Drägerheft Technik für das Leben 2018
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rägerheft 404
2. Ausgabe 2018
Ro
hstoffe und R
essourcen
Die Zukunft der Menschheit hängt von Ressourcen ab
Der Kampf um Rohstoffe
HarmonieWie sich in einem chinesischen Krankenhaus Tradition und Moderne mischen S. 20
EiseskälteAuch in Grönland rückt die Feuerwehr aus, wenn es brenzlig wird S. 30
StallgeruchSchweizer Wissenschaftler wollen Ammoniak-konzentrationen senken S. 46
2 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
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Inhalt 404
6 RUN AUF ROHSTOFFE
Seltene Erden bringen die Elektro-mobilität zum Laufen. Überhaupt sind
die Ressourcen der Stoffe rar, aus denen wir unsere Zukunft bauen. Der
Kampf darum ist spannend bis kreativ.
40 AUGEN AUF
Bei Organspenden denken die meisten an Herz, Niere oder Leber. Doch viel häufiger werden in Deutschland Hornhäute transplan-tiert. Der Eingriff kann das Augenlicht retten. Eines der großen Zentren für diese Behand-lung ist die Augenklinik der Universitäts-medizin Mainz. Mehrere Hundert Hornhäute werden hier jedes Jahr transplantiert.
62 RICHTIGER RIECHER
In manchen Punkten sind Militärhunde die besseren Kameraden. Keine Technik der Welt übertrifft sie darin, Gefahren anzuzeigen: Welches Gerät kann schon Sprengstoffe erschnüffeln, laut bellen und auf Kommando zubeißen? Die Bundeswehr unterhält eine eigene Zucht, die es ihr ermöglicht, die Tiere von klein auf auszubilden.
Rund3.700 Kilometer südwestwärts zog die
Aschewolke des Vulkans Kilauea nach dessen Ausbruch im Mai
2018: von Hawaii bis zu den Marshallinseln – mehr ab Seite 68.
3DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Die Beiträge im Drägerheft infor-
mieren über Produkte und deren
Anwendungsmöglichkeiten im Allge-
meinen. Sie haben nicht die Bedeu-
tung, bestimmte Eigenschaften der
Produkte oder deren Eignung für
einen konkreten Einsatzzweck zuzu-
sichern. Alle Fachkräfte werden auf-
gefordert, ausschließlich ihre durch
Aus- und Fortbildung erworbenen
Kenntnisse und praktischen Erfah rungen an zuwenden. Die
Ansichten, Meinungen und Äußerungen der namentlich
genannten Personen sowie der Autoren, die in den Texten
zum Ausdruck kommen, entsprechen nicht notwendiger-
weise der Auffassung der Dräger werk AG & Co. KGaA. Es
handelt sich ausschließlich um die Meinung der jeweili-
gen Personen. Nicht alle Produkte, die in diesem Magazin
genannt wer den, sind weltweit erhältlich. Ausstattungs -
pakete können sich von Land zu Land unter schei den. Än-
derungen der Produkte bleiben vorbehalten. Die ak tuellen
Informatio nen erhalten Sie bei Ihrer zuständigen Dräger-
Vertretung. © Drägerwerk AG & Co. KGaA, 2018. Alle Rechte
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Die Dräger Safety AG & Co. KGaA, Lübeck, ist Hersteller
des X-plore 3500, der MRC 5000, des X-am 8000 (alle
S. 12) sowie der Chemikalienschutzanzüge (S. 28, 32 f.),
Atemschutzgeräte (S. 28) und des Ammoniaksensors
(S. 46 ff.), Polytron C300 (S. 51), Alcotest 5820 (S. 55),
X-am 5000 (S. 70) sowie Pac 8500 (S. 72). Die Drägerwerk
AG & Co. KGaA, Lübeck, ist Hersteller des Fabius Tiro
(S. 24), Oxylog 3000 plus (S. 38 f.) und Gas Management
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Movita und OP-Leuchte Polaris 600 (S. 58).
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IMPRESSUM4Menschen, die bewegenZhou Xujian arbeitet als leitende
Krankenschwester in China,
Yassine Tajouaout ist Auszubildender
in Hessen.
6Begehrte RessourcenDer Bedarf an Rohstoffen steigt,
die Vorräte sind allerdings endlich.
Die Weltwirtschaft steckt in der
Zwickmühle. Welche Auswege gibt es?
Von der Wiederaufbereitung bis
zum Asteroiden-Bergbau!
20Tradition trifft ModerneKörperlich ähneln sich die
Menschen auf der Welt. Und doch
geht es in China etwas anders zu.
26GeisterbeschwörungAuch die Deutschen destillieren
Whisky. Und der Stoff aus
Baden-Württemberg kann sich
wirklich schmecken lassen.
30Sturm über Grönland Wo Eis ist, kann auch Feuer sein.
Und wo Feuer ist, ist die Feuerwehr
meist nicht weit – das gilt auch
für diese 2.000-Seelen-Gemeinde
im Osten der Insel.
36Sprechstunde auf Deck ZwoTraumjob auf einem Traumschiff?
Vielleicht, zumindest ein bisschen!
Im Alltag ist der Beruf des Schiffs-
arztes vor allem eines: fordernd und
anspruchsvoll.
40Ultradünne SchichtenTrübt sich die Hornhaut des Auges ein,
muss sie ersetzt werden. Die dazu not-
wendige Transplantationstechnik fasziniert.
46Durchatmen im KälberstallAmmoniak stinkt, auch dem Vieh.
Es entsteht bei der Zersetzung von
Kot und Urin. Gasmesstechnik hilft
dabei, die Auswirkungen zu reduzieren.
52Auf dem TrockenenAuf See zu arbeiten erfordert höchste
Konzentration und Einsatzbereitschaft.
Alkohol und Drogen haben da keinen Platz.
56Die Rekordjagd des Dr. ReddyIn der indischen Metropole Hyderabad
soll die weltweit größte Spezialklinik
für Gastroenterologie entstehen.
62Ziemlich beste FreundeDie Bundeswehr trainiert ihre Diensthunde
an einer eigenen Schule. Hier lernen
sie, selbstständig und mutig zu
handeln – zum Schutz der Soldaten.
68Auf Feuer gebautBrodelnde Vulkane gehören auf Hawaii
zum Alltag. Die örtliche Feuerwehr
setzt seit den jüngsten Eruptionen auf
tragbare Gasmesstechnik von Dräger.
71Was wir beitragenProdukte von Dräger, die im Zusammen-
hang mit dieser Ausgabe stehen.
72Pac 8500Zwei Gase gleichzeitig misst dieses
Gerät, das akustisch, optisch und mit
Vibration vor Gefahren warnt.
ERFAHRUNGEN AUS ALLER WELT
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Menschen,die
bewegen
Zhou Xujian, 30, leitende Intensivkrankenschwester am Central Hospital in Lishui, Provinz Zhejiang/China
„Ich arbeite seit mehr als neun Jahren in diesem Krankenhaus, unsere Station hat 29 Betten. Krankenschwester wollte ich aus zwei Gründen werden: Zum einen ist es in diesem Beruf ein-fach, überall auf der Welt einen Arbeits-platz zu finden. Zum anderen kann ich dank meiner Ausbildung auch in der Freizeit anderen Menschen qualifiziert helfen, vor allem meiner Familie und Freunden. Die dreijährige Ausbildung
zum Bachelor war hart. Gefreut hat mich, dass ich aufgrund meiner Leistungen ein Stipendium erhielt – auch während des einjährigen Praktikums, das sich dem Studium anschloss. Nach meinem Start fing ich ein Jahr später auf der Intensiv-station an, vorher musste ich dafür noch eine dreimonatige Spezialausbil-dung absolvieren. Besonders der Anfang war aufregend. Wir hatten einen 90-jährigen Patienten, der seit einem Jahr bei uns war. Als er kurz darauf verstarb, musste ich weinen. Bis heute rührt mich das Schicksal meiner Patienten, auch wenn ich mittlerweile einen professio-nelleren Abstand habe. Sonst hält man
das auf Dauer nicht aus. Menschen in schwierigen Situationen zu helfen macht mich jeden Tag aufs Neue glücklich. Beruflich habe ich schon viel erreicht, ich möchte aber noch weiter-kommen. Deshalb bilde ich mich hier am Krankenhaus und in meiner Freizeit fachlich weiter. Ich würde gern das ISPN*-Programm durchlaufen, als inter-nationale Krankenschwester arbeiten, Artikel schreiben und an Forschungs-projekten teilnehmen. Privat sticke ich gern. Dabei kann ich abschalten – und verschenken lassen sich die Arbeiten auch.“* International Standards for Professional Nurses
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Yassine Tajouaout, 21, Auszu-bildender zur Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industriearbeiten beim Städteservice Raunheim Rüsselsheim AöR/Hessen
„Sicherheit steht für uns an erster Stelle. Wir betreuen ein rund 350 Kilometer langes Netz von Abwasser leitungen samt Pumpstationen. Dabei müssen Kanal-arbeiter oft unterirdische Anlagen betreten. Dann haben sie ein mobiles Gas-messgerät und einen Selbstretter dabei. Ein Kollege sichert sie mit einer Leine. Ich weiß, wie wichtig solche Sicherheits-vorkehrungen sind – gegen Faulgase und andere Gefahrstoffe, auf die wir in der Kanalisation treffen können. In der Berufsschule lernen wir auch die physika-lischen und chemischen Hintergründe unserer Arbeit kennen. Der Job ist extrem vielseitig und technisch sehr anspruchs-voll. Das sieht man auch an unserem ,Helikopter‘: einem orange-rot lackierten, vierachsigen Spezial-Lkw für Kanal-arbeiten. Nach einem Hubschrauber ist er benannt, weil sich sein Ausleger mit dem Spülschlauch um die eigene Achse drehen lässt. Wir sind nicht nur bei Untersuchun-gen, Wartungen und Reinigungen im Untergrund aktiv, sondern kümmern uns auch um Anlagen in der Natur, die Oberflächenwasser sammeln und ableiten. Spannend finde ich am Kanalnetz unsererbeiden Städte, dass man daran die Entwicklung der Kommunen ablesen kann. Es gibt Bereiche unterschiedlichen Alters, in komplett anderer technischer Ausfüh-rung – und die Entwicklung geht weiter: Mit den neuen Wohn- und Gewerbe-gebieten wächst auch die Kanalisation – wie eine Stadt unter der Stadt.“
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FOKUS ROHSTOFFE
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SCDie unersättliche Nachfrage der Weltwirtschaft nach ROHSTOFFEN
zwingt die Menschheit, erfinderisch zu bleiben – von intelligentem Recycling und Robotern unter Tage bis hin zu Plänen für den Asteroiden-Bergbau.
Text: Steffan Heuer
DIE GROSSE
Mitte Juli 2018 setzte sich im Nordwesten Australiens der
längste und größte Roboter der Welt in Bewegung. Die Lokomo-
tiven zogen eine Ladung von insgesamt 28.000 Tonnen Eisenerz
vom Bergwerk in Tom Price zum Hafen Cape Lambert. Über-
wacht wurde der vollautonome Güterzug des Bergbaukonzerns
Rio Tinto von einem Kontrollzentrum in der rund 1.500 Kilome-
ter entfernt gelegenen Stadt Perth. Der Geisterzug, bei dem erst-
mals keine Menschen an Bord waren, war ein wichtiger Probelauf
dafür, wie Ressourcen künftig sicherer, schneller und günsti-
ger abgebaut und befördert werden können. Rio Tinto investiert
nach eigenen Angaben fast eine Milliarde Dollar in die Automa-
M tisierung seines Eisenbahnnetzes in Australiens Pilbara-Region,einer Tausende Quadratkilometer großen Wildnis. Hier transpor-
tieren 200 Lokomotiven Erze von 16 Minen zu vier verschiedenen
Häfen. Für das „AutoHaul“-Programm hat man Züge und Bahn-
übergänge mit Kameras ausgerüstet sowie eine Überwachungs-
Software entwickelt, mithilfe derer Mitarbeiter im Kontrollzen-
trum nur noch hin und wieder einen Blick auf die Lage draußen
werfen müssen. Die Roboter im Outback sind nur ein Chip im
weltweiten Rohstoff-Roulette. Die wachsende Weltbevölkerung
strebt nach materiellem Wohlstand, wozu beständig mehr Res-
sourcen erforderlich sind. Auch deshalb droht bei vielen Minera-
lien schon bald eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu
klaffen, die die Preise nach oben schraubt und Ängste vor Engpäs-
sen schürt. Dabei geht es keineswegs darum, dass in absehbarer
Geisterzug: Menschen schauen nur noch aus dem
Kontrollzentrum zu, wenn – wie hier in Australien – Tausende
Tonnen Eisenerz auf vollautoma-tisierten Güterzügen zu Verlade-
stationen am Pazifik rollen
7DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
HATZSUCHE
FOKUS ROHSTOFFE
8 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Zeit tatsächlich die Rohstoffe ausgehen, sondern vielmehr darum,
wo und wie man sie in ausreichender Güte ausfindig machen,
effizienter abbauen, verarbeiten und schließlich recyceln kann.
Beim Lebenszyklus – von der Mine bis zur Müllhalde – geht es
um hohe wirtschaftliche, geopolitische und ökologische Interes-
sen. Allein Deutschland importierte 2016 Rohstoffe im Wert von
61,8 Milliarden Euro, wobei man bei Metallen fast komplett auf
Einfuhren angewiesen ist. In den USA hingegen wurden 2017
Mineralien im Wert von gut 75 Milliarden Dollar produziert (Zah-
len ohne Energieträger wie Öl, Gas und Kohle).
Prägnantes Beispiel für ein unberechenbares Wechselspiel
ist das Element Kobalt, das nicht nur die Experten der US-Geo-
logiebehörde (USGS) als „kritisch bedeutend“ für die Weltwirt-
schaft einstufen. Das graue und dehnbare Schwermetall legte
schon sehr früh eine steile Karriere hin: Lange bevor sich die
Chemie zur exakten Wissenschaft entwickelte, waren Kobalt erze
und andere -verbindungen bereits bekannt und wurden als hitze-
feste Pigmente verwendet, um Glas, Keramik und Porzellan blau
zu färben. Archäologen entdeckten es in ägyptischen Statuen,
persischem Schmuck oder chinesischen Vasen. Seinen Namen
verdankt Kobalt dem abergläubischen Mittelalter, wo man es
für Silber- oder Kupfererz hielt, um dann festzustellen, dass es
sich schlecht verarbeiten ließ und beim Erhitzen giftige Dämpfe
abgab. Was lag näher, als Kobolde zu verdächtigen, das vermeint-
lich wertvolle Silber gefressen und verhext zu haben? Erst 1735
untersuchte ein schwedischer Chemiker das Metall genauer und
gab ihm seinen Namen.
Heute ist Kobalt aus Schlüsselindustrien nicht mehr wegzu-
denken, da es ferromagnetisch und hitzebeständig ist, nicht kor-
rodiert und Strom wie Wärme gut leitet. Sein Siegeszug begann
Anfang der 1990er-Jahre, als die ersten Lithium-Ionen-Batte-
rien mit Kobaltdioxid auf den Markt kamen. Dank einer ver-
gleichsweise hohen Energiedichte eignen sich diese Zellen für
mobile Anwendungen – vom Laptop bis zum E-Fahrzeug. Ins-
besondere die vielen neuen Pkw mit Tausenden, dicht gepack-
ten Lithium-Ionen-Zellen ließen die Nachfrage nach Kobalt in
die Höhe schnellen. Gegenwärtig fließen 42 Prozent der welt-
weiten Produktion in die Batterieherstellung, vor allem für die
Automobil industrie. So stecken in einem neuen Tesla Model 3
rund 4,5 Kilogramm Kobalt, in der ersten Version des Model S
waren es noch 11. Obwohl Ingenieure sparsamer werden und
Chemiker daran arbeiten, neue Arten von Batterien ohne das
„verhexte Element“ zu entwickeln, warnen Experten seit Lan-
gem vor Engpässen. So erwartet die Internationale Energieagen-
tur (IEA), dass die Flotte der Elektrofahrzeuge von heute gut drei
Millionen bis 2030 auf mindestens 125 Millionen ansteigen wird.
Der Rohstoffhunger wird zum Problem„Die Zukunft von Elektrofahrzeugen hängt von der Nachfrage
nach knappen Ressourcen ab“, urteilen die IEA-Fachleute in
ihrem Bericht zur Elektromobilität vom Mai 2018. „Der Wech-
sel zu Elektrofahrzeugen wird die Nachfrage verstärken, insbe-
sondere nach Kobalt und Lithium. Bei der Weiterentwicklung
der Batteriechemie geht es darum, den Kobaltgehalt zu senken.“
Doch selbst dann, warnen die Experten, dürfte die Nachfrage im
Automobilbereich bis 2030 um das 25-Fache steigen. Schon heu-
te ist bei Produktion und Nachfrage wenig Spielraum. Laut einer
Studie lag der weltweite Bedarf an Kobalt 2017 bei rund 136.000
Tonnen und soll sich bis 2025 auf 272.000 Tonnen verdoppeln.
Die Produktion von neuem Kobalt plus Recycling addierte sich
2017 auf 127.000 bis 140.000 Tonnen und wird bis 2025 auf vor-
aussichtlich 250.000 bis 265.000 steigen. Dabei ist die Nachfrage
nach Elektrofahrzeugen das große Fragezeichen. „Wahrschein-
lich wird es bis 2025 ausreichend Material auf dem Markt geben.
Sollte sich allerdings ein aggressives Wachstumsszenario einstel-
len, könnte Kobalt bereits 2022 knapp werden“, warnen die Bera-
ter. Ähnlich besorgt zeigt sich die Deutsche Rohstoffagentur. Auch
wenn die genauen Zahlen je nach Experten schwanken, ist die
generelle Prognose in der Tendenz gleich und aus zwei Grün-
den brisant. Bei einem so dünnen Puffer zwischen Angebot und
FÖRDERMENGEN 2017: weltweit 3.150 t; China 440 t, Australien 300 t, USA 245 tHÄUFIGKEIT: 0,004 ppm (Platz 72 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste) – weltweite Reserven: 54.000 tVERWENDUNG: Gold ist eines der ersten Metalle, das Menschen verarbeiteten. Es ist seit Jahrtausenden ein begehrter Rohstoff für rituelle Gegenstände oder Schmuck und wurde seit dem 6. Jh. vor Chr. als Zahlungsmittel eingesetzt. Das Edelmetall ist weich und leicht formbar. Bis heute weckt es Begehrlichkeiten.WERTENTWICKLUNG: Seine Funktion als Werkstoff und stabile Geldanlage zugleich treiben den Goldpreis beständig nach oben, auf 1.355 Dollar je Feinunze (2018).
GOLD196,967
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Au Aurum
Das Metall mit der höchsten Anziehungskraft – auf Entdecker, Geldmacherund Juweliere. In der Elektronik sorgt es für beste Verbindungen.
9DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
Die Super Pit Mine in Australiens Outback ist
3,5 Kilometer lang, 1,5 Kilome-ter breit und mehr als 600 Me-
ter tief. Hier werden jährlich rund 28 Tonnen Gold gefördert
Wenn der Fortschritt
ganze Berge versetzt
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An der langen Leine: Firmen wie Nautilus Minerals
haben mit ersten Tests im Pazifik bewiesen, dass sich mit
Robotern auf dem Meeresgrund wertvolle Rohstoffe wie Kupfer
oder Silber zutage fördern lassen
Schätze aus vier
KilometernTiefe
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ROHSTOFFE FOKUS
11DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
Nachfrage unterliegt der Preis wilden Schwankungen. So stieg
der Preis für Kobalt von rund 24.000 Dollar pro Tonne (2013) auf
rund 80.000 Dollar (2018) – auch aufgrund von Spekulanten, die
den Rohstoff in Erwartung eines anhaltenden Booms bunkern wie
konservative Sparer ihr Gold. Das heißt nicht, dass der Mensch-
heit schon bald das Kobalt ausgeht. Die weltweit bekannten Reser-
ven betragen 7,1 Millionen Tonnen.
Wann wird welcher Rohstoff knapp?Deutlich mehr Kobalt vermuten Geologen in der Erdkruste auf
dem Grund des Atlantiks, Pazifiks und des Indischen Ozeans. Von
den spekulativen Blasen der für Batterien so wichtigen Elemen-
te Kobalt und Lithium einmal abgesehen, haben Geologen auch
beim Rest der Ressourcenpalette Bedenken, warnen aber zugleich
vor Panikmache. Derzeit stammen rund 60 Prozent des weltweit
geförderten Kobalts aus dem Kongo. Unlängst haben sich chi-
nesische Bergbauunternehmen dort die Mehrheit an einer der
größten Minen gesichert, zudem Explorationsrechte an einem
weiteren Vorkommen. Dabei handelt es sich um strategische
Investitionen. China ist der größte Fahrzeugmarkt der Welt, es
gibt hier bereits an die 500 Hersteller von E-Fahrzeugen. Unter-
nehmen wie Tesla und Daimler bauen eigene Batteriewerke. Des-
wegen blicken Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaf-
ten und Rohstoffe in Hannover ähnlich besorgt in die Zukunft
wie ihre US-Kollegen. „Aus rein geologischer Sicht sehen wir die
Versorgung mit mineralischen Rohstoffen weitgehend gesichert“,
schreiben sie. Doch kurz- bis mittelfristig könnten bei der tech-
nischen Bereitstellung Lieferengpässe auftreten. Wann wird wel-
cher Rohstoff knapp? Diese Frage treibt Ökonomen wie Roderick
Eggert um. Er ist Professor an der School of Mines in Colorado
und stellvertretender Direktor des Critical Materials Institute.
Das CMI ist ein Zusammenschluss von Rohstoffunternehmen,
Universitäten und staatlichen Forschungslaboren unter der Ägi-
de des US-Energieministeriums, die gemeinsam die Frage nach
den Engpässen beleuchten wollen. „Dass uns die Ressourcen aus-
gehen, ist ein gängiges Thema für die öffentliche Debatte. Doch
die Zeit drängt nicht, um jetzt schnelle Entscheidungen treffen
zu müssen“, beruhigt Eggert. „Ich mache mir viel mehr Sorgen
darum, dass wir immer mehr Ressourcen minderer Qualität för-
dern. Wir bewegen mehr Gestein und setzen dafür immer mehr
Wasser und Energie ein. Das bringt erhebliche wirtschaftliche
und ökologische Kosten mit sich – es sei denn, technologische
Innovationen sorgen dafür, dass sich die Effizienz innerhalb des
Bergbaus sowie der Mineralgewinnung verbessern. Das gilt vor
allem für die minor metals wie seltene Erden – eine Gruppe von
17 Metallen, die in der Erdkruste vorkommen und für die Weiter-
verarbeitung erst aufwendig isoliert werden müssen. Ihre Reser-
ven sind in China konzentriert. Der Ökonom verweist zudem auf
ungewöhnliche Elemente wie Neodym, das als Ausgangsmaterial
für Dauermagneten in Smartphones und Motoren enthalten ist.
„Die Produktion dieser Metalle liegt oft bei nicht mehr als
ein paar Hundert oder Tausend Tonnen im Jahr“, erklärt Eggert.
„Schon ein neuer Anwendungsbereich kann schnell zu einem
Nachfrageschub führen und die Preise in die Höhe treiben. Diese
Ungewissheit kann Hersteller dazu veranlassen, diese Ressource
nicht zu verwenden.“ Mit anderen Worten: Die Innovationskraft
einer Volkswirtschaft kann durch tatsächliche oder vermeintliche
Wertvolle Knolle: Roboterarme ernten
polymetallische Knollen vor der Küste Papua
Neuguineas. Die über Jahrtausende gewach-
senen Ablagerungen sind reich an Kupfer
und Kobalt
FÖRDERMENGEN 2017: weltweit 110.000 t; Kongo 64.000 t, Russland 5.600 t, Australien 5.000 t HÄUFIGKEIT: 25 ppm (Platz 32 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste) – weltweite Reserven: 7,1 Mio. tVERWENDUNG: Kobalt ist ein wichtiges Nebenprodukt beim Kupfer- und Nickelabbau. Das graue und dehnbare Schwermetall ist ferromagnetisch, hitzebeständig und korrodiert nicht. Deshalb ist es von enormer Bedeutung für Schlüsselindustrien wie dem Flugzeugbau oder die Automobilindustrie. Rund 40 Prozent der weltweiten Produktion fließen in Batterien, unter anderem von Elektrofahrzeugen und Smartphones.WERTENTWICKLUNG: Nach Preisausschlägen in den 1970er- und 1980er-Jahren bewegt sich das Schwermetall wieder steil nach oben; seit 2013 ist es von 24.424 Dollar pro Tonne auf 80.491 Dollar gestiegen (2018).
KOBALT58,933
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Co Cobalt
Der Stoff, aus dem das Blau von Keramik, Glas und den Farben der Maler ist. Heute unverzichtbar für leistungsstarke Batterien.
FOKUS ROHSTOFFE
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Engpässe geschwächt werden, weil man sich bestimmte Produkte
verkneift oder auf andere Rohstoffe ausweicht. Damit es nicht so
weit kommt, haben Fachleute wie Eggert beständig ein Auge auf
die Balance von Angebot und Nachfrage. Sie versuchen, Rohstof-
fe nach ihrer geografischen Konzentration, Wachstums prognose
und Preisentwicklung zu sortieren. So erstellte ein US-Experten-
gremium im März 2016 eine Hitparade „kritischer Mineralien“.
Am Ende brachten es 17 Elemente auf genügend Risikofaktoren,
um in die rote Liste aufgenommen zu werden – von Yttrium über
Quecksilber und Wolfram bis hin zu Kobalt. Um daraus die rich-
tigen Schlüsse zu ziehen und nach Ersatz zu suchen, muss man
zunächst den aktuellen Wissensstand katalogisieren. Deshalb
hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein For-
schungs- und Entwicklungsprogramm rund um „wirtschafts-
strategische Rohstoffe für den Hightech-Standort Deutschland“
entwickelt. Deutsche Forscher sollen mit Kollegen in aller Welt
vernetzt, die Akzeptanz der Rohstoffgewinnung verbessert sowie
die Aus- und Weiterbildung gestärkt werden. Im Fokus stehen
„Metalle und Mineralien, die unsere für Zukunftstechnologien
sicher verfügbar sein müssen und eine große Hebelwirkung für
die Wirtschaft haben“. So viel steht fest: Das anhaltende Wachs-
tum der Weltbevölkerung und die damit einhergehende industri-
elle Fertigung erfordern einen sicheren und zuverlässigen Nach-
schub, erst recht bei den wichtigsten Rohstoffen. China allein
konsumiert nach Angaben des World Economic Forum 57 Pro-
zent allen Nickels sowie 50 Prozent allen Stahls und Kupfers. Da
Kupfer für alle möglichen Produkte (vom Draht bis zum Halblei-
ter) begehrt ist, erwarten Experten, dass die weltweite Nachfrage
schon in zehn Jahren das Angebot übersteigen wird.
Womit man bei der Rolle von Bergbauunternehmen wäre. Sie
alle – von Rio Tinto über Codelco bis zu BHP, Glencore und Free-
port-McMoRan – kämpfen mit denselben Herausforderungen:
tiefer, weiter, teurer. „Bergwerke werden älter und gehen immer
mehr in die Tiefe, während die Produktion und Konzentration
von Erzen sinkt“, sagt Rüdiger Leutz, Geschäftsführer von Por-
FÖRDERMENGEN 2017: weltweit 19,7 Mio. t; Chile 5,33 Mio. t, Peru 2,39 Mio. t, China 1,86 Mio. t HÄUFIGKEIT: 60 ppm (Platz 26 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste) – weltweite Reserven: 790 Mio. tVERWENDUNG: Neben Gold, Silber und Zinn war Kupfer eines der ersten Metalle, deren Verarbeitung die Menschheit erlernte. Das weiche Metall wird rein oder als Legierung für elektrische oder elektronische Installationen verwendet. Wegen seiner hohen Leitfähigkeit eignet es sich gut für Wärmetauscher sowie Leitungen, Schaltdrähte, elektrische Maschinen und Motoren.WERTENTWICKLUNG: Kupfer zeichnet sich seit den 1970er-Jahren immer wieder durch Preisspitzen aus. Im Herbst 2018 lag der Preis bei rund 5.700 Dollar pro Tonne, 2016 noch bei 4.800 Dollar.
KUPFER
Bewetterung: Saubere Atemluft ist die Basis für sichere Arbeiten unter Tage, doch sie wird auch schnell zum Kosten-faktor. Je ausladender und komplexer das Bergwerk, desto sorgsamer muss die Versorgung mit Atemluft geplant und überwacht werden. Dabei kommen stationäre wie mobile Gasmessgeräte zum Einsatz – wie das X-am 8000, das bis zu sieben toxische sowie brennbare Gase, Dämpfe und Sauerstoff gleichzeitig misst.
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Cu Cuprum
Sicherheit unter Tage:
Flucht: Je größer und tiefer das Bergwerk, desto anspruchsvoller das Flucht- und Rettungskonzept. Dräger bietet eine Vielzahl von Lösungen – vom persönlichen Fluchtgerät bis zur Rettungs- und Fluchtkammer. Die MRC 5000 (rechts) bietet acht bis 20 Personen (bis zu 96 Stunden) Schutz.
Atemschutz: Bei der Förderung und Verarbeitung von Erzen können Stäube, Aerosole und toxische Gase freigesetzt werden. Dräger bietet sowohl filtrie-renden Atemschutz als auch Druckluftschlauchgeräte für den Einsatz in Gefahren-bereichen an (u. a. die Halb-maske Dräger X-plore 3500).
Das der menschlichen Entwicklung – zwischen der Stein- und Bronzezeit – als Kupferzeit seinen Namen gab.
13DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
sche Consulting in Brasilien. Das Beratungshaus arbeitet unter
anderem mit Codelco zusammen, dem weltgrößten Kupferpro-
duzenten aus Chile, der dort sieben Bergwerke unterhält und
2017 fast 2 Megatonnen Kupfer herstellte. Auch wenn Codelco in
El Teniente die inzwischen größte Kupfermine der Welt betreibt,
die es auf 3.000 Kilometer Strecke unter Tage bringt, sinkt die
Qualität des Kupfererzes. Seit 1990 hat sich die Güte fast halbiert.
Hinzu kommt ein Mangel an geschultem Personal, das mit neu-
esten Technologien umgehen kann. Und drittens, sagt Leutz, ste-
hen Bergbaufirmen nicht nur unter wirtschaftlichem Druck,
sondern müssen strengere Anforderungen in Sachen Umwelt-
schutz und Sicherheitsvorschriften erfüllen. „Die Antwort auf die-
se He rausforderungen lautet Digitalisierung, Automation, Einbin-
dung von Datenströmen sowie Prozessoptimierung.“ Deswegen
hat sich Codelco ebenso wie die Konkurrenz ein Modernisierungs-
programm verordnet. Priorität genießen außerdem künstliche
Intelligenz und mit Sensoren gespickte Drohnen. Damit lassen
sich nicht nur neue Vorkommen ausfindig machen, sondern auch
bestehende Mineralien mit weniger Energie und Wasser abbau-
en. Künstliche Intelligenz sorgt dafür, gewaltige Bohrmaschinen
unter Tage zu überwachen und sie zu warten, bevor sie ausfallen.
Diese Entwicklung macht auch vor uns Menschen nicht halt. In
einigen australischen Minen sind bereits intelligente Helme im
Einsatz, die Gehirnströme von Fahrern messen und sie vor Über-
müdung warnen. Mit den gewonnenen Daten, erklärt Leutz, lässt
sich noch viel mehr anstellen, um die Produktivität zu steigern.
Planer eines Bergwerks können die neuralgischen Punkte auf Stra-
ßen und Rampen identifizieren und so gefährliche Steigungen,
Kurven oder Kreuzungen entschärfen.
Gold auf der Müllhalde Das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage besitzt eine
weitere, wichtige Stellschraube: den nachhaltigen Umgang mit
den Geräten, die bereits das Ende ihrer Lebensspanne erreicht
haben. Wer alte Handys, Computer und Batterien sammelt, ihre
Komponenten fachgerecht trennt und aufbereitet, kann verhin-
dern, dass Metalle, Edelmetalle und seltene Erden auf alle Ewig-
keit auf einer Mülldeponie landen. Weltweit werden für die Her-
stellung elektronischer Geräte jährlich mehr als 7.500 Tonnen
Silber und 320 Tonnen Gold verwendet. Ihr Wert summiert sich
Tiefer, weiter, teurer: Codelco in Chile ist der größte Kupferproduzent der Welt. Minen, wie diese in der
Atacama-Wüste, werden immer tiefer und weiter ausgeschachtet und mit Roboterfahrzeugen betrieben,
um die globale Nachfrage zu befriedigen
Roboter helfen bei
der Jagd nach Kupfer
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14 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
auf rund 21 Milliarden Dollar. Wird Elektroschrott in ein Ent-
wicklungsland exportiert, wird in der Regel nur die Hälfte der
wertvollen Bestandteile wiedergewonnen. Werden die Geräte hin-
gegen in einer modernen Volkswirtschaft recycelt, liegt die Wie-
dergewinnungsquote, etwa für Gold, bei 95 Prozent. So gesehen
steckt in jedem modernen Handy ein kleines Bergwerk.
Die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA hat nachge-
rechnet: Aus einer Million recycelter Smartphones ließen sich
fast 16 Tonnen Kupfer, 359 Kilogramm Silber, 34 Kilogramm Gold
und 15 Kilogramm Palladium gewinnen. Laut dem amerikani-
schen Dachverband der Schrott- und Recycling-Industrie (ISRI)
steckt in einer Tonne alter Computer genauso viel Gold wie in
17 Tonnen Erz. Diese Mengen summieren sich schnell, da allein
in den USA jährlich rund 4,5 Millionen Tonnen Elektronikschrott
entsorgt werden. Weltweit wird daran geforscht, wertvolle Roh-
stoffe wieder dem Kreislauf zuzuführen. Die Fraunhofer-Gesell-
schaft etwa arbeitet mit mehreren Firmen aus den Bereichen
Recycling, Batterien und Anlagenbau an einem neuen Verfahren
namens NEW-BAT, um die Wiederverwertung von Batteriekom-
ponenten zu verbessern. Dabei werden Lithium-Ionen-Batteri-
en in einem Wasserbad mit Schockwellen zerkleinert. So lassen
sich nicht nur Metalle wiedergewinnen, sondern Verbundstoffe
berührungsfrei an den Materialgrenzen aufspalten – etwa Verbin-
dungen aus Lithium, Nickel, Kobalt oder Mangan, hochwertigen
Kohlenstoffen sowie Legierungen aus seltenen Erden. Da die Zahl
an Elektrofahrzeugen weiter steigen wird, entwickeln Länder wie
Japan und China derzeit Konzepte für eine eigene Infrastruktur,
um ein möglichst flächendeckendes Netz an Recyclingstationen
für Altbatterien aufzubauen. Die Volksrepublik stellte im Juli 2018
einen entsprechenden Standard für Kommunen und Fahrzeug-
bauer vor, und in Japan eröffnete im März unweit vom Unglücks-
reaktor in Fukushima die erste Recyclingfabrik für Autobatterien.
Selbst in Plastik stecken verborgene Schätze. So befasst sich ein
weiteres Projekt des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik
und Verpackung mit der Frage, wie man die kritischen Metalle
Antimon und Titan aus Altgeräten retten kann, bevor sie auf Müll-
halden landen. Beide sind unter anderem in Additiven für Kunst-
stoffgehäuse enthalten; Ersteres als Flammschutzmittel, Letzte-
Auch in alter Elektronik schlummern Schätze
Dauerproblem Recycling: Je mehr Elektronik die Mensch-
heit verwendet und entsorgt, desto höher türmen sich die
Berge von Elektroschrott – wie hier in Wuhan, China, kann er wiederverwertet werden, statt
auf der Müllhalde zu landen
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ROHSTOFFE FOKUS
15DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
res als Weißpigment. Das Projekt Add Resources untersuchte die
Recycelbarkeit von Metallen mit dem Fazit, dass es grundsätzlich
weder an der Technologie noch an der Wirtschaftlichkeit hakt.
Projektleiter Dr. Martin Schlummer sieht als größtes Hindernis
ein „Umsetzungsdefizit“ – einen Mangel an der erforderlichen
Verwertungsinfrastruktur in Deutschland, etwa um flammschutz-
haltiges und anderes Plastik voneinander zu trennen. Je mehr
Müllhalden anschwellen, desto drängender wird das Problem.
Während China und Indien den meisten Elektroschrott aus aller
Welt aufnehmen, sammeln sich nach Berechnungen der Verein-
ten Nationen allein in Westafrika jedes Jahr eine Million Tonnen
Alt-Elektronik an. Mit schlechten Aussichten, die wertvollen Kom-
ponenten nachhaltig wiederzugewinnen. Da die Menschheit im
Jahr 2030 rund drei Milliarden Tonnen Abfall produzieren wird,
denken Fachleute über urban mining nach, also wertvolle Metal-
le aus städtischen Müllhalden zu gewinnen.
Die Suche nach Bodenschätzen macht nicht an Land halt.
Geologen der USGS beschäftigen sich seit den 1970er-Jahren mit
Mineralien in der Tiefsee. Meeresforscher hievten bereits im
19. Jahrhundert seltsame Knollen an die Oberfläche, und Tief-
seekameras liefern immer wieder beeindruckende Bilder von
Hydrothermalquellen, die aus Erdspalten im Ozean sprudeln.
Sobald sich die mineralreichen schwarzen Wolken abkühlen,
entstehen turmhohe Schornsteine. Doch wer darf unter Wasser
schürfen? Laut eines internationalen Seerechtsübereinkommens
können Nationen eine sogenannte „Ausschließliche Wirtschafts-
zone“ für alle Ressourcen beanspruchen, die bis zu 200 Seemei-
len (rund 316 Kilometer) vor ihren Küsten liegen, einschließlich
der Rohstoffe, die in mehreren Kilometern Tiefe schlummern.
Tiefseebergbau: Schätze am MeeresgrundDie Verwaltung der gewaltigen Vorkommen an Mangan, Kobalt,
Nickel oder Kupfer in internationalen Gewässern wurde der UN-
Behörde International Seabed Authority (ISA) mit Sitz in Jamai-
ka überlassen. Auch wenn sie noch an den Richtlinien für den
Abbau feilt: „Der kommerzielle Tiefseebergbau wird innerhalb
der nächsten fünf Jahre beginnen“, sagt der kalifornische Geologe
Dr. James R. Hein, der das Global Ocean Mineral Resources-Pro-
jekt der USGS leitet. Die ISA-Fachleute haben drei Hauptkategori-
en unterseeischer Ressourcen definiert: polymetallische Knollen,
polymetallische Sulfide und Ferromangan-Krusten. Letztere sind
das Ergebnis vulkanischer Aktivität und deshalb reich an Kobalt
und Nickel. Sie kommen in seichteren Gewässern ab 400 Meter
Tiefe vor und liegen deshalb oft in der von einzelnen Ländern
beanspruchten Ausschlusszone. „Es gibt noch eine Menge offener
Fragen, doch es ist sehr wahrscheinlich, dass die Ressourcen auf
dem Meeresgrund die Vorkommen an Land übersteigen“, sagt Amy
Gartman, Meeresforscherin und rechte Hand von USGS-Projekt-
leiter Hein. Fachleute schätzen, dass allein in der Clarion-Clipper-
ton-Zone im Pazifik rund 21 Milliarden Tonnen polymetallischer
Knollen liegen. Sie können zwischen zwei und 20 Zentimeter groß
werden und enthalten neben Mangan und Eisen auch Spuren
begehrter Metalle wie Nickel, Kupfer, Kobalt und seltene Erden.
Einige Länder haben bereits erste Experimente für den Bergbau
unter Wasser lanciert. Das von Importen abhängige Japan mach-
te Schlagzeilen, als es im September 2017 vor der Küste Okinawas
ein gelbes Raupenfahrzeug versenkte, das aus 1.600 Meter Tiefe
FÖRDERMENGEN 2017: weltweit 43.000 t; Australien 18.700 t, Chile 14.100 t, Argentinien 5.600 tHÄUFIGKEIT: 20 ppm (Platz 33 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste) – weltweite Reserven: 16 Mio. tVERWENDUNG: Ohne das weiche silberweiße Leichtmetall wäre der Aufstieg der modernen Elektromobilität und Smartphones sowie anderer vernetzter Geräte nicht denkbar, denn ohne den Standard der Lithium-Ionen-Batterien geht heute (fast) nichts mehr. Lithium wird vielen Werkstoffen beigemischt, um sie härter, elastischer und haltbarer zu machen.WERTENTWICKLUNG: Lithium ist kontinuierlich teurer geworden; der Preis stieg von 1.550 Dollar pro Tonne (2003) auf 16.500 Dollar (2018).
LITHIUM
Konsumgesellschaft: In jedem Smartphone steckt ein kleines Bergwerk – wenn Hersteller das im Handy verbaute Gold und Silber sachgerecht wiedergewinnen
6,94
3
Li Lithium
Erst nur als Schmiermittel genutzt, wurde es immer wichtiger und beschleunigt nun mit leichten Akkus die Elektromobilität.
FOKUS ROHSTOFFE
16 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
mehrere Tonnen Erze nach oben förderte. Zur Beute gehörten
nach Regierungsangaben Gold, Kupfer, Blei und Zink. Mitte 2020
soll der kommerzielle Abbau im Pazifik beginnen, da japanische
Forscher insgesamt sechs Erzvorkommen rund um Okinawa ent-
deckt haben und allein in einem der Gebiete so viel Zink vermu-
ten, wie Japans Industrie in einem ganzen Jahr verbraucht. Ein
zweites Projekt vor der Küste Papua-Neuguineas kommt weni-
ger reibungslos voran. Testschürfungen in 1.600 Meter Tiefe in
der Bismarcksee haben Kupfer, Gold und Silber zutage gefördert.
Abbauen will die Metalle die kanadische Firma Nautilus Mine-
rals, hinter der Investoren aus Russland und dem Oman stehen.
Die Regierung in Port Moresby hat die erforderlichen Lizenzen
erteilt, um im Solwara One-Gebiet Ende 2019 mit der Förderung
zu beginnen. Doch das Vorhaben ist auf Proteste örtlicher Bürger-
initiativen gestoßen. Sie sind besorgt, dass beim Abbau unter Was-
ser gewaltige Mengen Sediment aufgewirbelt werden.
„Gemeinsames Erbe der Menschheit“ Die weitgehend unbekannten ökologischen Folgen sind eine von
mehreren offenen Fragen rund um die Jagd auf Rohstoffe am
Meeresgrund. „Tiefseebiologen haben angefangen, sich für das
Thema zu interessieren. Sie wollen wissen, was da unten lebt und
wie es vom Bergbau betroffen wäre“, sagt USGS-Meeresforsche-
rin Gartman. Wer in mehreren Kilometern Tiefe metallhaltige
Krusten oder Knollen sammelt und sie im großen Maßstab nach
oben hievt, wirbelt zwangsläufig erhebliche Mengen Schlamm
auf. Dabei haben Forscher gerade erst angefangen zu katalogi-
sieren, welche Röhrenwürmer, Fische und Schnecken es sich
an Orten wie Hydrothermalquellen bequem gemacht haben. In
einer ihrer jüngsten Expeditionen setzte Gartman gemeinsam
mit anderen Meeresforschern vor der Küste San Diegos künstli-
che Sedimentwolken im Pazifik aus und verfolgte mit 3-D-Sonar,
wie sich die Partikel unter Wasser ausbreiten und wo sie sich am
Meeresgrund ablagern. Auch hier steht die Wissenschaft erst am
Anfang. Eine weitere Nebenwirkung des Bergbaus ist an Land bes-
tens bekannt: Abraumhalden und Abwasserteiche, in denen sich
Metalle und Säuren anreichern, die dann in die Umwelt gelan-
gen. Das Gleiche kann bei der Freisetzung von Sulfiden unter
Wasser passieren, warnt Gartman. Niemand weiß, wie viel an
zusätzlicher Säure die Meere abpuffern können. „Es kommt auf
die Größe der Arbeiten unter Wasser an.“ Ob der Mensch sei-
nen anhaltenden Bedarf an Metallen tatsächlich in den Tiefen
des Ozeans stillen wird, hängt auch von der Wirtschaftlichkeit
ab. Und die ist keineswegs sicher, wie Richard Roth, Professor
für Materialwissenschaften am Massachusetts Institute of Tech-
nology (MIT), vorgerechnet hat. Die Ergebnisse präsentierte er
auf einem Treffen der Seabed Authority im März 2018 in Jamai-
ka. Die Anlaufinvestitionen für eine fiktive Tiefseemine liegen
demnach bei drei bis vier Milliarden Dollar plus jährlich 600 bis
1,1 Milliarden Dollar für den laufenden Betrieb.
Den Löwenanteil der Kosten verursacht keine schwimmende
metallurgische Fabrik, sondern ein Werk auf dem Festland, in dem
Nickel, Kupfer, Kobalt und Mangan mühsam gewonnen werden
müssen, prognostiziert Roth. Das mineralische Quartett macht
gerade einmal 30 Prozent der angelandeten Knollen aus. Bei einer
jährlichen Ausbeute von drei Millionen Tonnen Tiefseeknollen
blieben am Ende geschätzte 6.375 Tonnen Kobalt und 32.400 Ton-
FÖRDERMENGEN 2017: Seltene Erden ca. 130.000 t (davon nur Neodym: rund 7.000 t); China 105.000 t, Australien 15.000 t, Russland 2.800 t HÄUFIGKEIT: 42 ppm (Platz 28 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste)VERWENDUNG: Neodym gehört zur Gruppe der seltenen Erden, die nur in Verbindung mit anderen Metallen vorkommen und deren Gewinnung mit erheblichen Umweltproblemen verbunden ist. Das Metall wird als Neodym-Eisen-Bor-Legierung für starke Dauermagneten verwendet, die u. a. in der Elektronik von Smartphones bis zu autonomen Fahrzeugen wichtig sind. Deshalb sind westliche Industrienationen besorgt, dass mehr als 80 Prozent der seltenen Erden in China gefördert werden.WERTENTWICKLUNG: Der Preis von Neodym ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder stark gestiegen – 2009 lag er bei rund 15.000 Dollar je Tonne, 2011 bei 250.000; im vergangenen Jahr pendelte er sich bei rund 95.000 Dollar ein.
NEODYM
Angebohrt: 2022 soll eine NASA-Mission
zum Asteroiden Psyche starten, der zwischen
Mars und Jupiter um die Sonne kreist. Ziel ist es,
mögliche Nickel- undEisenvorkommen
zu untersuchen
144,242
60
Nd Neodymium
Der Stoff für extrem starke Permanentmagnete, wie sie etwa für leistungsstarkeWindenergieanlagen oder Festplatten verwendet werden.
17DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
Recycling bei Dräger:Ob Gold, Aluminium oder Atemkalk – viele Geräte bleiben auch am Ende ihres Lebenszyklus wertvoll.www.draeger.com/404-17
nen Kupfer übrig. Ein solches Bergwerk würde im Jahr knapp
2,4 Milliarden Dollar Umsatz generieren, was angesichts der Preis-
schwankungen für viele Metalle keine Garantie dafür ist, schwarze
Zahlen zu schreiben. Die größte Frage für Roth ist jedoch die nach
der fairen Aufteilung der zu erwartenden Gewinne unter Betrei-
berfirmen, ihren Investoren und Nationen, deren Rechtsprechung
sie unterliegen, sowie dem „gemeinsamen Erbe der Menschheit“.
Schließlich gehören die Ozeane anders als Bergwerke allen Men-
schen. Deswegen sind nicht alle Fachleute überzeugt, dass die
Zukunft auf dem Meeresgrund liegt. „Die technischen Hürden
sind abschreckend hoch, und es ist schwer vorstellbar, dass wir
dort jemals im großen Stil Rohstoffe abbauen werden – außer viel-
leicht hochwertige Ressourcen“, gibt der Ökonom Roderick Eggert
zu bedenken. „Das Thema ist so aufregend wie eine Science-Fic-
tion-Geschichte, aber man sollte immer daran denken, dass nur
ein Teil der Science-Fiction am Ende Wirklichkeit wird.“ So gese-
hen scheint es beruhigend, dass die Menschheit bereits das nächs-
te Ziel im Visier hat: Asteroiden, Monde und andere Planeten. Im
Sonnensystem ziehen Millionen von Asteroiden ihre Bahnen, min-
destens 1.000 davon sind für Firmen wie Deep Space Industries
und Planetary Resources von Interesse, da sie groß und nah genug
an der Erde sind und wertvolle Rohstoffe enthalten. Luxemburg
hat bereits ein Gesetz erlassen, das den Betreibern künftiger Berg-
werke im All freie Bahn gibt, ihre himmlischen Profite einzufah-
ren. Planetary Resources betreibt die Datenbank Asterank, in der
mehr als 600.000 Asteroiden mit ihren Bodenschätzen und wirt-
schaftlichem Wert detailliert gelistet sind. Die NASA plant, 2022
eine Sonde zum Asteroiden Psyche zu schicken, der zwischen Mars
und Jupiter um die Sonne kreist. Nach Meinung von Astronomen
handelt es sich dabei um den Kern eines ehemaligen Planeten, der
aus Nickel und Eisen besteht. Kein Wunder also, dass Chris Lewi-
cki von Planetary Resources unlängst die Meinung vertrat: „Die
nächste Eisenzeit findet im Weltraum statt.“
Roboter,die sich
Asteroidenschnappen
All-gegenwärtig: Wissenschaftler haben rund 1.000 Asteroiden identifiziert, auf denen sich Space Mining lohnen könnte. Die NASA übt bereits auf der Erde, wie man tonnenschwere Gesteinsbrocken mit Greifarmen manipuliert
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227 Jahre
372 Jahre
387 Jahre
1.200 Jahre
FOKUS ROHSTOFFE
DRÄGERHEFT 404 | 2 / 201818
Abbau Jährliche Gewinnung der wichtigsten Metalle aus Erzen (in 1.000 Tonnen; 2017). Einige gehören als chemische Elemente zu den Halb- oder Übergangsmetallen.
Herkunft Die jeweils fünf wichtigsten Förder-regionen pro Metall sowie der Anteil der Fördermenge an der Weltproduktion.
Metalle haben faszinierende Eigen-
schaften in der Verarbeitung und beim
Gebrauch. Sie sind für die heutige Welt
unverzichtbar. Sie geben Häusern Sta-
bilität, Flugzeugen Leichtigkeit, und sie
treiben die Elektronik wie Elektromobi-
lität an. Die Lagerstätten für Metallerze
sind weltweit unterschiedlich verteilt. Auf
manche zukunftsträchtigen Metalle wie
Kobalt haben einige (oft politisch fragi-
le) Länder sogar fast ein Monopol. Die
Grafiken beantworten die Fragen nach
Herkunft und Fördermengen ebenso wie
nach der Nutzung. Der begrenzte Vor-
rat mahnt zum überlegten Einsatz und
zum Recycling, das überall Fortschritte
macht. Auch wenn die heute abbauwür-
digen Reserven sowie die überhaupt vor-
handenen Ressourcen begrenzt sind: Die
Menschheit war da immer recht flexibel!
Knappe RessourcenSie gewährleisten die Herstellung einer Vielzahl von Gütern: METALLE stecken in so unterschiedlichen Produkten wie Smartphones, Autos oder Verpackungen.
39 % CHN
Eisenerz
26 % AUS13 % BRA6 % IND3 % RUS
54 % CHN
Aluminium
6 % RUS5 % CAN5 % IND4 % UAE
48 % RSA
Chrom
17 % KAZ10 % IND9 % TUR3 % FIN
28 % CHI
Kupfer
12 % PER9 % CHN6 % USA5 % AUS
39 % CHN
Zink
11 % PER10 % IND8 % AUS6 % USA
51 % CHN
Blei
10 % AUS7 % USA6 % PER5 % RUS
19 % INA
Nickel
11 % PHI10 % CAN10 % NCL9 % AUS
35 % CHN
Zinn
18 % INA18 % MMR9 % BRA6 % BOL
45 % CHN
Molybdän
20 % CHI15 % USA9 % PER4 % MEX
73 % CHN
Antimon
9 % TJK5 % RUS3 % AUS2 % TUR
58 % COD
Kobalt
5 % RUS5 % AUS4 % CAN4 % PHI
89 % BRA
Niob
9 % CAN1 % RUS1 % COD
43 % AUS
Lithium
33 % CHI13 % ARG7 % CHN2 % ZWE
22 % MEX
Silber
18 % PER10 % CHN6 % RUS5 % BOL
14 % CHN
Gold
10 % AUS8 % RUS8 % USA6 % CAN
3.30
5.00
0
60.0
00
31.0
00
19.7
00
13.2
00
4.70
0
2.10
0
290
290
150
110
64 43 3,15
25
8 Jahre
11 Jahre
Zinn
Antimon
Gold
Silber
Kupfer
Molybdän
Nickel
Niob
Eisenerz
Zink
Blei
Kobalt
Lithium
Chrom
Aluminium
Aluminium
Chrom
Lithium
Kobalt
Blei
Zink
Eisenerz
Niob
Nickel
Molybdän
Kupfer
Silber
Gold
Antimon
Zinn
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19DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
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Ressourcen So lange dauert es, bis alle derzeit bekannten Vorkommen ausgebeutet sind. Diese Schätzungen beruhen auf gleichbleibenden Randbedingungen hinsichtlich Abbau, Verbrauch und Recycling.
ZweckDie wichtigsten Anwendungsgebiete der ausgewählten Metalle.
RecyclingDer Anteil vonaufbereitetem Material in der Metall herstellung.
51 %
33 %
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40 %
31 %
30 %
52 %
39 %
30 %
25 %
25 %
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67 J
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20 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
TraditionTraining: Herz und Lunge abhören, Temperatur messen – schnell vergessen die Aus-zubildenden, dass vor ihnen nur ein virtueller Patient liegt
21DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
DDurch das offene Fenster dringt das rhythmische Gekreische
der Zikaden, schwappt frische Morgenluft, von der man schon
ahnt, dass sie in nur wenigen Stunden tropisch werden wird –
mit 36 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von über 60 Pro-
zent. Der Blick wandert über Hochhäuser hin zu üppig-grünen
Bergen, die sich bald im Dunst verlieren. Auf dem Fußboden
liegt eine Auswahl von Wandkacheln. Ein schlanker Herr betritt
den Besprechungsraum. Seit 20 Jahren leitet Prof. Dr. Wei Tie-
min als Präsident das größte Krankenhaus in Lishui, einer Stadt
mit gut 2,5 Millionen Einwohnern in der Provinz Zhejiang, rund
drei Schnellbahnstunden südwestlich von Shanghai. „Wir sind
ein kommunales Zentralkrankenhaus, zudem Universitätsklinik
für die Zhejiang University“, erläutert er. Das Lishui Municipal
Central Hospital ist eine von rund 30.000 Kliniken in der Volks-
republik China, zudem eine der modernsten.
Herr über 3.000 AngestellteHier haben sie vieles: von der Notaufnahme, gleich am Ein-
gang, bis zu modernen bildgebenden Verfahren wie Magnet -
resonanz- (MRT) oder Positronenemissionstomografie (PET).
Eine Zahnklinik ist ebenfalls angegliedert, zudem gibt es umfang-
reiche Räumlichkeiten für Lehre, Fortbildungen und Kongres-
se. Der 60-Jährige ist stolz auf das Erreichte: „Gegründet wur-
de unser Krankenhaus im Jahre 1971 als zunächst kleine Klinik,
trifftModerneEinblicke in chinesische Krankenhäuser sind selten, erst recht außerhalb der Metropolen an der Ostküste. Doch Prof. Dr. Wei Tiemin führt mit Stolz durch das LISHUI MUNICIPAL CENTRAL HOSPITAL – und erlaubt genau diese Einblicke in das Management und die tägliche Arbeit.
Text: Nils Schiffhauer Fotos: Patrick Ohligschläger
ASIEN KRANKENHÄUSER
DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
22 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Entschei-dend sind die Menschen und ihr Verhältnis zueinander
Auf Augenhöhe: Konzentrierte Blicke, die mehr sagen als Worte – sie sind wie eine Übung vor der kommenden OP, zu der sich diese Ärzte gerade aufmachen
22
23DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
die zwei Jahre später in Betrieb ging. Heute haben wir 1.650 Bet-
ten und schleusen täglich rund 18.000 Menschen durch unser
Haus“, sagt der Herr über 3.000 Angestellte, der eigentlich schon
das dortige Rentenalter für Ärzte erreicht hat, aber seinen Ver-
trag – auf eigenen Wunsch sowie den von Stadt und Universität –
verlängerte. Aus zwei Gründen sei das Krankenhaus auf rund
45 Abteilungen gewachsen, von der Augenheilkunde über ein
Tumorzentrum bis zur Herzchirurgie, Neurologie und Nephro-
logie, sagt Prof. Wei. „Zum einen ist die Einwohnerzahl unserer
Stadt fast explosionsartig gestiegen, zum anderen zog die Ein-
führung einer Krankenversicherung in China einen stärkeren
Zustrom in spezialisierte Kliniken nach sich.“
Prof. Wei hat dabei nicht nur das mengenmäßige Wachstum
seines Hauses im Blick. Er hat es auch mit seiner Ausstattung an
eine Spitzenposition gebracht. Vor allem natürlich mit Technik
für Diagnose (unter anderem „einem der modernsten automa-
tischen Laborsysteme in ganz Asien“) und Therapie sowie einer
anspruchsvollen Ausbildung seiner Mitarbeiter, zu der auch die
Befunderhebung mithilfe virtueller Realität gehört. Auffallend
ist die ebenso praktische wie in Design und Farben sorgfältig auf-
einander abgestimmte Innenarchitektur. „Ja“, deutet Prof. Wei
auf die Kacheln am Boden, „ich habe zunächst Architektur stu-
diert, bevor ich mich aus gesundheitlichen Gründen der Medi-
zin zuwandte und Kardiologe wurde.“ Später, beim Rundgang
durch die VIP-Station im 25. Stock, zeigt er auf einen von ihm ent-
wickelten und in China patentierten Nachtschrank, der in Form
und Funktion geradezu besticht – etwa mit einem maßgeschnei-
derten Fach für die im Land unverzichtbaren großen Thermos-
kannen mit heißem Wasser. „Darunter ließ ich eine ausziehbare
Schublade anbringen, die Tropfwasser auffängt.“ Vielleicht nur
ein Detail, aber auch ein Beispiel dafür, wie er Tag für Tag die
effiziente Leitung seines Hauses bewältigt.
Mehr als 4.000 MedizingeräteSeine Erfahrungen und Empfehlungen hat Prof. Wei in einem
Buch zusammengefasst („Detail-oriented Management of Hospi-
tals“). Setzen die in China üblichen Fünfjahrespläne den strate-
gischen und finanziellen Rahmen, kann sich der Klinikpräsident
im Alltag vor allem auf die Führung seiner Mitarbeiter konzen-
trieren. „Die meisten schöpfen wir aus dem Reservoir unserer
2,5-Millionen-Stadt und bilden sie hier weiter aus“, sagt er. Ent-
scheidend für die Führung eines Krankhauses seien die Men-
schen und ihr Verhältnis zueinander. Darunter auch Herzspezia-
listen. Prof. Wei öffnet die Tür eines Raumes, in dem in einer
eigenen Abteilung angefertigte Präparate menschlicher Orga-
ne dicht an dicht stehen. Er zeigt auf das Schnittbild eines gro-
ßen verkalkten Herzens. „Der Mann, dem wir vor Jahren dieses
Herz entnommen und ein anderes eingepflanzt haben, erfreut
sich bis heute bester Gesundheit!“ Von der müssen, im übertrage-
nen Sinne, auch die technischen Geräte sein. „Mit einem Team
von zehn Ingenieuren“, erklärt er, „bin ich für die reibungslo-
se Funktion der mehr als 4.000 Medizingeräte verantwortlich.“
Diese würden immer leistungsfähiger, aber auch komplizier-
ter. Ein reibungsloser Service durch die Hersteller spiele somit
eine große Rolle. Kein Wunder also, dass er sogleich Ni Jian-
wei herzlich begrüßt. Der Ingenieur war bis vor Kurzem für den
Kraftvolle Gelassenheit: Professor Dr. Wei Tiemin hat das Lishui Municipal Central Hospital zu einem der modernsten seiner Region gemacht. Fachliche Kompetenz des Kardiologen, eine gute Mitarbeiterführung undVernetzung sind die Geheimnisse seines Erfolgs
Ordnung und Disziplin als Teil des chinesischen Strebens nach Harmonie. Das ist an den Betten der Intensivstation (unten) nicht anders als am scheinbar zufällig arrangierten Gruß aus der Natur (links). Der Mensch ist eben ein Teil von ihr
ASIEN KRANKENHÄUSER
DRÄGERHEFT 404 | 2 / 201824 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 201824
Service der Dräger-Geräte in diesem Krankenhaus verantwortlich
und hat seine Arbeit offenbar zur Zufriedenheit aller gemacht.
„Auch wir Chinesen warten nicht gern“, sagt Ni. „Wenn sie uns
brauchen, kontaktieren sie ein Callcenter, das wiederum den
zuständigen DrägerService-Mitarbeiter informiert.“ Der meldet
sich dann umgehend, um das Problem einzukreisen und notfalls
auch in der Nacht oder am Wochenende zu lösen. Denn: „Meist
bleiben die Geräte ja am Arbeitsplatz, also im OP oder auf der
Intensivstation.“
Waschmaschinen mussten wegDie Intensivstation leitet Dr. Xin Tian. „Wir haben hier 29 Bet-
ten, auf einer zweiten Station noch acht weitere“, erläutert der
45-Jährige. Seine Station ist ebenfalls mit moderner Medizintech-
nik ausgestattet, doch sie unterscheidet sich schon auf den ersten
Blick von anderen Intensivstationen. Sie ist deutlich heller und
offener. Zudem vermitteln besuchende und auch unterstützen-
de Angehörige eher das Bild einer ganz normalen Station. „Tech-
nik hilft hier, Leben zu retten“, zeigt der Arzt auf die vielen Beat-
mungsgeräte von Dräger, „aber Technik ist in China auch nicht
alles.“ Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) spiele eben-
falls eine große Rolle. „Wir erzielen damit gute Ergebnisse, etwa
bei Beschwerden im Bauchraum“, sagt Dr. Xin und sieht hier
in der Anwendung einer sich immer wieder erneuernden TCM
sogar einen wachsenden Trend. Doch nicht nur die Nachfrage
nach TCM steigt. „Insgesamt dürfte die Zahl unserer Patienten in
den nächsten Jahren weiter wachsen“, erwartet Prof. Wei. Da rauf
ist man vorbereitet. Auf dem weitläufigen Klinikgelände entste-
hen gerade zwei große Anbauten, die im landesüblichen Tempo
(„drei Etagen pro Monat“) hochgezogen werden.
Nach dem Rundgang fragt man sich, was eigentlich typisch
chinesisch in diesem Krankenhaus ist. Außer dem Angebot der
Cafeteria ist es vor allem der Geist: eine allgemeine Zugewandt-
heit sowie bei aller Arbeitsbelastung doch eine gewisse Ruhe.
Und die Waschküche, in der Patienten oder Angehörige ihre Klei-
dung in einem großen Becken reinigen können. „Wir hatten sie
anfangs mit Waschmaschinen ausgestattet, aber sie wurden aus
traditionellen Gründen weder genutzt noch akzeptiert“, erin-
nert sich Prof. Wei. Tradition in China verdankt sich auch dem
Engagement der Ärzte in der Prävention, wenngleich es zu den
Legenden gehört, dass sie einst nur solange bezahlt wurden, wie
ihre Patienten gesund blieben. Heute greifen Zivilisationskrank-
heiten wie Fettleibigkeit und Diabetes um sich. „Über diese Risi-
ken klären wir auf, vor allem an den Schulen. Für ein effizientes
Gesundheitssystem müssen wir Krankheiten frühzeitig erken-
nen. Zudem berate ich die Regierung hinsichtlich entsprechen-
der Maßnahmen“, sagt Prof. Wei, der übrigens kein Mitglied der
Kommunistischen Partei, sondern der Jiusan-Gesellschaft ist.
Wenn man nach einem Tag das Krankenhaus wieder verlässt,
schlägt einem die Hitze wie ein nasses Handtuch entgegen. Und
wieder lärmen unsichtbar die Zikaden.
Allzeit bereit:Dr. Xin Tian leitetdie Intensivstationmit 29 Betten – ausgestattet mit moderner Medizintechnik
„Chinesische Kunden wollen das Beste haben“
Die Welt spiegelt sich im Menschen:Wie sich die traditionelle chinesische Medizin modernisiert und fester Bestandteil im Denken von Ärzten und Patienten wird.www.draeger.com/404-25
ASIEN KRANKENHÄUSER
25DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
Dräger ist seit 1994 in China vertreten. Dietmar Roethlinger leitet die Tochtergesellschaft in Shanghai seit 2015: „China ist für Dräger nach Deutschland und den USA derzeit der drittgrößte Markt. Wir bedienen ihn von Shanghai und Peking aus, mit insgesamt sieben Gesellschaften. In den Bereichen Anästhesie und Beatmung sind wir, laut Medical Equipment Magazin (2018), sogar Marktführer. Diese Position halten wir auch im Bergbau, speziell im Mines Rescue-Geschäft. China zählt zu den am stärksten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Dieses Potenzial haben wir noch lange nicht ausgeschöpft Chinesische Kunden wollen immer das Beste haben, um wiederum ihren Kunden das Beste bieten zu können. Davon profitiert Dräger mit seinen Produkten, aber auch mit seinem Service. Zwei Trends werden die Zukunft bestimmen: zum einen Wachstum, das durch Privatisierungs-tendenzen noch weiter beschleunigt wird. Zum anderen die Forderung nach dem, was hier local content heißt – Produkte, die im Land für den eigenen Markt entwickelt und gefertigt werden. Auch darauf sind wir mit einer eigenen Produktion in Shanghai gut vorbereitet. Das Premiumsegment der Kranken häuser haben wir in China gerade mal zu 40 Prozent ausgeschöpft. Und auch im mittleren Preissegment gibt es in kleineren Kliniken noch genügend Potenzial.“
Die Zahl der Patien-ten dürfte in den nächsten Jahren steigen
Schulterschluss: In ihren Händenliegt die Gesundheiteines Patienten. Sie machen sich auf, in den OP, um ihm zu helfen
Fest im Blick:Während der OP kontrolliertdieser Anästhesistden Zustanddes Patienten ander Technik
Begeistert von China und Dräger: Dietmar Roethlinger, CEO
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Weit, weit weg von Schottland sprudeln die sieben Wasser-
quellen der Badischen Staatsbrauerei Rothaus. Doch selbst hier,
auf 1.000 Meter Höhe, im Herzen des Schwarzwalds, blüht die
Kunst des Single Malt Whiskys. Klingt nach einer humorvollen
Schnapsidee? Für Experten liegt die Transformation vom Bier
zum Whisky jedenfalls nahe. Denn Single Malt wird aus fast
genau denselben Zutaten wie Bier hergestellt. Da sind die Schot-
ten so kompromisslos wie das deutsche Reinheitsgebot. Reines
Quellwasser und Gerstenmalz bilden die Maische, Hefe vergärt
das Gemisch und wandelt den Malzzucker in Alkohol um. Nur
den Hopfen der Brauer, den lassen die Brenner weg. Kein Wun-
Wder also, dass Whisky aus der Bier-Nation Deutschland Konjunk-
tur hat. Allein dem Verband Deutscher Whiskybrenner (VDW;
2012 gegründet) gehören derzeit rund drei Dutzend Brennerei-
en an. Die Standorte reichen vom tiefen Süden (zum Beispiel
Slyrs am Schliersee) bis in den hohen Norden (Hinricus Noyte’s
in Wismar). Seit 2017 präsentieren sich die Mitgliedsbetriebe
des VDW jeden Sommer beim „Tag des Deutschen Whiskys“.
Zweifache Destillation in KupferblasenBeim Bierhersteller Rothaus (unter anderem: „Tannenzäpfle“)
hat die Beschwörung der feinen Flaschengeister Anfang 2000
begonnen. Initiator war der damalige Braumeister Max Sachs.
Vom Bier zum SINGLE MALT WHISKY – diesen Schritt ist die badische Staatsbrauerei Rothaus gegangen. Besonders begehrt: Sonderabfüllungen, wie die Highland Cask Finish-Edition.Text: Peter Thomas
Geister-beschwörung
im badischen Hochland
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GENUSSMITTEL INDUSTRIE
„Einfach war die Umsetzung dieser Vision nicht“, sagt sein Nach-
folger Ralf Krieger. Ein eigenes Brennrecht besaß die Badische
Staatsbrauerei nämlich nicht mehr. Die heute im Museum ste-
henden Brennblasen einfach wieder anzuheizen war also keine
Option. Und eine Brennerei in Deutschland zu finden, die die
zweifache Destillation in Kupferblasen übernehmen konnte und
wollte, erwies sich als schwierig. Fündig wurde man schließlich
in Karlsruhe, und das quasi in der eigenen Geschichte. Denn
gebrannt wird der Rothaus Black Forest Single Malt Whisky von
der Destillerie Kammer-Kirsch. Und die gehörte vor 100 Jahren
ebenso dem Großherzogtum Baden wie die Brauerei, die sich bis
heute im Besitz des Bundeslandes Baden-Württemberg befindet.
2009 hat Rothaus den ersten Whisky abgefüllt und auf den Markt
gebracht. Seither hat sich der Single Malt mit gemälzter Sommer-
braugerste aus Baden-Württemberg und dem weichen Schwarz-
waldwasser einen guten Ruf erarbeitet. Besonders begehrt sind
limitierte Abfüllungen wie die Highland Cask Finish-Edition –
benannt nach dem Hochland des Schwarzwalds, nicht den schot-
tischen Highlands –, die im Gewölbekeller der Brauerei vom fast
farblosen, frisch gebrannten Geist zum Whisky reift. Der Reife-
prozess ist eine Reise durch Zeit und Aromen. Am Anfang stehen
bei Rothaus zwei Jahre Lagerung in amerikanischen Bourbon-
Fässern. Zur Perfektion reift die Highland Cask-Edition dann
während des sogenannten „Finish“ in neuen Eichenfässern.
Ralf Krieger taucht den gläsernen Heber ins Spundloch
eines der Fässer, die von Küfer Christof Schlegel für die Badische
Staatsbrauerei gebaut werden. Das helle Eichenholz stammt
aus den Wäldern am nahen Schluchsee. Mit einer langen Pipet-
te zieht der Diplomingenieur für Brauwesen und Getränketech-
nologie eine bernsteinfarben leuchtende Flüssigkeit empor und
lässt sie in ein kleines Stielglas mit kugelförmigem Bauch trop-
fen. Der Duft: süß, weich und warm. Der Geschmack: würzig,
nach Kräutern und etwas Karamell. Neben der Highland Cask
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Gut Ding will Weile haben: Der Single Malt Whisky von Rothaus reift in diesen Kellern der Brennerei Kammer-Kirsch (links). Die exklusive Highland Cask Finish-Edition lagert im alten Gewölbekeller der Brauerei selbst. Dort demonstriert Braumeister Ralf Krieger (oben) den Unterschied zwischen jungem, noch fast farblosem Brand und bernsteinfarbenem Whisky
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Finish-Edition gibt es weitere Sonderabfüllungen. Hierfür reift
der Whisky dann beispielsweise in Rotweinfässern vom renom-
mierten badischen Weingut Franz Keller.
Whiskyproduktion ist ein Geschäft, das auf Gegenseitigkeit
beruht: So, wie die Spirituose Geschmacksstoffe aus dem Holz
der Fässer aufnimmt und dabei mit der Kohleschicht an der
Innenwand reagiert, gibt der Whisky gleichzeitig auch Alkohol an
die Umgebung ab. Weil sich der Prozess nicht genau steuern lässt,
haben die als Fassstärken abgefüllten Editionen auch immer eine
leicht unterschiedliche Alkoholkonzentration. „Angels’ Share“,
den Anteil der Engel, nennt man den Alkohol, der sich im Kel-
ler verflüchtigt. Der Umstand klingt zwar poetisch, aber es ist
auch eine Ethanolemission, für die ein Arbeitsplatzgrenzwert
von 380 Milligramm je Kubikmeter Luft (nach TRGS 900; in der
Fassung vom 7. Juni 2018) gilt. Thomas Strecker, in der Badi-
schen Staatsbrauerei Rothaus verantwortlich für die Arbeitssi-
cherheit, beruhigt: „Die Werkfeuerwehr hat seit Anfang der Lage-
rung eine Reihe von Messungen im Keller durchgeführt – die
Konzentrationen in der Atmosphäre waren stets unbedenklich.“
Die Brandschützer der Brauerei haben eine mehr als hundert-
jährige Geschichte. Gegründet wurde die Werkfeuerwehr 1904
nach einem schweren Brand, der durch einen Blitzschlag ausge-
löst wurde. Damals zeigte sich, dass die Anfahrtszeit der öffent-
lichen Feuerwehren zu dem mitten im Wald auf 1.000 Meter
Höhe liegenden Betrieb im Ernstfall zu lange dauerte. Die Risi-
ken haben sich seitdem verändert. So wird etwa die Gerste nicht
mehr direkt auf dem Gelände gemälzt. Das hat das Entstehen
von Stäuben verringert und das entsprechende Explosions risiko
deutlich gesenkt. Aus demselben Grund setzt man heute eine
Nassschrotmühle ein, um das angelieferte Gerstenmalz staub-
frei zu zerkleinern. Aber die Werkfeuerwehr (derzeit 24 Mann,
davon 13 Atemschutzgeräteträger) ist für die Staatsbrauerei
mit ihren insgesamt 246 Mitarbeitern nach wie vor wichtig.
Für die umfangreiche Kühltechnik zur Temperaturführung der
Gär- und Lagertanks wird heute Ammoniak in großen Mengen
vorgehalten. Gegen einen eventuellen Austritt des Stoffs ist die
Werkfeuerwehr vorbereitet: Blaue Dräger-Chemikalienschutz-
anzüge hängen griffbereit zwischen den Einsatzfahrzeugen. Die
Atemschutzgeräte, ebenfalls von Dräger, werden in einer eige-
nen Werkstatt gewartet. Übungen finden unter anderem mit
der Berufsfeuerwehr aus Freiburg statt.
Eiskaltes Geschäft„Die leistungsfähige Kältetechnik ist für die Produkte entschei-
dend“, erklärt Ralf Krieger. Denn zum Brauen setzt Rothaus
Engel als stille Teilhaber im Fasskeller
Rund 1.500 Brauereien gibt es in Deutschland – viele machen in ihren
Nischen gute Geschäfte. Auch bei Rothaus setzt man auf hochmoderne Technik für
die Bier- und Whiskyproduktion
Bier-Tradition und Brau-Moderne: Die Badische Staatsbrauerei Rothaus mit Sitz in Grafenhausen im Hochschwarzwald ist zu 100 Prozent im Besitz des Landes Baden-Württemberg, zudem eine der größten Brauereien im Südwesten Deutschlands
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GENUSSMITTEL INDUSTRIE
auf tiefe Temperaturen und eine lange Prozessdauer. Bei den
untergärigen Bieren bedeutet das eine Vergärung bei atmosphä-
rischem Druck und 10 Grad Celsius über gut eine Woche hin-
weg; gefolgt von einer vier- bis fünfwöchigen Lagerung, wäh-
rend der die Temperatur zwischen 10 Grad Celsius und knapp
unter dem Gefrierpunkt geführt wird.
Wer im Sudhaus der Brauerei steht, spürt zunächst ein-
mal die Wärme, die trotz dicker Isolierungen unter den Kup-
ferhauben von Maischebottich, Läuterbottich und Sudpfanne
herrscht. 2005 in Betrieb genommen, hat das Sudhaus mit sei-
ner modernen Technik den Energieverbrauch der Brauerei
auf einen Schlag um ein Fünftel gesenkt. Aber wozu braucht
es die hohe Temperatur, die über Wasser und Prozessdampf in
die verschiedenen Kessel gebracht wird? Beim Maischen wer-
den Zucker und andere Stoffe durch heißes Wasser aus dem
Malzschrot gelöst. Das Läutern dient dann dem Trennen von
Feststoffen und dem flüssigen Vorprodukt. In der Sudpfanne
schließlich, von welcher das Sudhaus seinen Namen hat, wird
das Rohbier mit Dampf erhitzt, bis es fast kocht. Anschließend
wird der Aromahopfen aus Tettnang zugegeben, der zum cha-
rakteristischen Geschmack der Rothaus-Biere beiträgt. Nach
dem Abkühlen kommt die fertige Würze erstmals in Kontakt
mit der Hefe. Verwendet werden eigene Reinzuchthefen, die
die Brauerei kontinuierlich vermehrt. Hierfür entnehmen die
Brauer aus jeder Charge aktive Hefen für die nächste Produk-
tion. Zwei eigene Stämme kommen zum Einsatz. Untergärige
Hefe – für Pils, Märzen und das naturtrübe „Maidle“ – macht
den Großteil der Produktion aus. Auch für den Whisky verwen-
det Rothaus diese Hefe. Obergärige Hefe wird für Hefeweizen
verwendet. Nach der Gärung wird das fertige Produkt in die
Lagertanks gepumpt. Hier reift es gut einen Monat, bis es ver-
kauft werden kann. 67 Tanks mit jeweils 180.000 Liter Fas-
sungsvermögen hält Rothaus für die Lagerung vor. „So können
wir auch in Zeiten besonders großer Nachfrage dem zeitinten-
siven Prozess ohne Qualitätseinbußen treu bleiben“, sagt der
Braumeister.
Achterbahn der FlaschenNach der Lagerung ist es allerdings vorbei mit der Ruhe für die
Rothaus-Biere: Jetzt sausen die Flaschen automatisiert von Sor-
tierung und Reinigung bis zur Abfüllung und Kommissionie-
rung. Rund 30 Millionen Euro hat der Landesbetrieb in jüngs-
te Baumaßnahmen gesteckt, zu denen auch die Abfüll- und
Sortieranlage gehören. Hunderte Millionen 0,33- und 0,5-Liter-
Flaschen verlassen jährlich die Brauerei. Dagegen macht die
Whiskyproduktion mit gut 10.000 Flaschen zu 0,7 Liter nur
einen Bruchteil aus. Der Geist des Schwarzwalds findet sich
allerdings in keinem Produkt so konzentriert wieder wie im
Rothaus Black Forest Single Malt Whisky. Seine klassische Vari-
ante wird für den Verkauf von der Fassstärke auf 43 Prozent Alko-
holgehalt verdünnt – mit genau dem Wasser aus den sieben Rot-
haus-Quellen, mit dem schon die Maische angesetzt wurde.
Gut gerüstet sei die Werkfeuerwehr, sagt Thomas Strecker,
verantwortlich für die Arbeitssicherheit
Hunderte Millionen Flaschen werden jedes Jahr in der Brauerei abgefüllt. Im vergangenen Jahr wurde mit 246 Mitarbeitern ein Umsatz von rund 74,8 Millionen Euro erwirtschaftet
FEUERWEHR AUSLAND
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KANADA
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USA
ALASKA/USA
Piteraq„Bei
Schöne bunte Welt:In Tasiilaqs Neubauviertel (links) reihen sich die Häuser farbenfroh am Fjord entlang – der ist acht Monate im Jahr zugefroren. Deshalb fahren die Grönländer häufig mit Hunde- oder Motorschlitten in das Jägerdorf Tiniteqilaaq
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Tasiilaq
Qaqortoq
Nuuk
Ilulissat
GRÖNLAND
ISLANDTiniteqilaaq
geht hier niemand vor die Tür“
AAn dem dunkelroten Gebäude hängt
ein Schild mit der Aufschrift Arsaanneq Inerteqqutaavoqmit, die dänische Über-
setzung wird gleich mitgeliefert: Boldspil Forbudt („Ballspiele verboten“)! Doch
wie so oft bei solchen Verbotsschildern:
Genau davor kickt Tasiilaqs Jugend beson-
ders gern – weil es so schön scheppert,
wenn der Ball auf die großen Metalltore
der Feuerwehr trifft. Und weil es hier, in
der mit 2.000 Einwohnern größten und
einzigen Stadt im Osten des Landes, eben
nicht viele dieser Plätze gibt.
Feuerwehrchef Hendrik Andreas-
sen sitzt in seinem Büro neben der Gara-
ge. Der 49-Jährige registriert das Schep-
In Ostgrönland funktioniert die Feuerwehr gut. Wenn allerdings der Sturm vom Inlandeis her tobt, wird es schwierig.
1970 erwischte er die 2.000-Seelen-Gemeinde Tasiilaq mit einer Geschwindigkeit von 324 km/h.
Text und Fotos: Barbara Schaefer
pern kaum noch. Er hört es jeden Tag.
Der Grönländer – schwarze Stoppelhaa-
re, blaue Uniform – arbeitet seit 28 Jahren
bei der Feuerwehr. Warum? Dazu kramt
er in einem Stapel gerahmter Fotos. Eines
zeigt ein ausgebranntes Haus. „Der Mann
hatte Krebs. Er hat seine Frau ermordet,
das Haus angezündet und ist mit seinem
kleinen Sohn verbrannt.“ Andreassen ist
damals zum Feuer gelaufen, wie die halbe
Stadt. „Alle haben geholfen, mit Wasser-
eimern. Damals dachte ich: Das muss bes-
ser gehen – organisierter, professioneller.“
Im Jahr darauf fing der gelernte Elektri-
ker nebenberuflich bei der Feuerwehr an
und belegte so ziemlich jede Fortbildung,
die sich ihm bot. Als sein dänischer Chef
in Rente ging, sagte der: „Mein Nachfol-
ger muss endlich ein Grönländer sein –
und so bin ich es dann 2001 geworden.“
Wasser im TankTasiilaq und eine Handvoll versprengter
Dörfer liegen weit auseinander. Es gibt
keine Straßen dazwischen, die Einheimi-
schen fahren mit Hunde- oder Motorschlit-
ten. Helikopter versorgen die Dörfer mit
dem Nötigsten. Mittlerweile sind nicht
nur Grönländer unterwegs, auch Touris-
ten kommen in die weiße Wildnis. Expe-
ditionen, die das Inlandeis überqueren
wollen, starten meist an der Ostküste. Für
Zwischenfälle, die sich in der wilden Natur
immer mal wieder ereignen, ist eigentlich
FEUERWEHR AUSLAND
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Nachrichtenbörse: Auf der Hügelkuppe, nahe der Feuerwache, trifft man sich.
Die Jugend spielt hier Fußball oder dreht ein paar Runden mit den Mountainbikes.
Die Erwachsenen tauschen Neuigkeiten aus
Eisbären, Quecksilber und Mutter Natur
die Polizei zuständig, doch Andreassen
wollte seine Truppe auch dafür ausbil-
den lassen. Fortbildung liegt ihm am Her-
zen. Er packt einen Trekkingrucksack aus,
legt Kletterzeug, Seile, einen Schlafsack,
Campingkocher und Sonden aufeinander.
Ein grönländischer Outdoorspezialist, der
sich in Alaska ausbilden ließ, trainierte die
Brandschützer. „Von ihm haben wir unter
anderem gelernt, wie man nach Verschüt-
teten in einer Lawine sucht.“ Im Rucksack
steckt auch Trekkingnahrung: Tüten mit
gefriergetrockneten Rationen, sogar Labs-
kaus. Andreassen hält nicht viel davon.
„Meine Leute nehmen lieber Essen von zu
Hause mit. Getrockneten Fisch und Mat-
tak, den Speck der Walhaut. Das ist nahr-
hafter.“ Dann das: Ein Mann aus Tasiilaq
wollte mit dem Scooter in das Dorf Tinite-
qilaaq, kam dort aber nicht an. Also alar-
mierte seine Frau Andreassen. Wie sich
herausstellte, war Wasser in den Tank
geraten. Der Mann zog zu Fuß weiter. „Er
überquerte einen zugefrorenen Fjord. Als
er sich einmal umdrehte, sah er einen
Eisbären. Da lief er so schnell er konnte
zu einer Hütte am Ufer.“ Der Mann hät-
te keine Chance gehabt, doch das Tier
drehte ab. In der Hütte waren drei Tou-
risten. Er bekam Tee und konnte sich auf-
wärmen. „Da haben wir ihn dann gefun-
den.“ Vo rausdenken und vorbereitet sein.
Es klingt wie ein Mantra, wenn Andreassen
von seinen Einsätzen erzählt – wie bei die-
sem Chemie-Unfall in der Schule. Erst hät-
ten es die Lehrer gar nicht bemerkt, dass
die Kinder mit Quecksilberkugeln spielten.
Andreassen und Bianco Kallia, der zwei-
te Vollzeit-Feuerwehrmann, alarmierten
die Kameraden. Sie hatten keine Ausrüs-
tung dafür, schickten deshalb alle nach
Hause und kehrten das Quecksilber mit
Schaufel und Besen auf. „Danach habe ich
sofort zwei Dräger-Chemikalienschutzan-
züge von den Kollegen aus der Hauptstadt
Nuuk geordert.“
Auf dünnem EisDie Feuerwache, das flache Gebäude auf
dem Hügel, wurde 1961 erbaut. Es war die
erste an der abgelegenen Ostküste, die auf
Grönländisch Tunu heißt: Rückseite. „Erst
Ende der 1990er-Jahre kamen die Dänen
hierher, somit sind wir eine der jüngsten
Städte Europas.“ Die unzugängliche Küste
ist acht Monate im Jahr von Eis umschlos-
sen. Wie funktioniert dann die Wasserver-
sorgung, wenn es brennt? „Das ist kein
Problem“, sagt der Feuerwehrchef. „In
den Dörfern stehen riesige Wassertanks
sowie Handpumpen, und in der Stadt
gibt es alle paar Hundert Meter Anschlüs-
se. Insgesamt stehen uns 600 Meter
Schlauch zur Verfügung.“ Um die zu
trocknen, mussten sie sich etwas einfal-
len lassen. In Tasiilaq stehen nur flache
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Vorausschauend: Als Feuerwehrchef Hendrik Andreassen nach einem Chemie-Unfall in der Schule Quecksilber mit Schaufel und Besen zu Leibe rücken musste, bestellte er umgehend diese Chemikalienschutzanzüge
Nabelschnur: Ein Helikopter verbindet Tasiilaq mit dem Rest der Welt, bringt Gäste,
Einheimische und frisches Obst – oder eilige Online-Bestellungen. Was allerdings warten kann, erreicht Grönlands Ostküste
nur im Sommer
Ganz analog: Das Mobilfunknetz gilt als unzuverlässig. Deshalb setzen Tasiilaqs Brandschützer auf Feuermelder – 500 Stück davon sind in der Stadt installiert
Schaltzentrale Tasiilaq liegt am Meer – wo auch sonst. Das Landesinnere ist von einer bis zu drei Kilometer dicken Eisschicht bedeckt. Im größten Ort an der Ostküste leben gut 2.000 Menschen. In die Region knapp unterhalb des Polarkreises zogen vor 4.000 Jahren erste Inuitstämme aus Alaska. Aufgrund sich verschlechternder klimatischer Bedingungen war die Gegend lange unbewohnt. Erst seit dem 14. Jahrhundert siedelten hier dauerhaft Menschen. Weder die Wikinger noch spätere europäische Walfänger landeten je an der Ostküste. Erst unglaublich spät – 1884 – kam der erste Nicht-Grönländer: Der Däne Gustav Holm überwinterte in der Nähe des heutigen Tasiilaq. Holm interessierte sich für die Kultur und die Bräuche, ihm folgten Handelskompanien und Missionare. Das Leben begann sich zu ändern. Krankheiten und Alkohol dezimierten die Inuit, aber besseres und mehr Essen ließ die Bevölkerungszahl wieder steigen.
Häuser, einen Turm würde wegen des har-
schen Wetters niemand bauen. So trock-
nen die Schläuche mithilfe eines Geblä-
ses in einem lang gezogenen, schmalen
Raum. Von dort gelangt man in die Garage
mit den Einsatzwagen. Eines der Fahrzeu-
ge ist ein robuster Unimog Baujahr 1972.
„Der hat erst 2.500 Kilometer auf der Uhr.
Es gibt ja nur 16 Kilometer Straße in der
Stadt.“ Der Magirus-Deutz wiede rum ist
von 1989. Hendrik Andreassen stellt sich
daneben und fragt, was da ran auffalle. Die
Antwort reicht er sogleich nach. „Der ist
zu groß für uns Grönländer.“ Sie mussten
Leitern ins Seitenblech sägen, damit die
Männer – und die zwei Frauen – über-
haupt einsteigen können. Er selbst ist
mit 1,70 Meter groß für einen Grönlän-
der. „Aber selbst für mich ist es schon zu
hoch.“ Außerdem wiegen die Schläuche
30 Kilogramm. „Wir müssen sie in Kopf-
höhe rausholen, das ist auf Dauer nicht
gesund.“ Sie bräuchten ein neues Fahr-
zeug, passend für Grönland und seine Ein-
wohner. Hier reichen auch die Feuerwehr-
vorschriften aus Dänemark nicht, zu dem
FEUERWEHR AUSLAND
34 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
satzkräfte zur Verfügung. Was sind die
häufigsten Brandursachen? „Alte Elektro-
leitungen eher nicht“, erklärt Andreassen.
Auch keine Räucheröfen, die gibt es näm-
lich nicht. Fische werden in der trockenen
arktischen Luft einfach draußen zum Dör-
ren aufgehängt. Somit sind es Brandursa-
chen wie überall: auf dem Herd verges-
senes Essen oder eine Kombination aus
Alkohol und Zigaretten. Grönland ist ein
Land der Quarzer. Männer und Frauen,
jung bis alt, fast alle rauchen auf der Stra-
ße. Große Feuersbrünste gab es hier noch
nie. Die Häuser stehen weit auseinander,
und ihre Holzwände sind mit einer Sicher-
heitsschicht gekalkt – die schützt etwa für
eine Stunde, wenn es brennt. Die moder-
nen Reihenhäuser bestehen aus einzelnen
Zellen. Es brennt also nur ein Gebäudeteil
und nicht gleich das ganze Haus. Rauch-
melder sind Pflicht in öffentlichen Gebäu-
den, in den zwei Hotels, der Pizzeria, der
Bar und den Supermärkten. Auf dem Heli-
port, der Nabelschnur der Region für die
meiste Zeit des Jahres, steht eine kleine
Feuerschutzeinheit zur Verfügung. In der
ganzen Stadt verteilt prangen Feuermel-
der an Hauswänden und Lichtmasten. 500
Stück sind es insgesamt. „Wir habe keine
Notrufnummer, weil das Mobilfunknetz
unzuverlässig ist – es läuft per Satellit über
Nuuk. Die klassischen Feuermelder funkti-
onieren viel besser.“ Wenn es brennt, „sind
wir in 15 Minuten überall in der Stadt –
außer bei Piteraq“. Der Piteraq („Der, der
dich angreift“) ist ein Fallwind, der auf
dem Inlandeis losbricht und an der Ost-
küste abwärts strömt. Er stürmt mit bis
zu 290 km/h heran, kann aber auch auf
über 300 drehen. „Dann geht hier nie-
mand mehr vor die Tür.“ Einmal habe
das Musikhaus gebrannt, niemand rückte
aus. Andreassen hat vier Kinder, der älteste
Sohn arbeitet bei der Polizei. Bei der Feu-
erwehr gebe es keine Nachwuchssorgen.
„Ich habe glücklicherweise eine lange
die Insel trotz Autonomiestatus weiterhin
gehört. So habe es nach „9/11“ verstärkt
Trainings gegeben, wie in Dänemark.
„Doch unsere Probleme haben nichts mit
Wolkenkratzern und Passagierjets zu tun.
Wir müssen wissen, wie man etwa jeman-
den rettet, der auf dem Eis eingebrochen
ist.“ Deshalb gehören zur Ausrüstung auch
Kälteschutzanzüge, ein schwimmfähiger
Rettungsschlitten sowie zwei Schneemo-
bile. An der Wand hängt zudem ein arm-
dickes Tau. Teil der Ausrüstung? Andreas-
sen lacht: „Nein, im Sommer besuchen
uns manchmal Schiffsmannschaften, mit
denen messen wir uns im Tauziehen!“
112 EinsatzkräfteIn Tasiilaq und den umliegenden sieben
Dörfern – von Tiniteqilaaq über Kuum-
miit bis Sermiligaaq – stehen 112 Ein-
Nur zur Übung: Bei leichtem Schneefall zieht der Dienstwagen das Einsatzfahrzeug aus der Garage. Jetzt müssen die Kinder doch woanders Fußball spielen
Gewitter? Grönland kennt andere Brandursachen!
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Angespannt: Jäger Salo fährt oft Urlauber nach Tiniteqilaaq, jenseits der Bucht. Auf dem Rückweg
packt er meist frisches Robbenfleisch mit auf den Schlitten – Hundefutter und Verpflegung zugleich
Richtung Norden – und dann immer geradeaus. Direkt vor dem
Tourismusbüro mit Eisladen weisen diese Schilder in Tasiilaq den Weg
Warteliste!“ Um die kümmere er sich auf
seine engagierte Art. „Von denen, die ich
hier ausbilde, geht kaum einer weg – nicht
nach Nuuk, nicht nach Dänemark.“ Wer
sich geschickt anstelle, dem rede er ins
Gewissen, weiter zu lernen. „Wir brau-
chen unbedingt mehr Bildung.“ So hat
Andreassen schon zehn jungen Leuten zu
einer Ausbildung verholfen. „Das macht
mich stolz.“
Unlängst wurde von einem großen
Torfbrand an der Westküste berichtet. Gab
es hier so etwas auch schon mal? Andreas-
sen erinnert sich an einen Einsatz in den
1990er-Jahren bei Kuummiit. „Da sind
wir mit dem Helikopter hin.“ Ein Lager-
feuer wurde nicht richtig gelöscht. „Es hat
einen halben Meter in die Erde gebrannt.“
Ob es Touristen oder Einheimische waren,
konnte nicht geklärt werden. Könnte der
Brand von einem Gewitter ausgelöst wor-
den sein? Da muss Andreassen herzlich
lachen. Das könne er mit Sicherheit aus-
schließen: „Es ist einfach viel zu trocken.
Ich habe hier in meinem ganzen Leben
noch kein Gewitter erlebt.“
Unzählige Wörter für Schnee?Wie jeder weiß: Eskimos kennen über 100 Wörter für Schnee. Aber wie das so ist mit den Dingen, die jeder weiß: Manchmal stimmen sie nicht. Die Schriftstellerin Kathrin Passig erklärte es mit einer Erzählung, für die sie 2006 den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt: „Eskimos haben, wie einfallslose Mitmenschen gern in die Konversation einwerfen, unzählige Wörter für Schnee. Vermutlich soll damit auf die abgestumpfte Naturwahrnehmung des Stadtbewohners hingewiesen werden.“ Sie habe keine Geduld mit den Nachbetern dieser banalen Behauptung, so Passig. „Die Eskimosprachen sind polysynthetisch, was bedeutet, dass selbst selten gebrauchte Wendungen wie ,Schnee, der auf ein rotes T-Shirt fällt‘ in einem einzigen Wort zusammengefasst werden.“ Grönländisch, in der Landessprache Kalaallisut genannt, ist eine Inuitsprache und nicht verwandt mit anderen Sprachfamilien. Als Europäer versteht man also gar nichts. Wer Inuktitut lernt, die Inuitsprache Kanadas, versteht in Grönlands Hauptstadt Nuuk immerhin etwa so viel wie ein Portugiese in Rumänien. In Ostgrönland hingegen wird ein ganz anderer Dialekt gesprochen. Einige wichtige Wörter: vielleicht – uppa, ja – Iiiji, nein – eeqqi (mit sehr kehlig gesprochenem „q“).
FO
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Neues Schiff,bewährter Fahrensmann:
Dr. Christian Ellendorff (rechts) praktiziert als
Schiffsarzt auf der Mein Schiff 1 von TUI Cruises –
für einige Wochen im Jahr. An Land arbeitet er
als niedergelassener Internist
36
Sprechstunde
DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Er hat kaum geschlafen letzte Nacht: Auf See, zwischen den
dänischen Inseln Bornholm und Møn, musste ein Hubschrau-
ber einen akut erkrankten Passagier per Rettungswinde von Bord
holen und in eine Klinik an Land fliegen. Und frühmorgens, in
Kiel, warteten bereits drei Rettungswagen auf die Kreuzfahrer,
die Schiffsarzt Dr. Christian Ellendorff am Ende eines zehntägi-
gen Ostsee-Törns zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus
einwies. „Eine absolute Ausnahme“, sagt der 69-Jährige, der kurz
nach dem Mittag in seinem Wartezimmer Platz nimmt. „Gleich
schule ich neue Crew-Mitglieder darin, sich nicht an blutigen
Pflastern oder gebrauchten Insulinspritzen anzustecken, die man-
che Passagiere in ihren Kabinen hinterlassen.“ Dann ist er auch
schon weg. Für die Unterweisung greift Ellendorff auf seine Eng-
lisch- und Spanischkenntnisse zurück, denn die Crew der Mein Schiff 1 stammt aus aller Herren Länder – die meisten von den
Philippinen. Nach einer halben Stunde ist er wieder zurück.
Immerhin: Kabine mit Aussicht„Durchschnittlich 30 bis 40 Patienten kommen jeden Tag in unse-
re Sprechstunde ins Bordhospital.“ Sechs Stunden täglich, 365
Tage im Jahr, steht die schwere Feuerschutztür auf Deck 2 offen –
von 8 bis 11 Uhr, dann wieder von 17 bis 20 Uhr. Die erste Stunde
gehört jeweils der Besatzung, die anderen den Passagieren. So viel
Zeit muss sein. Schließlich bevölkern bis zu 4.000 Menschen (ca.
2.900 Passagiere und 1.100 Crew-Mitglieder) das neue Flaggschiff
von TUI Cruises auf seinen Rundfahrten durch die Ostsee und um
die Kanarischen Inseln. „An Bord sind immer zwei Ärzte“, erklärt
Dr. Ellendorff. „Wir wechseln uns Tag für Tag ab, der jeweils ande-
re hat dann Bereitschaftsdienst.“ Man muss das mögen. Kaum
ein freier Tag, eine eher kleine Kabine auf einem Deck weiter
unten, wo die Besatzung lebt – immerhin mit einem Bullauge
für den Blick nach draußen. Ein Traumberuf auf einem Traum-
schiff? Die Frage passt nicht ganz, denn Schiffsarzt ist kein Beruf,
sondern eine Funktion. An Land arbeitet Ellendorff als niederge-
E
37DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
Neue Kontinente gibt es nicht mehr zu entdecken, und doch reisen mehr Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen als je zuvor. Um ihr medizinisches Wohlergehen kümmern sich SCHIFFSÄRZTE – wie auf dem neuen Mein Schiff 1 von TUI Cruises.
Text: Olaf Krohn Fotos: Patrick Ohligschläger
auf Deck Zwo
KREUZFAHRTEN FORUM
Notfallbeatmung:Ein Oxylog 3000 plus
von Dräger steht anBord für die Versorgung
kritisch erkrankterPatienten zur
Verfügung – auch für Transporte, etwa
mit dem Hubschrauber
Notfallambulanz: Bei Unfällen an Bord ist das Stretcher Team, mit der notwendigen Ausrüstung, für den schnellen Transport ins Bordhospital zuständig
lassener Internist in Hamburg, doch mindestens einmal im Jahr
muss er raus. Seit 2010 übernimmt er regelmäßig als Honorararzt
auf selbstständiger Basis für mehrere Wochen die medizinische
Versorgung auf den Schiffen von TUI Cruises. Schon als Student
begeisterte sich Ellendorff für die dicken Pötte auf der Elbe und
fragte sich, ob das nicht auch etwas für ihn wäre. Im Alter von 60
Jahren hat er diese Frage schließlich mit „Ja“ beantwortet. Ellen-
dorff, der sich auch zur Ruhe setzen könnte, schätzt die Abwechs-
lung und multikulturelle Vielfalt an Bord. Außerdem bekleidet er
als Quereinsteiger den Rang eines Offiziers, der sich in der Bord-
hierarchie gleich hinter dem Kapitän und dessen Stell-
vertreter einreiht. Medizinisch gesehen hat ihm in
seinem Bordhospital ohnehin niemand reinzureden.
Hausarztpraxis trifft NotfallambulanzWer als Schiffsarzt arbeiten möchte, muss von Haus
aus Allgemeinmediziner, Internist oder Chirurg sein
und darüber hinaus eine Qualifikation als Notarzt
mitbringen – zwischen diesen Polen pendelt das Anfor-
derungsprofil auf einem Kreuzfahrtschiff. Einerseits
fungiert das Bordhospital als Hausarztpraxis, die
jährlich mehrere Tausend Menschen mit ihren täg-
lichen Wehwehchen und Blessuren versorgt. Ande-
rerseits müssen Ärzte und Pflegepersonal rund um
die Uhr professionell reagieren können: auf Herzin-
farkte, Schlaganfälle, aber auch auf Arbeitsunfälle
der Crew. Wer eine Kreuzfahrt bei TUI Cruises bucht,
tut dies nicht zuletzt mit der Gewissheit, dass ihm
im Falle eines Falles – ob nun auf hoher See oder im
Hafen von Montego Bay – eine medizinische Versor-
gung nach deutschen Standards und in deutscher Sprache zur
Verfügung steht. „Nach internationalen Richtlinien müssten wir
nur einen Arzt an Bord haben, doch wir haben zwei“, sagt Ange-
lina Koehler. Die Leiterin der medizinischen Abteilung bei TUI
Cruises hat das Bordhospital seit der Gründung vor zehn Jahren
aufgebaut. Zuvor hatte sie Krankenhäuser an Land gemanagt.
„Die Wirkungskreise sind ganz andere als an Land, außerdem
müssen wir auf See zahlreiche internationale Regularien beach-
ten.“ Auch wenn immer jüngere Menschen in See stechen, sind
Kreuzfahrer traditionell eher älter, weil diese Reiseform vor allem
betagteren Menschen, die nicht immer ganz so gut zu Fuß sind,
Reisen an exotische Orte ermöglicht. Diese Klientel, die oft auch
chronische Vorerkrankungen mitbringt, achtet besonders auf das
Niveau der medizinischen Versorgung an Bord.
Der Schiffsarzt hat auch den Schlüssel zur gut sortierten
Bordapotheke. „Das ist ein weiterer Aspekt meiner Tätigkeit, denn
auf See habe ich neben meiner Approbation als Arzt auch eine
als Apotheker“, sagt Ellendorff. „An Land wäre das nicht zuläs-
sig.“ Dem erfahrenen Mediziner merkt man sofort an, wie sehr
Nur an Bord darf der Arzt auch Apotheker sein
FORUM KREUZFAHRTEN
38 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Auf Rezept: Die Apotheke im Bordhospital ist gut sortiert. Da der Platz knapp bemessen und der nächste Hafen oft weit entfernt ist, müssen der Schiffsarzt und sein Team bei Nach bestellungen vorausschauend handeln
Lockruf des Meeres: Krankenschwester Julia Bauer hat ihren Job in einer KölnerKlinik gegen das Bordhospital auf der MeinSchiff 1 getauscht
315,7 Meter machten die Mein Schiff 1 im Sommer 2018 zum längsten Kreuzfahrtschiff auf dem deutschen Markt. Es wurde in Finnland gebaut und fährt unter maltesischer Flagge.
1.100 Menschen aus über 40 Nationen arbeiten an Bord – am stärksten vertreten: Filipinos, Indonesier und Deutsche.
30-40 Kreuzfahrer und Crew-Mitglieder nehmen die sechsstündige Sprechstunde im Bordhospital täglich in Anspruch, die an 365 Tagen im Jahr angeboten wird.
2.200.000 Bundesbürger unternahmen 2017 eine Hochseekreuzfahrt, 1997 waren es 283.000.
ihm diese Arbeit mit ihren komplexen Abläufen gefällt. Er muss
schnell entscheiden, ob etwa ein Infarktpatient mit Bordmitteln
behandelt werden kann, die Einlieferung in ein Krankenhaus bis
zum nächsten Hafen Zeit hat oder auf See sofort ein Rettungs-
hubschrauber alarmiert werden muss. In Notfällen stimmt er
sich mit dem Kapitän darüber ab, ob Kurs oder Geschwindigkeit
des Schiffs geändert werden sollten, um den Patienten bestmög-
lich zu behandeln. Eine Verlegung an Land ist deshalb zuwei-
len geboten, weil sich ein Bordhospital meist nicht für mehrtä-
gige stationäre Aufenthalte eignet. Die kleine Intensivstation ist
unter anderem mit einem Notfallbeatmungsgerät (Typ: Dräger
Oxylog 3000 plus) ausgestattet und bietet maximal zwei Patien-
ten Platz – im Patientenzimmer stehen normalerweise drei Bet-
ten zur Verfügung. „Trotzdem verfolgen wir das Ziel, dass erkrank-
te Gäste ihren Urlaub an Bord fortsetzen können“, erklärt TUI
Cruises-Medizinchefin Angelina Koehler. Bei manchen Knochen-
brüchen eigne sich schließlich auch eine Balkonkabine als Kran-
kenzimmer. Neuerdings bekommt das Team Unterstützung. „Wir
haben eine Kooperation mit dem Hamburger Universitätsklini-
kum Eppendorf gestartet“, sagt Angelina Koehler. Röntgenbil-
der, die an Bord der Mein Schiff-Flotte entstehen, werden online
an die Radiologie des UKE geschickt. „Unsere Schiffsärzte erhal-
ten binnen 30 Minuten einen Zweitbefund. So erhöhen wir die
diagnostische Qualität.“ Darum will TUI Cruises die Telemedi-
zin künftig auf weitere Bereiche ausdehnen.
Hier arbeiten viele Menschen – auf engstem RaumDer Doc, wie er allseits genannt wird, schwärmt schon wieder
aus. Es gibt viel zu organisieren, bevor das Schiff am Abend in Kiel
wieder ablegt. Zwei Stunden vor dem Auslaufen übernimmt Julia
Bauer die Rezeption im Bordhospital. Die Krankenschwester hat
seit ihrer Ausbildung in einer großen Kölner Klinik gearbeitet
und lichtet nun beruflich die Anker. „Auf einem Kreuzfahrtschiff
arbeiten viele Menschen auf engstem Raum. Die ganze Welt ist
hier zu Gast“, sagt die 28-Jährige. Im Gegensatz zu Schiffsarzt
Ellendorff ist sie fest angestellt, mit einem Zeitvertrag für vier
Monate. An Bord kann sie ihr Fernweh zumindest ein bisschen
stillen. „Was man hier vor allem lernt, ist Improvisation.“ Zu
Beginn hat sie sich auf dem riesigen Kahn oft verlaufen. Inzwi-
schen weiß Julia Bauer, wo es langgeht, auch im Notfall: „Wenn
Starcode ausgelöst wird, rücken wir sofort mit dem First Res-ponse Bag aus.“ Und wenn sie Unterstützung braucht, ist das
sogenannte Stretcher Team nicht weit. Diese speziell trainierten
Besatzungsmitglieder bringen Verletzte oder Kranke schnellst-
möglich auf der Trage ins Bordhospital.
„Manchmal“, sagt Julia Bauer, „vergesse ich, welcher Wochen-
tag gerade ist.“ Schließlich gibt es für die Crew keine zeitlich ord-
nende Kategorie des Wochenendes. Auch im Bordhospital können
Christian Ellendorff und sein Team schon mal vergessen, ob es
draußen hell oder dunkel ist. Aber dagegen weiß sich der Doc zu
helfen: „Dann schalte ich einen unserer Monitore ein, die Bilder
der Bug- oder Heckkamera zeigen.“
Zahlen, bitte!
39DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
4040 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Menschen nehmen die meisten Sinneseindrücke über die Augen wahr, die Hornhaut funktioniert dabei wie eine Windschutzscheibe. Trübt sie ein oder wölbt sie sich zu weit vor, hilft oft nur eine TRANSPLANTATION gegen das Erblinden. Statt der ganzen Hornhaut werden heute meist einzelne Schichten transplantiert.
Text: Dr. Hildegard Kaulen Fotos: Patrick Ohligschläger
Ultradünne
Ein Wunder der Natur: glasklar, reißfest und stabil.
Eine Hornhaut enthält keine Blutgefäße – sie wird von der Tränen-
flüssigkeit und dem Kam-merwasser versorgt
GESUNDHEIT AUGENOPERATIONEN
4141DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
Alles ist vorbereitet. Das erkrank-
te Auge von Bernhard P. ist über der
Augenbraue markiert worden – von sei-
nem Gesicht sind nur noch Augen und
Nase zu sehen. Heute wird Privatdozent
Dr. Adrian Gericke dem 49-Jährigen eine
neue Linse einsetzen und die erkrankte
Hornhaut gegen eine Spenderhornhaut
austauschen. Dr. Gericke ist Oberarzt an
der Augenklinik der Universitätsmedizin
Mainz und leitet den Bereich für Horn-
hauterkrankungen. Bei Bernhard P. ster-
ben die Zellen der innersten Hornhaut-
schicht nach und nach ab. Das andere
Auge wird der Mediziner in ein paar
Wochen operieren, was in Mainz als
einem der wichtigsten Hornhaut-Trans-
plantationszentren der Bundesrepublik
zur Routine gehört: 245 Spenden wurden
hier im vergangenen Jahr verpflanzt, vie-
le davon durch Dr. Gericke.
Eigentlich wollte er Kardiologe wer-
den. Mit seinen Fingerfertigkeiten und
dem dreidimensionalen Orientierungs-
sinn wäre es ein Leichtes für ihn gewe-
sen, einen Herzkatheter sicher durch das
Gefäßsystem zu navigieren. Doch es kam
anders. Das Gewebe, das Dr. Gericke heu-
te regelmäßig in den Händen hält, besitzt
kein einziges Blutgefäß, weil die Hornhaut
von der Tränenflüssigkeit und dem Kam-
merwasser versorgt wird. Allerdings sind
sein Geschick und Orientierungssinn in
der Augenheilkunde nicht minder gefragt.
Denn die Transplantation einer Hornhaut
verlangt viel Fingerspitzengefühl, zumal
meist nicht die ganze Spende zum Einsatz
kommt, sondern nur die beiden inneren
der insgesamt fünf Hornhautschichten.
Auch bei Bernhard P. wird nur die erkrank-
te innerste Endothelschicht mit der
da rüberliegenden Descemetmembran aus-
getauscht. Dieser Komplex aus Endothel
und Membran ist etwa zehn bis 20 Mikro-
meter dick, was in etwa einem Drittel eines
Frauenhaares entspricht. „Oft ist nur die-
se Schicht verantwortlich für eine Horn-
hauttrübung, deshalb ersetzen wir auch
nur das Endothel mit der darüberliegen-
den Descemetmembran und lassen den
Rest der Hornhaut intakt“, sagt Dr. Geri-
cke. Das Verfahren nennt sich DMEK. Die
A
Schichten
42 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
GESUNDHEIT AUGENOPERATIONEN
Abkürzung steht für Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty. „Der Eingriff ist
weniger invasiv als der Austausch der kom-
pletten Hornhaut, da nur kleine Einschnit-
te am Hornhautrand gesetzt werden, über
die die inneren Hornhautschichten im
geschlossenen System ausgetauscht wer-
den. Das ist weniger komplikationsträch-
tig, weil das Auge bei der Operation nie den
Innendruck verliert. Der Eingriff ist zudem
kürzer und kann unter örtlicher Betäu-
bung erfolgen. Hornhaut und Sehschärfe
erholen sich auch schneller als nach dem
Austausch der kompletten Hornhaut.“
Späte Innovation Das Transplantieren einzelner Horn-
hautschichten wurde zwischen 1998 und
2006 im Wesentlichen durch den Nie-
derländer Dr. Gerrit Melles geprägt und
hat in den Folgejahren einen regelrech-
ten Siegeszug durch die Kliniken ange-
treten. Möglich wurde dies, weil die ein-
zelnen Schichten nicht fest miteinander
verwachsen sind, sondern ohne einen
Schaden zu hinterlassen, voneinander
getrennt werden können. „Bis vor weni-
gen Jahren haben wir im Wesentlichen so
operiert wie der Wiener Augenarzt Edu-
ard Zirm, Anfang des 20. Jahrhunderts.
Zirm führte 1905 die erste perforieren-
de Hornhauttransplantation durch“, sagt
Dr. Gericke. „Erst fast 100 Jahre später
wurde der Eingriff durch die Transplan-
tation einzelner Hornhautschichten ent-
scheidend weiterentwickelt.“
Sehen ist unser wichtigster Sinnesein-
druck, zugleich der, den sich der Mensch
zuletzt aneignet. Hören, fühlen, schme-
cken und riechen können wir schon im
Mutterleib. Sehen jedoch lernen wir erst
nach der Geburt. Dieser Sinn funktioniert
nicht ohne die Hornhaut. Sie begrenzt das
Auge nach außen, schützt es vor Infektio-
nen sowie Verletzungen und sorgt durch
ihre Wölbung für einen Großteil der not-
wendigen Lichtbrechung. Ihre Material-
eigenschaften sind unerreicht. Die Horn-
haut ist glasklar, zudem reißfest und
stabil. Oberflächliche Kratzer werden
binnen weniger Tage durch die Regene-
ration der obersten Epithelschicht repa-
riert. Die innerste Schicht besitzt diese
Fähigkeit zur Reparatur allerdings nicht.
Wenn die Endothelzellen degenerieren,
sind sie für immer verloren – wie bei
Bernhard P. Die innere Schicht entwäs-
sert die mittlere Schicht (das sogenann-
te Hornhautstroma); ohne intaktes Endo-
thel quillt die mittlere Schicht auf, und
die Hornhaut trübt sich ein. Obwohl seit
vielen Jahren an künstlichen Hornhäu-
ten gearbeitet wird und sich viele Produk-
Die Mitarbeiter der Hornhautbank in Mainz prüfen die Qualität der Spenden. Vermittelt werden sie frühestens nach zehn Tagen, wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind
43DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
„Die Material-eigenschaften der Hornhaut
sind einzigartig“Dr. Adrian Gericke, Oberarzt an der
Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz
Präzisionsarbeit: Bei einer Hornhauttransplantation wird oft nur die erkrankte innerste Endothel-schicht mit der darüberliegenden Descemetmembran ausgetauscht. Dieser Komplex aus Endothel und Membran hat nicht einmal die Dicke eines Frauenhaares
te in unterschiedlichen Phasen der Ent-
wicklung befinden, gibt es noch keinen
weithin anerkannten Ersatz, der Spenden
überflüssig machen würde. Dr. Gericke
arbeitet mit dem Materialwissenschaft-
ler Professor Dr. Werner E. G. Müller
vom Institut für Physiologische Chemie
der Universität Mainz ebenfalls an einem
Produkt. „Die Form einer künstlichen
Hornhaut ist ganz einfach eine nach
außen gewölbte Scheibe“, sagt Dr. Geri-
cke. „Die Eigenschaften sind das Prob-
lem. Uns macht zum Beispiel die Reißfes-
tigkeit zu schaffen. Ein Volltransplantat
muss vernäht werden. Macht man das
Material durch zusätzliche Fasern reiß-
fester, ist es weniger transparent. Das ist
ein Dilemma“, sagt der Augenarzt. „Wich-
tig ist auch, dass das Material stabil ist
und sich nicht mit der Zeit auflöst oder
verändert. Die künstliche Hornhaut muss
das Auge zuverlässig abdichten und so
beschaffen sein, dass die äußere Epithel-
schicht, die sich ständig erneuert, über
das Material wachsen kann. Wir sind ein-
fach noch nicht so weit!“
Wie eine winzige TapetenrolleWann ist eine Hornhauttransplantation
notwendig? Oft sind Unfälle, chronische
Entzündungen, angeborene Erkrankun-
gen oder ein Vorwölben und Ausdünnen
der Hornhaut Anlass für einen Eingriff.
Dr. Gericke operiert Bernhard P. in Voll-
narkose. Er beginnt mit dem Austausch
der hinter der Hornhaut liegenden Lin-
se. Dazu macht er einen kleinen Schnitt
am Hornhautrand, öffnet die Linsenkap-
sel, zerkleinert den Linseninhalt und
saugt ihn ab. Dann legt er über den klei-
nen Schnitt eine Kunstlinse in den leeren
Kapselsack. Erst danach beginnt er mit
der Transplantation des Endothels und
der Descemetmembran, die er vor der
Operation mit einem Präzisionsinstru-
ment von der Spenderhornhaut getrennt
hat. Dabei hat Dr. Gericke auch winzige
Markierungen gesetzt, damit er während
der Operation weiß, welche Seite die Vor-
der- und welche die Rückseite ist. Jetzt
liegen die wie eine winzige Tapetenrol-
le anmutenden Hornhautschichten in
einer sterilen Flüssigkeit auf dem Ins-
trumententisch. Dr. Gericke entfernt die
erkrankten Schichten des Empfängers,
bevor er über die feinen Schnitte die neu-
en an der Innenseite der Hornhaut aus-
rollt. Eine Luftblase wird die transplan-
tierten Schichten einige Tage gegen den
Rest der Hornhaut drücken, bis sie von
44 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
die Organtransplantation, dem Trans-
plantationsgesetz. Demnach ist die Ent-
nahme der Hornhaut nur dann zulässig,
wenn der Spender zu Lebzeiten selbst
zugestimmt hat oder sich die Angehö-
rigen nach seinem mutmaßlichen Wil-
len für eine solche Spende entscheiden.
Anders als ein durchblutetes Organ kön-
nen die nicht durchbluteten Hornhäute
allerdings noch bis zu 72 Stunden nach
dem Tod entnommen werden. Dann ist
der Verstorbene auch für die Angehöri-
gen ganz offensichtlich tot. Der alleini-
ge Hirntod macht es vielen Verwandten
schwer, sich für eine Organspende zu
entscheiden, denn sie erleben, dass das
Gehirn zwar erloschen ist, aber der Kör-
per dank der Intensivmedizin noch lebt.
Bei Hornhäuten stellt sich dieses Problem
nicht. Deshalb ist die Spendensituation
weniger dramatisch als bei Organen. Die
Entnahme bis zu 72 Stunden nach Tod möglich
ILLU
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selbst anhaften. Eingenäht werden sie
nicht. Beigemischte Gase sorgen dafür,
dass die Luftblase nicht so schnell resor-
biert wird.
Dr. Gericke wird später seiner Pati-
entin Christina N. noch eine komplette
Hornhaut transplantieren. Die 69-Jähri-
ge leidet unter Eintrübungen aller Horn-
hautschichten. Auch dieser Eingriff
erfolgt unter Vollnarkose. Bei einer Voll-
transplantation wird der zentrale Teil
der Hornhaut mit allen Schichten über-
tragen. Dafür stanzt Dr. Gericke unter
dem Mikroskop zunächst eine kreisrun-
de Scheibe aus der Spenderhornhaut und
wiederholt dies bei der erkrankten Horn-
haut. Dann wird das Spenderfragment im
Auge platziert und eingenäht. Dr. Geri-
cke verwendet einen Faden, der ebenfalls
dünner ist als ein Frauenhaar. Um sicher-
zugehen, dass das Transplantat korrekt
eingewachsen ist, werden die Fäden frü-
hestens nach einem Jahr entfernt.
Gute Langzeitergebnisse Wie sieht es mit dem Abstoßungsrisiko
aus? Weil die Hornhaut nicht durchblutet
ist und somit auch nicht mit großen Men-
gen an Abwehrzellen in Kontakt kommt,
ist dieses Risiko eher gering. Die meisten
Patienten müssen ein Jahr lang Augen-
tropfen mit einem immunsupprimieren-
den Wirkstoff verwenden. Eine generelle
Unterdrückung der Abwehr erhalten nur
Risikopatienten, allerdings in den meis-
ten Fällen nicht lebenslang wie nach
einer Transplantation eines durchblute-
ten Organs (Organtransplantation). „Wir
achten in der Regel auch nicht auf eine
Übereinstimmung der Gewebemerkma-
le wie bei einer Organtransplantation“,
erklärt Dr. Gericke. „Das ist bei der Horn-
haut nur in Ausnahmefällen nötig.“
Dr. Gericke und sein Team erhalten
die Hornhautspenden über die an die
Augenklinik angeschlossene Hornhaut-
bank, die seit sechs Jahren von Dr. Melis-
sa Apel geleitet wird. Die Hornhaut-
transplantation unterliegt, genau wie
45DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
AUGENOPERATIONEN GESUNDHEIT
Ohne Fingerspitzengefühl geht es nicht:Bevor die innersten Hornhautschichten transplantiert werden können, müssen sie vom Rest der Hornhaut getrennt werden. Hierfür holen die Ärzte das Gewebe aus dem Transportgefäß und legen es mit der Innenseite nach oben in eine spezielle Vorrichtung, bringen Markierungen für die spätere Orientierung an und lösen die Schichten ab
Wie arbeitet eine Hornhautbank?Und wie werden Spender überhaupt rekrutiert, Hornhäute entnommen und die Qualität geprüft?www.draeger.com/404-45
Hornhaut ist auch kein Organ, sondern
ein Gewebe. Es geht also um eine Gewe-
bespende, nicht um eine Organspende.
Naturgemäß haben nicht alle gespen-
deten Hornhäute die nötige Qualität. Das
Gewebe darf nicht vernarbt sein, und die
Endothelschicht muss für eine Transplan-
tation über mindestens 2.000 Zellen pro
Quadratmillimeter verfügen. Sonst reicht
die Zahl der Zellen nicht für eine gute Seh-
schärfe aus. Von den 715 Hornhäuten, die
die Hornhautbank Rheinland-Pfalz im ver-
gangenen Jahr erhalten hat, waren 397
transplantierbar. Die Operationen erfolg-
ten entweder in Mainz oder in einer der
kooperierenden Kliniken deutschland-
weit. Der Bedarf ist allerdings größer. Ob
künstliche Hornhäute in naher Zukunft
eine Lösung sind, bleibt abzuwarten.
Sehen ist ein komplexer Vorgang: Im Prinzip erzeugt das Auge ein Bild, dessen Helligkeitswerte – ähnlich wie in der Digital-fotografie – in elektrische Impulse umgesetzt und die dann vom Gehirn zum Sinneseindruck verarbeitet werden. Auch wenn das Gehirn aufgrund der Erfahrung viele Unzulänglichkeiten des Auges kompensieren kann, sorgt nur ein gesundes Auge für den optimalen Input. Und zwar so: Das von der Umgebung farblich gefilterte und zumeist reflektierte Licht gelangt über die schützende Hornhaut (1) und die vordere Augenkammer (2) (mit ihren Nähr- und Abwehrstoffen) auf die Linse (3). Vorher passiert das Licht die Iris oder Regenbogenhaut (4). Diese reguliert den Lichteinfall, damit das Auge nicht geblendet wird. Die Linse wird durch Ziliarmuskel und Zonulafasern (5) so geformt, dass sie auf die von vielen Nerven durchzogene Netzhaut (6) ein scharfes Bild wirft. Die Nerven treffen sich im Blinden Fleck (7). Der Sehnerv (8) leitet die durch Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut in elektrische Impulse gewandelten Bildinformationen zur Verarbeitung ins Gehirn (visueller Cortex) weiter. Den größten Teil des Augapfels nimmt der Glaskörper (9) mit seiner stützenden Funktion ein. Die Aderhaut (10) versorgt das Auge u. a. mit Blut, die äußere Lederhaut (11) schützt es. Der Dynamikbereich des Auges liegt bei etwa 20 Blenden-stufen – Spitzenkameras schaffen nur etwa zwölf davon. Zehn bis 15 Lidschläge pro Minute von jeweils rund 350 Milli-sekunden Dauer benetzen die Hornhaut regelmäßig mit Tränenflüssigkeit, damit sie nicht austrocknet.
Mach dir ein Bild!
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47DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
L
im Kälberstall
Für bessere Luft im Stall: Prof. Dr. Samuel Kohler,
Leiter des Schweizer Forschungsprojekts, über-prüft eines der tragbaren
Gasmessgeräte samt Ammoniaksensor
Landluft ist sprichwörtlich gesund,
Stallluft könnte gesünder sein: Sie enthält
Gase, die dem Organismus schaden kön-
nen. Kein großes Problem für uns Men-
schen. Wir können jederzeit vor die Tür
gehen, um durchzuatmen. Die Tiere hin-
gegen wohnen dort. Ein gutes Stallklima
ist somit entscheidend für ihre Gesund-
heit und ihr Wohlbefinden. Ein von Dräger
entwickelter Sensor hilft Schweizer Wis-
senschaftlern nun, die Entstehung, Ver-
breitung und Auswirkung des wichtigsten
Schadgases im Stall besser zu verstehen:
Ammoniak. Es ist das Gas, das Besucher
von Ställen und öffentlichen Toiletten in
der Nase sticht und Tränen in die Augen
treibt. Ammoniak ist die einfachste Ver-
bindung von Stickstoff und Wasserstoff
(NH3) und spielt eine wichtige Rolle in
der chemischen Industrie – etwa bei der
Herstellung von Kunstdünger, der Pflan-
AMMONIAK ist ein aggressives Gas, das in Ställen entsteht und die Gesundheit der Tiere angreift. Mit einem Sensor von Dräger wollen Schweizer Wissenschaftler nun die Konzentrationen erstmals direkt am Tier und über längere Zeiträume messen.
Text: Tobias Hürter Fotos: Patrick Ohligschläger
48 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
zen das Nährelement Stickstoff liefert.
Im Stall entsteht das Gas vor allem,
wenn sich Kot und Harn am Boden
mischen und anschließend von Mikro-
organismen zersetzt werden. Bei ausge-
wachsenen Milchkühen ist das Problem
geringer, sie sind Wiederkäuer mit voll
entwickeltem Verdauungssystem, das die
Entstehung von Ammoniak reduziert.
Kälber hingegen sind noch keine Wie-
derkäuer, bei ihnen ist das Vormagensys-
tem, mit denen Kühe das Gras und Heu
verdauen können, noch nicht ausgebil-
det. Hinzu kommt, dass sie häufiger am
Boden liegen und ihr Organ- wie Immun-
system noch nicht ausgereift ist. Daher
leiden sie besonders unter dem von ihnen
selbst produzierten Ammoniak, denn es
greift die Atemwege und Schleimhäute
an. Viele Kälber in ähnlichem Alter, dazu
Keime und Stress – das macht die Jung-
tiere anfälliger für Infektionskrankhei-
ten. „In der Kälbermast haben wir sehr
oft mit Lungenproblemen zu tun“, sagt
Veterinärmediziner Prof. Dr. Samuel Koh-
ler, der Tiergesundheit und Tierhaltung
an der Hochschule für Agrar-, Forst- und
Lebensmittelwissenschaften (BF-HAFL)
in Bern unterrichtet. „Und deshalb auch
mit einem hohen Antibiotikaverbrauch.“
Es wäre also ein wichtiger Schritt, die Ent-
stehung von Ammoniak im Kälberstall
besser in den Griff zu bekommen.
Übermäßiger AntibiotikaeinsatzHinzu kommt, dass von Ammoniak in der
Stallluft ein Risiko ausgeht, das auch Men-
schen betrifft – selbst Vegetarier und Vega-
ner: Denn die vorsorgliche Gabe von Anti-
biotika im Stall führt dazu, dass immer
mehr Bakterien gegen Antibiotika resis-
tent werden. So entsteht die Gefahr, dass
Patienten einer Infektion schutzlos aus-
geliefert sind. Jedes Jahr sterben meh-
rere Hunderttausend Menschen an den
Folgen einer Antibiotikaresistenz, schätzt
die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Daher hat der Schweizer Bund im Jahr
2015 die Strategie Antibiotikaresistenzen
(StAR) ins Leben gerufen, mit der ver-
schiedene Behörden und Institutionen die
Entstehung und Verbreitung neuer Resis-
tenzen gemeinsam bekämpfen wollen.
Vor zwei Jahren ist Dräger mit einem
neuen dauerbegasbaren, elektrochemi-
schen Sensor in das Betätigungsfeld der
Landwirtschaft eingestiegen und hat für
die Messung des Ammoniakgehalts im
Stall ein neues tragbares Gerät vorge-
stellt. Zuvor wurden dafür meist Mess-
röhrchen verwendet. Sie sind bewährt,
liefern allerdings nur eine Momentauf-
nahme; einen Wert für einen bestimm-
ten Zeitpunkt. Um die Entstehung und
die Wirkung des Ammoniaks jedoch bes-
ser zu verstehen, muss man Konzentra-
tionsschwankungen über den Tag hin-
weg messen können, besser noch über
eine ganze Mastperiode von zwei bis drei
Monaten. Dafür gab es bisher keine zuver-
lässige und zugleich praxistaugliche wie
erschwingliche Messmethode. Ammoniak
war die große Unbekannte im Stall. Mar-
kus Sax von Agroscope, einem Schweizer
Kompetenzzentrum für Landwirtschaft,
war einer der ersten, der vor zwei Jah-
ren an Dräger herantrat. Er beschäftigt
sich seit Langem mit Ammoniak im Käl-
berstall. Was treibt den Gehalt hoch? Wie
kann man ihn senken? Mit den vor fünf
Jahren verfügbaren Mitteln waren diese
Fragen nicht zu beantworten. „Dann kam
dieser Sensor“, erinnert sich Sax, und mit
ihm die Chance, jene Fragen endlich zu
klären. Das erste Ziel des Ammoniakpro-
jekts, das von Prof. Samuel Kohler geleitet
wird, ist es, zu verstehen, welcher Belas-
tung ein Kalb im Stall überhaupt aus-
gesetzt ist: über einen Tag hinweg und
im Laufe seines Lebens. Dann geht es
auch darum, die Wirkung des Ammoni-
aks zu verstehen und seine Entstehung
mit optimiertem Stallmanagement zu
reduzieren. „Die Kälber sollen in einer
Umgebung aufwachsen, in der sie gesund
bleiben“, sagt Prof. Kohler.
Wie viel ist genug?Die Forscher erheben ihre Messungen
in einem Versuchsstall in der Nähe von
Lenzburg, einer kleinen Stadt im Kan-
ton Aargau. Er gehört dem Futtermittel-
hersteller Ufa. Darin leben immer zwei
Kälbergruppen von jeweils 36 Tieren.
Sie werden gleichzeitig eingestallt und
auch zur Schlachtung gebracht. Die toxi-
sche Wirkung von Ammoniak auf Mensch
und Tier ist grundsätzlich seit Langem
bekannt. In der chemischen Indust-
rie gibt es einen Grenzwert: 20 ppm
(parts per million). Das ist die höchste
Konzentration, der Menschen während
der Arbeit ausgesetzt sein dürfen – acht
Stunden am Tag, fünf Tage in der Woche.
Auslauf: In dem Versuchsstall, im
Schweizer Kanton Aargau, können
die Kälber (hier: im Alter von rund einem
Monat) auch nach draußen gehen
49DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
TIERHALTUNG LANDWIRTSCHAFT
Kooperation: Dräger sorgt für die Messtechnik im Stall
Ammoniak war bisher die große Unbekannteim Stall
50 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Für Tiere hat man in Deutschland den-
selben Grenzwert festgelegt. In der
Schweiz ist man strenger – dort empfeh-
len die Aufsichtsbehörden einen Grenz-
wert von 10 ppm im Stall. Allerdings sei
dieser willkürlich festgelegt, kritisieren
die Schweizer Forscher, und gelte nur all-
gemein für die Luft im Stall. Es ist also
nicht definiert, wie viel Ammoniak ein
Kalb tatsächlich einatmen darf, was sich
bislang auch nicht überprüfen ließ. Land-
wirte und Kontrolleure verlassen sich in
der Regel auf ihre Nase. Erst wenn der
Geruch als auffällig streng und unan-
genehm wahrgenommen wird, kommt
ein Messgerät zum Einsatz. Das bleibt
allerdings meist in der Hand eines Men-
schen und kann so wenig über die Dosis
aussagen, die in der Lunge eines Kalbs
ankommt, wenn es in der anderen Ecke
des Stalls mit seiner Nase über dem mist-
bedeckten Boden liegt.
Im Frühjahr 2018 haben die Schwei-
zer Forscher gemeinsam mit Dräger
getestet, ob sich mit dem Sensor erfas-
sen lässt, wie viel Ammoniak ein Kalb im
Stall tatsächlich einatmet. Sie streiften
den Tieren Fohlenhalfter über, an denen
ein Messgerät befestigt war – bestückt mit
einer miniaturisierten Version des Ammo-
niaksensors als Prototyp. Auch wenn die
Daten zunächst der Vorbereitung zu einer
wissenschaftlichen Studie dienen, zeig-
te sich bereits, dass die gemessene Belas-
tung der Kälber stark schwankte, wäh-
rend die Ammoniakwerte fest installierter
Messköpfe im Stall unter den Grenzwer-
ten blieben. Auch die Geräte müssen eini-
ges mitmachen. Die Kälber reiben sich
an ihnen oder knabbern und saugen dar-
an. Ende 2018 wollen die Wissenschaftler
erste systematische Messungen durchfüh-
ren. Dabei sollen die Tiere noch einen
zweiten Sensor tragen, der laufend ihren
Aufenthaltsort anzeigt. Steht das Tier
gerade an der Tränke, schläft es in der
Ecke, oder ist es draußen im Auslauf? All
das beeinflusst die Ammoniakbelastung.
Regelmäßige FrischluftzufuhrMan könnte meinen, das Ammoniakpro-
blem ließe sich leicht lösen: Fenster ein-
fach auf Durchzug! Doch so einfach ist
es nicht. Mastkälber werden meist in
geschlossener Haltung großgezogen, mög-
lichst abgeschirmt von Keimen und ande-
ren Umwelteinflüssen. Außerdem würden
offene Fenster im Winter die Tempera-
tur im Stall zu sehr senken – die Kälber
brauchen Wärme, um schnell heranzu-
wachsen. Gleichzeitig stehen sie stän-
dig auf einer immer größer werdenden
Mistschicht. Es wird immer wieder Stroh
nachgelegt und nur etwa alle zwei Mona-
te ausgemistet. „Tiefstreu“ heißt dieses
Prinzip. Andere Ställe wiederum sind mit
perforierten Böden ausgestattet. Aber das
ändert wenig an der Ammoniakbelastung,
denn dann liegt der Mist nur eine Etage
tiefer. „Das bedeutet, dass hohe Emissi-
onen aus der Fermentierung des Mists
in die Stallluft gelangen“, sagt Markus
Sax. Deshalb brauchen die Tiere stän-
dig Frischluftzufuhr. So gesehen ist die
Lüftung im Kälberstall eine sehr sensib-
le Angelegenheit. Der Betriebsleiter will
sie so justieren, dass die Tiere bestmög-
liche Wachstumsbedingungen bei mög-
lichst geringem Infektionsrisiko haben.
Zum Standard gehören seit Jahren hoch
technisierte, computergesteuerte Lüf-
tungssysteme, die in ihren Steuerrou-
tinen Parameter wie Temperatur, Luft-
feuchtigkeit und den Kohlendioxidgehalt
berücksichtigen. „Nun wollen wir hier
auch die Ammoniakkonzentration ein-
bringen“, sagt Sax.
Es wäre bereits ein erster Erfolg, wenn
das Schweizer Projekt dabei helfen könn-
te, die bestehenden Ammoniakgrenzwerte
in den Ställen einzuhalten. Doch es kann
noch mehr leisten – und den Einfluss des
Ammoniaks auf den Organismus der Tie-
re verständlicher machen. „Es ist klar,
dass Ammoniak ein wichtiger Faktor für
die Gesundheit der Kälber ist, aber zu den
genauen Aus- und Wechselwirkungen (in
Verbindung mit der Stallumgebung) gibt
es noch keine eindeutigen Ergebnisse“,
sagt die am Projekt beteiligte Agrarwissen-
schaftlerin Marion Zumbrunnen. Manche
Forscher vermuten, dass schon Konzentra-
tionen deutlich unter den geltenden Grenz-
werten erhebliche Gesundheitsrisiken ber-
gen. So könnten die Messungen letztlich
auch zu aussagekräftigeren Grenzwerten
führen. An einem besseren Klima in Käl-
berställen sollte allen gelegen sein – auch
denen, die nie einen betreten.
Der Ammoniakgehalt schwankt viel stärker als gedacht
Widerspenstige Keime:Was haben Tierställe mit Krankenhäusern zu tun? Mehr, als man denken könnte. www.draeger.com/404-50
51DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
TIERHALTUNG LANDWIRTSCHAFT
Gut für Mensch und Tier: Weniger Ammoniak im Stall bedeutet auch einen geringeren Verbrauch an Antibiotika – und damit weniger resisten-te Keime
Feintuning: Die Forscher testen, wie sich die mobilen Geräte samt Ammoniak-sensoren (oben und unten) gut an den Kälbern befestigen lassen; aber auch, wo man die stationären Messköpfe (Typ: Dräger Polytron C300; mittleres Bild) im Stall am besten positioniert
52 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Der ewig illuminierte Seemann des Dichters Joachim Ringelnatz ist nur noch Legende. Die Schifffahrt ist ein nüchternes Gewerbe geworden, der GENUSS VON ALKOHOL UND DROGEN meist nicht nur an Bord, sondern auch an Land untersagt. Für die Kontrolle des Verbots ist der Reeder verantwortlich.
Text: Constanze Sanders
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Havarie vor schottischer Westküste: Einen halben Liter Rum intus, anschließend zum Dienst auf die Brücke – dem Untersuchungsbericht zufolge war ein betrunkener Seemann für die Havarie dieses Frachters im Februar 2015 verantwortlich
Als das britische Frachtschiff Lysblink Seaways auf dem Weg nach Norwegen in
den frühen Morgenstunden des 18. Feb-
ruar 2015 auf die Felsen an der Westküste
Schottlands kracht, ist der wachhabende
Erste Offizier eingeschlafen. Nach einem
halben Liter Rum hatte er bei Dienstbe-
ginn vergessen, die Sicherheitssysteme der
Navigation zu aktivieren. Die von der Ree-
derei vorgeschriebene Atemalkoholkon-
trolle durch den Kapitän ergibt drei Stun-
den später einen Wert von 2,71 mg/l. Der
Kapitän und Zweite Offizier sind nüch-
tern. Der Wachoffizier wird gefeuert, das
Schiff nach der Bergung verschrottet –
menschliches Versagen, auf das mehr als
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Auf dem
SCHIFFFAHRT PANORAMA
53DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
Trockenen
SCHIFFFAHRT PANORAMA
80 bis 90 Prozent aller Seeunfälle zurück-
gehen. Alkoholkonsum zählt als Ursache
zwar dazu, hat aber einen geringen Anteil.
Und doch: Wenn ein Verantwortlicher auf
der Brücke betrunken war, bestätigt dies
scheinbar ausschweifende Trinkrituale
auf den Weltmeeren. Aber es ist oft nicht
anders als an Land, selbst wenn auf Han-
delsschiffen in der Freizeit gern Alkohol
konsumiert wird. Die berüchtigte Äquator-
taufe oder Dauerpartys in der Messe gehö-
ren jedoch der Vergangenheit an.
Seeleute arbeiten in einem Stress-
beruf, der risikoreich bleibt, obwohl die
Sicherheitsstandards in den letzten Jahr-
zehnten deutlich erhöht wurden. Schiffs-
besatzungen gehören, aufgrund der
ein Bereich ist so stark reglementiert und
überwacht wie das Leben an Bord. Der
International Safety Management (ISM)
Code verpflichtet jeden Schiffseigentü-
mer, Manager oder Charterer zu einem
Safety Management System (SMS) – für
einen sicheren Schiffsbetrieb. Dazu gehört
auch eine Betriebsvereinbarung über den
Umgang mit Alkohol und Drogen. Der Ree-
der muss dafür sorgen, dass sie eingehalten
wird. Jeder, der auf einem Schiff arbeiten
will, braucht ein Seediensttauglichkeits-
zeugnis. Das Suchtverhalten ist fester
Bestandteil der dafür mindestens alle zwei
Jahre notwendigen seeärztlichen Checks.
Von 2009 bis 2015 wurden jährlich rund
20.000 Seeleute untersucht, dabei fielen
hohen Belastung, zu den Berufsgruppen
mit erhöhter Suchtgefährdung. „Alko-
hol betäubt schnell das Leid im Job und
dämpft den Übergang vom Arbeits- zum
Privatleben“, sagt die Harvard-Soziolo-
gin Cassandra Okechukwu. Dafür gibt es
in der globalen Handelsflotte allerdings
wenig Spielraum. Manche Raucherlounge
an Bord ist inzwischen zu einer staubigen
Kammer verkommen, denn immer mehr
Reedereien setzen auf eine Dry Ship Poli-cy und verbieten Alkohol ganz. Dann sit-
zen die Seeleute sogar bei Landgängen auf
dem Trockenen.
Zehntausende Schiffe sind auf den
Ozeanen unterwegs, mehr oder weniger
unbeachtet vom Rest der Welt. Doch kaum
54 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
im Schnitt drei Prozent durch. „Sucht-
erkrankungen spielten allerdings nur eine
untergeordnete Rolle“, sagt Dr. Philipp Lan-
genbuch, Leiter des Seeärztlichen Dienstes
bei der Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr.
„Pro Jahr fanden wir 40 Suchtkranke, 24
davon waren alkoholabhängig.“ Letztere
stellen somit gerade mal 0,12 Prozent der
Untersuchten. Fast zwei Millionen Seeleu-
te weltweit sorgen Tag und Nacht dafür,
dass Mannschaft, Schiff und Ladung sicher
ihren Bestimmungshafen erreichen. Tan-
ker, Massengutfrachter, Stückgut- und Con-
tainerschiffe transportieren Handelsgüter
im schnellen Takt um den Globus. Ohne
sie gäbe es keine billigen Konsumgüter,
Nahrungsmittel oder Rohstoffe. „Es gibt
Arbeitszeitregeln, aber zu bestimmten Zei-
ten kann ich einfach keine Pause machen“,
sagt der Kapitän eines Containerschiffs mit
40 Jahren Berufserfahrung. Das gelte auch
für die Mannschaft.
Kontrollen auf See und in HäfenAuf allen Weltmeeren gilt seit dem 1. Janu-
ar 2017 ein Grenzwert von 0,25 mg/l Atem-
alkohol, das entspricht 0,5 Promille im
Blut. Auf Tankern und Gefahrgutschif-
fen ist Alkohol seit Langem tabu. „Die gül-
tigen internationalen Vorschriften ver-
langen eine wirksame Prävention mit
klaren Grenzwerten, Toleranzen und
vorgeschriebenen Testgeräten“, erläutert
Dr. Stefan Steinmeyer, bei Dräger unter
anderem zuständig für das Thema Alko-
hol- und Drogennachweis. „Zufallskon-
trollen müssen eingeplant und dabei die
Intimsphäre der Testpersonen gewahrt
werden.“ Auch in Häfen wird kontrol-
liert. So erhält jedes ankommende See-
schiff in Hamburg Besuch von der Was-
serschutzpolizei. „Wir gehen so schnell
wie möglich an Bord, damit wir noch
den Zustand vorfinden, wie er beim Anle-
gen war“, sagt Ulf Petereit, Chefermitt-
ler am Wasserschutzpolizeikommissa-
riat 1 (WSPK 1) in Hamburg-Waltershof.
Die augenscheinliche Überprüfung auf
Alkohol- und Drogenkonsum gehört bei
jeder Einklarierung dazu. Falls erforder-
lich, offerieren die Beamten zudem eine
Atemalkoholkontrolle auf freiwilliger Basis:
„Fast alle nehmen an“, sagt Petereit. Auf
See sorgt die soziale Kontrolle dafür, dass
jeder handlungsfähig bleibt. Dort wird jede
Hand gebraucht, wenn gerade mal 20 See-
leute ein 300-Meter-Containerschiff mit
14 Meter Tiefgang auf Kurs halten müs-
sen: ein stampfendes Kraftwerk mit Tau-
senden Pferdestärken, das nach klaren
Gesetzen funktioniert. „Wir alle wollen
heil nach Hause kommen“, sagt ein See-
mann. „Wenn es jemand mit Schnaps oder
Marihuana übertreibt, wird er von Kolle-
gen angesprochen.“ Das Bewusstsein einer
Gefahrengemeinschaft prägt das Leben in
Wind und Wellen. Viele Fahrensleute ver-
bringen häufig sechs Monate am Stück auf
See oder mehr. „In drei Monaten war ich
vielleicht dreimal für ein paar Stunden an
Land“, berichtet der Kapitän eines ande-
ren Containerschiffs im Umlauf zwischen
Nordeuropa und Südamerika. Muße für
Landgänge bleibt da kaum. In nur 36 Stun-
den ist ein Mega-Carrier in Hamburg abge-
fertigt und hat dann umgerechnet etwa
6.500 Standardcontainer umgeschlagen.
So ein Schiff ist ein intensiver Arbeits-
platz, dem man auch in der Freizeit nicht
entfliehen kann. Es bietet wenig Heimat,
und jede Crew ist anders: Ständig wech-
selnde Nationen, Mentalitäten und Kul-
turen treffen hier aufeinander. Das alles
erzeugt Stress. Über viele Monate – auf
engem, schwankendem Raum, 24 Stun-
den am Tag – miteinander auskommen
zu müssen kann zu Konflikten führen,
mit Stresssymptomen wie Schlaflosigkeit,
Frustration oder genereller Erschöpfung.
Gefährlicher Arbeitsplatz Ozean
Hoher Besuch: Jedes ankommende Seeschiff wird in Hamburg von der Wasser-schutzpolizei kontrolliert – die augenscheinliche Überprüfung auf Alkohol- und Drogenkonsum gehört bei jeder Einklarierung dazu
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SCHIFFFAHRT PANORAMA
55DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
„Das Problem ist die Isolation“, sagt Lan-
genbuch von der BG Verkehr. „Die Seeleu-
te leben ohne Verbindung zu ihren Fami-
lien, Ehefrauen und Kindern.“ Wenn die
Küste am Horizont verschwindet, ist es mit
dem Handynetz meist vorbei. Der Ozean
ist ein riesiges Funkloch für jene, die sich
ein Satellitentelefon nicht leisten können.
Als Frachtschiffe noch segelten, flossen
hochprozentige Seelentröster in Strömen –
aus Langeweile, aber auch aus Gründen
der Gesundheit. Rum war über Jahrhun-
derte die bessere Alternative zum Trink-
wasser, das vor Madagaskar in den Kesseln
faulte. Zudem galt er als Arznei gegen Skor-
but. Die Mangelkrankheit und verdorbe-
ne Verpflegung rafften ganze Mannschaf-
ten hin, bis Captain James Cook seinen
Männern im 18. Jahrhundert Sauerkraut
vorsetzte. Das darin enthaltene Vitamin C
besiegte die Seemannspein und vermassel-
te das Alibi für den Rumrausch. Doch nicht
nur „Kuttel Daddeldu“ des seeerfahrenen
Dichters Joachim Ringelnatz blieb weiter-
hin angeheitert. Bis in die zweite Hälfte
des 20. Jahrhunderts „waren die Seeleute
darauf aus, ihren vielfältigen Schmerz zu
lindern“, erinnert sich ein weiterer Kapi-
tän. „Wein, Weib und Gesang waren hier-
für probate Mittel. Solange wenigstens der
Wachoffizier auf der Brücke seinen Ver-
stand halbwegs beisammen hatte, bestand
auf den Weiten der Meere keine wirkliche
Gefahr.“ Rapide Wetterwechsel und Pirate-
rie machten den Ozean jedoch zu einem
der gefährlichsten Arbeitsplätze der Welt.
Jedes Jahr verlieren rund 2.000 Seeleute
ihr Leben. Im vorvergangenen Jahr ereig-
neten sich 2.611 Unfälle, 85 Schiffe san-
ken. Der größte Teil der Unfälle geschieht
bei Schlechtwetter. Dank moderner Kom-
munikationstechnik und ausgefeilten Ret-
tungsdiensten kommt Hilfe heute verhält-
nismäßig schnell an Bord.
Seeleute einer neuen GenerationMenschliches Versagen bleibt indes das
größte Risiko. Crewing-Agenturen, die
das Personal für die weltweite Handels-
flotte anheuern, gelten als erste Front
gegen Alkoholmissbrauch auf See. Allein
in Manila gibt es Hunderte dieser Arbeits-
vermittler. Fast eine halbe Million Philip-
piner sind auf den Ozeanen unterwegs,
rund ein Viertel der Fahrensleute welt-
weit; die meisten weit weg von zu Hause,
wohin sie jährlich Milliarden US-Dollar
an ihre Familien überweisen. Obwohl der
Genuss von Alkohol in ihrer Heimat eine
ähnliche Rolle spielt wie in anderen Län-
dern, trinken Philippiner häufig weniger.
Die Zurückhaltung erklärt eine Studie mit
ihrem gesellschaftlich anerkannten Status
als Familienabgesandte und Versorger. In
ihrer Mannschaftsmesse steht fast immer
ein Gerät für Karaoke, ein Nationalsport,
bei dem sie spürbaren Ehrgeiz entwickeln.
Gesungen wird alles, was je die Popcharts
erobert hat – mal mit, aber eben auch
ohne Alkohol. „Es gibt eine neue Gene-
ration von Seeleuten“, hat Wasserschutz-
polizist Ulf Petereit mit seinen Kollegen
bei der grenzpolizeilichen Ausgangskont-
rolle beobachtet, ohne die kein Schiff den
Hamburger Hafen verlassen darf. „Diese
Generation denkt anders und trinkt weni-
ger.“ Sein geübter Blick erkennt rasch,
wenn jemand alkoholisiert ist. „Doch Pro-
bleme sind äußerst selten“, sagt Petereit
mit seinen 20 Jahren Berufserfahrung.
Seemann ist heute ein einsamer Beruf.
Was aber kann ihn glücklich machen? Vor
allem ein Internetzugang auf dem Schiff
für den Kontakt zur Familie. Die maritime
Industrie hat dieses Problem erkannt und
sorgt verstärkt für attraktive Freizeit- und
Sportangebote. Entspannende Unterhal-
tung und Ausgleich sind kein Luxus mehr,
sondern Notwendigkeit und locken zudem
qualifiziertes Personal. Eine gut ausgestat-
tete Lounge hält die Besatzung zusammen.
In der Kaffeepause oder nach dem Abend-
essen werden gemeinsam Filme geschaut
oder Karten gespielt. Ein Schiff, das einen
guten Koch hat und Geburtstage, Weih-
nachten und Neujahr feiert, ist ein gutes
Schiff. Wenn die Firmenpolitik es erlaubt,
gibt es dabei auch mal Bier, Wein oder Spi-
rits. Vier Stunden vor Dienstbeginn dür-
fen jedoch generell nur Softdrinks ein-
geschenkt werden. Die meisten Schiffe
führen Testgeräte wie das Dräger Alcotest
5820 mit, sodass jedes Crew-Mitglied jeder-
zeit überprüft werden kann. Auf immer
mehr Schiffen gilt die 0,0-Promille-Grenze.
„Kapitäne sind dazu verpflichtet, Zufalls-
kontrollen durchzuführen“, weiß Schiff-
fahrtsermittler Petereit. „Das Ergebnis
wird dokumentiert und der Reederei vor-
gelegt, um zu zeigen, welche Maßnahmen
an Bord ergriffen wurden.“ Das letzte Wort
hat allerdings immer der Kapitän. Er kann
alkoholische Getränke selbst dann verbie-
ten, wenn die Reederei sie erlaubt.
0,0 Promille: Auf vielen Schiffen findet man heute Messgeräte wie dieses (Typ: Dräger Alcotest 5820). An Bord ist das Thema „Alkohol am Steuer“ meist mit einer „Nulltoleranz“ geregelt
56 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
In der indischen Metropole Hyderabad soll die weltweit größte SPEZIALKLINIK FÜR GASTROENTEROLOGIE entstehen – und den Mangel an Fachärzten auf dem Subkontinent lindern.
Text: Mathias Peer Fotos: Harsha Vadlamani
Für seinen Termin ist Mehabub Hal-
der* weit gereist. 26 Stunden saß der Mann
aus Kalkutta im Zug, bevor er die südin-
dische Metropole Hyderabad erreichte.
Hier arbeitet Dr. Nageshwar Reddy, einer
von Indiens derzeit gefragtesten Fachärz-
ten bei Problemen mit Magen, Darm und
Leber. Halder hat seit Jahren eine merk-
würdige Schwellung im Bauch, die er
untersuchen lassen möchte. Er ist sich
sicher: Hier wird ihm geholfen.
Es ist Dienstagmorgen in Hitec City,
einem Stadtteil in Hyderabad, wo sich
auch internationale Konzerne wie Ama-
zon, IBM und Deloitte angesiedelt haben.
Halders Ziel: der dunkelgraue neunstöcki-
ge Bau neben der Stadtautobahn. Auf den
ersten Blick könnte es sich um eines der
modernen Einkaufszentren handeln, die
in Indiens Metropolen zunehmend um
die zahlungskräftige Mittelschicht buh-
len. Am Eingang schiebt sich eine auto-
matische Glastür beiseite, am Sicherheits-
check durchleuchtet ein Wachmann das
Gepäck. Dahinter öffnet sich eine weit-
läufige Halle mit Marmorböden und Roll-
treppen. Am anderen Ende leuchtet das
goldfarbene Logo des Hauses: AIG. Die
drei Buchstaben stehen für Asian Insti-
F
Die Rekordjagd
des Doktor Reddy
tute of Gastroenterology, eine Spezial-
klinik für Patienten mit Beschwerden im
Verdauungstrakt. Dr. Nageshwar Reddy,
der Gründer des Krankenhauses, verfolgt
mit seiner Einrichtung ambitionierte Plä-
ne: Sie soll nach dem Willen des 62-Jähri-
gen nicht nur eine der führenden Privat-
kliniken Indiens werden, sondern auch
das größte – auf Gastroenterologie spezia-
lisierte – Krankenhaus der Welt.
Rund 70.000 EndoskopienDr. Reddy hat Erfahrung damit, sich um
eine große Zahl von Menschen zu küm-
mern – seit mehr als drei Jahrzehnten
Begehrt: Dr. Nageshwar Reddy zählt zu den gefragtesten Gastroenterologen Indiens. Die Wartezeit für einen Termin bei ihm beträgt mehrere Monate
XXL-Dimensionen: In der Empfangshalle, in die auch ein mittelgroßer Bahnhof passen würde, wirkt man leicht verloren
* Name geändert
57DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
ASIEN MEDIZINISCHE VERSORGUNG
praktiziert er in Hyderabad. Sein guter
Ruf beschert ihm Patienten aus ganz
Indien und den Nachbarstaaten. In sei-
ner ersten Klinik, die im Stadtzentrum
in der Nähe des herzförmigen Hussain-
Sagar-Sees liegt, behandelten er und sein
Team zuletzt mehr als 100.000 Patienten
im Jahr und führten dabei rund 70.000
Endoskopien durch. Bei der Zahl dieser
jährlichen ERCP-Untersuchungen hält die
Klinik nach eigenen Angaben den Weltre-
kord. Und weil nicht mehr genug Platz
für alle Patienten ist, versucht es Dr. Red-
dy mit dem Neubau in Hitec City jetzt eine
Nummer größer. Es soll sein Lebenswerk
in eine neue Dimension heben: Rund
eine halbe Million Patienten könnte man
hier jedes Jahr behandeln. Ganz fertig ist
die Großklinik im August 2018 allerdings
noch nicht, unausgepackte Kartons stehen
noch neben einem der Eingänge. Wo künf-
tig Deckenversorgungseinheiten hängen
sollen, ragen noch Kabel heraus, und das
Dröhnen der Bohrmaschinen unterbricht
immer wieder die sonstige Ruhe. Auch die
Operationssäle und Intensivstationen sind
noch nicht in Betrieb. Reddy will keine
Zeit verlieren. Die ersten Patienten emp-
fängt er seit ein paar Wochen. Mit dem
so genannten Soft-Launch will er die Abläu-
fe testen – und sicherstellen, dass sein
Krankenhaus dem erwarteten Ansturm
standhält. Im weißen Kittel schreitet Red-
dy mit einer Besuchergruppe die Flure ab.
Es knistert ein wenig, die Schuhe sind aus
Hygienegründen in blaue Plastikfolie ein-
gehüllt. Reddy stoppt an einer Fensterfas-
sade und deutet auf die Bauarbeiten im
Innenhof: „Hier entstehen hängende Gär-
ten.“ Es sei ihm wichtig, den Patienten von
ihren Zimmern aus einen Blick ins Grüne
zu bieten. Von fast jedem Krankenbett ist
Tageslicht zu sehen. „Ich habe mehr als
500 Krankenhäuser rund um den Globus
besichtigt und bin sehr zufrieden mit dem,
58 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Operation „Blau“: Die Lichtverhältnisse in den Behandlungsräumen erleichtern es den Ärzten, sich auf die Monitore zu konzentrieren. Die Temperatur lässt sich mithilfe eines Spracherkennungssystems steuern. Neben dem Gas Management Systemstammt auch ein großer Teil der Ausstattung (unten) von Dräger
ASIEN MEDIZINISCHE VERSORGUNG
59DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
was uns hier gelungen ist“, sagt er. „Wir
haben eine Infrastruktur geschaffen, die
zu den besten der Welt zählt.“ 800 Betten,
20 Endoskopieräume, 16 Operationssäle –
so groß ist die Kapazität laut Dr. Reddy in
keiner anderen Spezialklinik auf diesem
Gebiet. „Auf Platz zwei liegt ein Kranken-
haus in China mit 400 Betten.“
Arzt und UnternehmerDie Ausrüstung der Räume würde man
eher in Science-Fiction-Filmen vermu-
ten: Um einzutreten, halten die Ärzte
ihre Hand vor einen Sensor. Ohne jede
Berührung öffnet sich die große Stahltür.
Der Endoskopieraum erstrahlt in blauem
Licht – das soll den Ärzten während der
Untersuchung den Blick auf die Monito-
re erleichtern. Licht und Temperatur
können die Mediziner per Sprachsteue-
rung ändern. Über ein in die Wand einge-
lassenes Terminal mit Touchscreen und
USB-Anschluss lässt sich während der OP
auch Musik über die Lautsprecheranlage
abspielen. Das Gas Management System,
das wie ein großer Teil der Ausstattung von
Dräger stammt, stellt medizinische Gase
bereit. Auf einem Flachbildschirm ist das
Bild einer Endoskopiekamera in 4K-Quali-
tät zu sehen. Gleichzeitig richtet sich eine
weitere Kamera mit eingebautem Mikro-
fon auf den Arzt. Die Untersuchungen und
Eingriffe können somit live – auf Konfe-
renzen oder für Studenten im Nebenraum
– übertragen und kommentiert werden.
Für Dr. Reddy markiert das Projekt den
Höhepunkt seiner Karriere, die ihn nicht
nur zum gefragten Mediziner, sondern
auch zu einem Unternehmer machte.
Der Mann, den man schon aus der Ferne
an seinem dunklen, buschigen Schnurr-
bart erkennt, ist in einer Arztfamilie auf-
gewachsen. Sein Großvater und sein Vater
waren Professoren für Pathologie. Reddy
sagt, er habe schon als Kind gewusst, dass
er Arzt werden will. Er entschied sich für
die therapeutische Endoskopie als Spezial-
gebiet und kam in den 1980er-Jahren nach
Hamburg, um seine Kenntnisse zu vertie-
fen. An Deutschland gefiel ihm, dass es auf
den Straßen – im Vergleich zu Indien – so
viel ruhiger zugeht. Nur die Wochenen-
den konnte er nicht leiden, weil dann alle
Läden geschlossen hatten. Er war beein-
druckt von der Präzision der Ärzte und
der effizienten medizinischen Versor-
gung. Zurück in Indien fand er eine ganz
andere Situation vor: Gerade einmal 100
Gastroenterologen gab es damals in sei-
nem Land. Reddy sah in der Unterversor-
gung ein gewaltiges Problem, das bis heu-
te nicht gelöst ist. Die Zahl der Fachärzte
auf diesem Gebiet stieg zwar auf 3.000,
doch allein Japan habe zehnmal mehr,
obwohl die Bevölkerung des Landes nur
einem Zehntel Indiens entspricht, sagt er.
Krankheiten im Verdauungstrakt sind
in Indien weit verbreitet. Die Gründe dafür
sind vielfältig: verschmutztes Trinkwasser,
unhygienisch zubereitetes Essen, geneti-
sche Veranlagung – aber auch der wirt-
schaftliche Aufstieg des Landes. Mit der
stark wachsenden Mittelschicht nehmen
auch Probleme wie Übergewicht zu, was zu
einer Fettleber führen kann. Reddy schätzt,
dass 30 Prozent der Inder unter gastrointes-
tinalen Krankheiten leiden – das wären 400
Millionen Menschen. „Um alle behandeln
zu können, bräuchten wir mindestens 100
Krankenhäuser wie dieses hier“, sagt er.
Für Patienten wie Mehabub Halder macht
es der Mangel an Spezialisten schwierig, zu
einer optimalen Behandlung zu kommen.
Halder kommt mit einer grauen Stoff hose,
kurzärmeligen Hemd und Sandalen ohne
Socken in die Klinik. Er ist auffällig schmal.
Seine Krankenakte hat er sich unter die
Achsel geklemmt. In der noch weitgehend
leeren Empfangshalle, in die auch ein mit-
telgroßer Bahnhof passen würde, wirken
Männer wie er leicht verloren. Mitarbei-
terinnen von der Patientenaufnahme ver-
suchen den Neuankömmlingen die Scheu
zu nehmen. Sie gehen von ihrem Schal-
ter direkt auf die Patienten zu und erklä-
ren ihnen, wie es weitergeht. Nach einer
ersten Untersuchung, Blutabnahme und
Labortests kommt Halder ins Zimmer sei-
nes Facharztes, Leberspezialist Dr. Naga-
raja Rao Padaki. Halder zieht die Sandalen
und das Hemd aus. Der Chefarzt tastet mit
der Hand über die Schwellung, die Halder
seit Langem beschäftigt. „Keine Schmer-
zen?“, fragt er. Halder verneint leise. In der
Krankenakte liest der Arzt von blockierten
Blutgefäßen – offenbar der Grund für die
Auf Herz und Nieren:
Dr. Nagaraja Rao Padaki untersucht
einen Patienten, der über Bauchbe-
schwerden klagt. Er verordnet eine
proteinhaltige Diät
Abläufe testen im Soft-Launch-Betrieb
MEDIZINISCHE VERSORGUNG ASIEN
60 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
vergrößerte Milz und den wenig robusten
Körperbau seines Patienten. Dr. Padaki hält
die Lage für beherrschbar. Ein Eingriff ist
aus seiner Sicht derzeit nicht nötig. Er ver-
ordnet eine proteinhaltige Diät, um den
Patienten zu stärken. Folge untersuchung
in einem Jahr. „Anderswo würde man viel-
leicht nach sechs Monaten wieder nach-
sehen“, sagt er. Er müsse aber praktika-
bel bleiben. „Die Menschen hier können
nicht alle paar Monate durchs halbe Land
fahren.“
Halder arbeitet in Kalkutta bei einem
Outsourcingunternehmen, das Geschäfts-
prozesse wie das Personalwesen oder
die Logistik für andere Firmen erledigt.
Es ist ein guter Job, der es ihm erlaubt,
Geld für seine Gesundheit auszugeben.
20.000 Rupien, umgerechnet 250 Euro,
hat er für den Arztbesuch im 1.500 Kilo-
meter entfernten Hyderabad angespart –
inklusive der Reisekosten und Übernach-
tungen im Hotel. Wenig Geld ist das auch
für ihn nicht. Der Betrag entspricht in
Kalkutta einem üblichen Monatsgehalt
in seiner Branche. Viele der Patienten
im AIG-Hospital haben keine Kranken-
versicherung, die ihre Behandlungskos-
ten abdeckt. Klinikchef Reddy legt des-
halb nicht nur Wert auf hohe Qualität.
Die Behandlung muss auch bezahlbar
sein. Eine effiziente Auslastung der Groß-
einrichtung soll das ermöglichen. Weil er
hier sehr viele Patienten behandeln kann,
sinkt der Durchschnittspreis. Mit den Kos-
ten wirbt die Klinik offensiv. Neben dem
Eingang hängt ein Poster, das eine Leber-
untersuchung anpreist: ,Derzeit nur 2.500
statt sonst 5.740 Rupien!‘ Für die reine
Konsultation bei einem Arzt verlangt das
Krankenhaus lediglich 300 Rupien, rund
3,80 Euro – ganz gleich, ob ein junger
Kollege oder der Klinikchef den Patienten
behandelt.
Bedürftige kostenfrei behandelnDie Chefarztbehandlung ist dementspre-
chend populär: In Internetforen erkundi-
gen sich Patienten, wie sie einen Termin
bei Dr. Reddy ergattern können. Die War-
tezeit beträgt drei Monate, teilt das Kran-
kenhaus mit. Auch Prominente und Poli-
tiker wünschen sich, dass er sich um sie
kümmert. Der indische Vizepräsident Ven-
kaiah Naidu war einer der ersten VIPs, der
sich im AIG-Neubau von ihm untersuchen
ließ. Hinterher veröffentlichte er ein Bild
auf seinem Twitter-Kanal, das ihn neben
Reddy zeigt. „Ich war schon in vielen
Krankenhäusern dieser Welt“, schrieb er,
„aber das hier ist mit seiner hochmoder-
nen In frastruktur wirklich he rausragend.“
Der Vizepräsident kam mit mehreren Dut-
zend Polizisten zu seinem Arzttermin.
Damit sich die Sicherheitsanforderungen
für prominente Patienten leichter umset-
zen lassen, bekommen sie künftig einen
eigenen Eingang. Wohlhabende Patienten
ins Haus zu bekommen ist entscheidend
für den wirtschaftlichen Erfolg des Kran-
kenhauses: Sie bekommen zwar die glei-
chen medizinischen Leistungen wie jeder
andere, zahlen aber extra für den Komfort.
Das ermöglicht der Klinik, Bedürftige kos-
tenfrei zu behandeln – im Krankenhaus
selbst oder mit mobilen Behandlungs-
zentren, die AIG in Dörfer mit schlech-
ter Gesundheitsversorgung schickt. Mehr
als zehn Millionen Patienten haben so
bereits eine Gratisbehandlung von Reddy
und seinem Team bekommen. Der Klinik-
gründer beschreibt sich selbst als linken,
etwas sozialistisch angehauchten Men-
schen. Den Erfolg seines Unternehmens
wolle er nicht am Profit messen, sondern
daran, dass er möglichst viele Menschen
erreicht. „Ich behandle lieber die Armen
als die Reichen“, sagt er. Arme Patienten
seien besonders dankbar.
Zur Arbeit mit ihnen kommt Reddy der-
zeit weniger, als ihm lieb ist. Noch vor der
Tür zum Endoskopieraum stoppt ihn ein
Assistent mit einem Stapel Dokumente. Sie
müssten unterschrieben werden. Wenig
später passt ihn zwischen zwei Terminen
eine junge Frau ab, die sich um einen Job
bewerben möchte. Der Klinikchef hält ein
spontanes Vorstellungsgespräch. Jeder
will etwas von ihm, nur selten reicht die
Zeit für alle. Dabei pflegt Reddy bereits
seit Jahren einen 18-Stunden-Arbeitstag.
Für seinen Einsatz habe er einen hohen
Preis bezahlt: Für die Familie sei kaum
Zeit geblieben. Seine Frau, eine Derma-
tologin, und seine inzwischen erwachse-
ne Tochter hätten ihn aber immer unter-
stützt. Sie wissen: „Um etwas zu erreichen,
muss man auch etwas opfern.“
Offensive Werbung mit den Kosten
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Moderner Neubau: Das Asian Institute of Gastroenterology (AIG) befindet sich in guter Nachbarschaft. Das neunstöckige Gebäude liegt zwischen den Bürohochhäusern internationaler Konzerne im Stadtteil Hitec City, in Hyderabad
ASIEN MEDIZINISCHE VERSORGUNG
61
Lichte Momente: In den meisten Zimmern gibt es Tageslicht.
Das soll den Aufenthalt für Patienten angenehmer gestalten
Hyderabad liegt mitten in Indien, in jeder Hinsicht. Mit annähernd sieben Millionen Einwohnern ist sie die viertgrößte Stadt des Landes. Sie gilt als eines der Zentren für Biotechnologie und Pharmaindustrie. Der Nordwesten wird auch Cyberabad genannt
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* Name geändert
62 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
ZZwei Uhr mittags, nahe Kabul. Der
Sommer zeigt sich von seiner brutalen
Seite: knapp 40 Grad, es weht ein leich-
ter Wind. Im Beobachtungsfahrzeug ist es
kaum noch auszuhalten. 58,4 Grad Cel-
sius. Die vier deutschen Soldaten verhal-
ten sich ruhig, doch die Anspannung ist
ihnen anzusehen. Seit gut zehn Minuten
observieren sie nun den heruntergekom-
menen Pick-up in 100 Meter Entfernung.
Dann tut sich was. Als der Wind dreht,
öffnet Hauptfeldwebel Egon K.* das Fens-
ter seines Spezialfahrzeugs einen Spalt.
Jetzt kann Clóe die Zielperson zwar
immer noch nicht sehen, dafür aber rie-
chen. Clóe ist ein sogenannter Malinois,
die kurzhaarige Variante des Belgischen
Schäferhunds. „Die wollen immer arbei-
ten“, sagt der Hauptfeldwebel. „Deshalb
sind sie erste Wahl für den Einsatz von
Spezialdiensthunden.“ Mustafa G.*, die
Zielperson, ist den afghanischen Behör-
den schon länger bekannt. Er gilt als
mutmaßlicher Dschihadist. G. fuhr nach
Pakistan, besuchte drei Monate lang eine
Taliban-Schule und hielt sich anschlie-
ßend in einem Ausbildungslager in Afgha-
nistan auf. Im Camp lernte er, Sprengstoff
herzustellen und mit Waffen umzugehen.
Spezialisten auf vier Pfoten„Wir müssen davon ausgehen, dass er
bewaffnet ist und Sprengstoff mit sich
führt. Deshalb ist Clóe unser bevorzug-
tes Einsatzmittel, noch vor der Schuss-
waffe“, sagt Hauptfeldwebel K. Jeder
hier im Team hat eine präzise Funktion,
auch Clóe. Als Diensthund der Bundes-
wehr begleitet sie jenen Trupp Soldaten,
der den Auftrag hat, Mustafa G. in einer
Hunde sind für Soldaten mitunter die besseren Kameraden. Sie erschnüffeln Sprengstoffe, stellen Zielpersonen oder halten Wache. Die Bundeswehr trainiert ihre VIERBEINER UND
HUNDEFÜHRER an einer eigenen Schule – von da an gehen sie viele Jahre gemeinsam durch dick und dünn.
Text: Björn Wölke Fotos: Matthias Jung
PANORAMA MILITÄRHUNDE
Blitzaktion dingfest zu machen. Dafür
haben sie sich schwer bewaffnet an die-
ser viel befahrenen Straße, einige Kilome-
ter außerhalb Kabuls, postiert. Clóe hat
ihr ganzes Leben lang auf Momente wie
diesen hintrainiert. Zuletzt durchlief die
5,5 Jahre alte Hündin eine zehnmonati-
ge Spezialausbildung zum Zugriffsdienst-
hund an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr (SDstHundeBw). Klingt
nach sperrigem Beamtendeutsch, ist aber
üblicher Bundeswehr- Jargon. Die SDst-
HundeBw liegt im rheinland-pfälzischen
Ulmen, etwa 60 Kilometer südwestlich
von Koblenz – mitten im Wald. Auf einer
Fläche von knapp 70.000 Quadratmeter
werden hier jährlich 50 bis 70 Diensthun-
de und ebenso viele Diensthundeführer
ausgebildet. Dafür hat man ein ehemali-
ges Munitionsdepot samt der 51 Bunker
in ein Ausbildungszentrum umgebaut
und spezielle Übungsparcours ange-
legt, die potenzielle Einsatzorte wider-
spiegeln: Gleisanlagen, eine Hausruine
und ein Abwasserkanalsystem; sogar eine
Ziemlich beste Freunde
Unzertrennlich:Hauptfeldwebel Egon K.* und sein Diensthund Clóe
während einer Trainingseinheit auf dem Gelände der
Diensthundeschule der Bundeswehr in Ulmen.
Nach Feierabend nimmt er die Belgische Schäferhündin
mit nach Hause – sie ist Teil der Familie
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Fest im Griff: Und auch das Zubeißen will gelernt sein! Die Auslese von Militärhunden gilt als streng. Die Tiere müssen gefestigt sein, ein ausgeprägtes Sozialverhalten haben und sehr selbstbewusst auftreten
Militärhunde sind für Armeen heute
wichtiger denn je64 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Bahnhofsvorhalle und Gepäckabfertigung
gibt es hier. In den Bunkern werden nicht
nur Grundlagen trainiert. Weiterführen-
de einsatznahe Trainings, das Kernstück
einer jeden Spezialausbildung, müssen
an möglichst vielen verschiedenen Plät-
zen (Städten, Bahnhöfen, Fabrikgelän-
den, Einkaufszentren etc.) stattfinden,
um den Vierbeinern die für die verschie-
denen Einsatzmuster relevanten Bilder
mit auf den Weg zu geben – Gefechtsge-
räusche inklusive.
Hunde wie Clóe sind für Militärs heu-
te wichtiger denn je. In den Krisenher-
den dieser Welt sind die Gegner oft keine
regulären und offen auftretenden Trup-
pen mehr, sondern eher Rebellen oder
Einzeltäter, die improvisierte Sprengfal-
len in Hinterhalten jeglicher Art platzie-
ren. „So können wir unsere Kameraden
zu jeder Tages- und Nachtzeit effek-
punkt auf der Technik – und das, obwohl
sie nicht immer alles lösen kann“, sagt
Hampel. Für die Zukunft wünsche er sich
deshalb eine gegenläufige Entwicklung.
Unglaublich effektive TiereOberfeldveterinär Hampel weiß, welch
unglaublich effektives Werkzeug ihm am
Ende einer solchen Ausbildung zur Ver-
fügung steht: hoch konzentrierte Tie-
re, die blitzschnell agieren und Aufträ-
ge auf den Punkt genau ausführen. Ein
Minenspürhund muss ohne zu zögern
kleine (wenige Gramm) bis große Men-
gen (100 Kilogramm und mehr) der übli-
chen Stoffe anzeigen können. Der Nach-
wuchs an Diensthunden wird entweder
von außen angekauft oder stammt aus der
eigenen Zucht. Hier, in der Eifel, findet
eine strenge Auslese statt, denn an einen
Spezialdiensthund werden besonders
hohe Anforderungen gestellt. „Die Tie-
re müssen gefestigt sein, ein ausgepräg-
tes Sozialverhalten haben und sehr selbst-
bewusst auftreten“, so Hampel. Manche
Tierschützer betrachten diesen anerzoge-
tiv schützen“, sagt dazu Oberfeldveteri-
när Dr. Stefan Hampel, Kommandeur
der Diensthundeschule in Ulmen. „Kei-
ne Technik dieser Welt übertrifft Hun-
de darin, derartige Gefahren anzuzeigen.
Welches Gerät kann schon Sprengstoffe
detektieren, laut bellen und auf Kom-
mando zubeißen?!“ Die Bundeswehr
beschäftigt mehrere Hundert dieser Tie-
re. Die genaue Zahl derer, die sich der-
zeit in Krisengebieten befindet, möch-
te Hampel lieber nicht verraten. Nur so
viel: „Es sind alle sieben Diensthundety-
pen, die wir hier ausbilden, im Einsatz.“
Seit Deutschland auch an Auslandsein-
sätzen teilnimmt, müssen die Vierbeiner
allerdings deutlich mehr leisten, als nur
die eigene Kaserne zu bewachen. Wur-
den früher fast ausschließlich Wachbe-
gleithunde ausgebildet, stehen heute Spe-
zialdiensthundeteams im Mittelpunkt.
Warum nutzt man sie nicht wesentlich
häufiger? „Die Einsatzrealität hat zwar
gezeigt, dass solche Gespanne wirksam
sind, doch noch immer liegt der Schwer-
PANORAMA MILITÄRHUNDE
Militärübung mit Zugriffshund: Am Ende der Ausbildung können die
Vierbeiner blitzschnell agieren und Befehle auf den Punkt genau ausführen –
bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg
OberfeldveterinärDr. Stefan Hampelleitet seit 2016 die Diensthundeschule der Bundeswehr in Ulmen. Unter seiner Ägide werden hier jährlich 50 bis 70 Tiere ausgebildet
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nen Gehorsam mit Argwohn. Sie wissen,
wie schwer es ist, Hunden etwas beizu-
bringen. Wie bringt man also junge Hun-
de dazu, Sprengstoffe zu suchen und auch
zu finden? Motiviert werden sie vor allem
spielerisch. „Das ist das A und O“, sagt
Hampel. Zudem müsse jeder Ausbildungs-
abschnitt so angelegt sein, dass die Tiere
auf jeden Fall zum Erfolg kommen, qua-
si als Sieger vom Platz gehen, und dafür
immer belohnt werden.
Ziel ist es, dass Diensthundeführer
und Vierbeiner nach Ende der Ausbildung
ein zuverlässiges Gespann bilden, das den
jeweiligen Auftrag sicher ausführt. Dabei
müssen die Hunde selbst unter größtem
Stress und binnen Sekunden Minen, Waf-
fen oder Munition finden. Sie sollen in
ein Gebäude oder Fahrzeug eindringen
und Feinde überwältigen können. Nicht
immer dürfen die Tiere zubeißen, manch-
mal reicht ein Verbellen. Für solche
Ergebnisse braucht es eine gehörige Por-
tion Vertrauen – auf beiden Seiten: auf der
des Tieres und des Hundeführers. Dafür
gehen sie tagein, tagaus durch dick und
dünn. „Mit meinem Diensthund verbrin-
ge ich mehr Zeit als mit meiner Familie“,
sagt einer der Ausbilder an der SDstHun-
deBw. „Die täglich mehrstündigen Trai-
nings schweißen zusätzlich zusammen.“
„Mit unseren sieben Diensthundetypen zählen wir heute zur Weltspitze“
Oberfeldveterinär Stefan Hampel, Leiter der SDstHundeBw
Sechs auf einen Streich: Die eigene Zucht ermöglicht der Bundeswehr, ihre Hunde von klein auf optimal auszubilden
DRÄGERHEFT 404 | 2 / 201866
PANORAMA MILITÄRHUNDE
Krieg im Kopf:Viele Soldaten, die an posttraumatischen Belastungs-störungen leiden, scheitern oft im Alltag. Doch es gibt eine wirksame Therapie: Sie bellt und hat vier Beine.www.draeger.com/404-66
Die Tiere leben in der Regel bei ihren
Diensthundeführern im Haushalt und
sind Teil der Familie. Allein die Grund-
ausbildung eines jungen Hundes dauert
mehrere Monate, in denen er an seine
künftigen Aufgaben herangeführt wird.
Danach absolvieren die Tiere mehrmona-
tige Spezialkurse zum Feldjäger-Spreng-
stoff- oder Rauschgiftspürhund, zum
Diensthund der Objektschutzkräfte der
Luftwaffe sowie der Spezialkräfte oder
zum Kampfmittel- oder Minenspürhund.
Dem Grundlehrgang und dieser soge-
nannten „spezialisierten Ausbildung“ fol-
gen regelmäßige jährliche Überprüfun-
gen. In der Regel ist ein Hund fünf Jahre
im aktiven Dienst.
Die aufwendigen und intensiven Trai-
nings zahlen sich aus. Oberfeldveterinär
Hampel sieht seine Diensthundeschule
im internationalen Vergleich gut aufge-
stellt. „Wir haben in den vergangenen
Jahren verschiedene Einsatzmuster ent-
wickelt und zählen heute zur Weltspitze.
Nicht, was die Masse der Diensthunde
angeht, aber was deren Fähigkeiten
betrifft.“ Stillstand gibt es für ihn nicht.
Alles sei ein dynamischer Prozess. „Wir
stehen im regelmäßigen Austausch mit
den Militärdiensthunde-Einheiten ande-
rer Länder und entwickeln auf dieser
Basis die jeweiligen Muster weiter.“ Bis-
lang seien noch keine deutschen Hun-
de im Einsatz gestorben, sagt Hampel.
Sollte doch einmal etwas passieren, sich
ein Vierbeiner etwa im Training verlet-
zen, unterhält die Diensthundeschule in
Ulmen eine eigene Klinik. Sie ist zentral
verantwortlich für die veterinärmedizi-
nische Betreuung und Versorgung aller
Diensthunde der Bundeswehr. Tierärz-
te und Tierpfleger kümmern sich um
das Wohlergehen der Vierbeiner: von der
Ernährung über Zahnerhalt und Zahn-
aufbau (sogar Überkronungen!) bis hin
zu kniffligen operativen Eingriffen. Im
Operationssaal werden verschiedene
Dräger-Produkte genutzt, unter ande-
rem OP-Leuchten – und auch das Gas-
management stammt aus Lübeck. Wenn
ein Diensthund seine Zeit abgeleistet hat,
zieht er oft als Privatier bei seinem Hun-
deführer ein. Die Bindung zwischen den
beiden ist nach der jahrelangen Zusam-
menarbeit so eng und vertraut, dass der
Hundeführer seinen Gefährten adoptiert,
sobald der aus Gesundheits- oder Alters-
gründen aus dem Dienst genommen
wird. Andere kommen zurück in die Hun-
deschule – hier werden sie weiterhin ver-
sorgt und auch an Zivilisten vermittelt.
Ausgezeichneter SchnüfflerDavon ist Clóe, die 5,5 Jahre alte Hündin,
noch weit entfernt. Dass sie die Zielperson
auf 100 Meter Entfernung riechen kann,
liegt an ihrer guten Nase. Die besitzt rund
200 Millionen Riechzellen, eine mensch-
liche hat nur einen Bruchteil davon. Als
Hauptfeldwebel K. die Seitentür seines
Fahrzeugs öffnet und den Befehl gibt, geht
alles ganz schnell – mit rund 40 Sachen
nimmt Clóe Kurs auf den Pick-up. Weni-
ge Meter davor springt sie mit einem Satz
durch das offene Fenster und verbeißt
sich im rechten Unterarm von Mustafa
G. Die herannahenden Bundeswehrsolda-
ten haben leichtes Spiel. Gibt es eigentlich
einen Orden für Diensthunde der Bun-
deswehr? „Nein, den gibt es im Moment
nicht“, sagt Oberfeldveterinär Dr. Stefan
Hampel. „Aber wir arbeiten da ran.“ Clóe
hätte ihn vermutlich verdient.
In guten Händen: Tierärzte und -pfleger kümmern sich in der Diensthundeklinik
um das Wohlergehen der Vierbeiner: von der Ernährung über Zahnerhalt und Zahnaufbau
bis hin zu kniffligen Operationen
67DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
68 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Brodelnde Vulkane gehören auf Hawaii zum Alltag. Die örtliche Feuerwehr setzt seit den jüngsten Eruptionen auch auf TRAGBARE GASMESSTECHNIK von Dräger.
Text: Steffan Heuer
HOTSPOT
Im Fluss: Nur wenige Vulkane auf der Erde sind so aktiv wie der Kilauea auf Hawaii. Seine Lavaströme und Asche-regen haben in diesem Jahr schon Tausende in die Flucht geschlagen
VULKANE ARBEITSSCHUTZ
69DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018
im Pazifik
Darwin Okinaka ist auf Hawaiis Big Island geboren und groß
geworden. Als Einheimischer weiß er von Kindesbeinen an, dass
das Paradies unter Palmen auf Feuer gebaut ist. „Spätestens seit
der Grundschule war mir klar, dass es mindestens einen aktiven
Vulkan auf unserer Insel gibt“, sagt Okinaka, der sich als Feuer-
wehrmann inzwischen hauptberuflich mit Brandherden jeglicher
Art befasst. „Der kann jederzeit ausbrechen, aber auf dieses Aus-
maß vulkanischer Aktivität waren wir nicht gefasst.“
Damit meint der Chef der örtlichen Feuerwehr die Eruption
des Vulkans Kilauea, der seit Anfang Mai 2018 mit Lavaströmen
und Ascheregen entlang seiner Ostflanke mehr als 700 Häuser
zerstört und Tausende Menschen in die Flucht geschlagen hat.
Das hawaiische Wort kilauea steht übrigens für „spucken“ oder
„viel verbreiten“. Geologen und Vulkanologen vermögen trotz
moderner Seismografen und Computermodelle nicht zu sagen,
wie lange die Eruptionen andauern oder wann sie (nach einer
relativen Ruhephase) wieder an Intensität zunehmen werden.
Doch sie wissen, dass sie den Kilauea mit einem dichten Netz aus
Messstationen und Sensoren im Auge behalten müssen – weil es
inzwischen immer mehr Siedlungen in unmittelbarer Nähe des
Vulkans gibt und aus den alten wie neu aufbrechenden Spalten
Gase austreten. Allen voran das unsichtbare Schwefeldioxid (SO2).
Die Gase bedrohen auch weiter entfernte Ortschaften. Doch ohne
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ARBEITSSCHUTZ VULKANE
70 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018
Zurückbleiben! Mehr als 700 Häuser sind dem Vulkan Kilauea seit Mai 2018 zum Opfer gefallen. Hawaiis Feuerwehr ist seitdem auch mit tragbaren Gasmessgeräten von Dräger im Einsatz
gewaltige Vulkanausbrüche gäbe es Hawaii gar nicht. Die acht
Hauptinseln (und viele kleinere Eilande) verdanken ihre Entste-
hung der Magma im flüssigen Erdinneren, die sich aus einem per-
manenten Hotspot unter der langsam wandernden pazifischen
Platte einen Weg an die Oberfläche bahnt.
Aschewolke zog 3.700 Kilometer südwestwärtsDas Ergebnis sind sogenannte Schildvulkane: gewaltige Berge
aus erkalteter Lava, die vom kilometertiefen Meeresgrund in den
Himmel ragen. Damit sind Hawaiis Gipfel streng genommen die
höchsten der Welt. Der Vulkan Mauna Kea nördlich des Kilauea
misst zwar nur 4.205 Meter über dem Meeresspiegel, doch von sei-
ner Basis im Ozean gerechnet bringt er es auf rund 10.200 Meter.
Damit stellt er selbst den Mount Everest (8.848 Meter) in den
Schatten. Von allen Vulkanen auf der Inselkette hat bislang aller-
dings keiner so viel Verwüstung angerichtet wie der Kilauea. Sein
letzter großer Ausbruch Ende des 18. Jahrhunderts kostete meh-
rere Hundert Menschenleben. „Der Kilauea macht keine Anzei-
chen, sich in absehbarer Zeit wieder zu beruhigen – und seine
Umgebung ist längst keine abgelegene Gegend mehr“, gibt Oki-
naka zu bedenken. Umso wichtiger sei es, dass Vulkanologen,
die Umweltschutzbehörde und das Gesundheitsministerium des
Staates Hawaii Sensoren rund um den Vulkan aufgestellt haben,
die die Konzentration mehrerer Gase erfassen und die Bevölke-
rung darüber informieren. Auf dem offiziellen Hawaii Interagen-cy Vog Information Dashboard etwa kann man in Echtzeit den
Vog verfolgen: giftigen Vulkan-Smog aus Wasserdampf, Kohlen-
und Schwefeldioxid. Wird SO2 in die Atmosphäre geschleudert,
reagiert es dort mit Sauerstoff, Wasserdampf und Sonnenlicht.
Feinstaubpartikel bilden sich, die je nach Windrichtung auch
andere Inseln erreichen können. So hatte der Vulkan-Smog des
jüngsten Ausbruchs auf Hawaii innerhalb eines Monats bereits
die 3.700 Kilometer entfernten Marshallinseln erreicht.
Wissenschaftler der Universität von Hawaii in Manoa haben
zum Studium der Kilauea-Ausbrüche in den Jahren 1983 und
2008 das Vog Measurement and Prediction Project (VMAP) ein-
gerichtet, um eine möglichst genaue Vorhersage der giftigen
Mischung zu ermöglichen. Ständig aktualisierte Angaben über
die allgemeine Luftqualität und SO2-Konzentration bieten auch
die US-Umweltschutzbehörde (EPA) sowie das Gesundheitsminis-
terium Hawaiis auf den eigenen Webseiten. So wichtig die Mess-
stationen von Behörden und Wissenschaftlern auch sind: Ersthel-
fer wie Okinaka benötigen präzise und verlässliche Informationen
über gefährliche Gase an ihrem jeweiligen Einsatzort. Deswegen
besitzt die Feuerwehr auf der Hauptinsel seit Mai 2018 insgesamt
zehn tragbare Dräger-Gasmessgeräte (Typ: X-am 5000). Das vor
Wasser und Staub geschützte Gerät in Handygröße kann bis zu
fünf Gase gleichzeitig messen.
„Beim letzten Ausbruch vor zehn Jahren, als Teile des Zentral-
kraters einstürzten und es hohe SO2-Werte in der Umgebungsluft
gab, bekamen wir Leihgeräte vom Zivilschutz, die wir längst wie-
der zurückgegeben hatten“, erinnert sich Okinaka. „Jetzt haben
wir endlich eigene, tragbare Geräte, die man an seine Feuer-
wehrjacke hängen kann und so immer bei sich hat. Sie warnen
optisch, akustisch und haptisch (durch Vibration), wenn Gefahr
droht. Das ist beruhigend und bequem zugleich.“ Am wichtigs-
ten ist für den Feuerwehrmann dabei der SO2-Sensor des Geräts.
Okinaka hat die zehn Messgeräte auf jene zehn Feuerwachen
auf Big Island verteilt, die entweder in unmittelbarer Nähe des
Kilauea liegen oder aufgrund der Windrichtung am stärksten von
Gasen und Vog betroffen sind. So teilen sich rund 60 Feuerwehr-
leute in drei Schichten die Geräte. „Keiner weiß, wie lange der
Kilauea aktiv bleibt“, sagt Okinaka. „Aber wir müssen uns lang-
fristig da rauf einstellen, auf alles vorbereitet zu sein.“
Eruptionen gehören hier zum Alltag
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71
Was wir beitragenEinige PRODUKTE dieser Aus gabe finden sich hier im Überblick – in der Reihenfolge ihres Erscheinens. Zu jedem Produkt gehört ein QR-Code, der sich mit einem Smartphone oder Tablet scannen lässt. Danach öffnet sich die jeweilige Produkt-information. Haben Sie Fragen zu einem Gerät oder zum Drägerheft? Dann schreiben Sie uns: [email protected]
X-plore 3500Diese Halbmaske ist für dauerhafte und anspruchsvolle Einsätze erste Wahl.Seite 12
X-am 8000Das 1- bis 7-Gasmessgerät misst toxische und brennbare Gase sowie Dämpfe und Sauerstoff gleichzeitig – im Pumpen- oder Diffusionsbetrieb.Seite 12
MRC 5000 Diese Flucht- und Rettungs-kammer verfügt über redundant ausgelegte Atemluftsysteme und gewährleistet so eine Versorgung mit reiner Atemluft unter Tage.Seite 12
Fabius Tiro Dieser kompakte Anästhesie-arbeitsplatz eignet sich gut für beengte Raumverhältnisse (bspw. Einleitungsräume).Seite 24
Alcotest 5820 Mithilfe dieses Gerätes lassen sich Atemalkoholkontrollen unkompliziert durchführen – es kann auch passiv messen (ohne Mundstück).Seite 55
MovitaDiese Deckenversorgungseinheit bietet verschiedene Positio-nierungsmöglichkeiten für den OP- und Intensiv-Arbeitsplatz.Seite 58
Polaris 600Diese OP-Leuchte bietet eine intuitive Steuerung, vielseitige Einstellungsmöglichkeiten und einfach gutes Licht.Seite 58
EINBLICK MOBILE GASMESSTECHNIK
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An bestimmten Arbeitsplätzen, etwa
an Hochöfen, gibt es neben sichtbaren
Gefahren auch unsichtbare: zum
Beispiel Kohlenmonoxid (CO). Vom
Menschen unbemerkt unterbindet das
Gas den Sauerstofftransport des Blutes,
was zu Bewusstlosigkeit und sogar
zum Tode führen kann. Sauerstoff (O2)
wiederum kann eine zu geringe
Konzentration in der Atemluft aufwei-
sen. Vor beiden Gefahren warnt dieses
Doppelt geschützt
Zweigasmessgerät optisch mit einer
Rundumleuchte 1 , akustisch mittels
Alarm 2 (in der durchdringenden
Lautstärke von 90 dB(A)) sowie mecha-
nisch über Vibration. Als Teil der
persönlichen Schutzausrüstung wird
das Dräger Pac 8500 mit einer fest
schließenden Krokodilklemme ( 3 ;
Rückseite) auf Brusthöhe an der Arbeits-
kleidung befestigt. Nach Einschalten
der OK-Taste 4 misst der – hinter dem
auswechselbaren Schutzfi lter 5 liegen-
de – Sensor die Konzentrationswerte
von O2 und CO (oder – bei einer anderen
Version des Pac 8500 – Schwefelwasser-
stoff und CO). Um welche Ausführung
es sich handelt, lässt sich an den Farb-
fl ächen ( 6 und 7 ) ablesen – ebenso
wie dessen grundsätzliche Einsatzbereit-
schaft 8 . Erreichen die Zielgase einen
der zwei (bzw. bei Sauerstoff vier)
festgelegten – zudem individuell einstell-
baren – Schwellenwerte, warnt der Drei-
fach-Alarm. Der Träger muss dann
geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen.
Das Display 9 zeigt das signalisierte
Gas 10 , dessen Konzentration 11 sowie
den Zustand der Spezialbatterie 12 an,
die je nach Gerätetyp einen Betrieb von
einem bzw. zwei Jahren sicherstellt.
Eine vom Kunden auswechselbare Hoch-
leistungsbatterie zu verwenden war
eine der Forderungen von Anwendern,
die nur auf diese Weise etwa die Einhal-
tung des Explosionsschutzes gewähr-
leistet sehen. Das Gehäuse 13 ist staub-
und wasserdicht (nach Schutzklasse
IP68). Bestimmte Funktionen und
Anzeigen lassen sich über die Menütaste
14 ansteuern.
Nicht zu übersehen und unüberhörbar:
Optisch wie akustisch warnt die-
ses Gasmessgerät seinen Träger vor
zu wenig Sauerstoff oder zu viel Koh-lenmonoxid in der
Umgebungsluft
hält besser
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