sich wiederum auf den
primären Landwirtschaftssektor (07KHW:15; 55). In diesem Abschnitt der Diskussion sollen
nur diese rational wirtschaftlichen Handlungsmuster des Landwirtschaftssektors diskutiert
werden, da sie aufbauend auf den Vergütungen des EEG als ein Ausgangspunkt der Flächen-
nutzungskonkurrenzen und der Intensivierung der Landwirtschaft angenommen werden.
Um rational wirtschaftliche Einstellungen zu diskutieren, wird an dieser Stelle das Menschen-
bild des Homo Oeconomicus herangezogen. Auch wenn dieses Menschenbild den Idealtypus
des neoliberalen Weltbildes darstellt, mit dem man eher makroökonomische Prozesse oder
aggregiertes menschliches Verhalten beschreiben kann (FRANZ 2004, S. 2), soll dieses Modell
dazu benutzt werden, bestimmte Handlungen von Landwirten zu interpretieren. Unter der
Annahme eines Rational Actor Paradigm unternehmen Welp et al. (2006) dagegen eine Be-
schreibung rationaler Handlungsmuster, die man auf individuelle Akteure anwenden kann
(WELP et al. 2006, S. 174). Diese Annahme soll auch hier Berücksichtigung finden. Das Men-
schenbild des Homo Oeconomicus darf man allerdings nicht als real existierenden Menschen
auffassen, sondern sollte es eher als Abstraktion verstehen. So stellt Rost (2009) fest, dass
sich Menschen nicht immer und ausschließlich wie ein Homo Oeconomicus verhalten, son-
dern auch spezifische Empfindungen von Fairness oder Unfairness besitzen (ROST 2009,
S. 18ff.). Franz (2004) gibt folgende Kriterien für das Menschenbild Homo Oeconomicus an:
Er handelt eigeninteressiert und rational, will seinen eigenen Nutzen maximieren, reagiert auf
Restriktionen, hat feststehende Präferenzen94 und verfügt über (vollständige) Informationen
(FRANZ 2004, S. 4). Als Restriktionen erwähnt Franz (2004) unter anderem die institutionellen
Gegebenheiten und die auf den Märkten erwarteten und geltenden Preise (ebd., S. 7).
Eine Restriktion, die besonders im Kraftstoffsektor hart einschlägt, ist die bundesdeutsche
Steuerpolitik. Auf Biodiesel muss mittlerweile eine Steuer gezahlt werden. Im Lokaldiskurs
wird angegeben, dass dieser Aspekt „Rügens Landwirten das Geschäft vermasselt“ hätte
(Art. 75). Die Reaktion auf diese Restriktion heißt: Rapsöl als Heizmittel einsetzen. Auch der
93 Vgl. Kapitel 6.1.3 f), 6.2.5 und 6.2.6 94 Siehe Glossar
104
Akteur ROT gibt an, dass Rapsöl als Kraftstoff seit der Besteuerung unrentabel geworden ist
(04ROT:87). In Bezug auf den Rapsanbau sind auch die aktuellen Marktpreise ausschlagge-
bend, die mit „aktuell 130 Euro pro Tonne […] kein lohnendes Geschäft versprechen“
(Art. 75).
Die Kriterien der Rationalität und Nutzenmaximierung sind untrennbar miteinander verbun-
den (FRANZ 2004, S. 5f.). Allerdings muss für jedes Individuum auch das spezifische Werte-
system berücksichtigt werden (ebd., S. 5f.). Aus rein wirtschaftlicher Sicht ist es für einen
Landwirt das oberste Ziel, den größtmöglichen Ertrag pro Fläche zu ernten und diesen Ertrag
zu optimalen Preisen zu veräußern. Dies spiegelt sich im Akteursdiskurs wieder: Es wird das
angebaut, was am meisten Geld bringt (03TOU:87; 04POL:63). Die Akteure ROT und KHW
identifizieren dabei die Maispflanze als lukrativste Einnahmequelle bei der Biogasproduktion
(05ROT:151; 07KHW:51).95 Grassilage von Dauergrünland oder aus dem Grasanbau rechnet
sich für die Biogaserzeugung dagegen nicht (05ROT:151).96 Hierbei geht es allerdings vor-
nehmlich um die Energieausbeute, die wiederum über das EEG vergütet wird. In diesem Zu-
sammenhang bringt der Akteur KHW die Vergütung von Bioenergie und die damit verbunde-
ne Ausweitung des Energiepflanzenanbaus direkt mit der Flächenkonkurrenz zur Nahrungs-
mittelproduktion in Verbindung (07KHW:55). Für den Akteur ROT ist es logisch Energie-
pflanzen anzubauen, wenn man damit mehr Geld erlösen kann, und den Nahrungsmittelanbau
als unlukrativer zurückzufahren (05ROT:111). Anders kann man landwirtschaftliche Betriebe
nicht führen (ebd.). Hier sieht auch der Akteur WIR Entwicklungen gegeben, die die Pacht-
preise nach oben treiben und die unbedingt besser reguliert werden müssen (08WIR:51). Die
Nutzenmaximierung richtet sich dabei direkt nach externen Restriktionen. In diesem Fall nach
der Vergütung von Bioenergie durch das EEG, die lukrativer und sicherer ist als die gängigen
Marktpreise.97 Auch Ammermann & Mengel (2011) weisen darauf hin, dass Stoffströme sehr
stark durch wirtschaftliche Überlegungen geprägt sind, für die die gesetzlichen Vergütungen
eine gewichtige Rolle spielen (AMMERMANN & MENGEL 2011, S. 327). Hieraus würden sich
direkt Flächennutzungskonkurrenzen zur Nahrungsmittelproduktion aber auch zum Natur-
schutz ergeben (ebd., S. 327).
Das Ausmaß des Energiepflanzenanbaus ist abhängig von der Anzahl und Größe von BGAn.
Und diese beiden Aspekte sind wiederum abhängig von der EEG-Vergütung.98 Neben der
Grundvergütung von 11,67 Cent/KWh (bis 150 kW Anlagenleistung99) wird für BGAn derzeit
ein NawaRo-Bonus von sieben Cent pro erzeugte und eingespeiste Kilowattstunde gezahlt
(FNR 2010b, S. 7). Seit der letzten Novelle des EEG im Jahr 2009, gibt es allerdings
Vergütungsmaßnahmen, die zu einer Entlastung des Energiepflanzenmarktes führen sollen
(WEDEMEYER 2009, S. 26). So gilt beispielsweise das Prinzip zur ausschließlichen Nutzung
95 Vgl. Abschnitt 7.1.1 96 Vgl. Abschnitt 7.1.2 97 Bezüglich der Abnahmesicherheit vgl. Abschnitt 7.2.1 98 Vgl. Kapitel 4.3.2 99 Bei höherer Anlagenleistung bestehen niedrigere Grundvergütungssätze (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1-4 EEG 09)
105
von NawaRo nicht mehr. Das heißt, dass NawaRo nun mit bestimmten rein pflanzlichen
Nebenprodukten kombiniert werden können.100 Zusätzlich wird auf den Einsatz von
mindestens 30 Masseprozent Gülle ein Bonus von 4 Cent (bis 150 kW Anlagenleistung) und
von mindestens 50 Masseprozent Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen aus der
Landschaftspflege ein Bonus von 2 Cent (bis 500 kW Anlagenleistung) gezahlt. Damit steigt
der Energiepflanzenanbau zwar weniger stark, aber absolut gesehen immer noch an. Man
sieht, dass hier keine verpflichtenden Festlegungen getroffen wurden, sondern nur ein Anreiz
für eine Minderung des Energiepflanzenanteils erbracht wurde. Auf Rügen wird zumindest
Gülle in allen vier BGAn verwendet. Eine Verwendung von Landschaftspflegematerial ist
allerdings noch nicht gegeben.101 In Verbindung mit der Güllenutzung muss man
berücksichtigen, dass es sich um Konfiskate, also Reststoffe der Viehhaltung handelt. Die
Viehhaltung ist damit notwendig. Auch hierbei besteht die Möglichkeit der indirekten
Landnutzungsänderung. So könnten sich durch eventuelle Vergütungsanreize für die
Verwendung von Gülle oder Hühnermist in BGAn die Flächen von Geflügel- oder
Viehmastbetrieben ausweiten (GAWEL & LUDWIG 2011, S. 333).
Das Problem bei den europäischen Regelungen für eine nachhaltige Bioenergieerzeugung
äußert sich in der Hinsicht, das soziale Gesichtspunkte, Anforderungen an die
landwirtschaftliche Produktion von Exportbiomasse aus Drittländern, sowie die Erhaltung der
Kulturpflanzenvielfalt und die Gefahr steigender Nahrungsmittelpreise nicht ausreichend
berücksichtigt werden (LUDWIG 2009, S. 832). Ein weiteres Problem für die Implementierung
von nachhaltiger Bioenergienutzung ergibt sich für die EU-Mitgliedsstaaten, welche nach
Artikel 17 Absatz 8 der EE-RL keine strengeren Anforderungen als die europäische Richtlinie
aufstellen dürfen. Die Hoheit zur Verbesserung des Kriterienkatalogs obliegt also allein dem
europäischen Gesetzgeber (ebd., S. 833). Unter dem Gedankenstrich „Lockerung des
Treiberdrucks aus dem politischen Raum“ fordern Gawel & Ludwig ein Absenken der
Einspeisevergütungen für die Stromgewinnung (GAWEL & LUDWIG 2011, S. 333). Durch
diese Maßnahme, die praktikabel und auch unmittelbar verfügbar ist, würde sich zwar die
Nachfrage nach Biomasse für die Energieerzeugung und damit generell der Druck auf Land
entschärfen. Es könnte aber auch die Gefahr von Existenzverlusten im Landwirtschaftssektor
und bei BGAn erzeugen. Trotzdem würden beispielsweise Agrarumweltprogramme für
Landwirte wieder attraktiver werden (ebd., S. 333f.).
Franz (2004) gibt die Eigenschaft eines strategisch handelnden Wirtschaftssubjektes an, kurz-
fristige Verluste einzugehen um ein langfristiges Ziel zu verfolgen (FRANZ 2004, S. 7). Die
Schlagzeile „Preise im Keller: Rügens Bauern in Finanznot“ (Art. 57) im Lokaldiskurs
macht allerdings deutlich, dass Landwirte notgedrungen rational wirtschaftlich handeln. Viele
Landwirte könnten sich nur noch mit staatlichen Hilfen über Wasser halten (ebd.). Für
Welp et al. (2006) ist dieses Problem mit der Tatsache verbunden, dass reale Akteure eben
100 Diese sind ersichtlich in einer Positivliste (vgl. Anlage 2 V EEG 09). 101 Vgl. Kapitel 4.4
106
nicht über vollständige Informationen, z.B. über die Kosten und Vorteile von Alternativen
verfügen und gezwungen sind, unsichere Entscheidungen zu treffen (WELP et al. 2006,
S. 175). Hierfür kann eine passende Beschreibung des Akteurs BAU herangezogen werden:
„Und, äh, der am unteren Ende, so wie wir Landwirte, wir verdienen dort im Prinzip fast
mit am wenigsten, ne? Deshalb sind wir natürlich auch immer bestrebt, so viel wie mög-
lich-, dat is eigentlich genauso so 'n Widersinn, ne? Dat is so 'n Teufelskreis, dat heißt,
du musst intensivieren, du musst sehen, dat du eben von der Fläche […] ein Maximum an
Produktion erzielst, ne? […] dat ist eben Marktwirtschaft, dat is Marktwirtschaft und da
widerspricht sich auch einiget, ne, bei den Dingen.“ (09BAU:39)
In diesem Zusammenhang macht ROT deutlich, dass die eigentliche Intention der Landwirt-
schaft durch externe Restriktionen immer mehr in den Hintergrund gerät: Der Großteil der
Arbeit findet im Büro statt und besteht aus dem Wälzen von Verordnungen und dem Studie-
ren von Börsendaten (05ROT:123). Gleichzeitig meint der Akteur aber auch, dass die gesetz-
liche Vergütung aus wirtschaftlicher Sicht immer ein Hindernis ist (ebd.). Es ergibt sich also
auch eine Verschiebung der Präferenzen landwirtschaftlicher Akteure durch externe Restrikti-
onen (FRANZ 2004, S. 8).
Das Problem der Landwirtschaft, wie auch vieler anderer Sektoren, ist das Preis- und Wert-
verständnis von Gütern. Nachhaltig erzeugte Produkte wie zum Beispiel biologisch angebaute
Feldfrüchte sind vom Preis her teurer, weil die externen Kosten (Vermeidung von Pestizidbe-
lastung und Eutrophierung von Böden und Gewässern ect.) im Preis inbegriffen sind und auf
den Verbraucher umgelegt werden. Billigere Konkurrenzprodukte aus der intensiven Land-
wirtschaft können kurzfristig effektiver produziert werden. Ihre Folgekosten müssen wir je-
doch alle tragen. Patel (2010) gibt dieses Phänomen als „unmittelbare Folge profitorientierter
Märkte“ (PATEL 2010, S. 67f.) an. In diesem Zusammenhang führt er aus, dass ein Unterneh-
men der wahre Homo Oeconomicus ist (PATEL 2010, S. 68). Dies spiegelt sich auch in den
Ausführungen von Franz (2004) wider, wonach das Modell des Homo Oeconomicus eher auf
aggregiertes menschliches Handeln anwendbar ist. Aus diesem Blickwinkel können auf Rü-
gen eindeutig die C4 Energie AG als investierendes Unternehmen (BGAn Bergen und Rot-
henkirchen) und die Rügener Getreide- und Dienstleistungs-GmbH als betreibendes Unter-
nehmen (BGA Rothenkirchen) identifiziert werden (05ROT:17-27). In seiner Diskursanalyse
von deutschen Tageszeitungen zum Bioenergiethema stellt auch Mertens (2008) fest, dass bei
manchen Unternehmen unter dem betriebswirtschaftlichen Gedanken einfach „kein Platz für
das Denken an den Ursprung der günstigen Ware“ (MERTENS 2008, S. 63) bleibt. Eine Mög-
lichkeit müsse genutzt werden ohne an die Folgen zu denken (ebd., S. 63). Dieses Dilemma
wirkt einer nachhaltigen Entwicklung innerhalb des Bioenergiesektors entgegen, weil die
Nutzenmaximierung als oberste Prämisse angenommen wird. Die Folgen hiervon geben die
bisherigen Abschnitte dieses Kapitels wider.
107
7.3 Information und Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf eine nachhaltige
Bioenergienutzung
Der Aspekt der Information wird als oberste Voraussetzung für die Akzeptanzschaffung
gegenüber Bioenergie angesehen. Hier muss die Basis geschaffen werden (09BAU:11).
Brohmann et al. (2008) kommen zu dem Ergebnis, dass die mangelnde Information als ein
nichttechnisches Hemmnis der Biogasnutzung bei 56,3 % ihrer befragten Experten eine hohe
Bedeutung hat (BROHMANN et al. 2008, S. 313). Hier bestehen also allgemein große Mängel.
Im bisherigen Projektzeitraum der BER Rügen gab es verschiedene Informationsmodi, die auf
unterschiedliche Entwicklungspfade abzielten. Zum einen gibt es die kontinuierliche
Berichterstattung der lokalen Printmedien, zum zweiten die Öffentlichkeitsarbeit unter der
Projektträgerschaft von KHW und zum dritten unter der Trägerschaft von BER.
Unter der Trägerschaft von KHW sollte vor allem der Erfolg von Einzelprojekten nach außen
kommuniziert (07KHW:11) und über Energieeffizienz aufgeklärt werden. Bei letzterem be-
steht allerdings die Gefahr von Rebound-Effekten in der Bevölkerung (LINZ 2006, S. 8), z.B.
mit der Mehrnutzung von elektrischer Energie aufgrund der Kosteneinsparung durch Wärme-
dämmung. Im Lokaldiskurs wird – im Vergleich zu Konsistenz und Suffizienz – vorrangig
über Energieeffizienz berichtet. Bei diesem Hauptschwerpunkt müssten alle Potentiale ausge-
schöpft werden (Art. 01, 03, 05, R02). Damit steht die Effizienz unter dem Deckmantel der
wirtschaftlichen Nutzenmaximierung (SACHS 2002, S. 52; VON WINTERFELD 2002, S. 28).
Effizienz kann nicht der alleinige Weg zur nachhaltigen Bioenergieerzeugung sein, denn die
globale Bevölkerungszunahme und wachsende Konsumansprüche (LINZ et al. 2002, S. 5), wie
auch der ansteigende Energieverbrauch (PAECH 2005, S. 55) induzieren diese Nutzenmaxi-
mierung und laufen einer nachhaltigen Entwicklung entgegen.
Neben der direkten Berichterstattung der Printmedien, wird auf zahlreichen Informationsver-
anstaltungen und Ausstellungen indirekt über Bioenergie informiert. Hierzu finden sich auch
Berichte im Lokaldiskurs.102 In welcher Weise hierüber berichtet wird, ist jedoch besorgniser-
regend: Auf dem ersten Rügener Klimatag wird der „Energie- und Klimaschutz zum Entwick-
lungsmotor der Insel“ (Art.14) auserkoren. Hiermit kann ein mechanistisches Weltbild mit
dem Verbrennungsmotor als Sinnbild für Industrialisierung und dem Menschen als Maschi-
nisten assoziiert werden (VON LÜPKE 2003, S. 43). Motoren werden zumindest bisher noch zu
einem Großteil mit Öl und Kraftstoff betrieben, welche aus fossilen Quellen stammen. Dage-
gen wurde über E-10 nicht ausreichend in den Medien aufgeklärt bzw. der Kraftstoff ist kaum
akzeptiert (01BER:48) und die Klimafreundlichkeit von Biodiesel ist umstritten (02NAT:71).
Das mechanistische Weltbild impliziert eine Reduktion der Natur auf ihren instrumentellen
Gebrauchswert über den der Mensch dominierend und kontrollierend herrscht (VON LÜPKE
2003, S. 43). Eine solche Anschauung widerspricht der Konstanthaltung des ökologischen
102 Vgl. Kapitel 6.1.3 d)
108
Kapitals und seiner lebensnotwendigen Ökosystemleistungen, wie es eine starke Nachhaltig-
keit präferiert (PAECH 2006, S. 48; OTT 2010, S. 167).
Auch die Öffentlichkeitsarbeit unter der Trägerschaft von KHW ist nicht ganz wertungsfrei.
In diesem Zusammenhang taucht vor allem der Wettbewerbsgedanke in Form eines Fotowett-
bewerbs (Art. R12) und des Bioenergie-Cups auf der Rügana (Art. 87) auf. Hierdurch besteht
die Möglichkeit den Wettbewerbsdrang in jedem Leser zu wecken, anstatt ihn mit objektiven
Informationen aufzuklären. Und im Wettbewerb wird es immer Verlierer geben, was zu einer
intragenerationellen Ungerechtigkeit und nicht zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt. Diese
Wettbewerbe sind natürlich nur Beispiele, die nichts mit der real existierenden Wirtschaft zu
tun haben. Aber sie spornen an, sich im Arbeitsalltag genauso zu verhalten. Wettbewerbsver-
halten, welches seine auskristallisierte Form im Unternehmen manifestiert, besitzt „keinen
originären Nachhaltigkeitsbezug“ (PAECH 2006, S. 59).
Nach dem Trägerwechsel auf BER wird auch verstärkt über die energetische Reststoffnutzung
von Landschaftspflegematerial auf Hiddensee aufgeklärt (01BER:16). Der Akteur WIR äußert
dagegen Bedenken an der aktuellen Öffentlichkeitsarbeit von BER, die nicht mehr so sehr
nach außen sichtbar ist und wieder breitenwirksamer werden muss (08WIR:59). Reststoff-
und Energieeinsparpotentiale im Gastgewerbe würden nicht aufgezeigt (ebd.). Für BER zielt
die Öffentlichkeitsarbeit besonders auf die Umweltbildung ab, um von Grund auf bei den
Kindern und Jugendlichen alte Strukturen aufzubrechen (01BER:40). Hierfür leistet auch das
Biosphärenreservat Südost Rügen mit seiner Umweltbildung kräftige Unterstützung, wie im
Lokaldiskurs berichtet wird (Art. 12).
Die aktuelle Netzwerkarbeit unter BER setzt auch auf eine Kooperation mit den lokalen Print-
medien (OZ & Rüganer), um über allgemeine und aktuelle Themen wie E-10 oder Vermai-
sung aufzuklären. Dies geschieht auch mit der Intention, dass Privatpersonen und Akteure das
Netzwerk anrufen und sich die Information durch einen Anruf aus erster Hand holen
(01BER:41). Diese indirekte Information setzt jedoch die Bereitschaft zum Anruf voraus. Im
Gegensatz dazu plädieren Brohmann et al (2008) dafür, die Sorgen von Anwohnern von ge-
planten BGAn bereits in der Planungsphase präventiv und direkt über eine Klingeltour aufzu-
nehmen (BROHMANN et al. 2008, S. 309).
Über Konsistenzstrategien wird nicht ausreichend aufgeklärt. An einer Aussage des Akteurs
POL kann man das abstrakte Verständnis von Konsistenz erkennen: Für ihn sind die ge-
schlossenen Kreisläufe von Bioenergie nachhaltiger als die Nutzung fossiler Energieträger
(04POL:51). Allerdings kann man nicht von einer vollkommenen Konsistenz ausgehen, wenn
zusätzliche Stoffe (z.B. Pestizide, mineralische Düngemittel) in die Kreisläufe eingebracht
werden. Im Regionaldiskurs wird über Pestizide kaum (Art. 047) und über mineralische Dün-
ger gar nicht berichtet. Im Lokaldiskurs wird angesprochen, dass die Ostsee nach wie vor
überdüngt ist und hieraus auch das Algenproblem an Rügens Stränden herrührt (Art. 41). Der
Akteur NAT weist zusätzlich auf die CO2-Bilanz von Biokraftstoffen hin, die mitunter negativ
109
ausfällt (02NAT:71). Das Problem bei der Konsistenzfrage ist ein variierendes Verständnis
von schädlichen Stoffen bzw. der wirtschaftliche Teufelskreis, in dem die Landwirte sich be-
finden (09BAU:39). Auch hierbei scheint die Strategie auf die (landwirtschaftliche) Nutzen-
maximierung abzuzielen.103 Paech (2005) spricht die Inputseite an, was sich in diesem Fall
auf mineralische Dünger und Pestizide bezieht:
„Wenn etwas Neues in die Welt gesetzt wird, das den anvisierten Nachhaltigkeitseffekt
verfehlt, wird es automatisch zum Teil des Problems, weil es im Saldo zusätzliche Stoff-
flüsse induziert.“ (PAECH 2005, S. 66)
Im Kontext der Konsistenzstrategie ist auch die mediale Berichterstattung über Reststoffe
nicht als optimal einzustufen. Es wird diskutiert, ob sich die Nutzung von Reststoffen (Land-
schaftspflegematerial) betriebswirtschaftlich überhaupt lohnen würde (Art. 51). Diese Unwirt-
schaftlichkeit bestätigt sich auch für Grünschnitt und Pflanzenabfälle auf Rügen (05ROT:151;
08WIR:19). Andere Reststoffe wie Seealgen und Klärschlamm befinden sich darüber hinaus
noch in der Erforschungsphase, können aufgrund fehlender Einrichtungen nicht verwertet und
zu dem nur sehr kostspielig entsorgt werden (Art. 69, R07). Der WBGU (2008) sieht für Rest-
stoffe die Notwendigkeit einer prioritären Rollenzuweisung gegenüber den Energiepflanzen,
allerdings nur auf der Basis einer verbesserten Entsorgungsinfrastruktur und dem Abbau von
Informationsdefiziten (WBGU 2008, S. 289). Weil der Nutzenanreiz durch das EEG für Rest-
stoffe noch nicht optimal ist (01BER:60; 09BAU:19), wird hierfür wahrscheinlich noch nicht
die passende Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Auf die mangelnde Information über Konsistenz
nimmt wiederum Paech (2005) Bezug: Demnach werden Konsumenten durch die Technik-
zentrierung der Konsistenzstrategie „zu passiven Statisten ohne eigene Verantwortung degra-
diert […]. Ihnen sollen unbequeme Lernprozesse oder Bedarfsreflexionen erspart bleiben“
(PAECH 2005, S. 56). Hiermit soll zur Suffizienz, die als absolut notwendig für eine nachhalti-
ge Energienutzung angenommen wird (LINZ 2002, S. 10), übergeleitet werden.104
Die Strategie der Suffizienz wird im Lokaldiskurs mit dem Verweis auf die Web-Plattform
der BER Rügen (Art. R12) und auf die Energiemesse in Baabe (Art. R08) angesprochen. Ein
weiterer Suffizienzaspekt lässt sich im Bereich öffentlicher Gebäude (Rathaus Bergen) identi-
fizieren (Art. 32). Den Vorteil der Web-Plattform, der sich in abrufbarer Information manifes-
tiert, heben auch Brohmann et al. (2008) hervor (BROHMANN et al. 2008, S. 310). Beim Inter-
net muss allerdings vorgehalten werden, dass viele ältere Einwohner Rügens möglicherweise
nicht das passende Interesse oder Wissen für die Nutzung besitzen. Diesbezüglich merken
Keppler & Töpfer (2006) an, dass Informationsangebote mit zielgruppenspezifischen Infor-
mationsgewohnheiten abzustimmen sind (KEPPLER & TÖPFER 2006, S. 23). In den Printme-
dien selbst wird dagegen nicht kommuniziert, wie genau die Verbraucher eine absolute Ener-
gieeinsparung realisieren können. Dies gilt auch für die aktuelle Öffentlichkeitsarbeit, soweit
103 Vgl. Abschnitt 7.2.3 104 Vgl. Kapitel 3.2.3
110
es BER ausführt. Die Verwechslungsgefahr zwischen Suffizienz und Effizienz ist deutlich
erkennbar, da sich beide Strategien mit Einsparung beschäftigen. Hier sollten auch vom BER-
Netzwerk detailliertere Definitionen publiziert werden.
Im Lokaldiskurs erfolgt eine regelrechte Zuschüttung mit Relevanzbegründungen: Bioenergie
ist günstig, umweltfreundlich, schafft Arbeitsplätze und bietet eine sichere Energieversor-
gung. Die stärksten Debatten werden dabei um die Versorgungssicherheit (Art. 33, 71, 93)
und Günstigkeit (Art. 71) geführt. In Bezug auf die Günstigkeit erwähnt der Akteur POL eine
widersprüchliche Meinung eines Lokaleinwohners, wonach Bioenergie in Zeitungsberichten
als „viel zu teuer“ (05POL:39) dargestellt wird. Die genaue Bedeutung von Umweltfreund-
lichkeit in Bezug auf Bioenergie wird im Lokaldiskurs nicht geklärt. Bemerkungen wie das
Profitieren der Umwelt durch Biogaswärme (Art. 33) lenken die Aufmerksamkeit des Lesers
auf die Nutzenmaximierung eines Homo Oeconomicus, beschreiben aber nicht, in welcher
Weise Bioenergie umweltfreundlich ist oder welche Aspekte sie umweltschädlich machen.
Die CO2-Einsparung von Bioenergie wird zwar thematisiert105, Lachgas- und Methanbilanzen
werden dagegen nicht angesprochen. Diesbezüglich identifiziert Stoll (1999) die von Medien
vermittelten Informationen nicht als wissens- und wertebildend bzw. einer Sensibilisierung
von Umweltproblematiken nicht zuträglich, da sie sich zu fern von der Alltagswelt der Lokal-
einwohner bewegen (STOLL 1999, S. 145ff.).
Eine seriöse und neutrale Berichterstattung ist nicht gegeben. So sehen Brohmann et al.
(2008) die Presse nicht als Akteur der Öffentlichkeitsarbeit an (BROHMANN et al. 2008,
S. 311) und die interviewten Experten deklarieren die mediale Berichterstattung als Falschin-
formationen und Informationsbarriere (ebd., S. 310). Diese Auffassung ähnelt Meinungen des
Akteursdiskurses: So nimmt POL „Spitzfindigkeiten“ in den Zeitungsartikeln wahr, die in
einer Pauschalisierung in unserer Gesellschaft münden (04POL:39). Auch der Akteur BER
bemerkt, dass die positiven Sachen selten in den Medien vermittelt werden. Dies seien vor
allem Gewerbesteuer und günstige Werbung für die Region (01BER:40). Im Gegensatz zu
nicht publizierten positiven Aspekten sieht BER hier eher eine Reproduktion von Vorurteilen,
vor allem Geruchsbelästigung von BGAn und erhöhte Straßenbelastung (01BER:44). Hierzu
ist allerdings zu bemerken, dass Geruchsbelästigungen nach Meinung von ROT und BAU
aktuell schon beherrschbar sind (05ROT:95; 09BAU:19). Brohmann et al. (2008) greifen die-
sen Gedanken auf, unterscheiden nach Informationsstadien der Planung, des Baus und Be-
triebs von BGAn und meinen, dass schon in der Planungsphase über diese beiden Hemmnisse
konkret aufgeklärt werde müsste (BROHMANN et al. 2008, S. 314). Mit einem starken Ausmaß
an wertender Berichterstattung wird die Akzeptanz und nachhaltige Implementierung von
Bioenergie in der Region Rügen nicht nur geschmälert. Sie trägt aus diskurstheoretischer
Sicht auch dazu bei, nichtnachhaltige Produktions- und Verhaltensmuster fortzuführen.
105 Vgl. Kapitel 6.1.3 b)
111
8. Fazit und Handlungsempfehlungen
In diesem Fazit sollen die gestellten Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit
zusammenfassend beantwortet werden. Im Anschluss soll der Hauptfragestellung mit Hilfe
von Handlungsempfehlungen an das BER-Netzwerk und die beteiligten Akteure, sowie die
nationale Gesetzgebung im EEG und ihren flankierenden Verordnungen entgegen gekommen
werden. Zunächst stellte sich die erste Forschungsfrage, wie sich die Berichterstattung über
Bioenergie und ihre Nachhaltigkeit in den lokalen Printmedien manifestiert.
In Bezug auf die Bioenergienutzung werden etliche Probleme in den Printmedien auf Rügen
thematisiert, gegen die sich bisweilen Widerstand entwickeln könnte. Hier werden besonders
die erhöhte Verkehrsbelastung von Biomassetransporten und die Geruchsbelästigung von
BGAn angesprochen. Auch Lärmbelästigung durch den Bau von BGAn wird befürchtet. Zu
den gesellschaftlichen Problemen gesellen sich noch ein starker Widerstand gegen die infra-
strukturelle Erschließung in Form des Ausbaus der Fernwärmenetze und eine mögliche ästhe-
tische Einschränkung, hier aber vor allem durch industrielle Anlagen und nicht durch Ener-
giepflanzen-Monokulturen. Für die landwirtschaftliche Basis ergeben sich dagegen Probleme
durch externe Einflüsse aus Richtung nationaler Steuerpolitik und Marktpreise für Feldfrüch-
te. Beide Einflüsse betreffen den Rapsanbau bzw. die Rapsöl- und Biodieselproduktion. Öko-
logische Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus auf Rügen werden kaum thematisiert.
Einzelne Stimmen äußern sich in dieser Beziehung zum Grünlandumbruch, welcher die regi-
onale Storchenpopulation durch eine intensivierte Landwirtschaft schrumpfen lassen würde.
Ein Großteil der möglichen Reststoffe wird für die Nutzung in herkömmlichen BGAn als
problematisch dargestellt. Darüber hinaus besteht bei einigen Reststoffen (besonders Algen
und Seegras) noch ausgiebiger Forschungsbedarf. Andere Reststoffe (z.B. kommunale Bioab-
fälle oder Grünschnitt) rechnen sich aufgrund von Transport- und Verarbeitungskosten ein-
fach nicht. Bei kommunalen Bioabfällen wird die Entsorgung vom Landkreis ausgeschrieben.
Eine Umstellung des regionalen RPNV auf Biomethan aus Abfällen der Gastronomie und
Hotellerie hängt noch in der Schwebe.
Für die Relevanz von Bioenergie werden eine Vielzahl von pauschalisierten Begründungen
ins Feld geführt, die nicht detailliert erklärt werden, über die jedoch zum Teil heftig diskutiert
wird (besonders Günstigkeit und Versorgungssicherheit). Vor allem die Umwelt- bzw. Klima-
freundlichkeit dient anscheinend dazu, für die naturräumlich schon sehr ansprechende Ur-
laubsregion Rügen einen erhöhten Standortvorteil zu instrumentalisieren. So wird dieses Vor-
haben auch am stärksten vom Tourismussektor gefordert.
Über die Vergütungsrichtlinien des EEG wird kaum in den Medien berichtet. Da die Förde-
rung der BER Rügen über das BMELV nur bis 2013 gesichert ist, wird eine schnellere Um-
setzung der Ziele durch eine Maximalanzahl an Projekten gefordert. Eine zweite Förderperio-
de wird zurzeit diskutiert. Es wird jedoch nicht darüber informiert, dass diese Fördermittel nur
112
für Netzwerkarbeit verwendet werden können und nicht um für konkrete Projekte eine An-
schubfinanzierung zu gewährleisten.
Im Diskurs werden zahlreiche Informationsquellen aufgeführt, auf denen sich die Einheimi-
schen über Bioenergieerzeugung und -nutzung informieren können. Die näheren Detailbe-
schreibungen dieser Informationsquellen sind jedoch selten neutral und wertungsfrei. So wird
vor allem dargestellt wie die Region und einzelne regionale Wirtschaftssektoren (z.B. Tou-
rismus und Handwerk) von Bioenergie profitieren können. Bezüglich der Ziele der BER Rü-
gen wird aufgeführt, dass „noch mehr getan werden muss“ um diese zu erreichen. Auch die
direkte Information in anderen Zeitungsartikeln ist nicht immer wertungsfrei. So wird eine
mögliche erhöhte regionale Wertschöpfung durch Bioenergie mitunter zum Anbruch des gol-
denen Zeitalters auf Rügen hochstilisiert. Auch die Natur könne von umweltfreundlichem
Biogas profitieren. Des Weiteren wird durch lenkende Information sehr stark der Wettbe-
werbsgedanke in den Lokallesern animiert. Dies trägt nicht zum Gerechtigkeitsgedanken einer
nachhaltigen Entwicklung bei.
Das Thema Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung selbst wird im Lokaldiskurs auf Rü-
gen nur sehr spärlich angesprochen. Neben drei Artikeln, die Nachhaltigkeit als Eigennamen
aufführen, gibt es eine Verweisinformation auf einen Vortrag mit dem Thema „Finanzierung
als Ausgangspunkt für Nachhaltigkeit“. Die letzte explizite Nennung bezieht sich auf die Bio-
masse für eine BGA (welche nie gebaut wurde). Diese soll nur auf 20 % der Fläche von betei-
ligten Landwirten angebaut werden. Von den drei Nachhaltigkeitsstrategien wird besonders
die Effizienz schon beinahe als Allheilmittel dargestellt. Konsistenz wird zwar indirekt in
jeder Form von Bioenergieerzeugung angesprochen, jedoch werden die näheren notwendigen
Vorraussetzungen (geschlossene Stoffkreisläufe, Ausbringung der Gärreste von BGAn als
organischer Dünger, Nutzung von Reststoffen und der Verzicht auf Mineraldünger und Pesti-
zide) selten bis gar nicht thematisiert bzw. diskutiert. Über suffiziente Strategien wird kaum
berichtet. Hierbei ist auffällig, dass Suffizienz und Effizienz oft im gleichen Atemzug genannt
bzw. verwechselt werden.
Die zweite Forschungsfrage befasste sich mit der Wahrnehmung und Einstellung von dis-
kursintegrierten Akteuren gegenüber der Bioenergienutzung auf Rügen. Hierzu wurden Er-
gebnisse der Diskursanalyse in Beziehung gesetzt. Im Gegensatz zur kaum vorhandenen Dar-
stellung von Energiepflanzen-Monokulturen in den Printmedien äußern einige Akteure ihre
Angst vor dieser möglichen Gefahr. Dies bezieht sich allerdings vornehmlich auf eine ästheti-
sche Einschränkung des Landschaftsbildes. Andere Akteure reduzieren das Phänomen von
Energiepflanzen-Monokulturen allein auf den Maisanbau, der auf Rügen bisher noch keine
negative Ausweitung erfahren hat.
Der ästhetische Aspekt des großen Rapsflächenanteils wirkt sich dagegen (besonders für den
Tourismus) positiv aus. Allerdings wird hier auch ein erhöhter Schädlingsbefall kritisiert.
Darüber hinaus gibt es kritische Stimmen zu einer möglichen Klimaunfreundlichkeit, welche
113
anhand des CO2-Lebenszyklus’ von Rapsdiesel ausgemacht wird. Ökologische Auswirkungen
eines intensivierten Anbaus von Energiepflanzen auf die Landwirtschaftsfläche, Gewässer
oder die Tierwelt werden kaum wahrgenommen.
Auch über das Problem der Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion wird diskutiert.
Es stellt sich heraus, dass der landwirtschaftliche Sektor zum Großteil auf rationaler Gewinn-
maximierung basiert, welche durch die Bioenergievergütung nach EEG mitforciert wird und
externen Faktoren wie Marktpreisen unterliegt. Landwirte müssen demnach notgedrungen
intensivieren. Hier sollten rechtzeitig konkrete Regelungen institutionalisiert werden, die den
unbegrenzten Ausbau von Bioenergieanlagen und Energie-Mais in Deutschland eindämmen.
Auf Rügen wird ein Flächenkonkurrenzproblem nicht wahrgenommen. Diesbezüglich würden
Nahrungsmittel- und Pachtpreise von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt und nicht nur
vom Energiepflanzenanbau.
Auch die Reststoffnutzung ist von der Vergütung durch das EEG abhängig. Wenn diese nicht
gezahlt wird, wäre die energetische Nutzung unlukrativ. In diesem Zusammenhang bestehen
noch große rechtliche Defizite für die Algenfrage an Rügens Stränden. Generell wird von den
meisten Akteuren postuliert, dass eine rein reststoffartige Biogaserzeugung nicht möglich ist,
das Substrat somit immer aus einem gewissen Anteil Energiepflanzen bestehen muss. Hierzu
besteht allerdings auch der Gegenbeweis in der BGA Putbus/Pastitz. Allgemein lässt sich sa-
gen, dass die Wahrnehmung der Akteure bezüglich der Reststoffnutzung der medialen Be-
richterstattung im Grunde sehr ähnlich ist. Allerdings weist die mediale Berichterstattung
nicht auf die Vereinbarkeit von Reststoffnutzung (Landschaftspflegematerial) und Natur-
schutzzielen hin, wie sie beispielsweise auf Hiddensee zu realisieren versucht wird.
Die Akzeptanz von BGAn in der Bevölkerung lässt sich anhand der Akteursaussagen an drei
Haupteinflussfaktoren ausmachen. Demnach spielt neben der Zentralität des Anlagenstandor-
tes und der Anlagengröße auch der Grad an Partizipationsmöglichkeit der Lokalbevölkerung
eine Rolle. Als Nebeneinflussfaktoren wurden zusätzlich die künftige Ausweitung von BGAn
und Energiepflanzenanbau sowie die Erneuerbare-Energien-Umlage identifiziert. Durch letz-
tere würde gesetzlich geregelt, dass die Vergütungskosten der Bioenergie auf den Verbrau-
cher umgelegt werden und der Strompreis teuer bleibt. Wie sich die meisten Akteure einig
sind, müssten deswegen die Vergütungssätze rechtzeitig zurückgefahren werden.
Neben den Akzeptanzfaktoren wurde deutlich, dass eine handlungsunwillige Mentalitätsaus-
richtung und alteingesessene Werte in der Lokalbevölkerung existieren, welche in einer man-
gelnden Partizipationsbereitschaft im Planungs- und Entscheidungsprozess von Bioenergiean-
lagen resultieren. Diesbezüglich wird die Unfähigkeit bzw. Abgeneigtheit zur Partizipation
und Investition in kommunal organisierte Bioenergieprojekte mit der Altersstruktur und der
mangelnden Investitionskraft der zum Teil sehr zerklüfteten Gemeinden in Verbindung ge-
bracht. Der Genossenschaftsbegriff, welcher die optimale Organisationsform für Bioenergie-
anlagen wäre, ist in den Augen der Lokalbevölkerung durch vergangene Ereignisse negativ
114
aufgeladen. Gerade mehr BGAn in dieser Organisationsform brächten aber die Möglichkeit,
eine mögliche regionale Wertschöpfung gerecht zu verteilen und damit soziale Konsistenz zu
implementieren. Hier gegen wirkt neben traditionellen Verhaltensmustern kommunalpoliti-
scher Entscheidungsträger auch die Abneigung des Tourismussektors, der die Bioenergienut-
zung nicht im Bereich der Energieromantik sieht und eher als Übel wahrnimmt. Dies bezieht
sich wahrscheinlich aber nur auf große BGAn, da nach dem Untersuchungszeitraum der Dis-
kursanalyse bis 2011 zwei weitere BHKWs in Binz und Sellin entstanden sind.
Aus den Interessen und dem Verhalten der Akteure im BER-Netzwerk ergibt sich das Manko,
dass zu Beginn des Projektzeitraums die gesellschaftliche Basis mit Hilfe von Öffentlich-
keitsarbeit und Aufklärung nur unzureichend geschaffen wurde. Darüber hinaus wäre anfangs
auch kein wirkliches Konzept des Projektes erkennbar gewesen. In diesem Zusammenhang
waren gefasste Ziele einfach zu hoch gesteckt. Bei den ausführenden Akteuren ist eine man-
gelnde Kooperationsbereitschaft festzustellen. Dieser Aspekt betrifft in erster Linie den
Landwirtschafts- und Tourismussektor. Zusätzlich würden Projekte durch eine ausgeprägte
Windhundmentalität falsch bzw. unnachhaltig und einfach zu schnell realisiert.
Marketing-Interessen des Tourismussektors korrelieren mit Ergebnissen der Diskursanalyse,
wonach kleine, für Touristen erlebbare Anlagen die Attraktivität von Hotelstandorten und der
ganzen Region steigern sollen. Kleinanlagen stehen aber im Konflikt zu großen landwirt-
schaftlich betriebenen Anlagen. Ohnehin scheint der landwirtschaftliche Sektor durch externe
Restriktionen (Steuerpolitik, Marktpreise) zur Intensivierung gedrängt. Gleichzeitig sehen
landwirtschaftliche BGAn-Betreiber für sich keine großen Vorteile durch das BER-Projekt.
Die meisten projektausführenden Akteure sind sich einig, dass Fördergelder mehr für die An-
schubfinanzierung verwendet werden müssten, weil auch die Netzwerkarbeit ihrer Meinung
nach nicht in die richtige Richtung läuft. Eine Anschubfinanzierung von Projekten ist jedoch
aus förderrechtlichen Gründen nicht möglich.
Im Hinblick auf die drei Strategien der Nachhaltigkeit ähnelt die Argumentationsweise dem
Lokaldiskurs. Es wird jedoch klar, dass eine Energieeffizienz im häuslichen Bereich aufgrund
von nicht ausreichender Öffentlichkeitsarbeit ungenügend ausgebildet ist. Im Gegensatz dazu
gibt es etliche Anstrengungen, die sich auf den Bereich öffentlicher Gebäude ausbreiten.
Auch die Anlagen an sich werden immer effizienter. Die Konsistenz von Bioenergie kann in
der Wahrnehmung der meisten Akteure als unzureichend bewusst angenommen werden. Die
Reststoffnutzung wird zwar gewollt, muss aber teilweise erst noch vergütungsrechtlich insti-
tutionalisiert werden um wirtschaftlich zu sein. Der Ökolandbau wird als landwirtschaftliche
Vorraussetzung für Konsistenz nicht angesprochen. Zumindest werden die Gärreste von
BGAn als organischer Dünger wieder auf die Felder gebracht. In der Landwirtschaft kann
eine effiziente Nutzung der Konsistenzstrategie widersprechen, z.B. wenn die Nutzung von
ganzen Pflanzen zu Humuszehrung und erhöhtem Düngemittelbedarf führen. Auch im Ak-
teursdialog wird klar, dass Suffizienz so gut wie kein Thema ist und auch hier werden die
Bedeutungen von Effizienz und Suffizienz vermischt bzw. missverstanden. Im Kontext der
115
Energieerzeugung und –Nutzung wird Nachhaltigkeit auf nicht-fossile Kreisläufe reduziert.
Dagegen entsteht für den Kreisbauernverband Nachhaltigkeit in erster Instanz durch die Erfül-
lung der globalen Ernährungsbedürfnisse, was der landwirtschaftlichen Energieerzeugung
eine sekundäre Rolle zuweist.
Die dritte Forschungsfrage sollte diskutieren, welche diskurstheoretischen Parameter eine
nachhaltige Bioenergieerzeugung hemmen. Da nach der Diskurstheorie angenommen wird,
dass Zustände per se nicht existieren, somit eigentlich Alles einem permanenten Prozess un-
terliegt, ist es nicht leicht, diese Frage zu beantworten. Denn diese Parameter unterliegen auch
einem Prozess. Die Rationalität und Nutzenmaximierung von Individuen und Kollektiven und
ihr unkritisches Sprechen bzw. die Berichterstattung hierüber wirken sich auf jeden Fall nega-
tiv auf eine mögliche nachhaltige Bioenergienutzung aus. Die Institutionen, die durch diesen
Diskurs mit beeinflusst werden (z.B. EEG, EE-RL) tragen ihr Übriges dazu bei. So wird
durch das EEG momentan noch ein gewinnbringender Energiepflanzenanbau forciert.
Weiterhin fehlt dem Großteil der Menschen das nötige Wissen für eine nachhaltige Bioener-
gienutzung. Dies bezieht sich nicht nur auf die Lokalbevölkerung, wie die Akteure es darstel-
len, sondern auch auf die Akteure selbst. Denn auch ein Großteil der Akteure unterliegt dem
wirtschaftlichen Prinzip mit all seinen Eigenschaften und muss mit dem vorhandenen Wissen
Handlungen mit ungewissen Folgen ausführen. Dies wirkt sich negativ auf die Kooperation
und das Vertrauen untereinander aus. Der Transformationsprozess des nachhaltigen Wissens
von der Wissenschaft an die Praxis und von der Praxis an die Allgemeinheit und Öffentlich-
keit ist noch nicht optimal ausgebildet.
Die alteingesessenen Werte und Normen der lokalen Bevölkerung werden auch durch die
Institution der Printmedien beeinflusst. Mit einer unneutralen und pauschalisierten Berichter-
stattung über die Probleme von Bioenergie und einem Drang zur Wettbewerbsmentalität,
werden keine Lösungsmöglichkeiten für Probleme gesucht. Denn vorhandenes Misstrauen
und ein Unwillen zur Kooperation in der Bevölkerung prägt sich dadurch stetig weiter aus.
8.1 Handlungsempfehlungen
Mit den folgenden Handlungsempfehlungen soll die Fragestellung beantwortet werden: Auf
welche Art müssen diskursive Bedingungen verändert werden, um die Bioenergieerzeugung
und –Nutzung in der Region Rügen unter nachhaltigen Gesichtspunkten zu optimieren?
8.1.1 Information in lokalen Printmedien und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit
Im Hinblick auf eine optimierte, direkte Informationsstreuung sollte die Kooperation des
BER-Netzwerks mit den erscheinenden Lokalzeitungen verstärkt werden. Genauso wie es
zwischen Landwirten und Biogasanlagenbetreibern längerfristige Kooperationsverträge gibt,
116
könnte auch zwischen dem BER-Netzwerk und den lokalen Printmedien Ostsee-Zeitung und
Rüganer ein Kooperationsvertrag für eine regelmäßige, kolumnenartige Berichterstattung
ausgehandelt werden. Dabei sollten die Informationen zwar allgemein und auch allgemeinver-
ständlich gehalten werden, jedoch muss die Kolumne stets eine neutrale Erscheinung bewah-
ren, was wertende und rationale Floskeln ausschließt. Abschließend sollte für jede Ausgabe
die Webpräsens, Kontaktdaten und die aktuellen Veranstaltungstermine der BER Rügen pub-
liziert werden, durch deren Quellen detailliertere Informationen abgerufen werden können.
Des Weiteren sollten die Autoren kolumnenexterner Artikel, die Bioenergie zum Thema ha-
ben, die Expertise und Beratung des BER-Netzwerks in Anspruch nehmen oder sich zumin-
dest miteinander abstimmen. Für einen eventuell erscheinenden digitalen Newsletter könnte
die Kooperation mit dem IT-College Putbus herangezogen werden.
Durch das BER-Netzwerk sollten mehr regelmäßige Informationsveranstaltungen (z.B. quar-
talsweise und ein- bis zweistündig) realisiert werden, auf denen die Lokalbevölkerung neutra-
ler informiert wird. Die Prämisse hierbei lautet: Populärwissenschaftliche Informationen, die
anschaulich und verständlich vermittelt werden. Wenn nötig, müssten hierfür eine Umvertei-
lung von Fördergeldern oder sogar eine Änderung der BER-Förderrichtlinien durch das
BMELV erwogen werden. Subarbeitsgruppen106 aus Vertretern der kommunalen Bevölkerung
sollten gegründet werden und ihre aktuellen Arbeitsprojekte präsentieren (SCHMUCK et al.
2003, S. 141). Hierbei sollten die Erfolge von Projekten transparent nach außen vermittelt
werden und zur ehrenamtlichen Partizipation inspirieren. Schmuck et al. (2003) heben diesbe-
züglich hervor, dass man Engagement nicht gegen sondern für etwas motivieren sollte, da
Kontraeinstellungen häufig negative Auswirkungen haben können (ebd., S. 140). Des Weite-
ren verweisen die Autoren auf die unbedingte Notwendigkeit real existierender, sozialer Netz-
werke (gut ausgebaute Vereinsstruktur oder etablierte Festkultur) und die Gewinnung aner-
kannter und glaubwürdiger Persönlichkeiten, welche als soziale Multiplikatoren eine effektive
Informationsverbreitung in der Lokalbevölkerung realisieren könnten (ebd., S. 139). Diesbe-
züglich erwähnt Hennicke (2002) die Kooperation mit religiösen Gemeinschaften wie regio-
nalen Kirchenverbänden (HENNICKE 2002, S. 67f.). Die verhaltensrelevanten Normen der
Kirche könnten Werte und Verhalten der Lokalbevölkerung weg von bloßem Materialismus
und Rationalität hin zu einer bewussteren Verbundenheit mit der Region und Mitwelt ausrich-
ten.
8.1.2 Empfehlungen für das BER-Akteursnetzwerk
Im Hinblick auf die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit wird vorgeschlagen, die Koopera-
tion mit wissenschaftlichen Institutionen zu erhöhen, um das notwendige Wissen für eine
nachhaltige Nutzung von Bioenergie bereitzustellen. Gerade im Bereich Kommunikationsfor-
schung, aber auch für die Umweltforschung muss mehr auf Rügen getan werden. Mit den
106 Siehe hierzu Folgeabschnitte
117
Möglichkeiten des praxisbezogenen Naturschutzes ist Rügen mit einem BR und zwei Natio-
nalparken sehr gut ausgestattet. Diese Lösungsansätze müssen aber mehr in das BER-Konzept
integriert werden.107
Die Kommunikationsforschung bezieht sich nicht nur auf die Öffentlichkeitsarbeit gegenüber
der lokalen Bevölkerung, sondern auch auf das Akteursnetzwerk, welches sich im BER-Beirat
manifestiert. Ein capacity building, welches Stoll (1999) auf die Akzeptanzprobleme in deut-
schen Großschutzgebieten anwendet, könnte auf das BER-Netzwerk übertragen werden. Hier-
zu sollte der Projektträger die Hilfe von Kommunikationsberatern heranziehen, um spezifi-
sche Lernprozesse unter den Akteuren einzuleiten, die nicht allein auf Anreizstrukturen und
dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit beruhen. Mit Hilfe eines transparenten, interdisziplinären
und beteiligungsorientierten Dialogprozesses könnten Vertrauensdefizite unter den Akteuren
in eine erhöhte Kooperationsbereitschaft gewandelt werden (STOLL 1999, S. 178ff.). Dabei ist
es wichtig, den Dialogprozess stets aufrechtzuerhalten und die Meinung aller beteiligten Ak-
teure mit einzubeziehen und in Anbetracht gegenseitigen Respekts miteinander in Einklang zu
bringen (WELP et al. 2006, S. 178). Wie Müller-Glodde (1994) es treffend formuliert, sollte
der Kommunikationsberater neutral, aufgeschlossen und auf keinen Fall belehrend agieren:
„Zuhören und Vermitteln ist besser als Selbstdarstellung und Lehren“ (MÜLLER-GLODDE
1994, S. 20, zitiert in STOLL 1999, S. 181).
Bestehen bleibt die Frage der Finanzierung eines Kommunikationsberaters. Nach Angaben
des aktuellen Projektträgers der BER Rügen ist die Netzwerkarbeit nur auf konkrete Bioener-
gieprojekte (BGAn, BHKWs, Umstellung des RPNVs auf Biomethan) anzuwenden. Jedoch
richtet sich die Förderung für die Netzwerkarbeit offensichtlich nach dem regionalen Ent-
wicklungskonzept, welches seinerzeit die Kreishandwerkerschaft ausgearbeitet und einge-
reicht hatte. Wenn es aber gelingt, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Partnern aus
dem Naturschutzsektor die Netzwerkarbeit an stärker naturschutzfachlichen Zielen auszurich-
ten, könnte der Projektträger zusätzliche Fördergelder vom StAUN oder BMU beantragen. Da
ein Kommunikationsberater an sich als Teil einer verbesserten Netzwerkarbeit angesehen
werden kann, sollte die Finanzierung auch aus Fördergeldern des BER-Projektes möglich
sein. Schlussendlich bleibt allein die Frage bestehen, ob sich der Projektbeirat für die Hilfe
eines Kommunikationsberaters bereiterklärt bzw. sie als notwendig erachtet.
8.1.3 Optimierung des Konsistenz-Verständnisses
In der Kooperation mit den Printmedien, in Newslettern und auf regelmäßigen Veranstaltun-
gen müssen mehr Informationen über die Notwendigkeit der Geschlossenheit von regionalen
Stoffkreisläufen publiziert werden. Beispielsweise sollte mehr aufgeklärt werden, welche Ur-
sache die Algenbelastung an Rügens Stränden hat und wie sich landwirtschaftliche Pestizide
107 Siehe dazu auch Abschnitt 8.1.3
118
und Überdüngung auf Land, Wasser und Lebewesen, kurz auf unsere Mitwelt auswirken.
Diesbezüglich sollte über die naturschutzbezogenen Vorzüge der Reststoffnutzung aufgeklärt
werden. Hier muss aber auch darauf hingewiesen werden, welche Reststoffe besser ungenutzt
bleiben, z.B. Totholz in Nationalparks (SRU 2007, S. 47).
Im Kontext der Wirtschaftlichkeit von Reststoffen und extensiven Anbaumethoden von Ener-
giepflanzen bzw. Ökolandbau sollte der Begriff der externen Kosten verständlich definiert
und erklärt werden. 108 Hierbei muss stärker über die ökologischen Einschränkungen des In-
tensivanbaus von Energiepflanzen informiert werden. Dafür würden sich regelmäßige Fach-
vorträge von wissenschaftlichen Experten anbieten. Auch eine Subarbeitsgruppe des BER-
Beirats mit der Spezialisierung auf Naturschutz, ökologische Landwirtschaft und Reststoff-
nutzung sollte gegründet werden. Betreffende Mitarbeiter könnten sich in einer Auswahl von
Ökolandbauern, Vertretern des Landschaftspflegeverbandes, der Großschutzgebiete Rügens
und der BfN-Außenstelle auf Vilm finden.
Um einen regionalen Stoffkreislauf zu schließen, sollte auch unbedingt die geplante Klär-
schlammverbrennungsanlage des ZWAR realisiert werden. Diese Anlage könnte nicht nur den
ganzen, auf Rügen anfallenden Klärschlamm verwerten, sondern auch eine Antwort auf die
Seegras- und Algenbelastung an Rügens Stränden geben. Eine verstärkte Kooperation zwi-
schen ZWAR und Tourismussektor ist anzustreben, um eine optimierte Entsorgung dieser
angeschwemmten Treibsel zu realisieren. Kostenaufwändige Klärschlammtransporte zu De-
ponien auf dem Festland könnten durch den Bau unterbunden werden. Mitunter sollte auch
eine Suborganisationsgruppe aus Stellvertretern des Tourismussektors, des ZWAR, und der
kommunalen Müllentsorgung gegründet werden. Bei Algen, die an den Stränden angespült
werden, handelt es nämlich juristisch gesehen um Sondermüll. Durch die Entgasung des Klär-
schlamm-Algen-Gemisches würde Biogas zur Weiterverwendung in einem BHKW entstehen.
Nach der Verbrennung des entgasten Granulates können die Ascherückstände als Dünger auf
landwirtschaftlich genutzte Flächen ausgebracht werden. Da der größte Widerstand gegen den
geplanten und sehr hohen Faulturm dieser Anlage besteht, welcher das Stadtbild Bergens ver-
schandeln würde, müsste man hier umplanen. Entweder man baut einen kleineren und breite-
ren Turm oder man sucht sich einen dezentraleren Standort für die Anlage.
8.1.4 Suffizienzstrategien für Rügen – aktuelle umweltpsychologische Ansätze
In Anbetracht der Ergebnisse dieser Arbeit, die offen legen, dass sowohl in den lokalen Print-
medien als auch im Akteursdialog vornehmlich die Strategie der Effizienz präferiert und die
Konsistenzstrategie nur unzureichend realisiert wird, soll die Suffizienzstrategie als eine flan-
kierende Option einer nachhaltigen Energieversorgung/-nutzung befürwortet werden. Hierbei
muss das Wertesystem der lokalen Bevölkerung modifiziert werden, was wiederum einer
108 Vgl. Kapitel 7.2.3
119
neutralen und regelmäßigen Information bedarf. Der Informationsprozess – wie er in Ab-
schnitt 8.1.1 dargestellt wurde – sollte sich für die Suffizienzaufklärung an folgenden Prinzi-
pien ausrichten.
In erster Linie müssen Vorurteile ausgeräumt werden, welche maßhaltende Suffizienz als für
das wirtschaftliche Gedeihen gefährdend oder als unverträglichen „Bremsklotz“ (LINZ 2006,
S. 7) degradieren. Der Traum vom linearen Prozess des quantitativen Aufschwungs, der Ar-
beitsplätze verspricht, aber gleichzeitig zur Konsumpflicht der Bürger appelliert, muss kri-
tisch hinterfragt und objektiv diskutiert werden (ebd., S. 7). Diesbezüglich muss der Unter-
schied zwischen effizienten und suffizienten Maßnahmen deutlich gemacht und kommuniziert
werden.
Das Aufzeigen der Vorteile ist von elementarer Bedeutung. Mit Hilfe von Suffizienz kann die
Kooperation zwischen Akteuren und in der Bevölkerung optimiert werden. Denn wenn Men-
schen nicht ständig und von allem immer mehr wollen, sind sie auch nicht fortwährend feind-
lich gegenüber einander eingestellt, befinden sich folglich auch seltener in gegenseitigem
Konkurrenzkampf (VON WINTERFELD 2002, S. 29). Dabei ist der Gedanke der Regionalisie-
rung wieder einmal die Stoßrichtung der Diskussion: „[…] kooperative Lösungen bringen die
Kreativität der hier verwurzelten Menschen zur Geltung“ (LINZ 2006, S. 22). Das Recht der
Menschen auf Selbstbeherrschung geht dabei nicht verloren, sondern könnte eine Kultivie-
rung zur Geselligkeit erfahren (VON WINTERFELD 2002, S. 29). Hierbei liegt ein Transmissi-
ons-Fokus wieder einmal auf der Gewinnung von anerkannten und glaubwürdigen, gesell-
schaftlichen Vertretern oder Institutionen (Bürgermeister, Kirchen, BR Südost Rügen). Gera-
de das BR Südost-Rügen könnte das nach MAP erklärte Ziel des „kulturelle[n] Wohlerge-
hen[s] von Bevölkerungsgruppen“ (UNESCO 2008, S. 3) hin zu einem suffizienten Werte-
wandel optimieren. Dadurch würde sich die Lebensqualität erhöhen, was beispielsweise mit
Persönlichkeitsbildung, einer Stärkung der seelischen und körperlichen Gesundheit und der
Ausbildung von handwerklichen oder künstlerischen Tätigkeiten verbunden sein könnte. In
diesem Sinne muss die lokale Bevölkerung darauf aufmerksam gemacht werden, nicht „auf
das Notwendige zu verzichten, sondern mit dem Ausreichenden zufrieden zu sein“ (SCHER-
HORN 2002, S. 16). Suffizienz raubt damit den rationalen Problemen von unten und innen den
Nährboden. Die Entscheidung für eine suffiziente Lebensweise muss freiwillig kommen und
sich sukzessiv entwickeln – niemand sollte zu einer bewussteren Lebensweise ermahnt oder
gar gezwungen werden.
Es wird deutlich, dass Suffizienz eines gesellschaftlichen Wandels bedarf. Trotzdem gibt es
bereits praktische Strategien, mit denen man seinen persönliche Ressourcen- und Energie-
verbrauch reduzieren kann. Eine davon bezieht die Nutzeneffizienz mit ein (PAECH 2005,
S. 58), wodurch zum Beispiel das nachbarschaftliche Teilen von (elektrischen) Gebrauchsge-
genständen den Neuerwerb von Konsumgütern unterbindet – Produktion kostet Energie! Und
der Aspekt der Nutzeneffizienz kann nicht gerade als stärkster Interventionsmechanismus
unserer Marktwirtschaft angesehen werden. Er kommt vom Verbraucher her.
120
Des Weiteren könnte eine bloße Wegwerfmentalität durch Reparatur, Instandsetzung und
Wartung ersetzt werden (ebd., S. 64). Dieser Aspekt reduziert den Konsum und stärkt
zugleich das regionale Handwerk. In diesem Zusammenhang sollte die Kooperation zwischen
BER-Netzwerk und Kreishandwerkerschaft erneuert werden. Regionale Handwerksunterneh-
men müssen sich auf Dienstleistungen spezialisieren, die den Erhalt von Gebrauchsgütern
ermöglichen. Letztere erfahren dadurch eine kulturelle Aufwertung nach dem Prinzip der
„Renovation“ (ebd., S. 67).
Aktuelle umweltpsychologische Ansätze, die eine Energiesuffizienz präferieren, richten sich
nach spezifischen Interventionsmechanismen. Intervention ist dabei die Strategie, mit derer
man Konsumenten zu eine Einschränkung bewegen will, die aber einer optimalen Verbreitung
bedarf (MOSLER & GUTSCHER 2004, S. 52ff.). Als Interventionsinstrumente bewährten sich in
den letzten Jahren eine Kombination aus Anreiz-, Bildungs- und Motivationsimpulsen.
Wortmann et al. (1993) und auch Mosler & Gutscher (2004) erwähnen beispielsweise die
Selbstüberwachung von Verbrauchern, welche ihre Stromzählerstände in vorgefertigten Bö-
gen protokollieren können. Diese Maßnahme ist kostengünstig und in großem Rahmen an-
wendbar (WORTMANN et al. 1993, S. 90). Bei der Rückmeldung werden den Verbrauchern
Informationen über ihren Verbrauch zukommen gelassen. Dabei sollte die Rückmeldung
möglichst prompt, regelmäßig und glaubwürdig erfolgen. Diese Strategie ist gleichzeitig in-
formierend als auch motivierend (ebd., S. 91). Informationen über Verhaltensoptionen und
Sachverhalte müssen allerdings auf die Selbstüberwachung und Rückmeldung flankierend
einwirken, damit ein Energiesparwissen entstehen kann (ebd., S. 88). Persönliche Relevanz
und Anschaulichkeit, z.B. über nachbarschaftlichen Austausch, optimieren den Lernprozess
(ebd., S. 87). Mit Anreizen wird versucht, den Verbrauchern das Energiesparen schmackhaft
zu machen. Anreizmechanismen werden in dieser Arbeit aber ausdrücklich nicht favorisiert,
weil sie die kurzfristige Rationalität der Menschen ansprechen, das Problem somit nur lenken
und nicht bei seiner Ursache ansetzen (ebd., S. 89f.).
Die umweltpsychologische Energieforschung ist in diesem Bereich jedoch noch sehr experi-
mentell und nicht massentauglich. Darüber hinaus lassen sich eventuelle Energiesparkampag-
nen förderrechtlich gesehen nicht über das BER-Projekt realisieren. Diesbezüglich sollten die
Förderrichtlinien durch das BMELV modifiziert werden. Nach Angaben des BER-
Projektträgers bestehen aber bereits Konzepte für öffentliche Liegenschaften im Rahmen des
Klimaschutzkonzeptes für Rügen. Die hier vorgestellten umweltpsychologischen Empfehlun-
gen richten sich an die kommunalen Stadtwerke Rügens.
121
8.1.5 Empfehlungen für die Bioenergie-Gesetzgebung
Im bundesdeutschen Diskurs um die Gesetzgebung und Vergütungsregelungen hat sich in den
letzten Jahren eine starke Diskussion über die nachhaltige Entwicklung der Bioenergienut-
zung vollzogen. Auch weil diese Diskussionspunkte auf Rügen nicht so stark präsentiert oder
wahrgenommen werden, sollen gerade an dieser Stelle Empfehlungen, die sich aus dem Dis-
kurs ergeben, postuliert werden. Diese müssen in die nationale, aber auch in die europäische
Gesetzgebung integriert werden.
Abfallbiomasse muss einen Vorrang vor Anbaubiomasse bekommen (LUDWIG 2009, S. 833).
In diesem Sinne sollte der Landschaftspflegebonus im EEG erhöht und ein separater Bonus
für kommunale Bioabfälle konzipiert werden. Des Weiteren sollte in den Vergütungsrichtli-
nien eine konkrete Separierung nach Anbau- und Abfallbiomasse erfolgen. Der NawaRo-
Bonus sollte an sich reduziert werden, um den Druck auf die landwirtschaftlich genutzte Flä-
che zu drosseln (GAWEL & LUDWIG 2011, S. 333). Die Regelung für die Planung und den Bau
von BGAn sollten sich an den in dieser Arbeit gewonnenen Akzeptanzfaktoren orientieren.109
Schöne (2008) fordert ökologische Mindeststandards für den Anbau von NawaRo. So soll der
Anteil einer Fruchtart wie Silomais in BGAn nur maximal 50 % betragen (SCHÖNE 2008,
S. 30). Eine absolute Mehrheit einer Kulturart in der Silage wird damit ausgeschlossen, wo-
durch eine größere Vielfalt des Substrats unterstützt wird. Weiterhin sollen Landwirte den
Nachweis über eine ökologische Ausgleichsfläche von 10 % an der Betriebsfläche erbringen,
einen Verzicht auf gentechnisch veränderte Organismen und einen weitgehenden Verzicht auf
Pestizide nachweisen können (ebd., S. 30).
Die Erforschung der energetischen Verwendung von Algen und Seegras muss vorangetrieben
werden, um diese Biomasse irgendwann auch in die Biomasseverordnung als anerkannte
Biomasse aufzunehmen. Zusätzlich müssen die Nachhaltigkeitskriterien für Grünland im
deutschen Recht auch für die energetische Nutzung von fester und gasförmiger Biomasse zur
Anwendung kommen.110
Eine Ablösung des Technologiebonus durch einen Umweltbonus, der nur besonders umwelt-
und naturverträgliche Anbau- und Produktionsmethoden vergütet, könnte die bloße Effi-
zienzmaximierung flankieren, die sich auch allein aus dem marktwirtschaftlichen Prinzip er-
geben würde (SCHÖNE 2008, S. 30). Auch Mischkulturen und Ackerschonstreifen sollten
mehr Berücksichtigung finden. Hierfür muss dass EEG auch eine verstärkte Verknüpfung mit
dem Agrarumweltrecht erfahren (AMMERMANN & MENGEL 2011, S. 329).
109 Vgl. Kapitel 6.2.3 110 Vgl. Kapitel 4.3.2 und 7.2.2
122
Glossar
Antagonismus – Antagonistisch bedeutet, dass etwas wider- bzw. gegensätzlich oder auch
feindlich gegenüber einem Sachverhalt/Individuum/Kollektiv ist. Manchmal reicht hier aber
auch schon das anders sein aus.
Bioenergiedorf – Ein Bioenergiedorf ist ein Dorf, das einen großen Teil seines Strom- und
Wärmebedarfs unter Nutzung von überwiegend regional bereitgestellter Biomasse selbst
deckt.
Biomass-to-Liquid (BtL) – Biomass-to-Liquid „bezeichnet eine Prozesskette, die Biomasse
über die thermochemische Vergasung in Synthesegas (Gemisch aus CO und H2) und an-
schließende Synthese in flüssige Kohlenwasserstoffe umwandelt.“111
E10 – E10 ist ein Kraftstoffgemisch, das einen Anteil von 10 % Bioethanol enthält.
Endenergie – Die Endenergie bezeichnet den Teil der Primärenergie, der direkt beim
Verbraucher nach Abzug von Transport- und Umwandlungsverlusten ankommt. Hierunter
zählen z.B. Heizöl oder –gas und elektrischer Strom.
Energiepflanzen – Landwirtschaftliche angebaute Nutzpflanzen, die mit der Intention der
Energiegewinnung angebaut werden. Nicht hierunter zählen Pflanzen für die Nahrungsmittel-
erzeugung, Futterpflanzen und Industriepflanzen für eine stoffliche Nutzung genauso wie wild
wachsende Pflanzen, die energetisch genutzt werden.
Eutrophierung – Hierunter wird der Nährstoffeintrag bzw. die Nährstoffanreicherung in
Ökosystemen verstanden, welcher zu einer Überernährung von Pflanzen führen kann.
Hegemonie – Unter Hegemonie versteht man die Vorherrschaft oder Überlegenheit einer In-
stitution, eines Staates, einer Organisation oder eines ähnlichen Akteurs in politischer, militä-
rischer, wirtschaftlicher, religiöser oder kultureller Weise.
Indirekte Landnutzungsänderung (iLUC – indirect land use change) – „Biomasse für
Biokraftstofferzeugung wird auf ,zulässigen’ Flächen unter Verdrängung der bisherigen Nut-
zung erzeugt, während die herkömmlichen Nutzungen in ökologisch sensible Bereiche ab-
wandern.“112
Intonation – Intonation ist der wahrgenommene, zeitliche Verlauf der Tonhöhe innerhalb
eines Wortes, Satzes oder Sprechakts.
Kurzumtriebsplantagen (KUP) – „Anbau von schnell wachsenden Baumarten (wie z. B.
Weiden oder Pappeln und deren Hybriden) auf landwirtschaftlichen Flächen. Die KUP wer-
den in Umtriebszeiten von 1 bis 10 Jahren geerntet (gerodet). Gegebenenfalls werden die Flä-
chen für den Anbau gedüngt und bewässert und während der Anwuchszeit mechanisch oder
111 Quelle: http://www.btl-plattform.de/ 112 Quelle: http://www.bmu.de/verkehr/kraftstoffe/biokraftstoffe/doc/47068.php (eingesehen am 21.10.2011)
123
chemisch vor Unkrautbewuchs geschützt. Rotationsperiode für diese Plantagen sind 20 bis 25
Jahre.“ (SRU 2007, S. 23)
Leader Plus – Leader Plus ist ein Förderprogramm der europäischen Union zur Verbindung
zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft.
Lignocellulose – Lignocellulosen bilden die Zellwand von verholzten Pflanzen.
Milchreife – Als Milchreife bezeichnet man beim Getreide einen Reifezustand des Korns, bei
dem dieses noch hell (meist weiß) und sehr viel kleiner als das ausgereifte Korn ist. Milchrei-
fe Körner sind sehr weich, weil ihr Inneres von einer weißen, süßen Flüssigkeit gefüllt ist.
Nachwachsende Rohstoffe (NawaRo) – „Sammelbegriff für stofflich und energetisch ge-
nutzte Biomasse (keine Futter- und Lebensmittel). Es handelt sich hierbei i.d.R. um land- und
forstwirtschaftlich erzeugte Rohstoffe wie Holz, Flachs, Raps, Zuckerstoffe und Stärke aus
Rüben, Kartoffeln oder Mais, die nach der Aufbereitung einer weiteren stofflichen oder ener-
getischen Anwendung zugeführt werden.“ (FNR 2009b, S. 19)
Novelle – Als Novelle wird ein Änderungsgesetz bezeichnet, das ein oder auch mehrere ande-
re, bereits bestehende Gesetze in einzelnen Teilen modifiziert.
Nutzenergie – Die Nutzenergie ist die Energie, die für die Bedürfnisse von Verbrauchern zur
Verfügung steht. Sie entsteht durch Umwandlung der Endenergie und äußert sich in Formen
der Wärme zur Raumheizung, Licht zur Beleuchtung, Kälte zur Raumkühlung, mechanische
Arbeit oder elektrische Energie.
Präferenz – Präferenz bezeichnet den Vorzug oder die Begünstigung einer Alternative oder
einer Ware, oder die Vorliebe, die ein Marktteilnehmer oder Individuum für etwas hat.
Primärenergie – Primärenergie ist die Energie die ohne Umwandlungsverluste in natürlich
vorkommenden Energieformen oder Energiequellen zur Verfügung steht, z.B. als Kohle, Gas,
Wind oder Biomasse.
Treibsel – Treibsel sind Gegenstände, die im Meer oder Binnengewässern auf der Wasser-
oberfläche treiben. In diese Arbeit wird darunter aber vor allem organisches Material (Algen,
Seegras) verstanden, was bereits an den Strand gespült wurde. Trotzdem lassen sich hier auch
anorganische Bestandteile finden.
Silage – Silage ist durch Milchsäuregärung konserviertes Pflanzenmaterial, das als Tierfutter
oder zur bioenergetischen Verwertung in BGAn verwendet wird.
Substrat – Als Substrat wird in Anlehnung an die Mikro- und Zellbiologie das biogene Roh-
stoffgemisch bezeichnet, was in BGAn zu Biogas vergoren wird.
Vermaisung – Als Vermaisung wird umgangssprachlich der Vorgang bezeichnet, bei dem
sich Mais-Monokulturen ausbilden.
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i
Anhang
Anhang I – Kriterienkatalog für die Aufnahme von Zeitungsartikeln in die Dis-
kursanalyse
Allgemeine Kriterien:
1. Der Zeitungsartikel sollte eindeutig und in erster Linie mit Bioenergieerzeugung oder
-nutzung zu tun haben. Das ist die gesuchte eigentliche Thematik.
2. Wenn der Zeitungsartikel nur in zweiter Linie mit der oben genannten Thematik zu
tun hat und einer übergeordneten Thematik untergeordnet ist, muss sich der Artikel
auf jeden Fall eindeutig auf Bioenergieerzeugung oder -nutzung beziehen. D.h. er soll-
te trotz einer übergeordneten Thematik noch eine gewisse Informationsfülle quantita-
tiver oder qualitativer Art zur eigentlichen Thematik aufweisen. Einzelnennungen von
Biomasse (oder den anderen Stichworten) in Verbindung mit anderen regenerativen
Energien ohne nähere Informationen zur eigentlichen Thematik sind nicht hilfreich
und damit irrelevant für die Analyse.
3. Zeitungsartikel in denen Eigennamen von Bioenergie (oder den anderen Stichworten)
zu finden sind – z.B. Konzernnamen betreffend – jedoch keinen unmittelbaren Bezug
zur eigentlichen Thematik haben, werden nicht in die Analyse aufgenommen.
4. Artikel mit der Bioenergieregion Rügen als Eigenname, aber mit einer anderen rege-
nerativen Energie (Windenergie, Solarenergie) und ohne Informationen zur eigentli-
chen Thematik sind irrelevant. Solange sich der Artikel jedoch auf politische, soziale,
wirtschaftliche, Informations- oder Wissensströme in Verbindung mit der Bioenergie-
region Rügen bezieht, wird er in die Analyse aufgenommen.
5. Zeitungsartikel in denen eines der Stichworte aufgegriffen wird, welche sich mit die-
sem Stichwort aber in einer anderen Thematik bewegen, sind für die Analyse thema-
tisch irrelevant. Als bestes Beispiel ist hier – neben anderen – die Biomasse von Tie-
ren zu nennen, die sich nicht auf anthropogen induzierte Bioenergieerzeugung bezieht.
Spezifische Kriterien:
1. Für Mantelartikel der OZ gilt: Die „Situation“ bzw. „Thematik“ des Zeitungsartikels
muss entweder seine geographische Spezifikation in MV haben, oder zumindest in di-
rekter sozialer, ökonomischer, politischer oder wissenschaftlicher Verbindung zu MV
ii
stehen. Wird MV oder eine Verbindung zu MV nicht explizit beschrieben, gilt der Ar-
tikel als irrelevant.
2. Für Artikel des Lokalteils Rügen der OZ sowie für Artikel des Rüganer gilt: Der Arti-
kel sollte auf jeden Fall geographisch eindeutig die Region Rügen thematisieren. Hier-
zu gehört der ganze Landkreis zum Zeitpunkt der Untersuchung.
Anhang II – Deselektionsbegründungen für aussortierte Artikel
a) Ostseezeitung Mantel:
Thematisch irrelevante Artikel:
Art. 064: Der Artikel thematisiert die Aufnahme der deutschen Wattenmeer-Nationalparke
sowie des niederländischen Wattenmeerschutzgebiets als Weltnaturerbe in die Liste der
UNESCO. Hierbei wird tierische Biomasse im Wattboden genannt.
Art. 071: Der Artikel beschäftigt sich unter anderem mit der Umwandlung von Biomasse in
Kohlendioxid durch Mikroorganismen in der Ostsee. Mit anthropogen induzierter Bioenergie-
erzeugung zur weiteren Verwendung hat dieser Artikel allerdings nichts zu tun.
Art. 109: Der Artikel berichtet über Autoreifen, die aus Biomasse hergestellt werden können,
einem synthetisch entwickeltem Kautschuk. Biomasse zur elektrischen oder Wärmeenergieer-
zeugung wird in diesem Artikel nicht angesprochen.
Art. 145: Der Artikel bezieht sich auf die „eher sparsam hergezeigte Biomasse“ bei der fünf-
ten Staffel von „Germanys next Topmodel“. (Ohne Worte)
Art. 157: In diesem Artikel geht es um die Biomasse von Heringsbeständen.
Sonstig irrelevante Artikel:
Art. 002: Der Artikel bezieht sich auf Dong Energy, das geplante Steinkohlekraftwerk Lub-
min und die Entstehung des Konzerns. Am Ende wird erwähnt, dass Dong auch „Wasser- und
Biomassekraftwerke“ betreibt. Ob vom Unternehmen einzelne Biomassekraftwerke in MV
betrieben werden, wird nicht erwähnt.
Art. 007: Der Artikel thematisiert u.a. die hessische Umweltpolitik, bei der Biomasse bzw.
Biogas erwähnt werden. Ein eindeutiger Bezug zu MV besteht nicht.
Art. 009: Siehe Art. 007
iii
Art. 010: Dieser Leserbrief kritisiert sehr stark die Energiepolitik von Bundes- und Landesre-
gierung (MV) was regenerative Energien angeht. Besonders Windkraft und Photovoltaik
spricht der Leser an. Auch das EEG wird heftig kritisiert. Biogas wird zwar genannt, aber
nicht eindringlich thematisiert.
Art. 033: Dieser Leserbrief thematisiert Baumpflanzungen als Ausgleichsmaßnahmen. Seit
2003 spricht die Leserin „einen Wald um Neubukows Biogasanlage an“. Dabei wird jedoch
nicht eindeutig auf Bioenergieerzeugung eingegangen.
Art. 050: „Was haben Pflanzensamen mit Bioenergie zu tun?“ Diese und andere Fragen wer-
den in dem Gesellschaftsspiel „Science – erneuerbare Energien“ von Ravensburger beant-
wortet. Dieser Artikel, welcher in der Rubrik „Service“ der OZ erschienen ist, fungiert als
Werbung für das Gesellschaftsspiel, des Weiteren gibt es keinen eindeutigen Bezug zu MV.
Art. 108: Der Artikel bezieht sich wiederum auf Dong Energy und auf Protestaktionen deut-
scher Kraftwerksgegner zum Klimagipfel in Kopenhagen. Am Ende wird erwähnt, dass
„demnächst zwei Kohlekraftwerke in Dänemark auf Biogas umgerüstet werden“ sollen. Der
Bezug gilt nur für Dänemark, eine Verbindung zu MV zum Thema Bioenergieerzeugung be-
steht nicht.
Art. 110: Siehe Art. 033 (Leserbrief, gleiche Leserin).
Art. 111: Siehe Art. 033 und Art. 110 (Leserbrief, gleiche Leserin)
Art. 116: Der Artikel thematisiert „Wegwerfbesteck, das aus Mais hergestellt wird“.
Art. 120: In diesem Artikel wird Bioenergie als Eigenname der „Daedalus Bioenergie
GmbH“ genannt. Der Artikel beschäftigt sich ausschließlich mit Solarenergie aus Photovol-
taikanlagen.
Art. 166: Der Artikel beschreibt eine Etappe von Angela Merkels „Energie-Reise“ im Spät-
sommer 2010. In MV besuchte die Kanzlerin einen Windpark bei Bad Doberan, somit bezieht
sich der Großteil des Artikels auf Windenergie und die Technologieherstellung hierfür. Als
weitere Etappen von Merkels Energiereise werden „das Atomkraftwerk Emsland in Nieder-
sachsen, ein modernes Gasturbinenkraftwerk in Lingen, eine Biogasanlage und ein Steinkoh-
lekraftwerk“ genannt. Hierbei wird die BGA allerdings nicht näher beschrieben und es wird
auch nicht darüber informiert, wo sie sich befindet.
Art. 176: Dieser Artikel thematisiert in erster Linie die Käseherstellung der Nordmilch AG
(aus Bremen) in MV. Ohne nähere Informationen wird erwähnt, dass Anfang 2011 „bei der
iv
Müritz-Milch vor allem in ein neues Biomasse-Heizwerk investiert“ wird. Es wird nicht ein-
deutig auf die näheren Umstände die Bioenergieerzeugung eingegangen.
Art. 184: Der Artikel spricht das Atommülllager Gorleben, aber auch wirtschaftliche und so-
ziale Probleme sowie die Zukunft von Gorleben an. Am Rande wird erwähnt, dass es im Ge-
werbegebiet von Gorleben unter anderem einen „Hersteller von Biogas-
Blockheizkraftwerken“ gibt, „der größer und größer wird“. Das Problem bei diesem Artikel
ist – neben der mangelnden Information zum Bioenergiethema –, dass erstens Gorleben im
äußersten Nordosten von Niedersachsen liegt, damit nur am Rande mit MV zu tun hat und
zweitens, dass im Artikel auch sonst keine Verbindung spezifischer Art zu MV angesprochen
wird.
b) Ostseezeitung Lokalteil Rügen:
Thematisch irrelevante Artikel:
Art. 16: Dieser Artikel spricht die Biomasse von Laichheringen an und hat nichts mit Bio-
energieerzeugung oder –Nutzung zu tun.
Art. 31: Die Informationen dieses Artikels betreffen wiederum die Biomasse von Fischbe-
ständen, hier Dorsche in der Ostsee.
Art. 48: Wiederum Heringe und ihre Biomasse betreffend und damit irrelevant.
Sonstig irrelevante Artikel:
Art. 07: Der Artikel bezieht sich auf einen anderen Artikel, der kurz zuvor erschien, in dem
jedoch ein Zitat unter falschem Namen veröffentlicht wurde. Art. 07 entschuldigt und korri-
giert diesen Fehler.
Art. 32: Der Artikel thematisiert fast ausschließlich Solarenergie, die „Bioenergie-Region
Rügen“ wird eigennamentlich genannt. Bioenergie an sich wird jedoch nicht thematisiert.
Art. 66: Der Artikel beschreibt Elektrofahrräder auf Rügen. Am Ende des Artikels wird dar-
über informiert, dass Holger Kliewe aus Mursewiek sich solche „Räder gut für seinen Ener-
gie-Erlebnishof vorstellen“ kann, „den er im Rahmen der Bioenergie-Region Rügen einrich-
ten will“. Es wird nicht explizit darüber informiert, dass der Strom für die E-Bikes aus Bio-
masse gewonnen wurde.
v
Art. 86: Der Artikel handelt unter anderem von Elektroautos auf Hiddensee im Rahmen der
„Bioenergie-Region Rügen“. Es wird allerdings nicht eindeutig gesagt, ob der Strom hierfür
vom Energieversorger E.ON edis aus bioenergetischen Ressourcen gewonnen wurde.
c) Rüganer Anzeiger
Thematisch irrelevante Artikel:
Art. R01: In dem Artikel wird die Biomasse von Herings- und Dorschbeständen in der Nord-
und Ostsee, sowie deren Fangquoten thematisiert.
Art. R05: Dieser Artikel thematisiert wiederum die Fischerei in der Ostsee, hierbei soll der
„Anteil der erforderlichen Biomasse zur Sicherung einer zuverlässigen Reproduktion“ von
Heringsbeständen umfassender überprüft werden.
Art. R09: Siehe Art. R05
vi
Anhang III – Interviewleitfaden für die qualitativen Interviews
1. Wie beurteilen sie die generelle Relevanz von regenerativen Energien allgemein und spezi-
fisch auf Rügen?
2. Was sind für Sie die stärksten Vorteile des Projektes Bioenergieregion Rügen?
3. Was sind für Sie die gravierendsten Nachteile des Projektes Bioenergieregion Rügen?
a) Bringen die Nachteile den potentiellen Erfolg des Projektes in Gefahr?
b) Was könnte dabei helfen, diese Nachteile zu überwinden?
4. Entstehen ihrer Meinung nach durch den Bioenergiesektor neue Arbeitsplätze auf Rügen?
a) Wenn ja: In welchen Bereichen besonders?
b) Wenn nein: Was hindert dies?
5. Wie ist ihre Wahrnehmung zur der aktuellen Nutzung von Bioenergie und der allgemeinen
Resonanz gegenüber dieser Nutzung auf Rügen?
6. Wie würden Sie Bioenergie im Vergleich zu anderen Energieformen qualifizieren?
7. Wie schätzen Sie die Thematik der Flächenkonkurrenz zwischen der Nahrungsmittelpro-
duktion und der Bioenergieerzeugung aus NawaRo ein?
a) In welcher Weise kann Bioenergie für die Landwirte in MV und auf Rügen auf
weite Sicht interessant sein?
8. Was ist ihre Meinung zu den rechtlichen Regelungen die Vergütung und Subventionierung
von Bioenergie betreffend?
vii
Anhang IV – Informationsblatt zum Umgang mit Interviewaufnahmen
Ich informiere Sie über die Studie, für die ich Sie gerne interviewen möchte, und über das
Vorgehen. Der Datenschutz verlangt Ihre ausdrückliche und informierte Einwilligung, dass
ihr Interview gespeichert und ausgewertet wird.
Die Studie findet im Rahmen einer Diplomarbeit mit der Thematik „Wahrnehmung von Bio-
energie auf Rügen“ statt. Die Durchführung und Auswertung wird von Torsten Klemmstein
durchgeführt und erfolgt auf der Grundlage der Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Der
Interviewer unterliegt der Schweigepflicht und ist auf das Datengeheimnis verpflichtet. Die
Arbeit dient allein wissenschaftlichen Zwecken. Ich sichere Ihnen folgendes Verfahren zu,
damit Ihre Angaben nicht mit Ihrer Person in Verbindung gebracht werden können:
- Das Interview wird auf Band aufgenommen. Das Band wird abgetippt und anschließend
gelöscht.
- Personen-, Orts- und Straßennamen werden anonymisiert.
- Ihr Name und Ihre Telefonnummer werden am Ende des Projektes in meinen Unterlagen
gelöscht, so dass nur noch ein anonymisiertes Transkript ihres Interviews existiert. Die von
Ihnen unterschriebene Erklärung zur Einwilligung in die Auswertung wird in einem gesonder-
ten Ordner an einer gesicherten Stelle aufbewahrt. Sie dient lediglich dazu, bei einer Überprü-
fung durch den Datenschutzbeauftragten nachweisen zu können, dass Sie mit der Auswertung
einverstanden sind. Sie kann mit ihrem Interview nicht mehr in Verbindung gebracht werden.
- Die Abschrift wird nicht veröffentlicht und wird nur von mir für die Auswertung genutzt. In
die Veröffentlichung gehen einzelne Zitate ein, selbstverständlich ohne dass erkennbar ist,
von welcher Person sie stammen.
Die Datenschutzbestimmungen verlangen auch, dass ich Sie noch einmal ausdrücklich darauf
hinweise, dass aus einer Nichtteilnahme keine Nachteile entstehen. Sie können Antworten
auch bei einzelnen Fragen verweigern. Auch die Einwilligung ist freiwillig und kann jederzeit
von Ihnen widerrufen und die Löschung des Interviews von Ihnen verlangt werden.
Ich bedanke mich für Ihre Bereitschaft, mir Auskunft zu geben.
viii
Anhang V – Einwilligungserklärung für die Aufnahme der Interviews
Ich bin über das Vorgehen bei der Auswertung der persönlichen, „freien“ Interviews mit ei-
nem Handzettel informiert worden (u.a.: die Abschrift gelangt nicht an die Öffentlichkeit,
Anonymisierung bei der Abschrift, Löschung des Bandes, Löschung von Namen und Tele-
fonnummern, Aufbewahrung der Einwilligungserklärung nur im Zusammenhang mit dem
Nachweis des Datenschutzes und nicht zusammenführbar mit dem Interview).
Ich bin damit einverstanden, dass einzelne Sätze, die aus dem Zusammenhang genommen
werden und damit nicht mit meiner Person in Verbindung gebracht werden können, als Mate-
rial für wissenschaftliche Zwecke und die Weiterentwicklung der Forschung genutzt werden
können.
Unter diesen Bedingungen erkläre ich mich bereit, das Interview zu geben und bin damit ein-
verstanden, dass es auf Band aufgenommen, abgetippt, anonymisiert und ausgewertet wird.
………………….…………… …………..……………(Ort), den….…….……(Datum)
ix
Anhang VI – Transkriptionsregeln
I: - Interviewer spricht
P: - Interviewpartner spricht
Umgangssprachgebrauch (Elision und Assimilation)
Schreibweise Bedeutung Schreibweise Bedeutung
wa wir nee nein
'n ein nu nun
'ne eine och auch
'nen einen dranne dran
'nem einem sach sag
'ner einer kannste kannst du
dat das/dass jetz/jetze jetzt
det/dit des dieset dieses
wat was diet und dat dies und das
's es (z.B. hat's = hat es) sachte sagte
it es jenet jenes
aufm auf dem jawoll jawohl
ausm aus dem Vadder Vater
politischet politisches
nich nicht
ne (?) nicht wahr (Nachfrage, meist rhetorischer Art)
Nonverbales: Ausgeschriebenes: Interjektionen (Empfindungswör-ter):
(Räuspern) beziehungsweise Oah
(Lacht) in Anführungsstrichen Aii
(Lacht leise) das heißt Puh
(Beide lachen) zum Beispiel Ach
(Seufzt) eins bis zehn Uii
(Stöhnt) hundert und tausend Hmm
(Stöhnt abwertend) Million und Milliarde
(Telefonklingeln)
(Türklopfen)
Füllwörter: äh/ääh/ähm
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