Der Kampf um Rohstoffe - draeger.com · Alkohol und Drogen haben da keinen Platz. 56 Die Rekordjagd...

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Drägerheft Technik für das Leben 2018 Drägerheft 404 2. Ausgabe 2018 Rohstoffe und Ressourcen Die Zukunft der Menschheit hängt von Ressourcen ab Der Kampf um Rohstoffe Harmonie Wie sich in einem chinesischen Krankenhaus Tradition und Moderne mischen S. 20 Eiseskälte Auch in Grönland rückt die Feuerwehr aus, wenn es brenzlig wird S. 30 Stallgeruch Schweizer Wissenschaftler wollen Ammoniak- konzentrationen senken S. 46

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Drägerheft Technik für das Leben 2018

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rägerheft 404

2. Ausgabe 2018

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essourcen

Die Zukunft der Menschheit hängt von Ressourcen ab

Der Kampf um Rohstoffe

HarmonieWie sich in einem chinesischen Krankenhaus Tradition und Moderne mischen S. 20

EiseskälteAuch in Grönland rückt die Feuerwehr aus, wenn es brenzlig wird S. 30

StallgeruchSchweizer Wissenschaftler wollen Ammoniak-konzentrationen senken S. 46

2 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

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Inhalt 404

6 RUN AUF ROHSTOFFE

Seltene Erden bringen die Elektro-mobilität zum Laufen. Überhaupt sind

die Ressourcen der Stoffe rar, aus denen wir unsere Zukunft bauen. Der

Kampf darum ist spannend bis kreativ.

40 AUGEN AUF

Bei Organspenden denken die meisten an Herz, Niere oder Leber. Doch viel häufiger werden in Deutschland Hornhäute transplan-tiert. Der Eingriff kann das Augenlicht retten. Eines der großen Zentren für diese Behand-lung ist die Augenklinik der Universitäts-medizin Mainz. Mehrere Hundert Hornhäute werden hier jedes Jahr transplantiert.

62 RICHTIGER RIECHER

In manchen Punkten sind Militärhunde die besseren Kameraden. Keine Technik der Welt übertrifft sie darin, Gefahren anzuzeigen: Welches Gerät kann schon Sprengstoffe erschnüffeln, laut bellen und auf Kommando zubeißen? Die Bundeswehr unterhält eine eigene Zucht, die es ihr ermöglicht, die Tiere von klein auf auszubilden.

Rund3.700 Kilometer südwestwärts zog die

Aschewolke des Vulkans Kilauea nach dessen Ausbruch im Mai

2018: von Hawaii bis zu den Marshallinseln – mehr ab Seite 68.

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Die Beiträge im Drägerheft infor-

mieren über Produkte und deren

Anwendungsmöglichkeiten im Allge-

meinen. Sie haben nicht die Bedeu-

tung, bestimmte Eigenschaften der

Produkte oder deren Eignung für

einen konkreten Einsatzzweck zuzu-

sichern. Alle Fachkräfte werden auf-

gefordert, ausschließlich ihre durch

Aus- und Fortbildung erworbenen

Kenntnisse und praktischen Erfah rungen an zuwenden. Die

Ansichten, Meinungen und Äußerungen der namentlich

genannten Personen sowie der Autoren, die in den Texten

zum Ausdruck kommen, entsprechen nicht notwendiger-

weise der Auffassung der Dräger werk AG & Co. KGaA. Es

handelt sich ausschließlich um die Meinung der jeweili-

gen Personen. Nicht alle Produkte, die in diesem Magazin

genannt wer den, sind weltweit erhältlich. Ausstattungs -

pakete können sich von Land zu Land unter schei den. Än-

derungen der Produkte bleiben vorbehalten. Die ak tuellen

Informatio nen erhalten Sie bei Ihrer zuständigen Dräger-

Vertretung. © Drägerwerk AG & Co. KGaA, 2018. Alle Rechte

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Die Dräger Safety AG & Co. KGaA, Lübeck, ist Hersteller

des X-plore 3500, der MRC 5000, des X-am 8000 (alle

S. 12) sowie der Chemikalienschutzanzüge (S. 28, 32 f.),

Atemschutzgeräte (S. 28) und des Ammoniaksensors

(S. 46 ff.), Polytron C300 (S. 51), Alcotest 5820 (S. 55),

X-am 5000 (S. 70) sowie Pac 8500 (S. 72). Die Drägerwerk

AG & Co. KGaA, Lübeck, ist Hersteller des Fabius Tiro

(S. 24), Oxylog 3000 plus (S. 38 f.) und Gas Management

Systems (S. 58 f.) sowie der Deckenversorgungseinheit

Movita und OP-Leuchte Polaris 600 (S. 58).

H E R A U S G E B E R : Drägerwerk AG & Co. KGaA,

Unternehmenskommunikation

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S A C H N U M M E R : 90 70 451

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IMPRESSUM4Menschen, die bewegenZhou Xujian arbeitet als leitende

Krankenschwester in China,

Yassine Tajouaout ist Auszubildender

in Hessen.

6Begehrte RessourcenDer Bedarf an Rohstoffen steigt,

die Vorräte sind allerdings endlich.

Die Weltwirtschaft steckt in der

Zwickmühle. Welche Auswege gibt es?

Von der Wiederaufbereitung bis

zum Asteroiden-Bergbau!

20Tradition trifft ModerneKörperlich ähneln sich die

Menschen auf der Welt. Und doch

geht es in China etwas anders zu.

26GeisterbeschwörungAuch die Deutschen destillieren

Whisky. Und der Stoff aus

Baden-Württemberg kann sich

wirklich schmecken lassen.

30Sturm über Grönland Wo Eis ist, kann auch Feuer sein.

Und wo Feuer ist, ist die Feuerwehr

meist nicht weit – das gilt auch

für diese 2.000-Seelen-Gemeinde

im Osten der Insel.

36Sprechstunde auf Deck ZwoTraumjob auf einem Traumschiff?

Vielleicht, zumindest ein bisschen!

Im Alltag ist der Beruf des Schiffs-

arztes vor allem eines: fordernd und

anspruchsvoll.

40Ultradünne SchichtenTrübt sich die Hornhaut des Auges ein,

muss sie ersetzt werden. Die dazu not-

wendige Transplantationstechnik fasziniert.

46Durchatmen im KälberstallAmmoniak stinkt, auch dem Vieh.

Es entsteht bei der Zersetzung von

Kot und Urin. Gasmesstechnik hilft

dabei, die Auswirkungen zu reduzieren.

52Auf dem TrockenenAuf See zu arbeiten erfordert höchste

Konzentration und Einsatzbereitschaft.

Alkohol und Drogen haben da keinen Platz.

56Die Rekordjagd des Dr. ReddyIn der indischen Metropole Hyderabad

soll die weltweit größte Spezialklinik

für Gastroenterologie entstehen.

62Ziemlich beste FreundeDie Bundeswehr trainiert ihre Diensthunde

an einer eigenen Schule. Hier lernen

sie, selbstständig und mutig zu

handeln – zum Schutz der Soldaten.

68Auf Feuer gebautBrodelnde Vulkane gehören auf Hawaii

zum Alltag. Die örtliche Feuerwehr

setzt seit den jüngsten Eruptionen auf

tragbare Gasmesstechnik von Dräger.

71Was wir beitragenProdukte von Dräger, die im Zusammen-

hang mit dieser Ausgabe stehen.

72Pac 8500Zwei Gase gleichzeitig misst dieses

Gerät, das akustisch, optisch und mit

Vibration vor Gefahren warnt.

ERFAHRUNGEN AUS ALLER WELT

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Menschen,die

bewegen

Zhou Xujian, 30, leitende Intensivkrankenschwester am Central Hospital in Lishui, Provinz Zhejiang/China

„Ich arbeite seit mehr als neun Jahren in diesem Krankenhaus, unsere Station hat 29 Betten. Krankenschwester wollte ich aus zwei Gründen werden: Zum einen ist es in diesem Beruf ein-fach, überall auf der Welt einen Arbeits-platz zu finden. Zum anderen kann ich dank meiner Ausbildung auch in der Freizeit anderen Menschen qualifiziert helfen, vor allem meiner Familie und Freunden. Die dreijährige Ausbildung

zum Bachelor war hart. Gefreut hat mich, dass ich aufgrund meiner Leistungen ein Stipendium erhielt – auch während des einjährigen Praktikums, das sich dem Studium anschloss. Nach meinem Start fing ich ein Jahr später auf der Intensiv-station an, vorher musste ich dafür noch eine dreimonatige Spezialausbil-dung absolvieren. Besonders der Anfang war aufregend. Wir hatten einen 90-jährigen Patienten, der seit einem Jahr bei uns war. Als er kurz darauf verstarb, musste ich weinen. Bis heute rührt mich das Schicksal meiner Patienten, auch wenn ich mittlerweile einen professio-nelleren Abstand habe. Sonst hält man

das auf Dauer nicht aus. Menschen in schwierigen Situationen zu helfen macht mich jeden Tag aufs Neue glücklich. Beruflich habe ich schon viel erreicht, ich möchte aber noch weiter-kommen. Deshalb bilde ich mich hier am Krankenhaus und in meiner Freizeit fachlich weiter. Ich würde gern das ISPN*-Programm durchlaufen, als inter-nationale Krankenschwester arbeiten, Artikel schreiben und an Forschungs-projekten teilnehmen. Privat sticke ich gern. Dabei kann ich abschalten – und verschenken lassen sich die Arbeiten auch.“* International Standards for Professional Nurses

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Yassine Tajouaout, 21, Auszu-bildender zur Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industriearbeiten beim Städteservice Raunheim Rüsselsheim AöR/Hessen

„Sicherheit steht für uns an erster Stelle. Wir betreuen ein rund 350 Kilometer langes Netz von Abwasser leitungen samt Pumpstationen. Dabei müssen Kanal-arbeiter oft unterirdische Anlagen betreten. Dann haben sie ein mobiles Gas-messgerät und einen Selbstretter dabei. Ein Kollege sichert sie mit einer Leine. Ich weiß, wie wichtig solche Sicherheits-vorkehrungen sind – gegen Faulgase und andere Gefahrstoffe, auf die wir in der Kanalisation treffen können. In der Berufsschule lernen wir auch die physika-lischen und chemischen Hintergründe unserer Arbeit kennen. Der Job ist extrem vielseitig und technisch sehr anspruchs-voll. Das sieht man auch an unserem ,Helikopter‘: einem orange-rot lackierten, vierachsigen Spezial-Lkw für Kanal-arbeiten. Nach einem Hubschrauber ist er benannt, weil sich sein Ausleger mit dem Spülschlauch um die eigene Achse drehen lässt. Wir sind nicht nur bei Untersuchun-gen, Wartungen und Reinigungen im Untergrund aktiv, sondern kümmern uns auch um Anlagen in der Natur, die Oberflächenwasser sammeln und ableiten. Spannend finde ich am Kanalnetz unsererbeiden Städte, dass man daran die Entwicklung der Kommunen ablesen kann. Es gibt Bereiche unterschiedlichen Alters, in komplett anderer technischer Ausfüh-rung – und die Entwicklung geht weiter: Mit den neuen Wohn- und Gewerbe-gebieten wächst auch die Kanalisation – wie eine Stadt unter der Stadt.“

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FOKUS ROHSTOFFE

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SCDie unersättliche Nachfrage der Weltwirtschaft nach ROHSTOFFEN

zwingt die Menschheit, erfinderisch zu bleiben – von intelligentem Recycling und Robotern unter Tage bis hin zu Plänen für den Asteroiden-Bergbau.

Text: Steffan Heuer

DIE GROSSE

Mitte Juli 2018 setzte sich im Nordwesten Australiens der

längste und größte Roboter der Welt in Bewegung. Die Lokomo-

tiven zogen eine Ladung von insgesamt 28.000 Tonnen Eisenerz

vom Bergwerk in Tom Price zum Hafen Cape Lambert. Über-

wacht wurde der vollautonome Güterzug des Bergbaukonzerns

Rio Tinto von einem Kontrollzentrum in der rund 1.500 Kilome-

ter entfernt gelegenen Stadt Perth. Der Geisterzug, bei dem erst-

mals keine Menschen an Bord waren, war ein wichtiger Probelauf

dafür, wie Ressourcen künftig sicherer, schneller und günsti-

ger abgebaut und befördert werden können. Rio Tinto investiert

nach eigenen Angaben fast eine Milliarde Dollar in die Automa-

M tisierung seines Eisenbahnnetzes in Australiens Pilbara-Region,einer Tausende Quadratkilometer großen Wildnis. Hier transpor-

tieren 200 Lokomotiven Erze von 16 Minen zu vier verschiedenen

Häfen. Für das „AutoHaul“-Programm hat man Züge und Bahn-

übergänge mit Kameras ausgerüstet sowie eine Überwachungs-

Software entwickelt, mithilfe derer Mitarbeiter im Kontrollzen-

trum nur noch hin und wieder einen Blick auf die Lage draußen

werfen müssen. Die Roboter im Outback sind nur ein Chip im

weltweiten Rohstoff-Roulette. Die wachsende Weltbevölkerung

strebt nach materiellem Wohlstand, wozu beständig mehr Res-

sourcen erforderlich sind. Auch deshalb droht bei vielen Minera-

lien schon bald eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu

klaffen, die die Preise nach oben schraubt und Ängste vor Engpäs-

sen schürt. Dabei geht es keineswegs darum, dass in absehbarer

Geisterzug: Menschen schauen nur noch aus dem

Kontrollzentrum zu, wenn – wie hier in Australien – Tausende

Tonnen Eisenerz auf vollautoma-tisierten Güterzügen zu Verlade-

stationen am Pazifik rollen

7DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

HATZSUCHE

FOKUS ROHSTOFFE

8 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Zeit tatsächlich die Rohstoffe ausgehen, sondern vielmehr darum,

wo und wie man sie in ausreichender Güte ausfindig machen,

effizienter abbauen, verarbeiten und schließlich recyceln kann.

Beim Lebenszyklus – von der Mine bis zur Müllhalde – geht es

um hohe wirtschaftliche, geopolitische und ökologische Interes-

sen. Allein Deutschland importierte 2016 Rohstoffe im Wert von

61,8 Milliarden Euro, wobei man bei Metallen fast komplett auf

Einfuhren angewiesen ist. In den USA hingegen wurden 2017

Mineralien im Wert von gut 75 Milliarden Dollar produziert (Zah-

len ohne Energieträger wie Öl, Gas und Kohle).

Prägnantes Beispiel für ein unberechenbares Wechselspiel

ist das Element Kobalt, das nicht nur die Experten der US-Geo-

logiebehörde (USGS) als „kritisch bedeutend“ für die Weltwirt-

schaft einstufen. Das graue und dehnbare Schwermetall legte

schon sehr früh eine steile Karriere hin: Lange bevor sich die

Chemie zur exakten Wissenschaft entwickelte, waren Kobalt erze

und andere -verbindungen bereits bekannt und wurden als hitze-

feste Pigmente verwendet, um Glas, Keramik und Porzellan blau

zu färben. Archäologen entdeckten es in ägyptischen Statuen,

persischem Schmuck oder chinesischen Vasen. Seinen Namen

verdankt Kobalt dem abergläubischen Mittelalter, wo man es

für Silber- oder Kupfererz hielt, um dann festzustellen, dass es

sich schlecht verarbeiten ließ und beim Erhitzen giftige Dämpfe

abgab. Was lag näher, als Kobolde zu verdächtigen, das vermeint-

lich wertvolle Silber gefressen und verhext zu haben? Erst 1735

untersuchte ein schwedischer Chemiker das Metall genauer und

gab ihm seinen Namen.

Heute ist Kobalt aus Schlüsselindustrien nicht mehr wegzu-

denken, da es ferromagnetisch und hitzebeständig ist, nicht kor-

rodiert und Strom wie Wärme gut leitet. Sein Siegeszug begann

Anfang der 1990er-Jahre, als die ersten Lithium-Ionen-Batte-

rien mit Kobaltdioxid auf den Markt kamen. Dank einer ver-

gleichsweise hohen Energiedichte eignen sich diese Zellen für

mobile Anwendungen – vom Laptop bis zum E-Fahrzeug. Ins-

besondere die vielen neuen Pkw mit Tausenden, dicht gepack-

ten Lithium-Ionen-Zellen ließen die Nachfrage nach Kobalt in

die Höhe schnellen. Gegenwärtig fließen 42 Prozent der welt-

weiten Produktion in die Batterieherstellung, vor allem für die

Automobil industrie. So stecken in einem neuen Tesla Model 3

rund 4,5 Kilogramm Kobalt, in der ersten Version des Model S

waren es noch 11. Obwohl Ingenieure sparsamer werden und

Chemiker daran arbeiten, neue Arten von Batterien ohne das

„verhexte Element“ zu entwickeln, warnen Experten seit Lan-

gem vor Engpässen. So erwartet die Internationale Energieagen-

tur (IEA), dass die Flotte der Elektrofahrzeuge von heute gut drei

Millionen bis 2030 auf mindestens 125 Millionen ansteigen wird.

Der Rohstoffhunger wird zum Problem„Die Zukunft von Elektrofahrzeugen hängt von der Nachfrage

nach knappen Ressourcen ab“, urteilen die IEA-Fachleute in

ihrem Bericht zur Elektromobilität vom Mai 2018. „Der Wech-

sel zu Elektrofahrzeugen wird die Nachfrage verstärken, insbe-

sondere nach Kobalt und Lithium. Bei der Weiterentwicklung

der Batteriechemie geht es darum, den Kobaltgehalt zu senken.“

Doch selbst dann, warnen die Experten, dürfte die Nachfrage im

Automobilbereich bis 2030 um das 25-Fache steigen. Schon heu-

te ist bei Produktion und Nachfrage wenig Spielraum. Laut einer

Studie lag der weltweite Bedarf an Kobalt 2017 bei rund 136.000

Tonnen und soll sich bis 2025 auf 272.000 Tonnen verdoppeln.

Die Produktion von neuem Kobalt plus Recycling addierte sich

2017 auf 127.000 bis 140.000 Tonnen und wird bis 2025 auf vor-

aussichtlich 250.000 bis 265.000 steigen. Dabei ist die Nachfrage

nach Elektrofahrzeugen das große Fragezeichen. „Wahrschein-

lich wird es bis 2025 ausreichend Material auf dem Markt geben.

Sollte sich allerdings ein aggressives Wachstumsszenario einstel-

len, könnte Kobalt bereits 2022 knapp werden“, warnen die Bera-

ter. Ähnlich besorgt zeigt sich die Deutsche Rohstoffagentur. Auch

wenn die genauen Zahlen je nach Experten schwanken, ist die

generelle Prognose in der Tendenz gleich und aus zwei Grün-

den brisant. Bei einem so dünnen Puffer zwischen Angebot und

FÖRDERMENGEN 2017: weltweit 3.150 t; China 440 t, Australien 300 t, USA 245 tHÄUFIGKEIT: 0,004 ppm (Platz 72 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste) – weltweite Reserven: 54.000 tVERWENDUNG: Gold ist eines der ersten Metalle, das Menschen verarbeiteten. Es ist seit Jahrtausenden ein begehrter Rohstoff für rituelle Gegenstände oder Schmuck und wurde seit dem 6. Jh. vor Chr. als Zahlungsmittel eingesetzt. Das Edelmetall ist weich und leicht formbar. Bis heute weckt es Begehrlichkeiten.WERTENTWICKLUNG: Seine Funktion als Werkstoff und stabile Geldanlage zugleich treiben den Goldpreis beständig nach oben, auf 1.355 Dollar je Feinunze (2018).

GOLD196,967

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Au Aurum

Das Metall mit der höchsten Anziehungskraft – auf Entdecker, Geldmacherund Juweliere. In der Elektronik sorgt es für beste Verbindungen.

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Die Super Pit Mine in Australiens Outback ist

3,5 Kilometer lang, 1,5 Kilome-ter breit und mehr als 600 Me-

ter tief. Hier werden jährlich rund 28 Tonnen Gold gefördert

Wenn der Fortschritt

ganze Berge versetzt

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An der langen Leine: Firmen wie Nautilus Minerals

haben mit ersten Tests im Pazifik bewiesen, dass sich mit

Robotern auf dem Meeresgrund wertvolle Rohstoffe wie Kupfer

oder Silber zutage fördern lassen

Schätze aus vier

KilometernTiefe

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ROHSTOFFE FOKUS

11DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Nachfrage unterliegt der Preis wilden Schwankungen. So stieg

der Preis für Kobalt von rund 24.000 Dollar pro Tonne (2013) auf

rund 80.000 Dollar (2018) – auch aufgrund von Spekulanten, die

den Rohstoff in Erwartung eines anhaltenden Booms bunkern wie

konservative Sparer ihr Gold. Das heißt nicht, dass der Mensch-

heit schon bald das Kobalt ausgeht. Die weltweit bekannten Reser-

ven betragen 7,1 Millionen Tonnen.

Wann wird welcher Rohstoff knapp?Deutlich mehr Kobalt vermuten Geologen in der Erdkruste auf

dem Grund des Atlantiks, Pazifiks und des Indischen Ozeans. Von

den spekulativen Blasen der für Batterien so wichtigen Elemen-

te Kobalt und Lithium einmal abgesehen, haben Geologen auch

beim Rest der Ressourcenpalette Bedenken, warnen aber zugleich

vor Panikmache. Derzeit stammen rund 60 Prozent des weltweit

geförderten Kobalts aus dem Kongo. Unlängst haben sich chi-

nesische Bergbauunternehmen dort die Mehrheit an einer der

größten Minen gesichert, zudem Explorationsrechte an einem

weiteren Vorkommen. Dabei handelt es sich um strategische

Investitionen. China ist der größte Fahrzeugmarkt der Welt, es

gibt hier bereits an die 500 Hersteller von E-Fahrzeugen. Unter-

nehmen wie Tesla und Daimler bauen eigene Batteriewerke. Des-

wegen blicken Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaf-

ten und Rohstoffe in Hannover ähnlich besorgt in die Zukunft

wie ihre US-Kollegen. „Aus rein geologischer Sicht sehen wir die

Versorgung mit mineralischen Rohstoffen weitgehend gesichert“,

schreiben sie. Doch kurz- bis mittelfristig könnten bei der tech-

nischen Bereitstellung Lieferengpässe auftreten. Wann wird wel-

cher Rohstoff knapp? Diese Frage treibt Ökonomen wie Roderick

Eggert um. Er ist Professor an der School of Mines in Colorado

und stellvertretender Direktor des Critical Materials Institute.

Das CMI ist ein Zusammenschluss von Rohstoffunternehmen,

Universitäten und staatlichen Forschungslaboren unter der Ägi-

de des US-Energieministeriums, die gemeinsam die Frage nach

den Engpässen beleuchten wollen. „Dass uns die Ressourcen aus-

gehen, ist ein gängiges Thema für die öffentliche Debatte. Doch

die Zeit drängt nicht, um jetzt schnelle Entscheidungen treffen

zu müssen“, beruhigt Eggert. „Ich mache mir viel mehr Sorgen

darum, dass wir immer mehr Ressourcen minderer Qualität för-

dern. Wir bewegen mehr Gestein und setzen dafür immer mehr

Wasser und Energie ein. Das bringt erhebliche wirtschaftliche

und ökologische Kosten mit sich – es sei denn, technologische

Innovationen sorgen dafür, dass sich die Effizienz innerhalb des

Bergbaus sowie der Mineralgewinnung verbessern. Das gilt vor

allem für die minor metals wie seltene Erden – eine Gruppe von

17 Metallen, die in der Erdkruste vorkommen und für die Weiter-

verarbeitung erst aufwendig isoliert werden müssen. Ihre Reser-

ven sind in China konzentriert. Der Ökonom verweist zudem auf

ungewöhnliche Elemente wie Neodym, das als Ausgangsmaterial

für Dauermagneten in Smartphones und Motoren enthalten ist.

„Die Produktion dieser Metalle liegt oft bei nicht mehr als

ein paar Hundert oder Tausend Tonnen im Jahr“, erklärt Eggert.

„Schon ein neuer Anwendungsbereich kann schnell zu einem

Nachfrageschub führen und die Preise in die Höhe treiben. Diese

Ungewissheit kann Hersteller dazu veranlassen, diese Ressource

nicht zu verwenden.“ Mit anderen Worten: Die Innovationskraft

einer Volkswirtschaft kann durch tatsächliche oder vermeintliche

Wertvolle Knolle: Roboterarme ernten

polymetallische Knollen vor der Küste Papua

Neuguineas. Die über Jahrtausende gewach-

senen Ablagerungen sind reich an Kupfer

und Kobalt

FÖRDERMENGEN 2017: weltweit 110.000 t; Kongo 64.000 t, Russland 5.600 t, Australien 5.000 t HÄUFIGKEIT: 25 ppm (Platz 32 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste) – weltweite Reserven: 7,1 Mio. tVERWENDUNG: Kobalt ist ein wichtiges Nebenprodukt beim Kupfer- und Nickelabbau. Das graue und dehnbare Schwermetall ist ferromagnetisch, hitzebeständig und korrodiert nicht. Deshalb ist es von enormer Bedeutung für Schlüsselindustrien wie dem Flugzeugbau oder die Automobilindustrie. Rund 40 Prozent der weltweiten Produktion fließen in Batterien, unter anderem von Elektrofahrzeugen und Smartphones.WERTENTWICKLUNG: Nach Preisausschlägen in den 1970er- und 1980er-Jahren bewegt sich das Schwermetall wieder steil nach oben; seit 2013 ist es von 24.424 Dollar pro Tonne auf 80.491 Dollar gestiegen (2018).

KOBALT58,933

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Co Cobalt

Der Stoff, aus dem das Blau von Keramik, Glas und den Farben der Maler ist. Heute unverzichtbar für leistungsstarke Batterien.

FOKUS ROHSTOFFE

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Engpässe geschwächt werden, weil man sich bestimmte Produkte

verkneift oder auf andere Rohstoffe ausweicht. Damit es nicht so

weit kommt, haben Fachleute wie Eggert beständig ein Auge auf

die Balance von Angebot und Nachfrage. Sie versuchen, Rohstof-

fe nach ihrer geografischen Konzentration, Wachstums prognose

und Preisentwicklung zu sortieren. So erstellte ein US-Experten-

gremium im März 2016 eine Hitparade „kritischer Mineralien“.

Am Ende brachten es 17 Elemente auf genügend Risikofaktoren,

um in die rote Liste aufgenommen zu werden – von Yttrium über

Quecksilber und Wolfram bis hin zu Kobalt. Um daraus die rich-

tigen Schlüsse zu ziehen und nach Ersatz zu suchen, muss man

zunächst den aktuellen Wissensstand katalogisieren. Deshalb

hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein For-

schungs- und Entwicklungsprogramm rund um „wirtschafts-

strategische Rohstoffe für den Hightech-Standort Deutschland“

entwickelt. Deutsche Forscher sollen mit Kollegen in aller Welt

vernetzt, die Akzeptanz der Rohstoffgewinnung verbessert sowie

die Aus- und Weiterbildung gestärkt werden. Im Fokus stehen

„Metalle und Mineralien, die unsere für Zukunftstechnologien

sicher verfügbar sein müssen und eine große Hebelwirkung für

die Wirtschaft haben“. So viel steht fest: Das anhaltende Wachs-

tum der Weltbevölkerung und die damit einhergehende industri-

elle Fertigung erfordern einen sicheren und zuverlässigen Nach-

schub, erst recht bei den wichtigsten Rohstoffen. China allein

konsumiert nach Angaben des World Economic Forum 57 Pro-

zent allen Nickels sowie 50 Prozent allen Stahls und Kupfers. Da

Kupfer für alle möglichen Produkte (vom Draht bis zum Halblei-

ter) begehrt ist, erwarten Experten, dass die weltweite Nachfrage

schon in zehn Jahren das Angebot übersteigen wird.

Womit man bei der Rolle von Bergbauunternehmen wäre. Sie

alle – von Rio Tinto über Codelco bis zu BHP, Glencore und Free-

port-McMoRan – kämpfen mit denselben Herausforderungen:

tiefer, weiter, teurer. „Bergwerke werden älter und gehen immer

mehr in die Tiefe, während die Produktion und Konzentration

von Erzen sinkt“, sagt Rüdiger Leutz, Geschäftsführer von Por-

FÖRDERMENGEN 2017: weltweit 19,7 Mio. t; Chile 5,33 Mio. t, Peru 2,39 Mio. t, China 1,86 Mio. t HÄUFIGKEIT: 60 ppm (Platz 26 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste) – weltweite Reserven: 790 Mio. tVERWENDUNG: Neben Gold, Silber und Zinn war Kupfer eines der ersten Metalle, deren Verarbeitung die Menschheit erlernte. Das weiche Metall wird rein oder als Legierung für elektrische oder elektronische Installationen verwendet. Wegen seiner hohen Leitfähigkeit eignet es sich gut für Wärmetauscher sowie Leitungen, Schaltdrähte, elektrische Maschinen und Motoren.WERTENTWICKLUNG: Kupfer zeichnet sich seit den 1970er-Jahren immer wieder durch Preisspitzen aus. Im Herbst 2018 lag der Preis bei rund 5.700 Dollar pro Tonne, 2016 noch bei 4.800 Dollar.

KUPFER

Bewetterung: Saubere Atemluft ist die Basis für sichere Arbeiten unter Tage, doch sie wird auch schnell zum Kosten-faktor. Je ausladender und komplexer das Bergwerk, desto sorgsamer muss die Versorgung mit Atemluft geplant und überwacht werden. Dabei kommen stationäre wie mobile Gasmessgeräte zum Einsatz – wie das X-am 8000, das bis zu sieben toxische sowie brennbare Gase, Dämpfe und Sauerstoff gleichzeitig misst.

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Cu Cuprum

Sicherheit unter Tage:

Flucht: Je größer und tiefer das Bergwerk, desto anspruchsvoller das Flucht- und Rettungskonzept. Dräger bietet eine Vielzahl von Lösungen – vom persönlichen Fluchtgerät bis zur Rettungs- und Fluchtkammer. Die MRC 5000 (rechts) bietet acht bis 20 Personen (bis zu 96 Stunden) Schutz.

Atemschutz: Bei der Förderung und Verarbeitung von Erzen können Stäube, Aerosole und toxische Gase freigesetzt werden. Dräger bietet sowohl filtrie-renden Atemschutz als auch Druckluftschlauchgeräte für den Einsatz in Gefahren-bereichen an (u. a. die Halb-maske Dräger X-plore 3500).

Das der menschlichen Entwicklung – zwischen der Stein- und Bronzezeit – als Kupferzeit seinen Namen gab.

13DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

sche Consulting in Brasilien. Das Beratungshaus arbeitet unter

anderem mit Codelco zusammen, dem weltgrößten Kupferpro-

duzenten aus Chile, der dort sieben Bergwerke unterhält und

2017 fast 2 Megatonnen Kupfer herstellte. Auch wenn Codelco in

El Teniente die inzwischen größte Kupfermine der Welt betreibt,

die es auf 3.000 Kilometer Strecke unter Tage bringt, sinkt die

Qualität des Kupfererzes. Seit 1990 hat sich die Güte fast halbiert.

Hinzu kommt ein Mangel an geschultem Personal, das mit neu-

esten Technologien umgehen kann. Und drittens, sagt Leutz, ste-

hen Bergbaufirmen nicht nur unter wirtschaftlichem Druck,

sondern müssen strengere Anforderungen in Sachen Umwelt-

schutz und Sicherheitsvorschriften erfüllen. „Die Antwort auf die-

se He rausforderungen lautet Digitalisierung, Automation, Einbin-

dung von Datenströmen sowie Prozessoptimierung.“ Deswegen

hat sich Codelco ebenso wie die Konkurrenz ein Modernisierungs-

programm verordnet. Priorität genießen außerdem künstliche

Intelligenz und mit Sensoren gespickte Drohnen. Damit lassen

sich nicht nur neue Vorkommen ausfindig machen, sondern auch

bestehende Mineralien mit weniger Energie und Wasser abbau-

en. Künstliche Intelligenz sorgt dafür, gewaltige Bohrmaschinen

unter Tage zu überwachen und sie zu warten, bevor sie ausfallen.

Diese Entwicklung macht auch vor uns Menschen nicht halt. In

einigen australischen Minen sind bereits intelligente Helme im

Einsatz, die Gehirnströme von Fahrern messen und sie vor Über-

müdung warnen. Mit den gewonnenen Daten, erklärt Leutz, lässt

sich noch viel mehr anstellen, um die Produktivität zu steigern.

Planer eines Bergwerks können die neuralgischen Punkte auf Stra-

ßen und Rampen identifizieren und so gefährliche Steigungen,

Kurven oder Kreuzungen entschärfen.

Gold auf der Müllhalde Das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage besitzt eine

weitere, wichtige Stellschraube: den nachhaltigen Umgang mit

den Geräten, die bereits das Ende ihrer Lebensspanne erreicht

haben. Wer alte Handys, Computer und Batterien sammelt, ihre

Komponenten fachgerecht trennt und aufbereitet, kann verhin-

dern, dass Metalle, Edelmetalle und seltene Erden auf alle Ewig-

keit auf einer Mülldeponie landen. Weltweit werden für die Her-

stellung elektronischer Geräte jährlich mehr als 7.500 Tonnen

Silber und 320 Tonnen Gold verwendet. Ihr Wert summiert sich

Tiefer, weiter, teurer: Codelco in Chile ist der größte Kupferproduzent der Welt. Minen, wie diese in der

Atacama-Wüste, werden immer tiefer und weiter ausgeschachtet und mit Roboterfahrzeugen betrieben,

um die globale Nachfrage zu befriedigen

Roboter helfen bei

der Jagd nach Kupfer

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14 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

auf rund 21 Milliarden Dollar. Wird Elektroschrott in ein Ent-

wicklungsland exportiert, wird in der Regel nur die Hälfte der

wertvollen Bestandteile wiedergewonnen. Werden die Geräte hin-

gegen in einer modernen Volkswirtschaft recycelt, liegt die Wie-

dergewinnungsquote, etwa für Gold, bei 95 Prozent. So gesehen

steckt in jedem modernen Handy ein kleines Bergwerk.

Die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA hat nachge-

rechnet: Aus einer Million recycelter Smartphones ließen sich

fast 16 Tonnen Kupfer, 359 Kilogramm Silber, 34 Kilogramm Gold

und 15 Kilogramm Palladium gewinnen. Laut dem amerikani-

schen Dachverband der Schrott- und Recycling-Industrie (ISRI)

steckt in einer Tonne alter Computer genauso viel Gold wie in

17 Tonnen Erz. Diese Mengen summieren sich schnell, da allein

in den USA jährlich rund 4,5 Millionen Tonnen Elektronikschrott

entsorgt werden. Weltweit wird daran geforscht, wertvolle Roh-

stoffe wieder dem Kreislauf zuzuführen. Die Fraunhofer-Gesell-

schaft etwa arbeitet mit mehreren Firmen aus den Bereichen

Recycling, Batterien und Anlagenbau an einem neuen Verfahren

namens NEW-BAT, um die Wiederverwertung von Batteriekom-

ponenten zu verbessern. Dabei werden Lithium-Ionen-Batteri-

en in einem Wasserbad mit Schockwellen zerkleinert. So lassen

sich nicht nur Metalle wiedergewinnen, sondern Verbundstoffe

berührungsfrei an den Materialgrenzen aufspalten – etwa Verbin-

dungen aus Lithium, Nickel, Kobalt oder Mangan, hochwertigen

Kohlenstoffen sowie Legierungen aus seltenen Erden. Da die Zahl

an Elektrofahrzeugen weiter steigen wird, entwickeln Länder wie

Japan und China derzeit Konzepte für eine eigene Infrastruktur,

um ein möglichst flächendeckendes Netz an Recyclingstationen

für Altbatterien aufzubauen. Die Volksrepublik stellte im Juli 2018

einen entsprechenden Standard für Kommunen und Fahrzeug-

bauer vor, und in Japan eröffnete im März unweit vom Unglücks-

reaktor in Fukushima die erste Recyclingfabrik für Autobatterien.

Selbst in Plastik stecken verborgene Schätze. So befasst sich ein

weiteres Projekt des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik

und Verpackung mit der Frage, wie man die kritischen Metalle

Antimon und Titan aus Altgeräten retten kann, bevor sie auf Müll-

halden landen. Beide sind unter anderem in Additiven für Kunst-

stoffgehäuse enthalten; Ersteres als Flammschutzmittel, Letzte-

Auch in alter Elektronik schlummern Schätze

Dauerproblem Recycling: Je mehr Elektronik die Mensch-

heit verwendet und entsorgt, desto höher türmen sich die

Berge von Elektroschrott – wie hier in Wuhan, China, kann er wiederverwertet werden, statt

auf der Müllhalde zu landen

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ROHSTOFFE FOKUS

15DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

res als Weißpigment. Das Projekt Add Resources untersuchte die

Recycelbarkeit von Metallen mit dem Fazit, dass es grundsätzlich

weder an der Technologie noch an der Wirtschaftlichkeit hakt.

Projektleiter Dr. Martin Schlummer sieht als größtes Hindernis

ein „Umsetzungsdefizit“ – einen Mangel an der erforderlichen

Verwertungsinfrastruktur in Deutschland, etwa um flammschutz-

haltiges und anderes Plastik voneinander zu trennen. Je mehr

Müllhalden anschwellen, desto drängender wird das Problem.

Während China und Indien den meisten Elektroschrott aus aller

Welt aufnehmen, sammeln sich nach Berechnungen der Verein-

ten Nationen allein in Westafrika jedes Jahr eine Million Tonnen

Alt-Elektronik an. Mit schlechten Aussichten, die wertvollen Kom-

ponenten nachhaltig wiederzugewinnen. Da die Menschheit im

Jahr 2030 rund drei Milliarden Tonnen Abfall produzieren wird,

denken Fachleute über urban mining nach, also wertvolle Metal-

le aus städtischen Müllhalden zu gewinnen.

Die Suche nach Bodenschätzen macht nicht an Land halt.

Geologen der USGS beschäftigen sich seit den 1970er-Jahren mit

Mineralien in der Tiefsee. Meeresforscher hievten bereits im

19. Jahrhundert seltsame Knollen an die Oberfläche, und Tief-

seekameras liefern immer wieder beeindruckende Bilder von

Hydrothermalquellen, die aus Erdspalten im Ozean sprudeln.

Sobald sich die mineralreichen schwarzen Wolken abkühlen,

entstehen turmhohe Schornsteine. Doch wer darf unter Wasser

schürfen? Laut eines internationalen Seerechtsübereinkommens

können Nationen eine sogenannte „Ausschließliche Wirtschafts-

zone“ für alle Ressourcen beanspruchen, die bis zu 200 Seemei-

len (rund 316 Kilometer) vor ihren Küsten liegen, einschließlich

der Rohstoffe, die in mehreren Kilometern Tiefe schlummern.

Tiefseebergbau: Schätze am MeeresgrundDie Verwaltung der gewaltigen Vorkommen an Mangan, Kobalt,

Nickel oder Kupfer in internationalen Gewässern wurde der UN-

Behörde International Seabed Authority (ISA) mit Sitz in Jamai-

ka überlassen. Auch wenn sie noch an den Richtlinien für den

Abbau feilt: „Der kommerzielle Tiefseebergbau wird innerhalb

der nächsten fünf Jahre beginnen“, sagt der kalifornische Geologe

Dr. James R. Hein, der das Global Ocean Mineral Resources-Pro-

jekt der USGS leitet. Die ISA-Fachleute haben drei Hauptkategori-

en unterseeischer Ressourcen definiert: polymetallische Knollen,

polymetallische Sulfide und Ferromangan-Krusten. Letztere sind

das Ergebnis vulkanischer Aktivität und deshalb reich an Kobalt

und Nickel. Sie kommen in seichteren Gewässern ab 400 Meter

Tiefe vor und liegen deshalb oft in der von einzelnen Ländern

beanspruchten Ausschlusszone. „Es gibt noch eine Menge offener

Fragen, doch es ist sehr wahrscheinlich, dass die Ressourcen auf

dem Meeresgrund die Vorkommen an Land übersteigen“, sagt Amy

Gartman, Meeresforscherin und rechte Hand von USGS-Projekt-

leiter Hein. Fachleute schätzen, dass allein in der Clarion-Clipper-

ton-Zone im Pazifik rund 21 Milliarden Tonnen polymetallischer

Knollen liegen. Sie können zwischen zwei und 20 Zentimeter groß

werden und enthalten neben Mangan und Eisen auch Spuren

begehrter Metalle wie Nickel, Kupfer, Kobalt und seltene Erden.

Einige Länder haben bereits erste Experimente für den Bergbau

unter Wasser lanciert. Das von Importen abhängige Japan mach-

te Schlagzeilen, als es im September 2017 vor der Küste Okinawas

ein gelbes Raupenfahrzeug versenkte, das aus 1.600 Meter Tiefe

FÖRDERMENGEN 2017: weltweit 43.000 t; Australien 18.700 t, Chile 14.100 t, Argentinien 5.600 tHÄUFIGKEIT: 20 ppm (Platz 33 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste) – weltweite Reserven: 16 Mio. tVERWENDUNG: Ohne das weiche silberweiße Leichtmetall wäre der Aufstieg der modernen Elektromobilität und Smartphones sowie anderer vernetzter Geräte nicht denkbar, denn ohne den Standard der Lithium-Ionen-Batterien geht heute (fast) nichts mehr. Lithium wird vielen Werkstoffen beigemischt, um sie härter, elastischer und haltbarer zu machen.WERTENTWICKLUNG: Lithium ist kontinuierlich teurer geworden; der Preis stieg von 1.550 Dollar pro Tonne (2003) auf 16.500 Dollar (2018).

LITHIUM

Konsumgesellschaft: In jedem Smartphone steckt ein kleines Bergwerk – wenn Hersteller das im Handy verbaute Gold und Silber sachgerecht wiedergewinnen

6,94

3

Li Lithium

Erst nur als Schmiermittel genutzt, wurde es immer wichtiger und beschleunigt nun mit leichten Akkus die Elektromobilität.

FOKUS ROHSTOFFE

16 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

mehrere Tonnen Erze nach oben förderte. Zur Beute gehörten

nach Regierungsangaben Gold, Kupfer, Blei und Zink. Mitte 2020

soll der kommerzielle Abbau im Pazifik beginnen, da japanische

Forscher insgesamt sechs Erzvorkommen rund um Okinawa ent-

deckt haben und allein in einem der Gebiete so viel Zink vermu-

ten, wie Japans Industrie in einem ganzen Jahr verbraucht. Ein

zweites Projekt vor der Küste Papua-Neuguineas kommt weni-

ger reibungslos voran. Testschürfungen in 1.600 Meter Tiefe in

der Bismarcksee haben Kupfer, Gold und Silber zutage gefördert.

Abbauen will die Metalle die kanadische Firma Nautilus Mine-

rals, hinter der Investoren aus Russland und dem Oman stehen.

Die Regierung in Port Moresby hat die erforderlichen Lizenzen

erteilt, um im Solwara One-Gebiet Ende 2019 mit der Förderung

zu beginnen. Doch das Vorhaben ist auf Proteste örtlicher Bürger-

initiativen gestoßen. Sie sind besorgt, dass beim Abbau unter Was-

ser gewaltige Mengen Sediment aufgewirbelt werden.

„Gemeinsames Erbe der Menschheit“ Die weitgehend unbekannten ökologischen Folgen sind eine von

mehreren offenen Fragen rund um die Jagd auf Rohstoffe am

Meeresgrund. „Tiefseebiologen haben angefangen, sich für das

Thema zu interessieren. Sie wollen wissen, was da unten lebt und

wie es vom Bergbau betroffen wäre“, sagt USGS-Meeresforsche-

rin Gartman. Wer in mehreren Kilometern Tiefe metallhaltige

Krusten oder Knollen sammelt und sie im großen Maßstab nach

oben hievt, wirbelt zwangsläufig erhebliche Mengen Schlamm

auf. Dabei haben Forscher gerade erst angefangen zu katalogi-

sieren, welche Röhrenwürmer, Fische und Schnecken es sich

an Orten wie Hydrothermalquellen bequem gemacht haben. In

einer ihrer jüngsten Expeditionen setzte Gartman gemeinsam

mit anderen Meeresforschern vor der Küste San Diegos künstli-

che Sedimentwolken im Pazifik aus und verfolgte mit 3-D-Sonar,

wie sich die Partikel unter Wasser ausbreiten und wo sie sich am

Meeresgrund ablagern. Auch hier steht die Wissenschaft erst am

Anfang. Eine weitere Nebenwirkung des Bergbaus ist an Land bes-

tens bekannt: Abraumhalden und Abwasserteiche, in denen sich

Metalle und Säuren anreichern, die dann in die Umwelt gelan-

gen. Das Gleiche kann bei der Freisetzung von Sulfiden unter

Wasser passieren, warnt Gartman. Niemand weiß, wie viel an

zusätzlicher Säure die Meere abpuffern können. „Es kommt auf

die Größe der Arbeiten unter Wasser an.“ Ob der Mensch sei-

nen anhaltenden Bedarf an Metallen tatsächlich in den Tiefen

des Ozeans stillen wird, hängt auch von der Wirtschaftlichkeit

ab. Und die ist keineswegs sicher, wie Richard Roth, Professor

für Materialwissenschaften am Massachusetts Institute of Tech-

nology (MIT), vorgerechnet hat. Die Ergebnisse präsentierte er

auf einem Treffen der Seabed Authority im März 2018 in Jamai-

ka. Die Anlaufinvestitionen für eine fiktive Tiefseemine liegen

demnach bei drei bis vier Milliarden Dollar plus jährlich 600 bis

1,1 Milliarden Dollar für den laufenden Betrieb.

Den Löwenanteil der Kosten verursacht keine schwimmende

metallurgische Fabrik, sondern ein Werk auf dem Festland, in dem

Nickel, Kupfer, Kobalt und Mangan mühsam gewonnen werden

müssen, prognostiziert Roth. Das mineralische Quartett macht

gerade einmal 30 Prozent der angelandeten Knollen aus. Bei einer

jährlichen Ausbeute von drei Millionen Tonnen Tiefseeknollen

blieben am Ende geschätzte 6.375 Tonnen Kobalt und 32.400 Ton-

FÖRDERMENGEN 2017: Seltene Erden ca. 130.000 t (davon nur Neodym: rund 7.000 t); China 105.000 t, Australien 15.000 t, Russland 2.800 t HÄUFIGKEIT: 42 ppm (Platz 28 nach Gewichtsanteilen in ppm in der Erdkruste)VERWENDUNG: Neodym gehört zur Gruppe der seltenen Erden, die nur in Verbindung mit anderen Metallen vorkommen und deren Gewinnung mit erheblichen Umweltproblemen verbunden ist. Das Metall wird als Neodym-Eisen-Bor-Legierung für starke Dauermagneten verwendet, die u. a. in der Elektronik von Smartphones bis zu autonomen Fahrzeugen wichtig sind. Deshalb sind westliche Industrienationen besorgt, dass mehr als 80 Prozent der seltenen Erden in China gefördert werden.WERTENTWICKLUNG: Der Preis von Neodym ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder stark gestiegen – 2009 lag er bei rund 15.000 Dollar je Tonne, 2011 bei 250.000; im vergangenen Jahr pendelte er sich bei rund 95.000 Dollar ein.

NEODYM

Angebohrt: 2022 soll eine NASA-Mission

zum Asteroiden Psyche starten, der zwischen

Mars und Jupiter um die Sonne kreist. Ziel ist es,

mögliche Nickel- undEisenvorkommen

zu untersuchen

144,242

60

Nd Neodymium

Der Stoff für extrem starke Permanentmagnete, wie sie etwa für leistungsstarkeWindenergieanlagen oder Festplatten verwendet werden.

17DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Recycling bei Dräger:Ob Gold, Aluminium oder Atemkalk – viele Geräte bleiben auch am Ende ihres Lebenszyklus wertvoll.www.draeger.com/404-17

nen Kupfer übrig. Ein solches Bergwerk würde im Jahr knapp

2,4 Milliarden Dollar Umsatz generieren, was angesichts der Preis-

schwankungen für viele Metalle keine Garantie dafür ist, schwarze

Zahlen zu schreiben. Die größte Frage für Roth ist jedoch die nach

der fairen Aufteilung der zu erwartenden Gewinne unter Betrei-

berfirmen, ihren Investoren und Nationen, deren Rechtsprechung

sie unterliegen, sowie dem „gemeinsamen Erbe der Menschheit“.

Schließlich gehören die Ozeane anders als Bergwerke allen Men-

schen. Deswegen sind nicht alle Fachleute überzeugt, dass die

Zukunft auf dem Meeresgrund liegt. „Die technischen Hürden

sind abschreckend hoch, und es ist schwer vorstellbar, dass wir

dort jemals im großen Stil Rohstoffe abbauen werden – außer viel-

leicht hochwertige Ressourcen“, gibt der Ökonom Roderick Eggert

zu bedenken. „Das Thema ist so aufregend wie eine Science-Fic-

tion-Geschichte, aber man sollte immer daran denken, dass nur

ein Teil der Science-Fiction am Ende Wirklichkeit wird.“ So gese-

hen scheint es beruhigend, dass die Menschheit bereits das nächs-

te Ziel im Visier hat: Asteroiden, Monde und andere Planeten. Im

Sonnensystem ziehen Millionen von Asteroiden ihre Bahnen, min-

destens 1.000 davon sind für Firmen wie Deep Space Industries

und Planetary Resources von Interesse, da sie groß und nah genug

an der Erde sind und wertvolle Rohstoffe enthalten. Luxemburg

hat bereits ein Gesetz erlassen, das den Betreibern künftiger Berg-

werke im All freie Bahn gibt, ihre himmlischen Profite einzufah-

ren. Planetary Resources betreibt die Datenbank Asterank, in der

mehr als 600.000 Asteroiden mit ihren Bodenschätzen und wirt-

schaftlichem Wert detailliert gelistet sind. Die NASA plant, 2022

eine Sonde zum Asteroiden Psyche zu schicken, der zwischen Mars

und Jupiter um die Sonne kreist. Nach Meinung von Astronomen

handelt es sich dabei um den Kern eines ehemaligen Planeten, der

aus Nickel und Eisen besteht. Kein Wunder also, dass Chris Lewi-

cki von Planetary Resources unlängst die Meinung vertrat: „Die

nächste Eisenzeit findet im Weltraum statt.“

Roboter,die sich

Asteroidenschnappen

All-gegenwärtig: Wissenschaftler haben rund 1.000 Asteroiden identifiziert, auf denen sich Space Mining lohnen könnte. Die NASA übt bereits auf der Erde, wie man tonnenschwere Gesteinsbrocken mit Greifarmen manipuliert

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227 Jahre

372 Jahre

387 Jahre

1.200 Jahre

FOKUS ROHSTOFFE

DRÄGERHEFT 404 | 2 / 201818

Abbau Jährliche Gewinnung der wichtigsten Metalle aus Erzen (in 1.000 Tonnen; 2017). Einige gehören als chemische Elemente zu den Halb- oder Übergangsmetallen.

Herkunft Die jeweils fünf wichtigsten Förder-regionen pro Metall sowie der Anteil der Fördermenge an der Weltproduktion.

Metalle haben faszinierende Eigen-

schaften in der Verarbeitung und beim

Gebrauch. Sie sind für die heutige Welt

unverzichtbar. Sie geben Häusern Sta-

bilität, Flugzeugen Leichtigkeit, und sie

treiben die Elektronik wie Elektromobi-

lität an. Die Lagerstätten für Metallerze

sind weltweit unterschiedlich verteilt. Auf

manche zukunftsträchtigen Metalle wie

Kobalt haben einige (oft politisch fragi-

le) Länder sogar fast ein Monopol. Die

Grafiken beantworten die Fragen nach

Herkunft und Fördermengen ebenso wie

nach der Nutzung. Der begrenzte Vor-

rat mahnt zum überlegten Einsatz und

zum Recycling, das überall Fortschritte

macht. Auch wenn die heute abbauwür-

digen Reserven sowie die überhaupt vor-

handenen Ressourcen begrenzt sind: Die

Menschheit war da immer recht flexibel!

Knappe RessourcenSie gewährleisten die Herstellung einer Vielzahl von Gütern: METALLE stecken in so unterschiedlichen Produkten wie Smartphones, Autos oder Verpackungen.

39 % CHN

Eisenerz

26 % AUS13 % BRA6 % IND3 % RUS

54 % CHN

Aluminium

6 % RUS5 % CAN5 % IND4 % UAE

48 % RSA

Chrom

17 % KAZ10 % IND9 % TUR3 % FIN

28 % CHI

Kupfer

12 % PER9 % CHN6 % USA5 % AUS

39 % CHN

Zink

11 % PER10 % IND8 % AUS6 % USA

51 % CHN

Blei

10 % AUS7 % USA6 % PER5 % RUS

19 % INA

Nickel

11 % PHI10 % CAN10 % NCL9 % AUS

35 % CHN

Zinn

18 % INA18 % MMR9 % BRA6 % BOL

45 % CHN

Molybdän

20 % CHI15 % USA9 % PER4 % MEX

73 % CHN

Antimon

9 % TJK5 % RUS3 % AUS2 % TUR

58 % COD

Kobalt

5 % RUS5 % AUS4 % CAN4 % PHI

89 % BRA

Niob

9 % CAN1 % RUS1 % COD

43 % AUS

Lithium

33 % CHI13 % ARG7 % CHN2 % ZWE

22 % MEX

Silber

18 % PER10 % CHN6 % RUS5 % BOL

14 % CHN

Gold

10 % AUS8 % RUS8 % USA6 % CAN

3.30

5.00

0

60.0

00

31.0

00

19.7

00

13.2

00

4.70

0

2.10

0

290

290

150

110

64 43 3,15

25

8 Jahre

11 Jahre

Zinn

Antimon

Gold

Silber

Kupfer

Molybdän

Nickel

Niob

Eisenerz

Zink

Blei

Kobalt

Lithium

Chrom

Aluminium

Aluminium

Chrom

Lithium

Kobalt

Blei

Zink

Eisenerz

Niob

Nickel

Molybdän

Kupfer

Silber

Gold

Antimon

Zinn

Kons

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ndos

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90 Jahre

144 Jahre

174 Jahre

19DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

INF

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Ressourcen So lange dauert es, bis alle derzeit bekannten Vorkommen ausgebeutet sind. Diese Schätzungen beruhen auf gleichbleibenden Randbedingungen hinsichtlich Abbau, Verbrauch und Recycling.

ZweckDie wichtigsten Anwendungsgebiete der ausgewählten Metalle.

RecyclingDer Anteil vonaufbereitetem Material in der Metall herstellung.

51 %

33 %

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40 %

31 %

30 %

52 %

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30 %

25 %

25 %

60 %

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30 %

17 Jah

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40 J

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62 J

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67 J

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20 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

TraditionTraining: Herz und Lunge abhören, Temperatur messen – schnell vergessen die Aus-zubildenden, dass vor ihnen nur ein virtueller Patient liegt

21DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

DDurch das offene Fenster dringt das rhythmische Gekreische

der Zikaden, schwappt frische Morgenluft, von der man schon

ahnt, dass sie in nur wenigen Stunden tropisch werden wird –

mit 36 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von über 60 Pro-

zent. Der Blick wandert über Hochhäuser hin zu üppig-grünen

Bergen, die sich bald im Dunst verlieren. Auf dem Fußboden

liegt eine Auswahl von Wandkacheln. Ein schlanker Herr betritt

den Besprechungsraum. Seit 20 Jahren leitet Prof. Dr. Wei Tie-

min als Präsident das größte Krankenhaus in Lishui, einer Stadt

mit gut 2,5 Millionen Einwohnern in der Provinz Zhejiang, rund

drei Schnellbahnstunden südwestlich von Shanghai. „Wir sind

ein kommunales Zentralkrankenhaus, zudem Universitätsklinik

für die Zhejiang University“, erläutert er. Das Lishui Municipal

Central Hospital ist eine von rund 30.000 Kliniken in der Volks-

republik China, zudem eine der modernsten.

Herr über 3.000 AngestellteHier haben sie vieles: von der Notaufnahme, gleich am Ein-

gang, bis zu modernen bildgebenden Verfahren wie Magnet -

resonanz- (MRT) oder Positronenemissionstomografie (PET).

Eine Zahnklinik ist ebenfalls angegliedert, zudem gibt es umfang-

reiche Räumlichkeiten für Lehre, Fortbildungen und Kongres-

se. Der 60-Jährige ist stolz auf das Erreichte: „Gegründet wur-

de unser Krankenhaus im Jahre 1971 als zunächst kleine Klinik,

trifftModerneEinblicke in chinesische Krankenhäuser sind selten, erst recht außerhalb der Metropolen an der Ostküste. Doch Prof. Dr. Wei Tiemin führt mit Stolz durch das LISHUI MUNICIPAL CENTRAL HOSPITAL – und erlaubt genau diese Einblicke in das Management und die tägliche Arbeit.

Text: Nils Schiffhauer Fotos: Patrick Ohligschläger

ASIEN KRANKENHÄUSER

DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

22 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Entschei-dend sind die Menschen und ihr Verhältnis zueinander

Auf Augenhöhe: Konzentrierte Blicke, die mehr sagen als Worte – sie sind wie eine Übung vor der kommenden OP, zu der sich diese Ärzte gerade aufmachen

22

23DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

die zwei Jahre später in Betrieb ging. Heute haben wir 1.650 Bet-

ten und schleusen täglich rund 18.000 Menschen durch unser

Haus“, sagt der Herr über 3.000 Angestellte, der eigentlich schon

das dortige Rentenalter für Ärzte erreicht hat, aber seinen Ver-

trag – auf eigenen Wunsch sowie den von Stadt und Universität –

verlängerte. Aus zwei Gründen sei das Krankenhaus auf rund

45 Abteilungen gewachsen, von der Augenheilkunde über ein

Tumorzentrum bis zur Herzchirurgie, Neurologie und Nephro-

logie, sagt Prof. Wei. „Zum einen ist die Einwohnerzahl unserer

Stadt fast explosionsartig gestiegen, zum anderen zog die Ein-

führung einer Krankenversicherung in China einen stärkeren

Zustrom in spezialisierte Kliniken nach sich.“

Prof. Wei hat dabei nicht nur das mengenmäßige Wachstum

seines Hauses im Blick. Er hat es auch mit seiner Ausstattung an

eine Spitzenposition gebracht. Vor allem natürlich mit Technik

für Diagnose (unter anderem „einem der modernsten automa-

tischen Laborsysteme in ganz Asien“) und Therapie sowie einer

anspruchsvollen Ausbildung seiner Mitarbeiter, zu der auch die

Befunderhebung mithilfe virtueller Realität gehört. Auffallend

ist die ebenso praktische wie in Design und Farben sorgfältig auf-

einander abgestimmte Innenarchitektur. „Ja“, deutet Prof. Wei

auf die Kacheln am Boden, „ich habe zunächst Architektur stu-

diert, bevor ich mich aus gesundheitlichen Gründen der Medi-

zin zuwandte und Kardiologe wurde.“ Später, beim Rundgang

durch die VIP-Station im 25. Stock, zeigt er auf einen von ihm ent-

wickelten und in China patentierten Nachtschrank, der in Form

und Funktion geradezu besticht – etwa mit einem maßgeschnei-

derten Fach für die im Land unverzichtbaren großen Thermos-

kannen mit heißem Wasser. „Darunter ließ ich eine ausziehbare

Schublade anbringen, die Tropfwasser auffängt.“ Vielleicht nur

ein Detail, aber auch ein Beispiel dafür, wie er Tag für Tag die

effiziente Leitung seines Hauses bewältigt.

Mehr als 4.000 MedizingeräteSeine Erfahrungen und Empfehlungen hat Prof. Wei in einem

Buch zusammengefasst („Detail-oriented Management of Hospi-

tals“). Setzen die in China üblichen Fünfjahrespläne den strate-

gischen und finanziellen Rahmen, kann sich der Klinikpräsident

im Alltag vor allem auf die Führung seiner Mitarbeiter konzen-

trieren. „Die meisten schöpfen wir aus dem Reservoir unserer

2,5-Millionen-Stadt und bilden sie hier weiter aus“, sagt er. Ent-

scheidend für die Führung eines Krankhauses seien die Men-

schen und ihr Verhältnis zueinander. Darunter auch Herzspezia-

listen. Prof. Wei öffnet die Tür eines Raumes, in dem in einer

eigenen Abteilung angefertigte Präparate menschlicher Orga-

ne dicht an dicht stehen. Er zeigt auf das Schnittbild eines gro-

ßen verkalkten Herzens. „Der Mann, dem wir vor Jahren dieses

Herz entnommen und ein anderes eingepflanzt haben, erfreut

sich bis heute bester Gesundheit!“ Von der müssen, im übertrage-

nen Sinne, auch die technischen Geräte sein. „Mit einem Team

von zehn Ingenieuren“, erklärt er, „bin ich für die reibungslo-

se Funktion der mehr als 4.000 Medizingeräte verantwortlich.“

Diese würden immer leistungsfähiger, aber auch komplizier-

ter. Ein reibungsloser Service durch die Hersteller spiele somit

eine große Rolle. Kein Wunder also, dass er sogleich Ni Jian-

wei herzlich begrüßt. Der Ingenieur war bis vor Kurzem für den

Kraftvolle Gelassenheit: Professor Dr. Wei Tiemin hat das Lishui Municipal Central Hospital zu einem der modernsten seiner Region gemacht. Fachliche Kompetenz des Kardiologen, eine gute Mitarbeiterführung undVernetzung sind die Geheimnisse seines Erfolgs

Ordnung und Disziplin als Teil des chinesischen Strebens nach Harmonie. Das ist an den Betten der Intensivstation (unten) nicht anders als am scheinbar zufällig arrangierten Gruß aus der Natur (links). Der Mensch ist eben ein Teil von ihr

ASIEN KRANKENHÄUSER

DRÄGERHEFT 404 | 2 / 201824 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 201824

Service der Dräger-Geräte in diesem Krankenhaus verantwortlich

und hat seine Arbeit offenbar zur Zufriedenheit aller gemacht.

„Auch wir Chinesen warten nicht gern“, sagt Ni. „Wenn sie uns

brauchen, kontaktieren sie ein Callcenter, das wiederum den

zuständigen DrägerService-Mitarbeiter informiert.“ Der meldet

sich dann umgehend, um das Problem einzukreisen und notfalls

auch in der Nacht oder am Wochenende zu lösen. Denn: „Meist

bleiben die Geräte ja am Arbeitsplatz, also im OP oder auf der

Intensivstation.“

Waschmaschinen mussten wegDie Intensivstation leitet Dr. Xin Tian. „Wir haben hier 29 Bet-

ten, auf einer zweiten Station noch acht weitere“, erläutert der

45-Jährige. Seine Station ist ebenfalls mit moderner Medizintech-

nik ausgestattet, doch sie unterscheidet sich schon auf den ersten

Blick von anderen Intensivstationen. Sie ist deutlich heller und

offener. Zudem vermitteln besuchende und auch unterstützen-

de Angehörige eher das Bild einer ganz normalen Station. „Tech-

nik hilft hier, Leben zu retten“, zeigt der Arzt auf die vielen Beat-

mungsgeräte von Dräger, „aber Technik ist in China auch nicht

alles.“ Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) spiele eben-

falls eine große Rolle. „Wir erzielen damit gute Ergebnisse, etwa

bei Beschwerden im Bauchraum“, sagt Dr. Xin und sieht hier

in der Anwendung einer sich immer wieder erneuernden TCM

sogar einen wachsenden Trend. Doch nicht nur die Nachfrage

nach TCM steigt. „Insgesamt dürfte die Zahl unserer Patienten in

den nächsten Jahren weiter wachsen“, erwartet Prof. Wei. Da rauf

ist man vorbereitet. Auf dem weitläufigen Klinikgelände entste-

hen gerade zwei große Anbauten, die im landesüblichen Tempo

(„drei Etagen pro Monat“) hochgezogen werden.

Nach dem Rundgang fragt man sich, was eigentlich typisch

chinesisch in diesem Krankenhaus ist. Außer dem Angebot der

Cafeteria ist es vor allem der Geist: eine allgemeine Zugewandt-

heit sowie bei aller Arbeitsbelastung doch eine gewisse Ruhe.

Und die Waschküche, in der Patienten oder Angehörige ihre Klei-

dung in einem großen Becken reinigen können. „Wir hatten sie

anfangs mit Waschmaschinen ausgestattet, aber sie wurden aus

traditionellen Gründen weder genutzt noch akzeptiert“, erin-

nert sich Prof. Wei. Tradition in China verdankt sich auch dem

Engagement der Ärzte in der Prävention, wenngleich es zu den

Legenden gehört, dass sie einst nur solange bezahlt wurden, wie

ihre Patienten gesund blieben. Heute greifen Zivilisationskrank-

heiten wie Fettleibigkeit und Diabetes um sich. „Über diese Risi-

ken klären wir auf, vor allem an den Schulen. Für ein effizientes

Gesundheitssystem müssen wir Krankheiten frühzeitig erken-

nen. Zudem berate ich die Regierung hinsichtlich entsprechen-

der Maßnahmen“, sagt Prof. Wei, der übrigens kein Mitglied der

Kommunistischen Partei, sondern der Jiusan-Gesellschaft ist.

Wenn man nach einem Tag das Krankenhaus wieder verlässt,

schlägt einem die Hitze wie ein nasses Handtuch entgegen. Und

wieder lärmen unsichtbar die Zikaden.

Allzeit bereit:Dr. Xin Tian leitetdie Intensivstationmit 29 Betten – ausgestattet mit moderner Medizintechnik

„Chinesische Kunden wollen das Beste haben“

Die Welt spiegelt sich im Menschen:Wie sich die traditionelle chinesische Medizin modernisiert und fester Bestandteil im Denken von Ärzten und Patienten wird.www.draeger.com/404-25

ASIEN KRANKENHÄUSER

25DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Dräger ist seit 1994 in China vertreten. Dietmar Roethlinger leitet die Tochtergesellschaft in Shanghai seit 2015: „China ist für Dräger nach Deutschland und den USA derzeit der drittgrößte Markt. Wir bedienen ihn von Shanghai und Peking aus, mit insgesamt sieben Gesellschaften. In den Bereichen Anästhesie und Beatmung sind wir, laut Medical Equipment Magazin (2018), sogar Marktführer. Diese Position halten wir auch im Bergbau, speziell im Mines Rescue-Geschäft. China zählt zu den am stärksten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Dieses Potenzial haben wir noch lange nicht ausgeschöpft Chinesische Kunden wollen immer das Beste haben, um wiederum ihren Kunden das Beste bieten zu können. Davon profitiert Dräger mit seinen Produkten, aber auch mit seinem Service. Zwei Trends werden die Zukunft bestimmen: zum einen Wachstum, das durch Privatisierungs-tendenzen noch weiter beschleunigt wird. Zum anderen die Forderung nach dem, was hier local content heißt – Produkte, die im Land für den eigenen Markt entwickelt und gefertigt werden. Auch darauf sind wir mit einer eigenen Produktion in Shanghai gut vorbereitet. Das Premiumsegment der Kranken häuser haben wir in China gerade mal zu 40 Prozent ausgeschöpft. Und auch im mittleren Preissegment gibt es in kleineren Kliniken noch genügend Potenzial.“

Die Zahl der Patien-ten dürfte in den nächsten Jahren steigen

Schulterschluss: In ihren Händenliegt die Gesundheiteines Patienten. Sie machen sich auf, in den OP, um ihm zu helfen

Fest im Blick:Während der OP kontrolliertdieser Anästhesistden Zustanddes Patienten ander Technik

Begeistert von China und Dräger: Dietmar Roethlinger, CEO

26 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Weit, weit weg von Schottland sprudeln die sieben Wasser-

quellen der Badischen Staatsbrauerei Rothaus. Doch selbst hier,

auf 1.000 Meter Höhe, im Herzen des Schwarzwalds, blüht die

Kunst des Single Malt Whiskys. Klingt nach einer humorvollen

Schnapsidee? Für Experten liegt die Transformation vom Bier

zum Whisky jedenfalls nahe. Denn Single Malt wird aus fast

genau denselben Zutaten wie Bier hergestellt. Da sind die Schot-

ten so kompromisslos wie das deutsche Reinheitsgebot. Reines

Quellwasser und Gerstenmalz bilden die Maische, Hefe vergärt

das Gemisch und wandelt den Malzzucker in Alkohol um. Nur

den Hopfen der Brauer, den lassen die Brenner weg. Kein Wun-

Wder also, dass Whisky aus der Bier-Nation Deutschland Konjunk-

tur hat. Allein dem Verband Deutscher Whiskybrenner (VDW;

2012 gegründet) gehören derzeit rund drei Dutzend Brennerei-

en an. Die Standorte reichen vom tiefen Süden (zum Beispiel

Slyrs am Schliersee) bis in den hohen Norden (Hinricus Noyte’s

in Wismar). Seit 2017 präsentieren sich die Mitgliedsbetriebe

des VDW jeden Sommer beim „Tag des Deutschen Whiskys“.

Zweifache Destillation in KupferblasenBeim Bierhersteller Rothaus (unter anderem: „Tannenzäpfle“)

hat die Beschwörung der feinen Flaschengeister Anfang 2000

begonnen. Initiator war der damalige Braumeister Max Sachs.

Vom Bier zum SINGLE MALT WHISKY – diesen Schritt ist die badische Staatsbrauerei Rothaus gegangen. Besonders begehrt: Sonderabfüllungen, wie die Highland Cask Finish-Edition.Text: Peter Thomas

Geister-beschwörung

im badischen Hochland

27DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

GENUSSMITTEL INDUSTRIE

„Einfach war die Umsetzung dieser Vision nicht“, sagt sein Nach-

folger Ralf Krieger. Ein eigenes Brennrecht besaß die Badische

Staatsbrauerei nämlich nicht mehr. Die heute im Museum ste-

henden Brennblasen einfach wieder anzuheizen war also keine

Option. Und eine Brennerei in Deutschland zu finden, die die

zweifache Destillation in Kupferblasen übernehmen konnte und

wollte, erwies sich als schwierig. Fündig wurde man schließlich

in Karlsruhe, und das quasi in der eigenen Geschichte. Denn

gebrannt wird der Rothaus Black Forest Single Malt Whisky von

der Destillerie Kammer-Kirsch. Und die gehörte vor 100 Jahren

ebenso dem Großherzogtum Baden wie die Brauerei, die sich bis

heute im Besitz des Bundeslandes Baden-Württemberg befindet.

2009 hat Rothaus den ersten Whisky abgefüllt und auf den Markt

gebracht. Seither hat sich der Single Malt mit gemälzter Sommer-

braugerste aus Baden-Württemberg und dem weichen Schwarz-

waldwasser einen guten Ruf erarbeitet. Besonders begehrt sind

limitierte Abfüllungen wie die Highland Cask Finish-Edition –

benannt nach dem Hochland des Schwarzwalds, nicht den schot-

tischen Highlands –, die im Gewölbekeller der Brauerei vom fast

farblosen, frisch gebrannten Geist zum Whisky reift. Der Reife-

prozess ist eine Reise durch Zeit und Aromen. Am Anfang stehen

bei Rothaus zwei Jahre Lagerung in amerikanischen Bourbon-

Fässern. Zur Perfektion reift die Highland Cask-Edition dann

während des sogenannten „Finish“ in neuen Eichenfässern.

Ralf Krieger taucht den gläsernen Heber ins Spundloch

eines der Fässer, die von Küfer Christof Schlegel für die Badische

Staatsbrauerei gebaut werden. Das helle Eichenholz stammt

aus den Wäldern am nahen Schluchsee. Mit einer langen Pipet-

te zieht der Diplomingenieur für Brauwesen und Getränketech-

nologie eine bernsteinfarben leuchtende Flüssigkeit empor und

lässt sie in ein kleines Stielglas mit kugelförmigem Bauch trop-

fen. Der Duft: süß, weich und warm. Der Geschmack: würzig,

nach Kräutern und etwas Karamell. Neben der Highland Cask

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Gut Ding will Weile haben: Der Single Malt Whisky von Rothaus reift in diesen Kellern der Brennerei Kammer-Kirsch (links). Die exklusive Highland Cask Finish-Edition lagert im alten Gewölbekeller der Brauerei selbst. Dort demonstriert Braumeister Ralf Krieger (oben) den Unterschied zwischen jungem, noch fast farblosem Brand und bernsteinfarbenem Whisky

28 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Finish-Edition gibt es weitere Sonderabfüllungen. Hierfür reift

der Whisky dann beispielsweise in Rotweinfässern vom renom-

mierten badischen Weingut Franz Keller.

Whiskyproduktion ist ein Geschäft, das auf Gegenseitigkeit

beruht: So, wie die Spirituose Geschmacksstoffe aus dem Holz

der Fässer aufnimmt und dabei mit der Kohleschicht an der

Innenwand reagiert, gibt der Whisky gleichzeitig auch Alkohol an

die Umgebung ab. Weil sich der Prozess nicht genau steuern lässt,

haben die als Fassstärken abgefüllten Editionen auch immer eine

leicht unterschiedliche Alkoholkonzentration. „Angels’ Share“,

den Anteil der Engel, nennt man den Alkohol, der sich im Kel-

ler verflüchtigt. Der Umstand klingt zwar poetisch, aber es ist

auch eine Ethanolemission, für die ein Arbeitsplatzgrenzwert

von 380 Milligramm je Kubikmeter Luft (nach TRGS 900; in der

Fassung vom 7. Juni 2018) gilt. Thomas Strecker, in der Badi-

schen Staatsbrauerei Rothaus verantwortlich für die Arbeitssi-

cherheit, beruhigt: „Die Werkfeuerwehr hat seit Anfang der Lage-

rung eine Reihe von Messungen im Keller durchgeführt – die

Konzentrationen in der Atmosphäre waren stets unbedenklich.“

Die Brandschützer der Brauerei haben eine mehr als hundert-

jährige Geschichte. Gegründet wurde die Werkfeuerwehr 1904

nach einem schweren Brand, der durch einen Blitzschlag ausge-

löst wurde. Damals zeigte sich, dass die Anfahrtszeit der öffent-

lichen Feuerwehren zu dem mitten im Wald auf 1.000 Meter

Höhe liegenden Betrieb im Ernstfall zu lange dauerte. Die Risi-

ken haben sich seitdem verändert. So wird etwa die Gerste nicht

mehr direkt auf dem Gelände gemälzt. Das hat das Entstehen

von Stäuben verringert und das entsprechende Explosions risiko

deutlich gesenkt. Aus demselben Grund setzt man heute eine

Nassschrotmühle ein, um das angelieferte Gerstenmalz staub-

frei zu zerkleinern. Aber die Werkfeuerwehr (derzeit 24 Mann,

davon 13 Atemschutzgeräteträger) ist für die Staatsbrauerei

mit ihren insgesamt 246 Mitarbeitern nach wie vor wichtig.

Für die umfangreiche Kühltechnik zur Temperaturführung der

Gär- und Lagertanks wird heute Ammoniak in großen Mengen

vorgehalten. Gegen einen eventuellen Austritt des Stoffs ist die

Werkfeuerwehr vorbereitet: Blaue Dräger-Chemikalienschutz-

anzüge hängen griffbereit zwischen den Einsatzfahrzeugen. Die

Atemschutzgeräte, ebenfalls von Dräger, werden in einer eige-

nen Werkstatt gewartet. Übungen finden unter anderem mit

der Berufsfeuerwehr aus Freiburg statt.

Eiskaltes Geschäft„Die leistungsfähige Kältetechnik ist für die Produkte entschei-

dend“, erklärt Ralf Krieger. Denn zum Brauen setzt Rothaus

Engel als stille Teilhaber im Fasskeller

Rund 1.500 Brauereien gibt es in Deutschland – viele machen in ihren

Nischen gute Geschäfte. Auch bei Rothaus setzt man auf hochmoderne Technik für

die Bier- und Whiskyproduktion

Bier-Tradition und Brau-Moderne: Die Badische Staatsbrauerei Rothaus mit Sitz in Grafenhausen im Hochschwarzwald ist zu 100 Prozent im Besitz des Landes Baden-Württemberg, zudem eine der größten Brauereien im Südwesten Deutschlands

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29DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

GENUSSMITTEL INDUSTRIE

auf tiefe Temperaturen und eine lange Prozessdauer. Bei den

untergärigen Bieren bedeutet das eine Vergärung bei atmosphä-

rischem Druck und 10 Grad Celsius über gut eine Woche hin-

weg; gefolgt von einer vier- bis fünfwöchigen Lagerung, wäh-

rend der die Temperatur zwischen 10 Grad Celsius und knapp

unter dem Gefrierpunkt geführt wird.

Wer im Sudhaus der Brauerei steht, spürt zunächst ein-

mal die Wärme, die trotz dicker Isolierungen unter den Kup-

ferhauben von Maischebottich, Läuterbottich und Sudpfanne

herrscht. 2005 in Betrieb genommen, hat das Sudhaus mit sei-

ner modernen Technik den Energieverbrauch der Brauerei

auf einen Schlag um ein Fünftel gesenkt. Aber wozu braucht

es die hohe Temperatur, die über Wasser und Prozessdampf in

die verschiedenen Kessel gebracht wird? Beim Maischen wer-

den Zucker und andere Stoffe durch heißes Wasser aus dem

Malzschrot gelöst. Das Läutern dient dann dem Trennen von

Feststoffen und dem flüssigen Vorprodukt. In der Sudpfanne

schließlich, von welcher das Sudhaus seinen Namen hat, wird

das Rohbier mit Dampf erhitzt, bis es fast kocht. Anschließend

wird der Aromahopfen aus Tettnang zugegeben, der zum cha-

rakteristischen Geschmack der Rothaus-Biere beiträgt. Nach

dem Abkühlen kommt die fertige Würze erstmals in Kontakt

mit der Hefe. Verwendet werden eigene Reinzuchthefen, die

die Brauerei kontinuierlich vermehrt. Hierfür entnehmen die

Brauer aus jeder Charge aktive Hefen für die nächste Produk-

tion. Zwei eigene Stämme kommen zum Einsatz. Untergärige

Hefe – für Pils, Märzen und das naturtrübe „Maidle“ – macht

den Großteil der Produktion aus. Auch für den Whisky verwen-

det Rothaus diese Hefe. Obergärige Hefe wird für Hefeweizen

verwendet. Nach der Gärung wird das fertige Produkt in die

Lagertanks gepumpt. Hier reift es gut einen Monat, bis es ver-

kauft werden kann. 67 Tanks mit jeweils 180.000 Liter Fas-

sungsvermögen hält Rothaus für die Lagerung vor. „So können

wir auch in Zeiten besonders großer Nachfrage dem zeitinten-

siven Prozess ohne Qualitätseinbußen treu bleiben“, sagt der

Braumeister.

Achterbahn der FlaschenNach der Lagerung ist es allerdings vorbei mit der Ruhe für die

Rothaus-Biere: Jetzt sausen die Flaschen automatisiert von Sor-

tierung und Reinigung bis zur Abfüllung und Kommissionie-

rung. Rund 30 Millionen Euro hat der Landesbetrieb in jüngs-

te Baumaßnahmen gesteckt, zu denen auch die Abfüll- und

Sortieranlage gehören. Hunderte Millionen 0,33- und 0,5-Liter-

Flaschen verlassen jährlich die Brauerei. Dagegen macht die

Whiskyproduktion mit gut 10.000 Flaschen zu 0,7 Liter nur

einen Bruchteil aus. Der Geist des Schwarzwalds findet sich

allerdings in keinem Produkt so konzentriert wieder wie im

Rothaus Black Forest Single Malt Whisky. Seine klassische Vari-

ante wird für den Verkauf von der Fassstärke auf 43 Prozent Alko-

holgehalt verdünnt – mit genau dem Wasser aus den sieben Rot-

haus-Quellen, mit dem schon die Maische angesetzt wurde.

Gut gerüstet sei die Werkfeuerwehr, sagt Thomas Strecker,

verantwortlich für die Arbeitssicherheit

Hunderte Millionen Flaschen werden jedes Jahr in der Brauerei abgefüllt. Im vergangenen Jahr wurde mit 246 Mitarbeitern ein Umsatz von rund 74,8 Millionen Euro erwirtschaftet

FEUERWEHR AUSLAND

30

KANADA

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USA

ALASKA/USA

Piteraq„Bei

Schöne bunte Welt:In Tasiilaqs Neubauviertel (links) reihen sich die Häuser farbenfroh am Fjord entlang – der ist acht Monate im Jahr zugefroren. Deshalb fahren die Grönländer häufig mit Hunde- oder Motorschlitten in das Jägerdorf Tiniteqilaaq

DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

31DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Tasiilaq

Qaqortoq

Nuuk

Ilulissat

GRÖNLAND

ISLANDTiniteqilaaq

geht hier niemand vor die Tür“

AAn dem dunkelroten Gebäude hängt

ein Schild mit der Aufschrift Arsaanneq Inerteqqutaavoqmit, die dänische Über-

setzung wird gleich mitgeliefert: Boldspil Forbudt („Ballspiele verboten“)! Doch

wie so oft bei solchen Verbotsschildern:

Genau davor kickt Tasiilaqs Jugend beson-

ders gern – weil es so schön scheppert,

wenn der Ball auf die großen Metalltore

der Feuerwehr trifft. Und weil es hier, in

der mit 2.000 Einwohnern größten und

einzigen Stadt im Osten des Landes, eben

nicht viele dieser Plätze gibt.

Feuerwehrchef Hendrik Andreas-

sen sitzt in seinem Büro neben der Gara-

ge. Der 49-Jährige registriert das Schep-

In Ostgrönland funktioniert die Feuerwehr gut. Wenn allerdings der Sturm vom Inlandeis her tobt, wird es schwierig.

1970 erwischte er die 2.000-Seelen-Gemeinde Tasiilaq mit einer Geschwindigkeit von 324 km/h.

Text und Fotos: Barbara Schaefer

pern kaum noch. Er hört es jeden Tag.

Der Grönländer – schwarze Stoppelhaa-

re, blaue Uniform – arbeitet seit 28 Jahren

bei der Feuerwehr. Warum? Dazu kramt

er in einem Stapel gerahmter Fotos. Eines

zeigt ein ausgebranntes Haus. „Der Mann

hatte Krebs. Er hat seine Frau ermordet,

das Haus angezündet und ist mit seinem

kleinen Sohn verbrannt.“ Andreassen ist

damals zum Feuer gelaufen, wie die halbe

Stadt. „Alle haben geholfen, mit Wasser-

eimern. Damals dachte ich: Das muss bes-

ser gehen – organisierter, professioneller.“

Im Jahr darauf fing der gelernte Elektri-

ker nebenberuflich bei der Feuerwehr an

und belegte so ziemlich jede Fortbildung,

die sich ihm bot. Als sein dänischer Chef

in Rente ging, sagte der: „Mein Nachfol-

ger muss endlich ein Grönländer sein –

und so bin ich es dann 2001 geworden.“

Wasser im TankTasiilaq und eine Handvoll versprengter

Dörfer liegen weit auseinander. Es gibt

keine Straßen dazwischen, die Einheimi-

schen fahren mit Hunde- oder Motorschlit-

ten. Helikopter versorgen die Dörfer mit

dem Nötigsten. Mittlerweile sind nicht

nur Grönländer unterwegs, auch Touris-

ten kommen in die weiße Wildnis. Expe-

ditionen, die das Inlandeis überqueren

wollen, starten meist an der Ostküste. Für

Zwischenfälle, die sich in der wilden Natur

immer mal wieder ereignen, ist eigentlich

FEUERWEHR AUSLAND

32 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Nachrichtenbörse: Auf der Hügelkuppe, nahe der Feuerwache, trifft man sich.

Die Jugend spielt hier Fußball oder dreht ein paar Runden mit den Mountainbikes.

Die Erwachsenen tauschen Neuigkeiten aus

Eisbären, Quecksilber und Mutter Natur

die Polizei zuständig, doch Andreassen

wollte seine Truppe auch dafür ausbil-

den lassen. Fortbildung liegt ihm am Her-

zen. Er packt einen Trekkingrucksack aus,

legt Kletterzeug, Seile, einen Schlafsack,

Campingkocher und Sonden aufeinander.

Ein grönländischer Outdoorspezialist, der

sich in Alaska ausbilden ließ, trainierte die

Brandschützer. „Von ihm haben wir unter

anderem gelernt, wie man nach Verschüt-

teten in einer Lawine sucht.“ Im Rucksack

steckt auch Trekkingnahrung: Tüten mit

gefriergetrockneten Rationen, sogar Labs-

kaus. Andreassen hält nicht viel davon.

„Meine Leute nehmen lieber Essen von zu

Hause mit. Getrockneten Fisch und Mat-

tak, den Speck der Walhaut. Das ist nahr-

hafter.“ Dann das: Ein Mann aus Tasiilaq

wollte mit dem Scooter in das Dorf Tinite-

qilaaq, kam dort aber nicht an. Also alar-

mierte seine Frau Andreassen. Wie sich

herausstellte, war Wasser in den Tank

geraten. Der Mann zog zu Fuß weiter. „Er

überquerte einen zugefrorenen Fjord. Als

er sich einmal umdrehte, sah er einen

Eisbären. Da lief er so schnell er konnte

zu einer Hütte am Ufer.“ Der Mann hät-

te keine Chance gehabt, doch das Tier

drehte ab. In der Hütte waren drei Tou-

risten. Er bekam Tee und konnte sich auf-

wärmen. „Da haben wir ihn dann gefun-

den.“ Vo rausdenken und vorbereitet sein.

Es klingt wie ein Mantra, wenn Andreassen

von seinen Einsätzen erzählt – wie bei die-

sem Chemie-Unfall in der Schule. Erst hät-

ten es die Lehrer gar nicht bemerkt, dass

die Kinder mit Quecksilberkugeln spielten.

Andreassen und Bianco Kallia, der zwei-

te Vollzeit-Feuerwehrmann, alarmierten

die Kameraden. Sie hatten keine Ausrüs-

tung dafür, schickten deshalb alle nach

Hause und kehrten das Quecksilber mit

Schaufel und Besen auf. „Danach habe ich

sofort zwei Dräger-Chemikalienschutzan-

züge von den Kollegen aus der Hauptstadt

Nuuk geordert.“

Auf dünnem EisDie Feuerwache, das flache Gebäude auf

dem Hügel, wurde 1961 erbaut. Es war die

erste an der abgelegenen Ostküste, die auf

Grönländisch Tunu heißt: Rückseite. „Erst

Ende der 1990er-Jahre kamen die Dänen

hierher, somit sind wir eine der jüngsten

Städte Europas.“ Die unzugängliche Küste

ist acht Monate im Jahr von Eis umschlos-

sen. Wie funktioniert dann die Wasserver-

sorgung, wenn es brennt? „Das ist kein

Problem“, sagt der Feuerwehrchef. „In

den Dörfern stehen riesige Wassertanks

sowie Handpumpen, und in der Stadt

gibt es alle paar Hundert Meter Anschlüs-

se. Insgesamt stehen uns 600 Meter

Schlauch zur Verfügung.“ Um die zu

trocknen, mussten sie sich etwas einfal-

len lassen. In Tasiilaq stehen nur flache

33DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Vorausschauend: Als Feuerwehrchef Hendrik Andreassen nach einem Chemie-Unfall in der Schule Quecksilber mit Schaufel und Besen zu Leibe rücken musste, bestellte er umgehend diese Chemikalienschutzanzüge

Nabelschnur: Ein Helikopter verbindet Tasiilaq mit dem Rest der Welt, bringt Gäste,

Einheimische und frisches Obst – oder eilige Online-Bestellungen. Was allerdings warten kann, erreicht Grönlands Ostküste

nur im Sommer

Ganz analog: Das Mobilfunknetz gilt als unzuverlässig. Deshalb setzen Tasiilaqs Brandschützer auf Feuermelder – 500 Stück davon sind in der Stadt installiert

Schaltzentrale Tasiilaq liegt am Meer – wo auch sonst. Das Landesinnere ist von einer bis zu drei Kilometer dicken Eisschicht bedeckt. Im größten Ort an der Ostküste leben gut 2.000 Menschen. In die Region knapp unterhalb des Polarkreises zogen vor 4.000 Jahren erste Inuitstämme aus Alaska. Aufgrund sich verschlechternder klimatischer Bedingungen war die Gegend lange unbewohnt. Erst seit dem 14. Jahrhundert siedelten hier dauerhaft Menschen. Weder die Wikinger noch spätere europäische Walfänger landeten je an der Ostküste. Erst unglaublich spät – 1884 – kam der erste Nicht-Grönländer: Der Däne Gustav Holm überwinterte in der Nähe des heutigen Tasiilaq. Holm interessierte sich für die Kultur und die Bräuche, ihm folgten Handelskompanien und Missionare. Das Leben begann sich zu ändern. Krankheiten und Alkohol dezimierten die Inuit, aber besseres und mehr Essen ließ die Bevölkerungszahl wieder steigen.

Häuser, einen Turm würde wegen des har-

schen Wetters niemand bauen. So trock-

nen die Schläuche mithilfe eines Geblä-

ses in einem lang gezogenen, schmalen

Raum. Von dort gelangt man in die Garage

mit den Einsatzwagen. Eines der Fahrzeu-

ge ist ein robuster Unimog Baujahr 1972.

„Der hat erst 2.500 Kilometer auf der Uhr.

Es gibt ja nur 16 Kilometer Straße in der

Stadt.“ Der Magirus-Deutz wiede rum ist

von 1989. Hendrik Andreassen stellt sich

daneben und fragt, was da ran auffalle. Die

Antwort reicht er sogleich nach. „Der ist

zu groß für uns Grönländer.“ Sie mussten

Leitern ins Seitenblech sägen, damit die

Männer – und die zwei Frauen – über-

haupt einsteigen können. Er selbst ist

mit 1,70 Meter groß für einen Grönlän-

der. „Aber selbst für mich ist es schon zu

hoch.“ Außerdem wiegen die Schläuche

30 Kilogramm. „Wir müssen sie in Kopf-

höhe rausholen, das ist auf Dauer nicht

gesund.“ Sie bräuchten ein neues Fahr-

zeug, passend für Grönland und seine Ein-

wohner. Hier reichen auch die Feuerwehr-

vorschriften aus Dänemark nicht, zu dem

FEUERWEHR AUSLAND

34 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

satzkräfte zur Verfügung. Was sind die

häufigsten Brandursachen? „Alte Elektro-

leitungen eher nicht“, erklärt Andreassen.

Auch keine Räucheröfen, die gibt es näm-

lich nicht. Fische werden in der trockenen

arktischen Luft einfach draußen zum Dör-

ren aufgehängt. Somit sind es Brandursa-

chen wie überall: auf dem Herd verges-

senes Essen oder eine Kombination aus

Alkohol und Zigaretten. Grönland ist ein

Land der Quarzer. Männer und Frauen,

jung bis alt, fast alle rauchen auf der Stra-

ße. Große Feuersbrünste gab es hier noch

nie. Die Häuser stehen weit auseinander,

und ihre Holzwände sind mit einer Sicher-

heitsschicht gekalkt – die schützt etwa für

eine Stunde, wenn es brennt. Die moder-

nen Reihenhäuser bestehen aus einzelnen

Zellen. Es brennt also nur ein Gebäudeteil

und nicht gleich das ganze Haus. Rauch-

melder sind Pflicht in öffentlichen Gebäu-

den, in den zwei Hotels, der Pizzeria, der

Bar und den Supermärkten. Auf dem Heli-

port, der Nabelschnur der Region für die

meiste Zeit des Jahres, steht eine kleine

Feuerschutzeinheit zur Verfügung. In der

ganzen Stadt verteilt prangen Feuermel-

der an Hauswänden und Lichtmasten. 500

Stück sind es insgesamt. „Wir habe keine

Notrufnummer, weil das Mobilfunknetz

unzuverlässig ist – es läuft per Satellit über

Nuuk. Die klassischen Feuermelder funkti-

onieren viel besser.“ Wenn es brennt, „sind

wir in 15 Minuten überall in der Stadt –

außer bei Piteraq“. Der Piteraq („Der, der

dich angreift“) ist ein Fallwind, der auf

dem Inlandeis losbricht und an der Ost-

küste abwärts strömt. Er stürmt mit bis

zu 290 km/h heran, kann aber auch auf

über 300 drehen. „Dann geht hier nie-

mand mehr vor die Tür.“ Einmal habe

das Musikhaus gebrannt, niemand rückte

aus. Andreassen hat vier Kinder, der älteste

Sohn arbeitet bei der Polizei. Bei der Feu-

erwehr gebe es keine Nachwuchssorgen.

„Ich habe glücklicherweise eine lange

die Insel trotz Autonomiestatus weiterhin

gehört. So habe es nach „9/11“ verstärkt

Trainings gegeben, wie in Dänemark.

„Doch unsere Probleme haben nichts mit

Wolkenkratzern und Passagierjets zu tun.

Wir müssen wissen, wie man etwa jeman-

den rettet, der auf dem Eis eingebrochen

ist.“ Deshalb gehören zur Ausrüstung auch

Kälteschutzanzüge, ein schwimmfähiger

Rettungsschlitten sowie zwei Schneemo-

bile. An der Wand hängt zudem ein arm-

dickes Tau. Teil der Ausrüstung? Andreas-

sen lacht: „Nein, im Sommer besuchen

uns manchmal Schiffsmannschaften, mit

denen messen wir uns im Tauziehen!“

112 EinsatzkräfteIn Tasiilaq und den umliegenden sieben

Dörfern – von Tiniteqilaaq über Kuum-

miit bis Sermiligaaq – stehen 112 Ein-

Nur zur Übung: Bei leichtem Schneefall zieht der Dienstwagen das Einsatzfahrzeug aus der Garage. Jetzt müssen die Kinder doch woanders Fußball spielen

Gewitter? Grönland kennt andere Brandursachen!

35

Angespannt: Jäger Salo fährt oft Urlauber nach Tiniteqilaaq, jenseits der Bucht. Auf dem Rückweg

packt er meist frisches Robbenfleisch mit auf den Schlitten – Hundefutter und Verpflegung zugleich

Richtung Norden – und dann immer geradeaus. Direkt vor dem

Tourismusbüro mit Eisladen weisen diese Schilder in Tasiilaq den Weg

Warteliste!“ Um die kümmere er sich auf

seine engagierte Art. „Von denen, die ich

hier ausbilde, geht kaum einer weg – nicht

nach Nuuk, nicht nach Dänemark.“ Wer

sich geschickt anstelle, dem rede er ins

Gewissen, weiter zu lernen. „Wir brau-

chen unbedingt mehr Bildung.“ So hat

Andreassen schon zehn jungen Leuten zu

einer Ausbildung verholfen. „Das macht

mich stolz.“

Unlängst wurde von einem großen

Torfbrand an der Westküste berichtet. Gab

es hier so etwas auch schon mal? Andreas-

sen erinnert sich an einen Einsatz in den

1990er-Jahren bei Kuummiit. „Da sind

wir mit dem Helikopter hin.“ Ein Lager-

feuer wurde nicht richtig gelöscht. „Es hat

einen halben Meter in die Erde gebrannt.“

Ob es Touristen oder Einheimische waren,

konnte nicht geklärt werden. Könnte der

Brand von einem Gewitter ausgelöst wor-

den sein? Da muss Andreassen herzlich

lachen. Das könne er mit Sicherheit aus-

schließen: „Es ist einfach viel zu trocken.

Ich habe hier in meinem ganzen Leben

noch kein Gewitter erlebt.“

Unzählige Wörter für Schnee?Wie jeder weiß: Eskimos kennen über 100 Wörter für Schnee. Aber wie das so ist mit den Dingen, die jeder weiß: Manchmal stimmen sie nicht. Die Schriftstellerin Kathrin Passig erklärte es mit einer Erzählung, für die sie 2006 den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt: „Eskimos haben, wie einfallslose Mitmenschen gern in die Konversation einwerfen, unzählige Wörter für Schnee. Vermutlich soll damit auf die abgestumpfte Naturwahrnehmung des Stadtbewohners hingewiesen werden.“ Sie habe keine Geduld mit den Nachbetern dieser banalen Behauptung, so Passig. „Die Eskimosprachen sind polysynthetisch, was bedeutet, dass selbst selten gebrauchte Wendungen wie ,Schnee, der auf ein rotes T-Shirt fällt‘ in einem einzigen Wort zusammengefasst werden.“ Grönländisch, in der Landessprache Kalaallisut genannt, ist eine Inuitsprache und nicht verwandt mit anderen Sprachfamilien. Als Europäer versteht man also gar nichts. Wer Inuktitut lernt, die Inuitsprache Kanadas, versteht in Grönlands Hauptstadt Nuuk immerhin etwa so viel wie ein Portugiese in Rumänien. In Ostgrönland hingegen wird ein ganz anderer Dialekt gesprochen. Einige wichtige Wörter: vielleicht – uppa, ja – Iiiji, nein – eeqqi (mit sehr kehlig gesprochenem „q“).

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TO:

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Neues Schiff,bewährter Fahrensmann:

Dr. Christian Ellendorff (rechts) praktiziert als

Schiffsarzt auf der Mein Schiff 1 von TUI Cruises –

für einige Wochen im Jahr. An Land arbeitet er

als niedergelassener Internist

36

Sprechstunde

DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Er hat kaum geschlafen letzte Nacht: Auf See, zwischen den

dänischen Inseln Bornholm und Møn, musste ein Hubschrau-

ber einen akut erkrankten Passagier per Rettungswinde von Bord

holen und in eine Klinik an Land fliegen. Und frühmorgens, in

Kiel, warteten bereits drei Rettungswagen auf die Kreuzfahrer,

die Schiffsarzt Dr. Christian Ellendorff am Ende eines zehntägi-

gen Ostsee-Törns zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus

einwies. „Eine absolute Ausnahme“, sagt der 69-Jährige, der kurz

nach dem Mittag in seinem Wartezimmer Platz nimmt. „Gleich

schule ich neue Crew-Mitglieder darin, sich nicht an blutigen

Pflastern oder gebrauchten Insulinspritzen anzustecken, die man-

che Passagiere in ihren Kabinen hinterlassen.“ Dann ist er auch

schon weg. Für die Unterweisung greift Ellendorff auf seine Eng-

lisch- und Spanischkenntnisse zurück, denn die Crew der Mein Schiff 1 stammt aus aller Herren Länder – die meisten von den

Philippinen. Nach einer halben Stunde ist er wieder zurück.

Immerhin: Kabine mit Aussicht„Durchschnittlich 30 bis 40 Patienten kommen jeden Tag in unse-

re Sprechstunde ins Bordhospital.“ Sechs Stunden täglich, 365

Tage im Jahr, steht die schwere Feuerschutztür auf Deck 2 offen –

von 8 bis 11 Uhr, dann wieder von 17 bis 20 Uhr. Die erste Stunde

gehört jeweils der Besatzung, die anderen den Passagieren. So viel

Zeit muss sein. Schließlich bevölkern bis zu 4.000 Menschen (ca.

2.900 Passagiere und 1.100 Crew-Mitglieder) das neue Flaggschiff

von TUI Cruises auf seinen Rundfahrten durch die Ostsee und um

die Kanarischen Inseln. „An Bord sind immer zwei Ärzte“, erklärt

Dr. Ellendorff. „Wir wechseln uns Tag für Tag ab, der jeweils ande-

re hat dann Bereitschaftsdienst.“ Man muss das mögen. Kaum

ein freier Tag, eine eher kleine Kabine auf einem Deck weiter

unten, wo die Besatzung lebt – immerhin mit einem Bullauge

für den Blick nach draußen. Ein Traumberuf auf einem Traum-

schiff? Die Frage passt nicht ganz, denn Schiffsarzt ist kein Beruf,

sondern eine Funktion. An Land arbeitet Ellendorff als niederge-

E

37DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Neue Kontinente gibt es nicht mehr zu entdecken, und doch reisen mehr Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen als je zuvor. Um ihr medizinisches Wohlergehen kümmern sich SCHIFFSÄRZTE – wie auf dem neuen Mein Schiff 1 von TUI Cruises.

Text: Olaf Krohn Fotos: Patrick Ohligschläger

auf Deck Zwo

KREUZFAHRTEN FORUM

Notfallbeatmung:Ein Oxylog 3000 plus

von Dräger steht anBord für die Versorgung

kritisch erkrankterPatienten zur

Verfügung – auch für Transporte, etwa

mit dem Hubschrauber

Notfallambulanz: Bei Unfällen an Bord ist das Stretcher Team, mit der notwendigen Ausrüstung, für den schnellen Transport ins Bordhospital zuständig

lassener Internist in Hamburg, doch mindestens einmal im Jahr

muss er raus. Seit 2010 übernimmt er regelmäßig als Honorararzt

auf selbstständiger Basis für mehrere Wochen die medizinische

Versorgung auf den Schiffen von TUI Cruises. Schon als Student

begeisterte sich Ellendorff für die dicken Pötte auf der Elbe und

fragte sich, ob das nicht auch etwas für ihn wäre. Im Alter von 60

Jahren hat er diese Frage schließlich mit „Ja“ beantwortet. Ellen-

dorff, der sich auch zur Ruhe setzen könnte, schätzt die Abwechs-

lung und multikulturelle Vielfalt an Bord. Außerdem bekleidet er

als Quereinsteiger den Rang eines Offiziers, der sich in der Bord-

hierarchie gleich hinter dem Kapitän und dessen Stell-

vertreter einreiht. Medizinisch gesehen hat ihm in

seinem Bordhospital ohnehin niemand reinzureden.

Hausarztpraxis trifft NotfallambulanzWer als Schiffsarzt arbeiten möchte, muss von Haus

aus Allgemeinmediziner, Internist oder Chirurg sein

und darüber hinaus eine Qualifikation als Notarzt

mitbringen – zwischen diesen Polen pendelt das Anfor-

derungsprofil auf einem Kreuzfahrtschiff. Einerseits

fungiert das Bordhospital als Hausarztpraxis, die

jährlich mehrere Tausend Menschen mit ihren täg-

lichen Wehwehchen und Blessuren versorgt. Ande-

rerseits müssen Ärzte und Pflegepersonal rund um

die Uhr professionell reagieren können: auf Herzin-

farkte, Schlaganfälle, aber auch auf Arbeitsunfälle

der Crew. Wer eine Kreuzfahrt bei TUI Cruises bucht,

tut dies nicht zuletzt mit der Gewissheit, dass ihm

im Falle eines Falles – ob nun auf hoher See oder im

Hafen von Montego Bay – eine medizinische Versor-

gung nach deutschen Standards und in deutscher Sprache zur

Verfügung steht. „Nach internationalen Richtlinien müssten wir

nur einen Arzt an Bord haben, doch wir haben zwei“, sagt Ange-

lina Koehler. Die Leiterin der medizinischen Abteilung bei TUI

Cruises hat das Bordhospital seit der Gründung vor zehn Jahren

aufgebaut. Zuvor hatte sie Krankenhäuser an Land gemanagt.

„Die Wirkungskreise sind ganz andere als an Land, außerdem

müssen wir auf See zahlreiche internationale Regularien beach-

ten.“ Auch wenn immer jüngere Menschen in See stechen, sind

Kreuzfahrer traditionell eher älter, weil diese Reiseform vor allem

betagteren Menschen, die nicht immer ganz so gut zu Fuß sind,

Reisen an exotische Orte ermöglicht. Diese Klientel, die oft auch

chronische Vorerkrankungen mitbringt, achtet besonders auf das

Niveau der medizinischen Versorgung an Bord.

Der Schiffsarzt hat auch den Schlüssel zur gut sortierten

Bordapotheke. „Das ist ein weiterer Aspekt meiner Tätigkeit, denn

auf See habe ich neben meiner Approbation als Arzt auch eine

als Apotheker“, sagt Ellendorff. „An Land wäre das nicht zuläs-

sig.“ Dem erfahrenen Mediziner merkt man sofort an, wie sehr

Nur an Bord darf der Arzt auch Apotheker sein

FORUM KREUZFAHRTEN

38 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Auf Rezept: Die Apotheke im Bordhospital ist gut sortiert. Da der Platz knapp bemessen und der nächste Hafen oft weit entfernt ist, müssen der Schiffsarzt und sein Team bei Nach bestellungen vorausschauend handeln

Lockruf des Meeres: Krankenschwester Julia Bauer hat ihren Job in einer KölnerKlinik gegen das Bordhospital auf der MeinSchiff 1 getauscht

315,7 Meter machten die Mein Schiff 1 im Sommer 2018 zum längsten Kreuzfahrtschiff auf dem deutschen Markt. Es wurde in Finnland gebaut und fährt unter maltesischer Flagge.

1.100 Menschen aus über 40 Nationen arbeiten an Bord – am stärksten vertreten: Filipinos, Indonesier und Deutsche.

30-40 Kreuzfahrer und Crew-Mitglieder nehmen die sechsstündige Sprechstunde im Bordhospital täglich in Anspruch, die an 365 Tagen im Jahr angeboten wird.

2.200.000 Bundesbürger unternahmen 2017 eine Hochseekreuzfahrt, 1997 waren es 283.000.

ihm diese Arbeit mit ihren komplexen Abläufen gefällt. Er muss

schnell entscheiden, ob etwa ein Infarktpatient mit Bordmitteln

behandelt werden kann, die Einlieferung in ein Krankenhaus bis

zum nächsten Hafen Zeit hat oder auf See sofort ein Rettungs-

hubschrauber alarmiert werden muss. In Notfällen stimmt er

sich mit dem Kapitän darüber ab, ob Kurs oder Geschwindigkeit

des Schiffs geändert werden sollten, um den Patienten bestmög-

lich zu behandeln. Eine Verlegung an Land ist deshalb zuwei-

len geboten, weil sich ein Bordhospital meist nicht für mehrtä-

gige stationäre Aufenthalte eignet. Die kleine Intensivstation ist

unter anderem mit einem Notfallbeatmungsgerät (Typ: Dräger

Oxylog 3000 plus) ausgestattet und bietet maximal zwei Patien-

ten Platz – im Patientenzimmer stehen normalerweise drei Bet-

ten zur Verfügung. „Trotzdem verfolgen wir das Ziel, dass erkrank-

te Gäste ihren Urlaub an Bord fortsetzen können“, erklärt TUI

Cruises-Medizinchefin Angelina Koehler. Bei manchen Knochen-

brüchen eigne sich schließlich auch eine Balkonkabine als Kran-

kenzimmer. Neuerdings bekommt das Team Unterstützung. „Wir

haben eine Kooperation mit dem Hamburger Universitätsklini-

kum Eppendorf gestartet“, sagt Angelina Koehler. Röntgenbil-

der, die an Bord der Mein Schiff-Flotte entstehen, werden online

an die Radiologie des UKE geschickt. „Unsere Schiffsärzte erhal-

ten binnen 30 Minuten einen Zweitbefund. So erhöhen wir die

diagnostische Qualität.“ Darum will TUI Cruises die Telemedi-

zin künftig auf weitere Bereiche ausdehnen.

Hier arbeiten viele Menschen – auf engstem RaumDer Doc, wie er allseits genannt wird, schwärmt schon wieder

aus. Es gibt viel zu organisieren, bevor das Schiff am Abend in Kiel

wieder ablegt. Zwei Stunden vor dem Auslaufen übernimmt Julia

Bauer die Rezeption im Bordhospital. Die Krankenschwester hat

seit ihrer Ausbildung in einer großen Kölner Klinik gearbeitet

und lichtet nun beruflich die Anker. „Auf einem Kreuzfahrtschiff

arbeiten viele Menschen auf engstem Raum. Die ganze Welt ist

hier zu Gast“, sagt die 28-Jährige. Im Gegensatz zu Schiffsarzt

Ellendorff ist sie fest angestellt, mit einem Zeitvertrag für vier

Monate. An Bord kann sie ihr Fernweh zumindest ein bisschen

stillen. „Was man hier vor allem lernt, ist Improvisation.“ Zu

Beginn hat sie sich auf dem riesigen Kahn oft verlaufen. Inzwi-

schen weiß Julia Bauer, wo es langgeht, auch im Notfall: „Wenn

Starcode ausgelöst wird, rücken wir sofort mit dem First Res-ponse Bag aus.“ Und wenn sie Unterstützung braucht, ist das

sogenannte Stretcher Team nicht weit. Diese speziell trainierten

Besatzungsmitglieder bringen Verletzte oder Kranke schnellst-

möglich auf der Trage ins Bordhospital.

„Manchmal“, sagt Julia Bauer, „vergesse ich, welcher Wochen-

tag gerade ist.“ Schließlich gibt es für die Crew keine zeitlich ord-

nende Kategorie des Wochenendes. Auch im Bordhospital können

Christian Ellendorff und sein Team schon mal vergessen, ob es

draußen hell oder dunkel ist. Aber dagegen weiß sich der Doc zu

helfen: „Dann schalte ich einen unserer Monitore ein, die Bilder

der Bug- oder Heckkamera zeigen.“

Zahlen, bitte!

39DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

4040 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Menschen nehmen die meisten Sinneseindrücke über die Augen wahr, die Hornhaut funktioniert dabei wie eine Windschutzscheibe. Trübt sie ein oder wölbt sie sich zu weit vor, hilft oft nur eine TRANSPLANTATION gegen das Erblinden. Statt der ganzen Hornhaut werden heute meist einzelne Schichten transplantiert.

Text: Dr. Hildegard Kaulen Fotos: Patrick Ohligschläger

Ultradünne

Ein Wunder der Natur: glasklar, reißfest und stabil.

Eine Hornhaut enthält keine Blutgefäße – sie wird von der Tränen-

flüssigkeit und dem Kam-merwasser versorgt

GESUNDHEIT AUGENOPERATIONEN

4141DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Alles ist vorbereitet. Das erkrank-

te Auge von Bernhard P. ist über der

Augenbraue markiert worden – von sei-

nem Gesicht sind nur noch Augen und

Nase zu sehen. Heute wird Privatdozent

Dr. Adrian Gericke dem 49-Jährigen eine

neue Linse einsetzen und die erkrankte

Hornhaut gegen eine Spenderhornhaut

austauschen. Dr. Gericke ist Oberarzt an

der Augenklinik der Universitätsmedizin

Mainz und leitet den Bereich für Horn-

hauterkrankungen. Bei Bernhard P. ster-

ben die Zellen der innersten Hornhaut-

schicht nach und nach ab. Das andere

Auge wird der Mediziner in ein paar

Wochen operieren, was in Mainz als

einem der wichtigsten Hornhaut-Trans-

plantationszentren der Bundesrepublik

zur Routine gehört: 245 Spenden wurden

hier im vergangenen Jahr verpflanzt, vie-

le davon durch Dr. Gericke.

Eigentlich wollte er Kardiologe wer-

den. Mit seinen Fingerfertigkeiten und

dem dreidimensionalen Orientierungs-

sinn wäre es ein Leichtes für ihn gewe-

sen, einen Herzkatheter sicher durch das

Gefäßsystem zu navigieren. Doch es kam

anders. Das Gewebe, das Dr. Gericke heu-

te regelmäßig in den Händen hält, besitzt

kein einziges Blutgefäß, weil die Hornhaut

von der Tränenflüssigkeit und dem Kam-

merwasser versorgt wird. Allerdings sind

sein Geschick und Orientierungssinn in

der Augenheilkunde nicht minder gefragt.

Denn die Transplantation einer Hornhaut

verlangt viel Fingerspitzengefühl, zumal

meist nicht die ganze Spende zum Einsatz

kommt, sondern nur die beiden inneren

der insgesamt fünf Hornhautschichten.

Auch bei Bernhard P. wird nur die erkrank-

te innerste Endothelschicht mit der

da rüberliegenden Descemetmembran aus-

getauscht. Dieser Komplex aus Endothel

und Membran ist etwa zehn bis 20 Mikro-

meter dick, was in etwa einem Drittel eines

Frauenhaares entspricht. „Oft ist nur die-

se Schicht verantwortlich für eine Horn-

hauttrübung, deshalb ersetzen wir auch

nur das Endothel mit der darüberliegen-

den Descemetmembran und lassen den

Rest der Hornhaut intakt“, sagt Dr. Geri-

cke. Das Verfahren nennt sich DMEK. Die

A

Schichten

42 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

GESUNDHEIT AUGENOPERATIONEN

Abkürzung steht für Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty. „Der Eingriff ist

weniger invasiv als der Austausch der kom-

pletten Hornhaut, da nur kleine Einschnit-

te am Hornhautrand gesetzt werden, über

die die inneren Hornhautschichten im

geschlossenen System ausgetauscht wer-

den. Das ist weniger komplikationsträch-

tig, weil das Auge bei der Operation nie den

Innendruck verliert. Der Eingriff ist zudem

kürzer und kann unter örtlicher Betäu-

bung erfolgen. Hornhaut und Sehschärfe

erholen sich auch schneller als nach dem

Austausch der kompletten Hornhaut.“

Späte Innovation Das Transplantieren einzelner Horn-

hautschichten wurde zwischen 1998 und

2006 im Wesentlichen durch den Nie-

derländer Dr. Gerrit Melles geprägt und

hat in den Folgejahren einen regelrech-

ten Siegeszug durch die Kliniken ange-

treten. Möglich wurde dies, weil die ein-

zelnen Schichten nicht fest miteinander

verwachsen sind, sondern ohne einen

Schaden zu hinterlassen, voneinander

getrennt werden können. „Bis vor weni-

gen Jahren haben wir im Wesentlichen so

operiert wie der Wiener Augenarzt Edu-

ard Zirm, Anfang des 20. Jahrhunderts.

Zirm führte 1905 die erste perforieren-

de Hornhauttransplantation durch“, sagt

Dr. Gericke. „Erst fast 100 Jahre später

wurde der Eingriff durch die Transplan-

tation einzelner Hornhautschichten ent-

scheidend weiterentwickelt.“

Sehen ist unser wichtigster Sinnesein-

druck, zugleich der, den sich der Mensch

zuletzt aneignet. Hören, fühlen, schme-

cken und riechen können wir schon im

Mutterleib. Sehen jedoch lernen wir erst

nach der Geburt. Dieser Sinn funktioniert

nicht ohne die Hornhaut. Sie begrenzt das

Auge nach außen, schützt es vor Infektio-

nen sowie Verletzungen und sorgt durch

ihre Wölbung für einen Großteil der not-

wendigen Lichtbrechung. Ihre Material-

eigenschaften sind unerreicht. Die Horn-

haut ist glasklar, zudem reißfest und

stabil. Oberflächliche Kratzer werden

binnen weniger Tage durch die Regene-

ration der obersten Epithelschicht repa-

riert. Die innerste Schicht besitzt diese

Fähigkeit zur Reparatur allerdings nicht.

Wenn die Endothelzellen degenerieren,

sind sie für immer verloren – wie bei

Bernhard P. Die innere Schicht entwäs-

sert die mittlere Schicht (das sogenann-

te Hornhautstroma); ohne intaktes Endo-

thel quillt die mittlere Schicht auf, und

die Hornhaut trübt sich ein. Obwohl seit

vielen Jahren an künstlichen Hornhäu-

ten gearbeitet wird und sich viele Produk-

Die Mitarbeiter der Hornhautbank in Mainz prüfen die Qualität der Spenden. Vermittelt werden sie frühestens nach zehn Tagen, wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind

43DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

„Die Material-eigenschaften der Hornhaut

sind einzigartig“Dr. Adrian Gericke, Oberarzt an der

Augenklinik der Universitätsmedizin Mainz

Präzisionsarbeit: Bei einer Hornhauttransplantation wird oft nur die erkrankte innerste Endothel-schicht mit der darüberliegenden Descemetmembran ausgetauscht. Dieser Komplex aus Endothel und Membran hat nicht einmal die Dicke eines Frauenhaares

te in unterschiedlichen Phasen der Ent-

wicklung befinden, gibt es noch keinen

weithin anerkannten Ersatz, der Spenden

überflüssig machen würde. Dr. Gericke

arbeitet mit dem Materialwissenschaft-

ler Professor Dr. Werner E. G. Müller

vom Institut für Physiologische Chemie

der Universität Mainz ebenfalls an einem

Produkt. „Die Form einer künstlichen

Hornhaut ist ganz einfach eine nach

außen gewölbte Scheibe“, sagt Dr. Geri-

cke. „Die Eigenschaften sind das Prob-

lem. Uns macht zum Beispiel die Reißfes-

tigkeit zu schaffen. Ein Volltransplantat

muss vernäht werden. Macht man das

Material durch zusätzliche Fasern reiß-

fester, ist es weniger transparent. Das ist

ein Dilemma“, sagt der Augenarzt. „Wich-

tig ist auch, dass das Material stabil ist

und sich nicht mit der Zeit auflöst oder

verändert. Die künstliche Hornhaut muss

das Auge zuverlässig abdichten und so

beschaffen sein, dass die äußere Epithel-

schicht, die sich ständig erneuert, über

das Material wachsen kann. Wir sind ein-

fach noch nicht so weit!“

Wie eine winzige TapetenrolleWann ist eine Hornhauttransplantation

notwendig? Oft sind Unfälle, chronische

Entzündungen, angeborene Erkrankun-

gen oder ein Vorwölben und Ausdünnen

der Hornhaut Anlass für einen Eingriff.

Dr. Gericke operiert Bernhard P. in Voll-

narkose. Er beginnt mit dem Austausch

der hinter der Hornhaut liegenden Lin-

se. Dazu macht er einen kleinen Schnitt

am Hornhautrand, öffnet die Linsenkap-

sel, zerkleinert den Linseninhalt und

saugt ihn ab. Dann legt er über den klei-

nen Schnitt eine Kunstlinse in den leeren

Kapselsack. Erst danach beginnt er mit

der Transplantation des Endothels und

der Descemetmembran, die er vor der

Operation mit einem Präzisionsinstru-

ment von der Spenderhornhaut getrennt

hat. Dabei hat Dr. Gericke auch winzige

Markierungen gesetzt, damit er während

der Operation weiß, welche Seite die Vor-

der- und welche die Rückseite ist. Jetzt

liegen die wie eine winzige Tapetenrol-

le anmutenden Hornhautschichten in

einer sterilen Flüssigkeit auf dem Ins-

trumententisch. Dr. Gericke entfernt die

erkrankten Schichten des Empfängers,

bevor er über die feinen Schnitte die neu-

en an der Innenseite der Hornhaut aus-

rollt. Eine Luftblase wird die transplan-

tierten Schichten einige Tage gegen den

Rest der Hornhaut drücken, bis sie von

44 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

die Organtransplantation, dem Trans-

plantationsgesetz. Demnach ist die Ent-

nahme der Hornhaut nur dann zulässig,

wenn der Spender zu Lebzeiten selbst

zugestimmt hat oder sich die Angehö-

rigen nach seinem mutmaßlichen Wil-

len für eine solche Spende entscheiden.

Anders als ein durchblutetes Organ kön-

nen die nicht durchbluteten Hornhäute

allerdings noch bis zu 72 Stunden nach

dem Tod entnommen werden. Dann ist

der Verstorbene auch für die Angehöri-

gen ganz offensichtlich tot. Der alleini-

ge Hirntod macht es vielen Verwandten

schwer, sich für eine Organspende zu

entscheiden, denn sie erleben, dass das

Gehirn zwar erloschen ist, aber der Kör-

per dank der Intensivmedizin noch lebt.

Bei Hornhäuten stellt sich dieses Problem

nicht. Deshalb ist die Spendensituation

weniger dramatisch als bei Organen. Die

Entnahme bis zu 72 Stunden nach Tod möglich

ILLU

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selbst anhaften. Eingenäht werden sie

nicht. Beigemischte Gase sorgen dafür,

dass die Luftblase nicht so schnell resor-

biert wird.

Dr. Gericke wird später seiner Pati-

entin Christina N. noch eine komplette

Hornhaut transplantieren. Die 69-Jähri-

ge leidet unter Eintrübungen aller Horn-

hautschichten. Auch dieser Eingriff

erfolgt unter Vollnarkose. Bei einer Voll-

transplantation wird der zentrale Teil

der Hornhaut mit allen Schichten über-

tragen. Dafür stanzt Dr. Gericke unter

dem Mikroskop zunächst eine kreisrun-

de Scheibe aus der Spenderhornhaut und

wiederholt dies bei der erkrankten Horn-

haut. Dann wird das Spenderfragment im

Auge platziert und eingenäht. Dr. Geri-

cke verwendet einen Faden, der ebenfalls

dünner ist als ein Frauenhaar. Um sicher-

zugehen, dass das Transplantat korrekt

eingewachsen ist, werden die Fäden frü-

hestens nach einem Jahr entfernt.

Gute Langzeitergebnisse Wie sieht es mit dem Abstoßungsrisiko

aus? Weil die Hornhaut nicht durchblutet

ist und somit auch nicht mit großen Men-

gen an Abwehrzellen in Kontakt kommt,

ist dieses Risiko eher gering. Die meisten

Patienten müssen ein Jahr lang Augen-

tropfen mit einem immunsupprimieren-

den Wirkstoff verwenden. Eine generelle

Unterdrückung der Abwehr erhalten nur

Risikopatienten, allerdings in den meis-

ten Fällen nicht lebenslang wie nach

einer Transplantation eines durchblute-

ten Organs (Organtransplantation). „Wir

achten in der Regel auch nicht auf eine

Übereinstimmung der Gewebemerkma-

le wie bei einer Organtransplantation“,

erklärt Dr. Gericke. „Das ist bei der Horn-

haut nur in Ausnahmefällen nötig.“

Dr. Gericke und sein Team erhalten

die Hornhautspenden über die an die

Augenklinik angeschlossene Hornhaut-

bank, die seit sechs Jahren von Dr. Melis-

sa Apel geleitet wird. Die Hornhaut-

transplantation unterliegt, genau wie

45DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

AUGENOPERATIONEN GESUNDHEIT

Ohne Fingerspitzengefühl geht es nicht:Bevor die innersten Hornhautschichten transplantiert werden können, müssen sie vom Rest der Hornhaut getrennt werden. Hierfür holen die Ärzte das Gewebe aus dem Transportgefäß und legen es mit der Innenseite nach oben in eine spezielle Vorrichtung, bringen Markierungen für die spätere Orientierung an und lösen die Schichten ab

Wie arbeitet eine Hornhautbank?Und wie werden Spender überhaupt rekrutiert, Hornhäute entnommen und die Qualität geprüft?www.draeger.com/404-45

Hornhaut ist auch kein Organ, sondern

ein Gewebe. Es geht also um eine Gewe-

bespende, nicht um eine Organspende.

Naturgemäß haben nicht alle gespen-

deten Hornhäute die nötige Qualität. Das

Gewebe darf nicht vernarbt sein, und die

Endothelschicht muss für eine Transplan-

tation über mindestens 2.000 Zellen pro

Quadratmillimeter verfügen. Sonst reicht

die Zahl der Zellen nicht für eine gute Seh-

schärfe aus. Von den 715 Hornhäuten, die

die Hornhautbank Rheinland-Pfalz im ver-

gangenen Jahr erhalten hat, waren 397

transplantierbar. Die Operationen erfolg-

ten entweder in Mainz oder in einer der

kooperierenden Kliniken deutschland-

weit. Der Bedarf ist allerdings größer. Ob

künstliche Hornhäute in naher Zukunft

eine Lösung sind, bleibt abzuwarten.

Sehen ist ein komplexer Vorgang: Im Prinzip erzeugt das Auge ein Bild, dessen Helligkeitswerte – ähnlich wie in der Digital-fotografie – in elektrische Impulse umgesetzt und die dann vom Gehirn zum Sinneseindruck verarbeitet werden. Auch wenn das Gehirn aufgrund der Erfahrung viele Unzulänglichkeiten des Auges kompensieren kann, sorgt nur ein gesundes Auge für den optimalen Input. Und zwar so: Das von der Umgebung farblich gefilterte und zumeist reflektierte Licht gelangt über die schützende Hornhaut (1) und die vordere Augenkammer (2) (mit ihren Nähr- und Abwehrstoffen) auf die Linse (3). Vorher passiert das Licht die Iris oder Regenbogenhaut (4). Diese reguliert den Lichteinfall, damit das Auge nicht geblendet wird. Die Linse wird durch Ziliarmuskel und Zonulafasern (5) so geformt, dass sie auf die von vielen Nerven durchzogene Netzhaut (6) ein scharfes Bild wirft. Die Nerven treffen sich im Blinden Fleck (7). Der Sehnerv (8) leitet die durch Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut in elektrische Impulse gewandelten Bildinformationen zur Verarbeitung ins Gehirn (visueller Cortex) weiter. Den größten Teil des Augapfels nimmt der Glaskörper (9) mit seiner stützenden Funktion ein. Die Aderhaut (10) versorgt das Auge u. a. mit Blut, die äußere Lederhaut (11) schützt es. Der Dynamikbereich des Auges liegt bei etwa 20 Blenden-stufen – Spitzenkameras schaffen nur etwa zwölf davon. Zehn bis 15 Lidschläge pro Minute von jeweils rund 350 Milli-sekunden Dauer benetzen die Hornhaut regelmäßig mit Tränenflüssigkeit, damit sie nicht austrocknet.

Mach dir ein Bild!

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46 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

LANDWIRTSCHAFT TIERHALTUNG

Durchatmen

47DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

L

im Kälberstall

Für bessere Luft im Stall: Prof. Dr. Samuel Kohler,

Leiter des Schweizer Forschungsprojekts, über-prüft eines der tragbaren

Gasmessgeräte samt Ammoniaksensor

Landluft ist sprichwörtlich gesund,

Stallluft könnte gesünder sein: Sie enthält

Gase, die dem Organismus schaden kön-

nen. Kein großes Problem für uns Men-

schen. Wir können jederzeit vor die Tür

gehen, um durchzuatmen. Die Tiere hin-

gegen wohnen dort. Ein gutes Stallklima

ist somit entscheidend für ihre Gesund-

heit und ihr Wohlbefinden. Ein von Dräger

entwickelter Sensor hilft Schweizer Wis-

senschaftlern nun, die Entstehung, Ver-

breitung und Auswirkung des wichtigsten

Schadgases im Stall besser zu verstehen:

Ammoniak. Es ist das Gas, das Besucher

von Ställen und öffentlichen Toiletten in

der Nase sticht und Tränen in die Augen

treibt. Ammoniak ist die einfachste Ver-

bindung von Stickstoff und Wasserstoff

(NH3) und spielt eine wichtige Rolle in

der chemischen Industrie – etwa bei der

Herstellung von Kunstdünger, der Pflan-

AMMONIAK ist ein aggressives Gas, das in Ställen entsteht und die Gesundheit der Tiere angreift. Mit einem Sensor von Dräger wollen Schweizer Wissenschaftler nun die Konzentrationen erstmals direkt am Tier und über längere Zeiträume messen.

Text: Tobias Hürter Fotos: Patrick Ohligschläger

48 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

zen das Nährelement Stickstoff liefert.

Im Stall entsteht das Gas vor allem,

wenn sich Kot und Harn am Boden

mischen und anschließend von Mikro-

organismen zersetzt werden. Bei ausge-

wachsenen Milchkühen ist das Problem

geringer, sie sind Wiederkäuer mit voll

entwickeltem Verdauungssystem, das die

Entstehung von Ammoniak reduziert.

Kälber hingegen sind noch keine Wie-

derkäuer, bei ihnen ist das Vormagensys-

tem, mit denen Kühe das Gras und Heu

verdauen können, noch nicht ausgebil-

det. Hinzu kommt, dass sie häufiger am

Boden liegen und ihr Organ- wie Immun-

system noch nicht ausgereift ist. Daher

leiden sie besonders unter dem von ihnen

selbst produzierten Ammoniak, denn es

greift die Atemwege und Schleimhäute

an. Viele Kälber in ähnlichem Alter, dazu

Keime und Stress – das macht die Jung-

tiere anfälliger für Infektionskrankhei-

ten. „In der Kälbermast haben wir sehr

oft mit Lungenproblemen zu tun“, sagt

Veterinärmediziner Prof. Dr. Samuel Koh-

ler, der Tiergesundheit und Tierhaltung

an der Hochschule für Agrar-, Forst- und

Lebensmittelwissenschaften (BF-HAFL)

in Bern unterrichtet. „Und deshalb auch

mit einem hohen Antibiotikaverbrauch.“

Es wäre also ein wichtiger Schritt, die Ent-

stehung von Ammoniak im Kälberstall

besser in den Griff zu bekommen.

Übermäßiger AntibiotikaeinsatzHinzu kommt, dass von Ammoniak in der

Stallluft ein Risiko ausgeht, das auch Men-

schen betrifft – selbst Vegetarier und Vega-

ner: Denn die vorsorgliche Gabe von Anti-

biotika im Stall führt dazu, dass immer

mehr Bakterien gegen Antibiotika resis-

tent werden. So entsteht die Gefahr, dass

Patienten einer Infektion schutzlos aus-

geliefert sind. Jedes Jahr sterben meh-

rere Hunderttausend Menschen an den

Folgen einer Antibiotikaresistenz, schätzt

die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Daher hat der Schweizer Bund im Jahr

2015 die Strategie Antibiotikaresistenzen

(StAR) ins Leben gerufen, mit der ver-

schiedene Behörden und Institutionen die

Entstehung und Verbreitung neuer Resis-

tenzen gemeinsam bekämpfen wollen.

Vor zwei Jahren ist Dräger mit einem

neuen dauerbegasbaren, elektrochemi-

schen Sensor in das Betätigungsfeld der

Landwirtschaft eingestiegen und hat für

die Messung des Ammoniakgehalts im

Stall ein neues tragbares Gerät vorge-

stellt. Zuvor wurden dafür meist Mess-

röhrchen verwendet. Sie sind bewährt,

liefern allerdings nur eine Momentauf-

nahme; einen Wert für einen bestimm-

ten Zeitpunkt. Um die Entstehung und

die Wirkung des Ammoniaks jedoch bes-

ser zu verstehen, muss man Konzentra-

tionsschwankungen über den Tag hin-

weg messen können, besser noch über

eine ganze Mastperiode von zwei bis drei

Monaten. Dafür gab es bisher keine zuver-

lässige und zugleich praxistaugliche wie

erschwingliche Messmethode. Ammoniak

war die große Unbekannte im Stall. Mar-

kus Sax von Agroscope, einem Schweizer

Kompetenzzentrum für Landwirtschaft,

war einer der ersten, der vor zwei Jah-

ren an Dräger herantrat. Er beschäftigt

sich seit Langem mit Ammoniak im Käl-

berstall. Was treibt den Gehalt hoch? Wie

kann man ihn senken? Mit den vor fünf

Jahren verfügbaren Mitteln waren diese

Fragen nicht zu beantworten. „Dann kam

dieser Sensor“, erinnert sich Sax, und mit

ihm die Chance, jene Fragen endlich zu

klären. Das erste Ziel des Ammoniakpro-

jekts, das von Prof. Samuel Kohler geleitet

wird, ist es, zu verstehen, welcher Belas-

tung ein Kalb im Stall überhaupt aus-

gesetzt ist: über einen Tag hinweg und

im Laufe seines Lebens. Dann geht es

auch darum, die Wirkung des Ammoni-

aks zu verstehen und seine Entstehung

mit optimiertem Stallmanagement zu

reduzieren. „Die Kälber sollen in einer

Umgebung aufwachsen, in der sie gesund

bleiben“, sagt Prof. Kohler.

Wie viel ist genug?Die Forscher erheben ihre Messungen

in einem Versuchsstall in der Nähe von

Lenzburg, einer kleinen Stadt im Kan-

ton Aargau. Er gehört dem Futtermittel-

hersteller Ufa. Darin leben immer zwei

Kälbergruppen von jeweils 36 Tieren.

Sie werden gleichzeitig eingestallt und

auch zur Schlachtung gebracht. Die toxi-

sche Wirkung von Ammoniak auf Mensch

und Tier ist grundsätzlich seit Langem

bekannt. In der chemischen Indust-

rie gibt es einen Grenzwert: 20 ppm

(parts per million). Das ist die höchste

Konzentration, der Menschen während

der Arbeit ausgesetzt sein dürfen – acht

Stunden am Tag, fünf Tage in der Woche.

Auslauf: In dem Versuchsstall, im

Schweizer Kanton Aargau, können

die Kälber (hier: im Alter von rund einem

Monat) auch nach draußen gehen

49DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

TIERHALTUNG LANDWIRTSCHAFT

Kooperation: Dräger sorgt für die Messtechnik im Stall

Ammoniak war bisher die große Unbekannteim Stall

50 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Für Tiere hat man in Deutschland den-

selben Grenzwert festgelegt. In der

Schweiz ist man strenger – dort empfeh-

len die Aufsichtsbehörden einen Grenz-

wert von 10 ppm im Stall. Allerdings sei

dieser willkürlich festgelegt, kritisieren

die Schweizer Forscher, und gelte nur all-

gemein für die Luft im Stall. Es ist also

nicht definiert, wie viel Ammoniak ein

Kalb tatsächlich einatmen darf, was sich

bislang auch nicht überprüfen ließ. Land-

wirte und Kontrolleure verlassen sich in

der Regel auf ihre Nase. Erst wenn der

Geruch als auffällig streng und unan-

genehm wahrgenommen wird, kommt

ein Messgerät zum Einsatz. Das bleibt

allerdings meist in der Hand eines Men-

schen und kann so wenig über die Dosis

aussagen, die in der Lunge eines Kalbs

ankommt, wenn es in der anderen Ecke

des Stalls mit seiner Nase über dem mist-

bedeckten Boden liegt.

Im Frühjahr 2018 haben die Schwei-

zer Forscher gemeinsam mit Dräger

getestet, ob sich mit dem Sensor erfas-

sen lässt, wie viel Ammoniak ein Kalb im

Stall tatsächlich einatmet. Sie streiften

den Tieren Fohlenhalfter über, an denen

ein Messgerät befestigt war – bestückt mit

einer miniaturisierten Version des Ammo-

niaksensors als Prototyp. Auch wenn die

Daten zunächst der Vorbereitung zu einer

wissenschaftlichen Studie dienen, zeig-

te sich bereits, dass die gemessene Belas-

tung der Kälber stark schwankte, wäh-

rend die Ammoniakwerte fest installierter

Messköpfe im Stall unter den Grenzwer-

ten blieben. Auch die Geräte müssen eini-

ges mitmachen. Die Kälber reiben sich

an ihnen oder knabbern und saugen dar-

an. Ende 2018 wollen die Wissenschaftler

erste systematische Messungen durchfüh-

ren. Dabei sollen die Tiere noch einen

zweiten Sensor tragen, der laufend ihren

Aufenthaltsort anzeigt. Steht das Tier

gerade an der Tränke, schläft es in der

Ecke, oder ist es draußen im Auslauf? All

das beeinflusst die Ammoniakbelastung.

Regelmäßige FrischluftzufuhrMan könnte meinen, das Ammoniakpro-

blem ließe sich leicht lösen: Fenster ein-

fach auf Durchzug! Doch so einfach ist

es nicht. Mastkälber werden meist in

geschlossener Haltung großgezogen, mög-

lichst abgeschirmt von Keimen und ande-

ren Umwelteinflüssen. Außerdem würden

offene Fenster im Winter die Tempera-

tur im Stall zu sehr senken – die Kälber

brauchen Wärme, um schnell heranzu-

wachsen. Gleichzeitig stehen sie stän-

dig auf einer immer größer werdenden

Mistschicht. Es wird immer wieder Stroh

nachgelegt und nur etwa alle zwei Mona-

te ausgemistet. „Tiefstreu“ heißt dieses

Prinzip. Andere Ställe wiederum sind mit

perforierten Böden ausgestattet. Aber das

ändert wenig an der Ammoniakbelastung,

denn dann liegt der Mist nur eine Etage

tiefer. „Das bedeutet, dass hohe Emissi-

onen aus der Fermentierung des Mists

in die Stallluft gelangen“, sagt Markus

Sax. Deshalb brauchen die Tiere stän-

dig Frischluftzufuhr. So gesehen ist die

Lüftung im Kälberstall eine sehr sensib-

le Angelegenheit. Der Betriebsleiter will

sie so justieren, dass die Tiere bestmög-

liche Wachstumsbedingungen bei mög-

lichst geringem Infektionsrisiko haben.

Zum Standard gehören seit Jahren hoch

technisierte, computergesteuerte Lüf-

tungssysteme, die in ihren Steuerrou-

tinen Parameter wie Temperatur, Luft-

feuchtigkeit und den Kohlendioxidgehalt

berücksichtigen. „Nun wollen wir hier

auch die Ammoniakkonzentration ein-

bringen“, sagt Sax.

Es wäre bereits ein erster Erfolg, wenn

das Schweizer Projekt dabei helfen könn-

te, die bestehenden Ammoniakgrenzwerte

in den Ställen einzuhalten. Doch es kann

noch mehr leisten – und den Einfluss des

Ammoniaks auf den Organismus der Tie-

re verständlicher machen. „Es ist klar,

dass Ammoniak ein wichtiger Faktor für

die Gesundheit der Kälber ist, aber zu den

genauen Aus- und Wechselwirkungen (in

Verbindung mit der Stallumgebung) gibt

es noch keine eindeutigen Ergebnisse“,

sagt die am Projekt beteiligte Agrarwissen-

schaftlerin Marion Zumbrunnen. Manche

Forscher vermuten, dass schon Konzentra-

tionen deutlich unter den geltenden Grenz-

werten erhebliche Gesundheitsrisiken ber-

gen. So könnten die Messungen letztlich

auch zu aussagekräftigeren Grenzwerten

führen. An einem besseren Klima in Käl-

berställen sollte allen gelegen sein – auch

denen, die nie einen betreten.

Der Ammoniakgehalt schwankt viel stärker als gedacht

Widerspenstige Keime:Was haben Tierställe mit Krankenhäusern zu tun? Mehr, als man denken könnte. www.draeger.com/404-50

51DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

TIERHALTUNG LANDWIRTSCHAFT

Gut für Mensch und Tier: Weniger Ammoniak im Stall bedeutet auch einen geringeren Verbrauch an Antibiotika – und damit weniger resisten-te Keime

Feintuning: Die Forscher testen, wie sich die mobilen Geräte samt Ammoniak-sensoren (oben und unten) gut an den Kälbern befestigen lassen; aber auch, wo man die stationären Messköpfe (Typ: Dräger Polytron C300; mittleres Bild) im Stall am besten positioniert

52 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Der ewig illuminierte Seemann des Dichters Joachim Ringelnatz ist nur noch Legende. Die Schifffahrt ist ein nüchternes Gewerbe geworden, der GENUSS VON ALKOHOL UND DROGEN meist nicht nur an Bord, sondern auch an Land untersagt. Für die Kontrolle des Verbots ist der Reeder verantwortlich.

Text: Constanze Sanders

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Havarie vor schottischer Westküste: Einen halben Liter Rum intus, anschließend zum Dienst auf die Brücke – dem Untersuchungsbericht zufolge war ein betrunkener Seemann für die Havarie dieses Frachters im Februar 2015 verantwortlich

Als das britische Frachtschiff Lysblink Seaways auf dem Weg nach Norwegen in

den frühen Morgenstunden des 18. Feb-

ruar 2015 auf die Felsen an der Westküste

Schottlands kracht, ist der wachhabende

Erste Offizier eingeschlafen. Nach einem

halben Liter Rum hatte er bei Dienstbe-

ginn vergessen, die Sicherheitssysteme der

Navigation zu aktivieren. Die von der Ree-

derei vorgeschriebene Atemalkoholkon-

trolle durch den Kapitän ergibt drei Stun-

den später einen Wert von 2,71 mg/l. Der

Kapitän und Zweite Offizier sind nüch-

tern. Der Wachoffizier wird gefeuert, das

Schiff nach der Bergung verschrottet –

menschliches Versagen, auf das mehr als

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Auf dem

SCHIFFFAHRT PANORAMA

53DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Trockenen

SCHIFFFAHRT PANORAMA

80 bis 90 Prozent aller Seeunfälle zurück-

gehen. Alkoholkonsum zählt als Ursache

zwar dazu, hat aber einen geringen Anteil.

Und doch: Wenn ein Verantwortlicher auf

der Brücke betrunken war, bestätigt dies

scheinbar ausschweifende Trinkrituale

auf den Weltmeeren. Aber es ist oft nicht

anders als an Land, selbst wenn auf Han-

delsschiffen in der Freizeit gern Alkohol

konsumiert wird. Die berüchtigte Äquator-

taufe oder Dauerpartys in der Messe gehö-

ren jedoch der Vergangenheit an.

Seeleute arbeiten in einem Stress-

beruf, der risikoreich bleibt, obwohl die

Sicherheitsstandards in den letzten Jahr-

zehnten deutlich erhöht wurden. Schiffs-

besatzungen gehören, aufgrund der

ein Bereich ist so stark reglementiert und

überwacht wie das Leben an Bord. Der

International Safety Management (ISM)

Code verpflichtet jeden Schiffseigentü-

mer, Manager oder Charterer zu einem

Safety Management System (SMS) – für

einen sicheren Schiffsbetrieb. Dazu gehört

auch eine Betriebsvereinbarung über den

Umgang mit Alkohol und Drogen. Der Ree-

der muss dafür sorgen, dass sie eingehalten

wird. Jeder, der auf einem Schiff arbeiten

will, braucht ein Seediensttauglichkeits-

zeugnis. Das Suchtverhalten ist fester

Bestandteil der dafür mindestens alle zwei

Jahre notwendigen seeärztlichen Checks.

Von 2009 bis 2015 wurden jährlich rund

20.000 Seeleute untersucht, dabei fielen

hohen Belastung, zu den Berufsgruppen

mit erhöhter Suchtgefährdung. „Alko-

hol betäubt schnell das Leid im Job und

dämpft den Übergang vom Arbeits- zum

Privatleben“, sagt die Harvard-Soziolo-

gin Cassandra Okechukwu. Dafür gibt es

in der globalen Handelsflotte allerdings

wenig Spielraum. Manche Raucherlounge

an Bord ist inzwischen zu einer staubigen

Kammer verkommen, denn immer mehr

Reedereien setzen auf eine Dry Ship Poli-cy und verbieten Alkohol ganz. Dann sit-

zen die Seeleute sogar bei Landgängen auf

dem Trockenen.

Zehntausende Schiffe sind auf den

Ozeanen unterwegs, mehr oder weniger

unbeachtet vom Rest der Welt. Doch kaum

54 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

im Schnitt drei Prozent durch. „Sucht-

erkrankungen spielten allerdings nur eine

untergeordnete Rolle“, sagt Dr. Philipp Lan-

genbuch, Leiter des Seeärztlichen Dienstes

bei der Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr.

„Pro Jahr fanden wir 40 Suchtkranke, 24

davon waren alkoholabhängig.“ Letztere

stellen somit gerade mal 0,12 Prozent der

Untersuchten. Fast zwei Millionen Seeleu-

te weltweit sorgen Tag und Nacht dafür,

dass Mannschaft, Schiff und Ladung sicher

ihren Bestimmungshafen erreichen. Tan-

ker, Massengutfrachter, Stückgut- und Con-

tainerschiffe transportieren Handelsgüter

im schnellen Takt um den Globus. Ohne

sie gäbe es keine billigen Konsumgüter,

Nahrungsmittel oder Rohstoffe. „Es gibt

Arbeitszeitregeln, aber zu bestimmten Zei-

ten kann ich einfach keine Pause machen“,

sagt der Kapitän eines Containerschiffs mit

40 Jahren Berufserfahrung. Das gelte auch

für die Mannschaft.

Kontrollen auf See und in HäfenAuf allen Weltmeeren gilt seit dem 1. Janu-

ar 2017 ein Grenzwert von 0,25 mg/l Atem-

alkohol, das entspricht 0,5 Promille im

Blut. Auf Tankern und Gefahrgutschif-

fen ist Alkohol seit Langem tabu. „Die gül-

tigen internationalen Vorschriften ver-

langen eine wirksame Prävention mit

klaren Grenzwerten, Toleranzen und

vorgeschriebenen Testgeräten“, erläutert

Dr. Stefan Steinmeyer, bei Dräger unter

anderem zuständig für das Thema Alko-

hol- und Drogennachweis. „Zufallskon-

trollen müssen eingeplant und dabei die

Intimsphäre der Testpersonen gewahrt

werden.“ Auch in Häfen wird kontrol-

liert. So erhält jedes ankommende See-

schiff in Hamburg Besuch von der Was-

serschutzpolizei. „Wir gehen so schnell

wie möglich an Bord, damit wir noch

den Zustand vorfinden, wie er beim Anle-

gen war“, sagt Ulf Petereit, Chefermitt-

ler am Wasserschutzpolizeikommissa-

riat 1 (WSPK 1) in Hamburg-Waltershof.

Die augenscheinliche Überprüfung auf

Alkohol- und Drogenkonsum gehört bei

jeder Einklarierung dazu. Falls erforder-

lich, offerieren die Beamten zudem eine

Atemalkoholkontrolle auf freiwilliger Basis:

„Fast alle nehmen an“, sagt Petereit. Auf

See sorgt die soziale Kontrolle dafür, dass

jeder handlungsfähig bleibt. Dort wird jede

Hand gebraucht, wenn gerade mal 20 See-

leute ein 300-Meter-Containerschiff mit

14 Meter Tiefgang auf Kurs halten müs-

sen: ein stampfendes Kraftwerk mit Tau-

senden Pferdestärken, das nach klaren

Gesetzen funktioniert. „Wir alle wollen

heil nach Hause kommen“, sagt ein See-

mann. „Wenn es jemand mit Schnaps oder

Marihuana übertreibt, wird er von Kolle-

gen angesprochen.“ Das Bewusstsein einer

Gefahrengemeinschaft prägt das Leben in

Wind und Wellen. Viele Fahrensleute ver-

bringen häufig sechs Monate am Stück auf

See oder mehr. „In drei Monaten war ich

vielleicht dreimal für ein paar Stunden an

Land“, berichtet der Kapitän eines ande-

ren Containerschiffs im Umlauf zwischen

Nordeuropa und Südamerika. Muße für

Landgänge bleibt da kaum. In nur 36 Stun-

den ist ein Mega-Carrier in Hamburg abge-

fertigt und hat dann umgerechnet etwa

6.500 Standardcontainer umgeschlagen.

So ein Schiff ist ein intensiver Arbeits-

platz, dem man auch in der Freizeit nicht

entfliehen kann. Es bietet wenig Heimat,

und jede Crew ist anders: Ständig wech-

selnde Nationen, Mentalitäten und Kul-

turen treffen hier aufeinander. Das alles

erzeugt Stress. Über viele Monate – auf

engem, schwankendem Raum, 24 Stun-

den am Tag – miteinander auskommen

zu müssen kann zu Konflikten führen,

mit Stresssymptomen wie Schlaflosigkeit,

Frustration oder genereller Erschöpfung.

Gefährlicher Arbeitsplatz Ozean

Hoher Besuch: Jedes ankommende Seeschiff wird in Hamburg von der Wasser-schutzpolizei kontrolliert – die augenscheinliche Überprüfung auf Alkohol- und Drogenkonsum gehört bei jeder Einklarierung dazu

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55DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

„Das Problem ist die Isolation“, sagt Lan-

genbuch von der BG Verkehr. „Die Seeleu-

te leben ohne Verbindung zu ihren Fami-

lien, Ehefrauen und Kindern.“ Wenn die

Küste am Horizont verschwindet, ist es mit

dem Handynetz meist vorbei. Der Ozean

ist ein riesiges Funkloch für jene, die sich

ein Satellitentelefon nicht leisten können.

Als Frachtschiffe noch segelten, flossen

hochprozentige Seelentröster in Strömen –

aus Langeweile, aber auch aus Gründen

der Gesundheit. Rum war über Jahrhun-

derte die bessere Alternative zum Trink-

wasser, das vor Madagaskar in den Kesseln

faulte. Zudem galt er als Arznei gegen Skor-

but. Die Mangelkrankheit und verdorbe-

ne Verpflegung rafften ganze Mannschaf-

ten hin, bis Captain James Cook seinen

Männern im 18. Jahrhundert Sauerkraut

vorsetzte. Das darin enthaltene Vitamin C

besiegte die Seemannspein und vermassel-

te das Alibi für den Rumrausch. Doch nicht

nur „Kuttel Daddeldu“ des seeerfahrenen

Dichters Joachim Ringelnatz blieb weiter-

hin angeheitert. Bis in die zweite Hälfte

des 20. Jahrhunderts „waren die Seeleute

darauf aus, ihren vielfältigen Schmerz zu

lindern“, erinnert sich ein weiterer Kapi-

tän. „Wein, Weib und Gesang waren hier-

für probate Mittel. Solange wenigstens der

Wachoffizier auf der Brücke seinen Ver-

stand halbwegs beisammen hatte, bestand

auf den Weiten der Meere keine wirkliche

Gefahr.“ Rapide Wetterwechsel und Pirate-

rie machten den Ozean jedoch zu einem

der gefährlichsten Arbeitsplätze der Welt.

Jedes Jahr verlieren rund 2.000 Seeleute

ihr Leben. Im vorvergangenen Jahr ereig-

neten sich 2.611 Unfälle, 85 Schiffe san-

ken. Der größte Teil der Unfälle geschieht

bei Schlechtwetter. Dank moderner Kom-

munikationstechnik und ausgefeilten Ret-

tungsdiensten kommt Hilfe heute verhält-

nismäßig schnell an Bord.

Seeleute einer neuen GenerationMenschliches Versagen bleibt indes das

größte Risiko. Crewing-Agenturen, die

das Personal für die weltweite Handels-

flotte anheuern, gelten als erste Front

gegen Alkoholmissbrauch auf See. Allein

in Manila gibt es Hunderte dieser Arbeits-

vermittler. Fast eine halbe Million Philip-

piner sind auf den Ozeanen unterwegs,

rund ein Viertel der Fahrensleute welt-

weit; die meisten weit weg von zu Hause,

wohin sie jährlich Milliarden US-Dollar

an ihre Familien überweisen. Obwohl der

Genuss von Alkohol in ihrer Heimat eine

ähnliche Rolle spielt wie in anderen Län-

dern, trinken Philippiner häufig weniger.

Die Zurückhaltung erklärt eine Studie mit

ihrem gesellschaftlich anerkannten Status

als Familienabgesandte und Versorger. In

ihrer Mannschaftsmesse steht fast immer

ein Gerät für Karaoke, ein Nationalsport,

bei dem sie spürbaren Ehrgeiz entwickeln.

Gesungen wird alles, was je die Popcharts

erobert hat – mal mit, aber eben auch

ohne Alkohol. „Es gibt eine neue Gene-

ration von Seeleuten“, hat Wasserschutz-

polizist Ulf Petereit mit seinen Kollegen

bei der grenzpolizeilichen Ausgangskont-

rolle beobachtet, ohne die kein Schiff den

Hamburger Hafen verlassen darf. „Diese

Generation denkt anders und trinkt weni-

ger.“ Sein geübter Blick erkennt rasch,

wenn jemand alkoholisiert ist. „Doch Pro-

bleme sind äußerst selten“, sagt Petereit

mit seinen 20 Jahren Berufserfahrung.

Seemann ist heute ein einsamer Beruf.

Was aber kann ihn glücklich machen? Vor

allem ein Internetzugang auf dem Schiff

für den Kontakt zur Familie. Die maritime

Industrie hat dieses Problem erkannt und

sorgt verstärkt für attraktive Freizeit- und

Sportangebote. Entspannende Unterhal-

tung und Ausgleich sind kein Luxus mehr,

sondern Notwendigkeit und locken zudem

qualifiziertes Personal. Eine gut ausgestat-

tete Lounge hält die Besatzung zusammen.

In der Kaffeepause oder nach dem Abend-

essen werden gemeinsam Filme geschaut

oder Karten gespielt. Ein Schiff, das einen

guten Koch hat und Geburtstage, Weih-

nachten und Neujahr feiert, ist ein gutes

Schiff. Wenn die Firmenpolitik es erlaubt,

gibt es dabei auch mal Bier, Wein oder Spi-

rits. Vier Stunden vor Dienstbeginn dür-

fen jedoch generell nur Softdrinks ein-

geschenkt werden. Die meisten Schiffe

führen Testgeräte wie das Dräger Alcotest

5820 mit, sodass jedes Crew-Mitglied jeder-

zeit überprüft werden kann. Auf immer

mehr Schiffen gilt die 0,0-Promille-Grenze.

„Kapitäne sind dazu verpflichtet, Zufalls-

kontrollen durchzuführen“, weiß Schiff-

fahrtsermittler Petereit. „Das Ergebnis

wird dokumentiert und der Reederei vor-

gelegt, um zu zeigen, welche Maßnahmen

an Bord ergriffen wurden.“ Das letzte Wort

hat allerdings immer der Kapitän. Er kann

alkoholische Getränke selbst dann verbie-

ten, wenn die Reederei sie erlaubt.

0,0 Promille: Auf vielen Schiffen findet man heute Messgeräte wie dieses (Typ: Dräger Alcotest 5820). An Bord ist das Thema „Alkohol am Steuer“ meist mit einer „Nulltoleranz“ geregelt

56 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

In der indischen Metropole Hyderabad soll die weltweit größte SPEZIALKLINIK FÜR GASTROENTEROLOGIE entstehen – und den Mangel an Fachärzten auf dem Subkontinent lindern.

Text: Mathias Peer Fotos: Harsha Vadlamani

Für seinen Termin ist Mehabub Hal-

der* weit gereist. 26 Stunden saß der Mann

aus Kalkutta im Zug, bevor er die südin-

dische Metropole Hyderabad erreichte.

Hier arbeitet Dr. Nageshwar Reddy, einer

von Indiens derzeit gefragtesten Fachärz-

ten bei Problemen mit Magen, Darm und

Leber. Halder hat seit Jahren eine merk-

würdige Schwellung im Bauch, die er

untersuchen lassen möchte. Er ist sich

sicher: Hier wird ihm geholfen.

Es ist Dienstagmorgen in Hitec City,

einem Stadtteil in Hyderabad, wo sich

auch internationale Konzerne wie Ama-

zon, IBM und Deloitte angesiedelt haben.

Halders Ziel: der dunkelgraue neunstöcki-

ge Bau neben der Stadtautobahn. Auf den

ersten Blick könnte es sich um eines der

modernen Einkaufszentren handeln, die

in Indiens Metropolen zunehmend um

die zahlungskräftige Mittelschicht buh-

len. Am Eingang schiebt sich eine auto-

matische Glastür beiseite, am Sicherheits-

check durchleuchtet ein Wachmann das

Gepäck. Dahinter öffnet sich eine weit-

läufige Halle mit Marmorböden und Roll-

treppen. Am anderen Ende leuchtet das

goldfarbene Logo des Hauses: AIG. Die

drei Buchstaben stehen für Asian Insti-

F

Die Rekordjagd

des Doktor Reddy

tute of Gastroenterology, eine Spezial-

klinik für Patienten mit Beschwerden im

Verdauungstrakt. Dr. Nageshwar Reddy,

der Gründer des Krankenhauses, verfolgt

mit seiner Einrichtung ambitionierte Plä-

ne: Sie soll nach dem Willen des 62-Jähri-

gen nicht nur eine der führenden Privat-

kliniken Indiens werden, sondern auch

das größte – auf Gastroenterologie spezia-

lisierte – Krankenhaus der Welt.

Rund 70.000 EndoskopienDr. Reddy hat Erfahrung damit, sich um

eine große Zahl von Menschen zu küm-

mern – seit mehr als drei Jahrzehnten

Begehrt: Dr. Nageshwar Reddy zählt zu den gefragtesten Gastroenterologen Indiens. Die Wartezeit für einen Termin bei ihm beträgt mehrere Monate

XXL-Dimensionen: In der Empfangshalle, in die auch ein mittelgroßer Bahnhof passen würde, wirkt man leicht verloren

* Name geändert

57DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

ASIEN MEDIZINISCHE VERSORGUNG

praktiziert er in Hyderabad. Sein guter

Ruf beschert ihm Patienten aus ganz

Indien und den Nachbarstaaten. In sei-

ner ersten Klinik, die im Stadtzentrum

in der Nähe des herzförmigen Hussain-

Sagar-Sees liegt, behandelten er und sein

Team zuletzt mehr als 100.000 Patienten

im Jahr und führten dabei rund 70.000

Endoskopien durch. Bei der Zahl dieser

jährlichen ERCP-Untersuchungen hält die

Klinik nach eigenen Angaben den Weltre-

kord. Und weil nicht mehr genug Platz

für alle Patienten ist, versucht es Dr. Red-

dy mit dem Neubau in Hitec City jetzt eine

Nummer größer. Es soll sein Lebenswerk

in eine neue Dimension heben: Rund

eine halbe Million Patienten könnte man

hier jedes Jahr behandeln. Ganz fertig ist

die Großklinik im August 2018 allerdings

noch nicht, unausgepackte Kartons stehen

noch neben einem der Eingänge. Wo künf-

tig Deckenversorgungseinheiten hängen

sollen, ragen noch Kabel heraus, und das

Dröhnen der Bohrmaschinen unterbricht

immer wieder die sonstige Ruhe. Auch die

Operationssäle und Intensivstationen sind

noch nicht in Betrieb. Reddy will keine

Zeit verlieren. Die ersten Patienten emp-

fängt er seit ein paar Wochen. Mit dem

so genannten Soft-Launch will er die Abläu-

fe testen – und sicherstellen, dass sein

Krankenhaus dem erwarteten Ansturm

standhält. Im weißen Kittel schreitet Red-

dy mit einer Besuchergruppe die Flure ab.

Es knistert ein wenig, die Schuhe sind aus

Hygienegründen in blaue Plastikfolie ein-

gehüllt. Reddy stoppt an einer Fensterfas-

sade und deutet auf die Bauarbeiten im

Innenhof: „Hier entstehen hängende Gär-

ten.“ Es sei ihm wichtig, den Patienten von

ihren Zimmern aus einen Blick ins Grüne

zu bieten. Von fast jedem Krankenbett ist

Tageslicht zu sehen. „Ich habe mehr als

500 Krankenhäuser rund um den Globus

besichtigt und bin sehr zufrieden mit dem,

58 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Operation „Blau“: Die Lichtverhältnisse in den Behandlungsräumen erleichtern es den Ärzten, sich auf die Monitore zu konzentrieren. Die Temperatur lässt sich mithilfe eines Spracherkennungssystems steuern. Neben dem Gas Management Systemstammt auch ein großer Teil der Ausstattung (unten) von Dräger

ASIEN MEDIZINISCHE VERSORGUNG

59DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

was uns hier gelungen ist“, sagt er. „Wir

haben eine Infrastruktur geschaffen, die

zu den besten der Welt zählt.“ 800 Betten,

20 Endoskopieräume, 16 Operationssäle –

so groß ist die Kapazität laut Dr. Reddy in

keiner anderen Spezialklinik auf diesem

Gebiet. „Auf Platz zwei liegt ein Kranken-

haus in China mit 400 Betten.“

Arzt und UnternehmerDie Ausrüstung der Räume würde man

eher in Science-Fiction-Filmen vermu-

ten: Um einzutreten, halten die Ärzte

ihre Hand vor einen Sensor. Ohne jede

Berührung öffnet sich die große Stahltür.

Der Endoskopieraum erstrahlt in blauem

Licht – das soll den Ärzten während der

Untersuchung den Blick auf die Monito-

re erleichtern. Licht und Temperatur

können die Mediziner per Sprachsteue-

rung ändern. Über ein in die Wand einge-

lassenes Terminal mit Touchscreen und

USB-Anschluss lässt sich während der OP

auch Musik über die Lautsprecheranlage

abspielen. Das Gas Management System,

das wie ein großer Teil der Ausstattung von

Dräger stammt, stellt medizinische Gase

bereit. Auf einem Flachbildschirm ist das

Bild einer Endoskopiekamera in 4K-Quali-

tät zu sehen. Gleichzeitig richtet sich eine

weitere Kamera mit eingebautem Mikro-

fon auf den Arzt. Die Untersuchungen und

Eingriffe können somit live – auf Konfe-

renzen oder für Studenten im Nebenraum

– übertragen und kommentiert werden.

Für Dr. Reddy markiert das Projekt den

Höhepunkt seiner Karriere, die ihn nicht

nur zum gefragten Mediziner, sondern

auch zu einem Unternehmer machte.

Der Mann, den man schon aus der Ferne

an seinem dunklen, buschigen Schnurr-

bart erkennt, ist in einer Arztfamilie auf-

gewachsen. Sein Großvater und sein Vater

waren Professoren für Pathologie. Reddy

sagt, er habe schon als Kind gewusst, dass

er Arzt werden will. Er entschied sich für

die therapeutische Endoskopie als Spezial-

gebiet und kam in den 1980er-Jahren nach

Hamburg, um seine Kenntnisse zu vertie-

fen. An Deutschland gefiel ihm, dass es auf

den Straßen – im Vergleich zu Indien – so

viel ruhiger zugeht. Nur die Wochenen-

den konnte er nicht leiden, weil dann alle

Läden geschlossen hatten. Er war beein-

druckt von der Präzision der Ärzte und

der effizienten medizinischen Versor-

gung. Zurück in Indien fand er eine ganz

andere Situation vor: Gerade einmal 100

Gastroenterologen gab es damals in sei-

nem Land. Reddy sah in der Unterversor-

gung ein gewaltiges Problem, das bis heu-

te nicht gelöst ist. Die Zahl der Fachärzte

auf diesem Gebiet stieg zwar auf 3.000,

doch allein Japan habe zehnmal mehr,

obwohl die Bevölkerung des Landes nur

einem Zehntel Indiens entspricht, sagt er.

Krankheiten im Verdauungstrakt sind

in Indien weit verbreitet. Die Gründe dafür

sind vielfältig: verschmutztes Trinkwasser,

unhygienisch zubereitetes Essen, geneti-

sche Veranlagung – aber auch der wirt-

schaftliche Aufstieg des Landes. Mit der

stark wachsenden Mittelschicht nehmen

auch Probleme wie Übergewicht zu, was zu

einer Fettleber führen kann. Reddy schätzt,

dass 30 Prozent der Inder unter gastrointes-

tinalen Krankheiten leiden – das wären 400

Millionen Menschen. „Um alle behandeln

zu können, bräuchten wir mindestens 100

Krankenhäuser wie dieses hier“, sagt er.

Für Patienten wie Mehabub Halder macht

es der Mangel an Spezialisten schwierig, zu

einer optimalen Behandlung zu kommen.

Halder kommt mit einer grauen Stoff hose,

kurzärmeligen Hemd und Sandalen ohne

Socken in die Klinik. Er ist auffällig schmal.

Seine Krankenakte hat er sich unter die

Achsel geklemmt. In der noch weitgehend

leeren Empfangshalle, in die auch ein mit-

telgroßer Bahnhof passen würde, wirken

Männer wie er leicht verloren. Mitarbei-

terinnen von der Patientenaufnahme ver-

suchen den Neuankömmlingen die Scheu

zu nehmen. Sie gehen von ihrem Schal-

ter direkt auf die Patienten zu und erklä-

ren ihnen, wie es weitergeht. Nach einer

ersten Untersuchung, Blutabnahme und

Labortests kommt Halder ins Zimmer sei-

nes Facharztes, Leberspezialist Dr. Naga-

raja Rao Padaki. Halder zieht die Sandalen

und das Hemd aus. Der Chefarzt tastet mit

der Hand über die Schwellung, die Halder

seit Langem beschäftigt. „Keine Schmer-

zen?“, fragt er. Halder verneint leise. In der

Krankenakte liest der Arzt von blockierten

Blutgefäßen – offenbar der Grund für die

Auf Herz und Nieren:

Dr. Nagaraja Rao Padaki untersucht

einen Patienten, der über Bauchbe-

schwerden klagt. Er verordnet eine

proteinhaltige Diät

Abläufe testen im Soft-Launch-Betrieb

MEDIZINISCHE VERSORGUNG ASIEN

60 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

vergrößerte Milz und den wenig robusten

Körperbau seines Patienten. Dr. Padaki hält

die Lage für beherrschbar. Ein Eingriff ist

aus seiner Sicht derzeit nicht nötig. Er ver-

ordnet eine proteinhaltige Diät, um den

Patienten zu stärken. Folge untersuchung

in einem Jahr. „Anderswo würde man viel-

leicht nach sechs Monaten wieder nach-

sehen“, sagt er. Er müsse aber praktika-

bel bleiben. „Die Menschen hier können

nicht alle paar Monate durchs halbe Land

fahren.“

Halder arbeitet in Kalkutta bei einem

Outsourcingunternehmen, das Geschäfts-

prozesse wie das Personalwesen oder

die Logistik für andere Firmen erledigt.

Es ist ein guter Job, der es ihm erlaubt,

Geld für seine Gesundheit auszugeben.

20.000 Rupien, umgerechnet 250 Euro,

hat er für den Arztbesuch im 1.500 Kilo-

meter entfernten Hyderabad angespart –

inklusive der Reisekosten und Übernach-

tungen im Hotel. Wenig Geld ist das auch

für ihn nicht. Der Betrag entspricht in

Kalkutta einem üblichen Monatsgehalt

in seiner Branche. Viele der Patienten

im AIG-Hospital haben keine Kranken-

versicherung, die ihre Behandlungskos-

ten abdeckt. Klinikchef Reddy legt des-

halb nicht nur Wert auf hohe Qualität.

Die Behandlung muss auch bezahlbar

sein. Eine effiziente Auslastung der Groß-

einrichtung soll das ermöglichen. Weil er

hier sehr viele Patienten behandeln kann,

sinkt der Durchschnittspreis. Mit den Kos-

ten wirbt die Klinik offensiv. Neben dem

Eingang hängt ein Poster, das eine Leber-

untersuchung anpreist: ,Derzeit nur 2.500

statt sonst 5.740 Rupien!‘ Für die reine

Konsultation bei einem Arzt verlangt das

Krankenhaus lediglich 300 Rupien, rund

3,80 Euro – ganz gleich, ob ein junger

Kollege oder der Klinikchef den Patienten

behandelt.

Bedürftige kostenfrei behandelnDie Chefarztbehandlung ist dementspre-

chend populär: In Internetforen erkundi-

gen sich Patienten, wie sie einen Termin

bei Dr. Reddy ergattern können. Die War-

tezeit beträgt drei Monate, teilt das Kran-

kenhaus mit. Auch Prominente und Poli-

tiker wünschen sich, dass er sich um sie

kümmert. Der indische Vizepräsident Ven-

kaiah Naidu war einer der ersten VIPs, der

sich im AIG-Neubau von ihm untersuchen

ließ. Hinterher veröffentlichte er ein Bild

auf seinem Twitter-Kanal, das ihn neben

Reddy zeigt. „Ich war schon in vielen

Krankenhäusern dieser Welt“, schrieb er,

„aber das hier ist mit seiner hochmoder-

nen In frastruktur wirklich he rausragend.“

Der Vizepräsident kam mit mehreren Dut-

zend Polizisten zu seinem Arzttermin.

Damit sich die Sicherheitsanforderungen

für prominente Patienten leichter umset-

zen lassen, bekommen sie künftig einen

eigenen Eingang. Wohlhabende Patienten

ins Haus zu bekommen ist entscheidend

für den wirtschaftlichen Erfolg des Kran-

kenhauses: Sie bekommen zwar die glei-

chen medizinischen Leistungen wie jeder

andere, zahlen aber extra für den Komfort.

Das ermöglicht der Klinik, Bedürftige kos-

tenfrei zu behandeln – im Krankenhaus

selbst oder mit mobilen Behandlungs-

zentren, die AIG in Dörfer mit schlech-

ter Gesundheitsversorgung schickt. Mehr

als zehn Millionen Patienten haben so

bereits eine Gratisbehandlung von Reddy

und seinem Team bekommen. Der Klinik-

gründer beschreibt sich selbst als linken,

etwas sozialistisch angehauchten Men-

schen. Den Erfolg seines Unternehmens

wolle er nicht am Profit messen, sondern

daran, dass er möglichst viele Menschen

erreicht. „Ich behandle lieber die Armen

als die Reichen“, sagt er. Arme Patienten

seien besonders dankbar.

Zur Arbeit mit ihnen kommt Reddy der-

zeit weniger, als ihm lieb ist. Noch vor der

Tür zum Endoskopieraum stoppt ihn ein

Assistent mit einem Stapel Dokumente. Sie

müssten unterschrieben werden. Wenig

später passt ihn zwischen zwei Terminen

eine junge Frau ab, die sich um einen Job

bewerben möchte. Der Klinikchef hält ein

spontanes Vorstellungsgespräch. Jeder

will etwas von ihm, nur selten reicht die

Zeit für alle. Dabei pflegt Reddy bereits

seit Jahren einen 18-Stunden-Arbeitstag.

Für seinen Einsatz habe er einen hohen

Preis bezahlt: Für die Familie sei kaum

Zeit geblieben. Seine Frau, eine Derma-

tologin, und seine inzwischen erwachse-

ne Tochter hätten ihn aber immer unter-

stützt. Sie wissen: „Um etwas zu erreichen,

muss man auch etwas opfern.“

Offensive Werbung mit den Kosten

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Moderner Neubau: Das Asian Institute of Gastroenterology (AIG) befindet sich in guter Nachbarschaft. Das neunstöckige Gebäude liegt zwischen den Bürohochhäusern internationaler Konzerne im Stadtteil Hitec City, in Hyderabad

ASIEN MEDIZINISCHE VERSORGUNG

61

Lichte Momente: In den meisten Zimmern gibt es Tageslicht.

Das soll den Aufenthalt für Patienten angenehmer gestalten

Hyderabad liegt mitten in Indien, in jeder Hinsicht. Mit annähernd sieben Millionen Einwohnern ist sie die viertgrößte Stadt des Landes. Sie gilt als eines der Zentren für Biotechnologie und Pharmaindustrie. Der Nordwesten wird auch Cyberabad genannt

DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

* Name geändert

62 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

ZZwei Uhr mittags, nahe Kabul. Der

Sommer zeigt sich von seiner brutalen

Seite: knapp 40 Grad, es weht ein leich-

ter Wind. Im Beobachtungsfahrzeug ist es

kaum noch auszuhalten. 58,4 Grad Cel-

sius. Die vier deutschen Soldaten verhal-

ten sich ruhig, doch die Anspannung ist

ihnen anzusehen. Seit gut zehn Minuten

observieren sie nun den heruntergekom-

menen Pick-up in 100 Meter Entfernung.

Dann tut sich was. Als der Wind dreht,

öffnet Hauptfeldwebel Egon K.* das Fens-

ter seines Spezialfahrzeugs einen Spalt.

Jetzt kann Clóe die Zielperson zwar

immer noch nicht sehen, dafür aber rie-

chen. Clóe ist ein sogenannter Malinois,

die kurzhaarige Variante des Belgischen

Schäferhunds. „Die wollen immer arbei-

ten“, sagt der Hauptfeldwebel. „Deshalb

sind sie erste Wahl für den Einsatz von

Spezialdiensthunden.“ Mustafa G.*, die

Zielperson, ist den afghanischen Behör-

den schon länger bekannt. Er gilt als

mutmaßlicher Dschihadist. G. fuhr nach

Pakistan, besuchte drei Monate lang eine

Taliban-Schule und hielt sich anschlie-

ßend in einem Ausbildungslager in Afgha-

nistan auf. Im Camp lernte er, Sprengstoff

herzustellen und mit Waffen umzugehen.

Spezialisten auf vier Pfoten„Wir müssen davon ausgehen, dass er

bewaffnet ist und Sprengstoff mit sich

führt. Deshalb ist Clóe unser bevorzug-

tes Einsatzmittel, noch vor der Schuss-

waffe“, sagt Hauptfeldwebel K. Jeder

hier im Team hat eine präzise Funktion,

auch Clóe. Als Diensthund der Bundes-

wehr begleitet sie jenen Trupp Soldaten,

der den Auftrag hat, Mustafa G. in einer

Hunde sind für Soldaten mitunter die besseren Kameraden. Sie erschnüffeln Sprengstoffe, stellen Zielpersonen oder halten Wache. Die Bundeswehr trainiert ihre VIERBEINER UND

HUNDEFÜHRER an einer eigenen Schule – von da an gehen sie viele Jahre gemeinsam durch dick und dünn.

Text: Björn Wölke Fotos: Matthias Jung

PANORAMA MILITÄRHUNDE

Blitzaktion dingfest zu machen. Dafür

haben sie sich schwer bewaffnet an die-

ser viel befahrenen Straße, einige Kilome-

ter außerhalb Kabuls, postiert. Clóe hat

ihr ganzes Leben lang auf Momente wie

diesen hintrainiert. Zuletzt durchlief die

5,5 Jahre alte Hündin eine zehnmonati-

ge Spezialausbildung zum Zugriffsdienst-

hund an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr (SDstHundeBw). Klingt

nach sperrigem Beamtendeutsch, ist aber

üblicher Bundeswehr- Jargon. Die SDst-

HundeBw liegt im rheinland-pfälzischen

Ulmen, etwa 60 Kilometer südwestlich

von Koblenz – mitten im Wald. Auf einer

Fläche von knapp 70.000 Quadratmeter

werden hier jährlich 50 bis 70 Diensthun-

de und ebenso viele Diensthundeführer

ausgebildet. Dafür hat man ein ehemali-

ges Munitionsdepot samt der 51 Bunker

in ein Ausbildungszentrum umgebaut

und spezielle Übungsparcours ange-

legt, die potenzielle Einsatzorte wider-

spiegeln: Gleisanlagen, eine Hausruine

und ein Abwasserkanalsystem; sogar eine

Ziemlich beste Freunde

Unzertrennlich:Hauptfeldwebel Egon K.* und sein Diensthund Clóe

während einer Trainingseinheit auf dem Gelände der

Diensthundeschule der Bundeswehr in Ulmen.

Nach Feierabend nimmt er die Belgische Schäferhündin

mit nach Hause – sie ist Teil der Familie

63DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

Fest im Griff: Und auch das Zubeißen will gelernt sein! Die Auslese von Militärhunden gilt als streng. Die Tiere müssen gefestigt sein, ein ausgeprägtes Sozialverhalten haben und sehr selbstbewusst auftreten

Militärhunde sind für Armeen heute

wichtiger denn je64 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Bahnhofsvorhalle und Gepäckabfertigung

gibt es hier. In den Bunkern werden nicht

nur Grundlagen trainiert. Weiterführen-

de einsatznahe Trainings, das Kernstück

einer jeden Spezialausbildung, müssen

an möglichst vielen verschiedenen Plät-

zen (Städten, Bahnhöfen, Fabrikgelän-

den, Einkaufszentren etc.) stattfinden,

um den Vierbeinern die für die verschie-

denen Einsatzmuster relevanten Bilder

mit auf den Weg zu geben – Gefechtsge-

räusche inklusive.

Hunde wie Clóe sind für Militärs heu-

te wichtiger denn je. In den Krisenher-

den dieser Welt sind die Gegner oft keine

regulären und offen auftretenden Trup-

pen mehr, sondern eher Rebellen oder

Einzeltäter, die improvisierte Sprengfal-

len in Hinterhalten jeglicher Art platzie-

ren. „So können wir unsere Kameraden

zu jeder Tages- und Nachtzeit effek-

punkt auf der Technik – und das, obwohl

sie nicht immer alles lösen kann“, sagt

Hampel. Für die Zukunft wünsche er sich

deshalb eine gegenläufige Entwicklung.

Unglaublich effektive TiereOberfeldveterinär Hampel weiß, welch

unglaublich effektives Werkzeug ihm am

Ende einer solchen Ausbildung zur Ver-

fügung steht: hoch konzentrierte Tie-

re, die blitzschnell agieren und Aufträ-

ge auf den Punkt genau ausführen. Ein

Minenspürhund muss ohne zu zögern

kleine (wenige Gramm) bis große Men-

gen (100 Kilogramm und mehr) der übli-

chen Stoffe anzeigen können. Der Nach-

wuchs an Diensthunden wird entweder

von außen angekauft oder stammt aus der

eigenen Zucht. Hier, in der Eifel, findet

eine strenge Auslese statt, denn an einen

Spezialdiensthund werden besonders

hohe Anforderungen gestellt. „Die Tie-

re müssen gefestigt sein, ein ausgepräg-

tes Sozialverhalten haben und sehr selbst-

bewusst auftreten“, so Hampel. Manche

Tierschützer betrachten diesen anerzoge-

tiv schützen“, sagt dazu Oberfeldveteri-

när Dr. Stefan Hampel, Kommandeur

der Diensthundeschule in Ulmen. „Kei-

ne Technik dieser Welt übertrifft Hun-

de darin, derartige Gefahren anzuzeigen.

Welches Gerät kann schon Sprengstoffe

detektieren, laut bellen und auf Kom-

mando zubeißen?!“ Die Bundeswehr

beschäftigt mehrere Hundert dieser Tie-

re. Die genaue Zahl derer, die sich der-

zeit in Krisengebieten befindet, möch-

te Hampel lieber nicht verraten. Nur so

viel: „Es sind alle sieben Diensthundety-

pen, die wir hier ausbilden, im Einsatz.“

Seit Deutschland auch an Auslandsein-

sätzen teilnimmt, müssen die Vierbeiner

allerdings deutlich mehr leisten, als nur

die eigene Kaserne zu bewachen. Wur-

den früher fast ausschließlich Wachbe-

gleithunde ausgebildet, stehen heute Spe-

zialdiensthundeteams im Mittelpunkt.

Warum nutzt man sie nicht wesentlich

häufiger? „Die Einsatzrealität hat zwar

gezeigt, dass solche Gespanne wirksam

sind, doch noch immer liegt der Schwer-

PANORAMA MILITÄRHUNDE

Militärübung mit Zugriffshund: Am Ende der Ausbildung können die

Vierbeiner blitzschnell agieren und Befehle auf den Punkt genau ausführen –

bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg

OberfeldveterinärDr. Stefan Hampelleitet seit 2016 die Diensthundeschule der Bundeswehr in Ulmen. Unter seiner Ägide werden hier jährlich 50 bis 70 Tiere ausgebildet

65DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

nen Gehorsam mit Argwohn. Sie wissen,

wie schwer es ist, Hunden etwas beizu-

bringen. Wie bringt man also junge Hun-

de dazu, Sprengstoffe zu suchen und auch

zu finden? Motiviert werden sie vor allem

spielerisch. „Das ist das A und O“, sagt

Hampel. Zudem müsse jeder Ausbildungs-

abschnitt so angelegt sein, dass die Tiere

auf jeden Fall zum Erfolg kommen, qua-

si als Sieger vom Platz gehen, und dafür

immer belohnt werden.

Ziel ist es, dass Diensthundeführer

und Vierbeiner nach Ende der Ausbildung

ein zuverlässiges Gespann bilden, das den

jeweiligen Auftrag sicher ausführt. Dabei

müssen die Hunde selbst unter größtem

Stress und binnen Sekunden Minen, Waf-

fen oder Munition finden. Sie sollen in

ein Gebäude oder Fahrzeug eindringen

und Feinde überwältigen können. Nicht

immer dürfen die Tiere zubeißen, manch-

mal reicht ein Verbellen. Für solche

Ergebnisse braucht es eine gehörige Por-

tion Vertrauen – auf beiden Seiten: auf der

des Tieres und des Hundeführers. Dafür

gehen sie tagein, tagaus durch dick und

dünn. „Mit meinem Diensthund verbrin-

ge ich mehr Zeit als mit meiner Familie“,

sagt einer der Ausbilder an der SDstHun-

deBw. „Die täglich mehrstündigen Trai-

nings schweißen zusätzlich zusammen.“

„Mit unseren sieben Diensthundetypen zählen wir heute zur Weltspitze“

Oberfeldveterinär Stefan Hampel, Leiter der SDstHundeBw

Sechs auf einen Streich: Die eigene Zucht ermöglicht der Bundeswehr, ihre Hunde von klein auf optimal auszubilden

DRÄGERHEFT 404 | 2 / 201866

PANORAMA MILITÄRHUNDE

Krieg im Kopf:Viele Soldaten, die an posttraumatischen Belastungs-störungen leiden, scheitern oft im Alltag. Doch es gibt eine wirksame Therapie: Sie bellt und hat vier Beine.www.draeger.com/404-66

Die Tiere leben in der Regel bei ihren

Diensthundeführern im Haushalt und

sind Teil der Familie. Allein die Grund-

ausbildung eines jungen Hundes dauert

mehrere Monate, in denen er an seine

künftigen Aufgaben herangeführt wird.

Danach absolvieren die Tiere mehrmona-

tige Spezialkurse zum Feldjäger-Spreng-

stoff- oder Rauschgiftspürhund, zum

Diensthund der Objektschutzkräfte der

Luftwaffe sowie der Spezialkräfte oder

zum Kampfmittel- oder Minenspürhund.

Dem Grundlehrgang und dieser soge-

nannten „spezialisierten Ausbildung“ fol-

gen regelmäßige jährliche Überprüfun-

gen. In der Regel ist ein Hund fünf Jahre

im aktiven Dienst.

Die aufwendigen und intensiven Trai-

nings zahlen sich aus. Oberfeldveterinär

Hampel sieht seine Diensthundeschule

im internationalen Vergleich gut aufge-

stellt. „Wir haben in den vergangenen

Jahren verschiedene Einsatzmuster ent-

wickelt und zählen heute zur Weltspitze.

Nicht, was die Masse der Diensthunde

angeht, aber was deren Fähigkeiten

betrifft.“ Stillstand gibt es für ihn nicht.

Alles sei ein dynamischer Prozess. „Wir

stehen im regelmäßigen Austausch mit

den Militärdiensthunde-Einheiten ande-

rer Länder und entwickeln auf dieser

Basis die jeweiligen Muster weiter.“ Bis-

lang seien noch keine deutschen Hun-

de im Einsatz gestorben, sagt Hampel.

Sollte doch einmal etwas passieren, sich

ein Vierbeiner etwa im Training verlet-

zen, unterhält die Diensthundeschule in

Ulmen eine eigene Klinik. Sie ist zentral

verantwortlich für die veterinärmedizi-

nische Betreuung und Versorgung aller

Diensthunde der Bundeswehr. Tierärz-

te und Tierpfleger kümmern sich um

das Wohlergehen der Vierbeiner: von der

Ernährung über Zahnerhalt und Zahn-

aufbau (sogar Überkronungen!) bis hin

zu kniffligen operativen Eingriffen. Im

Operationssaal werden verschiedene

Dräger-Produkte genutzt, unter ande-

rem OP-Leuchten – und auch das Gas-

management stammt aus Lübeck. Wenn

ein Diensthund seine Zeit abgeleistet hat,

zieht er oft als Privatier bei seinem Hun-

deführer ein. Die Bindung zwischen den

beiden ist nach der jahrelangen Zusam-

menarbeit so eng und vertraut, dass der

Hundeführer seinen Gefährten adoptiert,

sobald der aus Gesundheits- oder Alters-

gründen aus dem Dienst genommen

wird. Andere kommen zurück in die Hun-

deschule – hier werden sie weiterhin ver-

sorgt und auch an Zivilisten vermittelt.

Ausgezeichneter SchnüfflerDavon ist Clóe, die 5,5 Jahre alte Hündin,

noch weit entfernt. Dass sie die Zielperson

auf 100 Meter Entfernung riechen kann,

liegt an ihrer guten Nase. Die besitzt rund

200 Millionen Riechzellen, eine mensch-

liche hat nur einen Bruchteil davon. Als

Hauptfeldwebel K. die Seitentür seines

Fahrzeugs öffnet und den Befehl gibt, geht

alles ganz schnell – mit rund 40 Sachen

nimmt Clóe Kurs auf den Pick-up. Weni-

ge Meter davor springt sie mit einem Satz

durch das offene Fenster und verbeißt

sich im rechten Unterarm von Mustafa

G. Die herannahenden Bundeswehrsolda-

ten haben leichtes Spiel. Gibt es eigentlich

einen Orden für Diensthunde der Bun-

deswehr? „Nein, den gibt es im Moment

nicht“, sagt Oberfeldveterinär Dr. Stefan

Hampel. „Aber wir arbeiten da ran.“ Clóe

hätte ihn vermutlich verdient.

In guten Händen: Tierärzte und -pfleger kümmern sich in der Diensthundeklinik

um das Wohlergehen der Vierbeiner: von der Ernährung über Zahnerhalt und Zahnaufbau

bis hin zu kniffligen Operationen

67DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

68 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Brodelnde Vulkane gehören auf Hawaii zum Alltag. Die örtliche Feuerwehr setzt seit den jüngsten Eruptionen auch auf TRAGBARE GASMESSTECHNIK von Dräger.

Text: Steffan Heuer

HOTSPOT

Im Fluss: Nur wenige Vulkane auf der Erde sind so aktiv wie der Kilauea auf Hawaii. Seine Lavaströme und Asche-regen haben in diesem Jahr schon Tausende in die Flucht geschlagen

VULKANE ARBEITSSCHUTZ

69DRÄGERHEFT 404 | 2/ 2018

im Pazifik

Darwin Okinaka ist auf Hawaiis Big Island geboren und groß

geworden. Als Einheimischer weiß er von Kindesbeinen an, dass

das Paradies unter Palmen auf Feuer gebaut ist. „Spätestens seit

der Grundschule war mir klar, dass es mindestens einen aktiven

Vulkan auf unserer Insel gibt“, sagt Okinaka, der sich als Feuer-

wehrmann inzwischen hauptberuflich mit Brandherden jeglicher

Art befasst. „Der kann jederzeit ausbrechen, aber auf dieses Aus-

maß vulkanischer Aktivität waren wir nicht gefasst.“

Damit meint der Chef der örtlichen Feuerwehr die Eruption

des Vulkans Kilauea, der seit Anfang Mai 2018 mit Lavaströmen

und Ascheregen entlang seiner Ostflanke mehr als 700 Häuser

zerstört und Tausende Menschen in die Flucht geschlagen hat.

Das hawaiische Wort kilauea steht übrigens für „spucken“ oder

„viel verbreiten“. Geologen und Vulkanologen vermögen trotz

moderner Seismografen und Computermodelle nicht zu sagen,

wie lange die Eruptionen andauern oder wann sie (nach einer

relativen Ruhephase) wieder an Intensität zunehmen werden.

Doch sie wissen, dass sie den Kilauea mit einem dichten Netz aus

Messstationen und Sensoren im Auge behalten müssen – weil es

inzwischen immer mehr Siedlungen in unmittelbarer Nähe des

Vulkans gibt und aus den alten wie neu aufbrechenden Spalten

Gase austreten. Allen voran das unsichtbare Schwefeldioxid (SO2).

Die Gase bedrohen auch weiter entfernte Ortschaften. Doch ohne

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ARBEITSSCHUTZ VULKANE

70 DRÄGERHEFT 404 | 2 / 2018

Zurückbleiben! Mehr als 700 Häuser sind dem Vulkan Kilauea seit Mai 2018 zum Opfer gefallen. Hawaiis Feuerwehr ist seitdem auch mit tragbaren Gasmessgeräten von Dräger im Einsatz

gewaltige Vulkanausbrüche gäbe es Hawaii gar nicht. Die acht

Hauptinseln (und viele kleinere Eilande) verdanken ihre Entste-

hung der Magma im flüssigen Erdinneren, die sich aus einem per-

manenten Hotspot unter der langsam wandernden pazifischen

Platte einen Weg an die Oberfläche bahnt.

Aschewolke zog 3.700 Kilometer südwestwärtsDas Ergebnis sind sogenannte Schildvulkane: gewaltige Berge

aus erkalteter Lava, die vom kilometertiefen Meeresgrund in den

Himmel ragen. Damit sind Hawaiis Gipfel streng genommen die

höchsten der Welt. Der Vulkan Mauna Kea nördlich des Kilauea

misst zwar nur 4.205 Meter über dem Meeresspiegel, doch von sei-

ner Basis im Ozean gerechnet bringt er es auf rund 10.200 Meter.

Damit stellt er selbst den Mount Everest (8.848 Meter) in den

Schatten. Von allen Vulkanen auf der Inselkette hat bislang aller-

dings keiner so viel Verwüstung angerichtet wie der Kilauea. Sein

letzter großer Ausbruch Ende des 18. Jahrhunderts kostete meh-

rere Hundert Menschenleben. „Der Kilauea macht keine Anzei-

chen, sich in absehbarer Zeit wieder zu beruhigen – und seine

Umgebung ist längst keine abgelegene Gegend mehr“, gibt Oki-

naka zu bedenken. Umso wichtiger sei es, dass Vulkanologen,

die Umweltschutzbehörde und das Gesundheitsministerium des

Staates Hawaii Sensoren rund um den Vulkan aufgestellt haben,

die die Konzentration mehrerer Gase erfassen und die Bevölke-

rung darüber informieren. Auf dem offiziellen Hawaii Interagen-cy Vog Information Dashboard etwa kann man in Echtzeit den

Vog verfolgen: giftigen Vulkan-Smog aus Wasserdampf, Kohlen-

und Schwefeldioxid. Wird SO2 in die Atmosphäre geschleudert,

reagiert es dort mit Sauerstoff, Wasserdampf und Sonnenlicht.

Feinstaubpartikel bilden sich, die je nach Windrichtung auch

andere Inseln erreichen können. So hatte der Vulkan-Smog des

jüngsten Ausbruchs auf Hawaii innerhalb eines Monats bereits

die 3.700 Kilometer entfernten Marshallinseln erreicht.

Wissenschaftler der Universität von Hawaii in Manoa haben

zum Studium der Kilauea-Ausbrüche in den Jahren 1983 und

2008 das Vog Measurement and Prediction Project (VMAP) ein-

gerichtet, um eine möglichst genaue Vorhersage der giftigen

Mischung zu ermöglichen. Ständig aktualisierte Angaben über

die allgemeine Luftqualität und SO2-Konzentration bieten auch

die US-Umweltschutzbehörde (EPA) sowie das Gesundheitsminis-

terium Hawaiis auf den eigenen Webseiten. So wichtig die Mess-

stationen von Behörden und Wissenschaftlern auch sind: Ersthel-

fer wie Okinaka benötigen präzise und verlässliche Informationen

über gefährliche Gase an ihrem jeweiligen Einsatzort. Deswegen

besitzt die Feuerwehr auf der Hauptinsel seit Mai 2018 insgesamt

zehn tragbare Dräger-Gasmessgeräte (Typ: X-am 5000). Das vor

Wasser und Staub geschützte Gerät in Handygröße kann bis zu

fünf Gase gleichzeitig messen.

„Beim letzten Ausbruch vor zehn Jahren, als Teile des Zentral-

kraters einstürzten und es hohe SO2-Werte in der Umgebungsluft

gab, bekamen wir Leihgeräte vom Zivilschutz, die wir längst wie-

der zurückgegeben hatten“, erinnert sich Okinaka. „Jetzt haben

wir endlich eigene, tragbare Geräte, die man an seine Feuer-

wehrjacke hängen kann und so immer bei sich hat. Sie warnen

optisch, akustisch und haptisch (durch Vibration), wenn Gefahr

droht. Das ist beruhigend und bequem zugleich.“ Am wichtigs-

ten ist für den Feuerwehrmann dabei der SO2-Sensor des Geräts.

Okinaka hat die zehn Messgeräte auf jene zehn Feuerwachen

auf Big Island verteilt, die entweder in unmittelbarer Nähe des

Kilauea liegen oder aufgrund der Windrichtung am stärksten von

Gasen und Vog betroffen sind. So teilen sich rund 60 Feuerwehr-

leute in drei Schichten die Geräte. „Keiner weiß, wie lange der

Kilauea aktiv bleibt“, sagt Okinaka. „Aber wir müssen uns lang-

fristig da rauf einstellen, auf alles vorbereitet zu sein.“

Eruptionen gehören hier zum Alltag

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INFOS SERVICE

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Was wir beitragenEinige PRODUKTE dieser Aus gabe finden sich hier im Überblick – in der Reihenfolge ihres Erscheinens. Zu jedem Produkt gehört ein QR-Code, der sich mit einem Smartphone oder Tablet scannen lässt. Danach öffnet sich die jeweilige Produkt-information. Haben Sie Fragen zu einem Gerät oder zum Drägerheft? Dann schreiben Sie uns: [email protected]

X-plore 3500Diese Halbmaske ist für dauerhafte und anspruchsvolle Einsätze erste Wahl.Seite 12

X-am 8000Das 1- bis 7-Gasmessgerät misst toxische und brennbare Gase sowie Dämpfe und Sauerstoff gleichzeitig – im Pumpen- oder Diffusionsbetrieb.Seite 12

MRC 5000 Diese Flucht- und Rettungs-kammer verfügt über redundant ausgelegte Atemluftsysteme und gewährleistet so eine Versorgung mit reiner Atemluft unter Tage.Seite 12

Fabius Tiro Dieser kompakte Anästhesie-arbeitsplatz eignet sich gut für beengte Raumverhältnisse (bspw. Einleitungsräume).Seite 24

Alcotest 5820 Mithilfe dieses Gerätes lassen sich Atemalkoholkontrollen unkompliziert durchführen – es kann auch passiv messen (ohne Mundstück).Seite 55

MovitaDiese Deckenversorgungseinheit bietet verschiedene Positio-nierungsmöglichkeiten für den OP- und Intensiv-Arbeitsplatz.Seite 58

Polaris 600Diese OP-Leuchte bietet eine intuitive Steuerung, vielseitige Einstellungsmöglichkeiten und einfach gutes Licht.Seite 58

EINBLICK MOBILE GASMESSTECHNIK

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An bestimmten Arbeitsplätzen, etwa

an Hochöfen, gibt es neben sichtbaren

Gefahren auch unsichtbare: zum

Beispiel Kohlenmonoxid (CO). Vom

Menschen unbemerkt unterbindet das

Gas den Sauerstofftransport des Blutes,

was zu Bewusstlosigkeit und sogar

zum Tode führen kann. Sauerstoff (O2)

wiederum kann eine zu geringe

Konzentration in der Atemluft aufwei-

sen. Vor beiden Gefahren warnt dieses

Doppelt geschützt

Zweigasmessgerät optisch mit einer

Rundumleuchte 1 , akustisch mittels

Alarm 2 (in der durchdringenden

Lautstärke von 90 dB(A)) sowie mecha-

nisch über Vibration. Als Teil der

persönlichen Schutzausrüstung wird

das Dräger Pac 8500 mit einer fest

schließenden Krokodilklemme ( 3 ;

Rückseite) auf Brusthöhe an der Arbeits-

kleidung befestigt. Nach Einschalten

der OK-Taste 4 misst der – hinter dem

auswechselbaren Schutzfi lter 5 liegen-

de – Sensor die Konzentrationswerte

von O2 und CO (oder – bei einer anderen

Version des Pac 8500 – Schwefelwasser-

stoff und CO). Um welche Ausführung

es sich handelt, lässt sich an den Farb-

fl ächen ( 6 und 7 ) ablesen – ebenso

wie dessen grundsätzliche Einsatzbereit-

schaft 8 . Erreichen die Zielgase einen

der zwei (bzw. bei Sauerstoff vier)

festgelegten – zudem individuell einstell-

baren – Schwellenwerte, warnt der Drei-

fach-Alarm. Der Träger muss dann

geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen.

Das Display 9 zeigt das signalisierte

Gas 10 , dessen Konzentration 11 sowie

den Zustand der Spezialbatterie 12 an,

die je nach Gerätetyp einen Betrieb von

einem bzw. zwei Jahren sicherstellt.

Eine vom Kunden auswechselbare Hoch-

leistungsbatterie zu verwenden war

eine der Forderungen von Anwendern,

die nur auf diese Weise etwa die Einhal-

tung des Explosionsschutzes gewähr-

leistet sehen. Das Gehäuse 13 ist staub-

und wasserdicht (nach Schutzklasse

IP68). Bestimmte Funktionen und

Anzeigen lassen sich über die Menütaste

14 ansteuern.

Nicht zu übersehen und unüberhörbar:

Optisch wie akustisch warnt die-

ses Gasmessgerät seinen Träger vor

zu wenig Sauerstoff oder zu viel Koh-lenmonoxid in der

Umgebungsluft

hält besser

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